Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2016 - 1 StR 375/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:211216B1STR375.16.0
bei uns veröffentlicht am21.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 375/16
vom
21. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:211216B1STR375.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2016
beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Januar 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat Bestand, obwohl die Bewertung der Anlasstat durchgreifenden Bedenken begegnet, als sie auch als versuchter Mord unter Verwirklichung des Merkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) gewertet worden ist.
Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGH,Urteil vom 14. Januar 2010 - 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373 mwN). Diese Voraussetzungen sind durch die Feststellungen des Landgerichts nicht ausreichend belegt. Das Landgericht geht davon aus, dass auf der vom Angeklagten befahrenen Strecke zur Tatzeit nur ein mittleres Verkehrsaufkommen herrschte (UA S. 13), so dass bei der festgestellten Geschwindigkeit des vom Angeklagten geführten Kraftfahrzeugs bereits keine erhebliche Gefahr für eine Mehrzahl von weiteren Menschen erkennbar wird, die tödliche Verletzungen erleiden könnten. Im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob der Angeklagte, dem es nach den Feststellungen des Landgerichts darauf ankam, durch sein Verhalten das sich ungeschützt auf der Motorhaube festklammernde Opfer abzuschütteln und der Angeklagte deshalb dessen tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen hat (UA S. 13), sich in subjektiver Hinsicht - anders als bei einer vorsätzlichen Geisterfahrt auf der Autobahn (BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503) oder bei einer Amokfahrt durch Caféterrassen und über Gehwege (BGH, Urteil vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167) - auch einer Gefährdung einer Mehrzahl von Menschen mit tödlichen Verletzungen bewusst war.
Da das Landgericht aber die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, verbleibt es bei der Anordnung der Maßregel. Denn damit liegt eine Anlasstat vor, die angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung ohne Weiteres Grundlage der Unterbringung gemäß § 63 StGB sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. November 2015 - 1 StR 538/15, NStZ 2016, 148; vom 27. August 2003 - 1 StR 327/03, NStZ-RR 2004, 10, 11; vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02, NStZRR 2003, 11, 12 und vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98). Bei dem Angeklagten, der über ein erhebliches Aggressionspotential verfügt und bei dem es auch in der Untersuchungshaft zu wiederholten impulsiven Ausbrüchen (UA S. 58) gekommen ist, ist in Folge seines fortdauernden Zustandes unbehandelt mit erheblichen weiteren rechtswidrigen Taten zu rechnen, so dass durch die verän- derte rechtliche Würdigung der Anlasstat die ursprüngliche Gefahrprognose des Landgerichts gemäß § 63 StGB nicht tangiert wird. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wahrt auch bei einer abweichenden Bewertung als Totschlag die Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB).
RinBGH Cirener ist krankheitsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Radtke Fischer Bär

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Dez. 2016 - 1 StR 375/16 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2010 - 4 StR 450/09

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 450/09
vom
14. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14. Januar 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
der Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. März 2009 aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten wegen der Tat vom 7. März 2007 (Fall II. 2. a des Urteils) verurteilt wurden mit den zugehörigen Feststellungen zur inneren Tatseite,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Sie haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten des versuchten Mordes in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr , des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr , des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gesprochen und den Angeklagten K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten T. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung des materiellen Rechts; die Angeklagten beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten sind dagegen unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts warfen die Angeklagten entsprechend einem zuvor gemeinsam gefassten Entschluss an drei Tagen im März 2007 von einer Brücke bei Großlehna Steine auf die darunter liegenden Fahrbahnen der Bundesautobahn 9, um Unglücksfälle herbeizuführen (Fälle 1 bis 3); an einem anderen Tag - ebenfalls im März 2007 - setzten sie hierzu unmittelbar an (Fall 4). Dabei nahmen sie in allen Fällen erhebliche Schäden an auf der Autobahn fahrenden und mit den Steinen kollidierenden Fahrzeugen und in drei Fällen (Fälle 2 bis 4) zudem billigend in Kauf, dass die Insassen die- ser Fahrzeuge, die sich keines Angriffs versahen und keine Abwehrmöglichkeiten hatten, getötet werden.
3
(1.) Am 7. März 2007 warfen die Angeklagten gegen oder kurz nach 23.00 Uhr einen oder zwei Steine unbekannter Größe und Gewichts auf die Fahrbahn der in Richtung München führenden Autobahn. Dabei kam ein Stein auf dem linken Fahrstreifen zum Liegen, der zweite Stein oder ein Teil des ersten Steins lag auf dem mittleren Fahrstreifen. Die Steine bzw. Steinteile wurden von drei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h fahrenden Pkws überfahren, wobei die Fahrzeuge erheblich beschädigt wurden. Insbesondere wurde jeweils mindestens ein Reifen beschädigt oder zerstört. Aufgrund der besonnenen Reaktionen der Pkw-Führer - es handelte sich jeweils um Vielfahrer mit jahrelanger Erfahrung - kam es nicht zu weiteren Unfällen, auch wurde niemand verletzt.
4
(2.) Am 8. März 2007 warfen die Angeklagten gegen 23.15 Uhr mindestens drei 20 bis 30 kg schwere Steine, die sie - wie schon am 7. März - im Pkw des Angeklagten T. herangeschafft hatten, von derselben Brücke auf den rechten und den mittleren Fahrstreifen der in Richtung Berlin führenden Autobahn. Diese wurden von Kö. (auf der rechten Fahrspur) und B. (auf der mittleren Fahrspur) mit jeweils einer Geschwindigkeit von etwa 130 km/h überfahren, wobei das von Kö. gesteuerte Fahrzeug nach der Kollision nicht mehr lenkbar war, weil unter anderem das linke Vorderrad "herausgerissen" worden war. Auch an dem von B. gesteuerten Pkw wurde die Vorderachse "massiv zerstört", zudem waren durch die Kollision die Airbags ausgelöst worden und das Fahrzeuginnere hatte sich mit weißem Rauch gefüllt, so dass er nichts mehr sehen konnte. Gleich- wohl gelang es beiden Fahrzeugführern, die Pkws ohne weitere Kollision zum Stehen zu bringen.
5
(3.) Am 12. März 2007 brachten die Angeklagten einen 58 kg schweren Granitstein zu der Autobahnbrücke. Gegen 22.25 Uhr warfen entweder beide Angeklagte oder nur einer von ihnen mit Billigung des anderen den Stein auf die mittlere Fahrspur der in Richtung München führenden Autobahn, als der sich dort mit 150 bis 160 km/h nähernde Pkw von H. noch 7,5 bis 17,4 Meter entfernt war. Dieser fuhr - ohne dass ihm eine Reaktion möglich war - auf den Gesteinsblock auf, wobei sofort die Bremsen an seinem Fahrzeug ausfielen. Gleichwohl und trotz erheblicher weiterer Schäden gelang es H. , das Fahrzeug ohne weitere Kollision zum Stehen zu bringen; auch er wurde nicht verletzt.
6
(4.) Ab dem 13. März 2007 überwachte die Polizei das Geschehen auf der Autobahnbrücke. Bereits am 15. März 2007 gegen 22.25 Uhr fuhren die Angeklagten erneut mit dem Pkw des Angeklagten T. zu der Brücke, um von dort aus Steine auf die Fahrbahn der Autobahn zu werfen. Zu diesem Zweck hatten sie in den Kofferraum des Pkws drei Granitsteinblöcke mit einem Gewicht von jeweils 19 bis 33,7 kg geladen. Nachdem der Angeklagte K. von dem an der Brücke abgestellten Pkw den größten der Steine auf die Brücke über die mittlere der in Richtung Berlin führenden Fahrspuren der Autobahn getragen und sich zum Brückengeländer hingewandt hatte, um ihn hinunterzuwerfen , wurde er von einem Polizeibeamten angesprochen; erst nach der Androhung des Schusswaffeneinsatzes ließ er den Stein auf die Brücke fallen.

II.


7
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben keinen Erfolg.
8
1. Die vom Verteidiger des Angeklagten K. erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 30. September 2009 dargelegten Gründen unzulässig bzw. unbegründet. Zur Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO wurde der durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft widerlegte Tatsachenvortrag vom Verteidiger des Angeklagten nicht aufrechterhalten.
9
Die von der Verteidigerin des Angeklagten T. erhobene Verfahrensrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob diese Alternativrüge zulässig ist. Sie ist jedenfalls unbegründet. Denn das Schwurgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil ausführlich mit den Aussagen der Zeugen Ha. und Be. auseinandergesetzt und dabei auch erörtert, dass der Angeklagte T. bei seinen polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen weitere Einzelheiten geschildert hat. Dass das Landgericht den früheren Angaben des Angeklagten T. nicht in allen Einzelheiten gefolgt ist, vermag eine Verletzung des Verfahrensrechts nicht zu begründen.
10
2. Auch die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen greifen nicht durch. Insofern besteht - ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 30. September 2009 - lediglich Anlass zu folgenden Ausführungen :
11
a) Die Strafkammer hat sich ausreichend mit dem Schreiben des Angeklagten T. vom 26. Februar 2009 und den sich daraus ergebenden Widersprüchen zu früheren Angaben dieses Angeklagten sowie den "objektiven Erkenntnissen" auseinandergesetzt. Insbesondere durfte sie bei der Bewertung dieses Schreibens berücksichtigen, dass es in Kenntnis des gesamten Verfahrensstoffes abgefasst wurde und als interessengelenkte Aussage ein Falschbelastungsrisiko bergen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 578/08, NStZ-RR 2009, 145, 146). Das (mögliche) Motiv einer Selbstentlastung des Angeklagten T. auf Kosten des Angeklagten K. hat sie indes gesehen und ist - unter anderem deshalb - davon ausgegangen, dass nicht diese Ausführungen, sondern die Angaben des Angeklagten zum äußeren Tathergang gegenüber der Polizei und dem Ermittlungsrichter im Wesentlichen zutreffend sind. Ein Rechtsfehler liegt hierin nicht, auch wenn damit eine Belastung des Angeklagten K. bezüglich der Taten vom 7. und 8. März 2007, die in dem Schreiben vom 26. Februar 2009 nicht näher erörtert sind, verbunden war. Denn das Schwurgericht durfte auch hinsichtlich dieser Taten - neben den von ihm hervorgehobenen weiteren Umständen - berücksichtigen, dass der Angeklagte K. bezüglich der gleichartigen späteren Taten durch weitere Umstände überführt wird; seine Mitwirkung an der Tat vom 12. März 2007 hatte er stets eingeräumt und am 15. März 2007 wurde er von dem Polizeibeamten mit dem Stein auf der Autobahnbrücke angetroffen.
12
b) Es ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in den Fällen 2 bis 4 einen Tötungsvorsatz der Angeklagten bejaht hat. Es durfte aus dem jeweiligen Tathergang und den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten den - schon nach dem äußeren Geschehen nahe liegenden - Schluss ziehen, dass sie bei Begehung der Taten den Tod der Fahrzeuginsassen zumindest billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. De- zember 2002 - 4 StR 103/02 [insoweit in BGHSt 48, 119, 120 nur abgekürzt wiedergegeben]; BGH, Urteile vom 6. Mai 1982 - 4 StR 133/82, VRS 63, 119; vom 15. Mai 1997 - 4 StR 118/97, NStZ-RR 1997, 294, 295; Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 4 StR 381/00, NZV 2001, 133). Ausführungen zur Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes gegenüber bewusst fahrlässigen Tötungsversuchen vermisst der Senat nicht. Ebenso musste sich das Schwurgericht nicht näher mit der Einschätzung eines Polizeibeamten zum Vorsatz des Angeklagten T. befassen und auch die Frage nicht (noch) ausführlicher erörtern , warum es weitgehend den Angaben dieses Angeklagten zum jeweiligen äußeren Tathergang, aber nicht zur subjektiven Tatseite folgt.
13
Die Bejahung des Mordmerkmals der Heimtücke (vgl. zu dieser BGHSt 48, 119, 120; BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 4 StR 118/97, NStZ-RR 1997, 294, 295) sowie die Verurteilung wegen (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (vgl. BGHSt 48, 119, 120 ff.; BGH, Beschluss vom 12. November 2002 - 4 StR 384/02, NStZ 2003, 206) begegnen ebenfalls keinen Bedenken.

III.


14
Die Staatsanwaltschaft hat mit ihren Rechtsmitteln dagegen teilweise Erfolg. Sie beanstandet im Ergebnis zu Recht, dass die Angeklagten im Fall 1 lediglich wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt wurden.
15
1. Die Verurteilung im Fall 1 (Tat vom 7. März 2007) nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat keinen Bestand, weil das Schwurgericht die sich aufdrängende Prüfung unterlassen hat, ob diese Tat auch als ver- suchte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StGB zu bewerten ist.
16
Auch wenn es den Angeklagten auf Personenschäden nicht ankam, schließt dies nicht aus, dass sie im Rahmen ihres Tatplans auch in diesem Fall (zumindest) Verletzungen der Insassen der mit den Steinen kollidierenden Fahrzeuge billigend in Kauf genommen haben. Dies liegt nahe, zumal die Strafkammer im Rahmen ihrer Ausführungen zur „subjektiven Tatseite“ selbst darlegt , dass jedem normalintelligenten, ungestörten und straßenverkehrserfahrenen Menschen klar [sei], dass das Werfen von Steinen … auf eine unbeleuchtete Bundesautobahn … zu schweren Verkehrsunfällen mit erheblichen Sach- und Personenschäden führt. Dass keine Personen zu Schaden gekommen sind, ist … ´einem Heer von Schutzengeln zu verdanken, die über der Autobahn geschwebt sein müssen´. Hiervon konnten die Angeklagten jedoch bei Begehung ihrer Taten keinesfalls ausgehen. Durch ihre Vorgehensweise haben sie vielmehr sichergestellt, dass es auf jeden Fall zu erheblichen Unfällen kommen würde. So haben sie im Fall II. 2. a) [Tat vom 7. März 2007] Steine in die mittlere und die linke Spur geworfen und so dafür gesorgt, dass insbesondere bei Verkehr auf den anderen Fahrstreifen ein Ausweichen vollkommen ausgeschlossen ist (UA 58).
17
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im Fall 1 (Tat vom 7. März 2007). Da die Feststellungen insbesondere zum äußeren Hergang dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffen wurden, hat dies lediglich die Aufhebung der zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen zur Folge (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 15), wodurch der neu zur Entscheidung berufenen Tatrichter aber nicht daran gehindert wäre, auch diese Tat nicht nur als versuchte gefährliche Körperverletzung, sondern ebenfalls als versuchten Mord zu würdigen.
18
Die (teilweise) Aufhebung des Urteils zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Insofern bedarf es einer Aufhebung der Feststellungen indes nicht.
19
3. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft haben dagegen keinen Erfolg.
20
a) Ein Rechtsfehler liegt insbesondere nicht darin, dass das Schwurgericht in den Fällen 2 bis 4 Tötungsversuche "mit gemeingefährlichen Mitteln" verneint hat.
21
Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ist erfüllt, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (BGHSt 38, 353, 354; BGH, Urteile vom 16. August 2005 - 4 StR 168/05, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Gemeingefährliche Mittel 2, und vom 16. März 2006 - 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504).
22
Auf dieser Grundlage hängt es vom konkreten Einzelfall ab, ob Steinwürfe von einer Autobahnbrücke bei Vorliegen eines entsprechenden Vorsatzes als Tötung bzw. Tötungsversuche mit gemeingefährlichen Mitteln zu bewerten sind. Trifft der Täter bei einem solchen Steinwurf ein bestimmtes Fahrzeug, so schließt ein solcher Angriff gegen dessen Insassen, also bereits individualisierte Opfer, zwar die Annahme, er habe ein gemeingefährliches Mittel eingesetzt, nicht vor vorneherein aus. Eine tödliche Gefahr für eine Vielzahl von Menschen wird jedoch zumeist nur dann bestehen, wenn dichter Verkehr herrscht und in der Folge des durch den Steinwurf unmittelbar verursachten Unfalls eine unbestimmte Anzahl weiterer Personen - also regelmäßig die Insassen anderer Fahrzeuge - tödliche Verletzungen erleiden können (vgl. BGHSt 38, 353, 355; Schneider in Münchner-Kommentar StGB § 211 Rdn. 104 m.w.N.). Nichts anderes gilt in den Fällen, in denen der Täter bei dem Steinwurf noch kein bestimmtes Fahrzeug im Auge hat, sondern sich die Tat auf ein beliebiges, sich möglicherweise noch außerhalb seines Sichtbereichs befindliches Fahrzeug und dessen Insassen bezieht. Auch hier fehlt es bezogen auf die Kollision zwischen diesem Fahrzeug und dem auf der Fahrbahn liegenden Stein regelmäßig daran, dass allein hierdurch eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährdet werden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Daher wird auch in solchen Fällen eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln - von Ausnahmefällen wie etwa einer Kollision eines voll besetzten Omnibusses mit dem Stein abgesehen - nur dann in Betracht kommen, wenn Folgeunfälle mit tödlichen Verletzungen drohen.
23
Ausgehend hiervon hat das Schwurgericht zu Recht in den Fällen 2 bis 4 einen mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Mordversuch verneint und lediglich eine heimtückische Tatbegehung bejaht. Es hat dabei rechtsfehlerfrei vorrangig darauf abgestellt, dass zu den Tatzeiten am späten Abend jeweils ruhiger Verkehr herrschte. Zudem hat die Strafkammer eine Gefährdung Dritter durch oder infolge der Unfallgeschehen nicht festgestellt. Vielmehr war es - soweit das Urteil dies mitteilt - den jeweiligen Fahrern gelungen, die Pkws auf dem Standstreifen bzw. an der Mittelleitplanke zum Stehen zu bringen und ordnungsgemäß abzusichern; der am 12. März 2007 verwendete Stein befand sich dabei immer noch unter dem Fahrzeug von H. , die am 8. März 2007 zur Tat benutzten Steine konnten nicht sichergestellt werden. Feststellungen dazu, dass nach den Kollisionen mit den Steinen weitere Unfälle von oder mit dritten Fahrzeugen drohten, hat das Landgericht nicht getroffen.
24
b) Auch die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die vom Schwurgericht vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB in den Fällen des versuchten Mordes haben keinen Erfolg.
25
Die Strafkammer hat bei der Prüfung dieser Strafrahmenmilderungen die "Nähe zu dem tatbestandlichen Erfolg" erörtert und im Fall 3 zudem ausdrücklich berücksichtigt, dass es sich um einen "sehr großen Stein" und eine "damit einhergehende gesteigerte Gefahr" gehandelt hat. Deshalb und vor dem Hintergrund der weiteren Urteilsausführungen ist nicht zu besorgen, dass sie übersehen hat, dass der Nichteintritt des Erfolges jeweils auf glücklichen, von den Angeklagten nicht beeinflussbaren Umständen beruhte. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Schwurgericht bei der Strafrahmenbestimmung unbeachtet gelassen hat, dass die Angeklagten die vier Straftaten innerhalb eines kurzen Zeitraumes begangen haben, zumal es die "Rückfallgeschwindigkeit" sowohl bei der Zumessung der Einzelstrafen als auch bei der Bemessung der Gesamtstrafe ausdrücklich berücksichtigt hat. Tepperwien Maatz Solin-Stojanović Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 594/05
vom
16. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. März
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 9. August 2005 werden verworfen.
2. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Mordes in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ihm ferner die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren bestimmt.
2
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Sachbeschwerde gestützten, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision seine Verurteilung auch wegen tateinheitlich begangenen dreifach versuchten Mordes und die Verhängung einer höheren Jugendstrafe. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war der Angeklagte am 19. Juni 2004 gegen 1.15 Uhr von der Abschlussfeier seines Fußballvereins nach Hause zurückgekehrt. Er war darüber verärgert, dass ihm, als er auf der Feier am Tisch eingeschlafen war, ein Büschel Haare abgeschnitten worden war. Um seine Wut abzureagieren , fuhr der Angeklagte mit dem von ihm und anderen Familienmitgliedern genutzten Opel Zafira zum Deggendorfer Kreuz und weiter in Richtung Regensburg. Gegen 3.30 Uhr verließ er bei Schwarzach die Autobahn. Nach kurzem Halt fuhr er, ohne die Scheinwerfer einzuschalten, über die Autobahnausfahrt Schwarzach in Gegenrichtung auf die Autobahn. Dort setzte er auf der Standspur die Fahrt fort und beschleunigte das Fahrzeug, obwohl er auf eine Entfernung von mindestens 500 m erkannte, dass ihm ein Fahrzeug entgegenkam. Entweder befuhr der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Fahrzeug bereits die rechte Fahrspur der A 3 oder er war, als er das entgegenkommende Fahrzeug wahrgenommen hatte, mit seinem Fahrzeug von der Standspur auf die rechte Fahrspur gewechselt. Dabei handelte er in der Absicht, einen Unfall zu verursachen, um Selbstmord zu begehen und nahm billigend in Kauf, dass durch einen Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Pkw andere Verkehrsteilnehmer getötet oder schwer verletzt werden. Ihm war bewusst , dass die Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs nicht damit rechneten, dass ihnen ein unbeleuchtetes Fahrzeug entgegenkam, so dass der Führer des Fahrzeugs keine Möglichkeit haben würde, einen Unfall zu vermeiden. Als eine Kollision der Fahrzeuge auf der rechten in Richtung Regensburg führenden Fahrspur für den Angeklagten und den Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs objektiv durch eine Bremsung nicht mehr zu vermeiden war, gab der Angeklagte - jedenfalls nicht ausschließbar - seine Suizidabsicht auf und schaltete das Licht an seinem Fahrzeug ein, um den Führer des entge- genkommenden Fahrzeugs auf sich aufmerksam zu machen. Dieser versuchte nach links auszuweichen, was ihm jedoch nicht mehr gelang. Die Fahrzeuge stießen überlappend mit dem jeweils rechten Frontbereich zusammen. In dem Fahrzeug, mit dem der vom Angeklagten geführte Opel Zafira kollidierte, befanden sich sechs Personen. Der Beifahrer, die hinter diesem auf dem Rücksitz sitzende Ehefrau des Fahrzeuglenkers und seine neben ihrer Mutter sitzende vierjährige Tochter erlitten tödliche Verletzungen. Der Führer des Fahrzeugs und seine beiden hinter ihm auf dem Rücksitz sitzenden Töchter wurden schwer verletzt.

II.


4
Die Revision des Angeklagten:
5
1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Angeklagte die Verletzung der Aufklärungspflicht rügt, sind unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 28. Dezember 2005 Bezug genommen.
6
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
7
a) Insbesondere hält auch die vom Beschwerdeführer in mehrfacher Hinsicht beanstandete Beweiswürdigung zur inneren Tatseite rechtlicher Nachprüfung stand. Das Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen, ist allein Sache des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt , ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich- rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstößt (vgl. Kuckein in KKStPO 5. Aufl. § 337 Rn. 29 m.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen lässt die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler erkennen.
8
Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Autobahn bewusst in der falschen Fahrtrichtung befahren hat und auf das entgegenkommende Fahrzeug zugefahren ist, um Selbstmord zu begehen, entgegen der Auffassung der Revision auf eine zureichende Tatsachengrundlage gestützt. Dabei hat es sich, beraten durch vier Sachverständige, umfassend auch mit den vom Angeklagten behaupteten Umständen (Alkoholisierung, Übermüdung und Unterzuckerung), die zu einer kurzfristigen Erinnerungslosigkeit geführt haben sollen, auseinandergesetzt und eine so genannte Geisterfahrt mit rechtsfehlerfreien Erwägungen verneint. Der vom Landgericht insbesondere aus der Fahrweise des Angeklagten bis zur Kollision mit dem entgegenkommenden Fahrzeug und der Vorgeschichte gezogene – hier zudem nahe liegende - Schluss, dass der Angeklagte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, ist möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
9
b) Die Annahme des Landgerichts, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat weder aufgehoben noch erheblich vermindert war, ist ebenfalls hinreichend belegt. Entgegen der Auffassung der Revision weisen die Urteilsausführungen auch insoweit keinen Erörterungsmangel auf. Das Landgericht hat sich – allerdings im Rahmen seiner Ausführungen zur inneren Tatseite – mit der Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe, soweit sie nach den hier gegebenen Umständen in Betracht zu ziehen waren, ausführlich auseinan- dergesetzt und im einzelnen dargelegt, dass eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, eine affektive Störung, eine Persönlichkeitsstörung ebenso wie eine durch den „Ärgeraffekt“ und die alkoholische Beeinträchtigung ausgelöste tiefgreifende Bewusstseinsstörung ausgeschlossen werden können.
10
c) Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts weist, auch soweit sie den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangenen dreifachen Mordes betrifft, keinen Rechtsfehler auf.
11
aa) Zutreffend hat das Landgericht das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln bejaht. Dieses Mordmerkmal kann auch dann erfüllt sein, wenn – wie hier – ein Tötungsmittel eingesetzt wird, das seiner Natur nach nicht gemeingefährlich ist, sofern das Mittel in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Diese Anforderungen sind nach den Feststellungen erfüllt.
12
Mit seiner Fahrweise hatte der Angeklagte die sechs Insassen des PKW, mit dem das von ihm geführte Fahrzeug zusammenstieß, aber auch die Insassen weiterer entgegenkommender Kraftfahrzeuge gefährdet. Der Fahrer des PKW, der zum Überholen angesetzt hatte, konnte nur durch eine Vollbremsung einen Zusammenstoß mit den vor ihm kollidierenden Fahrzeugen vermeiden und erlitt dabei leichte Verletzungen. Welche und wie viele Personen durch das vom Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von mindestens 117 km/h in den Gegenverkehr gelenkte Fahrzeug gefährdet, verletzt und getötet werden konnten , war für den Angeklagten nicht beherrschbar. Dieser hatte durch die für die entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer unberechenbare Fahrt „in besonderer Rücksichtslosigkeit“ eine Gefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Perso- nen geschaffen. Er hatte es nicht in der Hand, wie viele Menschen als Repräsentanten der Allgemeinheit in den von ihm geschaffenen Gefahrenbereich geraten und durch sein Verhalten gefährdet werden konnten (vgl. BGH aaO).
13
bb) Auch das Mordmerkmal der Heimtücke ist rechtsfehlerfrei belegt.
14
Dass der Angeklagte unmittelbar vor der Kollision die Scheinwerfer einschaltete , steht der Annahme der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des ihm entgegenkommenden PKW nicht entgegen, denn hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ist auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen (vgl. BGHSt 19, 321, 322; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3). Der Angeklagte hatte zur Ausführung seines mit bedingtem Tötungsvorsatz geführten Angriffs aber bereits mit dem gezielten Zufahren mit seinem unbeleuchteten PKW auf das entgegenkommende Fahrzeug angesetzt. Die zu diesem Zeitpunkt gegebene Arg- und Wehrlosigkeit der Fahrzeuginsassen bestand auch nach dem Erkennen der Gefahrensituation fort, denn die danach bis zur Kollision verbliebene Zeitspanne ließ, auch für den Führer des PKW, keine Möglichkeit, dem Angriff auszuweichen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Nach den Feststellungen war dem Anklagten bewusst, das die Insassen des entgegenkommenden PKW nicht mit Gegenverkehr rechneten und der Führer des Fahrzeugs keine Möglichkeit haben würde, den Unfall zu vermeiden.
15
Entgegen der Auffassung der Revision hält auch die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte zur Durchführung der Tat die sich aus der Arglosigkeit der Tatopfer und deren sich daraus ergebende Wehrlosigkeit ausgenutzt hat, rechtlicher Nachprüfung stand.
16
Das für die Annahme der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein setzt voraus, dass der Täter die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers wahrgenommen und sie bewusst zur Tatbegehung instrumentalisiert hat (st. Rspr., vgl. die Zusammenfassung bei Schneider in MünchKomm StGB § 211 Rdn. 140 m.N.). Dabei kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlt (vgl. BGH NJW 1983, 2456; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH NStZ 2006, 167, 168 m.N.). Wird das Ausnutzungsbewusstsein bejaht, bedarf es allerdings besonders dann, wenn der Täter durch die Tat zugleich seinem eigenen Leben ein Ende setzen will, einer Darlegung der Erwägungen, die das Gericht zu der Annahme des Ausnutzungsbewusstseins geführt haben, weil in einem derartigen Fall in der Regel die Möglichkeit nicht fern liegen wird, dass der Täter sich der Bedeutung der von ihm erkannten Arg- und Wehrlosigkeit für die Ausführung der Tat nicht bewusst gewesen ist (vgl. BGH GA 1979, 337, 338). Hier bedurfte es einer ausdrücklichen Erörterung dieser Möglichkeit jedoch nicht.
17
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, musste der Angeklagte , um den Unfall, wie beabsichtigt, herbeizuführen, die Insassen, insbesondere den Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs überraschen, und fuhr deshalb ohne Licht. Die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs war hier unverzichtbarer Teil des Tatplans.

III.


18
Revision der Staatsanwaltschaft:
19
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat auch keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten aufgedeckt.
20
1. Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte von dem dreifach versuchten Mord zum Nachteil der Fahrzeuginsassen, die überlebt haben, mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, indem er kurz vor der Kollision das Licht an seinem Fahrzeug einschaltete, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
21
Soweit es die Mordversuche betrifft, sind die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB erfüllt, denn der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo (vgl. dazu BGH VRS 61, 262, 263) getroffenen Feststellungen freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Mit dem Einschalten der Scheinwerfer ermöglichte der Angeklagte dem Führer des entgegenkommenden Fahrzeugs , einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden, so dass die Fahrzeuge nur überlappend im Beifahrerbereich kollidierten. Die Annahme des Landgerichts, dass dieses Verhalten des Angeklagten zumindest mitursächlich dafür war, dass die Personen, die jeweils auf der Fahrerseite gesessen hatten, keine tödlichen Verletzungen erlitten, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass der Täter – wie hier – eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens mitursächlich ist, reicht aus (vgl. BGH aaO; BGHSt 33, 295, 301, jew. m.w.N.). Ein gemäß § 24 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB strafbefreiender Rücktritt setzt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht voraus, dass der Täter, der die Vollendung der Tat erfolgreich verhin- dert und dies – wovon das Landgericht zutreffend zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen ist – auch anstrebt, unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder „optimale“ gewählt hat (vgl. BGHSt 48, 147 m.N.). Der Annahme der Freiwilligkeit des Rücktritts steht nicht entgegen, dass der Angeklagte zunächst mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Maßgeblich ist, dass er beim Einschalten der Scheinwerfer – nicht ausschließbar (UA 33/34) – davon ausging, dass der Unfall dadurch noch vermieden werden konnte (vgl. BGH VRS 61, 262, 263), mithin den für möglich gehaltenen Todeserfolg nicht mehr billigte.
22
2. Auch die Bemessung der gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe weist keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dabei nicht in erster Linie auf das Gewicht des Tatunrechts abgestellt hat, denn auch bei einer wegen der Schwere der Schuld zu verhängenden Jugendstrafe ist deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten zu bemessen (vgl. nur BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10 m.N.).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 538/15
vom
26. November 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2015:261115B1STR538.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2015 beschlossen :
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Juni 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend ist lediglich zu bemerken:
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat Bestand, obwohl die Bewertung der Anlasstat insoweit rechtlicher Überprüfung nicht Stand hält, als sie auch als versuchter Mord unter Verwirklichung des Merkmals der Heimtücke (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) gewertet worden ist.
Das Landgericht hat die Feststellung, der Beschuldigte habe trotz der bei der Tat sicher erheblich verminderten und nicht ausschließbar vollständig aufgehobenen Steuerungsfähigkeit mit dem erforderlichen Ausnutzungsbewusstsein gehandelt, beweiswürdigend nicht ausreichend belegt. Der Generalbundesanwalt hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen , dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei - wie hier - erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und ein-
zuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt ist (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511 f. Rn. 4 mwN und vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176). Im Hinblick auf die konkreten Auswirkungen der bei dem Beschuldigten festgestellten, als krankhafte seelische Störung eingeordneten, wahnhaften Störung bedurfte es hier jedoch näherer Darlegungen, warum er trotz dieser Störung mit Ausnutzungsbewusstsein gehandelt hatte. Daran fehlt es.
Da das Landgericht aber die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, verbleibt es bei der Anordnung der Maßregel. Denn damit liegt eine Anlasstat vor, die angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung ohne Weiteres Grundlage der Unterbringung gemäß § 63 StGB sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. August 2003 - 1 StR 327/03, NStZ-RR 2004, 10, 11, vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02, NStZ-RR 2003, 11, 12 sowie vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98).
Raum Graf Jäger Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 327/03
vom
27. August 2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. August 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 14. April 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zum äußeren Ablauf des Tatgeschehens und zur subjektiven Tatseite bleiben bestehen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Der Angeklagte hatte 1998 bei einem schweren Verkehrsunfall ein Schädel -Hirn-Trauma erlitten. In der Folge trat eine hirnorganische Wesensveränderung ein, die sich in allgemein schlecht gesteuertem Verhalten, erhöhter Reizbarkeit und impulsiver Reaktionsbereitschaft äußert. Er neigt zu emotionalen anstatt rationalen Reaktionen. Affekte klingen bei ihm nur langsam ab. Zudem liegt eine schwere Persönlichkeitsstörung mit sowohl depressiven als auch paranoiden Elementen vor. "Wegen Eigen- und Fremdgefährdung" war er nach dem Tatgeschehen vom 18. Oktober 2000 im Anschluß an eine stationäre Be-
handlung im Krankenhaus Albstadt-Ebingen am 20. Oktober 2000 in die Klinik für Psychiatrie Rottenmünster verlegt worden, wo er sich bis 23. Oktober 2000 aufhielt. Derzeit befindet er sich im Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen, wegen des zugrundeliegenden Tatgeschehens jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zudem hat es ihn wegen Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Mit seiner Revision erstrebt der Angeklagte in erster Linie die Aufhebung der verhängten Maßregel, insoweit hat die Revision mit der Sachbeschwerde Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der näheren Erörterung bedarf nur der Maßregelausspruch nebst dem zugrundeliegenden Tatgeschehen:

I.

Nach den dazu getroffenen Feststellungen zog die Ehefrau des Angeklagten nach einem heftigen Streit am 15. Oktober 2000 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Sie beabsichtigte, den ihr gehörigen aber gemeinsam genutzten Pkw Fiat Punto mitzunehmen, was der Angeklagte, der im Besitz eines Fahrzeugschlüssels war, verhinderte. An den darauffolgenden Tagen unternommene Versuche, das Fahrzeug abzuholen, mißlangen, weil der Angeklagte sich weigerte, den in der Garage befindlichen Pkw herauszugeben. Am 18. Oktober 2000 beschlossen deshalb G. jun. und B. , beides Verwandte der Ehefrau des Angeklagten, das Fahrzeug auch gegen
seinen von ihnen erwarteten Widerstand abzuholen. Zu diesem Zweck lauerten sie ihm auf, als er gegen 21.15 Uhr mit dem Fahrzeug nach Hause kam. Als er sich nach seiner im Fußraum vor dem Beifahrersitz befindlichen Trainingstasche bückte, trat B. plötzlich an die geöffnete Fahrertür heran, umklammerte den Angeklagten mit beiden Händen, nahm ihn "in den Schwitzkasten" und versuchte, ihm den Fahrzeugschlüssel zu entwinden. G. unterstützte B. von der Beifahrerseite aus. Der Angeklagte wehrte sich heftig und fügte B. mit dem Schlüssel zwei stark blutende Verletzungen im Gesicht zu. B. seinerseits drückte ihm den Finger ins Auge. Der Angeklagte trug eine Prellung des rechten Auges, Hämatome und eine Jochbogenfraktur davon. Infolge der Persönlichkeitsstörung und der hirnorganischen Wesensveränderung hatte er die Vorstellung, B. und G. wollten ihn umbringen. Tatsächlich ging es diesen nur um die Beschaffung des Schlüssels, nicht aber darum, dem Angeklagten eine körperliche Abreibung zu verpassen oder gar ihn zu töten. Nachdem im Verlauf der einige Minuten dauernden Auseinandersetzung der Fahrzeugschlüssel abgebrochen war, ließen B. und G. von dem Angeklagten ab, weil sie erkannten, daß ein weiteres Ringen um den Besitz des Schlüssels sinnlos geworden war. G. ging nunmehr zum Heck des Fahrzeuges und begann damit, das Kennzeichen zu entfernen, um das Fahrzeug bei der Kfz-Zulassungsstelle abzumelden, damit der Angeklagte es nicht mehr nutzen konnte. Obwohl B. und G. "ersichtlich keine Anstalten mehr machten, gegen den Angeklagten tätlich zu werden, befand er sich aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzung noch immer in höchster Erregung und glaubte weiter, er befinde sich in Lebensgefahr und müsse sich deshalb zur Wehr setzen". Er holte deshalb ein Beil und versuchte damit auf G. einzuschlagen, der in gebückter Haltung mit der Entfernung des Kennzeichens beschäftigt war. Dieser bemerkte jedoch den Ange-
klagten, richtete sich auf und floh in Richtung Garagentor. Der Angeklagte setzte nach und schlug ihm mit der stumpfen Seite des Beils wuchtig auf den Kopf. Dabei nahm er die Möglichkeit tödlicher Verletzungsfolgen billigend in Kauf. G. erlitt eine sofort stark blutende Kopfwunde und eine Schädelfraktur. Gemeinsam mit B. gelang ihm die Flucht, bevor der Angeklagte ihnen nachzusetzen vermochte. Die Verletzungen G. s waren potentiell lebensgefährlich , konkrete Lebensgefahr bestand für ihn aber nicht. Der Angeklagte war zur Tatzeit fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen ; seine Steuerungsfähigkeit war indessen erheblich vermindert (§ 21 StGB).

II.

Die Strafkammer hat in dem rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehen im Ergebnis zutreffend eine rechtswidrige Anlaßtat im Sinne von § 63 StGB gesehen. 1. Sie hat das Vorliegen einer Notwehrlage sowie ein Überschreiten derselben gemäß § 33 StGB verneint, jedoch einen krankheitsbedingt unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 StGB angenommen, weshalb der Angeklagte schuldlos gehandelt habe. 2. Die Annahme der Strafkammer, es habe für den Angeklagten keine Notwehrlage im Sinne des § 32 StGB mehr bestanden, als er mit dem Beil zuschlug , trägt nicht. Die Angriffe B. s und G. s auf die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten im Fahrzeug waren rechtswidrig. Sie dauerten so lange an, wie er eine Wiederholung unmittelbar befürchten mußte (vgl. BGHR
StGB § 32 Abs. 2 Angriff 3). Nachdem der Fahrzeugschlüssel abgebrochen war, ließen B. und G. zwar von ihm ab. Unbeschadet des Umstandes, daß der Angeklagte das Ziel ihres Angriffs krankheitsbedingt falsch einschätzte, liegt aber bereits nahe, daß diese erneut zum körperlichen Angriff übergegangen wären, wenn er nunmehr versucht hätte, sie am Entfernen der Kfz-Kennzeichen zu hindern. Dies gilt um so mehr, als sie ihm - zahlenmäßig überlegen - aufgelauert und ihn ohne Vorwarnung und Aufforderung, den Schlüssel herauszugeben, in der Dunkelheit angegriffen hatten. Darauf, ob dieser Angriff auf die körperliche Unversehrtheit im Zeitpunkt der "Verteidigung" mit dem Beil beendet war, wie die Kammer annimmt, kommt es aber nicht entscheidend an. Denn jedenfalls der Angriff auf den Besitz am Fahrzeug dauerte fort. Das Notwehrrecht des Angeklagten gegen diesen Angriff war nicht deshalb eingeschränkt, weil er sich seinerseits gegen den Willen seiner Ehefrau als Mitbesitzerin den Alleinbesitz verschafft hatte. Denn die von G. und B. beabsichtigte völlige Einziehung seines Besitzes, brauchte er schon deshalb nicht zu dulden, weil diese über die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes - Mitbesitz der Ehegatten nach § 866 BGB - hinausging und damit gleichfalls rechtswidrig war. Auf die Streitfrage, ob sich die in ihrem Mitbesitz an dem Pkw gestörte Ehefrau des Angeklagten auf die Vorschriften über den Besitzschutz berufen konnte, oder diese durch die Spezialregelung des § 1361a BGB verdrängt werden (vgl. Palandt-Bassenge, BGB 62. Aufl. § 861 Rdn. 3; OLG Karlsruhe NJW-RR 2001, 939; OLG Köln FamRZ 1997, 1276; zur Zugehörigkeit eines Pkw zum Hausrat: vgl. Palandt-Brudermüller, BGB 62. Aufl. § 1361a Rdn. 5 m.Nachw.), kommt es danach nicht an. 3. Die Verneinung einer Notwehrlage durch die Strafkammer gefährdet die Annahme einer Anlaßtat im Sinne des § 63 StGB indessen nicht, weil die Tat zum Nachteil G. s aus anderen Gründen rechtswidrig war. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Verteidigung durch ei-
nen Schlag mit dem Beil auch nicht erforderlich war. Die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung ist nach der jeweiligen Kampfeslage zu beurteilen (BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 256/01, BGH StV 1999, 145, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 2; Erforderlichkeit 13). Selbst wenn der Angeklagte für den Fall, daß er Widerstand geleistet hätte, mit erneuten körperlichen Attacken rechnen mußte, hatte der Angriff nach der Auseinandersetzung im Fahrzeug an Intensität jedenfalls erkennbar nachgelassen und galt nunmehr in erster Linie seinem Besitz. Unter diesen Umständen war der lebensgefährliche und mit bedingtem Tötungsvorsatz geführte sofortige Schlag mit dem Beil - jedenfalls ohne vorherige Drohung - nicht mehr zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2003 - 3 StR 458/02; BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 256/01), zumal G. , nachdem der Angeklagte ihn zunächst verfehlt hatte, bereits die Flucht ergriff. Die Überschreitung der erforderlichen Verteidigungshandlung beruhte auf Furcht, Verwirrung und Schrecken des Angeklagten (§ 33 StGB). Er wähnte sich in Lebensgefahr, weil er meinte, G. und B. wollten ihn töten. Er hatte Todesangst. Damit liegen die Voraussetzungen des § 33 StGB vor. Eine Strafbefreiung nach § 33 StGB ist auch dann noch möglich, wenn die Intensität des Angriffs bereits nachgelassen hat (BGHR StGB § 33 Nothilfe 1). Das schließt die Unterbringung des Angeklagten aber nicht aus, weil seine Furcht gerade Folge seines seelischen Zustandes im Sinne der §§ 20, 21 StGB war (vgl. BGH NStZ 1991, 528; Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 32). Ein geistesgesunder Täter an Stelle des Angeklagten hätte erkannt, daß die Verteidigung durch einen potentiell tödlichen Schlag mit dem Beil die Grenzen des Erforderlichen überschritt, nachdem die Intensität des Angriffs nachgelassen und sich die Kampfeslage geändert hatte. Die falsche Einschätzung durch den Angeklagten hatte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ihre Ursa-
che in der zur Tatzeit bestehenden hirnorganischen Wesensveränderung und der Persönlichkeitsstörung.

III.

Die andere rechtliche Bewertung der Anlaßtat zieht hier die Aufhebung des Maßregelausspruchs nach sich. Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der Anlaßtat durch das Revisionsgericht führt zwar dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung , wenn trotzdem noch eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschluß vom 10. September 2002 - 1 StR 337/02 m.Nachw.). Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen aber nicht sicher ausschließen, daß die Strafkammer zu einer anderen Beurteilung der krankheitsbedingten Gefährlichkeit gelangt wäre, wenn sie von einer fortbestehenden Notwehrlage ausgegangen wäre. Eine unter den Voraussetzungen des § 33 StGB begangene Tat ist grundsätzlich nicht symptomatisch für eine krankheitsbedingte Gefährlichkeit (vgl. BGH NStZ 1991, 528). Dem entspricht die Einschätzung des Sachverständigen , eine solch schwere Tat wie gegenüber G. lasse sich nur mit der besonderen Fallkonstellation erklären und sei deshalb in der Zukunft eher unwahrscheinlich. Davon abgesehen bestehen aber durchaus gewichtige Anhaltspunkte , die auf eine Gefährlichkeit des Angeklagten auch für die Allgemeinheit schließen lassen und die Anordnung der Unterbringung auch durch den neuen Tatrichter rechtfertigen können. Die übrigen abgeurteilten Taten waren zwar durchweg nicht schwerwiegend. Da der Angeklagte aufgrund seines Krankheitszustandes aber schnell in Erregungszustände gerät, die er nicht mehr beherrschen kann und auch bei geringfügigen Anlässen stark impulsiv reagiert, liegt die Annahme nicht fern, daß eine belanglose Konfliktsituation im Alltag es-
kalieren und es infolgedessen zu gewaltsamen Übergriffen durch den Angeklagten kommen kann. Dies abschließend zu bewerten, bleibt dem neuen Tatrichter vorbehalten. Dieser wird auch Gelegenheit haben, die Gründe sowohl für die Entlassung des Angeklagten aus der psychiatrischen Behandlung am 23. Oktober 2000 als auch für seinen derzeitigen Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus näher aufzuklären und dabei gewonnene Erkenntnisse in seine Entscheidung über die Unterbringung nach § 63 StGB einzubeziehen. Auch die bislang unterbliebene Erörterung des § 67b StGB wird nachzuholen sein. Im Hinblick auf das Verbot der Schlechterstellung bedarf eine etwaige Strafbarkeit des Angeklagten wegen des Geschehens vom 18. Oktober 2000 bei hier nur eingeschränkter Schuldfähigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 33 StGB in der neuen Hauptverhandlung keiner Erörterung mehr (vgl. BGH, Beschluß vom 24. Juli 2001 - 4 StR 268/01). Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 337/02
vom
10. September 2002
in dem Sicherungsverfahren
gegen
wegen Unterbringung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2002 beschlossen
:
Die Revision der Beschuldigten gegen das Urteil des Landge-
richts Nürnberg-Fürth vom 21. Mai 2002 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt: Die unter Verfolgungswahn leidende Beschuldigte löste am 9. Juli 2001 ihr Sparbuch auf, weil sie Zusammenhänge zwischen ihrer Bank und ihren Gegnern vermutete. Am 10. Juli 2001 glaubte sie, sie habe von der Bank Falschgeld bekommen und brachte deshalb 3.500 DM, die aus der Auszahlung stammten, zur Polizei. Dort erklärte ihr ein Polizeibeamter "im Spaß", es handle sich um "schlechte Fälschungen". Die Beschuldigte erkannte den "Spaß" nicht; das Geld blieb bei der Polizei. Die Beschuldigte fühlte sich in ihrem Verdacht bestätigt. Sie beschloß, ihre - ehemalige - Bank zu überfallen, um "echte 3.500 DM" zu erhalten. Dementsprechend bedrohte sie am 12. Juli 2001 dort eine Bankangestellte mit einer ungeladenen Schreckschußpistole und erzwang so die Herausgabe von genau 3.500 DM, wobei sie auf einer eingehenden Echtheitskontrolle der einzelnen Geldscheine bestand.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ange- ordnet (§ 63 StGB) und die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt (§ 67b StGB). Sie bewertet das Verhalten der Beschuldigten als im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) begangene schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 250 Abs. 1 Ziffer 1b StGB). Die irrige Annahme der Beschuldigten, sie habe einen Anspruch gegen die Bank auf 3.500 DM - die bei einem geistig gesunden Täter die für eine Erpressung erforderliche Absicht rechtswidriger Bereicherung entfallen ließe (ständ. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 2002, 481, 482 m.w.N.) - sei unbeachtlich, da sie auf die zur Schuldunfähigkeit führende Erkrankung der Beschuldigten zurückgehe. Diese Bewertung eines wahnbedingten Irrtums entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. BGHSt 3, 287, 289; 10, 355, 357; BGH b. Holtz MDR 1983, 90; BGH NStZ 1991, 528), die in Teilen des Schrifttums Zustimmung gefunden hat (vgl. z.B. Hanack in LK 11. Aufl. § 63 Rdn. 23f.; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 7; Fischer in KK 4. Aufl. § 413 Rdn. 11).

II.

Die Revision der Beschuldigten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Die Revision wendet sich gegen die Annahme, der Irrtum der Beschuldigten sei allein wahnbedingt. Immerhin habe ihr ein Polizeibeamter bestätigt , daß ihr die Bank falsche Geldscheine ausbezahlt habe. Mit einer im Rahmen der Erwiderung auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) erhobenen Aufklärungsrüge macht sie in diesem Zusammenhang auch geltend, der Polizeibeamte, der in der Haupt-
verhandlung nicht als Zeuge vernommen worden sei, habe die Geldscheine nicht lediglich "im Spaß" als Fälschungen bezeichnet. Diese Rüge war jedoch ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen, da sie nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO angebracht wurde (BGH, Beschluß vom 3. August 2000 - 1 StR 293/00; BGH StV 1999, 407 m.w.N.). 2. Die Revision meint darüber hinaus, es läge selbst dann keine (schwere räuberische) Erpressung vor, wenn der Irrtum der Beschuldigten allein auf ihre Erkrankung zurückzuführen sei. Die gemäß § 63 StGB für eine Unterbringungsanordnung erforderlichen Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat und deren Begehung im Zustand der Schuldunfähigkeit, müßten deutlich auseinandergehalten werden; von der Rechtsprechung würden diese beiden Gesichtspunkte demgegenüber in unklarer Weise vermischt. Diese Auffassung wird mit im einzelnen teilweise unterschiedlicher Begründung auch von Teilen des Schrifttums vertreten (vgl. z.B. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 63 Rdn. 2a; Lackner in Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 63 Rdn. 2; Horn in SK - StGB 7. Aufl. § 63 Rdn. 4; Böllinger in NK - StGB § 63 Rdn. 72; Gössel in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 413 Rdn. 19 Fußn. 36). 3. Der Senat braucht hier jedoch weder den Gründen für den Irrtum der Beschuldigten noch dessen rechtlichen Konsequenzen näher nachzugehen. Eine Änderung der rechtlichen Bewertung der "Anlaßtat" durch das Revisionsgericht führt nämlich dann nicht zur Aufhebung einer Unterbringungsanordnung , wenn trotzdem noch immer eine Tat vorliegt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung ohne weiteres Grundlage einer Unterbringung sein kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 1984 - 4 StR 721/84, vom 27. August 1997 - 2 StR 404/97 und vom 5. März 1999 - 2 StR 518/98). Da jedenfalls alle diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, hätte es auf den Bestand des Urteils keinen
Einfluß, wenn wegen der Vorstellungen der Beschuldigten aus Rechtsgründen eine (schwere räuberische) Erpressung zu verneinen wäre. Es läge dann jedenfalls eine Nötigung (§ 240 StGB) vor, wie auch die Revision selbst im einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Es ist aber offensichtlich eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens, wenn Bankangestellte unter Einsatz einer (auch ungeladenen ) Pistole zur Herausgabe von Geld gezwungen werden. Eine solche Tat kann eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen. 4. Auch die darüber hinaus erforderlichen individuellen Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt. Insoweit verweist der Senat auf die zureffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinem Antrag vom 15. August 2002 und bemerkt ergänzend: Bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Beschuldigten und ihrer Tat (vgl. BGH NStZ 1993, 78) hat die Strafkammer das von ihr (für den Senat bindend ) festgestellte Verhalten des Polizeibeamten nicht erwogen. Entgegen der Auffassung der Revision ist dies hier jedoch unschädlich. Die Beschuldigte hat "Selbsthilfe" ausgeübt, obwohl ihr die Möglichkeit behördlichen Eingreifens bewußt war, wie sich daraus ergibt, daß sie die Polizei aufgesucht hat. Daß sich hieraus Gesichtspunkte ergeben könnten, die gegen die Notwendigkeit einer
Unterbringungsanordnung sprechen, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar , wieso sich daran durch das festgestellte Verhalten des Polizeibeam- ten etwas ändern könnte, ohne daß es dabei auf die sonstige Bewertung dieses Verhaltens ankäme. Schäfer Nack Wahl Herr RiBGH Dr. Boetticher ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Schäfer Kolz

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.