Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2014 - I ZR 36/13

bei uns veröffentlicht am13.03.2014
vorgehend
Landgericht Münster, 112 O 18/11, 16.02.2012
Oberlandesgericht Hamm, 18 U 48/12, 31.01.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I Z R 3 6 / 1 3 Verkündet am:
13. März 2014
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b
Wird ein Unterfrachtführer von dem ihn beauftragenden Hauptfrachtführer im
Wege eines Rückgriffs aus dem Unterfrachtvertrag auf Schadensersatz in Anspruch
genommen, bestimmt sich der Ort der Übernahme des Gutes im Sinne
von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR danach, wo der Unterfrachtführer das
Frachtgut übernommen hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 20. November
2008 - I ZR 70/06, TranspR 2009, 26).
BGH, Urteil vom 13. März 2014 - I ZR 36/13 - OLG Hamm
LG Münster
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2014 durch die Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof.
Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und die Richterin Dr. Schwonke

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. Januar 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, ein Verkehrshaftungsversicherer mit Sitz in den Niederlan1 den, nimmt das ebenfalls in den Niederlanden ansässige Transportunterneh1 men vor dem Landgericht Münster wegen des Verlustes von Transportgut im Wege eines Rückgriffs auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die M. AG in Essen beauftragte das in Köln ansässige Speditions2 unternehmen D. im April 2008 zu festen Kosten mit dem Transport von
2
Notebooks von Ennigerloh/Deutschland nach Großbritannien. D. gab den Auftrag an das niederländische Frachtunternehmen W. weiter. Dieses holte einen Teil des Gutes in Ennigerloh ab und brachte es zu ihrem in Rijen/ Niederlande gelegenen Lager. Mit der Weiterbeförderung nach Großbritannien beauftragte W. die Beklagte. Bei der Entladung des Gutes in Großbritannien sollen nach der Darstellung der Klägerin 120 Notebooks gefehlt haben.
3
W. wurde deshalb vor dem Landgericht Münster im Wege eines
3
Rückgriffs von dem Verkehrshaftungsversicherer D. erfolgreich auf
3
Schadensersatz in Höhe von 66.415,60 € nebst Zinsen in Anspruch genommen (Urteil vom 6. März 2009 - 22 O 128/08). Der Beklagten wurde in diesem Rechtsstreit von W. der Streit verkündet.
4
Die Klägerin hat behauptet, als Verkehrshaftungsversicherer von W.
4
zum Ausgleich der titulierten Forderung insgesamt 76.185,70 € gezahlt zu
4
haben. Nach niederländischem Recht finde ein Übergang des Schadensersatzanspruchs auf den Haftpflichtversicherer statt. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich daraus, dass das abhanden gekommene Gut ursprünglich in Deutschland übernommen worden sei.
5
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von 96.798,60 € nebst Zinsen
5
in Anspruch genommen.
5
6
Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in
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Abrede gestellt. Sie hat geltend gemacht, es sei systemfremd, für Streitigkeiten
6
aus einem Transportvertrag zwischen zwei niederländischen Parteien mit einem Übernahmeort des Gutes in den Niederlanden und einem Ablieferungsort in Großbritannien die Zuständigkeit deutscher Gerichte anzunehmen.
7
Das Landgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
7
durch Zwischenurteil bejaht. Das Berufungsgericht hat sie verneint und die Kla7 ge als unzulässig abgewiesen (OLG Hamm, TranspR 2013, 295 = RdTW 2013, 366).
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei8 sung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des
8
landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher
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Gerichte verneint und demzufolge die Klage als unzulässig abgewiesen. Dazu
9
hat es ausgeführt:
10
Der zwischenW. und der Beklagten geschlossene Transportvertrag
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unterliege zwar dem Anwendungsbereich der CMR. Die internationale Zustän10 digkeit deutscher Gerichte ergebe sich im Streitfall jedoch nicht aus Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR. Mit dem "Ort der Übernahme des Gutes" im Sinne der genannten Vorschrift sei im Verhältnis zwischen W. und der Beklagten nicht der Übernahmeort des Gesamttransports in Ennigerloh, sondern der Übernahmeort durch die beklagte Unterfrachtführerin in Rijen in den Niederlanden gemeint.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin ist unbe11 gründet. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht wegen fehlender inter11 nationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen.
12
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den
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Streitfall die Vorschriften der CMR zur Anwendung kommen. Sowohl der Ge12 samttransport von Deutschland nach Großbritannien als auch die von der Beklagten durchgeführte Beförderung von Rijen in den Niederlanden nach Großbritannien unterliegen dem Anwendungsbereich des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr. Gemäß Art. 1 gilt das Übereinkommen für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Diese Vorausset- zungen sind im Streitfall erfüllt. Alle drei fraglichen Staaten sind Vertragsstaaten der CMR (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl., Art. 1 CMR Rn. 6 aE). Die jeweiligen Übernahmeorte und der Ablierferungsort des Gutes liegen auch in unterschiedlichen Staaten.
13
2. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich die internationale Zu13 ständigkeit des von der Klägerin angerufenen Landgerichts Münster im Streitfall
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nicht aus Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR.
14
a) Nach der genannten Vorschrift kann der Kläger wegen aller Streitigkei14 ten aus einer der CMR unterliegenden Beförderung die Gerichte eines Staates
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anrufen, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Die Zuständigkeitsregelung gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR gilt sowohl für vertragliche als auch für außervertragliche Ansprüche, etwa aus Delikt, sofern sie mit der Güterbeförderung in einem sachlichen Zusammenhang stehen (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2001 - I ZR 85/00, TranspR 2001, 452 = VersR 2002, 213; Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 70/06, TranspR 2009, 26 Rn. 19 = VersR 2009, 807).
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Nach der Rechtsprechung des Senats kommen die Zuständigkeitsrege15 lungen des Art. 31 Abs. 1 CMR grundsätzlich auch dann zur Anwendung, wenn
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ein (weiterer) Unterfrachtführer als bloße Hilfsperson (Art. 3 CMR) des Hauptfrachtführers von dessen Auftraggeber oder vom Rechtsnachfolger des Auftraggebers wegen Verlusts oder Beschädigung des Transportgutes aus Delikt auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Maßgeblich ist dann der Gesamtbeförderungsvertrag , da dieser die Grundlage für die vom Auftraggeber oder seinem Rechtsnachfolger geltend gemachten Ersatzansprüche bildet. Als Ort der Übernahme im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR ist in einem solchen Fall in der Regel nicht der Ort der Übernahme des Gutes durch den Unterfrachtführer, sondern der Abgangsort der gesamten Beförderung anzusehen (BGH, TranspR 2009, 26 Rn. 20).
16
b) Die im Streitfall gegebene Fallgestaltung ist nicht mit derjenigen ver16 gleichbar, über die der Senat in der Revisionssache I ZR 70/06 mit Urteil vom
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20. November 2008 (TranspR 2009, 26) entschieden hat. Der vorliegende Fall unterscheidet sich in einem maßgeblichen Punkt von der dort zugrundeliegenden Fallkonstellation.
17
aa) In jenem Fall wurde der beklagte Unterfrachtführer als Hilfsperson
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(Art. 3 CMR) des Hauptfrachtführers von dem Rechtsnachfolger, einem Trans17 portversicherer, des Ursprungsversenders (= Auftraggeber des Hauptfrachtführers ) wegen Beschädigung von Transportgut aus Delikt auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Grundlage für die direkte Inanspruchnahme des Unterfrachtführers durch den Auftraggeber des Hauptfrachtführers oder dessen Rechtsnachfolger war der Gesamtbeförderungsvertrag, den der Ursprungsversender mit dem Hauptfrachtführer geschlossen hat, und nicht das Vertragsverhältnis zwischen dem Haupt-/Unterfrachtführer und einem (weiteren) Unterfrachtführer (BGH, TranspR 2001, 452; TranspR 2009, 26 Rn. 18).
18
Da der Gesamtbeförderungsvertrag die Grundlage für die Geltendma18 chung von Ersatzansprüchen gegen den Unterfrachtführer bildet, ist als Ort der
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Übernahme im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum in der Regel nicht der Ort der Übernahme des Gutes durch den Unterfrachtführer, sondern der Abgangsort der gesamten Beförderung anzusehen (BGH, TranspR 2001, 452; TranspR 2009, 26 Rn. 20; OLG Köln, TranspR 2004, 359, 361; österr. OGH, TranspR 2000, 34 f.; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß, 2. Aufl., Art. 31 CMR Rn. 22; Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., Art. 31 CMR Rn. 10; Demuth in Thume, CMR, 3. Aufl., Art. 31 Rn. 26; Herber/ Piper, CMR, Art. 31 Rn. 4, 6; aA Koller, Transportrecht aaO Art. 31 CMR Rn. 4; ders., TranspR 2002, 133, 136). Für diese Sichtweise spricht vor allem der Umstand , dass sie es den am Frachtvertrag beteiligten Personen ermöglicht, auch mehrere aus ein und demselben Beförderungsvertrag herrührende Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten eines Staates abzuwickeln (BGH, TranspR 2009, 26 Rn. 23 mwN). Im Falle der Verneinung eines einheitlichen Gerichtsstandes für eine Klage gegen den Hauptfrachtführer und weitere Unterfrachtführer, zu denen seitens des Absenders oder Empfängers des Gutes keine Vertragsbeziehungen bestehen, müsste, wie sich aus Art. 28 Abs. 2 CMR ergibt, das nur mit der außervertraglichen Haftung des (jeweiligen) Unterfrachtführers befasste Gericht gegebenenfalls auch die Vorschriften der CMR berücksichtigen und anwenden. Denn nach dieser Vorschrift kann sich ein Unterfrachtführer, für den der Hauptfrachtführer gemäß Art. 3 CMR haftet, auf die Bestimmungen des Übereinkommens berufen, die die Haftung des Hauptfrachtführers ausschließen oder begrenzen, wenn gegen ihn Ansprüche aus außervertraglicher Haftung für Verlust oder Beschädigung des Gutes erhoben werden. Ein derartiges Ergebnis liefe zum einen dem Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 CMR zuwider, Streitigkeiten aus einer der CMR unterliegenden grenzüberschreitenden Beförderung auf ganz bestimmte Gerichtsstände zu beschränken, und würde zum anderen die Gefahr divergierender Gerichtsentscheidungen über ein und denselben Lebenssachverhalt in sich bergen (BGH, TranspR 2009, 26 Rn. 23).
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bb) Im Streitfall wird die Beklagte - anders als in den Fällen, die Gegen19 stand der Senatsentscheidungen vom 31. Mai 2001 (TranspR 2001, 452) und
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20. November 2008 (TranspR 2009, 26) waren - von dem Rechtsnachfolger ihres unmittelbaren Vertragspartners im Wege einer Rückgriffsklage wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Klägerin macht gegen die Beklagte ausschließlich frachtvertragliche Ansprüche geltend. Der Frachtvertrag zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten weist keine unmittelbaren Berührungspunkte zum ursprüng- lichen Übernahmeort des Gutes in Ennigerloh in Deutschland auf. Der Frachtvertrag , aus dem die Klägerin die Ansprüche gegen die Beklagte herleitet, wurde von zwei in den Niederlanden ansässigen Transportunternehmen geschlossen. Die Beklagte hat das Gut auch in den Niederlanden zur Beförderung nach Großbritannien übernommen. Bei einer derartigen Fallgestaltung besteht - auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 CMR - kein Bedürfnis , auf den ursprünglichen Abgangsort in Ennigerloh als Ort der Übernahme des Gutes im Sinne von Art. 31 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b CMR abzustellen. Übernahmeort ist bei der im Streitfall gegebenen Fallgestaltung vielmehr der Ort, an dem die Beklagte das Gut von ihrem direkten Vertragspartner zur Beförderung übernommen hat (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2008 - 6 U 226/07, unveröffentlicht; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 31 CMR Rn. 22; Koller, TranspR 2000, 152; aA österr. OGH, TranspR 2000, 34).
20
Hierfür spricht zunächst, dass der Unterfrachtvertrag, aus dem die An20 sprüche hergeleitet werden, die größte Nähe zu dem in diesem Vertrag vorge20 sehenen Übernahmeort und nicht zu dem Abgangsort des Hauptvertrags aufweist. Es kommt hinzu, dass der Hauptfrachtführer den von ihm unterzeichneten Frachtbrief - wie auch im Streitfall - oftmals nicht an den Unterfrachtführer weitergibt, sondern im Zusammenhang mit der Übergabe des Gutes an den Unterfrachtführer einen neuen Frachtbrief ausstellt, in dem der Hauptfrachtführer als Absender erscheint und als Ort der Übernahme derjenige Ort ausgewiesen ist, an dem der Unterfrachtführer das Gut selbst übernommen hat (vgl. Koller , Transportrecht aaO vor Art. 34 CMR Rn. 3; MünchKomm.HGB/Jesser-Huß aaO Art. 34 CMR Rn. 7; Schmid in Thume aaO vor Art. 34 Rn. 3). Unterfrachtführer , die im Verlaufe der Beförderung das Gut übernehmen, wissen daher nicht ohne weiteres, wo der Transport seinen Ausgang genommen hat. Der Unterfrachtführer schuldet grundsätzlich nur demjenigen Unternehmen Regress, mit dem er einen Frachtvertrag geschlossen hat. Dem Auftraggeber des Unterfrachtführers ist aber - anders als dem Ursprungsversender - in aller Regel be- kannt, an welchem Ort der Unterfrachtführer das Gut zur Beförderung übernommen hat. Dem klagenden Hauptfrachtführer bereitet es dann keine unzumutbaren Schwierigkeiten, den richtigen Gerichtsort für eine Regressklage gegen den Unterfrachtführer festzustellen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 17. Juli 2008 - 6 U 226/07, unveröffentlicht). Der Regress nehmende Hauptfrachtführer ist daher nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie der Auftraggeber des Gesamttransports , der auf die Einschaltung eines Unterfrachtführers und den im Unterfrachtvertrag vorgesehenen Übernahmeort - anders als der Hauptfrachtführer - regelmäßig keinen Einfluss hat.
21
III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97
21
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
21
Büscher Pokrant Schaffert Kirchhoff Schwonke
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 16.02.2012 - 112 O 18/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 31.01.2013 - I-18 U 48/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2014 - I ZR 36/13

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BESCHLUSS
I ZR 85/00
vom
31. Mai 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
CMR Art. 31 Abs. 1
Die Zuständigkeitsregelungen des Art. 31 Abs. 1 CMR kommen grundsätzlich
auch bei der Geltendmachung von außervertraglichen Ansprüchen, etwa aus
Delikt, zur Anwendung. Das gilt auch dann, wenn ein Unterfrachtführer als bloße
Hilfsperson (Art. 3 CMR) des Hauptfrachtführers von dessen Auftraggeber
bzw. von dem Rechtsnachfolger des Auftraggebers aus Delikt auf Schadensersatz
in Anspruch genommen wird.
Bei Einschaltung mehrerer Frachtführer ist nicht der Ort der Übernahme des
Gutes durch den Unterfrachtführer, sondern der Abgangsort der gesamten Beförderung
Ort der Übernahme i.S. von Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR. Dies gilt auch
für eine von dem ursprünglichen Versender bzw. dessen Rechtsnachfolger gegen
den Unterfrachtführer selbst gerichtete Klage.
BGH, Beschl. v. 31. Mai 2001 - I ZR 85/00 - OLG Köln
LG Aachen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 31. Mai 2001 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die in den beiden ersten Rechtszügen entstandenen Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Kosten der Revision werden der Beklagten zu 2 auferlegt.
Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird für die Zeit bis zum 1. März 2001 auf 138.804,-- DM und für die Zeit danach auf 35.370,46 DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin, Transportversicherer der C. AG in Hannover (im folgenden: Versicherungsnehmerin), nimmt die Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin veräußerte am 17. September 1997 an die C. I. in Mailand 1.258 Autoreifen mit einem Gesamtwert von 136.389.944 italienische Lire. Der Transport sollte CIP Milano mit Auslieferung
an die T. S.p.A. in Mailand erfolgen. Mit der Durchführung des Transports beauftragte die Versicherungsnehmerin die in Belgien ansässige Beklagte zu 1 zu festen Kosten, die ihrerseits die ebenfalls in Belgien betriebsansässige Beklagte zu 2 mit der Beförderung des Gutes nach Mailand betraute. Das Gut wurde am 17. September 1997 in Aachen übernommen, wobei streitig ist, ob dies durch die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 geschah. Auf dem Export-Auslieferungsschein (Anlage K 3) ist u.a. folgendes vermerkt: "Vorstehende Sendung in einwandfreier Beschaffenheit und vollzählig erhalten zu haben , bescheinigt: Aachen, den 17.9.1997 ... Fahrer ... Unterschrift". Streitig ist, ob die Unterschrift von dem Fahrer stammt, der den Transport nach Mailand durchgeführt hat.
Nach seinen Angaben kam der Fahrer am 18. September 1997 gegen 19.00 Uhr bei der Empfängerin in Mailand an. Er stellte den Lkw - die Gründe dafür sind zwischen den Parteien ebenfalls streitig - auf einem an das Gelände der Empfangsfirma angrenzenden Parkplatz ab und begab sich zum Essen. Als er zu dem Parkplatz zurückkehrte, war der Lkw mit der gesamten Ladung gestohlen.
Die Klägerin, die den ihrer Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden ersetzt hat, verlangt von den Beklagten als Frachtführer Ersatz des durch den Verlust des Gutes entstandenen Schadens. Sie hat die Auffassung vertreten , die Beklagte zu 2 könne ebenso wie die Beklagte zu 1 vor dem Landgericht Aachen auf Zahlung in Anspruch genommen werden.
In den Vorinstanzen hatte nur die Klage gegen die Beklagte zu 1 Erfolg. Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage wurde dagegen mangels Zustän-
digkeit des Landgerichts Aachen als unzulässig abgewiesen. Gegen das Berufungsurteil hat nur die Klägerin Revision eingelegt.
In der Revisionsinstanz haben die Klägerin und die Beklagte zu 2 die Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 die Klageforderung nebst Zinsen beglichen hat. Die Klägerin beantragt , der Beklagten zu 2 die sie betreffenden Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Beklagte zu 2 ist dem entgegengetreten.
II. 1. Eine Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsrechtszug erklärt werden (vgl. BGHZ 106, 359, 366; 123, 264, 265 f.). Die Revision war hier vor Abgabe der Erledigungserklärung durch die Klägerin eingelegt worden. Sie war bei Abgabe der Erledigungserklärungen auch noch anhängig , da der Senat sie mit Beschluß vom 2. November 2000 angenommen hatte.
2. Ist der Rechtsstreit danach durch übereinstimmende Erklärung erledigt , hat der Senat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen besteht zu Lasten der Beklagten zu 2 zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, daß die gegen sie gerichtete Klage ebenfalls Erfolg gehabt hätte; dies reicht gemäß § 91a ZPO aus, sie neben der Beklagten zu 1 mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten.

a) Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Aachen für die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage ergab sich im Streitfall aus Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR. Nach dieser Vorschrift kann der Kläger wegen aller Streitigkeiten aus einer der CMR unterliegenden Beförderung die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt. Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die genannte Zuständigkeitsregelung grundsätzlich nicht nur für vertragliche, sondern auch für außervertragliche Ansprüche, etwa aus Delikt, gilt (vgl. Herber/Piper, CMR, Art. 31 Rdn. 4; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., § 31 CMR Rdn. 1 m.w.N.). Ihm ist aber nicht darin beizutreten, daß Art. 31 Abs. 1 CMR nicht zur Anwendung komme, wenn - wie im Streitfall - der Unterfrachtführer als bloße Hilfsperson des Hauptfrachtführers (Art. 3 CMR) von dessen Auftraggeber bzw. dem Rechtsnachfolger des Auftraggebers aus Delikt auf Schadensersatz in Anspruch genommen werde (dagegen auch Helm in GroßkommHGB, 3. Aufl., Art. 31 CMR Rdn. 3; Thume/Demuth, CMR, Art. 31 Rdn. 6 f.; Herber/Piper aaO Art. 31 Rdn. 4, 6).
Der Ansicht des Berufungsgerichts steht bereits der Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 CMR entgegen. Denn nach dem wörtlichen Verständnis der Zuständigkeitsregelung kommt es nicht darauf an, daß zwischen dem Kläger und dem aus Delikt in Anspruch genommenen Unterfrachtführer vertragliche Beziehungen bestehen. Ebensowenig stellt Art. 31 Abs. 1 CMR auf die Anspruchsgrundlage der Klage ab. Entscheidend ist allein, ob die Streitigkeit aus einer der CMR unterliegenden Beförderung entstanden ist, was hier nicht zweifelhaft ist, da der Schaden innerhalb des nach der CMR maßgeblichen Haftungszeitraums (Art. 17 Abs. 1 CMR) eingetreten ist und von einer Person verursacht wurde, für die der Frachtführer haftet (Art. 3 CMR).

Das Normverständnis des Berufungsgerichts steht zudem nicht mit Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 CMR in Einklang, der darin besteht, Streitigkeiten aus der CMR unterliegenden grenzüberschreitenden Beförderungen auf ganz bestimmte Gerichtsstände zu beschränken. Dadurch sollen Klagen aus ein und demselben Beförderungsvertrag vor unterschiedlichen Gerichten verschiedener Staaten vermieden werden. Die Regelung des Art. 31 Abs. 1 CMR ermöglicht es daher den am Frachtvertrag beteiligten Personen, auch mehrere aus ein und demselben Beförderungsvertrag entspringende Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten eines Landes abzuwickeln (ÖOGH Wien TranspR 2000, 34, 35). Würde man einen einheitlichen Gerichtsstand für eine Klage gegen den Frachtführer und dessen Hilfsperson, zu der seitens des Absenders/Empfängers des Gutes keine Vertragsbeziehungen bestehen, verneinen, müßte, wie sich aus Art. 28 Abs. 2 CMR ergibt, das nur mit der außervertraglichen Haftung des Gehilfen befaßte Gericht gegebenenfalls auch die Vorschriften der CMR berücksichtigen und anwenden. Denn nach dieser Vorschrift kann sich ein Unterfrachtführer, für den der Frachtführer gemäß Art. 3 CMR haftet, auf die Bestimmungen der CMR berufen, die die Haftung des Frachtführers ausschließen oder den Umfang der zu leistenden Entschädigung bestimmen oder begrenzen , wenn gegen ihn Ansprüche aus außervertraglicher Haftung für Verlust und Beschädigung des Gutes sowie Überschreitung der Lieferfrist erhoben werden. Ein derartiges Ergebnis liefe zum einen dem Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 CMR zuwider und würde zum anderen die Gefahr divergierender Entscheidungen über ein und denselben Sachverhalt in sich bergen.
Die Anwendbarkeit des Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR scheitert im Streitfall entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht daran, daß streitig geblieben ist, ob die Beklagte zu 2 das Gut bereits in Aachen oder erst in
E. /Belgien von der Beklagten zu 1 übernommen hatte. Denn bei einer Beförderung durch einen Haupt- und einen von diesem beauftragten Unterfrachtführer ist als Übernahmeort i.S. von Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR derjenige Ort anzusehen , an dem das Gut ursprünglich (beim Absender) übernommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Klage gegen den Unterfrachtführer gerichtet ist und dieser das Gut an einem anderen Ort als dem der ursprünglichen Übernahme in seine Obhut genommen hat. Für dieses Verständnis spricht ebenfalls der bereits dargelegte Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregelungen in Art. 31 Abs. 1 CMR (vgl. ÖOGH Wien TranspR 2000, 34, 35 f.; im Ergebnis ebenso Herber/Piper aaO Art. 31 Rdn. 17; a.A. wohl Koller, TranspR 2000, 152 f.). Es kommt hinzu, daß die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 31 CMR keine Differenzierungen nach Art oder Ort des Schadenseintritts vorsieht, so daß es für die Frage der internationalen Zuständigkeit auch nicht darauf ankommen kann, auf welcher Transportstrecke oder auf welche Art und Weise sich ein Schaden ereignet hat. Wesentlich ist zudem, daß der in Art. 31 Abs. 1 lit. b CMR vorgesehene Anknüpfungspunkt für alle am Transport Beteiligten (potentiell Ersatzberechtigte oder Ersatzpflichtige) aus den Papieren unschwer nachvollzogen werden kann (vgl. ÖOGH Wien TranspR 2000, 34, 36).
Danach war das Landgericht Aachen für die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage international zuständig, weil das Gut unstreitig ursprünglich in Aachen von einer der beiden Beklagten übernommen wurde. Durch Art. 1a des Gesetzes zur CMR vom 5. Juli 1989 (BGBl. II, S. 586) ist im übrigen nunmehr der Übernahmeort auch als innerdeutscher Gerichtsstand bestimmt (vgl. Thume , Kommentar zur CMR, Art. 31 Rdn. 25; Herber/Piper aaO Art. 31 Rdn. 10), so daß auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aachen für die Klage gegen die Beklagte zu 2 gegeben war.

b) Das Berufungsgericht hat letztlich offen gelassen, ob die Beklagte zu 2 für den streitgegenständlichen Verlust aus Delikt haftet. Es hat aber im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Haftung der Beklagten zu 1 genügend Umstände dargelegt (BU 15-17), die eine deliktische Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2 als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß das Transportgut - 1.258 Autoreifen - einen erheblichen Wert hatte und leicht absetzbar war. Es war deshalb besonders diebstahlsgefährdet. Des weiteren hat das Berufungsgericht festgestellt, daß aus Presseveröffentlichungen selbst außerhalb des Transportgewerbes weithin bekannt war, daß es zur damaligen Zeit in Norditalien in zahlreichen Fällen zur Entführung von Transportfahrzeugen samt Ladung gekommen ist. Dieser besonderen Diebstahlsgefahr hätten sowohl die Beklagte zu 1 als auch die Beklagte zu 2 durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen entgegenwirken müssen. Das ist jedoch nicht geschehen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß es leichtfertig war, das mit besonders diebstahlsgefährdetem Gut beladene Transportfahrzeug ohne Aufsicht auf dem unbewachten und ungesicherten Parkplatz am Rande des Betriebsgeländes der Empfängerin der Ladung abzustellen, wo es potentiellen Dieben als leicht zugängliches Beuteobjekt ins Auge fallen konnte (vgl. zu dieser Problematik BGH, Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 97/95, TranspR 1998, 65; Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 164/96, TranspR 1999, 59 = VersR 1999, 469).
Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erscheint es daher angemessen , daß auch die Beklagte zu 2 für die Kosten des Rechtsstreits einzustehen hat.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Schaffert
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Von Art. 31 Abs. 1 CMR werden neben den aus dem Frachtvertrag resultierenden Ansprüchen auch außervertragliche Ansprüche, etwa aus unerlaubter Handlung, erfasst, sofern sie mit der Güterbeförderung in einem sachlichen Zusammenhang stehen (BGH TranspR 2001, 452; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., Art. 31 CMR Rdn. 1; Thume/Demuth, CMR, 2. Aufl., Art. 31 Rdn. 7; Herber/Piper, CMR, Art. 31 Rdn. 4, 6).