Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - 4 StR 594/09

bei uns veröffentlicht am25.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 594/09
vom
25. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. März
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwältin
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 2. Juli 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Maßregel.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) dahin abgeändert, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) in den Aussprüchen über die insoweit verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe aufgehoben.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung sowie wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB getroffen; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel mit der Sachrüge dagegen, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe nicht auch wegen tateinheitlich begangenen versuchten Mordes verurteilt worden ist; der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

I.


2
Revision der Staatsanwaltschaft
3
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
4
Sie beanstandet zu Recht, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe lediglich wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist.
5
1. Nach den vom Landgericht insoweit getroffenen Feststellungen befand sich der Angeklagte in den Mittagsstunden des 22. Juli 2008 nach einem missglückten Wiederannäherungsversuch an seine ehemalige Lebensgefährtin, der mit einem körperlichen Übergriff auf diese geendet hatte (Fall 1 der Urteilsgründe ), im Zustand einer akuten Belastungsreaktion, die mit Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und "verletztem Narzissmus" gepaart war. Während er mit seinem Pontiac Grand AM die Bundesstraße 9 von Worms in Richtung Ludwigshafen befuhr, kündigte er seinem Vater telefonisch an, sich das Leben nehmen zu wollen. Seine Geschwindigkeit von mehr als 140 km/h verringerte er auch dann nicht, als er sich einer Baustelle näherte, obwohl - kurz bevor die von ihm benutzte linke Fahrspur gesperrt und eine trichterförmige Verengung auf die rechte Fahrspur angeordnet war - eine schrittweise Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h auf 50 km/h bestand. Unmittelbar vor der Querabsperrung der linken Fahrspur lenkte er zur Verwirklichung seines Selbsttötungsentschlusses sein Fahrzeug mit unverminderter Geschwindigkeit auf die rechte Fahrspur und rammte den dort mit 50 km/h fahrenden Kleinwagen der Zeugin S. , in dem sich noch zwei weitere Insassen befanden. Durch den Zusammenprall wurde dieses Fahrzeug mehrfach um die Hochachse gedreht und rutschte schließlich 187 m weit diagonal über die Fahrbahnen der Bundesstraße 9. Es kam letztlich auf der rechten Fahrspur der Gegenfahrbahn zu liegen. Der diese Spur befahrende Zeuge H. konnte eine Kollision nur dadurch vermeiden, dass er sein Fahrzeug nach rechts auf die Verzögerungsspur lenkte. Die drei Insassinnen des Kleinwagens erlitten verschiedene, nicht lebensgefährliche Verletzungen und konnten das Krankenhaus nach wenigen Tagen verlassen.
6
Das Fahrzeug des Angeklagten überschlug sich mehrfach und prallte in etwa 107 m Entfernung vom Unfallort gegen eine Baumgruppe.
7
2. Ausgehend von diesem Sachverhalt hat das Landgericht den Angeklagten nur des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (in drei tateinheitlichen Fällen, vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 223 Rdn. 22) für schuldig befunden, nicht dagegen auch eines versuchten Tötungsdelikts. Das Landgericht hat zwar einer Gesamtschau der objektiven und subjektiven Tatumstände entnommen, dass der Angeklagte bei der Tat als möglich vorausgesehen hat, dass die Insassen des von ihm gerammten Fahrzeugs tödliche Verletzungen erleiden könnten; es ist aber zu der Überzeugung gelangt, dass er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut hat, der Tötungserfolg werde nicht eintreten.
8
3. Die dafür vom Landgericht herangezogenen Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
9
a) Die Auffassung des Landgerichts, dem Angeklagten sei lediglich ein Körperverletzungsvorsatz bezüglich der drei Insassen des von ihm gerammten Fahrzeugs nachzuweisen, lässt besorgen, dass es zu hohe Anforderungen an das Vorliegen des voluntativen Vorsatzelements gestellt hat. Zwar ist selbst bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Juli 1992 - 4 StR 308/92 = BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 30 m.w.N. und vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99 = NZV 2000, 88).
10
Hier hätte der Tatrichter aber insbesondere den Umstand in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte den Unfall zu dem Zweck verursacht hat, seine Selbsttötungsabsicht zu verwirklichen. Von dieser Absicht hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei dadurch überzeugt, dass der Angeklagte kurz vor dem Unfall seinen Vater telefonisch davon unterrichtet und unmittelbar nach dem Unfall dem Zeugen Z. erklärt hat, es habe sich um einen Selbsttötungsversuch gehandelt. Es ging dem Angeklagten demnach darum, einen so heftigen Zusammenstoß beider Fahrzeuge herbeizuführen, dass er diesen nicht überleben würde, obwohl er - wenn auch nicht angeschnallt - in einem kompakten und technisch einwandfreien Fahrzeug der Mittelklasse saß. Deswegen erschließt es sich nicht, warum der Angeklagte ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben sollte, die Insassen des betroffenen Kleinwagens würden im Gegensatz zu ihm den heftigen Zusammenstoß überleben.
11
b) Auch die weiteren Argumente des Landgerichts tragen sein Ergebnis nicht.
12
aa) Aus der Tatsache, dass der Angeklagte im Rahmen früherer, gegenüber der Zeugin Se geäußerter Selbsttötungsfantasien, bei denen es ebenfalls um die Herbeiführung eines Unfalls mit einem anderen Fahrzeug ging, mehrfach betont hat, keinen anderen mit in den Tod nehmen zu wollen, kann kein tragfähiger Schluss auf die innere Tatseite zum Zeitpunkt der vorliegenden Tat gezogen werden. Wie der psychiatrische Sachverständige - nach Ansicht des Landgerichts überzeugend - ausgeführt hat, hat der Angeklagte damals keine ernsthaften Suizidabsichten gehegt, sondern die Äußerungen lediglich in noch jugendtypischer Manier eingesetzt, um seinen Willen durchzusetzen.
13
bb) Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass die in dem gerammten Fahrzeug befindlichen Personen aus der Sicht des Angeklagten durch Karosserie , Kopfstützen und Sicherheitsgurte wenigstens rudimentär vor dem Erleiden tödlicher Verletzungen geschützt gewesen seien, entbehrt dies schon angesichts der eingehaltenen Geschwindigkeit und der Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge jeder Grundlage.
14
cc) Das Landgericht kann sich für die Ablehnung des bedingten Tötungsvorsatzes auch nicht auf die von ihm zitierten Senatsentscheidungen (Beschlüsse vom 23. Juni 1983 - 4 StR 293/83 = NStZ 1984, 19 und vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99 = NZV 2000, 88 f.) stützen. Beide Entscheidungen betreffen ersichtlich Fallgestaltungen, die mit dem vorliegenden Tatgeschehen nicht vergleichbar sind.
15
4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im Fall 2. Die teilweise Aufhebung des Urteils zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
16
Wegen des inneren Zusammenhangs mit der Verurteilung im Fall 2 der Urteilsgründe kann auch die gemäß §§ 69, 69 a StGB angeordnete, für sich genommen nicht zu beanstandende Maßregel nicht bestehen bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99 = NZV 2000, 88, 89).
17
5. Sollte der neu entscheidende Tatrichter zur Bejahung des (bedingten) Tötungsvorsatzes kommen, wird er zu prüfen haben, ob der Angeklagte mit einem gemeingefährlichen Mittel im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat. Auch wenn sich der unmittelbare Angriff in erster Linie gegen die Insassen des Kleinwagens richtete, schließt das die Annahme, der Angeklagte habe ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt, nicht aus. Nach den Feststellungen liegt es vielmehr nahe, dass infolge des durch den Aufprall unmittelbar verursachten Unfalls eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen - etwa die Fahrer oder Beifahrer anderer Fahrzeuge oder die auf der Baustelle tätigen Bauarbeiter - tödliche Verletzungen hätten erleiden können (vgl. BGHSt 38, 353, 355; BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - 4 StR 450/09).

II.


18
Revision des Angeklagten
19
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
20
Die Verurteilung wegen tateinheitlich mit versuchter gefährlicher Körperverletzung begangener vollendeter Freiheitsberaubung im Fall 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
21
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verbrachte der Angeklagte die Zeugin Se nach minutenlangem Gerangel mit Gewalt, unter anderem unter Einsatz eines Cuttermessers, und gegen ihren Willen in seinen Pkw, weil er eine Beendigung ihres Treffens verhindern wollte. Der Zeugin gelang es jedoch, unmittelbar danach - noch während der Angeklagte zur Fahrertür "hastete" - aus dem Fahrzeug zu fliehen.
22
Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen vollendeter Freiheitsberaubung nicht. Allerdings setzt der Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB keine bestimmte Dauer der Entziehung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit voraus; es reicht vielmehr grundsätzlich auch eine nur vorübergehende Einschränkung aus (vgl. BGHSt 14, 314, 315). Jedoch erfüllt eine - wie hier - zeitlich nur unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit den Tatbestand nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2002 - 4 StR 432/02 = NStZ 2003, 371 und vom 21. Januar 2003 - 4 StR 414/02 = NStZ-RR 2003, 168). Der Angeklagte hat sich daher nur der versuchten Freiheitsberaubung schuldig gemacht.
23
Der Senat ändert, da in der erneuten Hauptverhandlung weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
24
Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der im Fall 1 erkannten Einzelstrafe, da das Landgericht bei deren Bemessung ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass dieser tateinheitlich zu der versuchten gefährlichen Körperverletzung eine vollendete Freiheitsberaubung begangen habe. Die Aufhebung dieser Einzelstrafe entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage.
25
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
26
Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 - beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht Telefonverbindungsdaten aus einer auf § 100 g Abs. 1 Satz 1 StPO beruhenden Vorratsdatenspeicherung verwendet, fehlt es bereits an einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge.

III.


27
Da sich das Verfahren nunmehr ausschließlich auf Straftaten bezieht, die der Angeklagte als Erwachsener begangen hat, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - 4 StR 594/09 zitiert 6 §§.

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(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 239 Freiheitsberaubung


(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist

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(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 450/09
vom
14. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14. Januar 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
der Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. März 2009 aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten wegen der Tat vom 7. März 2007 (Fall II. 2. a des Urteils) verurteilt wurden mit den zugehörigen Feststellungen zur inneren Tatseite,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Sie haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr , des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr , des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gesprochen und den Angeklagten K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten T. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung des materiellen Rechts; die Angeklagten beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten sind dagegen unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts warfen die Angeklagten entsprechend einem zuvor gemeinsam gefassten Entschluss an drei Tagen im März 2007 von einer Brücke bei Großlehna Steine auf die darunter liegenden Fahrbahnen der Bundesautobahn 9, um Unglücksfälle herbeizuführen (Fälle 1 bis 3); an einem anderen Tag - ebenfalls im März 2007 - setzten sie hierzu unmittelbar an (Fall 4). Dabei nahmen sie in allen Fällen erhebliche Schäden an auf der Autobahn fahrenden und mit den Steinen kollidierenden Fahrzeugen und in drei Fällen (Fälle 2 bis 4) zudem billigend in Kauf, dass die Insassen die- ser Fahrzeuge, die sich keines Angriffs versahen und keine Abwehrmöglichkeiten hatten, getötet werden.
3
(1.) Am 7. März 2007 warfen die Angeklagten gegen oder kurz nach 23.00 Uhr einen oder zwei Steine unbekannter Größe und Gewichts auf die Fahrbahn der in Richtung München führenden Autobahn. Dabei kam ein Stein auf dem linken Fahrstreifen zum Liegen, der zweite Stein oder ein Teil des ersten Steins lag auf dem mittleren Fahrstreifen. Die Steine bzw. Steinteile wurden von drei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h fahrenden Pkws überfahren, wobei die Fahrzeuge erheblich beschädigt wurden. Insbesondere wurde jeweils mindestens ein Reifen beschädigt oder zerstört. Aufgrund der besonnenen Reaktionen der Pkw-Führer - es handelte sich jeweils um Vielfahrer mit jahrelanger Erfahrung - kam es nicht zu weiteren Unfällen, auch wurde niemand verletzt.
4
(2.) Am 8. März 2007 warfen die Angeklagten gegen 23.15 Uhr mindestens drei 20 bis 30 kg schwere Steine, die sie - wie schon am 7. März - im Pkw des Angeklagten T. herangeschafft hatten, von derselben Brücke auf den rechten und den mittleren Fahrstreifen der in Richtung Berlin führenden Autobahn. Diese wurden von Kö. (auf der rechten Fahrspur) und B. (auf der mittleren Fahrspur) mit jeweils einer Geschwindigkeit von etwa 130 km/h überfahren, wobei das von Kö. gesteuerte Fahrzeug nach der Kollision nicht mehr lenkbar war, weil unter anderem das linke Vorderrad "herausgerissen" worden war. Auch an dem von B. gesteuerten Pkw wurde die Vorderachse "massiv zerstört", zudem waren durch die Kollision die Airbags ausgelöst worden und das Fahrzeuginnere hatte sich mit weißem Rauch gefüllt, so dass er nichts mehr sehen konnte. Gleich- wohl gelang es beiden Fahrzeugführern, die Pkws ohne weitere Kollision zum Stehen zu bringen.
5
(3.) Am 12. März 2007 brachten die Angeklagten einen 58 kg schweren Granitstein zu der Autobahnbrücke. Gegen 22.25 Uhr warfen entweder beide Angeklagte oder nur einer von ihnen mit Billigung des anderen den Stein auf die mittlere Fahrspur der in Richtung München führenden Autobahn, als der sich dort mit 150 bis 160 km/h nähernde Pkw von H. noch 7,5 bis 17,4 Meter entfernt war. Dieser fuhr - ohne dass ihm eine Reaktion möglich war - auf den Gesteinsblock auf, wobei sofort die Bremsen an seinem Fahrzeug ausfielen. Gleichwohl und trotz erheblicher weiterer Schäden gelang es H. , das Fahrzeug ohne weitere Kollision zum Stehen zu bringen; auch er wurde nicht verletzt.
6
(4.) Ab dem 13. März 2007 überwachte die Polizei das Geschehen auf der Autobahnbrücke. Bereits am 15. März 2007 gegen 22.25 Uhr fuhren die Angeklagten erneut mit dem Pkw des Angeklagten T. zu der Brücke, um von dort aus Steine auf die Fahrbahn der Autobahn zu werfen. Zu diesem Zweck hatten sie in den Kofferraum des Pkws drei Granitsteinblöcke mit einem Gewicht von jeweils 19 bis 33,7 kg geladen. Nachdem der Angeklagte K. von dem an der Brücke abgestellten Pkw den größten der Steine auf die Brücke über die mittlere der in Richtung Berlin führenden Fahrspuren der Autobahn getragen und sich zum Brückengeländer hingewandt hatte, um ihn hinunterzuwerfen , wurde er von einem Polizeibeamten angesprochen; erst nach der Androhung des Schusswaffeneinsatzes ließ er den Stein auf die Brücke fallen.

II.


7
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben keinen Erfolg.
8
1. Die vom Verteidiger des Angeklagten K. erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 30. September 2009 dargelegten Gründen unzulässig bzw. unbegründet. Zur Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO wurde der durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft widerlegte Tatsachenvortrag vom Verteidiger des Angeklagten nicht aufrechterhalten.
9
Die von der Verteidigerin des Angeklagten T. erhobene Verfahrensrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob diese Alternativrüge zulässig ist. Sie ist jedenfalls unbegründet. Denn das Schwurgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil ausführlich mit den Aussagen der Zeugen Ha. und Be. auseinandergesetzt und dabei auch erörtert, dass der Angeklagte T. bei seinen polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen weitere Einzelheiten geschildert hat. Dass das Landgericht den früheren Angaben des Angeklagten T. nicht in allen Einzelheiten gefolgt ist, vermag eine Verletzung des Verfahrensrechts nicht zu begründen.
10
2. Auch die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen greifen nicht durch. Insofern besteht - ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 30. September 2009 - lediglich Anlass zu folgenden Ausführungen :
11
a) Die Strafkammer hat sich ausreichend mit dem Schreiben des Angeklagten T. vom 26. Februar 2009 und den sich daraus ergebenden Widersprüchen zu früheren Angaben dieses Angeklagten sowie den "objektiven Erkenntnissen" auseinandergesetzt. Insbesondere durfte sie bei der Bewertung dieses Schreibens berücksichtigen, dass es in Kenntnis des gesamten Verfahrensstoffes abgefasst wurde und als interessengelenkte Aussage ein Falschbelastungsrisiko bergen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 578/08, NStZ-RR 2009, 145, 146). Das (mögliche) Motiv einer Selbstentlastung des Angeklagten T. auf Kosten des Angeklagten K. hat sie indes gesehen und ist - unter anderem deshalb - davon ausgegangen, dass nicht diese Ausführungen, sondern die Angaben des Angeklagten zum äußeren Tathergang gegenüber der Polizei und dem Ermittlungsrichter im Wesentlichen zutreffend sind. Ein Rechtsfehler liegt hierin nicht, auch wenn damit eine Belastung des Angeklagten K. bezüglich der Taten vom 7. und 8. März 2007, die in dem Schreiben vom 26. Februar 2009 nicht näher erörtert sind, verbunden war. Denn das Schwurgericht durfte auch hinsichtlich dieser Taten - neben den von ihm hervorgehobenen weiteren Umständen - berücksichtigen, dass der Angeklagte K. bezüglich der gleichartigen späteren Taten durch weitere Umstände überführt wird; seine Mitwirkung an der Tat vom 12. März 2007 hatte er stets eingeräumt und am 15. März 2007 wurde er von dem Polizeibeamten mit dem Stein auf der Autobahnbrücke angetroffen.
12
b) Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in den Fällen 2 bis 4 einen Tötungsvorsatz der Angeklagten bejaht hat. Es durfte aus dem jeweiligen Tathergang und den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten den - schon nach dem äußeren Geschehen nahe liegenden - Schluss ziehen, dass sie bei Begehung der Taten den Tod der Fahrzeuginsassen zumindest billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. De- zember 2002 - 4 StR 103/02 [insoweit in BGHSt 48, 119, 120 nur abgekürzt wiedergegeben]; BGH, Urteile vom 6. Mai 1982 - 4 StR 133/82, VRS 63, 119; vom 15. Mai 1997 - 4 StR 118/97, NStZ-RR 1997, 294, 295; Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 StR 381/00, NZV 2001, 133). Ausführungen zur Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes gegenüber bewusst fahrlässigen Tötungsversuchen vermisst der Senat nicht. Ebenso musste sich das Schwurgericht nicht näher mit der Einschätzung eines Polizeibeamten zum Vorsatz des Angeklagten T. befassen und auch die Frage nicht (noch) ausführlicher erörtern , warum es weitgehend den Angaben dieses Angeklagten zum jeweiligen äußeren Tathergang, aber nicht zur subjektiven Tatseite folgt.
13
Die Bejahung des Mordmerkmals der Heimtücke (vgl. zu dieser BGHSt 48, 119, 120; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 4 StR 118/97, NStZ-RR 1997, 294, 295) sowie die Verurteilung wegen (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (vgl. BGHSt 48, 119, 120 ff.; BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - 4 StR 384/02, NStZ 2003, 206) begegnen ebenfalls keinen Bedenken.

III.


14
Die Staatsanwaltschaft hat mit ihren Rechtsmitteln dagegen teilweise Erfolg. Sie beanstandet im Ergebnis zu Recht, dass die Angeklagten im Fall 1 lediglich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt wurden.
15
1. Die Verurteilung im Fall 1 (Tat vom 7. März 2007) nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat keinen Bestand, weil das Schwurgericht die sich aufdrängende Prüfung unterlassen hat, ob diese Tat auch als ver- suchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StGB zu bewerten ist.
16
Auch wenn es den Angeklagten auf Personenschäden nicht ankam, schließt dies nicht aus, dass sie im Rahmen ihres Tatplans auch in diesem Fall (zumindest) Verletzungen der Insassen der mit den Steinen kollidierenden Fahrzeuge billigend in Kauf genommen haben. Dies liegt nahe, zumal die Strafkammer im Rahmen ihrer Ausführungen zur „subjektiven Tatseite“ selbst darlegt , dass jedem normalintelligenten, ungestörten und straßenverkehrserfahrenen Menschen klar [sei], dass das Werfen von Steinen … auf eine unbeleuchtete Bundesautobahn … zu schweren Verkehrsunfällen mit erheblichen Sach- und Personenschäden führt. Dass keine Personen zu Schaden gekommen sind, ist … ´einem Heer von Schutzengeln zu verdanken, die über der Autobahn geschwebt sein müssen´. Hiervon konnten die Angeklagten jedoch bei Begehung ihrer Taten keinesfalls ausgehen. Durch ihre Vorgehensweise haben sie vielmehr sichergestellt, dass es auf jeden Fall zu erheblichen Unfällen kommen würde. So haben sie im Fall II. 2. a) [Tat vom 7. März 2007] Steine in die mittlere und die linke Spur geworfen und so dafür gesorgt, dass insbesondere bei Verkehr auf den anderen Fahrstreifen ein Ausweichen vollkommen ausgeschlossen ist (UA 58).
17
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im Fall 1 (Tat vom 7. März 2007). Da die Feststellungen insbesondere zum äußeren Hergang dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffen wurden, hat dies lediglich die Aufhebung der zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen zur Folge (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 15), wodurch der neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter aber nicht daran gehindert wäre, auch diese Tat nicht nur als versuchte gefährliche Körperverletzung, sondern ebenfalls als versuchten Mord zu würdigen.
18
Die (teilweise) Aufhebung des Urteils zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Insofern bedarf es einer Aufhebung der Feststellungen indes nicht.
19
3. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft haben dagegen keinen Erfolg.
20
a) Ein Rechtsfehler liegt insbesondere nicht darin, dass das Schwurgericht in den Fällen 2 bis 4 Tötungsversuche "mit gemeingefährlichen Mitteln" verneint hat.
21
Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGHSt 38, 353, 354; BGH, Urteile vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Gemeingefährliche Mittel 2, und vom 16. März 2006 - 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504).
22
Auf dieser Grundlage hängt es vom konkreten Einzelfall ab, ob Steinwürfe von einer Autobahnbrücke bei Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes als Tötung bzw. Tötungsversuche mit gemeingefährlichen Mitteln zu bewerten sind. Trifft der Täter bei einem solchen Steinwurf ein bestimmtes Fahrzeug, so schließt ein solcher Angriff gegen dessen Insassen, also bereits individualisierte Opfer, zwar die Annahme, er habe ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt, nicht vor vorneherein aus. Eine tödliche Gefahr für eine Vielzahl von Menschen wird jedoch zumeist nur dann bestehen, wenn dichter Verkehr herrscht und in der Folge des durch den Steinwurf unmittelbar verursachten Unfalls eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen - also regelmäßig die Insassen anderer Fahrzeuge - tödliche Verletzungen erleiden können (vgl. BGHSt 38, 353, 355; Schneider in Münchner-Kommentar StGB § 211 Rdn. 104 m.w.N.). Nichts anderes gilt in den Fällen, in denen der Täter bei dem Steinwurf noch kein bestimmtes Fahrzeug im Auge hat, sondern sich die Tat auf ein beliebiges, sich möglicherweise noch außerhalb seines Sichtbereichs befindliches Fahrzeug und dessen Insassen bezieht. Auch hier fehlt es bezogen auf die Kollision zwischen diesem Fahrzeug und dem auf der Fahrbahn liegenden Stein regelmäßig daran, dass allein hierdurch eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet werden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Daher wird auch in solchen Fällen eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln - von Ausnahmefällen wie etwa einer Kollision eines voll besetzten Omnibusses mit dem Stein abgesehen - nur dann in Betracht kommen, wenn Folgeunfälle mit tödlichen Verletzungen drohen.
23
Ausgehend hiervon hat das Schwurgericht zu Recht in den Fällen 2 bis 4 einen mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mordversuch verneint und lediglich eine heimtückische Tatbegehung bejaht. Es hat dabei rechtsfehlerfrei vorrangig darauf abgestellt, dass zu den Tatzeiten am späten Abend jeweils ruhiger Verkehr herrschte. Zudem hat die Strafkammer eine Gefährdung Dritter durch oder infolge der Unfallgeschehen nicht festgestellt. Vielmehr war es - soweit das Urteil dies mitteilt - den jeweiligen Fahrern gelungen, die Pkws auf dem Standstreifen bzw. an der Mittelleitplanke zum Stehen zu bringen und ordnungsgemäß abzusichern; der am 12. März 2007 verwendete Stein befand sich dabei immer noch unter dem Fahrzeug von H. , die am 8. März 2007 zur Tat benutzten Steine konnten nicht sichergestellt werden. Feststellungen dazu, dass nach den Kollisionen mit den Steinen weitere Unfälle von oder mit dritten Fahrzeugen drohten, hat das Landgericht nicht getroffen.
24
b) Auch die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die vom Schwurgericht vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB in den Fällen des versuchten Mordes haben keinen Erfolg.
25
Die Strafkammer hat bei der Prüfung dieser Strafrahmenmilderungen die "Nähe zu dem tatbestandlichen Erfolg" erörtert und im Fall 3 zudem ausdrücklich berücksichtigt, dass es sich um einen "sehr großen Stein" und eine "damit einhergehende gesteigerte Gefahr" gehandelt hat. Deshalb und vor dem Hintergrund der weiteren Urteilsausführungen ist nicht zu besorgen, dass sie übersehen hat, dass der Nichteintritt des Erfolges jeweils auf glücklichen, von den Angeklagten nicht beeinflussbaren Umständen beruhte. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Schwurgericht bei der Strafrahmenbestimmung unbeachtet gelassen hat, dass die Angeklagten die vier Straftaten innerhalb eines kurzen Zeitraumes begangen haben, zumal es die "Rückfallgeschwindigkeit" sowohl bei der Zumessung der Einzelstrafen als auch bei der Bemessung der Gesamtstrafe ausdrücklich berücksichtigt hat. Tepperwien Maatz Solin-Stojanović Franke Mutzbauer

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 414/02
vom
21. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. Januar 2003 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 11. März 2002
a) dahin abgeändert, daß im Fall II 1 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung entfällt,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Stendal - Schöffengericht - zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel er-
sichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen Nötigung und im Fall II 2 wegen Vergewaltigung für schuldig befunden hat. Dagegen begegnet die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung im Fall II 1 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen faßte der Angeklagte der Zeugin Z. während einer Feier überraschend an ihr bedecktes Geschlechtsteil. Als die Frau daraufhin die Wohnung verlassen wollte, umfaßte der Angeklagte ihre Oberschenkel und hob sie in das Badezimmer, "weil er hoffte, dort mit Frau Z. in kurzer Zeit Zärtlichkeiten auszutauschen" [UA 5]. Dazu kam es aber nicht, weil die Frau das Schließen der Badezimmertür verhinderte und ihr Lebensgefährte die Situation erfaßte und einschritt.
Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen versuchter Freiheitsberaubung nicht. Es erscheint bereits fraglich, ob der vom Angeklagten beabsichtigte kurze Aufenthalt im Bad gegen den Willen der Frau den Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB erfüllt hätte, weil dazu eine zeitlich nur unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit nicht ausreicht (vgl. BGH, Beschluß vom 3. Dezember 2002 - 4 StR 432/02). Jedenfalls aber kommt dann, wenn die Freiheitsberaubung nur das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung eines anderen Delikts bildet, § 239 StGB als das allgemeine Delikt nicht zur Anwendung (vgl. Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 239 Rdn. 18 m.w.N.). So
liegt der Fall hier. Der Angeklagte nötigte die Frau in das Badezimmer, um sich ihr dort für kurze Zeit unbeobachtet von den Gästen körperlich nähern zu können. Die Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit ging mithin nicht über das hinaus, was zur bloßen Tatbestandsverwirklichung der Nötigung erforderlich war.
Der Senat ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab.
2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für den Fall II 1 verhängten Einzelstrafe, die das Landgericht dem nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 239 StGB entnommen hat, der den des § 240 StGB übersteigt.
Die für die Vergewaltigung (Fall II 2 der Urteilsgründe) ausgesprochene Einzelstrafe hat ebenfalls keinen Bestand. Das Landgericht hat die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen, ohne dies zu begründen. Es hat sich nicht damit auseinandergesetzt, ob trotz des Vorliegens eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall verneint werden kann. Zu einer solchen Prüfung bestand hier Anlaß, weil zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten eine länger andauernde intime Beziehung bestanden hatte. Diesen wesentlichen strafmildernden Umstand (vgl. BGH StV 1998, 76; BGHR StGB § 177 Abs. 2 (i.d.F. des 6. StrRG) Strafrahmenwahl 14) hat das Landgericht weder bei der Strafrahmenwahl noch im Rahmen der konkreten Strafzumessung beachtet. Im übrigen begegnet auch die einzige, vom Landgericht strafschärfend angeführte Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer dadurch über die Vergewaltigung hinaus erniedrigt, daß er ihm unmittelbar danach in Bezug auf Verhalten am Arbeitsplatz eine Abmahnung übergeben wollte, rechtlichen
Bedenken: Diese Abmahnung stand in keinem Zusammenhang mit dem Tatge- schehen und war überdies auch nach Ansicht der Zeugin "wegen ihres tatsächlichen Alkoholkonsums während der Arbeit wohl berechtigt".
3. Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht Stendal - Schöffengericht - zurück, dessen Strafgewalt ausreicht (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Tepperwien Maatz Kuckein

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.