Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2002 - I ZR 297/99

bei uns veröffentlicht am19.12.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 297/99 Verkündet am:
19. Dezember 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Eterna
EinigVtg Anl. I Kap. III Sachgeb. E Abschn. II Nr. 2; UrhG § 17

a) Sind im Rahmen einer vor dem 3. Oktober 1990 erfolgten urheberrechtlichen
Nutzungsrechtseinräumung die Lizenzgebiete zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer
in der Weise aufgeteilt worden, daß das fragliche Werk von dem
einen in der DDR und von dem anderen in der Bundesrepublik Deutschland
einschließlich West-Berlin verbreitet werden durfte, verbleibt es auch nach der
Wiedervereinigung bei den gespaltenen Lizenzgebieten. Eine räumliche
Erstreckung des jeweiligen Nutzungsrechts auf den anderen Teil Deutschlands
findet nicht statt.

b) Bringt der in dieser Weise beschränkt Nutzungsberechtigte ein Werkstück innerhalb
seines Lizenzgebietes in Verkehr, kann der für den anderen Teil
Deutschlands Berechtigte die Weiterverbreitung in seinem Lizenzgebiet nicht
mit Hilfe des ihm zustehenden Verbreitungsrechts unterbinden.
BGH, Urt. v. 19. Dezember 2002 – I ZR 297/99 – Kammergericht
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. November 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung (Ziff. 1 Buchst. a des Tenors des landgerichtlichen Urteils) sowie zur Auskunftserteilung hinsichtlich der Auswertung der unter Ziff. 1 Buchst. a aufgeführten Einspielungen in der Zeit nach dem 2. Februar 1996 (Ziff. 1 Buchst. b des Tenors des landgerichtlichen Urteils) bestätigt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Verwalter im Konkurs über das Vermögen der früheren Klägerin , der M. Tonträger Produktionsgesellschaft mbH, eines Unternehmens, das
Tonträger hergestellt und unter den Marken „Ars Vivendi“ und „Lunar“ vertrieben hat (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Die Beklagte ist ebenfalls Tonträgerherstellerin ; sie vertreibt ihre Produktionen u.a. unter den Marken „Eterna“ und „Berlin Classic“. 1993 erwarb sie von der DSB Deutsche Schallplatten GmbH (im folgenden : DS GmbH) – der Rechtsnachfolgerin des VEB Deutsche Schallplatten – die weltweiten Leistungsschutzrechte an deren gesamtem Repertoire klassischer Musik. Mit der Klage wendet sich der Kläger dagegen, daß das Repertoire, das der Gemeinschuldnerin vom VEB Deutsche Schallplatten zur ausschließlichen Nutzung überlassen worden sei, auch von der Beklagten genutzt wird.
Die Gemeinschuldnerin schloß 1987 mit dem VEB Deutsche Schallplatten einen Vertrag über die kommerzielle Verwertung von – in den Anlagen zum Vertrag aufgeführten – Produktionen klassischer Musik, den sogenannten Grundvertrag. Zu dem Grundvertrag gehören drei Anlagen, in denen insgesamt 78 Einspielungen – darunter auch die sechzehn im Streit befindlichen Titel – aufgeführt sind. Nach dem Grundvertrag sollte der VEB Deutsche Schallplatten der Gemeinschuldnerin jeweils das Band mit der digitalen Aufnahme zu einem festen Preis liefern (§ 5). Der Gemeinschuldnerin wurde das Recht eingeräumt, von den Aufnahmen CDs herzustellen (§ 1 Abs. 1) und diese während einer beschränkten Auswertungszeit von – zunächst – drei Jahren, beginnend mit dem 1. Januar 1988 (§ 1 Abs. 2), weltweit mit Ausnahme der Staaten des Ostblocks, teilweise auch mit Ausnahme von USA, Kanada und Japan (§ 2), exklusiv zu vermarkten. Die Gemeinschuldnerin verpflichtete sich, die CDs jeweils innerhalb eines Jahres nach Bandübergabe erscheinen zu lassen (§ 6 Abs. 1). Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist war ein Heimfall der Rechte an den VEB Deutsche Schallplatten vereinbart (§ 6 Abs. 2). Zusammen mit dem Grundvertrag unterzeichnete die Gemeinschuldnerin eine vom VEB Deutsche Schallplatten nachgereichte Änderungs-
vereinbarung, nach der die Auswertungszeit von drei Jahren um weitere sieben Jahre bis zum 31. Dezember 1997 verlängert wurde.
In der Folge stellte die Gemeinschuldnerin von den ihr überlassenen Einspielungen CDs her und brachte diese zwischen August 1989 und Oktober 1990 auf den Markt. Die im Grundvertrag festgelegte Jahresfrist wurde dabei hinsichtlich einiger Aufnahmen überschritten. Am 20. September 1990 trafen die DS GmbH und die Gemeinschuldnerin eine Vereinbarung, wonach „die begrenzte Auswertungszeit von 3 + 7 Jahren sich automatisch verlängert, solange die im Grundvertrag beschriebenen Produktionen weiter auf den Labeln der ... [Gemeinschuldnerin ] oder deren Rechtsnachfolgern veröffentlicht sind“. Für den Fall von Katalogstreichungen sollte es bei dem Heimfall der Rechte verbleiben.
Ferner bestand zwischen der DS GmbH und der Gemeinschuldnerin ein „Repertoire -Lizenz-Vertrag“ (die Vertragsurkunde ist mit dem Datum des 31.5.1991 versehen), der aber andere als die Einspielungen betraf, die Gegenstand des Grundvertrages aus dem Jahre 1987 waren. Durch diesen Repertoire-LizenzVertrag wurde eine 1990 geschlossene Vereinbarung über eine Repertoire- und Lizenzgemeinschaft geändert und ergänzt. In diesem Zusammenhang regelten die DS GmbH und die Gemeinschuldnerin in einer Vereinbarung über abwicklungstechnische Modalitäten (im folgenden: Abwicklungsvertrag) einleitend, daß „jeder Vertragspartner ... sein eigenes bzw. ihm aufgrund anderer Verträge zur Verfügung stehendes Repertoire künftig eigenständig auswerten sowie auf Tonträgern vervielfältigen und vertreiben“ wird. Ferner heißt es in dieser Vereinbarung:
Die Ergänzung bzw. Änderung des Vertrages über die Repertoire- und Vertriebsgemeinschaft wird unter folgenden Voraussetzungen wirksam: 1. Die als Warenzeichen der ... [der Gemeinschuldnerin] geschützten Labelbezeichnungen Ars Vivendi, lunar/cd und Dorado werden von DS für eigene Veröffentlichungen künftig nicht mehr benutzt. Das bisher auf diesen Labels veröffentlichte Reper-
toire fällt im Rahmen der Bestimmungen des Repertoire-Lizenz-Vertrages in das alleinige Auswertungsrecht der ... [Gemeinschuldnerin]. ...
Die Gemeinschuldnerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünden an den sechzehn noch im Streit befindlichen Einspielungen Auswertungsrechte zu; im Abwicklungsvertrag seien diese Rechte auf eine weltweite Nutzung erstreckt worden.
Soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, hat die Gemeinschuldnerin die Beklagte hinsichtlich sechzehn – im einzelnen benannter – Aufnahmen auf Unterlassung in Anspruch genommen; dabei handelt es sich um Titel, die zu dem der Gemeinschuldnerin im Grundvertrag überlassenen Repertoire gehören und unter einem ihrer Label (Ars Vivendi oder Lunar) erschienen, darüber hinaus aber auch von der Beklagten unter dem Label Berlin Classic oder Eterna auf den Markt gebracht worden sind. Ferner hat die Gemeinschuldnerin im Wege der Stufenklage Auskunft begehrt und nach erteilter Auskunft einen bezifferten Zahlungsantrag angekündigt.
Hinsichtlich dieser sechzehn Einspielungen hat das Landgericht der Klage mit den Unterlassungs- und Auskunftsanträgen in einem Teilurteil stattgegeben.
Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin durch Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. Januar 1996 das Konkursverfahren eröffnet. Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 2. Februar 1996 kündigte die Beklagte „das von der Gemeinschuldnerin behauptete ausschließliche Nutzungsrecht an den Einspielungen, die ihr von der [DS GmbH] in Lizenz übertragen worden sein sollen“. Zur Erläuterung heißt es in diesem an den Kläger gerichteten Schreiben u.a.:
Wir wenden uns an Sie in Ihrer Eigenschaft als Konkursverwalter in dem am 1.1.1996 vom Amtsgericht Charlottenburg eröffneten Konkursverfahren ... über das Vermögen der ... [Gemeinschuldnerin]. Wir vertreten ständig die Interessen der ... [Beklagten], so
u.a. auch in einem derzeit vor dem KG Berlin anhängigen Rechtsstreit zwischen unserer Mandantin und der Gemeinschuldnerin (Az. 5 U 2413/95). In diesem Rechtsstreit macht die Gemeinschuldnerin Unterlassungsansprüche gegen unsere Mandantin wegen des Vertriebs bestimmter Einspielungen klassischer Musik geltend. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf ein ihr angeblich zustehendes ausschließliches Nutzungsrecht an den streitgegenständlichen Einspielungen; diese Rechte will sie von der ... [DS GmbH], der Nachfolgegesellschaft eines VEB der DDR erworben haben. Unsere Mandantin ist wiederum die Rechtsnachfolgerin der ... [DS GmbH] für deren Repertoire klassischer Musik. Das von der Gemeinschuldnerin behauptete ausschließliche Nutzungsrecht an den Einspielungen, die ihr von der ... [DS GmbH] in Lizenz übertragen worden sein sollen, kündigen wir namens und im Auftrag unserer Mandantin mit sofortiger Wirkung.
Im folgenden wurden die vertraglichen Grundlagen dargestellt. Im Zusam- menhang mit dem sog. Abwicklungsvertrag heißt es in dem Schreiben ferner:
Zwar sind unserer Ansicht nach die Einspielungen, über die derzeit vor dem KG Berlin zwischen unserer Mandantin und der Gemeinschuldnerin gestritten wird, nicht von der Lizenzgewährung in diesem „Repertoire-Lizenz-Vertrag“ umfaßt und auch nicht durch den sogenannten „Vertrag über die abwicklungstechnischen Modalitäten“ ... hineingenommen. Die Gemeinschuldnerin beruft sich jedoch darauf, daß sie die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Einspielungen durch Ziffer 1 dieses letztgenannten Abwicklungsvertrages eingeräumt bekommen habe. ... Sofern durch den Abwicklungsvertrag in Verbindung mit den Bestimmungen des Repertoire -Lizenz-Vertrages der Gemeinschuldnerin ein ausschließliches Lizenzrecht an Einspielungen aus dem ehemaligen Repertoire der ... [DS GmbH] eingeräumt worden sein sollte, so kündigen wir diese Lizenzvergabe mit sofortiger Wirkung. ...
Nachdem der Kläger das aufgrund der Konkurseröffnung unterbrochene Verfahren aufgenommen hatte, hat das Kammergericht auf die Berufung der Beklagten die ausgesprochene Verurteilung zur Unterlassung und Auskunftserteilung in der Weise beschränkt, daß sie sich bei keiner der sechzehn Einspielungen auf den Vertrieb in den Staaten des ehemaligen Ostblocks (einschließlich der ehemaligen DDR) sowie bei einigen, im einzelnen aufgeführten Aufnahmen nicht auf Japan , USA und Kanada beziehe.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageab- weisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß dem Kläger ein – territorial beschränkter – Unterlassungs- und Auskunftsanspruch aus § 97 Abs. 1, § 85 Abs. 1 UrhG zusteht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Durch den Grundvertrag mit dem VEB Deutsche Schallplatten habe die Gemeinschuldnerin für das dort angeführte Vertriebsgebiet die ausschließlichen Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers hinsichtlich der in Rede stehenden sechzehn Einspielungen erworben. Die Rechte seien nicht nach § 6 Abs. 2 des Grundvertrages an den VEB Deutsche Schallplatten zurückgefallen. Dabei sei nicht entscheidend, ob die Gemeinschuldnerin ihrer Verpflichtung nach § 6 Abs. 1 nachgekommen sei, die Aufnahmen jeweils innerhalb eines Jahres nach Bandübergabe erscheinen zu lassen. Dies ergebe sich daraus, daß sich die Vertragsparteien zu einem Zeitpunkt auf eine Verlängerung der Auswertungszeit geeinigt hätten, zu dem bereits deutlich gewesen sei, daß einzelne Aufnahmen erst nach Ablauf der Jahresfrist und zwei Aufnahmen noch gar nicht erschienen seien. Die Aufteilung der Verbreitungsgebiete bestehe auch nach der Wiedervereinigung fort. Nach dem Beitritt der DDR bestehe diese zwar nicht mehr als selbständiges Staatsgebiet, wohl aber als tatsächliches Verbreitungsgebiet.
Die Beklagte habe den Grundvertrag auch nicht wirksam gekündigt. Mit dem Schreiben vom 2. Februar 1996 sei nicht die hier in Rede stehende Lizenzverga-
be, sondern allein der Abwicklungsvertrag gekündigt worden. Dieser Vertrag enthalte lediglich eine Regelung für die Titel, die im Anhang zum Repertoire-LizenzVertrag aufgeführt seien, nicht dagegen auch für die Titel, die Gegenstand des Grundvertrags gewesen seien.
Schließlich sei die Auswertungszeit auch nicht deswegen beendet, weil die Produktionen nicht mehr auf einem der Label der Gemeinschuldnerin oder ihrer Rechtsnachfolger veröffentlicht seien (Heimfall bei Streichung der Aufnahmen aus dem Katalog). Denn die Beklagte habe keinen Beweis dafür angeboten, daß die m.media CD Produktionsgesellschaft mbH keine Rechtsnachfolgerin der Gemeinschuldnerin sei.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand. Sie führen insoweit, als das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung sowie zur Auskunftserteilung hinsichtlich der Zeit nach Zugang der (per Telefax übermittelten) fristlosen Kündigung vom 2. Februar 1996 bestätigt hat, zur Aufhebung und Zurückverweisung. Im übrigen – also hinsichtlich der Auskunftserteilung für die Zeit bis 2. Februar 1996 – ist die Revision nicht begründet.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die der Gemeinschuldnerin übertragenen Rechte an den Einspielungen seien nicht wegen Überschreitung der Einjahresfrist an den VEB Deutsche Schallplatten oder an die DS GmbH als seine Rechtsnachfolgerin zurückgefallen.
Das Berufungsgericht hat der Vereinbarung vom 20. September 1990, nach der sich die auf zehn Jahre begrenzte Auswertungszeit unter bestimmten Voraussetzungen automatisch verlängerte, entnommen, daß die Regelung über den Heimfall der Rechte abbedungen und durch eine andere Regelung ersetzt worden
sei. Diese tatrichterliche Auslegung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Sie wird auch durch das von der Revision als übergangen gerügte Parteivorbringen nicht in Zweifel gezogen.
Im September 1990 waren zwölf der hier in Rede stehenden sechzehn Einspielungen bereits unter einem der Label der Gemeinschuldnerin erschienen, wobei die im Grundvertrag ausbedungene Jahresfrist nach dem Vortrag der Beklagten in sechs Fällen überschritten worden war, und zwar bei vier Aufnahmen um maximal einen Monat und bei zwei Einspielungen um etwa acht Monate. Für die vier noch nicht erschienenen Aufnahmen war die Jahresfrist am 20. September 1990 seit drei Wochen abgelaufen. Die entsprechenden CDs erschienen nach diesem Vortrag im Oktober 1990; ihr Erscheinen stand also zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung unmittelbar bevor. Unter diesen Umständen hätte es nahegelegen, daß die DS GmbH – wenn sie sich auf den Heimfall hätte berufen wollen – die Vertragsverlängerung nur für die vier Einspielungen, bei denen die Aufnahmen unter einem der Label der Gemeinschuldnerin wirklich innerhalb eines Jahres auf den Markt gekommen waren, gewährt und hinsichtlich der anderen acht Einspielungen auf den eingetretenen Heimfall der Rechte verwiesen hätte.
Im übrigen wird die vom Berufungsgericht gefundene Auslegung durch den zweiten Absatz der Vereinbarung vom 20. September 1990 („im Falle von KatalogStreichungen gilt der Heimfall nach § 6 Abs. 2 des Grundvertrages“) gestützt. Denn die Neuregelung des Heimfalls verstärkt den Eindruck, daß die Parteien – nachdem die entsprechenden Titel erschienen waren oder ihr Erscheinen unmittelbar bevorstand – aus dem nicht rechtzeitigen Erscheinen der Einspielungen keine Konsequenzen gezogen und sich statt dessen nunmehr auf die fortdauernde Marktpräsenz als Voraussetzung für den Verbleib der Auswertungsrechte bei der Gemeinschuldnerin geeinigt haben.
2. Begründet ist jedoch die Rüge, mit der sich die Revision dagegen wendet , daß das Berufungsgericht in dem Schreiben vom 2. Februar 1996 lediglich eine Kündigung des Abwicklungsvertrages, nicht hingegen des Grundvertrages erblickt hat.

a) Die tatrichterliche Auslegung ist für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72; BGH, Urt. v. 5.3.1998 – I ZR 250/95, GRUR 1998, 673, 676 – Popmusikproduzenten; Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 91/99, GRUR 2002, 280, 281 = WRP 2002, 221 – Rücktrittsfrist; BGHZ 149, 337, 353; 150, 32, 39 – Unikatrahmen, jeweils m.w.N.). Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.

b) Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Annahme, die Beklagte habe mit dem Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 2. Februar 1996 lediglich den Abwicklungsvertrag kündigen wollen, allein von einer Passage dieses Schreibens leiten lassen, die bei vordergründiger Betrachtung ein solches Verständnis nahelegen mag. Wird dagegen das gesamte Schreiben herangezogen, wird bereits deutlich, daß es der Beklagten nicht um den Abwicklungsvertrag, sondern allein darum ging, die hier in Streit stehende Lizenzvergabe zu kündigen. Die Kündigung des Abwicklungsvertrages erfolgte danach nurmehr hilfsweise für den Fall, daß dieser Vertrag – entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht – für die Lizenzvergabe von Bedeutung sein sollte. Worum es der Beklagten in erster Linie ging, wird vor allem durch die Eingangspassage des Kündigungsschreibens deutlich: gekündigt werden sollte die Lizenzvergabe zugunsten der Gemeinschuldnerin – gleichgültig, in welchem Vertrag die Übertragung oder Einräumung des Nutzungsrechts erfolgt war.

c) Daß es aus der Sicht der Beklagten erforderlich schien, auch den Abwicklungsvertrag zu kündigen, ergibt sich nicht nur aus dem Kündigungsschreiben selbst, sondern darüber hinaus auch aus dem Prozeßverlauf. In erster Instanz hatte die Gemeinschuldnerin sich auf diesen Vertrag berufen, während die Beklagte sich auf den Standpunkt gestellt hatte, der Abwicklungsvertrag betreffe nicht die bereits durch den Grundvertrag von 1987 übertragenen Rechte. Das Landgericht hatte – anders als später das Berufungsgericht – in seinem Urteil vom 16. Februar 1995 im Sinne der Gemeinschuldnerin entschieden und angenommen , daß sich der Umfang ihrer Berechtigung an den vorliegend im Streit stehenden Einspielungen aus Ziffer 1 des Abwicklungsvertrages ergebe. Diesem Umstand trugen die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten in ihrem Kündigungsschreiben Rechnung.

d) Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Kündigung der Lizenzvergabe durch die Beklagte wirksam ist. Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagten ein Festhalten am Vertrag mit der Gemeinschuldnerin zuzumuten gewesen wäre. Hierfür ist zu klären, ob die Gemeinschuldnerin aus der Sicht der Beklagten in der Lage war, die Auswertungsverpflichtung trotz der eingetretenen Insolvenz zuverlässig zu erfüllen. Für die Frage der Zumutbarkeit eines Festhaltens am Vertrag ist es auch von Bedeutung, ob die DS GmbH für die Verlängerung der Auswertungszeit irgendeine Gegenleistung erhalten hat. War dies nicht der Fall, handelte es sich vielmehr um ein Entgegenkommen der DS GmbH gegenüber der Gemeinschuldnerin, kann dies bedeuten, daß die Schwelle für eine Kündigung aus wichtigem Grund vorliegend niedriger anzusetzen ist als in anderen Fällen. Unabhängig davon stand der Beklagten möglicherweise ein besonderes Kündigungsrecht aus der auf Lizenzverträge entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 19 KO zu, die im Streitfall nach § 103
EGInsO noch heranzuziehen ist (zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 19 KO auf Lizenzverträge vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 19 Rdn. 2a).
3. Entgegen der Auffassung der Revision kann nach den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß das Nutzungsrecht aus dem Grundvertrag ohnehin – also ungeachtet der ausgesprochenen Kündigung – wegen einer späteren Streichung der Titel aus dem Katalog untergegangen ist. Die Revision verweist insofern auf die Vereinbarung vom 20. September 1990, nach der die Rechte im Falle von „Katalog-Streichungen“ an die DS GmbH zurückfallen sollten. Der Kläger beruft sich demgegenüber auf den Passus derselben Vereinbarung, wonach sich die Auswertungszeit für die in Rede stehenden Aufnahmen automatisch verlängert, „solange die im Grundvertrag beschriebenen Produktionen weiter auf den Labeln der ... [Gemeinschuldnerin] oder deren Rechtsnachfolgern veröffentlicht sind“. Zwischen den Parteien ist jedoch streitig, ob es sich – wie vom Kläger behauptet – bei der m.media CD Produktionsgesellschaft mbH, die inzwischen die Auswertung übernommen hat, in diesem Sinne um eine Rechtsnachfolgerin der Gemeinschuldnerin handelt.
Die Revision rügt mit Recht, daß es nicht Sache der Beklagten, sondern des Klägers gewesen wäre, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß es sich bei der m.media CD Produktionsgesellschaft mbH um eine Rechtsnachfolgerin der Gemeinschuldnerin handelt. Da die Sache zur Klärung der Wirksamkeit der Kündigung aus wichtigem Grund ohnehin an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden muß, werden die Parteien Gelegenheit haben, zu diesem Punkt ergänzend vorzutragen. Falls es auf diese Frage noch ankommen sollte, wird der Kläger dartun müssen, daß es sich bei der m.media CD Produktionsgesellschaft mbH um eine „Rechtsnachfolgerin“ der Gemeinschuldnerin im Sinne der Vereinbarung vom 20. September 1990 handelt. Allerdings stünde die Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin bereits dann außer Zweifel, wenn es sich bei der m.media CD Produkti-
onsgesellschaft mbH um eine Auffanggesellschaft handelt, die die laufende Pro- duktion der Tonträger von der Gemeinschuldnerin im Einverständnis mit dem Kläger übernommen hat.
4. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie sich mit ihrem auf die vollständige Abweisung der Klage zielenden Antrag dagegen wendet, daß das Berufungsgericht in der Nutzung des in Rede stehenden Repertoires durch die Beklagte im Lizenzgebiet der Gemeinschuldnerin für die Zeit bis zum Zugang des Kündigungsschreibens vom 2. Februar 1996 eine Verletzung der der Gemeinschuldnerin zustehenden Leistungsschutzrechte gesehen hat. Dies gilt auch, soweit eine Nutzung durch die Beklagte in den alten Bundesländern nach dem 3. Oktober 1990 in Rede steht.
Das der Gemeinschuldnerin vom VEB Deutsche Schallplatten eingeräumte ausschließliche Nutzungsrecht bezog sich u.a. auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und somit – da die Rechtseinräumung 1987 erfolgte – lediglich auf die alten Bundesländer einschließlich West-Berlin, während die Nutzungsrechte für das Gebiet der ehemaligen DDR beim VEB Deutsche Schallplatten verblieben. Daß die Beklagte, die ihre Rechte vom VEB Deutsche Schallplatten ableitet, die fraglichen Aufnahmen im Gebiet der ehemaligen DDR verbreiten darf, steht daher im Revisionsverfahren mit Recht nicht mehr in Zweifel. Das Berufungsgericht hat aber auch zutreffend angenommen, daß es nach dem 3. Oktober 1990 bei den gespaltenen Lizenzgebieten geblieben ist, die Berechtigung der Beklagten sich also auch nach der Wiedervereinigung nicht auf die alten Bundesländer einschließlich West-Berlin erstreckt. Im Gegensatz zu anderen Schutzrechten sehen weder der Einigungsvertrag noch das Erstreckungsgesetz für das Urheberrecht eine solche Erstreckung vor. Sie kann – entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Schwarz/Zeiss, ZUM 1990, 468, 469; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht , 9. Aufl., vor § 31 UrhG Rdn. 33 a.E.) – auch nicht aus der Natur des
Verbreitungsrechts abgeleitet werden (so bereits OLG Hamm GRUR 1991, 907, 908; ferner Wandtke, GRUR 1991, 263, 266; Wandtke in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht , EVtr Rdn. 44 ff.; Katzenberger, GRUR Int. 1993, 2, 17; Schrikker /Katzenberger, Urheberrecht, 2. Aufl., vor §§ 120 ff. UrhG Rdn. 37; Schack, Ur- heber- und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., Rdn. 542; vgl. zum Senderecht BGHZ 133, 281, 296 f. – Klimbim). Auch wenn heute das Recht zur Verbreitung eines geschützten Werks nicht mit dinglicher Wirkung auf einen Teil Deutschlands beschränkt werden kann, gilt für eine vor der Wiedervereinigung vereinbarte Rechtseinräumung etwas anderes. Eine Beeinträchtigung des Wirtschaftsverkehrs tritt dadurch nicht ein; denn die entsprechenden Waren können – wenn sie einmal innerhalb des lizenzierten Gebietes in Verkehr gebracht worden sind – innerhalb Deutschlands und innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums frei zirkulieren (a.A. insofern Katzenberger, GRUR Int. 1993, 2, 18).
III. Die Revision der Beklagten ist danach insoweit zurückzuweisen, als es um die Verurteilung zur Auskunftserteilung hinsichtlich der Zeit bis zum 2. Februar
1996 geht. Dagegen kann die Verurteilung zur Unterlassung sowie zur Auskunftserteilung hinsichtlich der Zeit nach dem 2. Februar 1996 keinen Bestand haben. In diesem Umfang ist das Berufungsurteil aufzuheben; die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2002 - I ZR 297/99

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(1) Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen.

(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.

(3) Vermietung im Sinne der Vorschriften dieses Gesetzes ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüberlassung. Als Vermietung gilt jedoch nicht die Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken

1.
von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst oder
2.
im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu dem ausschließlichen Zweck, bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis benutzt zu werden.

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Der Hersteller eines Tonträgers hat das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Ist der Tonträger in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller. Das Recht entsteht nicht durch Vervielfältigung eines Tonträgers.

(2) Das Recht ist übertragbar. Der Tonträgerhersteller kann einem anderen das Recht einräumen, den Tonträger auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. § 31 und die §§ 33 und 38 gelten entsprechend.

(3) Das Recht erlischt 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers. Ist der Tonträger innerhalb von 50 Jahren nach der Herstellung nicht erschienen, aber erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 70 Jahre nach dieser. Ist der Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 50 Jahre nach der Herstellung des Tonträgers. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.

(4) § 10 Absatz 1 und die §§ 23 und 27 Absatz 2 und 3 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
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18. Oktober 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Rücktrittsfrist
Für Gestaltungsrechte gilt kein allgemeiner Grundsatz, daß eine Verwirkung
bereits nach einem kurzen Zeitablauf eintritt. Treu und Glauben können es allerdings
verlangen, daß der Berechtigte im Interesse der anderen Vertragspartei
alsbald Klarheit darüber schafft, ob er beabsichtigt, sein Gestaltungsrecht
auszuüben, und damit nicht länger zögert als notwendig. Bei der Frage
der Verwirkung eines Rücktrittsrechts, für dessen Ausübung keine Frist vereinbart
ist, kann zu berücksichtigen sein, daß sich der Berechtigte durch Fristsetzung
nach § 355 BGB selbst vergewissern kann, ob er noch mit der Erklärung
des Rücktritts rechnen muß.
BGH, Urt. v. 18. Oktober 2001 - I ZR 91/99 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte räumte in einem Lizenzvertrag vom 26. August/12. September 1994 der Klägerin das Recht ein, das Fotomaterial, die Drehbücher und die Synchronfassungen der geplanten Fernsehserie "Die Bibel - Das Alte Testament" für eine Buchreihe zu verwenden. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin eine Garantiesumme von 1,5 Mio. DM zu zahlen, von der (zuzüglich Mehrwertsteuer ) 500.000 DM bei Unterzeichnung des Vertrages durch die Klägerin, je 350.000 DM am 30. Juni 1995 und 30. Juni 1996 sowie 300.000 DM am
30. Juni 1997 zu entrichten waren. In den Besonderen Vertragsbedingungen des Lizenzvertrages ist (unter Nr. 1) bestimmt:
"Teilt der Lizenzgeber dem Lizenznehmer nicht binnen 12 Monaten nach Abschluû dieses Vertrages mit, daû die TV-Produktion zur Ausstrahlung in Deutschland durch einen hier ansässigen Vollprogrammsender erworben wurde, so kann der Lizenznehmer von diesem Vertrag zurücktreten. Im Falle des Rücktritts zahlt der Lizenzgeber geleistete Lizenzvergütungen an den Lizenznehmer zurück; weitergehende Ansprüche sind beiderseits ausgeschlossen." Federführende Koproduzentin der geplanten 21 Episoden der Fernsehserie war die T. -Film GmbH & Co. Diese vergab die Senderechte an zehn Folgen der Fernsehserie mit Vertrag vom 30. November 1995 und die Senderechte an elf weiteren Folgen mit Vertrag vom 22. August 1997 an die DEGETO Film GmbH. Von der vereinbarten Garantiesumme bezahlte die Klägerin an die Beklagte insgesamt 1,2 Mio. DM. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1996 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt von dem Lizenzvertrag vom 26. August/12. September 1994.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung der von ihr als Garantiesumme gezahlten Lizenzvergütungen. Sie hat vorgetragen, sie sei nach der vereinbarten Rücktrittsklausel zum Rücktritt berechtigt gewesen, weil die Fernsehproduktion - was unstreitig ist - nicht binnen zwölf Monaten nach Abschluû des Lizenzvertrages an einen inländischen Vollprogrammsender zur Ausstrahlung in Deutschland veräuûert worden sei. Die Klägerin habe zwar die eingeräumten Rechte für die Herstellung und den Vertrieb verschiedener Bücher mit den Titeln "Abraham", "Schöpfung", "Jakob", "Josef" und "Moses" genutzt , ihre Kosten hätten jedoch die Erlöse aus dem Bücherverkauf überstiegen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1,2 Mio. DM nebst Zinsen in Höhe von 10 % seit dem 17. März 1997 zu verurteilen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Widerklage erhoben mit dem Antrag, die Klägerin zur Zahlung von 321.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 27. Dezember 1997 zu verurteilen.
Die Beklagte hat in erster Linie vorgetragen, das vereinbarte Rücktrittsrecht sei bereits vor dessen Ausübung durch die Klägerin - mit dem Abschluû des Vertrages zwischen der T. -Film GmbH & Co. und der DEGETO Film GmbH vom 30. November 1995 - entfallen. Zumindest sei das Rücktrittsrecht verwirkt, weil die Parteien nach dem 12. September 1995 ihre vertraglichen Beziehungen fortgesetzt hätten, ohne daû sich die Klägerin ein Rücktrittsrecht vorbehalten habe. Die Klägerin habe von den ihr eingeräumten Nutzungsrechten Gebrauch gemacht und die am 30. Juni 1996 fällige Rate der Garantiesumme ohne Vorbehalt bezahlt. Da der Rücktritt der Klägerin den Lizenzvertrag nicht beendet habe, sei diese verpflichtet, den noch ausstehenden Teilbetrag der Garantiesumme zu bezahlen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 1.112.513,07 DM (1,2 Mio. DM abzüglich 87.486,93 DM Lizenzgebühr für verkaufte Bücher) nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 17. März 1997 stattgegeben und sie im übrigen - ebenso wie die Widerklage - abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat
es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 321.000 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 27. Dezember 1997 zu bezahlen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht berechtigt, die Rückzahlung ihrer als Garantiesumme gezahlten Lizenzvergütungen zu verlangen, weil sie nicht wirksam von dem Lizenzvertrag vom 26. August/ 12. September 1994 zurückgetreten sei.
Die Klägerin sei unstreitig nach dem 12. September 1995 zunächst befugt gewesen, von dem Lizenzvertrag zurückzutreten. Der erst mit Schreiben vom 17. Dezember 1996 erklärte Rücktritt sei jedoch unwirksam gewesen. Die Parteien hätten zwar keine Frist für die Ausübung des Rücktritts vereinbart, dem Vertrag sei aber zu entnehmen, daû das Rücktrittsrecht nur zeitnah zur Entstehung des Rücktrittsrechts habe ausgeübt werden können. Die Parteien hätten vereinbart, daû im Fall des Rücktritts nur die entrichteten Lizenzvergütungen zurückzuzahlen seien und weitergehende Ansprüche beiderseits ausgeschlossen sein sollten. Die Klägerin habe somit das Recht gehabt, sich von dem Lizenzvertrag zu lösen, wenn die Fernsehrechte an der Serie nicht wie vorgesehen binnen eines Jahres verkauft worden seien; sie habe sich jedoch nach einem Jahr entscheiden müssen. Bei einer anderen Auslegung des Vertrages wäre es der Klägerin dagegen theoretisch möglich gewesen, in Aus-
wertung der eingeräumten Nutzungsrechte riesige Umsätze und Gewinne zu machen, dann aber, falls die Fernsehrechte nicht, nicht rechtzeitig oder nur teilweise verkauft worden seien, irgendwann zurückzutreten und die gezahlten Lizenzvergütungen vollständig zurückzuverlangen. Der erst über 15 Monate nach Entstehung des Rücktrittsrechts erklärte Rücktritt sei nicht - wie erforderlich - zeitnah ausgesprochen worden.
Unter den gegebenen Umständen sei das Rücktrittsrecht zumindest verwirkt. Die Klägerin habe nach Ablauf der Jahresfrist am 12. September 1995 die am 30. Juni 1996 fällige Rate der Garantiesumme vorbehaltlos gezahlt und vor der Fälligkeit der letzten Rate - ein Jahr später - mit Schreiben vom 24. Juni 1996 noch eine verbesserte Qualität des ihr zu liefernden Materials gefordert. Sie habe damit zu erkennen gegeben, daû sie ihr Rücktrittsrecht nicht ausüben werde. Von der Beklagten habe nicht erwartet werden können, selbst eine Klärung herbeizuführen, ob die Klägerin ihr Rücktrittsrecht ausüben wolle, da sie im Fall eines Rücktritts leer ausgehen sollte.
Da der Lizenzvertrag somit fortbestehe, sei die Klägerin auf die Widerklage antragsgemäû zur Zahlung der letzten Rate der Garantiesumme zu verurteilen.
II. Diese Beurteilung hält den Revisionsangriffen nicht stand. Diese führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen , daû das im Lizenzvertrag vom 26. August/12. September 1994 vereinbarte Rücktrittsrecht am 12. September 1995 entstanden ist, weil nicht - wie
vorgesehen - binnen eines Jahres nach Vertragsschluû ein Vertrag mit einem inländischen Vollprogrammsender über die Rechte zur Ausstrahlung der gesamten Fernsehserie in Deutschland zustande gekommen ist. Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem klaren Wortlaut der vereinbarten Rücktrittsklausel und wird von der Revisionserwiderung auch nicht angegriffen.
2. Die Ausübung des vertraglichen Rücktrittsrechts war nach dem Lizenzvertrag der Parteien nicht fristgebunden; dieses Gestaltungsrecht konnte lediglich verwirkt werden. Die Auslegung des Berufungsgerichts, das Rücktrittsrecht habe nach seiner Entstehung zeitnah ausgeübt werden müssen, ist rechtsfehlerhaft. Sie ist für das Revisionsgericht nicht bindend, weil sie weder im Wortlaut des Vertrages noch in dem tatsächlichen Vorbringen der Parteien eine Stütze findet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.6.2001 - VIII ZR 329/99, WM 2001, 1623, 1625 = ZIP 2001, 1536). Die Revision weist zu Recht darauf hin, daû sich die Beklagte nicht damit verteidigt hat, das Rücktrittsrecht sei nach dem Vertrag mangels zeitnaher Ausübung erloschen. Das Vorbringen der Beklagten ging vielmehr dahin, das Rücktrittsrecht sei nicht entstanden, weil ein Sendevertrag mit der DEGETO Film GmbH - wenn auch zunächst nur über zehn Folgen der Fernsehserie - geschlossen worden sei, oder - sollte es entstanden sein - jedenfalls verwirkt sei.
Die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts verletzt im übrigen im Hinblick auf den unstreitigen Sachverhalt das Gebot der möglichst nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 131, 136, 138; 146, 280, 284; BGH, Urt. v. 5.3.1998 - I ZR 250/95, GRUR 1998, 673, 676 - Popmusikproduzenten, m.w.N.). Das Vorhaben, Episoden des Alten Testaments für das Fernsehen zu verfilmen, hatte einen auûergewöhnlichen Umfang. Es sollten 21 Folgen (mit je 90 Minuten Spielzeit) gedreht werden; die
Produktion - mit einem veranschlagten Aufwand von 200 Mio. DM - muûte sich dementsprechend über mehrere Jahre hinziehen. Die Parteien gingen weiterhin unstreitig davon aus, daû die Senderechte an der Serie nicht "durch einen einzigen Vertrag" vermarktet werden könnten. Die Klägerin konnte die geplanten Bücher zur Fernsehserie nur dann erfolgreich absetzen, wenn die Serie auch tatsächlich durch einen inländischen Vollprogrammsender ausgestrahlt wurde, muûte aber die Bücher rechtzeitig vorbereiten, wenn sie diese parallel zu den Fernsehausstrahlungen der Serie vertreiben wollte. Sie konnte mit ihren Vorbereitungen nicht warten, bis die Senderechte vergeben waren, zumal nach dem Lizenzvertrag der Parteien dafür nur eine Frist von einem Jahr vorgesehen war. Bei dieser Sachlage war für die Parteien offensichtlich, daû beide Seiten nach Abschluû des Vertrages wegen ihrer Aufwendungen für das Projekt ein Interesse hatten, dieses nach Möglichkeit zum Erfolg zu führen, selbst wenn sich bei der Vermarktung der Senderechte zunächst Schwierigkeiten ergeben sollten. Es wäre deshalb mit der Interessenlage beider Parteien nicht vereinbar gewesen, die Klägerin bei Entstehen des Rücktrittsrechts zu zwingen , zeitnah eine Entscheidung über dessen Ausübung zu treffen.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts auch nicht als Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung haltbar. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nur zulässig, wenn eine Lücke im Vertrag festzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1999 - I ZR 181/96, NJW 2001, 600, 602 m.w.N.). Dies ist jedoch nach dem Vorbringen beider Parteien in den Tatsacheninstanzen nicht der Fall. Eine ergänzende Vertragsauslegung wäre zudem nur in der Weise möglich, daû zu ermitteln wäre , was die Parteien im Fall des Erkennens einer Regelungslücke bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1997 - V ZR 250/96,
NJW 1998, 1219 f. m.w.N.). Eine Auslegung der Voraussetzungen für das Rücktrittsrecht der Klägerin, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, widerspräche aber - wie dargelegt - der bei Vertragsschluû gegebenen Interessenlage beider Parteien. Die Interessen der Beklagten waren vielmehr ausreichend dadurch gewahrt, daû diese nach § 355 BGB befugt war, für die Ausübung des Rücktrittsrechts gegebenenfalls eine Frist zu setzen, nach deren Ablauf das Recht erloschen wäre. Zudem waren die Interessen der Beklagten dadurch geschützt, daû die Ausübung des Rücktrittsrechts in jedem Fall dem Grundsatz von Treu und Glauben unterstand und deshalb gegebenenfalls verwirkt werden konnte.
3. Die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, das Rücktrittsrecht der Klägerin sei zumindest verwirkt, hält den Angriffen der Revision ebenfalls nicht stand. Die Entscheidung über die Frage der Verwirkung ist zwar grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, der den ihm dazu vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen hat. Das Revisionsgericht hat aber nachzuprüfen , ob der Tatrichter alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (BGHZ 146, 217, 223 - Temperaturwächter, m.w.N.). Dabei erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft.

a) Der Verwirkungseinwand ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Einwands aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner über einen gewissen Zeitraum hin wegen der Untätigkeit seines Gläubigers bei objektiver Beurteilung darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstöût (BGHZ 146, 217, 220 - Temperaturwächter, m.w.N.). Das Verstreichen eines
längeren Zeitraums kann allein die Verwirkung von Rechten nicht begründen (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2001 - VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535, 2537 m.w.N.). Für Gestaltungsrechte gilt - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - kein allgemeiner Grundsatz, daû eine Verwirkung bereits nach einem kurzen Zeitablauf eintritt. Treu und Glauben können es allerdings bei Gestaltungsrechten verlangen, daû der Berechtigte im Interesse der anderen Vertragspartei alsbald Klarheit darüber schafft, ob er beabsichtigt, seine Rechte auszuüben , und damit nicht länger zögert als notwendig (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.1969 - III ZR 198/65, WM 1969, 721, 723). Entscheidend sind aber letztlich immer die Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1996 - VIII ZR 99/94, NJW-RR 1996, 949, 950; MünchKomm/Roth, BGB, 4. Aufl., § 242 Rdn. 471).

b) Die Revision rügt danach mit Erfolg, daû die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Annahme einer Verwirkung des Rücktrittsrechts nicht rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat nur unzureichende Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte darauf vertrauen durfte, daû das Rücktrittsrecht nicht mehr geltend gemacht werde, und keine Tatsachen festgestellt, aus denen sich ergeben könnte, daû sie sich darauf eingerichtet hat. Die Prüfung des Parteivorbringens zur Frage der Verwirkung, die dem Senat als Revisionsgericht verwehrt ist, wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen sein.
Im vorliegenden Fall spricht gegen die Annahme, das Rücktrittsrecht habe , um seine Verwirkung zu vermeiden, binnen kurzer Frist ausgeübt werden müssen, bereits der Umstand, daû sich die Beklagte selbst - notfalls durch Fristsetzung nach § 355 BGB - Sicherheit darüber verschaffen konnte, ob sie noch mit der Ausübung des Rücktrittsrechts rechnen muûte. Gegen die Annahme , die Beklagte habe auf die Nichtausübung des Rücktrittsrechts vertrau-
en dürfen, spricht weiter der Zweck des Lizenzvertrages. Dieser sollte es der Klägerin ermöglichen, "Bücher zur Fernsehserie" auf den Markt zu bringen. Es lag daher nicht der übliche Fall der Vergabe einer Unterlizenz vor, in dem das Vermarktungsrisiko ganz bei dem Lizenznehmer liegt, weil dieser es auch selbst in der Hand hat, sein Nutzungsrecht so gut wie möglich auszuwerten. Der wirtschaftliche Erfolg der Klägerin war vielmehr, wie auch in der vertraglichen Regelung des Rücktrittsrechts zum Ausdruck gekommen ist, davon abhängig , daû die Fernsehserie im Inland durch einen Vollprogrammsender ausgestrahlt wird. Die Klägerin konnte sich zudem nicht ohne Verlust durch Rücktritt von dem Lizenzvertrag lösen, weil sie, um die erworbenen Nutzungsrechte im Zusammenhang mit der Ausstrahlung der Serie auswerten zu können, rechtzeitig Vorbereitungen treffen muûte und die dazu erforderlichen Aufwendungen bei einem Rücktritt verloren hätte.
Nachdem es der T. -Film GmbH & Co. gelungen war, durch Vertrag vom 30. November 1995 die Senderechte wenigstens an zehn Folgen der Fernsehserie zu vergeben, hatte die Klägerin danach - auch für die Beklagte offensichtlich - gute Gründe, mit der Entscheidung über die Ausübung ihres am 12. September 1995 entstandenen Rücktrittsrechts noch zuzuwarten. Der Beklagten war jedoch bekannt, daû der Erfolg des Lizenzvertrages unverändert davon abhing, daû die Serie vollständig von einem Vollprogrammsender ausgestrahlt wird und die Klägerin deshalb nach wie vor ein erhebliches Interesse hatte, das ihr vertraglich eingeräumte Rücktrittsrecht ausüben zu können, falls dies nicht erreicht werden konnte. Ein anderer Lizenznehmer wäre bei der gegebenen Sachlage ohnehin kaum zu finden gewesen, weil auch der wirtschaftliche Erfolg jedes anderen Lizenznehmers von der Vergabe der Senderechte an einen Vollprogrammsender abhängig sein muûte. Bei dieser Sachlage konnte das Zuwarten der Klägerin bei der Beklagten kaum ein Vertrauen darauf
begründen, das Rücktrittsrecht werde auch dann nicht mehr ausgeübt werden, wenn es nicht gelinge, die Fernsehrechte an den restlichen elf Folgen der Serie zu vergeben.
III. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert