Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2012 - 4 StR 499/11

bei uns veröffentlicht am12.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 499/11
vom
12. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 17. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird als unbegründet verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „schweren Raubes in zwei tateinheitlichen Fällen, jeweils im Zusammentreffen mit gefährlicher Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ihn vom Vorwurf , einen weiteren Raubüberfall begangen zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Dieses Rechtsmittel hat Erfolg. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt und eine Verfahrensrüge erhebt, ist unbegründet.
2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils schloss sich der Angeklagte spätestens im August 2007 mit dem M. K. und dem C. zusammen, um durch Raubüberfälle auf potentiell vermögende Tatopfer in deren Wohnungen an Geld und Wertgegenstände zu gelangen. Der Bande schlossen sich im weiteren Verlauf noch vier Personen an. Der erste Überfall, an dem der Angeklagte teilnahm, erfolgte am 29. August 2007 in M. . Dieser ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Von dem Vorwurf, am 28. Juli 2009 an dem Überfall auf L. in O. beteiligt gewesen zu sein, wurde der Angeklagte freigesprochen. Verurteilt wurde er wegen einer Tat in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 2009. Opfer waren die Ehefrau des M. K. , H. K. , und die im selben Haus wohnende E. .

II.


3
Der Senat ist mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann , Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG) ist gewahrt (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 523/11).

III.


4
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet , sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung zudem, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR § 261 Beweiswürdigung 16 mwN; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; BGH, Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).
6
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
7
a) Die Erwägungen des Landgerichts, warum eine aktive Beteiligung des Angeklagten an der Tat vom 28. Juli 2009 trotz seiner eindeutigen Identifizierung als Spurenleger an einem am Tatort aufgefundenen 60 cm langen Klebeband (Spur T06.06) nicht nachweisbar sei, lassen besorgen, dass es überspannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, dass die DNA-Antragung bei einem Anlass erfolgt sei, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen zum Nachteil des L. stehe. Die DNA-Antragung befand sich an der gerissenen Seite des Klebebandes, während die andere Kante mittels eines Abrollers durchtrennt war. Aufgrund der generellen persönlichen Verflechtung des Angeklagten mit den Tätern bestehe die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass der Angeklagte die Klebebandrolle im anderen Zusammenhang in der Hand gehabt habe. Selbst wenn sich die gerissene Kante bei Tatbeginn noch im Rolleninneren befunden hätte, könne die DNA-Antragung seitlich der späteren Abrisskante erfolgt sein. Hierfür spreche , dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe getragen hätten, also darauf bedacht gewesen seien, keine Spuren zu hinterlassen.
8
Das Landgericht hat der Spur T06.06 den Beweiswert rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vor der Tat zum Nachteil des L. und ohne Zusammenhang mit dieser die dort verwendete Klebebandrolle angefasst hätte, sind nicht festgestellt. Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass die Täter bei der Tatausführung Gummihandschuhe trugen, ist die Beweiswürdigung lückenhaft, denn sie setzt sich nicht mit dem Umstand ausei- nander, dass auch am Tatort in M. DNA-Spuren des nach der Überzeugung des Landgerichts tatbeteiligten Angeklagten gesichert worden sind. Im Übrigen belegen auch die Spuren an drei weiteren Gegenständen am Tatort (im Folgenden unter b), insbesondere diejenige am Küchenmesser des Geschädigten, dass es trotz der von den Tätern getragenen Gummihandschuhe zu Spurenantragungen am Tatort gekommen ist. Auch dies wird vom Landgericht nicht bedacht.
9
b) Das Landgericht hat bei weiteren Spuren vom Tatort zu Unrecht eine Indizwirkung für eine Anwesenheit des Angeklagten verneint. Es wurden DNASpuren an einem weiteren Stück Klebeband (Spur RL51.03), an einem Küchenmesser des Geschädigten und an einem Kabelbinder gesichert, die jeweils Mischprofile ergaben. An dem Klebeband RL51.03 waren in allen bewerteten PCR-Systemen Merkmale nachweisbar, die mit denen des Geschädigten und denen des Angeklagten übereinstimmen. Hinsichtlich des Küchenmessers ergaben sich in allen elf überprüften PCR-Systemen Hinweise auf Übereinstimmungen des überwiegenden Spurenanteils mit dem Vergleichsprofil des Angeklagten. An dem Kabelbinder waren neben Merkmalen, die mit denen des Geschädigten übereinstimmen, zusätzliche Allele nachweisbar, die Hinweise auf Übereinstimmungen mit dem Vergleichsprofil des Angeklagten ergaben. Das Landgericht hat diesen Spuren jeglichen belastenden Beweiswert abgesprochen , weil sie keine Aussage zur Identitätswahrscheinlichkeit zuließen.
10
Auch wenn von den drei am Tatort gesicherten Mischspuren jede für sich allein eine Überführung des Angeklagten nicht zuließ, durfte ihnen ein Indizwert in der Zusammenschau mit anderen Beweisanzeichen, insbesondere mit der Spur T06.06, nicht abgesprochen werden. Das Vorhandensein von Übereinstimmungen von DNA-Spuren mit dem Vergleichsprofil des Angeklagten an drei (weiteren) Gegenständen am Tatort, wovon das Küchenmesser nicht von den Tätern mitgebracht worden war, kann für eine Anwesenheit des Angeklagten sprechen.
11
c) Schließlich fehlt hinsichtlich des hier angegriffenen Freispruchs auch die gebotene Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände. Das Landgericht beschränkt sich rechtsfehlerhaft darauf, den Beweiswert der DNA-Spuren einzeln zu erörtern und auf ihren Beweiswert zu prüfen. Es setzt sich hingegen nicht damit auseinander, ob die Belastungsindizien, die für sich genommen jeweils zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit insbesondere auch zusammen mit denjenigen Indizien, die das Landgericht für die Zuordnung der Tat zu der Bande um M. K. angeführt hat (UA S. 30 f, 33), die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung hätten begründen können. Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.

IV.


12
Die Revision des Angeklagten zeigt keinen ihn belastenden Rechtsfehler auf.
13
1. Der Angeklagte ist für die Verfolgung der verfahrensgegenständlichen Taten, die auch dem Europäischen Auslieferungshaftbefehl zugrunde lagen, von der Russischen Föderation ausgeliefert worden. Die Revision beanstandet mit einer Verfahrensrüge, dass das Landgericht Beweiserhebungen zu dem Raubüberfall am 29. August 2007 durchgeführt hat, der nicht Gegenstand des Europäischen Haftbefehls und der Auslieferungsbewilligung war. Als Ergebnis dieser Beweiserhebungen sei das Landgericht zu der Feststellung gelangt, dass der Angeklagte den Überfall vom 30./31. Dezember 2009 als Bandenmitglied ausgeführt und so die Qualifikation des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht habe, was sich strafschärfend ausgewirkt habe.
14
Ob der Verurteilung des Angeklagten mit Rücksicht auf seine Auslieferung gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen entgegenstehen, ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Die Nachprüfung ergibt, dass die Verurteilung nicht gegen den Grundsatz der Spezialität verstößt.
15
a) Die Auslieferungsbewilligung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 27. August 2010 erfasst ausdrücklich die Verfolgung des Angeklagten wegen Raubes nach § 250 StGB. Sie enthält keine Einschränkung hinsichtlich bestimmter Tatmodalitäten.
16
Darüber hinaus schließt Art. 14 Abs. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk) eine Verurteilung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus, sofern ihr derselbe Sachverhalt zugrunde liegt und die Tatbestandsmerkmale der rechtlich neu gewürdigten strafbaren Handlung die Auslieferung gestatten würden (BGH, Urteil vom 6. März 1985 – 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318; Urteil vom 28. Mai 1986 – 3 StR 177/86, StV 1987, 6). Dies gilt auch im Verhältnis von Grundtatbestand und qualifizierenden bzw. privilegierenden Tatbeständen (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1985 – 2 StR 782/84, NStZ 1985, 318 und vom 11. Januar 2000 – 1 StR 505/99, NStZ-RR 2000, 333; vgl. auch Vogel/Burchard in Grütz- ner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl. § 11 IRG Rn. 43).
17
Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 EuAlÜbk sind im konkreten Fall erfüllt. Der Verurteilung liegt derselbe Sachverhalt zu Grunde. Der im Europäischen Auslieferungshaftbefehl nicht explizit angeführte Bandenraub ist eine auslieferungsfähige Straftat. Das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation kennt den Tatbestand des Raubes begangen „von einer organisierten Gruppe“, der mit Freiheitsentzug von acht bis fünfzehn Jahren geahndet wird (Art. 162 Nr. 4a, siehe Schroeder, Strafgesetzbuch der Russischen Föderation nach dem Stand vom 1.1.2007).
18
b) Das Landgericht war auch nicht gehindert, Feststellungen zur Zugehörigkeit des Angeklagten zu der Bande um M. K. zu treffen, und zu diesem Zweck Beweiserhebungen über frühere Überfälle durchzuführen. Der Spezialitätsgrundsatz schließt nicht aus, Umstände, die eine Straftat darstellen, auf die sich die Auslieferung nicht erstreckt, bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft der Auslieferungstat als Indiz zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86, BGHSt 34, 352 = NStZ 1987, 417; Urteil vom 20. Dezember 1968 – 1 StR 508/67, BGHSt 22, 307, 310 f.; aA Gillmeister NStZ 2000, 344, 345). Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk verbietet u. a. die Aburteilung und die Verfolgung des Ausgelieferten wegen einer anderen Straftat als derjenigen , für welche die Auslieferung bewilligt worden ist. Von der „Verfolgung“ einer Tat kann aber nur bei einem Verfahren gesprochen werden, das diese Tat zum Gegenstand hat und mit dem Ziel ihrer Ahndung oder der Verhängung einer wegen ihr gebotenen Maßnahme durchgeführt wird. Gegenstand eines solchen eigenständigen Verfahrens wird eine Tat nicht schon dadurch, dass die Beweisaufnahme in dem eine andere Tat betreffenden Prozess auf sie erstreckt wird, weil sie als Indiz zum Nachweis dieser anderen Tat in Betracht kommt.
19
c) Aufgrund der festgestellten Bandenmitgliedschaft hat das Landgericht hinsichtlich der Tat vom 30./31. Dezember 2009 den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB neben dem des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB als erfüllt angesehen und dies dem Angeklagten bei der Strafzumessung angelastet. Auch dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar darf ein Sachverhalt, der nicht zu der Auslieferungstat im Sinne des § 264 StPO gehört, nicht bei der Bestimmung der Strafhöhe zum Nachteil des Angeklagten Verwendung finden (BGH, Urteil vom 15. April 1987 – 2 StR 697/86 aaO; Urteil vom 19. Februar 1969 – 2 StR 612/68, BGHSt 22, 318). Danach ist nicht nur die Festsetzung selbständiger Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat ausgeschlossen, sondern auch deren Mitbestrafung auf dem Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten Strafe. Dies schließt jedoch nicht aus, den Strafrahmen eines festgestellten Qualifikationstatbestandes der Verurteilung wegen der Auslieferungstat auch dann zu Grunde zu legen, wenn diese Feststellungen mittels Beweiserhebungen zu einer verfahrensfremden Tat getroffen wurden. Ob dies auch für die Verwirklichung von Regelbeispielen gelten würde, kann der Senat hier offen lassen. Das Vorliegen eines qualifizierenden Merkmals ist jedenfalls Teil des Tatbestandes der Auslieferungstat selbst. Die dem Qualifikationsstrafrahmen entnommene Strafe ahndet allein die Auslieferungstat, sie kennzeichnet deren Gefährlichkeit. Eine „Mitbestrafung“ der anderen Tat ist damit nicht verbunden. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – die Erfüllung mehrerer Qualifikationsmerkmale zusätzlich strafschärfend gewertet wird. Die Strafschärfung berücksichtigt allein die bei der Auslieferungstat erfüllten qualifizierenden Merkmale und damit deren erhöhte Gefährlichkeit, nicht die Begehung einer anderen Tat. Nur der nicht zum Tatbestand der Auslieferungstat gehörige Sachverhalt als solcher darf innerhalb des Strafrahmens nicht strafschärfend gewertet werden. Dies hat das Landgericht auch nicht getan; die Teilnahme an dem Überfall in M. hat es bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt.
20
2. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Das Landgericht hat zwar übersehen, dass Pfefferspray ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377). Dadurch, dass es nicht geprüft hat,ob das Einnebeln des Schlafzimmers von H. K. mit Pfefferspray geeignet war, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 3 StR 338/10 Rn. 7), ist der Angeklagte aber nicht beschwert. Dies gilt auch für die Annahme der Strafkammer, dass die tateinheitliche fahrlässige Körperverletzung hinter der vorsätzlichen Körperverletzung zurück tritt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 1997 – 2 StR 231/97, NStZ 1997, 493).
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2012 - 4 StR 499/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2012 - 4 StR 499/11

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(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider
Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2012 - 4 StR 499/11 zitiert 7 §§.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

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4 StR 523/11
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11. Januar 2012
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gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Januar 2012 einstimmig

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Der Senat ist mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann , Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Absatz 1 Satz 2 GG) ist gewahrt. Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat in Wahrnehmung der ihm nach § 21e Absatz 1 Satz 1 GVG obliegenden Aufgabe dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann – zusätzlich zum Vorsitz im 4. Strafsenat – den Vorsitz im 2. Strafsenat zugewiesen und bestimmt, dass im Kollisionsfall die Tätigkeit im 2. Strafsenat vorgeht. Es hat diese Regelung in willkürfreier Auslegung des § 21f Absatz 2 Satz 1 GVG und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154; BSG, Beschluss vom 29. November 2006 – B 6 KA 34/06 B, NJW 2007, 2717; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 – 3 C 4/85, NJW 1986, 1366) getroffen. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nimmt die Aufgabe als Vorsitzender des 4. Strafsenats weiterhin in dem vom Gesetz vorausgesetzten und in der Sache gebotenen Umfang wahr. Nach der senatsinternen Geschäftsverteilung des 4. Strafsenats steht er allen Spruchgruppen als Vorsitzender vor. Im Übrigen ergibt sich die Besetzung mit der Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer und Bender aus Nr. 7 der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 27. Dezember 2011 in Verbindung mit der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 14. Dezember 2010. Ein Fall der Divergenz zu der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 11. Januar 2012 – 2 StR 346/11 – liegt nicht vor, weil der 2. Strafsenat in einem späteren Urteil vom gleichen Tag – 2 StR 482/11 – diese Rechtsprechung aufgegeben hat. 2. Die Rüge der Verletzung des § 160a StPO greift nicht durch. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht durch die Feststellung, dass der Angeklagte „letztmalig um 02:06 Uhr versucht hatte, seinen Verteidiger per Mobiltelefon zu erreichen“, gegen § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO verstoßen hat. Auf einem eventu- ellen Verstoß würde das Urteil nicht beruhen. Das Landgericht hat die retrograden Verbindungsdaten der Mobiltelefone des Angeklagten bei der Beweiswürdigung sowohl zu der Frage ausgewertet, dass der Angeklagte zur Tatzeit selbst über diese Mobiltelefone verfügte, als auch zum Tatablauf. Zum Zeitpunkt seiner letzten Telefonate vor der Festnah- me wurde der Angeklagte observiert. Für die Beweiswürdigung war nur von Bedeutung , dass der Angeklagte in Übereinstimmung mit den Zeitangaben der retrograden Verbindungsdaten für die fraglichen Mobiltelefone telefoniert hat; dass er Kontakt zu seinem späteren Verteidiger aufnehmen wollte, hat das Landgericht in seiner Beweiswürdigung nicht verwertet. 3. Ein Zirkelschluss des Landgerichts bei der Beweiswürdigung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu besorgen. Das Landgericht hat die Feststellung, dass der Angeklagte ein „ausgesprochener TelekommunikationsVielnutzer“ ist, in der Beweiswürdigung nichtnäher begründet. Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch nicht. Der Tatrichter ist nicht gehalten, jede Einzelheit der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen zu belegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2009 – 4 StR 610/08 Rn. 27). Die Erkenntnis kann auf Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung beruhen. Soweit die Revision auch die Erwägung der Kammer UA S. 17 als zirkelschlüssig rügt, übersieht sie, dass sich die Beweiswürdigung an dieser Stelle mit dem Umstand auseinandersetzt, dass sich beide Mobiltelefone bei einer Person befanden; dass dies der Angeklagte war, ergibt sich dann aus der weiteren Beweiswürdigung UA S. 20 ff. Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 292/08
vom
21. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung - und
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, welche vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit der Sachrüge.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte bewohnte gemeinsam mit dem Geschädigten S. das Doppelzimmer Nr. 24 des Männerwohnheims der C. in Stutt- gart. Zwischen ihnen bestand ein freundschaftliches Verhältnis. Der Angeklagte unterstützte S. in privaten sowie behördlichen Angelegenheiten und hat ihm auch den Platz im Wohnheim beschafft. Beide sind dem Trinkermilieu zuzurechnen.
5
Am Vormittag des 2. Juni 2007 erhielten sie Besuch von dem Mitbewohner K. , der ebenfalls "russlanddeutscher Aussiedler" war und sich mit S. angefreundet hatte. Das Verhältnis des Angeklagten zu K. war dagegen aufgrund nicht aufgeklärter Vorfälle belastet. Die drei Personen tranken im Zimmer eine 0,7 Liter fassende Flasche Wodka aus.
6
Um die Mittagszeit - nach 11.30 Uhr - verließen S. und K. das Wohnheim, während der Angeklagte allein im Zimmer 24 zurückblieb. Die beiden suchten eine Tankstelle auf, wo sie eine weitere Flasche Wodka und einige Flaschen Bier konsumierten, die S. , der am Tag zuvor sein Arbeitslosengeld II erhalten hatte, bezahlte. Im Laufe des Nachmittags - der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht feststellen - kehrten sie ins Wohnheim zurück. S. war so betrunken, dass er nur von K. gestützt sein Zimmer erreichen konnte. Die dem später Geschädigten um 19.30 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 4,2 ‰. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte bei der Rückkehr S. s sich in ihrem Zimmer aufhielt. K. ging in sein eigenes Zimmer Nr. 20.
7
Der Angeklagte kaufte sich um 15.37 Uhr in einem Kiosk am Stuttgarter Hauptbahnhof zwei Schachteln der von ihm gerauchten Zigarillos der Marke "Basic Blue". Die Uhrzeit ergibt sich aus den Aufzeichnungen der Registrierkasse. Der Weg vom Wohnheim dorthin beträgt ca. zehn Gehminuten.
8
Am Nachmittag des 2. Juni 2007 vor 17.45 Uhr wurde der Zeuge S. von einer unbekannten Person in seinem Zimmer angegriffen und schwer verletzt. Es bestand akute Lebensgefahr. Er erlitt eine stark blutende, doppelte offene Unterkiefer- sowie Nasenbeinfraktur und verschiedene Schürfwunden. Außerdem wurde er am Hals mit einem kabelartigen Gegenstand, dessen Adern teilweise freilagen, gedrosselt, wodurch im Halsbereich deutlich sichtbare Strangmarken entstanden. Ein Stahldraht - ein Teil des Tatwerkzeugs - wurde am 5. Juni 2007 in der Nähe des Bettes des Angeklagten unter dort abgestellten Badezimmerpantoffeln aufgefunden.
9
Der verletzte S. wurde am Tattag gegen 17.45 Uhr vom Pförtner L. in nicht ansprechbarem, blutverschmiertem Zustand, auf einem Treppenabsatz liegend, vorgefunden. Mit Hilfe eines weiteren Bewohners brachte dieser ihn zurück in sein Zimmer. Herbeigerufene Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Notarzt hielten sich dort von ca. 18.00 Uhr bis 19.05 Uhr auf. In diesem Zeitraum war der Angeklagte nicht im gemeinsam bewohnten Zimmer. Der Geschädigte wurde ins Krankenhaus verbracht und auf der Intensivstation behandelt.
10
Um 20.20 Uhr versuchten Kriminalbeamte, die inzwischen den Fall übernommen hatten, die Tür zum Zimmer 24 mit einem überlassenen Schlüssel zu öffnen. Sie trafen in dem von innen verschlossenen Raum den Angeklagten an und nahmen ihn mit zur Kriminalwache. Die Beamten hatten mehrere blutverdächtige Antragungen an Hemd und Hose des Angeklagten festgestellt. Die sachverständig beratene Kammer gelangt auf der Grundlage eines molekulargenetischen Gutachtens zu der Überzeugung, dass diese Blutspuren vom Geschädigten S. herrühren.
11
2. Der gegen den Angeklagten sprechende Tatverdacht beruht auf folgenden Erkenntnissen:
12
a) Die wechselnden Einlassungen des einschlägig vorbestraften Angeklagten :
13
Gegenüber KOK T. gab er am Tattag um 20.20 Uhr an, er habe gegen 18.00 Uhr das Wohnheim verlassen. Zu dem Zeitpunkt sei es S. noch gut gegangen. Vor dem Haftrichter führte er aus, als er gegen 16.30 Uhr das Wohnheim verlassen habe, seien S. und K. bereits zurück gewesen. In der Hauptverhandlung ließ er sich dahin ein, er habe S. am Tattag nicht mehr gesehen, nachdem dieser mit K. fortgegangen sei. Er selbst habe das Wohnheim gegen 15.00 Uhr verlassen, habe nach dem Zigarillokauf noch zwei Bekannte getroffen und sei um 18.30 Uhr in das Zimmer zurückgekehrt. Zu dem Zeitpunkt sei niemand darin gewesen. Beim Haftrichter sei er falsch verstanden worden.
14
b) Die Blutspuren des Geschädigten auf Hemd und Hose des Angeklagten :
15
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich ferner dahin eingelassen , das Blut des Geschädigten auf seiner Kleidung sei dadurch zu erklären, dass S. am Vormittag des Tattages in einem Krampfanfall mit dem Kopf auf den Tisch geschlagen sei und Nasenbluten bekommen habe. Hierbei müsse er selbst mit dem Blut des Geschädigten in Kontakt gekommen sein. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B. sind die Blutspuren nicht mit einem Nasenbluten zu vereinbaren, weil es sich um Spritzspuren handele.
16
3. Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht.
17
a) Die wechselnden Einlassungen des Angeklagten sieht es zwar hinsichtlich der zeitlichen Einordnung seines Verlassens und seiner Rückkehr zum Wohnheim als widerlegt an, zumal auch die benannten Bekannten sich an ein Treffen mit dem Angeklagten nicht erinnern konnten. Gleichwohl ist das Landgericht der Auffassung, dass nicht ausgeschlossen werden könne, die Tat sei in der Abwesenheit des Angeklagten von mindestens einer halben Stunde, die er zum Zigarillokauf um 15.37 Uhr gebraucht habe, begangen worden.
18
b) Die Blutspuren, bei denen auch das Landgericht von Spritzspuren ausgeht, die nicht von einem Nasenbluten herrühren, seien "nicht geeignet die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen , da das Alter dieser Blutantragungen nicht geklärt werden konnte". In diesem Zusammenhang führt die Kammer u.a. aus, im Trinkermilieu, dem der Angeklagte und S. zuzuordnen seien, stünden Sauberkeit und Hygiene nicht an erster Stelle, sodass nicht damit gerechnet werden könne, dass Kleidungsstücke regelmäßig gewaschen werden. Deshalb sei "es nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar zu einem gewissen Grad wahrscheinlich", dass die auf der Kleidung des Angeklagten gefundenen Blutspuren des Geschädigten schon älter seien.
19
c) Den aufgefundenen Stahldraht hat der Sachverständige B. als Teil des Tatwerkzeugs qualifiziert, weil sich mit diesem zwar nicht alle am Hals des Geschädigten festgestellten Strangmarken erklären ließen, jedoch ein großer Teil. Die molekulargenetische Untersuchung dieses Stahldrahtstückes hat eine Mischspur von zumindest zwei Personen ergeben, die im Hauptspurenanteil dem Geschädigten zuzuordnen ist. Der Angeklagte war aber als Mischspurenverursacher sicher auszuschließen. Nach Meinung der Kammer liege es nicht fern, dass der zweite Verursacher, eine unbekannte Person, der Täter der Körperverletzung sei. Sie könne mit Sicherheit ausschließen, dass nach der Tat jemand mit dem Stahldrahtstück in Berührung gekommen sei, da das Zimmer nach dem Antreffen des Angeklagten um 20.20 Uhr des Tattages von den Kri- minalbeamten verschlossen und danach von niemandem mehr betreten worden sei.
20
d) Ein beim Angeklagten bestehendes Motiv "sei nicht zu erkennen". Es spreche nichts dafür, dass es vor der Tat zu einem Bruch im guten Verhältnis zwischen dem Angeklagten und S. gekommen sei. Bei dieser Sachlage sei "das fehlende Motiv des Angeklagten als ein ihn nicht unerheblich entlastender Gesichtspunkt zu bewerten".

II.

21
Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
22
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; BGH NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
23
2. Das Landgericht hat umfänglich die den Angeklagten belastenden Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Gleichwohl werden die Abwägungen den vorstehenden Grundsätzen nicht in vollem Umfang gerecht. Insbesondere hat das Landgericht den Zweifelssatz rechtsfehlerhaft angewendet.
24
Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichende Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274). Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24 m.w.N.).
25
a) Das Landgericht hatte u.a. als besonders gewichtiges Belastungsindiz zu prüfen, ob die dem Geschädigten zuzuordnenden Blutspuren auf Hemd und Hose des Angeklagten dessen Täterschaft belegen können. Soweit es eine vor der Tat liegende Entstehung der Blutspuren in Form von Spritzspuren unter Hinweis auf das Trinkermilieu und die in Augenschein genommenen Fotos des Tatortes, die ein vermülltes und unaufgeräumtes Zimmer zeigen, für wahrscheinlich hält, fehlt es an jeglichen Anknüpfungstatsachen, zumal nicht festgestellt werden konnte, wann die betreffenden Kleidungsstücke zuletzt gewaschen oder gereinigt wurden. Das Landgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass sich frühere Übergriffe des Angeklagten auf den Geschädigten nicht feststellen ließen. Der Sachverständige hat Kontakt- oder Tropfspuren ausgeschlossen, das Blut müsse vielmehr auf die Kleidungsstücke gespritzt sein. Das spricht für eine massive Gewalteinwirkung und nicht etwa für eine bloße Verletzung im Alltag. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass im Trinkermilieu Blutanhaftungen in Form von Spritzspuren üblicherweise entstehen. Bei der früheren Entstehung handelt es sich daher um eine rein denktheoretische Möglichkeit ohne verlässliche Tatsachengrundlage. Der Angeklagte selbst hat sich auf eine Entstehung vor dem Tattag nicht berufen. Seine Einlassung, die Ursache sei in einem Nasenbluten des Geschädigten zu sehen, wurde widerlegt. Allein das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten eine frühere Entstehung angenommen, was besorgen lässt, dass der Zweifelssatz auf eine einzelne Indiztatsache angewendet wurde. Dafür spricht auch die Formulierung, die Blutspuren seien nicht geeignet, die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen.
26
b) Im Rahmen der Motivprüfung stellt die Kammer fest, ein Motiv für einen Angriff auf S. sei beim Angeklagten "nicht zu erkennen". Daraus zieht sie zu Gunsten des Angeklagten den Schluss, ein Motiv "fehle", was sie als einen ihn nicht unerheblich entlastenden Gesichtspunkt bewertet. Bei diesem Schluss wurde der Zweifelssatz - was hier durchgreifend rechtsfehlerhaft ist - auf ein einzelnes Indiz, das Tatmotiv, angewendet. Das Landgericht konnte nämlich ein Tatmotiv lediglich "nicht erkennen", hat daraus aber gleichwohl den Schluss gezogen, dass ein Tatmotiv "fehle". Ein bloß unaufklärbares Motiv ist aber nicht gleichbedeutend mit einem tatsächlich fehlenden Tatmotiv, welches in der Tat ein nicht unerhebliches Entlastungsindiz wäre.
27
3. Im Übrigen wird zur weiteren Begründung auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift Bezug genommen.

III.

28
Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 505/99
vom
11. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Januar
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Maul,
Dr. Granderath,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten R. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten C. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. Mai 1999 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten durch diese Revision entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren sowie den Angeklagten C. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die vom Angeklagten R. in Spanien erlittene Auslieferungshaft ist im Verhältnis eins zu eins auf die verhängte Strafe angerechnet worden. Nach den Feststellungen waren die Angeklagten und zwei gesondert verfolgte Brüder des Angeklagten R. am 26. April 1998 übereingekommen, am Abend dieses Tages R. in dessen Haus zu überfallen und ihn zur Herausgabe von Bargeld und EC-Karte unter Preisgabe seiner Geheimzahl zu zwingen. Das Erpressungsvorhaben scheiterte, weil der Geschädigte die Täter, die bereits in das Anwesen eingedrungen waren und sich zunächst versteckt hielten, entdeckte und sich unerwartet wehrhaft zeigte. Während sich der Angeklagte C. zu-
rückzog, kam es dazu, daß der Angeklagte R. zu seinem Messer griff und das Opfer mit zahlreichen Stichen tötete. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten R. wegen Mordes und eine schärfere Bestrafung des Angeklagten C. . Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg. I. Die Revision, die sich in vollem Umfang gegen die Verurteilung des Angeklagten R. richtet, ist unbegründet. An der Prüfung, ob die Tat des Angeklagten nicht nur Totschlag, wie in dem der spanischen Auslieferungsbewilligung zugrunde liegenden Haftbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Mai 1998 angenommen, sondern Mord darstelle , war das Landgericht nicht durch den auslieferungsrechtlichen Grundsatz der Spezialität gehindert. Dieser Grundsatz schließt eine Verurteilung des Ausgelieferten unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus, sofern es sich um dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO handelt und der weitere Straftatbestand ebenfalls auslieferungsfähig ist (vgl. Schomburg in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. § 72 Rdn. 20). So verhält es sich im vorliegenden Fall, in dem die Auslieferungsbewilligung hinsichtlich des dem Angeklagten R. zur Last gelegten Sachverhalts keine Einschränkung enthält. 1. Die Strafkammer hat ihre Auffassung, es liege kein Mordmerkmal i. S. v. § 211 Abs. 2 StGB vor, rechtsfehlerfrei begründet.
a) Was ein mögliches Handeln in der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken, angeht, hält sie es zu Recht für nicht erweislich, der Angeklagte habe durch die Tötung des Geschädigten verhindern wollen, daß dieser eine
Anzeige wegen des unbefugten Eindringens in sein Haus in räuberischer Absicht erstatte. Das Gericht berücksichtigt dabei, daß der Angeklagte und seine Begleiter ihn ohnehin unmaskiert überfallen wollten und offenbar auf die schamhafte Verschwiegenheit des homosexuell veranlagten Opfers vertrauten.
b) Entgegen der Meinung der Revision halten auch die Erwägungen, mit denen die Strafkammer im übrigen ein Handeln aus niedrigen Beweggründen verneint, der Nachprüfung stand. Ob ein Beweggrund niedrig ist, also nach allgemeiner Wertung auf tiefster Stufe steht, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung zu beurteilen, welche die Umstände der Tat und ihre Vorgeschichte sowie die Persönlichkeit des Täters und seine seelische Situation einbezieht (BGH MDR 1981, 509, 510; StV 1981, 399; 1981, 400). Zwar kommt dem krassen Mißverhältnis zwischen Tatanlaß und Tötung, wie es hier außer Frage steht, maßgebliche Bedeutung zu. Die Feststellung eines solchen Mißverhältnisses allein genügt aber nicht für die Annahme eines niedrigen Beweggrundes. Faßte der Täter den Tötungsentschluß ohne Plan und Vorbereitung "spontan" aus der Situation heraus, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob er sich bei der Tat der Umstände bewußt war, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen (BGH StV 1982, 566 = NStZ 1983, 19; StV 1984, 72; 1984, 465; Urt. vom 25. Mai 1983 - 3 StR 112/83). Nach diesen Grundsätzen ist das Landgericht verfahren. Unzutreffend ist die Darstellung der Revision, das Gericht habe seine Entscheidung letztlich nur damit begründet, daß sich der Angeklagte spontan zur Tötung des Opfers entschlossen habe. Vielmehr hat sich die Strafkammer mit allen hier in Betracht kommenden Motiven des Angeklagten auseinandergesetzt. So hat sie neben dem Ermöglichen oder dem Verdecken einer Straftat auch Wut oder Verärgerung über das Scheitern des Erpressungsplans, Haß
gegenüber Männern von der Art des Geschädigten sowie Imponiergehabe des Angeklagten als Beweggrund für die Tötung des Opfers in Erwägung gezogen und jeweils mit tragfähiger Begründung verworfen. Demgegenüber stellt das Gericht zur psychischen Lage des Angeklagten fest, daß dieser, nachdem er die ursprünglich geplante Erpressung "offenbar unbekümmert" angegangen war, "aufgrund einer unvorhergesehenen Entwicklung des Geschehens durch das unerwartete Eintreffen des Geschädigten im Flur und den von Handgreiflichkeiten begleiteten Hausverweis in eine als bedrohlich empfundene Augenblickssituation geriet und in dieser - nicht zuletzt aufgrund seiner Persönlichkeitsmängel - angstvoll und völlig unangemessen reagierte". Dabei kennzeichnet die Strafkammer - sachverständig beraten - den Angeklagten als eine narzißtische Persönlichkeit mit emotional instabilen und asthenischen Zügen. Er weise eine erhebliche Selbstwertproblematik auf und sei "in hohem Maße stör- und irritierbar und wenig belastbar". Die Strafkammer hat eine Gesamtwürdigung vorgenommen, die Zweifel daran erweckt, daß den Angeklagten bei der Tat niedrige Beweggründe bestimmten. Ihre Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 2. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten oder, was gemäß § 301 StPO zu prüfen war, zu seinen Lasten auf. Die Strafkammer hat straferschwerend berücksichtigt, daß der Angeklagte R. v or der Tat zusammen mit zwei Begleitern unbefugt, heimlich und in unlauterer Absicht in das Haus des ihm völlig unbekannten Opfers - und damit in dessen als Intimsphäre besonders geschützten Bereich - eingedrungen war. Die Ansicht seiner Verteidigerin, diese Erwägung sei unvereinbar mit dem auslieferungsrechtlichen Grundsatz der Spezialität (vgl. BGHSt 22, 318
sowie BGH NStZ 1987, 417), trifft nicht zu. Wie bereits dargelegt, erfaßt die Auslieferungsbewilligung mangels näherer Beschränkung die gesamte Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Dazu gehört auch der gemeinschaftlich begangene Versuch einer schweren räuberischen Erpressung. 3. Was den Vorwurf der versuchten schweren räuberischen Erpressung angeht, hat bereits das Landgericht diese Gesetzesverletzung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschieden. Für eine Einbeziehung wäre kein Raum, weil sie das Revisionsgericht daran hindern würde, die rechtsfehlerfrei erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen des erörterten Tötungsverbrechens zu bestätigen (vgl. BGHSt 21, 326 sowie BGH NJW 1984, 1365). Im übrigen hat der Senat - mit Beschluß vom 11. Januar 2000 - auch den Vorwurf eines tateinheitlich begangenen Verbrechens des versuchten Raubes mit Todesfolge (§§ 251, 22, 23 Abs. 1 StGB; vgl. BGH NStZ 1998, 511 f.) gemäß § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschieden. II. Die zu Ungunsten des Angeklagten C. eingelegte Revision, die sich gegen den Rechtsfolgenausspruch richtet, bleibt ebenfalls erfolglos. 1. Vergeblich wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die Höhe der verhängten Strafe, die sie als unvertretbar niedrig ansieht. Die Feststellung der beiden Einzelstrafen und die Bildung der Gesamtstrafe sind nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat die wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte bedacht. Sie hat erschwerend herangezogen, daß der Geschädigte von vier Personen in seinem Privathaus überraschend überfallen werden sollte, wobei einer der Täter sein Vertrauen mißbrauchte, um in das Anwesen mitgenommen zu werden, und drei weitere in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken heimlich in seine Wohnung als geschützten Be-
reich eindrangen. Mit ihrem Vorbringen, bei seiner Entscheidung habe das Gericht den strafschärfenden Umständen zu wenig Bedeutung beigemessen, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf. 2. Die Einwände der Revision gegen die dem Angeklagten bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung greifen nicht durch. Die landgerichtliche Entscheidung zur günstigen Kriminalprognose, zu den besonderen Umständen und zur Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 StGB) ist rechtsfehlerfrei begründet. Bei der Gesamtwertung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB durfte die Strafkammer den im Urteil dargelegten Milderungsgründen besonderes Gewicht beimessen (der nur geringfügig vorbestrafte Angeklagte befand sich ca. elf Monate in Untersuchungs- und Strafhaft; in dieser Zeit mußte er sich einer Operation wegen eines Prostatakarzinoms unterziehen; in das Erpressungsvorhaben ließ er sich in einer schwierigen finanziellen Situation durch Dritte
hineinziehen; der Versuch der schweren räuberischen Erpressung schlug bereits im Anfangsstadium fehl). Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft ist nicht zu besorgen, hierbei seien die im Urteil aufgeführten Strafschärfungsgründe außer Betracht geblieben. Herr RiBGH Dr. Maul ist wegen Erkrankung an der Unterschrift verhindert. Schäfer Schäfer Granderath Boetticher Schluckebier

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

7
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen; diese Merkmale müssen vom Vorsatz des Täters umfasst sein (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 224 Rn. 9, 13). Zu den Vorstellungen des Angeklagten über die möglichen Folgen seines Handelns verhält sich das Urteil indes nicht. Dass er damit rechnete und es billigte, das Reizgas sei - so wie er es verwendete - geeignet , die Nebenklägerin überhaupt und noch dazu erheblich zu verletzen, versteht sich hier wegen der besonderen Umstände des Falles nicht von selbst. Vorkehrungen gegen Einwirkungen des Gases auf die eigene Person hat der Angeklagte nicht getroffen; zudem folgt das Landgericht ersichtlich der Aussage des Zeugen L. , der Angeklagte habe "allenfalls vage" in Richtung der Nebenklägerin gesprüht, und geht weiter davon aus, dass die Tatfolgen deshalb "relativ geringfügig" blieben.