Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18

bei uns veröffentlicht am25.10.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 312/18
vom
25. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
ECLI:DE:BGH:2018:251018U4STR312.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Erster Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt – jeweils nur in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 19. März 2018 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit es den Angeklagten A. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und zwei Mobiltelefone als Tatmittel eingezogen. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte , mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Kurz vor dem 11. März 2017 bestellte der bereits einschlägig vorbestrafte Angeklagte – etwa sechs Monate nach seiner Entlassung aus der Strafhaft – bei dem gesondert verfolgten O. in A. die Lieferung von Kokain. Am 11. März 2017 holte er diesen und eine Kurierin, die rund 200 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von wenigstens 20 % versteckt in ihrer Scheide in das Bundesgebiet eingeschmuggelt hatte, in S. ab. Man fuhr zur Wohnung des Angeklagten; dort wurde ihm das Rauschgift für den gewinnbringenden Weiterverkauf übergeben. Anschließend sorgte er für die Rückkehr der beiden Personen nach A. .
3
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer die Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt und den sich aus § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ergebenden Strafrahmen zugrunde gelegt. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat sie zugunsten des Angeklagten die nicht auszuschließende geringe Qualität des Kokains sowie die erlittene Untersuchungshaft berücksichtigt, zu seinen Lasten, dass er mehrfach einschlägig vorbestraft ist.
4
2. Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320), weil die Strafkammer bei ihrer Bemessung zugunsten des Angeklagten die erlittene Untersuchungshaft von rund neun Monaten strafmildernd berücksichtigt hat, ohne hierfür eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Begründung zu geben.
5
Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 12. April 2018 – 4 StR 336/17; vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13 Rn. 9; vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31; vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 Rn. 18, insoweit in BGHSt 59, 28 ff. nicht abgedruckt; vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21). Solche zusätzlichen, den Angeklagten besonders beschwerenden Umstände oder Folgen des Haftvollzugs hat die Strafkammer nicht festgestellt.
6
Der Strafausspruch beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafhöhe zugunsten des Angeklagten durch die strafmildernde Berücksichtigung der Untersuchungshaft beeinflusst worden ist.
Franke Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann
Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2018 - 4 StR 336/17

bei uns veröffentlicht am 12.04.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 336/17 vom 12. April 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:120418U4STR336.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerich

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Aug. 2013 - 5 StR 248/13

bei uns veröffentlicht am 20.08.2013

5 StR 248/13 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 20. August 2013 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2013 - 4 StR 258/13

bei uns veröffentlicht am 10.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 258/13 vom 10. Oktober 2013 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––––– StGB § 176a Abs. 2 Nr. 2 1. Eine gemeinschaftliche

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2013 - 4 StR 302/13

bei uns veröffentlicht am 19.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 302/13 vom 19. Dezember 2013 in der Strafsache gegen wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Feb. 2017 - 4 StR 481/16

bei uns veröffentlicht am 02.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 481/16 vom 2. Februar 2017 in der Strafsache gegen alias: wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgericht
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2018 - 4 StR 312/18.

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Feb. 2020 - 4 StR 552/19

bei uns veröffentlicht am 27.02.2020

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 552/19 vom 27. Februar 2020 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2020:270220U4STR552.19.0 Der 4. Strafsenat des Bu

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 336/17
vom
12. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:120418U4STR336.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. April 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin Y. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. Januar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch – mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen –, soweit der Angeklagte in den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe verurteilt worden ist, und
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten werden verworfen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen, schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Erpressung, wegen Körperverletzung, Anstiftung zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse, Anstiftung zum Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse , Zuhälterei in Tateinheit mit versuchtem schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sowie wegen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Beschwerdeführerin erstrebt in den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe jeweils Verurteilungen wegen schweren Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zuhälterei, im Fall II.2.c Fall 5 der Urteilsgründe einen Schuldspruch auch wegen tateinheitlich begangener Zuhälterei und im Fall II.2.f Fall 17 der Urteilsgründe insbesondere eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Im Übrigen beanstandet sie den Strafausspruch. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung.
2
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe sowie des gesamten Strafausspruchs. Im Übrigen erweist es sich als unbegründet. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte über das Internet zu einer Vielzahl von Frauen Kontakte auf, die er dazu nutzte auszuloten, ob die Frauen bereits über Erfahrungen im Rotlichtmilieu verfügten oder zumindest die grundsätzliche Bereitschaft zeigten, als Prostituierte zu arbeiten. Sofern die Frauen ihm gefielen oder er davon ausging, sie zu einer Prostitutionstätigkeit bringen zu können, intensivierte er die Beziehungen in der Absicht, an den Einnahmen der Frauen zu partizipieren, um so seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
4
In drei Fällen brachte er jeweils bereits der Prostitution nachgehende Frauen mit dem tatsächlich unzutreffenden Versprechen, Gelder für eine gemeinsame Zukunft anzulegen, dazu, ihm im Zeitraum von Dezember 2014 bis Januar 2016 Geldbeträge in Höhe von insgesamt 15.000 Euro, 3.500 Euro und 13.000 Euro zu überlassen, die er abredewidrig jeweils für sich verbrauchte (II.2.a, II.2.b und II.2.e Fall 7 der Urteilsgründe). Einer dieser Frauen schlug der Angeklagte im Rahmen einer Auseinandersetzung im Oktober oder November 2015 mit der flachen Hand ins Gesicht sowie gegen den Kopf und trat ihr gegen Arme und Beine sowie mindestens einmal leicht gegen den Unterleib (II.2.e Fall 10 der Urteilsgründe).
5
In zwei Fällen veranlasste der Angeklagte Frauen unter 21 Jahren zur Aufnahme einer Prostitutionstätigkeit. Die zur Tatzeit 20-jährige Geschädigte H. brachte der Angeklagte, der sie zuvor über die Abläufe einer Prostitutionstätigkeit in einem Club informiert hatte, am 5. Juni 2015 mit seinem Fahrzeug zu einem von ihm ausgewählten Saunaclub in R. , wo sie füreinige Tage der Prostitution nachging und nach Abzug der Kosten 1.900 Euro verdien- te. Der Aufforderung des Angeklagten, ihn per Mobiltelefon über die jeweiligen Einkünfte zu unterrichten, kam die Geschädigte nur unvollständig nach (II.2.c Fall 4 der Urteilsgründe). Am 9. Juni 2015 holte der Angeklagte die Geschädigte H. mit seinem Pkw aus dem Saunaclub ab. Nachdem er vergeblich versucht hatte, die Geschädigte mit der Erklärung, das Geld für eine gemeinsame Zukunft anlegen zu wollen, zur Herausgabe ihres Verdienstes zu bewegen, kam es zwischen dem Angeklagten und der eine Geldübergabe beharrlich verweigernden Geschädigten zu einer sich über geraume Zeit hinziehenden Auseinandersetzung , in deren Verlauf der Angeklagte schließlich drohte, der Familie der Geschädigten von ihrer Tätigkeit zu erzählen und – tatsächlich nicht vorhandene – Videos von ihr aus dem Club zu zeigen. Dabei hatte der Angeklagte in gewisser Weise auch bereits im Auge, dass diese Drohung geeignet sein könnte, die Geschädigte für eine weitere Prostitutionsausübung „bei der Stange“ zu halten. Die Geschädigte, die befürchtete, der Angeklagte werde seine Drohung wahrmachen, übergab ihm schließlich 1.000 Euro, von denen sie 100 Euro alsbald zurückerhielt. Zwei Tage später vereinbarten der Angeklagte und die Geschädigte, dass sie ab dem folgenden Tag wieder in dem Club arbeiten solle. Die Geschädigte wollte dies eigentlich nicht mehr, hatte aber nunmehr vor allem wegen der ihr noch sehr präsenten Drohung, ihre Eltern über die Tätigkeit als Prostituierte in Kenntnis zu setzen, gewisse Ängste vor dem Angeklagten. Dem Angeklagten, dem seinerseits noch gegenwärtig war, mit welchen Drohungen er die Geschädigte zwei Tage zuvor aus seiner Sicht „eingenordet“ hatte, war zumindest mit bedingtem Vorsatz bewusst, dass dies fortwirkte, ohne dass es erneuter Drohungen bedurfte. Nachdem der Angeklagte die Geschädigte H. mit seinem Pkw wieder in den Club nach R. gebracht und sich diesmal einen ihrer Wohnungsschlüssel hatte aushändigen lassen, ging die Geschädigte für fünf Tage der Prostitution nach und erzielte einen Nettover- dienst von 1.900 Euro, wovon sie später ohne erneute Auseinandersetzung 1.000 Euro an den Angeklagten übergab (II.2.c Fall 5 der Urteilsgründe).
6
Die damals 19 Jahre alte Geschädigte N. brachte der Angeklagte im Juli 2015 mit seinem Pkw in den Saunaclub nach R. . Zuvor hatte er die Geschädigte näher über die Tätigkeit als Prostituierte in einem Club informiert, mit ihrem Einverständnis den Club ausgewählt, ihr zur Mitteilung ihrer Einkünfte ein Mobiltelefon ausgehändigt und sich einen ihrer Wohnungsschlüssel geben lassen. In der Folgezeit ging die Geschädigte für einige Zeit, unterbrochen durch einen einwöchigen Urlaub, der Prostitution nach, ehe sie aus dem Saunaclub verschwand. Von ihren durch die Prostitution erzielten Einkünften übergab sie bei verschiedenen Gelegenheiten Teile an den Angeklagten (II.2.d der Urteilsgründe).
7
Anfang Januar 2016 lernte der Angeklagte über das Internet die Geschädigte M. kennen, die sich zum damaligen Zeitpunkt in einer desolaten finanziellen Lage befand, und überredete sie zur Aufnahme einer Tätigkeit als Prostituierte. Da die Geschädigte einer beruflichen Beschäftigung nachging, veranlasste der Angeklagte die ohne die erforderliche Untersuchung erfolgende Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Geschädigte durch einen Arzt und deren Vorlage bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (II.2.f Fall 14 und 15 der Urteilsgründe). Am 7. Januar 2016 fuhr der Angeklagte die Geschädigte zu dem Saunaclub in R. . Er erklärte ihr nochmals, wie sie sich verhalten solle, nahm sämtliche Wohnungsschlüssel der Geschädigten an sich, gab ihr 50 Euro zur Bezahlung der Zimmermiete im Club und forderte sie auf, regelmäßig mittels Mobiltelefon über ihre Einkünfte zu berichten. Ferner sagte er zu, die Geschädigte abzuholen, wenn es ihr im Club nicht gefalle. Nach Entrichtung des Eintritts und Einweisung in die Abläufe fasste die Ge- schädigte den Entschluss, dort nicht arbeiten zu wollen. Sie rief den Angeklagten an und bat ihn vergeblich, sie wieder abzuholen. Da sie für eine Rückfahrt zu ihrer Wohnung kaum genügend Geld und zudem auch keine Wohnungsschlüssel hatte, ließ sie sich bis zum 10. Januar 2016 in begrenztem Umfang auf eine Prostitutionstätigkeit ein und verdiente insgesamt 300 Euro. Während dieser Zeit lehnte der Angeklagte die wiederholt telefonisch geäußerten Bitten der Geschädigten, sie aus dem Club wieder abzuholen, jeweils ab, wobei er ihr deutlich zu verstehen gab, dass sie schon deshalb dort bleiben müsse, weil er schließlich ihre Wohnungsschlüssel habe. Bei einem der Telefonate – nicht ausschließbar zu einem Zeitpunkt, nach welchem die Geschädigte ohne weitere Prostitutionstätigkeit den Club verließ – drohte der Angeklagte damit, den Arbeitgeber der Geschädigten über die falsche Krankmeldung und die Prostitutionsausübung zu informieren, um auf diese Weise die Geschädigte unter Druck zu setzen und zur Fortsetzung der Tätigkeit als Prostituierte zu bringen (II.2.f Fall 16 der Urteilsgründe).
8
Nachdem die Geschädigte am 10. Januar 2016 den Club verlassen hatte und mit einem Taxi zu ihrer Wohnung nach Ma. gefahren war, rief sie den Angeklagten an und forderte ihn auf, ihr die Wohnungsschlüssel zu bringen. Als der Angeklagte mit seinem Pkw vor der Wohnung erschien, blieb er bei laufendem Motor im Fahrzeug sitzen, während die Geschädigte sich mit ihrem Oberkörper durch das geöffnete Fenster auf der Beifahrerseite in das Fahrzeuginnere lehnte und die Rückgabe der Wohnungsschlüssel verlangte. Der Angeklagte weigerte sich und forderte seinerseits die Rückzahlung ihr zur Verfügung gestellter 100 Euro, wobei er wusste, hierauf keinen Anspruch zu haben. Im Verlauf der sich nunmehr entwickelnden Auseinandersetzung, in der die Geschädigte auf Herausgabe ihrer Schlüssel und der Angeklagte auf die Rückzahlung des Geldes pochten, forderte der Angeklagte die Geschädigte mehrfach auf, ihren Kopf aus dem Fahrzeuginneren zu nehmen, was diese nicht tat, weil sie befürchtete, der Angeklagte werde davonfahren, ohne ihr die Wohnungsschlüssel ausgehändigt zu haben. Obgleich die Geschädigte ihren Kopf nicht komplett aus dem Auto gezogen hatte, fuhr der Angeklagte kurz an, brachte sein Fahrzeug aber nach fünf Metern vor einer dort befindlichen Ampel ohne Vollbremsung wieder zum Stehen. Beim Anfahren ging er davon aus, dass die Geschädigte zurückschrecken und Kopf bzw. Oberkörper aus dem Fenster nehmen werde. Zu seiner Überraschung zog die Geschädigte indes nicht zurück, sondern hechtete in das Fahrzeuginnere, um ein Wegfahren des Angeklagten mit ihren Wohnungsschlüsseln zu verhindern. Während der anschließenden Fahrt nahm die Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten, der immer mehr in Rage geriet, und der auf dem Beifahrersitz sitzenden Geschädigten ihren Fortgang. Der Angeklagte stoppte das Fahrzeug und versuchte erfolglos, die Geschädigte an den Haaren und den Armen aus dem Auto zu zerren, wodurch sie blaue Flecke davontrug. Sodann fuhr er mit der Geschädigten weiter durch die Gegend, brüllte und beschimpfte sie unablässig, ohne weiter körperlich gewalttätig zu werden. Schließlich gab die Geschädigte dem Angeklagten 150 Euro, die von ihrem Verdienst im Club noch übrig waren, da sie einerseits anders nicht an ihre Schlüssel zu kommen glaubte und andererseits die Drohungen des Angeklagten nicht einzuschätzen wusste und es für besser hielt, ihm nicht weiter Widerstand entgegenzusetzen (II.2.f Fall 17 der Urteilsgründe).
9
Das Landgericht hat die Taten II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe zum Nachteil der Geschädigten H. und N. als Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB in der bis 14. Oktober 2016 geltenden Fassung und die Tat II.2.c Fall 5 der Urteilsgründe zum Nachteil der Geschädigten H. als Erpressung gemäß § 253 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF gewertet. Die Tat II.2.f Fall 17 der Urteilsgründe zum Nachteil der Geschädigten M. hat es rechtlich als Erpressung nach § 253 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewürdigt.

II.


10
Revision der Staatsanwaltschaft
11
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist – wirksam – auf die Schuldsprüche in den Fällen II.2.c Fälle 4 und 5, II.2.d und II.2.f Fall 17 der Urteilsgründe sowie den Strafausspruch beschränkt.
12
Die Beschwerdeführerin hat eingangs ihrer Revisionsbegründungsschrift vom 7. April 2017 zunächst die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erho- ben und anschließend ausgeführt, dass das Gericht „in mehreren Fällen den Sachverhalt rechtlich falsch gewürdigt“ und „wesentliche Strafzumessungsfaktoren unberücksichtigt gelassen“ habe. Die anschließend umfangreich dargeleg- ten Einzelbeanstandungen, die sich ausschließlich auf die rechtliche Würdigung in den genannten vier Fällen der Urteilsgründe sowie die Strafzumessung be- ziehen, werden mit der Formulierung eingeleitet, dass im Folgenden „die relevantesten Fehler näher ausgeführt“ werden sollen, wobei dies „ausdrücklich keine Beschränkung der allgemein erhobenen Sachrüge auf diese Fehler darstellen“ solle. Abschließend wird der Antrag gestellt, das angefochtene Urteil „zumindest in den aufgeführten Punkten und bezüglich der Gesamtstrafe“ auf- zuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
13
Da die wiedergegebenen Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift der Staatsanwaltschaft die Reichweite des Revisionsangriffs nicht eindeutig bestimmen, ist der Anfechtungswille der Beschwerdeführerin durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten ist, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker, NStZ-RR 2004, 228 Nr. 17). Die im Anschluss an die Erhebung der Sachrüge erfolgte Umschreibung der Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils und die näher ausgeführten Einzelbeanstandungen ergeben im Wege der Auslegung, dass sich die Staatsanwaltschaft ausschließlich gegen die rechtliche Würdigung in den Fällen II.2.c Fälle 4 und 5, II.2.d und II.2.f Fall 17 der Urteilsgründe wendet und die Strafzumessung beanstandet. Der Hinweis auf die nicht gewollte Beschränkung der allgemein erhobenen Sachrüge bezieht sich dem Kontext der Begründungsschrift nach auf die nachfolgend im Einzel- nen ausgeführten „relevantesten“ Gründe für die zuvor nur teilweise angenom- mene Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils und führt daher zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer Vielzahl abgeurteilter Taten die nicht ausgeführte Sachrüge zur ordnungsgemäßen Begründung einer Revision der Staatsanwaltschaft nicht ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11 Rn. 21, insoweit in BGHSt 57, 183 nicht abgedruckt; Beschlüsse vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288; vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, aaO), wäre im Übrigen auch ein umfassend formulierter Vorbehalt nicht geeignet, eine Beschränkung des Rechtsmittels auszuschließen.
14
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zum Schuldspruch, soweit das Landgericht in den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe eine Strafbarkeit des Angeklagten jeweils wegen schweren Menschenhandels nach § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der bis 14. Oktober 2016 geltenden Fassung verneint hat, sowie zum Strafausspruch insgesamt begründet. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
15
a) Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen schweren Menschenhandels nach § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF in den genannten Fällen verneint hat, halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
16
aa) Nach der Qualifikationsnorm des § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF, die auf die Taten des Angeklagten gemäß § 2 Abs. 3 StGB weiterhin Anwendung findet , weil die Strafandrohung des § 232a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB i.V.m. § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StGB in der am 15. Oktober 2016 in Kraft getretenen Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I, 2226) nicht milder ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2017 – 1 StR 607/16, BGHR StGB § 2 Abs. 3 Gesetzesänderung 18), macht sich wegen schweren Menschenhandels strafbar, wer die Tat nach § 232 Abs. 1 StGB aF gewerbsmäßig begeht. Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig zu werten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. August 2008 – 4 StR 327/08, StraFo 2008, 477). Die Wiederholungsabsicht muss sich stets auf das Delikt beziehen, dessen Tatbestand durch das Merkmal der Ge- werbsmäßigkeit qualifiziert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2009 – 3 StR 601/08, BGHR StGB § 146 Abs. 2 Gewerbsmäßig 1; Urteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Gewerbsmäßig 2; Beschluss vom 13. Dezember 1995 – 2 StR 575/95, NStZ 1996, 285, 286; Sternberg -Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., vor §§ 52 ff. Rn. 95; Fischer, StGB, 65. Aufl., vor § 52 Rn. 61a). Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF liegt mithin vor, wenn der Täter sich eine fortlaufende Einnahmequelle gerade durch die wiederholte Vornahme solcher Handlungen verschaffen will, die den Tatbestand des § 232 Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB aF erfüllen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 622/10). Dabei ist aber nicht erforderlich, dass der Täter die erstrebten Einnahmen ausschließlich aus Taten nach § 232 Abs. 1 StGB aF erzielen will. Es reicht vielmehr aus, wenn sich die Wiederholungsabsicht auch auf derartige Taten erstreckt (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, aaO; vom 26. Oktober 2015 – 1 StR 317/15, BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 Gewerbsmäßig 6; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30 Rn. 117 jeweils zu § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG).
17
bb) Das Landgericht hat die Ablehnung der Gewerbsmäßigkeit gemäß § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF im Wesentlichen damit begründet, dass es dem Angeklagten nach den Feststellungen nicht darauf ankam, gerade Frauen unter 21 Jahren zur Prostitution zu bringen. Damit ist es aber von einem zu engen Verständnis der Gewerbsmäßigkeit ausgegangen. Mit der Frage, ob sich das Bestreben des Angeklagten, zur Erzielung von Einkünften Frauen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu veranlassen, auch auf Frauen unter 21 Jahren bezog, hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Angesichts des Umstands, dass sich der Angeklagte bei der Geschädigten H. , da sie volljährig war, über deren Alter keine weiteren Gedanken machte und er im Zeitraum von knapp zwei Monaten zwei Frauen unter 21 Jahren zur Aufnahme einer Tätigkeit als Prostituierte veranlasste, liegt eine solche Absicht jedenfalls nicht fern.
18
cc) Die Fälle II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe bedürfen daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bedarf es nicht.
19
b) Die Strafkammer hat – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – in den Fällen II.2.c Fälle 4 und 5 sowie II.2.d der Urteilsgründe zu Recht von einer Verurteilung jeweils auch wegen tateinheitlich begangener Zuhälterei nach § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB abgesehen. In den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer dirigierenden Zuhälterei nicht vor. Im Fall II.2.c Fall 5 der Urteilsgründe tritt der verwirklichte § 181a Abs. 1 Nr. 2 3. Alternative StGB hinter den schweren Menschenhandel gemäß § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF zurück.
20
aa) Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei nach § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt in allen Begehungsvarianten eine bestimmende Einflussnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr ein Verhalten des Täters, das geeignet ist, die Prostituierte in Abhängigkeit von ihm zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen , sie zu nachhaltiger Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2015 – 2 StR 75/15, NStZ 2015, 638; vom 1. August 2003 – 2 StR 186/03, BGHSt 48, 314, 317 mwN; vom 13. November 2001 – 4 StR 408/01). Beim Überwachen geht es um eine andauernde Kontrolle der Geldeinnahmen , der Buchführung und der Preisgestaltung für die sexuellen Dienstleis- tungen, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Prostituierten bewirken kann, welche ihr eine Lösung aus der Prostitution erschwert. Das Bestimmen der Umstände der Prostitution muss zur Erfüllung des Tatbestands des § 181a Abs. 1 Nr. 2 2. Alternative StGB in einer Weise erfolgen, dass sich die Prostituierte den Weisungen nicht entziehen kann. Freiwilliges Akzeptieren von Bedingungen schließt dirigierende Zuhälterei in diesem Sinne aus (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 2 StR 75/15, aaO). Die dritte Tatbestandsvariante des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt vor, wenn der Täter, der Beziehungen zu der Prostituierten unterhält und um des eigenen Vermögensvorteils willen handelt, Maßnahmen ergreift, welche das Opfer davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon nur Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 2 StR 75/15, aaO; Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453, 455). Dies ist der Fall, wenn sich das Opfer durch Zwang oder Drohung an der Prostitution festgehalten fühlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2002 – 4 StR 66/02, NStZ-RR 2002, 232).
21
bb) Von diesem Maßstab ausgehend hat sich der Angeklagte in den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe nicht der dirigierenden Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Der Angeklagte, der jeweils den Club für die Prostitutionsausübung im Einverständnis mit den Geschädigten auswählte und die Geschädigten mit seinem Fahrzeug dorthin brachte, nahm nach den Feststellungen auf die Prostitutionsausübung in dem Bordellbetrieb keinen Einfluss. Seine Aufforderung, ihn per Mobiltelefon über die jeweiligen Einkünfte zu informieren, der die Geschädigte H. – vom Angeklagten unbeanstandet – nur unvollständig nachkam, und die im Zusammenhang mit dem Abholen der Geschädigten aus dem Club jeweils erfolgten Nach- fragen nach der Höhe der Einnahmen reichen auch im Zusammenwirken für die Annahme einer Überwachung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 2 1. Alternative StGB nicht aus. Schließlich war das Ansichnehmen einer der Wohnungsschlüssel der Geschädigten durch den Angeklagten nicht geeignet, den Geschädigten durch Drohung oder Zwang den Weg aus der Prostitution zu verbauen.
22
cc) Im Fall II.2.c Fall 5 der Urteilsgründe sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der dirigierenden Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 2 1. und 2. Alternative StGB aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht erfüllt. Indem der Angeklagte die Geschädigte H. mit der Drohung, ihre Eltern über die Tätigkeit als Prostituierte ins Bild zu setzen, zur Fortsetzung der Prostitution veranlasste , hat er indes – wovon die Strafkammer zu Recht ausgegangen ist – zugleich eine Maßnahme getroffen, welche die Geschädigte davon abhalten sollte, die Prostitution aufzugeben, und damit die dritte Begehungsalternative des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht. Da sich die Zuhältereihandlung aber in der Drohung erschöpfte, die zur Strafbarkeit des Angeklagten wegen schweren Menschenhandels nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF führt und beide Strafvorschriften mit der Freiheit der Selbstbestimmung des Opfers in sexueller und wirtschaftlicher Hinsicht den Schutz desselben Rechtsguts bezwecken (vgl. Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 181a Rn. 1 und § 232 Rn. 7 jeweils mwN), kommt der Verwirklichung des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB in der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation gegenüber § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF keine unrechtssteigernde Bedeutung zu. Das Unrecht der Tat wird – wovon das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist – vielmehr vollständig durch den schweren Menschenhandel nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF mit der Folge erfasst, dass § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF zurücktritt.
23
c) Mit ihren gegen den Schuldspruch im Fall II.2.f Fall 17 der Urteilsgründe gerichteten Beanstandungen dringt die Revision der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht durch.
24
aa) Das Landgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen räuberischer Erpressung nach §§ 255, 253 Abs. 1 und 2 StGB und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB zu Recht verneint, weil die Gewaltanwendung durch das Zerren an Haaren und Armen der Geschädigten nicht der Durchsetzung der Geldforderung diente und der Angeklagte beim Anfahren mit seinem Pkw nicht mit dem für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Gestalt eines verkehrsfremden Inneneingriffs zumindest erforderlichen bedingten Schädigungsvorsatz zum Nachteil der Geschädigten H. handelte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233; Ernemann in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 315b Rn. 3 mwN).
25
bb) Die den getroffenen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung der Strafkammer begegnet unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f. mwN; Franke in Löwe/Rosenberg , StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
26
Das Landgericht hat die Feststellungen zum Geschehen am und im Fahrzeug des Angeklagten auf die im Wesentlichen deckungsgleichen Angaben des Angeklagten und der Geschädigten in der Hauptverhandlung gestützt, denen der Ablauf der Ereignisse wegen der dem Geschehen innewohnenden Dynamik nicht mehr in jedem Detail erinnerlich gewesen ist. Die Gewaltanwen- dung im Zusammenhang mit dem vergeblichen Versuch, die Geschädigte aus dem Auto herauszuzerren, ist nur von der Geschädigten im Rahmen ihrer Zeugenaussage geschildert worden. Die vom Landgericht in tatrichterlicher Verantwortung aus dem objektiven Geschehen – einschließlich des Umstands, dass die Geschädigte ohne Willen des Angeklagten in das Fahrzeug gelangt war – gezogene Schlussfolgerung, wonach die Gewaltanwendung nicht zur Durchsetzung der Geldforderung, sondern zum Entfernen der Geschädigten aus dem Pkw dienen sollte, ist möglich und damit für das Revisionsgericht bindend. Dass eine andere tatsächliche Würdigung – wie vom Generalbundesanwalt aufgezeigt – möglicherweise nähergelegen hätte, ist für die revisionsgerichtliche Prüfung der Beweiswürdigung ohne Belang.
27
Zu den objektiven Gegebenheiten beim Anfahren des Angeklagten mit seinem Pkw hat die Strafkammer neben den Angaben des Angeklagten und der Geschädigten zusätzlich die Erkenntnisse aus der Innenraumüberwachung im Fahrzeug des Angeklagten herangezogen. Der Tonaufzeichnung aus dieser Überwachung hat es unter anderem entnommen, dass im Zusammenhang mit dem Anfahren des Fahrzeugs kein Aufschrei der Geschädigten zu vernehmen war und die Geschädigte dem Angeklagten im unmittelbaren Anschluss keine verbalen Vorwürfe wegen seines Fahrmanövers machte. Die von der Strafkammer auf dieser Grundlage gezogene Folgerung, es könne in subjektiver Hinsicht jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte nicht mit einer Schädigung des Tatopfers rechnete, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einer eingehenderen Darstellung der jeweiligen Angaben der Beteiligten hat es entgegen der Auffassung der Revision nicht bedurft.
28
d) Dagegen hält der Strafausspruch einer rechtlichen Prüfung nicht stand (vgl. zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320).
29
aa) Die Einzelstrafen und in deren Folge der Gesamtstrafenausspruch haben keinen Bestand, weil die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelstrafen zugunsten des bislang unbestraften Angeklagten jeweils die erlittene Untersuchungshaft von nahezu einem Jahr strafmindernd berücksichtigt hat, ohne hierfür eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Begründung zu geben.
30
Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13 Rn. 9; vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ 2014, 31; vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13 Rn. 18, insoweit in BGHSt 59, 28 nicht abgedruckt; vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21). Solche zusätzlichen, den Angeklagten besonders beschwerenden Umstände oder Folgen des Haftvollzugs hat die Strafkammer nicht festgestellt.
31
bb) Des Weiteren begegnen die Erwägungen, mit denen das Landgericht in den Fällen II.2.c Fall 4 und II.2.d der Urteilsgründe jeweils minder schwere Fälle des Menschenhandels nach § 232 Abs. 5 StGB aF angenommen hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat die Bewertung als minder schwere Fälle maßgeblich auch damit begründet, dass im Vergleich zu den anderen Tatbestandsvarianten des § 232 Abs. 1 StGB aF das Bringen einer Person unter 21 Jahren zur Prostitution „in der Regel die (mit Abstand) am wenigsten üble Variante darstellt“. Mit dieserabstrakten, nicht an den Gege- benheiten des konkreten Falles orientierten Überlegung setzt sich das Landgericht in Widerspruch zu den Wertungen der gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber hat in § 232 Abs. 1 und 2 StGB aF verschiedene Begehungsweisen des Menschenhandels tatbestandlich erfasst und mit einer einheitlichen Strafandrohung – Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren – versehen. Für minder schwere Fälle aller Varianten des § 232 Abs. 1 StGB aF sieht die Vorschrift des § 232 Abs. 5 StGB aF Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Die in dieser gesetzlichen Regelung zum Ausdruck gebrachte grundsätzliche Gleichwertigkeit des den verschiedenen Begehungsalternativen innewohnenden Unrechtswertes schließt es aus, der Verwirklichung gerade einer der Tatbestandsvarianten bestimmendes Gewicht bei der durch Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Prüfung der Voraussetzungen für einen minder schweren Fall beizumessen.
32
cc) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich die unzutreffenden Wertungen der Strafkammer auf die Höhe der verhängten Einzelstrafen und in deren Folge auf den Gesamtstrafenausspruch ausgewirkt haben.

III.


33
Revision des Angeklagten
34
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
35
Angesichts der Aufhebung des gesamten Strafausspruchs auf die Revision der Staatsanwaltschaft besteht für eine in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO vorzunehmende Nachholung der im angefochtenen Urteil unterbliebenen Festsetzung der Tagessatzhöhe für die Einzelgeldstrafen in den Fällen II.2.f Fälle 14 und 15 der Urteilsgründe keine Veranlassung.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 481/16
vom
2. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:020217U4STR481.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 9. Mai 2016 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen“ und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 Euro angeordnet. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Am 30. Juli 2015 verkaufte der Angeklagte in B. für 5.000 Euro 100 Gramm Kokain an einen unbekannt gebliebenen Abnehmer. Das Rauschgift hatte einen Kokainhydrochlorid-Anteil von mindestens 80 %, was einer Menge von mindestens 80 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht (Tat II.2.a).
4
Am 7. September 2015 lagerte der Angeklagte in seiner Garage in Re. in einem unverschlossenen Tresor 458,95 Gramm Kokain (412 Gramm Kokainhydrochlorid), das in einem Stoffbeutel verpackt war. Auf dem Tresor befanden sich mehrere „Bubbles“ mit insgesamt 51,27 Gramm Kokain (45,6 Gramm Kokainhydrochlorid). Das Rauschgift war zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch den Angeklagten bestimmt. Unmittelbar neben dem Stoffbeutel mit dem Kokain verwahrte der Angeklagte einen ungeladenen Revolver ERMA Ka. 357 Magnum/38 Spezial mit entsprechender Munition und eine umgebaute PTB-Schusswaffe Röhm RG 9 Kal. 8 mm, mit der „scharfe Munition“ verschossen werden konnte.In die PTB-Schusswaffe war ein Magazin mit drei Patronen Kaliber 6,22 eingeführt. Dem Angeklagten war bewusst, dass die beiden Waffen griffbereit in der Nähe des Rauschgifts lagerten und er jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne Schwierigkeiten über sie verfügen konnte. Das Kokain und die Waffen wurden am 8. September 2015 sichergestellt (Tat II.2.b).
5
Der Angeklagte beabsichtigte, am 7. September 2015 in den Niederlanden zwei Kilogramm Kokain anzukaufen und am Folgetag in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf einzuschmuggeln. Weil er Grenzkontrollen befürchtete, bat er seinen Bruder R. , bei der Rückfahrt die Grenze zu beobachten. R. willigte ein. Der Angeklagte fuhr am Nachmittag des 7. September 2015 mit einem Pkw nach A. und erwarb dort zwei Kilogramm Kokain. Das Rauschgift versteckte er anschließend in einem hinter dem rückwärtigen Kennzeichen seines Fahrzeugs befindlichen Hohlraum. Am 8. September 2015 fuhr R. in Begleitung des Mitangeklagten D. mit einem Pkw in die Niederlande und traf sich in Ro. mit dem Angeklagten. Seit dem Grenzübertritt und während der weiteren Handlungen wurden der Angeklagte und R. von der Kriminalpolizei observiert. Ab 18.08 Uhr fuhren R. und der Mitangeklagte D. in Richtung deutscher Grenze, während der Angeklagte zunächst in Ro. verblieb. Nachdem R. in der verabredeten Zeit keine Meldung über Auffälligkeiten an der Grenze gemacht hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw über die niederländisch-deutsche Grenze und verbrachte so das in seinem Fahrzeug befindliche Kokain in das Bundesgebiet. Nach der Einreise wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Das in seinem Fahrzeug versteckte Kokain wurde sichergestellt. Es hatte ein Gesamtgewicht von 1.992,07 Gramm. Darin waren 1.817 Gramm Kokainhydrochloridenthalten (Tat II.2.c).
6
2. Die Strafkammer hat die Taten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.a), bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier Schusswaffen, davon einer halbautomatischen (Tat II.2.b) und unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2.c) bewertet. Die Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.a), fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.b) und zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (Tat II.2.c) hat sie den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.a), § 30a Abs. 1 BtMG (Tat II.2.b) sowie § 30 Abs. 1 BtMG (Tat II.2.c) entnommen. Minderschwere Fälle hat sie jeweils verneint. Die Gesamtstrafe hat das Landgericht unter „maßvoller Erhöhung“ der höchsten Einzelstrafe festgesetzt.

II.


7
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
8
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt.
9
a) Ob der Rechtsmittelführer nur die Strafzumessung angreifen will, ist eine Frage, die im Zweifelsfall im Wege der Auslegung seiner Rechtsmittelerklärungen zu beantworten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1980 – 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 [zu § 318 StPO]; Beschluss vom 28. Januar 2004 – 2 StR 493/03, bei Becker, NStZ-RR 2005, 65, 68). Dabei kann die Auslegung der Revisionsbegründung auch bei einem unbeschränkten Revisionsantrag eindeutig zu dem Ergebnis führen, dass sich der Beschwerdeführer – im Widerspruch zu seinem Antrag – lediglich gegen den Strafausspruch wen- det. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beschwerdeführer um die Staatsanwaltschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Urteil vom 4. September 2008 – 1 StR 383/08, bei Cierniak/ Zimmermann, NStZ-RR 2011, 225, 234; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1 Nr. 18; Urteil vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210).
10
b) Die Auslegung der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ergibt hier unbeschadet des umfassenden Aufhebungsantrags und der allgemein erhobenen Sachrüge eindeutig, dass lediglich die Einzelstrafen und der Gesamtstrafenausspruch angegriffen werden.
11
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Revisionsbegründung zunächst die Verletzung materiellen Rechts gerügt und im Anschluss daran ausgeführt, dass die durch die Strafkammer verhängten Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe rechtlicher Überprüfung nicht standhielten. Die Revisionsbegründung erschöpft sich im Weiteren in Einzelangriffen gegen die Strafzumessung im engeren Sinn und gegen die Gesamtstrafe.
12
Der Senat entnimmt diesem Revisionsvorbringen, dass allein der Strafausspruch angefochten werden soll. Den Schuldspruch oder die Anordnung des Wertersatzverfalls betreffende Einzelbeanstandungen werden nicht erhoben. Dem kommt hier besondere Bedeutung zu, denn die Staatsanwaltschaft ist nach Nr. 156 Abs. 2 RiStBV gehalten, keine allgemeinen Sachrügen zu erheben und Revisionen so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils eine Rechtsverletzung gesehen und auf welche Gründe diese Rechtsauffassung gestützt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, bei Becker, NStZ-RR 2003, 1, 6). Gegen eine Anfechtung des Schuldspruchs spricht schließlich auch, dass dieser mit Ausnahme der Bewertung der Waffendelikte bei der Tat II.2.b (Besitz statt Führen, kein Besitz von Munition) mit der rechtlichen Würdigung der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übereinstimmt. Die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 5.000 Euro entspricht dem Schlussantrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft.
13
2. Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist auch rechtswirksam.
14
Eine den Schuldspruch unberührt lassende isolierte Anfechtung des Strafausspruchs ist grundsätzlich möglich und in der Regel wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88; Urteil vom 8. Januar 1954 – 2 StR 572/53, NJW 1954, 441; RGSt 45, 149, 150, st. Rspr.). Es liegen keine Umstände vor, aus denen sich ausnahmsweise eine untrennbare Verknüpfung von Schuld- und Straffrage ergibt.
15
Eine Erstreckung des Revisionsangriffs auf die Verfallsentscheidung ist nicht veranlasst. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist wie die Anordnung des Verfalls in der Regel kein Strafmilderungsgrund und deshalb von der Straffestsetzung unabhängig (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271 mwN). Eine ein Trennbarkeitshindernis begründende Verknüpfung wurde in den Urteilsgründen nicht hergestellt.
16
3. Im Rahmen ihres Anfechtungsumfangs bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil oder zum Vorteil (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
17
a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung, Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240; Urteil vom 22. Oktober 1953 – 5 StR 230/53, BGHSt 5, 57, 59 mwN). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 2. August2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337 mwN).
18
b) Mit Blick auf diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der Einzelstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
19
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft geltend macht, das Landgericht habe dem erst nach der Durchführung eines wesentlichen Teils der Beweisaufnahme abgelegten Geständnis des Angeklagten ein zu hohes Gewicht beigemessen, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Maßgeblich für die Bedeutung eines Geständnisses ist es, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu seiner Tat liegt, in ihm Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck kommen und durch seine Ablegung das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209 f.). Das strafmildernde Gewicht eines Geständnisses kann daher geringer sein, wenn dafür prozesstaktische Überlegungen bestimmend waren und die Strafkammer dies durch ein in den Urteilsgründen darzulegendes Prozessverhalten bestätigt sieht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 193/07, NStZ-RR 2007, 232 [Ls]). Das Landgericht hat dem Geständnis des Angeklagten mit nachvollziehbaren Erwägungen zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte sich mit seiner Tat auseinandergesetzt hat und diese tatsächlich bereut. Dabei hat es die Beweislage in den Blick genommen und gewürdigt. Hiergegen ist von Seiten des Revisionsgerichts nichts zu erinnern.
20
bb) Die strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Erlittene Untersuchungshaft ist bei einer Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18 [insoweit in BGHSt 59, 28 und NStZ 2014, 34 nicht abgedruckt]; Urteil vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, NStZ-RR 2014, 106; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100 mwN). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 302/13, Rn. 9 [insoweit in StV 2016, 611 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Von diesem Maßstab ist das Landgericht ausgegangen. Soweit es dabei in der Dauer der Untersu- chungshaft (acht Monate) und einer „erkennbaren“ Belastung für den Angeklag- ten als Erstverbüßer besondere Umstände im Sinne dieser Rechtsprechung gesehen hat, liegt dies – auch mit Rücksicht auf § 121 Abs. 1 Satz 1 StPO – noch innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.
21
cc) Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Tat II.2.b aus dem Blick verloren hat, dass der Angeklagte über zwei Schusswaffen verfügte, zumal sie den tateinheitlichen Verstoß gegen das Waffengesetz zu seinem Nachteil gewertet hat. Dass das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte bei der Tat II.2.c einen versteckten Hohlraum seines Fahrzeugs für den Rauschgifttransport nutzte, ist mit Rücksicht auf die sich aus § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO ergebenden eingeschränkten Darlegungsanforderungen nicht rechtsfehlerhaft.
22
c) Auch die Bestimmung der Gesamtstrafe lässt durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.
23
aa) Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei sind vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit , die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13, Rn. 3; Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher , sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 – 3 StR 71/10, NStZ-RR 2010, 238 [Ls]). Auch hierbei braucht der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen. Eine Bezugnahme auf die zu den Einzelstrafen gemachten Ausführungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16; Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1; Urteil vom 30. November1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271 mwN). Einer eingehenderen Begründung bedarf es hingegen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271).
24
bb) Danach erweisen sich die Bemessung der Gesamtstrafe und deren Darlegung hier (noch) nicht als rechtsfehlerhaft.
25
Die Strafkammer hat die Erhöhung der Einsatzstrafe im Wesentlichen durch eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den verhängten Einzelstrafen zugrunde liegen, und dabei die Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten nochmals hervorgehoben. Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich dazu verhalten, dass zwischen den Einzeltaten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht, der einen straffen Zusammenzug der Einzelstrafen rechtfertigt, ist hier unschädlich, weil sich dies aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2016 – 1 StR 417/16). Die maßvolle Bemessung der Gesamtstrafe lässt unter diesen Umständen nicht besorgen, dass die Strafkammer die Grundsätze der Gesamtstrafenbildung verkannt hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke
9
3. Hinzu kommt ein weiterer Fehler zugunsten des Angeklagten bei der Bemessung aller Einzelstrafen. Das Landgericht hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung die erlittene Untersuchungshaft strafmildernd berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund, es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (BGH, Urteile vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 Rn. 25 und vom 10. Oktober 2013 – 4 StR 258/13, Rn. 18, jeweils mwN). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
5 StR 248/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. August
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Januar 2013, soweit es den Angeklagten J. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Taten 1 a bis 1 d), unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition (Tat 2 a), Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (Tat 2 b) sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Tat 2 c) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Sachrüge gestützte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler (§ 301 StPO) hat die Prüfung nicht ergeben.
2
1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Wahl der Strafrahmen, der Bemessung der Einzelstrafen sowie der Bildung der Gesamtstrafe zugunsten des Angeklagten gewertet, dass dieser „auf die Rückgabe der Asservate verzichtet hat“ (UA S. 20, 21 und 23). Dem Senat ist die Prüfung verwehrt, ob der genannte Umstand als bestimmender Milderungsgrund angesehen werden durfte. Denn das Urteil teilt nicht mit, welche Gegenstände im Verfahren asserviert worden sind, wem diese zustehen und welchen Wert sie haben. Soweit es sich dabei um das sichergestellte Marihuana sowie den Revolver nebst Munition gehandelt haben sollte, wäre deren Einziehung ohnehin möglich – und unerlässlich – gewesen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG, § 54 Abs. 1 Nr. 1 WaffG).
3
In gleicher Weise hat das Landgericht die erlittene Untersuchungshaft für sich genommen strafmildernd berücksichtigt. Eine solche ist jedoch regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, denn sie wird nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100). Aber auch wenn – wie hier – eine Freiheitsstrafe deshalb zur Bewährung ausgesetzt wird, weil der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft hinreichend beeindruckt ist und besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB bejaht werden, verbietet sich eine zusätzliche mildernde Berücksichtigung bei der Bemessung der Strafhöhe (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645; Schäfer/Sander/van Gemmeren , Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 742 Fn. 475). Zusätzliche, den Angeklagten besonders beschwerende Umstände des Haftvollzuges, die zu dessen Gunsten hätten gewertet werden dürfen, lassen sich dem Urteil nicht entnehmen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29. Oktober 2008 – 5 StR 456/08, StV 2009, 80).
4
2. Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen andere Strafen festgesetzt hätte. Die danach erforderliche Aufhebung der Einzelstrafen zieht diejenige des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Da es sich lediglich um Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
5
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
6
Sollte einem Geständnis des Angeklagten im Fall 1 d bei insgesamt unveränderter Beweissituation „aufgrund der schlechteren Beweislage“ wiederum „ein besonders Gewicht“ (UA S. 20) zugemessen werden, bedürfte dies ausführlicherer Begründung.
7
Sofern sich die Frage der Aussetzung der Gesamtstrafe zur Bewährung erneut stellen sollte, dürfte hierbei die erlittene Untersuchungshaft in die Gesamtabwägung eingestellt werden. Dabei wäre jedoch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zuvor schon einmal zwei Jahre und acht Monate Jugendstrafe hat verbüßen müssen. Zu bedenken wäre auch die Fortsetzung der Tatserie ungeachtet zwischenzeitlicher vorläufiger Festnahme.
Basdorf Sander Schneider Dölp König
18
4. Der Einzelstrafausspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Bemessung der Einzelstrafe hat das Landgericht die Dauer der Untersuchungshaft, von der sich der Angeklagte stark beeindruckt gezeigt hat, zu Gunsten des bislang unbestraften Angeklagten strafmildernd berücksichtigt. Erlittene Untersuchungshaft ist aber regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. BGH, Urteile vom 20. August 2013 – 5 StR 248/13, Rn. 3, vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 21). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147). Solche zusätzlichen, den Angeklagten besonders beschwerende Umstände oder Folgen des Haftvollzugs hat die Strafkammer indes nicht konkret festgestellt. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich die rechtlich unzutreffende Wertung der Strafkammer auf die Höhe der verhängten Einzelfreiheitsstrafe ausgewirkt hat.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.