Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2012 - 3 StR 425/11

bei uns veröffentlicht am01.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 425/11
vom
1. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. März 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. Juli 2011 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Nebenkläger , die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO), aber unbegründet. Auch die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seine Ehefrau am Morgen des 26. Oktober 2010 neben ihrem Pkw mit einem Küchenmesser. Im Einzelnen:
3
Nach ehelichen Streitigkeiten, die zwar nie zu Tätlichkeiten führten, indes mehrfach zur Folge hatten, dass die Geschädigte zu ihren Eltern zog, nahm diese - ohne Kenntnis des Angeklagten - ein intimes Verhältnis zu einem seiner Bekannten auf und bezog im August 2010 eine eigene Wohnung. Der Angeklagte wurde von diesem Verhalten seiner Ehefrau völlig überrascht.
4
In den folgenden Wochen kam es mehrfach zu Versöhnungen und erneuten Trennungen der Eheleute. Dabei verhielt sich insbesondere das Opfer sehr wechselhaft, während der Angeklagte zwar in den Trennungsphasen mit einer anderen Frau zusammentraf, aber stets bereit war, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Nachdem die Geschädigte am 16. Oktober 2010 ihre Wohnung gekündigt hatte und wieder in die eheliche Wohnung eingezogen war, eröffnete sie dem Angeklagten schon zwei Tage später, wer ihr Liebhaber ist und dass sie diesen liebe. Dieser sei ein besserer Mensch und dem Angeklagten in allem überlegen. Die Geschädigte verließ den Angeklagten sodann endgültig und bezog erneut ihre Wohnung.
5
In der Folgezeit versuchte der Angeklagte immer wieder seine Ehefrau telefonisch zu erreichen, erschien vor ihrer Wohnung sowie an ihrer Arbeitsstelle und beobachtete sie. Einige Tage vor der Tat verbot die Geschädigte dem Angeklagten, der morgens vor ihrem Haus auf sie gewartet hatte, sie an ihrem Arbeitsplatz und auch bei anderen Gelegenheiten aufzusuchen.
6
In den Tagen vor der Tat beobachtete der Angeklagte weiterhin die Wohnung seiner Ehefrau auch von einem Baum aus. Er stellte dabei fest, dass das Kraftfahrzeug des neuen Partners seiner Frau in deren Garage stand und seine Tochter mit ihrer Familie einen Abend mit der Geschädigten und deren neuen Partner verbrachte. Am Abend vor der Tat sah der Angeklagte - erneut von einem Baum aus -, dass der neue Partner seiner Ehefrau das Haus betrat und war davon überzeugt zu erkennen, dass es im Wohnzimmer zu sexuellen Handlungen zwischen den beiden kam.
7
Die Nacht vor der Tat verbrachte der Angeklagte unruhig, stand gegen fünf Uhr auf und beschloss, nochmals eine Begegnung mit seiner Ehefrau herbeizuführen und mit ihr über ihre Beziehung zu reden. Beim Verlassen seines Hauses nahm er schwarze Lederhandschuhe mit und steckte ein Küchenmesser mit einer 19 cm langen Klinge in seine Jackentasche, um seine Ehefrau zu töten, falls das Gespräch mit ihr "nicht in seinem Sinne" verlaufen werde. Der Angeklagte stellte seinen Pkw auf einem in der Nähe des Wohnhauses seiner Ehefrau gelegenen Parkplatz ab, ging sodann durch ein kleines Wäldchen in Richtung des Hauses und wartete im Schutz der Bäume zunächst darauf, dass das Licht in der Wohnung seiner Frau anging. Als dies der Fall war, begab er sich zu den jenseits der Auffahrt liegenden Garagen, in deren Nähe die Geschädigte ihren Pkw im Freien geparkt hatte. Der Angeklagte versteckte sich in einem Gebüsch und wartete dort auf seine Frau, um sie zu überraschen, weil er befürchtete, dass sie sofort umkehren würde, falls sie ihn entdeckte. Gegen sechs Uhr verließ diese das Haus, ging zu ihrem Fahrzeug, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Erst in diesem Moment verließ der Angeklagte sein Versteck, lief wenige Meter zum Auto, öffnete die Beifahrertür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Seine Frau erschrak zunächst, begann aber - nachdem sie ihren Mann erkannt hatte, von dem sie nichts Gewalttätiges erwartete - eine lautstarke verbale Auseinandersetzung mit ihm. Sie forderte den Angeklagten auf, sie in Ruhe zu lassen, sie liebe ihren neuen Partner und er habe das gefälligst zu akzeptieren. Der Angeklagte verließ das Fahrzeug gleichwohl nicht und die beiden schrien sich gegenseitig an. Am Ende äußerte die Geschädigte: "Verpiss dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist tausendmal besser als du und zwar auch im Bett!" Der Angeklagte wurde daraufhin äußerst wütend und schlug seine Ehefrau, die aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit ihm (weiterhin) nicht mit einem Angriff rechnete, mit der rechten Faust ins Gesicht. Sie schrie weiter und er schlug mehrfach auf sie ein. Während der Auseinandersetzung zog der beträchtlich affektiv aufgeladene , in seiner Steuerungsfähigkeit aber nicht beeinträchtigte Angeklagte - "in dem sich nunmehr realisierenden Entschluss, sie zu töten" - das Küchenmesser aus der Jackentasche und begann auf seine Frau einzustechen. Sein Opfer versuchte, die Stiche mit den Händen abzuwehren und trug bereits zu diesem Zeitpunkt durch das Messer mindestens eine blutende Verletzung davon. Im weiteren Verlauf gelang es der Geschädigten, die Fahrertür zu öffnen und aus dem Auto zu entkommen. Der Angeklagte folgte ihr indes unmittelbar ebenfalls durch die Fahrertür und brachte seine Frau, die bis dahin im Wesentlichen Blutergüsse am Kopf und einen Nasenbeinbruch erlitten hatte, neben dem Fahrzeug zu Boden. Sodann fügte er seinem Opfer - weiterhin um es zu töten - eine tiefe, bis an die Wirbelsäule heranreichende Schnittverletzung am Hals zu, die dazu führte, dass die Ehefrau des Angeklagten innerhalb kurzer Zeit an Ort und Stelle verblutete.
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I. Revision der Nebenkläger
9
1. Die Verfahrensbeanstandung bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwaltes ohne Erfolg.
10
2. Die aufgrund der Sachbeschwerde der Nebenkläger veranlasste Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erbracht.
11
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes hat das Landgericht verneint, weil weder eine Tötung aus niedrigen Beweggründen noch eine heimtückische Begehungsweise im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB vorliege.
12
a) Die Ablehnung niedriger Beweggründe hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:
13
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB aus krankhaft übersteigerter Eifersucht oder zur Verhinderung der Trennung seitens der Partnerin seien nicht erfüllt. Die Kammer sehe hier vielmehr ein facettenreiches Motivbündel. Das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau habe in den letzten Wochen vor der Tat einer "emotionalen Achterbahnfahrt" geglichen. Die Beziehung zwischen den Eheleuten sei von heftigen Streitigkeiten geprägt gewesen, die mit intensiven Versöhnungen abwechselten. Schließlich hätten die Konflikte in der Eröffnung der Ehefrau gegipfelt, sie habe einen anderen Mann. Der Angeklagte habe mithin begründeten Anlass zur Eifersucht gehabt, verbunden mit der Erkenntnis und der Angst, nunmehr endgültig von seiner Ehefrau verlassen zu werden, sei aber auch enttäuscht und verzweifelt über das unwiderrufliche Ende seiner bisherigen Lebens- und Familienverhältnisse und insbesondere über das Verhalten seiner Tochter gewesen. Diese Beweggründe stünden nach all- gemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe und würden nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; vielmehr habe sich der Angeklagte aus einem in gewisser Weise noch emotional nachvollziehbaren Konglomerat aus Eifersucht, Enttäuschung, großer Verzweiflung, narzisstisch geprägter Wut, aber auch aus endgültiger Verlustangst zur Tat entschlossen.
14
Diese Begründung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen , erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 mwN). Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie - insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung , Wut und Eifersucht sind - in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (st. Rspr.; vgl. Fischer, aaO, Rn. 82 mwN). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 419/06, NStZRR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
15
Daran gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Tötung aus niedrigen Beweggründen angenommen hat. Es hat die für die Beurteilung der Tötungsmotive des Angeklagten erforderliche umfassende Gesamtwürdigung angestellt und dabei alle für die Bewertung seiner Handlungsantriebe bedeutsamen Umstände berücksichtigt. Gegen das vom Landgericht auf diese Weise gewonnene Ergebnis, dass die Beweggründe des Angeklagten nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe stehen, nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb nicht als besonders verachtenswert erscheinen, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
16
b) Einen Heimtückemord hat das Landgericht mit folgenden Ausführungen verneint:
17
Nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen seien bereits die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke. Als der Angeklagte sich am Morgen des 26. Oktober 2010 zu seiner Frau in den Pkw gesetzt habe, habe diese sich zwar offensichtlich keines Angriffs versehen. Nach der Einlassung des Angeklagten habe sich die Gesprächssituation im Fahrzeug für die Eheleute nicht als ungewöhnlich dargestellt, so dass sie über das plötzliche Erscheinen ihres Ehemannes lediglich erschrocken und ungehalten gewesen sei, nicht aber mit Gewalttätigkeiten seinerseits gerechnet habe. In diesem Verhalten (des Ange- klagten) sei aber noch nicht der Beginn der Tötungshandlung zu sehen. Der Angeklagte habe zwar bereits einen bedingten Tatentschluss gefasst gehabt, als er das Küchenmesser eingesteckt habe, weil lediglich die Tatausführung, nicht aber der (grundsätzliche) Wille zur Tat davon abhängig war, wie das von ihm angestrebte Gespräch mit seiner Frau verlaufen werde. Die Schwelle zum "jetzt geht es los", sei nach seinem Tatplan jedoch erst erreicht gewesen, als der Angeklagte das Messer gezogen habe, nachdem es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung und Faustschlägen gekommen sei, durch die das Opfer gleichsam vorgewarnt gewesen sei.
18
Arglosigkeit des Tatopfers sei allerdings auch dann anzunehmen, wenn der überraschende Angriff zwar zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt werde, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlage, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauere, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergehe. Bestehe die Situation völlig unverändert weiter und bleibe dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen, nehme die Tat also vom ersten Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang, so sei das Opfer arglos.
19
Im vorliegenden Fall sei indes nicht sicher festzustellen, wie viel Zeit zwischen dem ersten, auf die Äußerung der Ehefrau hin geführten Faustschlag bis zu dem Moment vergangen sei, als der Angeklagte in Tötungsabsicht das Messer gezogen und damit auf seine Ehefrau eingewirkt habe. Die zahlreichen, von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen dargestellten Hämatome an Kopf und Körper sowie der Nasenbeinbruch ließen durchaus auf eine längere Zeitdauer schließen. Dann sei aber möglich, dass die Angegriffene aufgrund der länger andauernden Tätlichkeiten zum Zeitpunkt des ersten Messereinsatzes gerade nicht mehr arglos gewesen sei. Die Abwehrverletzungen sprächen zudem gegen deren Wehrlosigkeit ebenso wie der Umstand, dass es ihr gelungen sei, aus dem Fahrzeug hinauszukommen, auch wenn sie es nicht geschafft habe, dem Angeklagten endgültig zu entrinnen oder in irgendeiner Form mäßigend auf ihn einzuwirken. Dementsprechend könne nicht festgestellt werden, dass das Opfer zu Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs noch infolge Arglosigkeit wehrlos gewesen sei.
20
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06 mwN). Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (vgl. BGH, Urteile 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 sowie vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vgl. auch schon BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
21
Daran gemessen hat sich das Landgericht mit den Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB rechtsfehlerfrei befasst. Zutreffend hat es zunächst angenommen, dass ein von Tötungsvorsatz getragener Angriff nicht schon beim Einsteigen des Angeklagten in das Fahrzeug vorlag, da er zu diesem Zeitpunkt nur einen bedingten Tötungsentschluss gefasst hatte und es noch offen war, ob die Bedingung für dessen tatsächliche Umsetzung eintreten werde. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch bei den zunächst mit Fäusten verübten Tätlichkeiten gegen seine Ehefrau noch mit Verletzungsvorsatz handelte und erst die sich anschließende Verwendung des Messers von Tötungsvorsatz getragen war. Dabei hat es sich auch mit der Möglichkeit des Vorliegens einer heimtückischen Tötung bei einem überraschenden - mit Körperverletzungsvorsatz geführten - Angriff auseinandergesetzt und einen solchen - auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung - mit tragfähiger Begründung im Hinblick darauf abgelehnt, dass eine längere Zeitspanne zwischen dem ersten, mit Fäusten geführten Angriff des Angeklagten und dem Hervorholen des Messers verstrichen war und es daher möglich erscheint, dass das Opfer beim ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriff nicht (mehr) arglos und - angesichts der Abwehrhandlungen gegen die ersten Messerangriffe und der sich anschließenden, kurzzeitig erfolgreichen Flucht - auch nicht mehr wehrlos war.
22
II. Revision des Angeklagten
23
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erbracht. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Das Landgericht hat bei der - von der Revision im Einzelnen beanstandeten - Strafrahmenwahl das Vorliegen eines minder schweren Falles des Totschlags gemäß § 213 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
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1. Die Ablehnung des § 213 Alt. 1 StGB hat es wie folgt begründet: Nach dieser Vorschrift wäre ein minder schwerer Fall nur gegeben, wenn der Angeklagte ohne eigene Schuld durch eine ihm zugefügte schwere Beleidigung ("Verpiss Dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist 1000mal besser als Du - und zwar auch im Bett!") von seiner Frau gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden wäre. Im vorliegenden Fall sei bereits fraglich, ob der Angeklagte ohne eigene Schuld gereizt worden sei, da er sich über das Verbot seiner Frau, mit ihr Kontakt aufzunehmen, hinweggesetzt , sie erneut aufgesucht und so selbst zur Verschärfung der Situation beigetragen habe. Jedenfalls sei er aber durch die Äußerungen seiner Frau nicht auf der Stelle zur Tat "hingerissen" worden. Vielmehr sei er von vornherein auf eine mögliche Konfrontation mit ihr eingestellt gewesen, er habe sie sogar mit dem bedingten Tatentschluss aufgesucht, sie zu töten, wenn das Gespräch nicht in seinem Sinne verlaufe. Bei dieser Sachlage fehle es an dem gebotenen "motivationspsychologischen Zusammenhang" zwischen der Beleidigung und der Tötungshandlung.
25
Diese Begründung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Landgericht bereits den erforderlichen Motivationszusammenhang zwi- schen der den Angeklagten zurückweisenden und abwertenden Äußerung und der Tötungshandlung verneint (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 17 f. und Beschluss vom 26. Juli 1994 - 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83). Außerdem stellt sich das Verhalten der Geschädigten nach den Feststellungen auch nicht als eine Provokation dar, die angesichts der gesamten Umstände ohne eigene Schuld des Angeklagten geschehen wäre: Nach dessen umfangreichen Nachstellungen hatte die Geschädigte dem Angeklagten schließlich kurz vor der Tat untersagt, mit ihr in Kontakt zu treten. Dies hat er am Tattag missachtet und ist dabei in einer Art und Weise vorgegangen, die seine Frau überraschte und erschreckte sowie ihr keine Möglichkeit ließ, der Konfrontation mit ihm zu entgehen. Der Aufforderung der Geschädigten, ihr Fahrzeug zu verlassen, kam er nicht nach. Dass die Geschädigte aufgrund dieser vom Angeklagten geschaffenen, ihr aufgezwungenen Situation erbost war und den Angeklagten anschrie sowie beschimpfte, ist daher maßgeblich auf das rücksichtslose Verhalten des Angeklagten zurückzuführen und stellt bei wertender Betrachtung eine verständliche Reaktion der Geschädigten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 221/88, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Verschulden 1).
26
2. Bei der Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB hat sich die Kammer von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
27
Einerseits seien der unglückselige Verlauf der Beziehung zwischen den Eheleuten im Vorfeld und die hohe affektive Aufladung des Angeklagten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass er sich nach der Tat selbst gestellt und ein Geständnis abgelegt habe, außerdem, dass er nicht vorbestraft sei und Reue für seine Tat bekundet habe, die auch in dem Suizidversuch zu Tage getreten sei. Andererseits falle ganz erheblich ins Gewicht, dass es sich nicht um eine Spontantat gehandelt habe; vielmehr habe der Angeklagte bereits am frühen Morgen den Tatentschluss gefasst und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Daneben seien die der beabsichtigten Tötungshandlung vorgelagerten zahlreichen Verletzungen zu sehen, die allerdings keinen eigenständigen Tatbestand erfüllten. Bei Abwägung dieser Umstände sei die Anwendung des Normalstrafrahmens mit Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren nicht unverhältnismäßig.
28
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Bei Annahme oder Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB kommt es auf eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände an (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; Fischer, aaO, § 213 Rn. 12 ff. mwN). Dies hat das Landgericht beachtet und bei seiner Würdigung keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Auch die Revision des Angeklagten zeigt durchgreifende Rechtsfehler des Landgerichts bei der Strafrahmenwahl nicht auf. Allein die - vom Landgericht berücksichtigte - Äußerung der Geschädigten, dass ihr Liebhaber "auch im Bett" tausendmal besser sei als der Angeklagte, zwingt hier nicht zur Bewertung der Tat als minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB.
29
3. Schließlich begegnet auch die Zumessung der konkreten Strafe keinen rechtlichen Bedenken.
Becker Hubert Schäfer Mayer Menges

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2012 - 3 StR 425/11

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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Strafprozeßordnung - StPO | § 400 Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers


(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt. (2) De
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Strafprozeßordnung - StPO | § 401 Einlegung eines Rechtsmittels durch den Nebenkläger


(1) Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen. Geschieht der Anschluß nach ergangenem Urteil zur Einlegung eines Rechtsmittels, so ist dem Nebenkläger das angefochtene Urteil sofort zuzustellen. Die Fri

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Aug. 2012 - 4 StR 84/12

bei uns veröffentlicht am 30.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 84/12 vom 30. August 2012 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August 2012, an der teilgenommen haben: Ric

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 4 StR 393/19

bei uns veröffentlicht am 24.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 393/19 vom 24. Oktober 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:241019B4STR393.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des.

Referenzen

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

(1) Der Rechtsmittel kann sich der Nebenkläger unabhängig von der Staatsanwaltschaft bedienen. Geschieht der Anschluß nach ergangenem Urteil zur Einlegung eines Rechtsmittels, so ist dem Nebenkläger das angefochtene Urteil sofort zuzustellen. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels beginnt mit Ablauf der für die Staatsanwaltschaft laufenden Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn das Urteil dem Nebenkläger noch nicht zugestellt war, mit der Zustellung des Urteils an ihn auch dann, wenn eine Entscheidung über die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschluß noch nicht ergangen ist.

(2) War der Nebenkläger in der Hauptverhandlung anwesend oder durch einen Anwalt vertreten, so beginnt für ihn die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels auch dann mit der Verkündung des Urteils, wenn er bei dieser nicht mehr zugegen oder vertreten war; er kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nicht wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung beanspruchen. Ist der Nebenkläger in der Hauptverhandlung überhaupt nicht anwesend oder vertreten gewesen, so beginnt die Frist mit der Zustellung der Urteilsformel an ihn.

(3) Hat allein der Nebenkläger Berufung eingelegt, so ist diese, wenn bei Beginn einer Hauptverhandlung weder der Nebenkläger noch für ihn ein Rechtsanwalt erschienen ist, unbeschadet der Vorschrift des § 301 sofort zu verwerfen. Der Nebenkläger kann binnen einer Woche nach der Versäumung unter den Voraussetzungen der §§ 44 und 45 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen.

(4) Wird auf ein nur von dem Nebenkläger eingelegtes Rechtsmittel die angefochtene Entscheidung aufgehoben, so liegt der Betrieb der Sache wiederum der Staatsanwaltschaft ob.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 180/10
vom
22. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen sowie mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Schuldfähigkeit bestehen,
b) im Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen sowie mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2
Die Verfahrensrüge ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, unbegründet. Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe bezüglich der versuchten Tötung der Zeugin K. begegnet schon in objektiver Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind "niedrig", wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1987 - 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 127; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00, StV 2001, 571).
5
b) Das Landgericht begründet die Annahme, der Angeklagte habe die Zeugin K. aus niedrigen Beweggründen töten wollen, damit, dass der Angeklagte in erster Linie aus krankhaft übersteigerter Eifersucht gehandelt habe. Er habe die Zeugin "als ihm gehörend, als sein Eigentum und damit lediglich als Objekt" betrachtet, "das er bestrafen und lieber tot sehen wollte, als zuzulassen, dass sie ihn noch einmal verließ" (UA 82, 83).
6
Das Landgericht hat dabei nicht bedacht, dass Gefühlsregungen wie Eifersucht , aber auch Rache, Wut und Hass nach ständiger Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1992 - 2 StR 551/91, BGHR § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 22; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00 aaO, jeweils m.w.N.; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 211 Rn. 19 m.w.N.).
7
Die vom Landgericht zum Verhalten der Zeugin K. gegenüber dem Angeklagten getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Bewertung der Eifersucht als "krankhaft übersteigert" nicht, denn danach bestand für den Angeklagten mehrfach begründeter Anlass zur Eifersucht, weil die Zeugin Kontakte zu anderen Männern suchte und sich zweimal wegen einer neuen Bekanntschaft kurzzeitig vom Angeklagten getrennt hatte. Auch während des der Tat vorangegangenen Diskothekenbesuchs, für dessen Kosten - wie stets - der Angeklagte aufkam, flirtete sie intensiv mit dem Zeugen R. , außerdem verursachte sie eine ungewöhnlich hohe Zeche, die nahezu zwei Fünftel des monatlichen Einkommens des Angeklagten betrug. Im Rahmen der Strafzumessung bezeichnet das Landgericht die Empörung des Angeklagten über das Verhalten seiner Verlobten als nachvollziehbar und hält dem zur Tatzeit alkoholisierten Angeklagten zugute, dass dieser sich in einer in gewisser Weise sogar noch verständlichen Aufwallung von Jähzorn, Enttäuschung, Wut aber auch Angst davor, verlassen zu werden, zur Tat entschlossen habe.
8
Diese Erwägungen hätte das Landgericht auch in die Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe einbeziehen müssen. Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
9
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes zum Nachteil des Zeugen R. hat keinen Bestand, weil die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts durch das Landgericht rechtlicher Prüfung nicht standhält.
10
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte seine damalige Verlobte, die Zeugin K. , die nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch infolge einer Kreislaufschwäche auf einem Parkplatzgelände lag, sowie die Zeugen S. und R. , die ihr helfen wollten und neben ihr knieten, mit seinem Kastenwagen vorsätzlich an, wobei er schwere, auch tödliche Verletzungen der drei Personen in Kauf nahm. Die Zeugen K. und S. wurden von dem Fahrzeug überrollt und erlitten schwere Verletzungen, der Zeuge R. wurde lediglich "streifend am Arm" erfasst und nur geringfügig verletzt. Bevor sich der Angeklagte vom Tatort entfernte, betrachtete er die beiden Schwerverletzten. Er unternahm weder einen weiteren Angriff noch sorgte er für ärztliche Hilfe.
11
Zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht ausgeführt , dass es aus der Sicht des Angeklagten nicht nötig gewesen sei, seinen Opfern weitere Verletzungen beizubringen, "da N. K. bereits offenbar schwer verletzt und vor Schmerzen laut schreiend auf dem Boden lag und er also sein Ziel, N. K. für ihr Verhalten ihm gegenüber zu bestrafen, schon erreicht hatte. Die Frage eines etwaigen Rücktritts stellt sich damit nicht, der Tötungsversuch war bereits beendet" (UA 83).
12
b) Dies hält, soweit es die Tat zum Nachteil des Zeugen R. betrifft, rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsfeststellungen nicht belegen, dass insoweit ein beendeter Versuch vorlag.
13
aa) Für die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1982 - 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175; Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 299; Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227) oder sich keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304).
14
Hält er den Erfolgseintritt für möglich, so ist der Versuch beendet. In diesem Fall setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt, darum bemüht.
15
Rechnet der Täter dagegen nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus Sicht des Täters noch möglich war. In diesem Fall genügt das bloße Aufgeben weiterer Tatausführung, um die straf- befreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat.
16
bb) Dafür, dass der Angeklagte den Tod des Zeugen R. , der von dem Fahrzeug nicht wie die anderen Geschädigten überrollt, sondern nur am Arm leicht erfasst worden ist, für möglich hielt, ergeben sich aus den Urteilsgründen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
17
Das Urteil verhält sich zwar nicht ausdrücklich dazu, wo sich dieser Zeuge befand, als der Angeklagte die beiden Schwerverletzten betrachtete und ob der Angeklagte dessen vergleichsweise geringe Verletzungen bemerkte. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist aber zu entnehmen, dass der Angeklagte sowohl im Augenblick des Überrollens als auch beim Anblick der beiden Schwerverletzten erkannte, dass er nur zwei und nicht drei Personen überfahren hat. Entsprechend äußerte er sich zudem unmittelbar nach der Tat gegenüber seinen Eltern (UA 29).
18
cc) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, die der Annahme eines strafbefreienden Rücktritts entgegenstehen könnten. Deshalb sieht er von einer eigenen Entscheidung in der Sache, wie sie vom Generalbundesanwalt angeregt wurde, ab.
19
3. Hinsichtlich der versuchten Tötungsdelikte zum Nachteil der Zeugen K. und S. ist das Landgericht dagegen zu Recht von einem beendeten Versuch ausgegangen. Die getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte nach dem Überfahren dieser beiden Opfer deren Tod für möglich hielt. Er hat beide mit einem relativ schweren Fahrzeug und einer Anstoßgeschwindigkeit von etwa 30 km/h überrollt, wodurch ein deutlicher Ruck in der Fahrbewegung und sogar ein Querversatz des Fahrzeugs ausgelöst wurden. Nachdem er sein Fahrzeug angehalten hatte, erkannte er an dem Zustand der beiden Geschädigten, dass diese offenbar erheblich verletzt waren. Vor dem Hintergrund der vom Angeklagten wahrgenommenen Auswirkungen seiner äußerst gefährlichen Vorgehensweise ist die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit tödlichen Verletzungen der Zeugen K. und S. gerechnet, nicht zu beanstanden.
20
Da der Angeklagte keine Bemühungen unternommen hat, den Erfolgseintritt zu verhindern, hat das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt insoweit im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die zum Teil missverständlichen Formulierungen in den Ausführungen zum Rücktritt stehen dem nicht entgegen.
21
4. Die festgestellten Rechtsfehler zwingen zur Aufhebung der - für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten - tateinheitlich mit den beiden Mordversuchen begangenen Taten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
22
5. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Schuldfähigkeit können aufrechterhalten werden, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind. Ergänzende Tatsachenfeststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
23
6. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts zum Nachteil der Zeugin K. das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht kommt, das dem Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage auch hinsichtlich dieser Geschädigten zur Last gelegt worden war. Zwar war die Zeugin K. selbst nicht auf Grund ihrer Arglosigkeit wehrlos, sondern infolge der erlittenen Kreislaufschwäche. Das Mordmerkmal der Heimtücke kann, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift, auf die der Senat insoweit Bezug nimmt, hingewiesen hat, auch dadurch erfüllt sein, dass ein Täter die Arglosigkeit einer schutzbereiten Person zur Tatausführung ausnutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 1997 - 4 StR 158/97, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 24 m.w.N.).
Ernemann Solin-Stojanović Ri'inBGH Roggenbuck befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann RiBGH Dr. Mutzbauer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 419/06
vom
14. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Dezember
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5. April 2006 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin mit ihren Revisionen. Der Angeklagte rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft in erster Linie die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durch das Landgericht. Die Nebenklägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel, mit welchem sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, ebenfalls gegen die Verurteilung des Angeklagten lediglich wegen Totschlags. Sie vertritt die Auffassung, dass der Angeklagte des Mordes aus niedrigen Beweggründen, hilfsweise tateinheitlich zum Totschlag des versuchten Verdeckungsmordes, begangen durch Unterlassen, hätte schuldig gesprochen werden müssen. Sämtliche Revisionen erweisen sich als unbegründet.

II.

2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte war mit der Nebenklägerin verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen, der am 10. April 2003 geborene Steffen Lars und das spätere am 23. April 2005 geborene Tatopfer Mike Steven. Nach der Geburt des zweiten Kindes verschlechterte sich aufgrund von Arbeitsüberlastung und sich zuspitzender finanzieller Probleme das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau. Auch im Verhältnis zu seinen Kindern reagierte der Angeklagte zusehends gereizter und aggressiver. Bei den ihm häufig von seiner Ehefrau im Zusammenhang mit der Pflege von Mike übertragenen Aufgaben, etwa beim Ankleiden oder Windelwechseln, ging er sehr ungeduldig und grob, in zwei Fällen sogar mit derartiger körperlicher Kraft vor, dass das Kind erheblich verletzt wurde. In einem Fall, hatte er, als der Säugling beim Ankleiden strampelte, dessen linken Arm so fest gepackt und durch den Ärmel des Kleidungsstücks gezogen , dass das Kind einen Bruch des Oberarms erlitt. Bei einem weiteren Vorfall trug das strampelnde Kind durch einen heftigen Griff des Angeklagten beim Wickeln eine Spiralfraktur des rechten Oberschenkelknochens davon. Diese Vorfälle sind nicht Verfahrensgegenstand.
4
Am Tattag, den 9. Juli 2005, verließ die Nebenklägerin gegen 9 Uhr morgens die eheliche Wohnung zu einem Einkaufsbummel. Die Bitte des Angeklagten , Mike oder wenigstens den älteren Sohn Lars mitzunehmen, hatte sie zuvor abgelehnt. Hierüber war der Angeklagte verärgert, da er bereits am Vortag sowie bei mehreren Gelegenheiten zuvor allein die Pflege und Aufsicht über die Kinder wahrgenommen hatte, während seine Ehefrau Freizeitaktivitäten nachgegangen war. Im Verlauf des Morgens begann Mike zu quengeln und zu schreien. Der Angeklagte war "genervt"; er versuchte zunächst das Kind durch Herumtragen und Schaukeln in seinem Kindersitz zu beruhigen. Weder durch anschließendes Füttern noch Wickeln gelang es ihm jedoch, das Kind vollständig ruhig zu stellen. Durch das fortwährende Schreien seines Sohnes wurde der Angeklagte immer ungeduldiger und gereizter. Hinzu kam, dass er auch den älteren Sohn Steffen zu beaufsichtigen hatte. Schließlich war der Angeklagte bereit, körperliche Gewalt anzuwenden, um Mike zum Schweigen zu bringen. Zunächst schüttelte er den Säugling so heftig, dass hierdurch Einblutungen in dessen Augen hervorgerufen wurden. Als das Kind daraufhin weiter schrie, schlug ihm der Angeklagte mit der Hand mehrfach mit derart roher Gewalt auf das mit einer Windel bedeckte Gesäß, dass ein großflächiges Hämatom entstand. Da Mike heftig weiter schrie, geriet der Angeklagte in eine derart aggressive , gereizte und ungeduldige Stimmung, dass ihm jedes Mittel recht war, um endlich Ruhe zu bekommen. Er führte - wovon das Landgericht zu seinen Gunsten ausgegangen ist - den Kindersitz, in dem das Kind unangeschnallt saß, mit einem wuchtigen Schlag gegen einen Heizkörper, so dass Mike aus dem Sitz heraus mit dem Kopf gegen den Heizkörper geschleudert wurde. Dem Angeklagten war hierbei bewusst, dass eine solche massive Gewalteinwirkung auch tödliche Verletzungen des erst zehn Wochen alten Kindes zur Folge haben konnte. Er nahm dies jedoch in Kauf, um den Säugling endlich zur Ruhe zu bringen. Mike erlitt infolge des Aufpralls eine Fraktur des linken Scheitelbeins und verlor das Bewusstsein. Gegenüber seiner unmittelbar danach zurückkehrenden Ehefrau versuchte der Angeklagte den Zustand des Kindes zu verheimlichen. Diese bemerkte jedoch eine Beule am Kopf des Kindes und brachte es umgehend in eine Kinderklinik. Noch in der folgenden Nacht verstarb Mike an den schweren Hirnverletzungen, die er durch den Aufprall auf den Heizkörper erlitten hatte.
5
Zu den Beweggründen der Tat hat das Landgericht ausgeführt, mitursächlich für die Tat sei die Verärgerung des Angeklagten gegenüber seiner Ehefrau gewesen, die ihn zum Tatzeitpunkt nahezu zwei Tage mit den Kindern allein gelassen hatte, um ihren eigenen Interessen nachzugehen. Diese Verärgerung sei zum Zeitpunkt der Tathandlung jedoch bereits in den Hintergrund gerückt. Bestimmendes und unmittelbar tatauslösendes Motiv sei die Verärgerung und Gereiztheit des Angeklagten über das ständige Schreien des Kindes gewesen. Der ohnehin gegenüber seinen Kindern ungeduldige und leicht reizbare Angeklagte habe nur noch das Ziel gehabt, Ruhe vor dem schreienden Kind zu haben. Diese Annahme werde durch die Einlassung des Angeklagten gestützt, der von einem ständigen "Plärren" des Kindes sowie seiner sich dadurch immer weiter steigender Gereiztheit berichtet habe. Auch der den Angeklagten noch am Tattag vernehmende Polizeibeamte habe bekundet, nach seinem Eindruck habe der Angeklagte aufgrund des ständigen Schreiens des Kindes die Nerven verloren und nur noch gewollt, dass dieses ruhig sei.

III.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin:
7
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu den Beweggründen der Tat und zur Annahme eines (lediglich) bedingten Tötungsvorsatzes lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die hiergegen gerichteten Revisionsangriffe stellen weitgehend den revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch die eigene zu ersetzen (zur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit tatrichterlicher Beweiswürdigung vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 und Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).
8
2. Das Landgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe verneint.
9
a) Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe der Tat "niedrig" sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 35, 116, 127; 47, 128, 130). Gefühlsregungen wie Wut, Ärger, Hass und Rache kommen dabei in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36, 45 und 46 jew. m.w.N.). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 20; BGH NStZ 2006, 338, 340 m.w.N.).
10
b) Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung diese Grundsätze im Blick gehabt. Es hat sich im Ergebnis nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der maßgebliche Beweggrund des Angeklagten für die Tatbegehung, nämlich seine Verärgerung über das ständige Weinen des Kindes verbunden mit dem Bestreben "Ruhe vor dem schreienden Kind zu haben", Ausdruck einer niedrigen, besonders verachtenswerten Gesinnung des Angeklagten war. Hierbei war für das Landgericht leitend, dass der Angeklagte nahezu zwei Tage mit der Aufsicht und Pflege beider Kinder befasst gewesen war, er vor der Tat mehrfach versucht hatte, Mike mit angemessenen Mitteln, etwa durch Wickeln und Füttern, ruhig zu stellen und das Kind gleichwohl immer wieder, zuletzt unaufhörlich weiter geschrieen hatte. Ersichtlich hat es damit darauf abgestellt, dass der ohnehin leicht reizbare Angeklagte in dieser Situation nervlich überfordert war und es deshalb - und nicht aus einer auf tiefster Stufe stehenden, verwerflichen Gesinnung heraus - zu einem Aggressionsdurchbruch und der Gewaltanwendung gegen das Kind kam (vgl. hierzu BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 1, 31). Dies hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 79, 80; NStZ 2006, 338, 340) und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
11
3. Vergebens rügt die Nebenklage, das Landgericht habe es jedenfalls rechtsfehlerhaft unterlassen, den Angeklagten im Hinblick auf sein Nachtatverhalten wegen eines tateinheitlich durch Unterlassen begangenen versuchten Verdeckungsmordes zu verurteilen. Hat der Täter das Tatopfer - wie hier - mit (bedingtem) Tötungsvorsatz misshandelt und unterlässt er es anschließend, zur Verdeckung dieses Geschehens Maßnahmen zur Rettung des zunächst überlebenden Opfers einzuleiten, so ist eine Strafbarkeit wegen Verdeckungsmordes durch Unterlassen schon deshalb nicht gegeben, weil es an einer für das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht "anderen" Straftat fehlt (vgl. Senat, NStZ 2003, 312). Dies gilt selbst dann, wenn - wovon hier nach den getroffenen Feststellungen nicht auszugehen ist - zwischen dem Handlungs- und Unterlassensteil eine zeitliche Zäsur liegt (Senat aaO).
12
Die Revision des Angeklagten:
13
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der vom Angeklagten allgemein erhobenen Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 467/06
vom
15. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Februar
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. Juni 2006 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Kosten der Revisionen des Angeklagten und der Nebenkläger fallen dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich der Angeklagte , die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt - ebenso wie die Nebenkläger - mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, eine Verurteilung wegen Mordes. Sämtliche Rechtsmittel erweisen sich als unbegründet.

II.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Nach zwei gescheiterten Beziehungen lebte der Angeklagte, der an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden Elementen und narzisstischen Zügen leidet, von 1999 bis zum September 2005 mit Nicole K. , dem späteren Tatopfer, in häuslicher Lebensgemeinschaft, aus der ein gemeinsames Kind hervorging. Auch diese Beziehung war, insbesondere wegen der grundlosen Eifersucht des Angeklagten, spannungs- und streitbeladen und wurde schließlich von Nicole K. beendet. Der Angeklagte konnte sich, wie auch beim Scheitern seiner früheren Beziehungen, mit der Trennung nicht abfinden. Im September 2005 kam es deswegen bei einer von ihm erbetenen Aussprache zwischen ihm und Nicole K. zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf er sie zu Boden warf und ihr ein Messer vor den Körper hielt. Erst als ihr Vater zu Hilfe eilte, ließ er von ihr ab. Bei ihren Abwehrbemühungen erlitt sie eine Schnittverletzung an der Hand. Auch nach diesem Vorfall bemühte sich der Angeklagte weiter um eine Fortsetzung der Beziehung.
4
Am 17. November 2005 wurde der Angeklagte von Arbeitskollegen damit gehänselt, dass Nicole K. "jetzt einen anderen Mann küsse", worauf er antwortete , "dass dies nicht mehr lange der Fall" sein werde. Am Nachmittag begegnete ihm Nicole K. , die auf ihrem Fahrrad durch Schönebeck fuhr. Sie hielt zwar an, lehnte aber eine nochmalige Aussprache über die aus ihrer Sicht endgültig beendete Beziehung ab. Es kam zu einem teilweise lautstark geführten Wortgefecht, wobei der Angeklagte aus Wut so heftig gegen ihr Fahrrad trat, dass sie es nur noch schieben konnte. Den Vorschlag des Angeklagten, sie mit seinem Fahrzeug zu ihrem Fahrtziel zu fahren, lehnte sie ab. Sie hatte Angst, weinte und versuchte, mit ihrem Handy zu telefonieren. Streitend gingen sie etwa fünf Minuten nebeneinander her, wobei sie ihr Fahrrad zwischen ihnen schob. Nunmehr wurde dem Angeklagten bewusst, dass er Nicole K. nicht zurückgewinnen konnte. Aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst, Är- ger und Enttäuschung über das Scheitern der Beziehung" entschloss er sich, sie zu töten. Er nahm aus seiner Hosentasche ein aufklappbares Taschenmesser mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern und versetzte Nicole K. sechs Messerstiche in den Hals- und Brustbereich. Auch durch Rufe einer Zeugin ließ er sich von seinem Tun nicht abbringen. Das Opfer verstarb alsbald an innerem Verbluten. Der Angeklagte fuhr mit seinem Pkw zu Bekannten, von denen er ein Alibi für die Tatzeit erhalten wollte. Danach ging er seinen gewöhnlichen Verrichtungen nach, bis er am Abend festgenommen wurde.

III.


5
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
6
Ohne Erfolg wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger dagegen, dass der Angeklagte nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt worden ist.
7
a) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Schwurgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte nicht heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat.
8
Nach der Rechtsprechung handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt , wobei auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen ist (vgl. BGHSt 32, 382, 384). Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146).
9
Dass Letzteres hier vorgelegen hat, hat das Landgericht unter Berücksichtigung der Vorgeschichte und des Verlaufs der dem Tatgeschehen unmittelbar vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht auszuschließen vermocht. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen war Nicole K. bei dem Zusammentreffen mit dem Angeklagten bewusst, dass dieser nach wie vor nicht bereit war, die Trennung zu akzeptieren. Sie wusste, dass er etwa zwei Monate zuvor auf ihre Weigerung zur Fortsetzung der Beziehung mit Tätlichkeiten reagiert und ihr sogar ein Messer vor den Körper gehalten hatte. Dass ihre erneute Ablehnung einer von ihm erbetenen Aussprache ihn wiederum in große Wut versetzte, erkannte sie daran, dass er mit einem Fußtritt ihr Fahrrad massiv beschädigte. Es liegt durchaus nahe, dass sie nach dieser Eskalation weitere Wutausbrüche bis hin zu einem schweren Angriff auf ihren Körper befürchtete. Dafür spricht, dass sie Angst vor dem Angeklagten hatte, weinte und nicht bereit war, sich von ihm in seinem Pkw zu ihrem Fahrtziel bringen zu lassen. Demgegenüber folgt aus der Tatsache, dass Nicole K. während der andauernden verbalen Auseinandersetzung nicht versuchte, sich vom Angeklagten zu entfernen, und statt dessen ihn mit Worten zu beschwichtigen suchte, nicht ohne Weiteres die Arglosigkeit des späteren Opfers. Auf die Frage, ob das Opfer gesehen hat, wie der Angeklagte unmittelbar vor dem Zustechen das Messer zog und aufklappte, kommt es nicht an, weil das Opfer zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr arglos war.
10
b) Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
11
Es ist zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe Nicole K. aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst, Ärger und Enttäuschung über das Scheitern der Beziehung" getötet. Es hat nicht feststellen können, welches dieser Motive für die Tötung ausschlaggebend gewesen ist und hat deshalb die Motivation des Angeklagten insgesamt nicht als auf niedrigster Stufe stehend angesehen.
12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20; BGH NStZ 2004, 34; 2006, 338, 340 m.w.N.).
13
Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass bei der Tötung auch Wut und Ärger des Angeklagten über das Scheitern der Beziehung eine Rolle gespielt haben. Dass es - trotz der Reaktion des Angeklagten auf die Hänseleien seiner Arbeitskollegen am Vormittag des Tattages - diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet indes keinen rechtlichen Bedenken. Vielmehr ist anhand der Vorgeschichte der Tat belegt, dass gleichbedeutend tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung des Angeklagten über die Trennung und über das Erkennen, dass sich seine Lebensgefährtin endgültig von ihm abgewandt hatte, waren. Hinzu kommt, dass der Angeklagte eine dissoziale Persönlichkeitsstörung aufweist, auf Grund derer er sein Selbstwertgefühl einerseits nur über die Beziehung zu einer Partnerin definiert , andererseits aber nicht in der Lage ist, eine längerfristige Beziehung beizubehalten. Vor diesem Hintergrund hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 79, 80; NStZ 2006, 338, 340), dass das Landgericht die für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet hat.
14
2. Die Revision des Angeklagten
15
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der vom Angeklagten erhobenen Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben; insbesondere begegnet auch die Verneinung erheblich verminderter Schuldfähigkeit keinen rechtlichen Bedenken.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 217/08
vom
19. Juni 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2008 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18. Dezember 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen heimtückisch begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

I.

2
Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen: 1. Der Angeklagte und die zur Tatzeit 31-jährige Geschädigte Z. führten eine Beziehung. Nachdem sich diese verschlechtert und die Geschädigte neue Männerbekanntschaften gesucht hatte, trennte sie sich mit SMS vom 2. April 2007 vom Angeklagten. Am Freitag, den 20. April 2007 kam es zwischen den beiden zum Streit wegen der von Z. gewollten Trennung und wegen ihrer neuen Beziehung. Der Angeklagte seinerseits schlug die Fort- führung einer jedenfalls sexuellen Beziehung vor. Darauf ging Z. noch nicht konkret ein. Der Angeklagte erwartete, über das Wochenende hierüber Bescheid zu erhalten.
3
Am 23. April 2007 sollte der Angeklagte vereinbarungsgemäß einen Rasenmäher zur Geschädigten bringen. Am Abend des 22. April 2007 stellte der Angeklagte eine Garotte her, die als Drosselinstrument geeignet war. Dazu sägte er aus einem Kinderbett zwei Rundholzstäbe heraus und verband sie mit einer Kordel. Damit wollte der Angeklagte gegenüber Z. vortäuschen, einen Rasenmäher wieder aktivieren zu können. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass man die Garotte als Würgeinstrument verwenden könnte. Bereits am 22. April 2007 kam dem Angeklagten in den Sinn, dass er Z. etwas antun und dass er hierzu die Garotte als Würgeinstrument verwenden könnte.
4
Am Morgen des 23. April 2007 fuhr der Angeklagte, ohne Tötungsvorsatz zu haben, zu Z. , wo er gegen 08.15 Uhr eintraf. Die angefertigte Garotte hatte er in der Jackentasche eingesteckt. Sein Fahrzeug parkte er rückwärts in die Einfahrt. Im Kofferraum war eine Plane vorbereitet. Z. ging davon aus, dass der Angeklagte absprachegemäß einen Rasenmäher bringen und sein restliches Werkzeug abholen würde. Bis um 11.16 Uhr verlief der Besuch problemlos, wie sich aus einem von Z. zu diesem Zeitpunkt geführten Telefongespräch ergibt.
5
2. Weitgehend auf Grundlage der Angaben des Angeklagten stellte die Kammer zum Geschehensablauf in objektiver und subjektiver Hinsicht Folgendes fest:
6
Zwischen 11.17 und 12.00 Uhr tötete der Angeklagte Z. . Diese berichtete dem Angeklagten von gemeinsamen Aktivitäten mit ihrem neuen Partner und erklärte, dass sie mit dem behinderten Kind des Angeklagten nichts anfangen könne und dass dieses verzogen sei. Durch diese Äußerung war der Angeklagte aufgebracht. Er setzte sich neben die Geschädigte auf das Sofa, wollte sich beruhigen und legte einen Arm um sie. Nachdem die beiden fünf bis zehn Minuten so schweigsam saßen, sagte Z. , es sei besser, wenn der Angeklagte jetzt gehe. Hierbei drückte sie ihn leicht von sich weg. Der Angeklagte sah hierin eine negative Antwort auf seine Frage bezüglich einer weiteren sexuellen Beziehung.
7
Ohne dass Z. – wie der Angeklagte erkannte – auf einen körperlichen Angriff vorbereitet gewesen wäre, würgte sie der Angeklagte nun unvermittelt mit beiden Händen am Hals. Zu diesem Zeitpunkt wollte der Angeklagte noch nicht bedingt oder direkt den Tod der Geschädigten herbeiführen, sondern seine Aggressionen wegen der gescheiterten Beziehung durch Verletzung ihres Körpers abbauen. Nach diesem Würgen landeten beide auf dem Boden. Der Angeklagte lag auf der Geschädigten, hörte kurzfristig mit dem Würgen auf und Z. äußerte zweimal, dass sie den Angeklagten liebe, in der Hoffnung, er beende dadurch seinen Angriff. Der Angeklagte sah diese Äußerung jedoch als Lüge an und würgte sie erneut mit Körperverletzungsvorsatz.
8
Plötzlich hatte die Geschädigte, die mit dem Rücken auf dem Boden lag, einen Schürhaken in der Hand. Der Angeklagte entwand ihr diesen, legte ihn ihr quer über den Hals und brachte mit beiden Händen und mit einem Knie erhebliches Gewicht auf den Haken, wobei sich der direkte Körperverletzungsvorsatz zum bedingten Tötungsvorsatz gewandelt hatte. Der Angeklagte wollte die Geschädigte nun massiv bestrafen, wobei er ihren Tod als möglich erachtete und billigend in Kauf nahm. Z. gelang, abgesehen von Kratzen im Gesicht, keine Gegenwehr. Anschließend drehte der Angeklagte sein Opfer in Bauchlage , nahm – weiterhin mit bedingtem Tötungsvorsatz – die angefertigte Garotte, legte die Schnur über Kreuz um den Hals der Geschädigten und zog mit beiden Händen kräftig zu. Nachdem er eine zeitlang zugezogen hatte und die Geschädigte nicht mehr aufstehen konnte, nahm er ein Beil, das abgestellt war, und schlug ihr – nunmehr mit direktem Tötungsvorsatz – mit der stumpfen Seite mehrmals kräftig ins Genick.
9
Nach der Tat steckte der Angeklagte die Getötete in einen Bettüberzug, den er aus dem Schlafzimmer geholt hatte, schleifte das Opfer zu dem rückwärts in der Einfahrt geparkten Auto, breitete die im Kofferraum befindliche Folie aus, legte die Leiche dort ab und fuhr anschließend nach N. .

II.


10
Die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke hält auf der Grundlage dieser Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei heimtückisch begangenem Mord hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 jew. m.w.N.). Arglosigkeit des Tatopfers ist allerdings auch dann anzunehmen, wenn der überraschende Angriff zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt wird, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergeht, sodass die Situ- http://www.juris.de/jportal/portal/t/f4l/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/f4l/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE038302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - ation völlig unverändert ist und dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen bleibt. Die Tat muss vielmehr vom ersten Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang nehmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 16 und 27; BGH NStZ-RR 2004, 234).
12
2. Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Die Kammer hat zwar nicht verkannt, dass nach ihren Feststellungen der Angeklagte den ersten Würgeangriff mit den Händen lediglich mit Verletzungsvorsatz geführt hat. Sie meint aber, der Angeklagte habe sein Opfer völlig überraschend gewürgt und der Übergang vom Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz sei schnell geschehen, nachdem die Geschädigte einen Schürhaken ergriffen und der Angeklagte ihr diesen entwunden hatte. Währenddessen habe sich der Angeklagte fortwährend auf seinem Opfer befunden, sodass dieses keine Möglichkeit zu relevanten Gegenmaßnahmen gehabt habe. Das Ergreifen des Schürhakens könne nicht als relevante Gegenmaßnahme angesehen werden. Der Angeklagte habe diesen der Geschädigten sofort entwunden. Wegen des Kräfteverhältnisses und des Umstandes, dass sich der Angeklagte bereits auf seinem Opfer befunden habe, habe es keine relevante Chance gehabt. Dies gelte auch für die dem Angeklagten zugefügten Kratzer im Gesicht , die nur eine geringe Abwehrtätigkeit darstellten.
13
3. Diese Erwägungen tragen die Annahme der Heimtücke nicht.
14
a) Die Wehrlosigkeit des Opfers kann selbst dann entfallen, wenn ihm die nicht von vorneherein gänzlich aussichtslose Möglichkeit bleibt, auf den Täter verbal einzuwirken, um den Angriff zu beenden. Von einer Wehrlosigkeit des Opfers im Sinne eines Ausschlusses jedes nicht gänzlich sinnlosen Versuchs, den Täter von der Tötungshandlung abzubringen, kann nur dann ausgegangen werden, wenn festgestellt ist, dass der Entschluss des Täters zur Tötung so unumstößlich war, dass jeder Versuch, ihn davon abzubringen, mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 8).
15
Nach den bisherigen Feststellungen der Kammer landeten der Angeklagte und das Opfer nach dem ersten mit Körperverletzungsvorsatz geführten Angriff auf dem Sofa infolge eines Gerangels auf dem Boden und der Angeklagte hörte kurzfristig mit dem Würgen auf. In dieser Situation äußerte die Geschädigte in der Hoffnung, den Angriff beenden zu können, zweimal, dass sie den Angeklagten liebe. Unter diesen Umständen scheint es nicht ausgeschlossen, dass es der Geschädigten grundsätzlich möglich gewesen wäre, den Angeklagten umzustimmen oder jedenfalls hinzuhalten und so der Bedrohung zu entgehen ; dies insbesondere, da der Angeklagte nach den Urteilsgründen zum Zeitpunkt der Äußerungen noch gar keinen Tötungsvorsatz gefasst hatte und er selbst nach den Liebesbekundungen sein Opfer erneut lediglich mit Körperverletzungsvorsatz würgte. Indem die Kammer ausschließlich auf mögliche Gegenmaßnahmen körperlicher Art abgestellt hat, hat sie sich den Blick für die Möglichkeit verbaler Einwirkung versperrt.
16
b) Auch nach dem ersten Angriff würgte der Angeklagte die Geschädigte erneut lediglich mit Körperverletzungsvorsatz. Erst nachdem er ihr den Schürhaken entwunden hatte und ihr diesen auf den Hals drückte, handelte er nach den Feststellungen erstmals mit bedingtem Tötungsvorsatz. Bei diesem Tatgeschehen , bei dem sich die Situation wiederholt gewandelt, der Angeklagte – aus welchem Grund auch immer – in seinem Würgeangriff innegehalten hat, die Geschädigte versucht hat, den Angriff verbal zu beenden, und bei dem die ersten beiden Angriffe lediglich mit Körperverletzungsvorsatz geführt wurden, kann nicht davon gesprochen werden, die Situation sei von Beginn an völlig unverändert gewesen und es sei keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen geblieben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16).
17
c) Schließlich geht die Kammer bei der Beurteilung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auch von einem falschen Ansatz aus, indem sie darauf abstellt , der Körperverletzungsvorsatz sei schnell in Tötungsvorsatz übergegangen , nachdem der Angeklagte seinem Opfer den Schürhaken entwunden habe (UA S. 45). Das Landgericht durfte jedoch den Umstand nicht außer Acht lassen , dass dem ersten mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Angriff ein weiterer lediglich mit Körperverletzungsvorsatz geführter Würgeangriff voranging, nachdem der Angeklagte für kurze Zeit mit dem ersten – ebenfalls nur von Körperverletzungsvorsatz getragenen – Würgen aufgehört und die Geschädigte ihm ihre Liebe bekundet hatte. Vielmehr ist bei der Beurteilung der Arg- und Wehrlosigkeit darauf abzustellen, ob der Körperverletzungsvorsatz beim ersten, überraschenden Angriff derart schnell in Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergeht.

III.


18
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Senat sieht Anlass für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hinzuweisen:
19
1. Das Tatgericht ist nicht gehalten, auch entlastende Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Der Tatrichter hat nach ständiger Rechtsprechung vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48; NJW 2007, 2274). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274).
20
Die vom Landgericht getroffene Feststellung, der Angeklagte sei ohne Tötungsabsicht zur Geschädigten gefahren und habe sowohl den ersten als auch den zweiten Würgeangriff mit den Händen lediglich mit Körperverletzungsvorsatz geführt, bevor er dann – ohne ersichtlichen Grund – mit Tötungsvorsatz gehandelt habe, hat keine erkennbaren realen Anknüpfungstatsachen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte am Tattag die Garotte in seiner Jackentasche trug, eine Plane im Kofferraum seines Fahrzeugs hatte, auf der er später die Leiche zum Abtransport ablegte , und das Fahrzeug bereits rückwärts in der Einfahrt geparkt hatte. Gleiches gilt für die Annahme der Kammer, der Angeklagte habe am Abend vor der Tat die Garotte hergestellt, um damit der Geschädigten vorzutäuschen, einen Rasenmäher wieder aktivieren zu können, wobei es ihm gleichzeitig in den Sinn gekommen sei, dass er ihr damit etwas antun und hierzu die Garotte als Würgeinstrument verwenden könnte.
21
2. Außerdem ist Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Der Tatrichter ist also nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, wenn diese tragfähig sind (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 22, 25; BGH NStZ-RR 2004, 238). Im Hinblick darauf begegnet die Formulierung des Landgerichts rechtlichen Bedenken, wonach aus dem Umstand, dass der Angeklagte am Tattag im Kofferraum seines Fahrzeugs eine Plane vorbereitet hatte – die er letztlich auch zum Abtransport der Leiche benutzte –, „keine zwingenden Schlüsse gezogen werden“ könnten (UA S. 14). Dies lässt besorgen, dass sich die Strafkammer nicht bewusst war, dass aus einer Indiztatsache auch zu Ungunsten des Angeklagten Schlüsse, die nicht zwingend, sondern nur möglich sind, gezogen werden können, und dass sie damit überspannte Anforderungen an die erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat.
22
3. Im Übrigen ist es regelmäßig verfehlt, nach den tatsächlichen Feststellungen die Aussagen sämtlicher Zeugen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen. Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht dazu, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren. Sie sollen das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen. Die Beweiswürdigung setzt sich mit der Einlassung des Angeklagten auseinander, soweit diese von den für Schuldund Rechtsfolgenausspruch wesentlichen Feststellungen abweicht. Mit der Be- weiswürdigung soll der Tatrichter lediglich belegen, warum er bestimmte, bedeutsame tatsächliche Umstände so festgestellt hat. Hierzu wird er Zeugenaussagen , Urkunden und ähnliches heranziehen, soweit deren Inhalt für die Überzeugungsbildung wesentlich ist (BGH NStZ 1998, 51). Nack Wahl Boetticher Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 113/06
vom
27. Juni 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
27. Juni 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 22. November 2005 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen , aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke. Die Revision wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung wegen Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte lebte vorübergehend im Haushalt seiner Cousine M. B. , des späteren Tatopfers, zu der er eine intime Beziehung unter- hielt. Am Abend des 28. Februar 2005 kamen in ihm unbegründete Eifersuchtsgedanken auf. Er steigerte sich derart hinein, dass er nicht einschlafen konnte. Der Angeklagte, der alkoholabhängig ist, aber seit sieben Jahren abstinent lebte , wurde alkoholrückfällig. Er trank heimlich 0,5 Liter 40 %-igen Calvados.
4
Am nächsten Morgen, dem 1. März 2005, bemerkte M. B. die Alkoholisierung des Angeklagten. Sie erklärte ihm, dass sie mit einem Alkoholiker nichts zu tun haben wolle und äußerte Unverständnis über seine Eifersucht. Im Rahmen dieses Streitgesprächs trat der Angeklagte von hinten an M. B. heran und nahm sie mit seinem rechten Unterarm mindestens 20 bis 30 Sekunden in einen Halswürgegriff. Dadurch erlitt sie leichte Verletzungen im Bereich der inneren Halsorgane. Mit der linken Hand ergriff er nun mit erst jetzt sicher nachweisbarem Tötungsvorsatz ein Küchenmesser und versetzte ihr damit zwei Messerstiche in den Bauchbereich, die die Leber kreuzförmig durchstachen. Dann löste er den Unterarmgriff und fügte ihr einen oberflächlichen Bauchstich und einen oberflächlichen Stich in die linke seitliche Brustwand zu. Danach versetzte er ihr fünf weitere Stiche in den Rücken-, Lenden- und seitlichen Rumpfbereich, wobei sie möglicherweise bereits am Boden lag, sich in einer Drehbewegung befand oder er um sie herumgegangen war. Von diesen Stichen führten drei binnen weniger Minuten zum Tode durch Verbluten und Zusammenbruch der Atmung.
5
Die Tat erfolgte zwischen 7.00 und 8.00 Uhr, nachdem die beiden Söhne des Tatopfers zur Schule gegangen waren. Der Angeklagte trank nach der Tat noch 0,1 Liter Calvados. Nach vorangegangenen anderen Telefonaten benachrichtigte er um 11.04 Uhr die Polizei. Die ihm um 12.01 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,09 o/oo.
6
2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Auch das Vorliegen des Mordmerkmals Heimtücke hat es ausgeschlossen. Zwar sei das Opfer objektiv arg- und wehrlos gewesen, als der Angeklagte es von hinten in den Unterarmwürgegriff genommen habe, für diesen Zeitpunkt sei aber ein Tötungsvorsatz nicht sicher feststellbar gewesen. Als der Angeklagte dann zum Messer gegriffen habe, sei das Opfer nicht mehr arglos gewesen. Im Übrigen gebe es keinen Nachweis für ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit durch den Angeklagten. Zwar habe ein gewisses Vertrauens- und Überraschungsmoment vorgelegen. Ein Ausnutzungsbewusstsein wäre aber nur dann nachweisbar, wenn der Angeklagte die Angriffsmöglichkeit von hinten, etwa durch ein Veranlassen der Getöteten sich umzudrehen, gezielt herbeigeführt hätte. Auch spreche die hochgradige Alkoholisierung des Angeklagten gegen eine Bewusstseinsbildung bezüglich der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers.
7
Im Anschluss an die Anhörung von zwei Sachverständigen ist das Landgericht von einer nicht ausschließbar erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge Alkoholintoxikation im Sinne von § 21 StGB zur Tatzeit ausgegangen.

II.

8
Die rechtliche Bewertung des Landgerichts zur objektiven und subjektiven Tatseite eines heimtückisch begangenen Mordes ist nicht frei von Rechtsfehlern. Insoweit ist der festgestellte Sachverhalt auch nicht erschöpfend gewürdigt.
9
1. Die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke können selbst dann erfüllt sein, wenn der Unterarmwürgegriff von hinten nicht mit Tötungsvorsatz erfolgte und der Angeklagte einen solchen Vorsatz erst fasste, als er nach dem Messer griff. Dies schließt die Arglosigkeit des Opfers nicht von vornherein aus.
10
Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.N.). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt , die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Dabei macht es aber keinen Unterschied, ob der überraschende Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird oder ob der ursprüngliche Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke

3).

11
Jedenfalls letztere Konstellation ist hier gegeben. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt der Angeklagte das Opfer 20 bis 30 Sekunden im Unterarmwürgegriff, den er von hinten ausgeführt hatte, bevor er sich entschloss , es zu töten. Das Opfer hatte in dieser Lage nach Erkennen der Gefahr keine Möglichkeit mehr, sich gegen den Tötungsangriff zur Wehr zu setzen, was die fehlenden Abwehrverletzungen bestätigen. Dann war das Opfer - an den aufgezeigten Maßstäben gemessen - aber auch zu diesem Zeitpunkt infolge Arglosigkeit wehrlos.
12
2. Die Verneinung eines Ausnutzungsbewusstseins des Angeklagten entbehrt einer tragfähigen Grundlage.
13
a) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535).
14
Es ist nicht erforderlich, wie das Landgericht meint, dass der Täter die Angriffsmöglichkeit von hinten durch eigenes Veranlassen gezielt herbeiführt. Wenn der Angeklagte hier seinem Opfer von hinten den Unterarm um den Hals legte und es würgte, so liegt die Annahme nahe, dass er sich des überraschenden Angriffs bewusst war. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzungsbewusstsein verneint, sind in der rechtlichen Bewertung in zweifacher Hinsicht fehlerhaft. Einerseits bedarf es des bewussten Herbeiführens eines Hinterhaltes nicht, andererseits liegt - wie oben ausgeführt - eine rechtsfehlerhafte Bewertung der Arglosigkeit zugrunde.
15
b) Soweit das Landgericht ausführt, auch die hochgradige Alkoholisierung des Angeklagten spreche gegen eine Bewusstseinsbildung bezüglich der Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, fehlt dafür jedwede Begründung. Im Hinblick auf die Ausführungen zur nicht ausschließbar verminderten Schuldfähigkeit infolge Alkoholisierung versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte den Überraschungseffekt nicht in sein Bewusstsein aufgenommen habe.
16
Die Alkoholisierung beeinträchtigte danach die Fähigkeit des Angeklagten zur Unrechtseinsicht nicht. Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit wurde nicht positiv festgestellt, sondern konnte nicht ausgeschlossen werden. Nach Auffassung des Sachverständigen K. , der aufgrund der Blutprobe eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,29 o/oo für die Tatzeit von 7.00 Uhr und eine solche von 3,09 o/oo für die Tatzeit von 8.00 Uhr errechnete, zeigte der Angeklagte angesichts dieser Alkoholisierung erstaunlich wenige Ausfallerscheinungen, was darauf schließen lasse, dass er doch nicht ganz trocken gewesen sei. Bei der Berechnung der Tatzeit-BAK hat der Sachverständige den festgestellten Nachtrunk außer Acht gelassen. Unter Berücksichtigung des Nachtrunks bewege sich die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit - so der Sachverständige - dann "am unteren Ende der Nichtausschließbarkeit". Das Landgericht hätte bei einer erschöpfenden Würdigung des Sachverhalts diese Ausführungen in seine Erwägungen einbeziehen und sich damit auseinandersetzen müssen.
17
3. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Insoweit ist das Urteil nicht angegriffen.
18
4. Die Überprüfung des Urteils zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
19
5. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Begriff der "Erheblichkeit" in § 21 StGB ein Rechtsbegriff ist. Über das Vorliegen seiner Voraussetzungen ist nach ständiger Rechtsprechung vom Gericht in eigener Verantwortung zu entscheiden und nicht vom Sachverständigen. Dabei fließen normative Überlegungen ein (BGHSt 8, 113, 124; 43, 66, 77). Der Tatrichter hat Gelegenheit , auch darüber neu zu befinden. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 145/04
vom
20. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juli 2004,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Kempten vom 21. Oktober 2003 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, und die der Nebenkläger. Die von den Nebenklägern erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig , weil sie nicht ausgeführt wurde (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Mit der Sachrüge beanstanden die Revisionen die Verneinung des Mordmerkmals Heimtücke und erstreben eine Verurteilung wegen Mordes. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab es zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, Frau B. , wie schon häufiger zuvor , Streit. Sie verließ die Wohnung, schlug die Tür zu und ging bis zum Beginn der in das Erdgeschoß führenden Treppe. Der Angeklagte folgte ihr und holte sie ein. Sie sagte nun zu ihm, daß er gut im Bett sei und ihr im Haushalt helfe, jedoch in der Gesellschaft unmöglich sei. Sie sei etwas Besseres und er nichts. Danach drehte sie sich um und begann, die Treppe hinunterzugehen. Mit einem Angriff des Angeklagten rechnete sie nicht. In der Beziehung war es nie zu Gewalttätigkeiten gekommen. Der ca. 1,85 m große und 90 kg schwere Angeklagte war durch die Worte seiner Lebensgefährtin erregt und wollte diese zunächst zurückhalten. Er packte mit der linken Hand die ca. 1,60 m große Frau, die ihm den Rücken zugedreht hatte, am Hals und würgte sie. Gleichzeitig hielt er ihr mit der rechten Hand den Mund zu und preßte ihren Hinterkopf gewaltsam gegen seine Brust. Als der Angeklagte seine Lebensgefährtin in den Würgegriff genommen hatte, entschloß er sich, sie solange zu würgen, bis sie tot sei. Unter Ausnutzung seiner körperlichen Überlegenheit würgte er sie mindestens eine Minute lang, bis sie entsprechend seiner Absicht verstorben war. Abwehrverletzungen wurden beim Tatopfer nicht festgestellt. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe sie nur festhalten und nicht töten wollen. 2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Das Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere von Heimtücke, hat es ausgeschlossen. Zwar sei die Frau objektiv arglos gewesen und habe mit einem Angriff des Angeklagten nicht gerechnet, als sie die Treppe hinuntergehen wollte. Es gebe jedoch keinen Nachweis dafür, daß der Angeklagte diese Arglosigkeit
bewußt zur Tötung ausgenutzt habe. Vielmehr sei die Kammer überzeugt, daß der Angeklagte den Tötungsvorsatz erst gefaßt habe, als er die Frau gepackt hatte. Zu diesem Zeitpunkt sei sie dann nicht mehr arglos gewesen. Die Hauptverhandlung habe auch nicht ergeben, daß es vor der Tat zu keinem Wortwechsel gekommen, der Angeklagte der arglosen Frau von der Wohnung bis zur Treppe nur nachgeschlichen sei und diese dann, ohne irgendeine Vorwarnung , erwürgt habe.

II.

Diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht den festgestellten Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und ohne hinreichende Begründung ein bewußtes Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit durch den Angeklagten verneint hat. 1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewußt zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, daß der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.Nachw.). Das Opfer muß gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs.
2. An diesen Maßstäben gemessen, hält die Bewertung des Landgerichts zur subjektiven Tatseite rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der erste Angriff auf das Opfer war hier ein Würgegriff von hinten an den Hals. Ein solcher verbunden mit dem gleichzeitigen Zuhalten des Mundes und gewaltsamen Pressen des Hinterkopfes gegen die Brust stellt nach seinem objektiven Erscheinungsbild einen tätlichen Angriff auf das Leben dar. Beweisanzeichen dafür, daß der Angeklagte diese Vorgehensweise gewählt hat, um Frau B. zurückzuhalten, lediglich am Weggehen zu hindern, hat das Landgericht nicht festgestellt. Das äußere Tatgeschehen, das in Fallgestaltungen der vorliegenden Art besonderen Beweiswert für die subjektive Tatseite hat, legt vielmehr den Schluß nahe, daß dieser Angriff mit Tötungsvorsatz erfolgte , zumal der Angeklagte Frau B. dann auch tatsächlich erwürgt hat. Sich dazu aufdrängende Darlegungen fehlen. Ferner sieht das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe seine Lebensgefährtin nur festhalten und nicht töten wollen, insoweit als widerlegt an, als er ab Beginn des Würgevorgangs mit direktem Tötungsvorsatz handelte, nicht aber beim Setzen des Würgegriffes. Bei einem derart massiven einheitlichen tätlichen Angriff hätte erörtert werden müssen, warum das Landgericht nicht von einer einheitlichen Motivation ausgegangen ist. Im übrigen läßt der festgestellte Geschehensablauf eine zeitliche Zäsur dahingehend nicht erkennen, daß das Opfer den Angriff auf sein Leben erkannt hätte, als der Angeklagte den Tötungsvorsatz faßte, und ihm deshalb auch noch hätte ausweichen können, somit nicht arglos gewesen sei.
b) Selbst wenn der Angeklagte den Tötungsvorsatz erst gefaßt haben sollte, als er Frau B. in den Würgegriff genommen hatte, so schließt dies
die Arglosigkeit seines Opfers nicht von vornherein aus. Wie bereits oben ausgeführt , ist das Merkmal der Arglosigkeit auch dann gegeben, wenn bei offen feindseligem Verhalten das Opfer die Tötungsabsicht noch im letzten Augenblick erkennt, aber nicht mehr reagieren kann. Dabei macht es keinen Unterschied , ob der überraschende Angriff von vornherein mit Tötungsvorsatz geführt wird, oder ob der ursprüngliche Handlungswille derart schnell in den Tötungsvorsatz umschlägt, daß der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter mit Tötungsvorsatz angreift. In beiden Fällen bleibt dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der vorausgegangene Wortwechsel beseitigte hier nach der Überzeugungsbildung des Landgerichts die Arglosigkeit des Opfers nicht. Es wurde vielmehr durch den ersten tätlichen Angriff von hinten in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran gehindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen, was die fehlenden Abwehrverletzungen bestätigen.
c) Für das bewußte Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, daß der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfaßt, daß er sich bewußt ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (BGH NStZ 2003, 535). Wenn der Angeklagte seine Lebensgefährtin in der beschriebenen Art und Weise von hinten packte, der gegenüber er trotz vieler Streitigkeiten noch nie Gewalt ausgeübt hatte, liegt die Annahme nahe, daß er sich des überraschenden Angriffs bewußt war. Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es ein Ausnutzungsbewußtsein verneint, sind nur auf dem Hintergrund der zeitlichen Einordnung des Tötungsvorsatzes und der daraus folgenden rechtsfehlerhaften Bewertung der Arglosigkeit nachvollziehbar. Daraus hat das Landgericht nicht tragfähige Schlüsse auf das Ausnutzungsbewußtsein gezogen. Der Annahme
eines solchen steht auch die Erregung des Angeklagten nicht entgegen. Das Landgericht hat nicht festgestellt, daß der Angeklagte die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewußtsein aufgenommen hat. 3. Bei dieser Sachlage liegt Mord in der Begehungsform der Heimtücke nahe. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen und können bestehen bleiben. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 319/03
vom
22. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin S. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin von P. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16. Dezember 2002 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Kosten der Revisionen der Nebenklägerinnen und des Angeklagten fallen dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel - ebenso wie die Nebenklägerinnen, die überdies das Verfahren beanstanden - eine Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte wendet sich in erster Linie dagegen, daß das Landgericht das Vorliegen einer verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wird vom Generalbundesanwalt nicht vertreten.
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte lebte mit der damals 28jährigen Melanie S. , dem späteren Tatopfer, und dem gemeinsamen Sohn in häuslicher Lebensgemeinschaft. Da der Angeklagte im Übermaß Alkohol trank und in alkoholisiertem Zustand gegenüber seiner Lebensgefährtin auch gewalttätig wurde, zog diese Anfang Januar 2002 mit dem Sohn aus der gemeinsamen Wohnung aus. In der Folgezeit bedrohte der Angeklagte, der sich mit der Trennung nicht abfinden konnte und seither noch mehr dem Alkohol zusprach, Melanie S. mehrfach mit dem Tode und griff sie überdies mehrere Male anläßlich zufälliger Zusammentreffen tätlich an, weil sie seiner Aufforderung, zu ihm zurückzukehren, nicht nachkam. Auch Dritten gegenüber äußerte er unter Alkoholeinfluß, er werde Melanie S. umbringen. Am 17. Juli 2002 suchte Melanie S. den Angeklagten in dessen Wohnung auf, um Fragen im Zusammenhang mit einem Besuchstermin für den gemeinsamen Sohn zu klären. Sie hatte zuvor eine Wohnungsnachbarin des Angeklagten gebeten, in seine Wohnung nachzukommen , falls sie nicht zurückkehre. Melanie S. machte dem Angeklagten Vorhaltungen wegen seines verwahrlosten Aussehens und kündigte an, er werde seinen Sohn nicht mehr sehen, wenn er so weitermache. Als der Angeklagte sie fragte, ob sie mit einem anderen Mann zusammen sei, antwortete Melanie S. zunächst ausweichend. Beide gelangten danach vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Dort bejahte schließlich Melanie S. die vom Ange-
klagten erneut gestellte Frage. Diese Antwort machte den Angeklagten wütend. Er warf Melanie S. auf das Bett und setzte sich auf sie. Sie versuchte zunächst , ihn wegzudrücken, was ihr jedoch nicht gelang. Der Angeklagte faßte daraufhin "aus Wut, Verzweiflung und endgültiger Verlustangst und Trauer um das Scheitern der Beziehung" den Entschluß, Melanie S. zu töten. Er würgte sie mindestens drei Minuten bis zum Eintritt des Todes. Im Zeitpunkt der Tat wies er eine Blutalkoholkonzentration von 2 ‰ auf.

II.


1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen
Das Urteil weist keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.

a) Soweit die Nebenklägerinnen beanstanden, das Landgericht habe die Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO verletzt, greifen die Verfahrensrügen aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen nicht durch.

b) Ohne Erfolg wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerinnen in sachlich-rechtlicher Hinsicht dagegen, daß der Angeklagte nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt worden ist.
aa) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Schwurgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte nicht die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers ausgenutzt, mithin nicht heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat.
Nach der Rechtsprechung kommt es bei heimtückisch begangenem Mord hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an (vgl. BGHSt 32, 382, 384). Zwar kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter mit bereits gefaßtem Tötungsvorsatz ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15; BGH NStZ 1999, 506). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof erwogen, Arglosigkeit des Tatopfers auch dann anzunehmen, wenn - wie hier - der überraschende Angriff zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt wird, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlägt, daß der Überraschungseffekt zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter zum auf Tötung gerichteten Angriff schreitet. Voraussetzung für die Annahme von Arglosigkeit soll aber auch in einem solchen Fall sein, daß dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen bleibt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 16 und 27).
Es kann dahingestellt bleiben, ob hiernach Heimtücke schon deshalb entfällt, weil es dem Tatopfer gelang, sich zunächst gegen den ersten noch nicht mit Tötungsvorsatz geführten Angriff zur Wehr zu setzen.
Denn Melanie S. war nach den Feststellungen schon aufgrund des der Tötung unmittelbar vorausgegangenen Wortwechsels mit dem Angeklagten nicht mehr arglos. Zwar schließt ein bloßer der Tat vorausgegangener Wortwechsel , eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Mißtrauen Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tät-
lichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorausgegangenen Streit, daß das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146).
Daß letzteres hier vorgelegen hat, ergibt sich sowohl aus der Vorgeschichte der Auseinandersetzung als auch aus ihrem Verlauf selbst. Melanie S. war bei ihrem Besuch beim Angeklagten bewußt, daß dieser nach wie vor nicht bereit war, die Trennung zu akzeptieren, und auf ihre Weigerung, zu ihm zurückzukehren, in der Vergangenheit mit massiven Tätlichkeiten reagiert und sie bereits mehrfach mit dem Tode bedroht hatte. Zuletzt war es einen Monat vor der Tat zu einem tätlichen Angriff durch den Angeklagten gekommen. Aus Angst hatte sie ihm deshalb auch verheimlicht, daß sie zwischenzeitlich eine neue Beziehung eingegangen war. Am Tattag suchte sie die Wohnung des Angeklagten erst auf, nachdem sie - ersichtlich aus Sorge vor Tätlichkeiten des Angeklagten - eine Nachbarin gebeten hatte, nachzukommen, falls sie nicht zurückkehre. Diese Vorgeschichte darf bei der Beurteilung der Arglosigkeit und der Kenntnis des Angeklagten hiervon nicht außer acht gelassen werden (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21). Hieraus ergibt sich jedoch, daß Melanie S. am Tattag nicht nur einer Begegnung mit dem Angeklagten mit generellem Mißtrauen begegnete, sondern jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt, als der Angeklagte das Gespräch auf das Eingehen einer neuen Partnerschaft lenkte und sich erkennbar nicht mit ausweichenden Antworten abfinden wollte, auch konkret mit einem schweren tätlichen Angriff rechnete. Daß sie die früheren Todesdrohungen des Angeklagten nicht ernst nahm (UA 11) und sich deshalb möglicherweise keines Angriffs auf ihr Leben versah, belegt ihre Arglosigkeit im Tatzeitpunkt nicht. Vielmehr ist von einer Arglosigkeit eines Tatopfers
schon dann nicht mehr auszugehen, wenn es, wie hier, einen schweren Angriff auf seinen Körper befürchtet (BGHR aaO).
bb) Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es ist zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe Melanie S. aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst und Trauer um das Scheitern der Beziehung" getötet. Es hat nicht feststellen können, daß eines dieser Motive für die Tötung ausschlaggebend gewesen ist und hat deshalb die Motivation des Angeklagten insgesamt nicht als auf niedrigster Stufe stehend angesehen.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH, Urteil vom 9. September 2003 - 5 StR 126/03).
Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Landgericht nicht verkannt, daß die Tötung der Melanie S. unmittelbar nach deren "Geständnis" über das Eingehen einer neuen Partnerschaft erfolgte und bei der Tötung auch Eifersucht und Wut des Angeklagten darüber, daß sie sich einem anderen Mann zugewandt hatte, eine Rolle spielten (UA 21 und 23). Daß das
Schwurgericht diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet indes keinen rechtlichen Bedenken. Vielmehr ist anhand der Vorge- schichte der Tat belegt, daß gleichbedeutend tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung des Angeklagten über die Trennung, über seine in der Folgezeit entstandene perspektivlose Lebenssituation und über das Erkennen , daß sich seine Lebensgefährtin endgültig von ihm abgewandt hatte, waren. Vor diesem Hintergrund hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei die für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet (vgl. BGH NStZ 2004, 34).
2. Die Revision des Angeklagten
Auch die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Die Erwägungen, mit denen das sachverständig beratene Schwurgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer affektiven Bewußtseinsstörung beziehungsweise einer Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit abgelehnt hat, sind nicht zu beanstanden.
Zwar ist das Landgericht davon ausgegangen, daß unter anderem wegen der "Verlustangst" des Angeklagten eine "affektive Beeinflussung" bei der Tatausführung vorgelegen habe. Eine affektive Erregung stellt jedoch bei vorsätzlichen Tötungsdelikten, zumal, wenn wie hier, gefühlsmäßige Regungen bei der Tat eine Rolle spielen, eher den Normalfall dar (vgl. Saß, Der Nervenarzt 1983, 557, 558). Ob die affektive Erregung einen solchen Grad erreicht hat, daß sie zu einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung geführt hat, kann des-
halb nur anhand von tat- und täterbezogenen Merkmalen beurteilt werden, die als Indizien für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen können. Diese Indizien sind dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 4, 7, 9 jew. m.w.N.; BGH StV 1993, 637). Diese Gesamtwürdigung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen. Es hat darauf abgestellt, daß der Angeklagte das Tatgeschehen "beherrscht" und "zweckmäßig" gehandelt habe. Dies wird durch die Feststellungen insoweit belegt, als der Angeklagte selbst das Gespräch auf das - wie er wußte - für ihn stark emotionsbelastete Thema einer neuen Partnerschaft der Melanie S. lenkte, er mithin nicht unvorhergesehen in die tatauslösende Situation gestellt wurde. Für eine erhaltene Introspektionsfähigkeit spricht zudem die Reflektion seiner Tatmotivation (vgl. Saß aaO, 569), etwa seine Einlassung , er sei wütend gewesen, nachdem Melanie S. die Aufnahme einer Beziehung zum Zeugen M. eingeräumt habe. Das Landgericht hat ferner zutreffend hervorgehoben, der Angeklagte habe eine detailreiche Erinnerung an das Tatgeschehen. In seine Abwägung hat es die alkoholische Beeinflussung des trinkgewohnten Angeklagten zur Tatzeit ebenso wie sein Nachtatverhalten in nicht zu beanstandender Weise einbezogen. Es hat insbesondere berücksichtigt, daß der Angeklagte im Anschluß an die Tat sowohl mit der Zeugin Sch. als auch mit einem Polizeibeamten situationsangepaßte und - orientierte Telefongespräche führte. Wenn das Schwurgericht diese in der Tatsituation und im Nachtatverhalten liegenden Indizien zusammenfassend dahin gewürdigt hat, daß ein rechtlich relevanter Ausnahmezustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht vorlag, so hält sich diese Wertung noch innerhalb des dem Tatrichter insoweit eröffneten Beurteilungsspielraums.
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Tat- vorgeschichte. Nach den Feststellungen befaßte sich der Angeklagte bereits seit der Trennung von Melanie S. mit dem Gedanken diese zu töten, falls sie nicht zu ihm zurückkehrte. Diese Überlegungen werden nicht nur durch die vielfachen, von ihm eingeräumten Todesdrohungen gegenüber dem Tatopfer und entsprechenden Ankündigungen gegenüber dritten Personen belegt, sondern auch durch die Vorfälle vom Februar 2002, als der Angeklagte Melanie S. in einer der Tat vergleichbaren Situation erstmals heftig würgte und von anderen Personen von einem weiteren Vergehen gegen seine ehemalige Lebensgefährtin abgehalten werden mußte, sowie durch den Vorfall vom April 2002, als er Schrauben unter die Reifen ihres Fahrzeugs legte, möglicherweise um einen Verkehrsunfall herbeizuführen. Derartige Ankündigungen der Tat und vergleichbare aggressive Handlungen gegen das spätere Tatopfer im Vorfeld sind jedoch ebenfalls deutliche Anzeichen dafür, daß der Angeklagte nicht infolge einer Bewußtseinsstörung in ein gedanklich nicht vorbereitetes Tatgeschehen geraten ist (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 11 m.w.N.; Saß aaO, 567).
Die Urteilsfeststellungen ergeben auch keine Anhaltspunkte dafür, daß das Persönlichkeitsgefüge des Angeklagten bei der Tatausführung infolge einer schon längere Zeit vor der Tat bestehenden ambivalenten Täter-OpferBeziehung mit chronischen Affektanspannungen schwer erschüttert war. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei einer solchen Situation auch ein "Vorgestalten" der Tat in der Phantasie bis hin zu Ankündigungen und Vorbereitungshandlungen der Tat mit einem tatauslösenden affektiven Durchbruch vom Schweregrad des § 21 StGB vereinbar sein können (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 6 und 11 m.w.N.). Eine solche Konfliktentwicklung hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und Melanie
S. gestaltete sich seit der Trennung gerade nicht ambivalent; vielmehr unternahm lediglich der Angeklagte einseitige Versuche, Melanie S. zu einer Rückkehr zu bewegen, während diese an der Trennung festhielt. Auch die Stimmungsschwankungen des Angeklagten, seine zunehmende Verwahrlosung und die damit einhergehende Vernachlässigung sozialer Belange waren nach den Urteilsfeststellungen nicht Folgen einer Konfliktentwicklung im Rahmen einer ambivalenten Täter-Opfer-Beziehung, sondern standen, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, in untrennbarem Zusammenhang mit dem übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten, den er nach der Trennung noch weiter gesteigert hatte. Angesichts dieser Umstände ist gegen die Annahme des Landgerichts, beim Angeklagten habe zur Tatzeit weder eine schuldmindernde affektive Bewußtseinsstörung noch eine schwere andere seelische Abartigkeit aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung vorgelegen , aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

III.


Eine gegenseitige Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenklägerinnen findet nicht statt, weil beide Revisionen erfolglos sind (vgl. BGHR StPO § 473 Abs. 1 Satz 3 Auslagenerstattung 1).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 484/08
vom
25. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 25. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. Juli 2008 im Strafausspruch aufgehoben. Die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg, zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 213 2. Alt. StGB abgelehnt. Die Tatsache, dass der Angeklagte nach der Tat versucht habe, Hilfe zu holen, als er davon ausging, sein Sohn sei noch zu retten, diese Bemühungen dann aber abgebrochen habe, führe nicht dazu, dass der Strafrahmen des § 212 StGB unangemessen wäre. Diese Begründung - andere Umstände hat das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht erörtert - trägt nicht die Ablehnung eines minder schweren Falles. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei Annahme oder Ablehnung eines minder schweren Falles auf eine Gesamtbewertung aller Umstände an (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 213 Rdn. 12 m. w. N.). Die Strafkammer hätte deshalb in ihre Erwägungen einbeziehen und erörtern müssen, dass der Angeklagte bei der Tat auch in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war und dass zudem zahlreiche, auf UA S. 18, 19 aufgeführte Gründe seine Schuld mindern. Eine entsprechende Erörterung war hier vor allem schon deshalb geboten, weil das Landgericht bei der Strafzumessung im engeren Sinne allein strafmildernde Gesichtspunkte, hingegen keine strafschärfende Umstände angeführt hat. Zur Prüfungsreihenfolge in Fällen, in denen ein sonstiger minder schwerer Fall in Betracht kommt, weil neben einem gesetzlich vertypten Milderungsgrund weitere Milderungsgründe vorliegen, verweist der Senat auf Fischer aaO Rdn. 18, 19.
3
Da der Strafausspruch aufgrund von Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand hat, können die zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen. Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.