Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2008 - V ZR 106/07

bei uns veröffentlicht am12.12.2008
vorgehend
Landgericht Dortmund, 3 O 377/04, 28.06.2006
Oberlandesgericht Hamm, 5 U 126/06, 16.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
TEIL-URTEIL UND URTEIL
V ZR 106/07 Verkündet am:
12. Dezember 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Einem Wohngrundstück fehlt die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige
Verbindung mit einem öffentlichen Weg, wenn es nur zu Fuß oder mit dem Fahrrand
über eine öffentliche Fläche erreicht werden kann; in diesem Fall kommt ein
Anspruch des Grundstückseigentümers gegen seine Nachbarn auf Duldung der
Benutzung ihrer Grundstücke zum Befahren mit Kraftfahrzeugen in Betracht, damit
er mit diesen sein Grundstück erreichen kann.

b) Benutzt neben dem Berechtigten auch der duldungspflichtige Grundstückseigentümer
die für einen Notweg in Anspruch genommene Fläche, tragen sie die Unterhaltungskosten
anteilig.
BGH, Teil-Urteil und Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 106/07 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und
die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Widerbeklagten wird das Schlussurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. April 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerbeklagten verurteilt worden sind, es zu unterlassen, den im Nord-Westen vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der W.straße in D. zum Gehen, zum Fahren und in sonstiger Weise zu benutzen. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Widerkläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 28. Juni 2006 zurückgewiesen.
Wegen des zweiten Hilfsantrags der Widerkläger wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn, deren Wohnhäuser planerisch und erschließungsmäßig in Richtung einer Privatstraße ausgerichtet sind, die über den nordwestlichen Teil ihrer Grundstücke und eines weiteren Grundstücks zu einer öffentlichen Straße führt. Die Privatstraße gehört insoweit den jeweiligen Grundstückseigentümern, als sie auf deren Grundstücken verläuft. Im Südosten grenzen die Grundstücke der Parteien an eine städtische Fläche an, die mit einem befestigten Fuß- und Radweg sowie mit einem Grünstreifen versehen ist. An deren östlichem Ende befindet sich ein öffentlicher Parkplatz, der eine Ein- und Ausfahrt zu der öffentlichen Straße hat.
2
Die Widerkläger verlangen von den Widerbeklagten die Unterlassung der Benutzung des Teils der Privatstraße, der sich auf ihrem Grundstück befindet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Widerkläger die Feststellung beantragt, dass die Widerbeklagten nicht berechtigt sind, den im Nord-Westen vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der Privatstraße zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu nutzen. Hilfsweise haben sie die Verurteilung der Widerbeklagten verlangt, es zu unterlassen, den im Nord-Westen vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der Privatstraße zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu nutzen. Weiter hilfsweise haben die Widerkläger die Verurteilung der Widerbeklagten zur Zahlung von 200 € pro Monat für die Benutzung ihres Teils der Privatstraße beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und dem ersten Hilfsantrag stattgegeben.
3
Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Widerkläger beantragen, wollen die Widerbeklagten die vollständige Zurückweisung der Berufung der Widerkläger gegen das erstinstanzliche Urteil erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der erste Hilfsantrag nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet; die Widerkläger müssten die Benutzung des ihnen gehörenden Teils der Privatstraße durch die Widerbeklagten nicht dulden. Eine Benutzungsdienstbarkeit sei nicht bestellt worden. Die Existenz einer altrechtlichen Dienstbarkeit, welche bestehen geblieben sei, hätten die Widerbeklagten nicht dargelegt. Aus dem Gesichtspunkt der unvordenklichen Verjährung lasse sich eine Benutzungsberechtigung der Widerbeklagten nicht herleiten. Soweit in der bisherigen Benutzung der Straße schuldrechtlich ein Leihverhältnis zu sehen sei, sei dieses spätestens mit der Erhebung der Widerklage gekündigt worden. Auch aus gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergebe sich keine Duldungspflicht der Widerkläger. An einem Notwegrecht der Widerbeklagten fehle es, weil sie die öffentliche Straße durch ihr Gartentor, welches an die städtische Fläche angrenze, erreichen könnten. Schließlich ergebe sich eine Duldungspflicht der Widerkläger nicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, weil besondere Umstände, welche einen über die gesetzliche Regelung hinausgehenden billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheinen ließen, weder vorgetragen noch ersichtlich seien.
5
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.

II.

6
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe die Rechtskraft des in erster Instanz zugunsten der Widerbeklagten ergangenen Teil-Anerkenntnisurteils nicht beachtet, mit dem diesen erlaubt worden sei, zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an der Grenzwand ihres Hauses das Grundstück der Widerkläger zu betreten. Denn zum einen wirkt diese Entscheidung nicht gegen die seinerzeit noch nicht an dem Rechtsstreit beteiligte Widerklägerin zu 1. Zum anderen hindert das Berufungsurteil die Widerbeklagten nicht, das Teil-Anerkenntnisurteil durchzusetzen. Dass sie den Teil der Straße, der auf dem Grundstück der Widerkläger verläuft, für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten benutzen müssen, haben sie nicht vorgetragen.
7
2. Im Ergebnis ebenfalls erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe seiner Verhandlung und Entscheidung weder nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die von dem Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde gelegt noch selbst nach §§ 525 Satz 1, 355, 398, 402 i.V.m. §§ 371, 144 ZPO erneute Feststellungen getroffen.
8
a) Das Berufungsgericht musste die erstinstanzliche Augenscheinseinnahme nicht wiederholen; auch musste es den von dem Landgericht bestellten Sachverständigen nicht erneut anhören. Es hat nämlich insoweit keine von dem Landgericht abweichende Feststellungen getroffen, sondern aus den Feststellungen lediglich einen anderen rechtlichen Schluss gezogen.
9
b) Die Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen, die sich die Widerbeklagten zu Eigen gemacht haben, durfte das Berufungsgericht jedoch nicht - wie geschehen - abweichend von dem Landgericht würdigen, ohne die Widerbeklagten zuvor rechtzeitig auf die beabsichtigte Abweichung hingewiesen und gegebenenfalls den Zeugen erneut vernommen zu haben (vgl. BVerfG NJW 2003, 2524). Dieser Verfahrensverstoß wirkt sich jedoch nicht auf die angefochtene Entscheidung aus. Denn selbst wenn man die Aussage des Zeugen zu der Anlegung der Privatstraße in den Jahren 1936/1937 und deren spätere Benutzung in Übereinstimmung mit dem Landgericht dahingehend würdigt, dass die damaligen Grundstückseigentümer einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben, kann nicht festgestellt werden, dass die Widerkläger aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit zur Duldung der Benutzung des ihnen gehörenden Teils der Straße durch die Widerbeklagten verpflichtet sind. Denn weder haben diese vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die Widerkläger bei dem Erwerb ihres Grundstücks im Jahr 1994 in eine etwaige Gesellschafterstellung ihres Rechtsvorgängers eingetreten sind. Darüber hilft die von dem Landgericht herangezogene Vorschrift des § 746 BGB nicht hinweg. Sie gilt nicht für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern nur für die Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB). Diese ist hier jedoch nicht gegeben, weil die Privatstraße nicht ungeteilt den drei Grundstückseigentümern gemeinschaftlich zusteht. Aus einer Vereinbarung zwischen den Widerklägern und dem dritten Grundstückseigentümer über die Verteilung der für die Privatstraße anfallenden Unterhaltungskosten können die Widerbeklagten zu ihren Gunsten ebenfalls nichts herleiten.
10
3. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Widerbeklagten unter Verletzung von § 139 ZPO nicht darauf hingewiesen , dass es der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts nicht folgen werde. Zwar darf eine in erster Instanz siegreiche Partei grundsätzlich darauf vertrauen , dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will (siehe nur BGH, Beschl. v. 15. Februar 2005, XI ZR 144/03, BGH-Report 2005, 936, 937 m.w.N.) und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senat, Urt.
v. 21. Oktober 2005, V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236). Aber dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos; eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts besteht nicht, wenn die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in dem bisherigen Verfahren bereits erörtert wurden (Senat, aaO). So liegt es hier. Die möglichen Rechtsgrundlagen für ein Benutzungsrecht der Widerbeklagten und das Problem, ob eine ausreichende andere Zuwegung zu ihrem Grundstück besteht, waren nach dem Tatbestand des Berufungsurteils sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz die zentralen Fragen des Rechtsstreits und damit Gegenstand der mündlichen Verhandlungen.
11
4. Erfolglos rügt die Revision ebenfalls, das Berufungsgericht habe entgegen § 279 Abs. 3 ZPO das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht mit den Parteien erörtert. Dies verkennt, dass die genannte Vorschrift ausschließlich das Prozessgericht verpflichtet, vor dem die Beweisaufnahme erfolgt ist oder welches sie angeordnet hat (§ 285 ZPO). Unterbleibt die Erörterung in der ersten Instanz, worauf es hier mangels Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht allenfalls ankommt, kann das auf entsprechende Rüge zur Aufhebung des Urteils durch das Berufungsgericht führen. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Die Widerbeklagten haben keine entsprechende Rüge in der Berufungsinstanz aufgezeigt und demgemäß keinen damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensfehler des Berufungsgerichts beanstandet.
12
5. Ohne Erfolg wendet die Revision auch ein, dass das Berufungsgericht das Bestehen einer altrechtlichen Dienstbarkeit zugunsten der Widerbeklagten verneint hat. Denn wenn die Häuser der Parteien - nach dem Vortrag der Widerbeklagten - in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts gebaut worden sind, fehlt es an dem für das Entstehen einer Dienstbarkeit durch Ersitzung vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 nach dem damals maßgeblichen Preußischen Allgemeinen Landrecht notwendigen Erforder- nis der wenigstens 30 Jahre langen und ununterbrochen ausgeübten Inanspruchnahme des Rechts (ALR Teil I Titel 9 § 625 i.V.m. ALR Teil I Titel 22 §§ 13, 14).
13
6. Die Beanstandung der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Widmung der Privatstraße aufgrund unvordenklicher Verjährung verneint , bleibt ebenfalls erfolglos.
14
a) Die unvordenkliche Verjährung liefert den Beweis für eine in früherer Zeit von der zuständigen Obrigkeit ausdrücklich oder stillschweigend erteilte Verleihung. Dafür ist es erforderlich, dass der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren als Recht besessen worden ist und dass weitere 40 Jahre vorher keine Erinnerung an einen anderen Zustand seit Menschengedenken bestand (Senat, BGHZ 16, 234, 238 m.w.N.).
15
b) Danach ist hier keine Widmung der Privatstraße für den Gemeingebrauch kraft unvordenklicher Verjährung gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der 40-Jahre-Zeiträume ist das Inkrafttreten des Straßenund Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1962. Davon geht auch die Revision aus. Somit begann der erste Zeitraum im Jahr 1882 zu laufen. Dass damals die Fläche, auf der heute die Privatstraße verläuft, als Zuwegung zu den Grundstücken der Parteien diente, kann jedoch nicht festgestellt werden. Denn die Widerbeklagten gehen selbst davon aus, dass eine entsprechende Nutzung erst mit der Errichtung der Häuser in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts begann.
16
7. Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe fehlerhaft den Widerbeklagten deren Recht nach § 24 NachbG NRW aberkannt , den im Eigentum der Widerkläger stehenden Straßenabschnitt zur Durchführung von Bau- und Instandsetzungsarbeiten zu benutzen. Um diese Art der Benutzung geht es hier nicht. Das sogenannte Hammerschlag- und Leiterrecht kann dem Nachbarn auch nicht im Voraus zuerkannt, sondern muss von diesem im Einzelfall geltend gemacht werden. Soweit es um die von den Widerbeklagten beabsichtigten Maßnahmen an ihrer Grenzwand geht, streitet für sie das Anerkenntnisurteil vom 13. Oktober 2004. Dass sie für diese Maßnahmen auch den den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitt benutzen müssen, haben die Widerbeklagten nicht vorgetragen.
17
8. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht ein Notwegrecht der Widerbeklagten nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlerhaft verneint hat. Die Verbindung ihres Grundstücks mit der öffentlichen Straße über den auf der angrenzenden städtischen Fläche verlaufenden Rad- und Fußweg genügt nämlich nicht den Anforderungen an eine zur ordnungsmäßigen Grundstücksnutzung notwendigen Verbindung.
18
a) Allerdings begründet der von der Revision hervorgehobene Gesichtspunkt , dass das Grundstück der Widerbeklagten spätestens seit den Jahren 1936/1937 über die Privatstraße - auch mit Lastkraftwagen - angefahren werde, keine Duldungspflicht der Widerkläger. Die langjährige Grundstücksnutzung in einer von dem Nachbarn ermöglichten bestimmten Art und Weise bildet keine Grundlage für die Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des verbindungslosen Grundstücks i.S. von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn diese beurteilt sich allein nach objektiven Gesichtspunkten und nicht nach persönlichen Bedürfnissen des Grundstückseigentümers (Senat, Urt. v. 26. Mai 1978, V ZR 72/77, WM 1978, 1293, 1294).
19
b) Auch der Umstand, dass sich auf dem Grundstück der Widerbeklagten drei Garagen befinden, begründet für sich allein kein Notwegrecht. Dieser Zustand ist wiederum die Folge der persönlichen Bedürfnisse der Widerkläger.
Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen in den Garagen für die ordnungsmäßige Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig (a.A. OLG Frankfurt a.M. ZfIR 2000, 124, 126 zu einer Weg-Anlage mit Tiefgaragenund Stellplätzen).
20
c) Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - aus dem Urteil des Senats vom 15. April 1964 (V ZR 134/62, NJW 1964, 1321). Zwar ist dort ausgeführt, dass den Maßstab für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Grundstücksbenutzung die Bedürfnisse einer praktischen Wirtschaft bilden, wobei es jeweils auf die Benutzungsart und Größe des Grundstücks , seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls ankommt; dies steht jedoch unter dem Obersatz, dass es sich nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt, ob eine Grundstücksbenutzung ordnungsmäßig ist (Senat, Urt. v. 15. April 1964, V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322).
21
d) Auch die Überlegung, dass das Befahren der Privatstraße durch die Widerbeklagten im Einzelfall notwendig sein könne, z.B. bei Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück oder bei Transporten schwerer Güter, führt nicht zu einem Notwegrecht. In solchen Fällen käme unter den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ein zeitlich befristeter Duldungsanspruch in Betracht.
22
e) Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft das Vorhandensein einer zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks der Widerbeklagten notwendigen Verbindung mit einem öffentlichen Weg (§ 917 Abs. 1 Satz 1 BGB) bejaht.
23
aa) Zuzugeben ist allerdings, dass dem Grundstück die Verbindung mit einem öffentlichen Weg nicht völlig fehlt. Denn es grenzt an seiner südöstlichen Gartenseite an die städtische Fläche, über die ein öffentlicher Fuß- und Radweg verläuft; über diesen ist ein öffentlicher Parkplatz zu erreichen, welcher eine Ein- und Ausfahrt zu der öffentlichen Straße hat. Das steht einem Duldungsanspruch der Widerbeklagten jedoch nicht von vornherein entgegen. Denn er kommt auch in Betracht, wenn eine vorhandene Verbindung für die ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks nicht ausreicht (Senat, Urt. v. 11. Juni 1954, V ZR 20/53, NJW 1954, 1321).
24
bb) Das ist hier der Fall. Es ist nämlich weder vorgetragen noch ersichtlich , dass das Grundstück der Widerbeklagten über die städtische Fläche mit Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. Diese Erreichbarkeit ist jedoch bei einem Wohngrundstück in der Regel notwendig. Beispielsweise sei auf die Versorgung mit Energie (Öllieferung) und die Entsorgung von Müll hingewiesen. Ebenfalls zur ordnungsmäßigen Benutzung gehört die Möglichkeit, sein Wohngrundstück mit dem eigenen Kraftfahrzeug anfahren zu können. Das gilt jedenfalls dann, wenn es - wie hier - nicht lediglich um das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen geht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von dem, welcher der Entscheidung des Senats vom 9. November 1979 (BGHZ 75, 315) zugrunde lag, auf die sich das Berufungsgericht für seine Auffassung auch gestützt hat. Dort grenzte das Grundstück nämlich an eine öffentliche Straße; es konnte mit Kraftfahrzeugen angefahren werden, die wegen der baulichen Gegebenheiten mangels Zufahrtmöglichkeit lediglich nicht auf dem Grundstück abgestellt werden konnten. Hier können die Widerbeklagten ihr Grundstück jedoch nicht über die an die Gartenseite angrenzende städtische Fläche mit Kraftfahrzeugen erreichen, sondern ausschließlich über die Privatstraße. Die vorhandene Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg lässt es nur zu, es zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Dieser Zustand beeinträchtigt die Grundstücksnutzung in einem nicht mehr hinnehmbaren Maß; denn er verhindert die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bewohner wie z.B. die problemlose Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs sowie die sichere Erreichbarkeit des Grundstücks. Das steht der ordnungsmäßigen Benutzung als Wohngrundstück entgegen (vgl. PWW/Lemke, BGB, 3. Aufl. § 917 Rdn. 7).
25
9. Die Widerbeklagten können nicht verlangen, dass ihnen die Benutzung des den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitts entschädigungslos gestattet wird. Vielmehr müssen sie zum einen die Kosten der Unterhaltung dieses Straßenteils anteilig tragen (PWW/Lemke, aaO, § 917 Rdn. 21); denn zur Unterhaltung des Notwegs ist der Duldungspflichtige grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH, Urt. v. 6. April 1995, III ZR 27/94, WM 1995, 1195, 1198). Zum anderen müssen die Widerbeklagten an die Widerkläger nach § 917 Abs. 2 BGB eine Geldrente zahlen. Diesen Anspruch haben die Widerkläger mit ihrem zweiten Hilfsantrag geltend gemacht.
26
Der von dem Prozessbevollmächtigten der Widerkläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 1981 (MDR 1981, 932) angesprochene Gesichtspunkt der Verwirkung des Duldungsanspruchs der Widerbeklagten kommt nicht zum Tragen. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen , dass sie sich aus nicht zu billigenden Gründen generell geweigert haben , sich an den Unterhaltungskosten zu beteiligen.

IV.

27
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit es zum Nachteil der Widerbeklagten ergangen ist. Hinsichtlich des ersten Hilfsantrags ist die Sache zur Endentscheidung reif, so dass der Senat selbst zu entscheiden hat (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt insoweit zur Zurückweisung der Berufung der Widerkläger. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es über den zweiten Hilfsantrag befinden kann, indem es die von den Widerbeklagten geschuldete Rentenhöhe ermittelt (siehe dazu Senat, BGHZ 113, 32). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 28.06.2006 - 3 O 377/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 16.04.2007 - 5 U 126/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2008 - V ZR 106/07

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neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Der Beweis durch Augenschein wird durch Bezeichnung des Gegenstandes des Augenscheins und durch die Angabe der zu beweisenden Tatsachen angetreten. Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand des Beweises, wird der Beweis durch Vorlegung oder Übermittlung der Datei angetreten.

(2) Befindet sich der Gegenstand nach der Behauptung des Beweisführers nicht in seinem Besitz, so wird der Beweis außerdem durch den Antrag angetreten, zur Herbeischaffung des Gegenstandes eine Frist zu setzen oder eine Anordnung nach § 144 zu erlassen. Die §§ 422 bis 432 gelten entsprechend.

(3) Vereitelt eine Partei die ihr zumutbare Einnahme des Augenscheins, so können die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit des Gegenstandes als bewiesen angesehen werden.

(1) Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins sowie die Hinzuziehung von Sachverständigen anordnen. Es kann zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten die Vorlegung eines in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Gegenstandes aufgeben und hierfür eine Frist setzen. Es kann auch die Duldung der Maßnahme nach Satz 1 aufgeben, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist.

(2) Dritte sind zur Vorlegung oder Duldung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.

(3) Die Vorschriften, die eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstand haben, sind entsprechend anzuwenden.

Haben die Teilhaber die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands geregelt, so wirkt die getroffene Bestimmung auch für und gegen die Sondernachfolger.

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden, sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, die Vorschriften der §§ 742 bis 758 Anwendung (Gemeinschaft nach Bruchteilen).

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 144/03
vom
15. Februar 2005
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Müller, Dr. Wassermann, Dr. Appl und
Dr. Ellenberger
am 15. Februar 2005

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des Einzelrichters des 15. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. März 2003 zugelassen.
Auf das Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters des 15. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 143.161,73 €

Gründe:


I.


Der Kläger wendet sich im Wege der Vollstreckungsg egenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.
Die beklagte Bank gewährte dem Kläger zwischen 198 8 und 1991 acht durch Grundschulden über insgesamt 2.380.000 DM gesicherte Kredite mit unterschiedlichen Zinsfestschreibungszeiträumen.
Im Zusammenhang mit der Veräußerung des belasteten Grundstücks trafen die Parteien zur vorzeitigen Ablösung von Krediten im Februar 1996 eine Vereinbarung, nach der die Beklagte die offenen Kreditbeträge und die von ihr verlangte Vorfälligkeitsentschädigung von 113.995 DM von einem ihr verpfändeten Konto des Klägers anfordern sollte und in der sich der Kläger unter anderem verpflichtete, zur Sicherstellung der nach der Ablösung verbleibenden Kredite eine Grundschuld über 280.000 DM auf einem anderen ihm gehörenden Grundstück eintragen zu lassen. Dabei behielt sich der Kläger vor, die Angemessenheit der von der Beklagten verlangten Vorfälligkeitsentschädigung gerichtlich überprüfen zu lassen.
Vereinbarungsgemäß bestellte der Kläger mit notari eller Urkunde vom 6. März 1996 die Grundschuld über 280.000 DM, übernahm in gleicher Höhe die persönliche Haftung und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung in das belastete Grundeigentum sowie sein persönliches Vermögen.

Ferner überwies der Kläger zur Erfüllung seiner Ve rpflichtung aus der Ablösungsvereinbarung einen Betrag ohne die von der Beklagten verlangte Vorfälligkeitsentschädigung. Nachdem die Beklagte die Zahlung des Restbetrages erfolglos angemahnt hatte, überwies sie den vom Kläger gezahlten Betrag zurück und vertrat in der Folgezeit die Auffassung , daß sie wirksam von der Ablösungsvereinbarung zurückgetreten sei.
Nach wechselseitiger Kündigung der Geschäftsbezieh ung durch die Parteien im August 1999 betreibt die Beklagte die Zwangsvollstrekkung aus der notariellen Urkunde vom 6. März 1996. Sie hat die ihr zustehende Gesamtforderung zuletzt auf 775.994,32 DM für den Fall eines wirksamen Rücktritts von der Ablösungsvereinbarung und der Fortführung sämtlicher Kredite bis August 1999 berechnet. Für den Fall des Fortbestandes der Ablösungsvereinbarung beziffert sie ihre Gesamtforderung hilfsweise auf 352.358,24 DM. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit der Forderungsberechnung der Beklagten und rechnet hilfsweise mit Gegenforderungen auf.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Be rufsgericht hat sie abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur Begründung seiner vom Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die vom Kläger aufgenommenen Kredite seien auf der Grundlage der wirksamen fortbestehenden Ablösungsvereinbarung der Parteien abzurechnen. Die Beklagte habe ihrer Darlegungslast zum Bestand der ge-
sicherten Forderungen jedenfalls nach dem ersten Verhandlungstermin im Berufungsverfahren genügt. Sie habe mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2002 schlüssig vorgetragen, daß ihre Forderung bei Fortbestehen der Ablösungsvereinbarung am 28. Mai 2002 352.358,24 DM betragen habe. Der Kläger habe die Abrechnung zwar in einzelnen Punkten beanstandet. Er habe aber bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar dargelegt, ob und in welcher Höhe die Forderung der Beklagten nach seiner Auffassung berechtigt sei. Dies gehe zu seinen Lasten. Ein Gericht sei - jedenfalls wenn ein umfängliches Rechenwerk zu erstellen sei - nicht verpflichtet, rechnerisch einen Parteivortrag aufzuarbeiten. Soweit der Kläger hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen bzw. Gegenforderungen die Aufrechnung erklärt habe, habe er jedenfalls die Höhe der Ansprüche nicht schlüssig dargelegt.
Der nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingega ngene, nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers habe nicht berücksichtigt werden können (§ 296a ZPO). Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sei nicht geboten. Im zweiten Verhandlungstermin des Berufungsverfahrens sei ausführlich erörtert worden, daß der Kläger nachvollziehbar darzulegen habe, ob und in welcher Höhe eine Forderung der Beklagten bestehe. Das von ihm in diesem Termin vorgelegte Rechenwerk sei aus sich heraus nicht verständlich gewesen.

II.


Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZP O zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Ur-
teil den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Aus demselben Grund ist das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
1. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem an einem g erichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfGE 60, 175, 210; 64, 135, 143; 86, 133, 144). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, daß der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Ein Gericht verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f.; 108, 341, 345 f.; BVerfG NJW 1994, 1274 und NJW 2003, 2524).

a) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hi er verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, daß das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will (§ 139 ZPO). Außer zur Hinweiserteilung ist das Berufungsgericht auch verpflichtet, der betroffenen Partei Gelegen-
heit zu geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 1993 - XI ZR 141/92, NJW-RR 1994, 566, 567, vom 27. April 1994 - XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824, vom 27. November 1996 - VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441, vom 8. Februar 1999 - II ZR 261/97, WM 1999, 1379, 1380 und vom 21. Dezember 2004 - XI ZR 17/03, Umdruck S. 6; ebenso BVerfG NJW 1992, 678, 679 und NJW 2003, 2524). Hat ein Gericht erst in der mündlichen Verhandlung einen erforderlichen Hinweis erteilt, ist es zur Wiedereröffnung der bereits geschlossenen mündlichen Verhandlung verpflichtet, wenn die Partei hierauf entscheidungserhebliches Vorbringen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vorträgt (st.Rspr. zu § 156 a.F.: BGH, Urteile vom 7. Oktober 1992 - VIII ZR 199/91, WM 1993, 177, 178, vom 8. Februar 1999 - II ZR 261/97, WM 1999, 1379, 1381; nunmehr § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Hiergegen hat das Berufungsgericht verstoßen. Es i st noch im ersten Verhandlungstermin in Übereinstimmung mit dem landgerichtlichen Urteil davon ausgegangen, daß die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht entsprochen habe, hat deshalb die mündliche Verhandlung geschlossen und Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Erst auf das weitere Vorbringen der Beklagten hin hat es die Verhandlung wiedereröffnet und im zweiten Verhandlungstermin erstmalig den Kläger darauf hingewiesen, daß es den Vortrag der Beklagten nunmehr als schlüssig erachte und daß es jetzt die Aufgabe des Klägers sei, nachvollziehbar darzulegen, ob und in welcher Höhe bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung eine Forderung der Beklagten bestehe. Da der Kläger auf diesen Hinweis im Verhandlungstermin nicht angemessen reagieren konnte, hätte das Berufungsgericht ihm ausreichend Gelegenheit zur Er-
gänzung seines Vorbringens geben müssen, indem es ihm entweder eine Schriftsatzfrist bewilligte oder sogleich einen neuen Verhandlungstermin anberaumte. Jedenfalls hätte es auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers hin, der die geforderte Abrechnung des Klägers enthielt , die mündliche Verhandlung wieder eröffnen müssen.

b) Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Kläge rs auf rechtliches Gehör auch in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO). Der Kläger hat in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz eine Abrechnung vorgelegt, die mit einem Saldo zu seinen Gunsten abschließt. Bei Berücksichtigung dieses Vortrages hätte das Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus die Angriffe des Klägers gegen die Abrechnung der Beklagten in der Sache prüfen müssen und wäre möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt (vgl. dazu BVerfGE 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f.).
2. Die Verletzung des Klägers in seinem Anspruch a uf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Dabei hat der Senat von der auch und gerade im Anwendungsbereich des § 544 Abs. 7 ZPO bestehenden Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hinge wiesen: Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur fortbestehenden Wirksamkeit der Ablösungsvereinbarung vom 1./27. Februar 1996 begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Bei der Abrechnung der Kredite der Beklagten auf der Grundlage dieser Vereinbarung wird zu beachten sein, daß nicht die
Beklagte, sondern der Kläger für das Nichtbestehen der gesicherten Forderungen darlegungs- und beweisbelastet ist, da es bezogen auf die am 6. März 1996 bestellte Grundschuld nicht um künftige Forderungen geht (vgl. BGHZ 109, 197, 204; Senatsurteil vom 18. Februar 1992 - XI ZR 134/91, WM 1992, 566). Soweit es auf die vom Kläger erklärte Hilfsaufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichtfreigabe des Restbetrages auf dem der Beklagten verpfändeten Konto ankommen sollte, wird die Rechtskraft des Urteils des Kammergerichts vom 20. März 2000 (12 U 3985/98) zu berücksichtigen sein.
Nobbe Müller Wassermann
Appl Ellenberger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 169/04 Verkündet am:
21. Oktober 2005
Wilms
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 242 Ce, 862 Abs. 1, 906, 1004 Abs. 1

a) Sollen mit dem aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Unterlassungsanspruch
wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen
auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus; die im Rahmen
des Einwands der Verwirkung für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche
Frist beginnt jeweils neu zu laufen.

b) Das Fehlen einer notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung stellt für die
Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nur ein Kriterium von mehreren
dar. Entscheidend ist eine Würdigung aller Umstände, ausgerichtet am Empfinden
eines "verständigen Durchschnittsmenschen", insbesondere unter Berück-
sichtigung der nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Grenz- oder
Richtwerte.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 - OLG Stuttgart
LG Rottweil
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 2 ist Nießbrauchsberechtigte eines Hausgrundstücks, welches sie seit 1991 mit dem Kläger zu 1, ihrem Ehemann, bewohnt. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich das Grundstück der Beklagten , die dort ein von ihrem verstorbenen Ehemann übernommenes Fuhrunternehmen betreibt.
2
Der Ehemann der Beklagten erhielt 1970 die Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses mit zwei Pkw-Garagen und zwei Lkw-Garagen „als Fuhrgeschäft“ sowie für eine oberirdische Heizöllagerung von 12.000 Litern. Das Wohnhaus mit den zwei Pkw-Garagen wurde erstellt, die beiden Lkw-Garagen hingegen nicht. Statt dessen legte der Ehemann der Beklagten Abstellplätze für bis zu drei Lkw an. Er errichtete zudem eine 1972 nachträglich zugelassene Eigenverbrauchstankstelle, die inzwischen stillgelegt wurde. Von einer 1978 erteilten Genehmigung für den Neubau einer Montagegrube machte er keinen Gebrauch. Heute besteht der Fuhrpark aus zwei oder drei Lastkraftwagen, davon mindestens zwei Tanklastzügen, die als Gefahrguttransporter eingesetzt werden.
3
Seit 1998 wenden sich die Kläger mit zahlreichen Eingaben an Behörden und an den Petitionsausschuss des Landtags Baden-Württemberg sowie mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage vergeblich gegen den - zeitweilig bis zu acht Lastkraftwagen umfassenden - Fuhrbetrieb. Sie fühlen sich durch Anund Abfahrten der Lastzüge, durch Dieselabgase und insbesondere durch an Samstagen ausgeführte Wartungs- und Reparaturarbeiten beeinträchtigt.
4
Das Landgericht hat die vorliegende Klage, mit der die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Benutzung ihres Grundstücks als Fuhrbetrieb mit Tanklastzügen und Hängerzügen sowie für die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten verlangen, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist es bei der Prüfung der Wesentlichkeit und der Ortsüblichkeit von Immissionen ein sachgerechter Ansatz, ob die emittierende Anlage mit oder ohne behördliche Genehmigung betrieben wird. Ein nicht genehmigter Betrieb könne nicht ortsüblich sein. Das Fehlen der notwendigen Genehmigung spreche zudem so lange für eine Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks, wie nicht feststehe, dass die Anlage ohne Einschränkungen genehmigungsfähig sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in einem zwischen den Klägern und der Gemeinde geführten Rechtsstreit sei der gesamte Fuhrbetrieb der Beklagten materiell baurechtswidrig und in seiner Ausprägung nicht genehmigungsfähig. Damit sei nach den von dem Bundesgerichtshof aufgestellten Darlegungs - und Beweisregeln vorgegeben, dass von dem Betrieb der Beklagten Einwirkungen ausgingen, welche die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigten. Da die Genehmigungsfähigkeit einer typisierenden Betrachtung folge, komme es nicht darauf an, ob hier Lärmschutzvorschriften eingehalten seien. Ob Immissionsunterlassungsansprüche verwirkt werden könnten, brauche nicht entschieden zu werden, denn die Voraussetzungen für eine Verwirkung lägen nicht vor.
6
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


7
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 139 ZPO verstoßen habe. Entgegen ihrer Ansicht war es nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der möglichen Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ihren Vortrag zu dem sogenannten Umstandsmoment für nicht ausreichend hielt.
8
Zwar trifft es zu, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen kann, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urt. v. 27. April 1994, XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824 m.w.N.). Aber diese Situation war hier nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht, wie die Beklagte meint, die Klageabweisung (auch) damit begründet, die Kläger müssten sich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen. Vielmehr hat es den Gesichtspunkt der Verwirkung lediglich angesprochen, ohne darüber eine Entscheidung zu treffen. Zudem bestand für das Berufungsgericht auch deshalb keine Hinweispflicht , weil das Problem der Verwirkung von Beginn an eine der zentralen Fragen des Rechtsstreits und auch Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war; dabei hat es den Parteien den weiteren Verfahrenslauf aufgezeigt, falls der Gesichtspunkt der Verwirkung nicht zum Tragen kommen sollte. Bei dieser Sachlage war die Beklagte auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, umfassend zu den beiden Elementen der Verwirkung, dem Zeit- und dem Umstandsmoment, vorzutragen. Außerdem schließt die Vorgehensweise des Berufungsgerichts die Annahme aus, es habe eine Überraschungsentscheidung zu Lasten der Beklagten getroffen.
9
2. Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, der Anspruch der Kläger gegen die Beklagte sei verwirkt. Allerdings kann hier offen bleiben, ob - wie das Berufungsgericht gemeint hat - das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt ist; denn es fehlt an dem ebenfalls notwendigen Zeitmoment.
10
a) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (ständige Rechtsprechung, siehe nur Senat, BGHZ 122, 308, 315 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14. November 2002, VII ZR 23/02, NJW 2003, 824). Die Verwirkung ist somit ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB); sie kann im gesamten Privatrecht eingewendet werden (Senat, BGHZ 122, 308, 314). Verwirkt werden können nur subjektive Rechte, weil nur bei ihnen davon gesprochen werden kann, ihre Ausübung stehe in Widerspruch zu der länger andauernden Nichtausübung, die bei dem Schuldner einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet hat (BGH, Beschl. v. 1. Juli 1994, BLw 95/93, WM 1994, 1944, 1945). Der Verwirkung unterliegen dingliche Rechte nicht, wohl aber die daraus folgenden Ansprüche (Bamberger /Roth/Grüneberg, BGB, § 242 Rdn. 163; MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdn. 298; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 242 Rdn. 107; Soergel /Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 335; Staudinger/J. Schmidt, BGB [1995], § 242 Rdn. 538). Mithin bestehen keine Bedenken, auch die aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach §§ 862 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB dem Einwand der Verwirkung auszusetzen (vgl. Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556).
11
b) Bei Unterlassungsansprüchen der hier vorliegenden Art ist zu unterscheiden : Sollen wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus (Bamberger/Roth/Grüneberg, aaO; Palandt/Heinrichs, aaO; ebenso RG JW 1935, 1775 für den Schadensersatzanspruch). Die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es in der Regel - mit Ausnahme besonders langer Unterbrechungen - an dem Zeitmoment fehlt. Ob das auch für die Abwehr ununterbrochen andauernder Einwirkungen gilt (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301 für den Beginn der Ausschlussfrist des § 864 Abs. 1 BGB), kann offen bleiben. Solche Immissionen sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
12
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks durch Immissionen angenommen, die von dem Grundstück der Beklagten herrühren. Die Feststellungen in dem Berufungsurteil rechtfertigen das nicht.
13
a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht - stillschweigend - davon ausgegangen, dass den Klägern ein Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 1065 BGB gegen die Beklagte als Betreiberin des störenden Fuhrunternehmens zustehen kann; richtig ist auch, dass ein solcher Anspruch nicht nach § 864 Abs. 1 BGB durch Fristablauf erloschen und die Zulässigkeit der Immissionen am Maßstab des § 906 BGB zu messen ist (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301).
14
b) Fehlerhaft hat das Berufungsgericht aber den Vortrag der Beklagten für unerheblich gehalten, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der in den Vorschriften der TA-Lärm für Mischgebiete enthaltenen Grenzwerte. Das zeigt, dass das Berufungsgericht die für seine Ansicht herangezogene Rechtsprechung des Senats missverstanden hat. Es hat die für den Erfolg des Unterlassungsanspruchs notwendige Unterscheidung zwischen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks und einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB) verkannt. In seinem Urteil vom 30. Oktober 1998 hat der Senat nicht den Grundsatz aufgestellt, dass die von einem Betrieb auf ein Nachbargrundstück einwirkenden Immissionen als wesentlich anzusehen sind, wenn dieser bauplanungsrechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist; vielmehr hat er es lediglich für rechtlich unbedenklich gehalten, bei der Erheblichkeitsprüfung die Tatsache mit zu berücksichtigen, dass die für den Betrieb notwendige behördliche Genehmigung fehlt (BGHZ 140, 1, 6 f.). Hinsichtlich der ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks hat der Senat entschieden, dass eine vorhandene Genehmigung nicht automatisch die Ortsüblichkeit begründet, sondern dafür nur einen Anhalt bietet; das Fehlen einer notwendigen Genehmigung schließt allerdings die Ortsüblichkeit aus (BGHZ 140, 1, 9), jedenfalls dann, wenn es auch an der Genehmigungsfähigkeit fehlt (vgl. Wenzel, NJW 2005, 241, 245). Das verdeutlicht, dass bei der für die Feststellung der Wesentlichkeit erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände das Fehlen der öffentlich-rechtlichen Genehmigung nur ein einzelnes Kriterium ist. Es kann zu dem Ergebnis führen, dass die von dem Betriebsgrundstück ausgehenden Emissionen die Benutzung des Nachbargrundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen und deshalb kein Unterlassungsanspruch des Nachbarn besteht. Dass der Betrieb aus öffentlich-rechtlichen Gründen wegen fehlender Genehmigung nicht aufrechterhalten bleiben dürfte, ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks somit nicht von alleiniger Bedeutung. Maßgeblich bleibt, ob im konkreten Fall von dem Betrieb Immissionen ausgehen, die sich nach dem Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" als wesentlich darstellen (Senat BGHZ 148, 261, 264 m.w.Nw.). Dabei können die nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Regelwerke, in denen Grenz- oder Richtwerte für Immissionen festgelegt sind, nicht außer Betracht gelassen werden.
15
4. Unter diesen Gesichtspunkten wird das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der maßgeblichen Grenzwerte.
16
a) Trifft das zu, ist zunächst von der Unwesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung für die Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks auszugehen (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB); es ist dann Sache der Kläger, Umstände darzulegen und zu beweisen, welche diese Indizwirkung erschüttern (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Dazu haben sie bisher nichts vorgetragen, weil sie zu Unrecht davon ausgegangen sind, von der Beklagten wegen der fehlenden baurechtlichen Genehmigung die Unterlassung der Benutzung des Grundstücks zum Befahren, Abstellen sowie zur Reparatur und Wartung von Lastkraftwagen verlangen zu können. Insoweit müssen die Kläger gegebenenfalls Gelegenheit zu weiterem Vortrag erhalten.
17
b) Bestätigt sich der Vortrag der Beklagten nicht, werden die maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte also überschritten, rechtfertigt das allerdings nicht ohne weiteres die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks , sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, grundstücks, sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, aaO). Der Beklagten wird damit nicht die Möglichkeit abgeschnitten, eine nur unwesentliche Beeinträchtigung darzulegen und zu beweisen.
18
c) Die indizielle Bedeutung der Einhaltung oder Nichteinhaltung von Grenz- oder Richtwerten muss das Berufungsgericht beachten. Es kann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen von dem Regelfall abweichen und trotz Unterschreitens der Werte eine wesentliche Beeinträchtigung annehmen oder eine solche trotz Überschreitens der Werte verneinen.
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5. Das Berufungsgericht wird auch Feststellungen zu der Wesentlichkeit der von den Klägern ebenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen durch das Einsickern von Schweröl in den Boden und durch die Abgase der LkwMotoren treffen müssen. Falls es wegen einer oder mehrerer Immissionen eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks feststellt, wird es aufzuklären haben, ob sie durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Verneint es die Ortsüblichkeit, muss es den Klägern die Möglichkeit zu einer Anpassung ihres Unterlassungsantrags geben. Die Parteien und das Berufungsgericht haben nämlich bisher übersehen, dass der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann, es also grundsätzlich ihm überlassen bleibt, auf welchem Weg er die Beeinträchtigung abwendet; daher kann der Beeinträchtigte in der Regel lediglich die Vornahme geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung verlangen und der Urteilsausspruch nur allgemein auf Unterlassung von Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Hier haben die Kläger jedoch bisher die Verurteilung der Beklagten zu einer konkreten Maßnahme beantragt, die das Berufungsgericht auch ausgesprochen hat. Das ist aber nur dann zulässig, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet oder wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise jedoch nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, aaO). Dazu fehlt es bisher an Parteivortrag und an Feststellungen des Berufungsgerichts.

III.


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Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Krüger Klein Lemke
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Rottweil, Entscheidung vom 02.02.2004 - 3 O 351/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 U 27/04 -

(1) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, soll sich die mündliche Verhandlung (früher erster Termin oder Haupttermin) unmittelbar anschließen. Andernfalls ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

(2) Im Haupttermin soll der streitigen Verhandlung die Beweisaufnahme unmittelbar folgen.

(3) Im Anschluss an die Beweisaufnahme hat das Gericht erneut den Sach- und Streitstand und, soweit bereits möglich, das Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Parteien zu erörtern.

(1) Über das Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln.

(2) Ist die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozessgericht erfolgt, so haben die Parteien ihr Ergebnis auf Grund der Beweisverhandlungen vorzutragen.

(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.