Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2010 - 4 StR 450/09

bei uns veröffentlicht am14.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 450/09
vom
14. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14. Januar 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
der Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. März 2009 aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten wegen der Tat vom 7. März 2007 (Fall II. 2. a des Urteils) verurteilt wurden mit den zugehörigen Feststellungen zur inneren Tatseite,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Sie haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr , des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr , des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gesprochen und den Angeklagten K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten T. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung des materiellen Rechts; die Angeklagten beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten sind dagegen unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts warfen die Angeklagten entsprechend einem zuvor gemeinsam gefassten Entschluss an drei Tagen im März 2007 von einer Brücke bei Großlehna Steine auf die darunter liegenden Fahrbahnen der Bundesautobahn 9, um Unglücksfälle herbeizuführen (Fälle 1 bis 3); an einem anderen Tag - ebenfalls im März 2007 - setzten sie hierzu unmittelbar an (Fall 4). Dabei nahmen sie in allen Fällen erhebliche Schäden an auf der Autobahn fahrenden und mit den Steinen kollidierenden Fahrzeugen und in drei Fällen (Fälle 2 bis 4) zudem billigend in Kauf, dass die Insassen die- ser Fahrzeuge, die sich keines Angriffs versahen und keine Abwehrmöglichkeiten hatten, getötet werden.
3
(1.) Am 7. März 2007 warfen die Angeklagten gegen oder kurz nach 23.00 Uhr einen oder zwei Steine unbekannter Größe und Gewichts auf die Fahrbahn der in Richtung München führenden Autobahn. Dabei kam ein Stein auf dem linken Fahrstreifen zum Liegen, der zweite Stein oder ein Teil des ersten Steins lag auf dem mittleren Fahrstreifen. Die Steine bzw. Steinteile wurden von drei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h fahrenden Pkws überfahren, wobei die Fahrzeuge erheblich beschädigt wurden. Insbesondere wurde jeweils mindestens ein Reifen beschädigt oder zerstört. Aufgrund der besonnenen Reaktionen der Pkw-Führer - es handelte sich jeweils um Vielfahrer mit jahrelanger Erfahrung - kam es nicht zu weiteren Unfällen, auch wurde niemand verletzt.
4
(2.) Am 8. März 2007 warfen die Angeklagten gegen 23.15 Uhr mindestens drei 20 bis 30 kg schwere Steine, die sie - wie schon am 7. März - im Pkw des Angeklagten T. herangeschafft hatten, von derselben Brücke auf den rechten und den mittleren Fahrstreifen der in Richtung Berlin führenden Autobahn. Diese wurden von Kö. (auf der rechten Fahrspur) und B. (auf der mittleren Fahrspur) mit jeweils einer Geschwindigkeit von etwa 130 km/h überfahren, wobei das von Kö. gesteuerte Fahrzeug nach der Kollision nicht mehr lenkbar war, weil unter anderem das linke Vorderrad "herausgerissen" worden war. Auch an dem von B. gesteuerten Pkw wurde die Vorderachse "massiv zerstört", zudem waren durch die Kollision die Airbags ausgelöst worden und das Fahrzeuginnere hatte sich mit weißem Rauch gefüllt, so dass er nichts mehr sehen konnte. Gleich- wohl gelang es beiden Fahrzeugführern, die Pkws ohne weitere Kollision zum Stehen zu bringen.
5
(3.) Am 12. März 2007 brachten die Angeklagten einen 58 kg schweren Granitstein zu der Autobahnbrücke. Gegen 22.25 Uhr warfen entweder beide Angeklagte oder nur einer von ihnen mit Billigung des anderen den Stein auf die mittlere Fahrspur der in Richtung München führenden Autobahn, als der sich dort mit 150 bis 160 km/h nähernde Pkw von H. noch 7,5 bis 17,4 Meter entfernt war. Dieser fuhr - ohne dass ihm eine Reaktion möglich war - auf den Gesteinsblock auf, wobei sofort die Bremsen an seinem Fahrzeug ausfielen. Gleichwohl und trotz erheblicher weiterer Schäden gelang es H. , das Fahrzeug ohne weitere Kollision zum Stehen zu bringen; auch er wurde nicht verletzt.
6
(4.) Ab dem 13. März 2007 überwachte die Polizei das Geschehen auf der Autobahnbrücke. Bereits am 15. März 2007 gegen 22.25 Uhr fuhren die Angeklagten erneut mit dem Pkw des Angeklagten T. zu der Brücke, um von dort aus Steine auf die Fahrbahn der Autobahn zu werfen. Zu diesem Zweck hatten sie in den Kofferraum des Pkws drei Granitsteinblöcke mit einem Gewicht von jeweils 19 bis 33,7 kg geladen. Nachdem der Angeklagte K. von dem an der Brücke abgestellten Pkw den größten der Steine auf die Brücke über die mittlere der in Richtung Berlin führenden Fahrspuren der Autobahn getragen und sich zum Brückengeländer hingewandt hatte, um ihn hinunterzuwerfen , wurde er von einem Polizeibeamten angesprochen; erst nach der Androhung des Schusswaffeneinsatzes ließ er den Stein auf die Brücke fallen.

II.


7
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben keinen Erfolg.
8
1. Die vom Verteidiger des Angeklagten K. erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 30. September 2009 dargelegten Gründen unzulässig bzw. unbegründet. Zur Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO wurde der durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft widerlegte Tatsachenvortrag vom Verteidiger des Angeklagten nicht aufrechterhalten.
9
Die von der Verteidigerin des Angeklagten T. erhobene Verfahrensrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob diese Alternativrüge zulässig ist. Sie ist jedenfalls unbegründet. Denn das Schwurgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil ausführlich mit den Aussagen der Zeugen Ha. und Be. auseinandergesetzt und dabei auch erörtert, dass der Angeklagte T. bei seinen polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen weitere Einzelheiten geschildert hat. Dass das Landgericht den früheren Angaben des Angeklagten T. nicht in allen Einzelheiten gefolgt ist, vermag eine Verletzung des Verfahrensrechts nicht zu begründen.
10
2. Auch die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen greifen nicht durch. Insofern besteht - ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 30. September 2009 - lediglich Anlass zu folgenden Ausführungen :
11
a) Die Strafkammer hat sich ausreichend mit dem Schreiben des Angeklagten T. vom 26. Februar 2009 und den sich daraus ergebenden Widersprüchen zu früheren Angaben dieses Angeklagten sowie den "objektiven Erkenntnissen" auseinandergesetzt. Insbesondere durfte sie bei der Bewertung dieses Schreibens berücksichtigen, dass es in Kenntnis des gesamten Verfahrensstoffes abgefasst wurde und als interessengelenkte Aussage ein Falschbelastungsrisiko bergen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 578/08, NStZ-RR 2009, 145, 146). Das (mögliche) Motiv einer Selbstentlastung des Angeklagten T. auf Kosten des Angeklagten K. hat sie indes gesehen und ist - unter anderem deshalb - davon ausgegangen, dass nicht diese Ausführungen, sondern die Angaben des Angeklagten zum äußeren Tathergang gegenüber der Polizei und dem Ermittlungsrichter im Wesentlichen zutreffend sind. Ein Rechtsfehler liegt hierin nicht, auch wenn damit eine Belastung des Angeklagten K. bezüglich der Taten vom 7. und 8. März 2007, die in dem Schreiben vom 26. Februar 2009 nicht näher erörtert sind, verbunden war. Denn das Schwurgericht durfte auch hinsichtlich dieser Taten - neben den von ihm hervorgehobenen weiteren Umständen - berücksichtigen, dass der Angeklagte K. bezüglich der gleichartigen späteren Taten durch weitere Umstände überführt wird; seine Mitwirkung an der Tat vom 12. März 2007 hatte er stets eingeräumt und am 15. März 2007 wurde er von dem Polizeibeamten mit dem Stein auf der Autobahnbrücke angetroffen.
12
b) Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in den Fällen 2 bis 4 einen Tötungsvorsatz der Angeklagten bejaht hat. Es durfte aus dem jeweiligen Tathergang und den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten den - schon nach dem äußeren Geschehen nahe liegenden - Schluss ziehen, dass sie bei Begehung der Taten den Tod der Fahrzeuginsassen zumindest billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. De- zember 2002 - 4 StR 103/02 [insoweit in BGHSt 48, 119, 120 nur abgekürzt wiedergegeben]; BGH, Urteile vom 6. Mai 1982 - 4 StR 133/82, VRS 63, 119; vom 15. Mai 1997 - 4 StR 118/97, NStZ-RR 1997, 294, 295; Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 StR 381/00, NZV 2001, 133). Ausführungen zur Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes gegenüber bewusst fahrlässigen Tötungsversuchen vermisst der Senat nicht. Ebenso musste sich das Schwurgericht nicht näher mit der Einschätzung eines Polizeibeamten zum Vorsatz des Angeklagten T. befassen und auch die Frage nicht (noch) ausführlicher erörtern , warum es weitgehend den Angaben dieses Angeklagten zum jeweiligen äußeren Tathergang, aber nicht zur subjektiven Tatseite folgt.
13
Die Bejahung des Mordmerkmals der Heimtücke (vgl. zu dieser BGHSt 48, 119, 120; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 4 StR 118/97, NStZ-RR 1997, 294, 295) sowie die Verurteilung wegen (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (vgl. BGHSt 48, 119, 120 ff.; BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - 4 StR 384/02, NStZ 2003, 206) begegnen ebenfalls keinen Bedenken.

III.


14
Die Staatsanwaltschaft hat mit ihren Rechtsmitteln dagegen teilweise Erfolg. Sie beanstandet im Ergebnis zu Recht, dass die Angeklagten im Fall 1 lediglich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt wurden.
15
1. Die Verurteilung im Fall 1 (Tat vom 7. März 2007) nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat keinen Bestand, weil das Schwurgericht die sich aufdrängende Prüfung unterlassen hat, ob diese Tat auch als ver- suchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StGB zu bewerten ist.
16
Auch wenn es den Angeklagten auf Personenschäden nicht ankam, schließt dies nicht aus, dass sie im Rahmen ihres Tatplans auch in diesem Fall (zumindest) Verletzungen der Insassen der mit den Steinen kollidierenden Fahrzeuge billigend in Kauf genommen haben. Dies liegt nahe, zumal die Strafkammer im Rahmen ihrer Ausführungen zur „subjektiven Tatseite“ selbst darlegt , dass jedem normalintelligenten, ungestörten und straßenverkehrserfahrenen Menschen klar [sei], dass das Werfen von Steinen … auf eine unbeleuchtete Bundesautobahn … zu schweren Verkehrsunfällen mit erheblichen Sach- und Personenschäden führt. Dass keine Personen zu Schaden gekommen sind, ist … ´einem Heer von Schutzengeln zu verdanken, die über der Autobahn geschwebt sein müssen´. Hiervon konnten die Angeklagten jedoch bei Begehung ihrer Taten keinesfalls ausgehen. Durch ihre Vorgehensweise haben sie vielmehr sichergestellt, dass es auf jeden Fall zu erheblichen Unfällen kommen würde. So haben sie im Fall II. 2. a) [Tat vom 7. März 2007] Steine in die mittlere und die linke Spur geworfen und so dafür gesorgt, dass insbesondere bei Verkehr auf den anderen Fahrstreifen ein Ausweichen vollkommen ausgeschlossen ist (UA 58).
17
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im Fall 1 (Tat vom 7. März 2007). Da die Feststellungen insbesondere zum äußeren Hergang dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffen wurden, hat dies lediglich die Aufhebung der zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen zur Folge (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 15), wodurch der neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter aber nicht daran gehindert wäre, auch diese Tat nicht nur als versuchte gefährliche Körperverletzung, sondern ebenfalls als versuchten Mord zu würdigen.
18
Die (teilweise) Aufhebung des Urteils zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Insofern bedarf es einer Aufhebung der Feststellungen indes nicht.
19
3. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft haben dagegen keinen Erfolg.
20
a) Ein Rechtsfehler liegt insbesondere nicht darin, dass das Schwurgericht in den Fällen 2 bis 4 Tötungsversuche "mit gemeingefährlichen Mitteln" verneint hat.
21
Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGHSt 38, 353, 354; BGH, Urteile vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Gemeingefährliche Mittel 2, und vom 16. März 2006 - 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504).
22
Auf dieser Grundlage hängt es vom konkreten Einzelfall ab, ob Steinwürfe von einer Autobahnbrücke bei Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes als Tötung bzw. Tötungsversuche mit gemeingefährlichen Mitteln zu bewerten sind. Trifft der Täter bei einem solchen Steinwurf ein bestimmtes Fahrzeug, so schließt ein solcher Angriff gegen dessen Insassen, also bereits individualisierte Opfer, zwar die Annahme, er habe ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt, nicht vor vorneherein aus. Eine tödliche Gefahr für eine Vielzahl von Menschen wird jedoch zumeist nur dann bestehen, wenn dichter Verkehr herrscht und in der Folge des durch den Steinwurf unmittelbar verursachten Unfalls eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen - also regelmäßig die Insassen anderer Fahrzeuge - tödliche Verletzungen erleiden können (vgl. BGHSt 38, 353, 355; Schneider in Münchner-Kommentar StGB § 211 Rdn. 104 m.w.N.). Nichts anderes gilt in den Fällen, in denen der Täter bei dem Steinwurf noch kein bestimmtes Fahrzeug im Auge hat, sondern sich die Tat auf ein beliebiges, sich möglicherweise noch außerhalb seines Sichtbereichs befindliches Fahrzeug und dessen Insassen bezieht. Auch hier fehlt es bezogen auf die Kollision zwischen diesem Fahrzeug und dem auf der Fahrbahn liegenden Stein regelmäßig daran, dass allein hierdurch eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet werden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Daher wird auch in solchen Fällen eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln - von Ausnahmefällen wie etwa einer Kollision eines voll besetzten Omnibusses mit dem Stein abgesehen - nur dann in Betracht kommen, wenn Folgeunfälle mit tödlichen Verletzungen drohen.
23
Ausgehend hiervon hat das Schwurgericht zu Recht in den Fällen 2 bis 4 einen mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mordversuch verneint und lediglich eine heimtückische Tatbegehung bejaht. Es hat dabei rechtsfehlerfrei vorrangig darauf abgestellt, dass zu den Tatzeiten am späten Abend jeweils ruhiger Verkehr herrschte. Zudem hat die Strafkammer eine Gefährdung Dritter durch oder infolge der Unfallgeschehen nicht festgestellt. Vielmehr war es - soweit das Urteil dies mitteilt - den jeweiligen Fahrern gelungen, die Pkws auf dem Standstreifen bzw. an der Mittelleitplanke zum Stehen zu bringen und ordnungsgemäß abzusichern; der am 12. März 2007 verwendete Stein befand sich dabei immer noch unter dem Fahrzeug von H. , die am 8. März 2007 zur Tat benutzten Steine konnten nicht sichergestellt werden. Feststellungen dazu, dass nach den Kollisionen mit den Steinen weitere Unfälle von oder mit dritten Fahrzeugen drohten, hat das Landgericht nicht getroffen.
24
b) Auch die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die vom Schwurgericht vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB in den Fällen des versuchten Mordes haben keinen Erfolg.
25
Die Strafkammer hat bei der Prüfung dieser Strafrahmenmilderungen die "Nähe zu dem tatbestandlichen Erfolg" erörtert und im Fall 3 zudem ausdrücklich berücksichtigt, dass es sich um einen "sehr großen Stein" und eine "damit einhergehende gesteigerte Gefahr" gehandelt hat. Deshalb und vor dem Hintergrund der weiteren Urteilsausführungen ist nicht zu besorgen, dass sie übersehen hat, dass der Nichteintritt des Erfolges jeweils auf glücklichen, von den Angeklagten nicht beeinflussbaren Umständen beruhte. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Schwurgericht bei der Strafrahmenbestimmung unbeachtet gelassen hat, dass die Angeklagten die vier Straftaten innerhalb eines kurzen Zeitraumes begangen haben, zumal es die "Rückfallgeschwindigkeit" sowohl bei der Zumessung der Einzelstrafen als auch bei der Bemessung der Gesamtstrafe ausdrücklich berücksichtigt hat. Tepperwien Maatz Solin-Stojanović Franke Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2010 - 4 StR 450/09

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BGHR: ja
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Greift der Täter in den fließenden Verkehr ein, indem er Hindernisse auf
der Fahrbahn bereitet oder Gegenstände auf fahrende Fahrzeuge wirft,
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I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 12. April 2001, soweit es ihn betrifft, 1. im Schuldspruch – insoweit auch hinsichtlich des früheren Mitangeklagten L. – dahin geändert, daß die Angeklagten im Fall II B 5 der Urteilsgründe des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig sind, 2. in den die Fälle II A 1 bis 14 und B 5 der Urteilsgründe betreffenden Einzelstrafaussprüchen sowie 3. im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten und den Mitangeklagten L. , der keine Revision eingelegt hat, jeweils des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 14 Fällen, davon in 10 Fällen in Tateinheit mit versuchtem Mord und davon in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie des gefährlichen Eingriffs in den Eisenbahnverkehr in zwei Fällen sowie darüber hinaus den Angeklagten allein wegen Tierquälerei in 14 Fällen für schuldig befunden. Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verhängt. Den Mitangeklagten L. hat es zu sechs Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagten mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Urteilsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet.

A.

Die Verfahrensrügen dringen nicht durch. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. April 2002, die lediglich zu der auf § 338 Nr. 7 i.V.m. § 275 Abs. 2 StPO gestützten Verfahrensrüge der Ergänzung bzw. Klarstellung bedürfen: An der rechtzeitig angebrachten Unterschrift des Richters am Landgericht K. (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) fehlt es nicht deshalb, weil die Vorsitzende Richterin nachträglich, aber noch vor Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 StPO handschriftliche Änderungen in dem von dem genannten Richter bereits unterschriebenen Urteilsentwurf angebracht hat. Dies geschah, wie sich aus der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden Richterin ergibt, im
Einvernehmen mit Richter am Landgericht K. . Einer schriftlichen Bestätigung seines Einverständnisses mit den Änderungen, etwa durch Beifügung seiner Paraphe an den betreffenden Textstellen, oder gar einer erneuten Unterschrift unter das Urteil durch diesen Richter bedurfte es nicht. Soweit die Revision das Fehlen der Unterschrift des Richters am Amtsgericht H. beanstandet, fehlt es schon an dem für die Zulässigkeit der Rüge vorausgesetzten vollständigen Sachvortrag (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). In dem Verhinderungsvermerk der Vorsitzenden, durch den die Unterschrift dieses Richters ersetzt wurde, heißt es, Richter am Amtsgericht H. sei "durch Abordnung an das Ministerium für Justiz und Europaangelegenheiten an der Unterschrift gehindert". Bei dieser Sachlage hätte die Revision vortragen müssen, daß dieser Richter an der Unterschriftsleistung weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen gehindert war. Allerdings begründet die Abordnung eines Richters an die Justizverwaltung entgegen der Auffassung der Vorsitzenden Richterin, die sich aus ihrer dienstlichen Erklärung ergibt: "Er ist seit dem 23.04.2001 ... als Referent mit Beamtenstatus abgeordnet und darf seither als solcher keine richterlichen Aufgaben mehr wahrnehmen (vgl. DRiG)", keine rechtliche Verhinderung, soweit sein Status als Richter damit nicht verloren ging (vgl. BGHR StPO § 275 Abs. 2 Satz 2 Verhinderung 4 und 5; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 275 Rdn. 23 m.Nachw.). Doch liegt hier angesichts der Entfernung zwischen dem Sitz des Gerichts in Cottbus und dem neuen Dienstort des Richters in Potsdam auf der Hand, daß dieser auch - was genügt - tatsächlich verhindert war, seine Unterschrift rechtzeitig auf der erst am letzten Tag der Frist des § 275 Abs. 1 StPO zur Geschäftsstelle gelangten Urteilsurkunde anzubringen (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 46).

B.

I.

Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, soweit ihn das Landgericht wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz für schuldig befunden hat (II. A. der Urteilsgründe "Komplex Katzen"). Jedoch unterliegen die in diesen Fällen erkannten Einzelfreiheitsstrafen der Aufhebung, weil das Landgericht - wie die Revision zu Recht beanstandet - in diesen Fällen einen falschen Strafrahmen zugrundegelegt hat. Es ist nämlich von dem derzeit geltenden, durch das Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25. Mai 1998 (BGBl. I 1094) geänderten Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen, den es gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, während § 17 TierschG in der im Tatzeitraum geltenden Fassung nur Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren androhte. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Einzelstrafen bei Zugrundelegung des niedrigeren Strafrahmens niedriger ausgefallen wären. Die deshalb gebotene Aufhebung der Einzelstrafen hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Der neue Tatrichter wird insoweit auch die Gesamtstrafenlage hinsichtlich der beiden früher erkannten Geldstrafen (UA 5 a.E.) und den in den Fällen II. A 1 bis 4 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zu prüfen und dabei zu berücksichtigen haben, daß eine zwischenzeitliche Erledigung der Geldstrafen die Bildung einer (gesonderten) Gesamtstrafe nicht entbehrlich machen würde (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1, 2 jew. m.w.N.).

II.

Im übrigen weist auch die Verurteilung des Angeklagten wegen der Taten zu Abschnitt II. B der Urteilsgründe ("Komplex Eingriffe in den
Straßenverkehr") mit Ausnahme des Falles II. B 5 der Urteilsgründe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. 1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verübten die Angeklagten, die im Tatzeitraum für einander die einzigen Freunde waren, auf der Suche nach "Ablenkung zur Unterbrechung ihrer Lebenslangeweile", bei insgesamt 13 Gelegenheiten jeweils bei Dunkelheit Anschläge auf den Autobahnverkehr auf der BAB 15, indem sie Gegenstände auf dort fahrende Kraftfahrzeuge warfen (Fälle II. B 1, 5, 9, 10 und 14), von Autobahnbrücken Gegenstände so herunterhängten, daß diese die Fahrzeuge in Höhe der Frontscheiben trafen (Fälle II. B 3 und 7), bzw. Steine und andere Gegenstände so auf der Fahrbahn aufstellten, daß Fahrzeuge dagegenstießen (Fälle II. B 2, 8, 11 bis 13 und 15). In allen Fällen kam es zu Unfällen mit zumindest Sachschäden in unterschiedlicher Höhe. In zwei Fällen erlitten Insassen von Pkw auch Verletzungen. Des weiteren verübten die Angeklagten in zwei Fällen (Fälle II. B 4 und 6) Anschläge auf die Bahn, indem sie jeweils einen eisenbewehrten Betonpfahl quer über die Schienen legten, wodurch die Lokomotive eines Interregiozuges bzw. ein Triebwagen, die auf die Hindernisse prallten, beschädigt wurden. 2. Die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes durch das Landgericht, auf der in den Fällen II. B 1 bis 3, B 7 und 8, B 11 bis 13 und B 15 die Verurteilung jeweils wegen tateinheitlich mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr begangenen versuchten Heimtückemordes beruht (vgl. BGH VRS 63, 119; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 25; BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 11), begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat mit tragfähigen Erwägungen die Einlassung der Angeklagten, sie hätten zwar Unfälle herbeiführen wollen, es hätten jedoch nur
Sachschäden und keine Personenschäden entstehen sollen, für widerlegt erachtet. Daß das Vorgehen der Angeklagten in hohem Maße gefährlich und die möglichen Unfallfolgen im allgemeinen schwer abschätzbar sind, versteht sich von selbst. Ein Rechtssatz des Inhalts, daß ein Täter, der wie die Angeklagten vorgeht, deshalb zugleich grundsätzlich auch mit tödlichen Folgen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer rechnet und diese um den Preis der Fortsetzung seines gefährlichen Tuns innerlich billigt, besteht gleichwohl nicht und ist auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu entnehmen. Vielmehr kann diese Frage nicht allgemein, sondern nur nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls beurteilt werden. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht. Die Angeklagten konnten mit einer den Unfall vermeidenden Reaktion der betroffenen Kraftfahrer nicht rechnen und haben dies auch nicht getan. Im Gegenteil wollten die Angeklagten, wie sie selbst zugegeben haben, daß es zu Verkehrsunfällen kam; auch sollten nach Überzeugung des Landgerichts "die Fahrzeugführer keine Chance haben ..., das Hindernis rechtzeitig zu erkennen, um ausweichen oder bremsen zu können". Zwar haben die Angeklagten - worauf die Revision hinweist - in allen Fällen die Erfahrung gesammelt, daß es ungeachtet der unterschiedlichen eingesetzten Tatmittel und Vorgehensweisen weit überwiegend nur zu Sachschäden gekommen ist, jedenfalls die Unfälle, auch soweit Pkw-Insassen verletzt wurden, vergleichsweise glimpflich abgelaufen sind. Das Landgericht hat jedoch in jedem Einzelfall nach der Art der angewendeten Tatmittel und der Vorgehensweise der Angeklagten differenziert. So hat es in ausführlicher Auseinandersetzung insbesondere mit den zur jeweiligen objektiven Gefährdungslage erstatteten Gutachten in den Fällen, in denen lediglich "theoretisch“ die Gefahr des Schleuderns und des
unkontrollierten Abkommens von der Fahrbahn mit tödlichen Folgen für Insassen nicht auszuschließen war, einen bedingten Tötungsvorsatz nicht angenommen (Fälle II. B 5, 9, 10 und 14 der Urteilsgründe, ebenso die „Eisenbahnfälle“ II. B 4 und 6). Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es nur in den übrigen „Eingriffsfällen“ bejaht, in denen die Angeklagten gezielt eine so hochgradige Gefahrenlage geschaffen hatten, daß das Ausbleiben schwererer, möglicherweise tödlicher Folgen nur dem "glücklichen Umstand" zu verdanken war, daß die Fahrzeuge nicht mit höherer als der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit fuhren bzw. Reifen der betroffenen Fahrzeuge nicht platzten. Entgegen der Auffassung der Revision stehen die Erwägungen, auf die das Landgericht in ausdrücklicher Abgrenzung zur bewußten Fahrlässigkeit die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes stützt, auch nicht in Widerspruch zu den zur Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten getroffenen Feststellungen, die für die Beurteilung der subjektiven Tatseite Bedeutung haben (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 31, 54). Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten ergeben sich nicht schon daraus, daß das Landgericht dem Angeklagten, dem psychiatrischen Sachverständigen folgend, eine "unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit" bescheinigt hat. Vielmehr haben die psychiatrischen Sachverständigen im Ergebnis zur Überzeugung der Kammer übereinstimmend für beide Angeklagten bestätigt, daß sie "um die Folgen ihres Handelns gewußt und sich auch über eventuelle Folgen Gedanken gemacht hätten". Die Sorgen um die Tatfolgen hätten die Angeklagten aber – wie bei „unstrukturierten“ Menschen häufig – weggeschoben, die eigene Sorge vor dem Entdecken sei größer gewesen. Das stellt weder das Wissens- noch das Wollenselement des (bedingten) Tötungsvorsatzes in Frage. Aus Fall II. B 15 der Urteilsgründe ergibt sich nichts anderes. Zwar konnten dort die Angeklagten die von ihnen "inszenierte naive Folgenkonstellation“ nicht beiseiteschieben, da sich „mit Sicherheit“ zu
erwartende tödliche Folgen beim Hinunterwerfen des Gullideckels zu sehr aufdrängten. Wenn in diesem Fall der Mitangeklagte L. den Angeklagten an dieser Form des Vorgehens hinderte, indem er ihm den Einlaufrost aus der Hand nahm und diesen auf der Fahrbahn aufstellte, belegt dies lediglich, daß beide nicht mit direktem Tötungsvorsatz handelten, steht aber der rechtlichen Würdigung der Jugendkammer zum bedingten Tötungsvorsatz nicht entgegen.

III.

Der Schuldspruch hält mit Ausnahme des Falls II. B 5 der Urteilsgründe der rechtlichen Prüfung auch insoweit stand, als das Landgericht den Angeklagten in den weiteren Fällen allein wegen - jeweils gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten L. begangenen, vollendeten und nach § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB qualifizierten - gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (II. B 9, 10 und 14 der Urteilsgründe) bzw. in den Bahnverkehr (Fälle II. B 4 und 6 der Urteilsgründe) verurteilt hat. 1. In den Fällen II. B 9 und 10 warfen die Angeklagten jeweils "eine Handvoll Kieselsteine der Körnung zwischen 2 und 3 Zentimeter" von einer Autobahnbrücke, in Fall 14 einen faustgroßen, bis zu 250 g schweren Gesteinsbrocken vom Fahrbahnrand einer Bundesautobahn gegen Lastkraftwagen. Die mit einer Geschwindigkeit von etwa 85 km/h fahrenden Fahrzeuge wurden jeweils an der Frontscheibe getroffen. Diese zersplitterte, ohne daß die Steine ins Innere des Fahrzeugs gelangten. Die Scheiben mußten jeweils erneuert werden. Zwar ist lediglich im Fall II. B 9 ein bezifferter Schaden von 2.684,- DM festgestellt. Wegen der Vergleichbarkeit der Schäden entnimmt aber der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, daß in den übrigen Fällen die von der Rechtsprechung für Sachschäden festgelegte Schadensgrenze von 1.500,- DM (jetzt 750,-
ist. Den Fahrern gelang es jeweils, ihre Fahrzeuge kontrolliert zum Stehen zu bringen.
Die Gefahr einer völligen Desorientierung des Fahrzeugführers mit einer damit verbundenen Gefahr des Schleuderns und des unkontrollierten Abkommens von der Fahrbahn war zwar nach Ansicht des sachverständig beratenen Landgerichts theoretisch nicht auszuschließen, angesichts der relativ niedrigen Geschwindigkeit der schweren Fahrzeuge aber wenig wahrscheinlich.

a) Soweit der Senat in der Vergangenheit in einzelnen Fällen einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB mit der Begründung verneint hat, der Eingriff erschöpfe sich in der Gefährdung oder Beschädigung des Tatobjekts, so daß es an einer tatbestandlich erforderlichen, "dadurch" verursachten weiteren Gefährdung fehle (zuletzt BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 5 m.w.N.), hält er daran in dieser Allgemeinheit nicht fest. In Fällen der vorliegenden Art genügt es für die Annahme einer vollendeten Tat, daß die durch den Eingriff verursachte verkehrsspezifische Gefahr zu einem bedeutenden Fremdsachschaden geführt hat.
aa) Die nach dem Wortlaut der Norm doppelte Verknüpfung des Tatbestandsmerkmals "Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs" sowohl mit der tatbestandlichen Handlung des § 315 b Abs. 1 StGB in allen in den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Alternativen als auch mit dem tatbestandlichen Erfolg macht deutlich, daß Gefährdungshandlungen und Gefährdungserfolg in besonderer Weise kausal miteinander verbunden sein müssen, um den Tatbestand zu erfüllen. Erforderlich ist, daß die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich
zu einer konkreten Gefahr für die genannten Schutzobjekte verdichtet. Das Erfordernis einer zeitlichen Differenz zwischen Eingriff und konkreter Gefahr ist dem Wortlaut der Vorschrift dagegen nicht zu entnehmen. Der Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB kann daher in sämtlichen Handlungsalternativen auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt, sofern dieser Erfolg sich als Steigerung der abstrakten Gefahr darstellt.
Daran fehlt es, wenn der Täter losgelöst von einem Verkehrsgeschehen ein Fahrzeug oder eine Anlage beschädigt (beispielsweise durch Zerstören der Bremsleitung), ohne daß die so geschaffene abstrakte Gefahr für den Straßenverkehr in eine konkrete Gefahr umschlägt. Der durch das Verhalten des Täters eingetretene Schaden am Fahrzeug ist nicht Folge einer abstrakten Verkehrsgefahr, sondern umgekehrt die Ursache dafür, daß eine solche Gefahr überhaupt erst entsteht. Insoweit behält die von der Rechtsprechung entwickelte Formel, daß sich ein Verhalten, das sich in der Schaffung einer - abstrakten - Gefahr - sei es auch durch Einwirken auf eines der von § 315 b StGB grundsätzlich unter Schutz gestellten Objekte - erschöpft, noch nicht den Tatbestand des § 315 b StGB erfüllt, seine Berechtigung.
Hiervon zu unterscheiden sind dagegen Tathandlungen, die, wie in den vom Landgericht entschiedenen Fällen, nicht nur eine abstrakte Verkehrsgefahr herbeiführen, sondern - wenn auch in zeitlich dichter Reihenfolge oder sogar sich zeitlich überschneidend - eine aus dieser abstrakten Verkehrsgefahr resultierende konkrete Gefahr. Zwar wird die Herbeiführung der abstrakten Gefahr der hieraus entstehenden konkreten Gefahr in aller Regel zeitlich vorangehen, so etwa, wenn der Täter einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in der Weise herbeiführt, daß er ein Hindernis auf der Straße
aufstellt, die davon ausgehende Gefahr sich aber erst durch späteres Herannahen eines Fahrzeugs zur konkreten Gefahr verdichtet. Dieser zeitlich gestreckte Vorgang verkürzt sich aber in dem Maße, in dem der Täter das Herannahen eines Fahrzeugs abwartet, um dessen Fahrt durch ein plötzlich in den Weg geschobenes oder geworfenes Hindernis zu hemmen. Ist das Fahrzeug im Zeitpunkt des Eingriffs bereits so nahe, daß mit der abstrakten Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs, die auch dann vorliegt, wenn sich die Tathandlung gezielt gegen ein bestimmtes Objekt richtet, zugleich auch schon eine konkrete Gefahr für das Fahrzeug entsteht, fehlt es gänzlich an einer zeitlichen Zäsur. Gleichwohl sind die Tathandlung, die zu einer Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs führt, und ein aus dieser Gefahr herrührender tatbestandlicher Erfolg in Form einer konkreten Gefahr für das Schutzobjekt gedanklich voneinander zu trennen; die Tathandlung "erschöpft" sich auch dann nicht in sich selbst, wenn über Schäden, die durch das Zusammentreffen von Fahrzeug und Hindernis bewirkt werden, keine weitere Gefahr in der Form entsteht, daß es infolge eines Kontrollverlusts über das Fahrzeug zu einem "Beinahe-Unfall" kommt.
Auch im Blick auf das in § 315 b StGB geschützte Rechtsgut, die Sicherheit des Straßenverkehrs, die ohne die Notwendigkeit einer Gemeingefahr den Schutz von Individualrechtsgütern wie Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte mitumfaßt, besteht kein Anlaß, zwischen zeitlich gesteckten und auf Minutenbruchteile reduzierten Geschehensabläufen zu unterscheiden. So wäre kaum nachvollziehbar, wenn sich die Angeklagten, die in den Fällen II. B 3 und 7 der Urteilsgründe Gegenstände von einem am Brückengeländer befestigten Seil bis in Nähe von Windschutzscheiben eines Pkws herabhängen ließen und dadurch - in zeitlichem Abstand zum Abseilen - das Zersplittern der Frontscheiben bewirkten, ohne Rücksicht auf weitere
Folgen ihres Handelns des vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht hätten, während eine Tatvollendung in den Fällen II. B 9, 10 und 14 bei gleicher subjektiver Zielrichtung und gleichem Schaden nur deshalb nicht eingetreten sein sollte, weil die Angeklagten die entsprechenden Gegenstände im geeigneten Moment gegen die Frontscheiben der Fahrzeuge warfen. Unbeachtlich ist insoweit, daß in den erstgenannten Fällen die Handlungsalternative des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (Hindernisbereiten), in der zweiten Fallgruppe dagegen die des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB (ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff) in Betracht kommt, da das Hindernisbereiten lediglich einen Unterfall des für sämtliche Handlungsalternativen des § 315 b Abs. 1 StGB vorausgesetzten gefährlichen Eingriffs darstellt.
bb) Der Schutzzweck des § 315 b StGB gebietet allerdings insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die konkrete Gefahr - jedenfalls auch - auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Dies kann durch Ausnutzung der Eigendynamik des vom Täter selbst benutzten Fahrzeugs (beispielsweise beim Einsatz eines Fahrzeugs als „Waffe“), durch die Fremddynamik eines von einem anderen Verkehrsteilnehmer genutzten Fahrzeugs (beispielsweise durch Hindernisbereiten) oder durch das Zusammenwirken beider Kräfte erfolgen.
Bei Außeneinwirkungen, die, wie in den hier zu beurteilenden Fällen, nicht durch eine vom Täter ausgenutzte Eigendynamik seines Fahrzeugs gekennzeichnet sind, ist eine verkehrsspezifische konkrete Gefahr zu bejahen,
wenn durch den Eingriff die sichere Beherrschbarkeit eines im fließenden Verkehrs befindlichen Fahrzeugs beeinträchtigt und dadurch - mit der Folge eines "Beinahe-Unfalls" - unmittelbar auf den Fahrvorgang eingewirkt wird. Dem sind die Fälle gleichzustellen, in denen der Fortbewegung des Fahrzeugs mittels eines Hindernisses oder eines anderen, ebenso gefährlichen Eingriffs in der Weise entgegengewirkt wird, daß eine konkrete Gefahr für Fahrzeuginsassen oder Fahrzeug entsteht. An einer verkehrsspezifischen Gefahr fehlt es nur dann, wenn der Eingriff zwar zu einer abstrakten Gefährdung des Straßenverkehrs führt, die sich hieraus entwickelnde konkrete Gefahr aber in keiner inneren Verbindung mit der Dynamik des Straßenverkehrs steht. Die Annahme jeweils vollendeter gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr ist daher in den Fällen II. B 9, 10 und 14 nicht zu beanstanden, obwohl über die durch die Steinwürfe an den Frontscheiben entstandenen Schäden hinaus die konkrete Gefahr eines weiteren Unfallgeschehens nicht bestand.
In den beiden Fällen des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr (II. B 4 und 6) gilt im Ergebnis nichts anderes.
2. Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen kann die Verurteilung wegen vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Fall II. B 5 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. In diesem Fall gossen die Angeklagten von einer Autobahnbrücke aus zwei Dosen weißliche Lackfarbe auf einen aus vier Fahrzeugen bestehenden, mit ca. 80 km/h fahrenden Hilfsgüterkonvoi des Deutschen Roten Kreuzes. Dabei wurden zwei Fahrzeuge an der Frontscheibe getroffen. Die Fahrer
konnten ihre Fahrzeuge "nach kurzer Weiterfahrt ohne weitere Gefahren rechts zum Stehen bringen". Das Landgericht hat den Eintritt einer durch den „Eingriff“ entstandenen konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert nicht festgestellt. Eine konkrete Gefahr im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ (vgl. BGH NJW 1995, 3131 f.; 1996, 329 f.) hat das Landgericht ersichtlich nicht angenommen; es hat vielmehr in diesem Fall eine „akute Gefahr des Schleuderns und unkontrollierten Abkommens von der Fahrbahn“ gerade ausgeschlossen. Auch die Beschädigung der beiden Lkw durch die ausgegossene Farbe führt hier nicht zur Annahme einer vollendeten Tat nach § 315 b StGB. Denn der durch die Verschmutzung an den betroffenen Lkw eingetretene Sachschaden steht mit der Eigendynamik der Fahrzeuge zum Tatzeitpunkt in keinem relevanten Zusammenhang. Die Lackschäden sind keine spezifische Folge des „Eingriffs“ in die Sicherheit des Straßenverkehrs; sie müssen deshalb bei der Bestimmung eines "bedeutenden" Sachschadens bzw. einer entsprechenden Gefährdung außer Betracht bleiben. Der für eine Tat nach § 315 b StGB vorausgesetzte Vorsatz und die vom Landgericht auch in diesem Fall angenommene qualifizierende Absicht der beiden Angeklagten nach § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB bleiben davon unberührt. Der Senat schließt aus, daß sich – zumal angesichts des Zeitablaufs – noch weitere Feststellungen treffen lassen, die in diesem Fall eine Vollendung des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sicher belegen. Er ändert deshalb den Schuldspruch – gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten L. – von sich aus dahin, daß die beiden Angeklagten im Fall II. B 5 der Urteilsgründe des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig sind; § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Dies hat bei dem Angeklagten die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs zur Folge.
Dagegen kann die gegen den Mitangeklagten L. verhängte Jugendstrafe bestehen bleiben; angesichts der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Vielzahl schwerwiegender Straftaten ist auszuschließen, daß die geringfügige Schuldspruchänderung bei ihm zu einer niedrigeren Strafe geführt hätte.

IV.

Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO i.V.m. § 74 Abs. 2 Nr. 4 GVG an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurück, da das Verfahren nur noch den erwachsenen Angeklagten betrifft (BGHSt 35, 267) und das Schwurgericht gegenüber der Jugendkammer kein Gericht höherer Ordnung ist (vgl. BGHSt 26, 191; Kuckein in KK § 338 Rdn. 69). Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 381/00
vom
10. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 8. Mai 2000 im Maßregelausspruch über die Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es bestimmt , daß die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von vier Jahren keine Fahrerlaubnis erteilen darf. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldund Strafausspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Anordnung der isolierten Sperrfrist nach §§ 69 Abs. 1, 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB kann hingegen nicht bestehen bleiben.

a) Nach den Feststellungen stieß der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz einen zuvor bereitgelegten 33 kg schweren Schieferstein von einer ca. 6 m hohen, über einem Tunnel gelegenen Brüstung auf einen aus dem Tunnel herausfahrenden PKW. Der Stein schlug im vorderen linken Dachbereich des Fahrzeugs auf; beide Fahrzeuginsassen blieben unverletzt. Weder für den Weg zum Tatort noch zurück hatte der Angeklagte ein Kraftfahrzeug benutzt.

b) Das Landgericht hat die Anordnung der Maßregel damit begründet, der Angeklagte habe ”eine schwerwiegende Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen” (UA 22). Diese Erwägung trägt den Maßregelausspruch nicht. Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit auch für die Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist nach § 69 a Abs. 1 StGB ist, daß der Täter die Tat ”bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat” (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB). Einen solchen Zusammenhang der dem Angeklagten angelasteten Tat mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs besteht hier jedoch nicht. Weder der Angeklagte selbst noch ein Tatbeteiligter (vgl. BGHSt 10, 333, 336) haben bei, vor oder nach Begehung
der Tat ein Kraftfahrzeug geführt. Die Tat wurde auch nicht unter Verletzung einer spezifisch einem Kraftfahrer im Straßenverkehr obliegenden Pflicht begangen. Sie war zwar gegen einen (anderen) Kraftfahrzeugführer gerichtet; dies kann jedoch für sich genommen auch dann nicht die Anordnung von Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB rechtfertigen, wenn die Tat angesichts ihrer Schwere auf eine charakterliche Unzuverlässigkeit des Täters hinweist (vgl. auch OLG Celle NZV 1998, 170).
Maatz Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 384/02
vom
12. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. November 2002
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 24. Mai 2002 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend bei beiden Taten einen – jeweils tateinheitlich mit versuchtem Mord, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verwirklichten – gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr angenommen. Allerdings erfüllt das Verhalten des Angeklagten – entgegen der Ansicht des Landgerichts – nicht den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB („Hindernisbereiten“), sondern den Auffangtatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB („ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff“). Nach den Urteilsfeststellungen warf der Angeklagte in beiden Fällen von einer über eine Schnellstraße führenden Brücke bei Dunkelheit Gegenstände von einigem Gewicht unmittelbar auf die mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 80 km/h fahrenden Personenkraftwagen und bewirkte durch das Auftreffen der Gegenstände deren konkrete Gefährdung. Die Sicherheit des Straßenverkehrs wurde demnach nicht durch eine Einwirkung auf den Verkehrsraum bewirkt, die geeignet war, den reibungslosen Verkehrsablauf zu hemmen oder zu verzögern (vgl. BGHSt 41, 231, 234), sondern sie richtete sich unmittelbar gegen die fah- renden Fahrzeuge. Dies stellt einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff dar.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tepperwien Maatz Athing

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 594/05
vom
16. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. März
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 9. August 2005 werden verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Mordes in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ihm ferner die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren bestimmt.
2
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachbeschwerde gestützten, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision seine Verurteilung auch wegen tateinheitlich begangenen dreifach versuchten Mordes und die Verhängung einer höheren Jugendstrafe. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war der Angeklagte am 19. Juni 2004 gegen 1.15 Uhr von der Abschlussfeier seines Fußballvereins nach Hause zurückgekehrt. Er war darüber verärgert, dass ihm, als er auf der Feier am Tisch eingeschlafen war, ein Büschel Haare abgeschnitten worden war. Um seine Wut abzureagieren , fuhr der Angeklagte mit dem von ihm und anderen Familienmitgliedern genutzten Opel Zafira zum Deggendorfer Kreuz und weiter in Richtung Regensburg. Gegen 3.30 Uhr verließ er bei Schwarzach die Autobahn. Nach kurzem Halt fuhr er, ohne die Scheinwerfer einzuschalten, über die Autobahnausfahrt Schwarzach in Gegenrichtung auf die Autobahn. Dort setzte er auf der Standspur die Fahrt fort und beschleunigte das Fahrzeug, obwohl er auf eine Entfernung von mindestens 500 m erkannte, dass ihm ein Fahrzeug entgegenkam. Entweder befuhr der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Fahrzeug bereits die rechte Fahrspur der A 3 oder er war, als er das entgegenkommende Fahrzeug wahrgenommen hatte, mit seinem Fahrzeug von der Standspur auf die rechte Fahrspur gewechselt. Dabei handelte er in der Absicht, einen Unfall zu verursachen, um Selbstmord zu begehen und nahm billigend in Kauf, dass durch einen Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Pkw andere Verkehrsteilnehmer getötet oder schwer verletzt werden. Ihm war bewusst , dass die Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs nicht damit rechneten, dass ihnen ein unbeleuchtetes Fahrzeug entgegenkam, so dass der Führer des Fahrzeugs keine Möglichkeit haben würde, einen Unfall zu vermeiden. Als eine Kollision der Fahrzeuge auf der rechten in Richtung Regensburg führenden Fahrspur für den Angeklagten und den Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs objektiv durch eine Bremsung nicht mehr zu vermeiden war, gab der Angeklagte - jedenfalls nicht ausschließbar - seine Suizidabsicht auf und schaltete das Licht an seinem Fahrzeug ein, um den Führer des entge- genkommenden Fahrzeugs auf sich aufmerksam zu machen. Dieser versuchte nach links auszuweichen, was ihm jedoch nicht mehr gelang. Die Fahrzeuge stießen überlappend mit dem jeweils rechten Frontbereich zusammen. In dem Fahrzeug, mit dem der vom Angeklagten geführte Opel Zafira kollidierte, befanden sich sechs Personen. Der Beifahrer, die hinter diesem auf dem Rücksitz sitzende Ehefrau des Fahrzeuglenkers und seine neben ihrer Mutter sitzende vierjährige Tochter erlitten tödliche Verletzungen. Der Führer des Fahrzeugs und seine beiden hinter ihm auf dem Rücksitz sitzenden Töchter wurden schwer verletzt.

II.


4
Die Revision des Angeklagten:
5
1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Angeklagte die Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, sind unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 28. Dezember 2005 Bezug genommen.
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2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
7
a) Insbesondere hält auch die vom Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht beanstandete Beweiswürdigung zur inneren Tatseite rechtlicher Nachprüfung stand. Das Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen, ist allein Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt , ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich- rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstößt (vgl. Kuckein in KKStPO 5. Aufl. § 337 Rn. 29 m.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen lässt die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler erkennen.
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Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Autobahn bewusst in der falschen Fahrtrichtung befahren hat und auf das entgegenkommende Fahrzeug zugefahren ist, um Selbstmord zu begehen, entgegen der Auffassung der Revision auf eine zureichende Tatsachengrundlage gestützt. Dabei hat es sich, beraten durch vier Sachverständige, umfassend auch mit den vom Angeklagten behaupteten Umständen (Alkoholisierung, Übermüdung und Unterzuckerung), die zu einer kurzfristigen Erinnerungslosigkeit geführt haben sollen, auseinandergesetzt und eine so genannte Geisterfahrt mit rechtsfehlerfreien Erwägungen verneint. Der vom Landgericht insbesondere aus der Fahrweise des Angeklagten bis zur Kollision mit dem entgegenkommenden Fahrzeug und der Vorgeschichte gezogene – hier zudem nahe liegende - Schluss, dass der Angeklagte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, ist möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
9
b) Die Annahme des Landgerichts, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat weder aufgehoben noch erheblich vermindert war, ist ebenfalls hinreichend belegt. Entgegen der Auffassung der Revision weisen die Urteilsausführungen auch insoweit keinen Erörterungsmangel auf. Das Landgericht hat sich – allerdings im Rahmen seiner Ausführungen zur inneren Tatseite – mit der Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe, soweit sie nach den hier gegebenen Umständen in Betracht zu ziehen waren, ausführlich auseinan- dergesetzt und im einzelnen dargelegt, dass eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, eine affektive Störung, eine Persönlichkeitsstörung ebenso wie eine durch den „Ärgeraffekt“ und die alkoholische Beeinträchtigung ausgelöste tiefgreifende Bewusstseinsstörung ausgeschlossen werden können.
10
c) Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts weist, auch soweit sie den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Mordes betrifft, keinen Rechtsfehler auf.
11
aa) Zutreffend hat das Landgericht das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln bejaht. Dieses Mordmerkmal kann auch dann erfüllt sein, wenn – wie hier – ein Tötungsmittel eingesetzt wird, das seiner Natur nach nicht gemeingefährlich ist, sofern das Mittel in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Diese Anforderungen sind nach den Feststellungen erfüllt.
12
Mit seiner Fahrweise hatte der Angeklagte die sechs Insassen des PKW, mit dem das von ihm geführte Fahrzeug zusammenstieß, aber auch die Insassen weiterer entgegenkommender Kraftfahrzeuge gefährdet. Der Fahrer des PKW, der zum Überholen angesetzt hatte, konnte nur durch eine Vollbremsung einen Zusammenstoß mit den vor ihm kollidierenden Fahrzeugen vermeiden und erlitt dabei leichte Verletzungen. Welche und wie viele Personen durch das vom Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von mindestens 117 km/h in den Gegenverkehr gelenkte Fahrzeug gefährdet, verletzt und getötet werden konnten , war für den Angeklagten nicht beherrschbar. Dieser hatte durch die für die entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer unberechenbare Fahrt „in besonderer Rücksichtslosigkeit“ eine Gefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Perso- nen geschaffen. Er hatte es nicht in der Hand, wie viele Menschen als Repräsentanten der Allgemeinheit in den von ihm geschaffenen Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet werden konnten (vgl. BGH aaO).
13
bb) Auch das Mordmerkmal der Heimtücke ist rechtsfehlerfrei belegt.
14
Dass der Angeklagte unmittelbar vor der Kollision die Scheinwerfer einschaltete , steht der Annahme der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des ihm entgegenkommenden PKW nicht entgegen, denn hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen (vgl. BGHSt 19, 321, 322; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der Angeklagte hatte zur Ausführung seines mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Angriffs aber bereits mit dem gezielten Zufahren mit seinem unbeleuchteten PKW auf das entgegenkommende Fahrzeug angesetzt. Die zu diesem Zeitpunkt gegebene Arg- und Wehrlosigkeit der Fahrzeuginsassen bestand auch nach dem Erkennen der Gefahrensituation fort, denn die danach bis zur Kollision verbliebene Zeitspanne ließ, auch für den Führer des PKW, keine Möglichkeit, dem Angriff auszuweichen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Nach den Feststellungen war dem Anklagten bewusst, das die Insassen des entgegenkommenden PKW nicht mit Gegenverkehr rechneten und der Führer des Fahrzeugs keine Möglichkeit haben würde, den Unfall zu vermeiden.
15
Entgegen der Auffassung der Revision hält auch die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte zur Durchführung der Tat die sich aus der Arglosigkeit der Tatopfer und deren sich daraus ergebende Wehrlosigkeit ausgenutzt hat, rechtlicher Nachprüfung stand.
16
Das für die Annahme der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein setzt voraus, dass der Täter die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewusst zur Tatbegehung instrumentalisiert hat (st. Rspr., vgl. die Zusammenfassung bei Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 140 m.N.). Dabei kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlt (vgl. BGH NJW 1983, 2456; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Wird das Ausnutzungsbewusstsein bejaht, bedarf es allerdings besonders dann, wenn der Täter durch die Tat zugleich seinem eigenen Leben ein Ende setzen will, einer Darlegung der Erwägungen, die das Gericht zu der Annahme des Ausnutzungsbewusstseins geführt haben, weil in einem derartigen Fall in der Regel die Möglichkeit nicht fern liegen wird, dass der Täter sich der Bedeutung der von ihm erkannten Arg- und Wehrlosigkeit für die Ausführung der Tat nicht bewusst gewesen ist (vgl. BGH GA 1979, 337, 338). Hier bedurfte es einer ausdrücklichen Erörterung dieser Möglichkeit jedoch nicht.
17
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, musste der Angeklagte , um den Unfall, wie beabsichtigt, herbeizuführen, die Insassen, insbesondere den Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs überraschen, und fuhr deshalb ohne Licht. Die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs war hier unverzichtbarer Teil des Tatplans.

III.


18
Revision der Staatsanwaltschaft:
19
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat auch keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten aufgedeckt.
20
1. Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte von dem dreifach versuchten Mord zum Nachteil der Fahrzeuginsassen, die überlebt haben, mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, indem er kurz vor der Kollision das Licht an seinem Fahrzeug einschaltete, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
21
Soweit es die Mordversuche betrifft, sind die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB erfüllt, denn der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo (vgl. dazu BGH VRS 61, 262, 263) getroffenen Feststellungen freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Mit dem Einschalten der Scheinwerfer ermöglichte der Angeklagte dem Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs , einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden, so dass die Fahrzeuge nur überlappend im Beifahrerbereich kollidierten. Die Annahme des Landgerichts, dass dieses Verhalten des Angeklagten zumindest mitursächlich dafür war, dass die Personen, die jeweils auf der Fahrerseite gesessen hatten, keine tödlichen Verletzungen erlitten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass der Täter – wie hier – eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens mitursächlich ist, reicht aus (vgl. BGH aaO; BGHSt 33, 295, 301, jew. m.w.N.). Ein gemäß § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB strafbefreiender Rücktritt setzt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht voraus, dass der Täter, der die Vollendung der Tat erfolgreich verhin- dert und dies – wovon das Landgericht zutreffend zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen ist – auch anstrebt, unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder „optimale“ gewählt hat (vgl. BGHSt 48, 147 m.N.). Der Annahme der Freiwilligkeit des Rücktritts steht nicht entgegen, dass der Angeklagte zunächst mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Maßgeblich ist, dass er beim Einschalten der Scheinwerfer – nicht ausschließbar (UA 33/34) – davon ausging, dass der Unfall dadurch noch vermieden werden konnte (vgl. BGH VRS 61, 262, 263), mithin den für möglich gehaltenen Todeserfolg nicht mehr billigte.
22
2. Auch die Bemessung der gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe weist keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dabei nicht in erster Linie auf das Gewicht des Tatunrechts abgestellt hat, denn auch bei einer wegen der Schwere der Schuld zu verhängenden Jugendstrafe ist deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten zu bemessen (vgl. nur BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10 m.N.).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).