Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2019 - V ZR 152/18

bei uns veröffentlicht am13.12.2019
vorgehend
Landgericht Berlin, 27 O 93/16, 16.01.2017
Kammergericht, 25 U 15/17, 13.06.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 152/18
Verkündet am:
13. Dezember 2019
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Beantragen die Parteien einvernehmlich die Verlegung eines Verkündungstermins,
weil sie ernsthafte Vergleichsgespräche führen wollen, ist regelmäßig ein erheblicher
Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO gegeben; das Gericht darf bei dieser
Sachlage jedenfalls keine Endentscheidung verkünden, sondern es muss den
Termin verlegen und den Parteien zumindest Gelegenheit geben, gemäß § 251 ZPO
das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
BGB § 823 Abs. 2 Bf, § 1004; BauO BE § 30

a) Steht der Zustand eines Gebäudes im Widerspruch zu nachbarschützenden
Vorschriften des Bauordnungsrechts (hier: fehlende Brandwand), kann der
Nachbar mit dem quasinegatorischen Beseitigungsanspruch die Beseitigung der
Störung verlangen; der Grundstückseigentümer, der einen solchen Zustand seines
Gebäudes aufrechterhält, ist ohne weiteres als Zustandsstörer anzusehen.
ECLI:DE:BGH:2019:131219UVZR152.18.0


b) Für den quasinegatorischen Beseitigungsanspruch bedarf es keiner über die Verletzung des Schutzgesetzes hinausgehenden Beeinträchtigung des Nachbarn; der Zustand des Gebäudes muss nicht konkret „gefahrenträchtig“ sein, wenn das Schutzgesetz dies nicht verlangt (Klarstellung zu Senat, Urteil vom 22. September 2000 - V ZR 443/99, NZM 2001, 396, 397).
BGB § 275 Abs. 2
Widerspricht ein Gebäude nachbarschützenden Brandschutzvorschriften, kann dessen Eigentümer die von dem Nachbarn beanspruchte Störungsbeseitigung nicht gemäß § 275 Abs. 2 BGB verweigern, weil selbst ein hoher finanzieller Aufwand nicht in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Nachbarn steht.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2019 - V ZR 152/18 - Kammergericht LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammergerichts vom 13. Juni 2018 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2017 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, den auf dem Grundstück E. Straße 22, Berlin, im Bereich der roten Markierung (mit dem Zusatz „zu errichtende Brandwand“) auf dem als Anlage beigefüg- ten Lageplan bestehenden bauordnungsrechtswidrigen Zustand (Fehlen der gemäß § 30 BauO Berlin erforderlichen Brandwand als Gebäudeabschlusswand) durch geeignete Maßnahmen fachgerecht zu beseitigen. Die Beklagte wird ferner unter Abweisung des weitergehenden Klageantrags und entsprechender Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel verurteilt, es zu unterlassen, dass von ihrem Grundstück (E. Straße 22, Berlin) durch den Betrieb der Diskothek „J. -Club“ bedingte Geräusche auf das Grundstück der Klägerin (E. Straße 20, Berlin) einwirken, die in den Räumlichkeiten der Klägerin einen Beurteilungspegel von 35 dB(A) und eine Geräuschspitze von 45 dB(A) überschreiten. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in einem reinen Gewerbegebiet in Berlin. Die beiden Grundstücke sind aus der Realteilung eines mit einem früheren Reichstypenspeicher bebauten Grundstücks hervorgegangen ; vorgenommen wurde die Teilung im Jahr 2010 durch das Land Berlin als damaligen Eigentümer. Noch im gleichen Jahr erwarb die Beklagte das mit dem ehemaligen Maschinenhaus des Speichers bebaute Grundstück. Die Klägerin erwarb im Jahr 2011 das Grundstück mit dem unmittelbar angrenzenden Speicher und baute diesen zu Lofts mit Atelierräumen aus. Die an das Gebäude der Beklagten angrenzenden Räumlichkeiten vermietet sie als Büro- und Veranstaltungsflächen (Erdgeschoss) bzw. als reine Büroflächen (1. Obergeschoss). Eine zwischen den Gebäuden gelegene Brandwand befindet sich auf dem Grundstück der Klägerin. Das Maschinenhaus der Beklagten hat keine eigene Abschlusswand. Es wurde zunächst als Squash-Center genutzt ; darauf bezieht sich die bestehende Baugenehmigung. Seit 1996 betreibt die Beklagte dort eine Schankwirtschaft mit Livemusik. Eine hierfür am 12. Juli 2016 nachträglich erteilte Baugenehmigung ist nicht bestandskräftig geworden; das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 26. April 2017 die aufschiebende Wirkung der von der Klägerin erhobenen Anfechtungsklage angeordnet, da gewichtige Zweifel an der Einhaltung nachbarschützender Vorschriften bestünden. Während des Revisionsverfahrens hat das Verwaltungsgericht Berlin der Klage in der Hauptsache mit Urteil vom 18. Dezember 2018 stattgegeben, die Baugenehmigung aufgehoben und das Land Berlin verpflichtet, die Nutzung als Gaststätte mit Musikveranstaltungen zu untersagen (VG Berlin, Urteil vom 18. Dezember 2018 - 19 K 224.16, juris).
2
Die Klägerin verlangt mit dem Klageantrag zu 1 die Beseitigung des infolge der fehlenden Brandwand gemäß § 30 BauO Berlin bestehenden bauordnungsrechtswidrigen Zustands. Der Klageantrag zu 2 ist darauf gerichtet, dass die Beklagte verurteilt wird, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die durch den Betrieb der Diskothek „J. -Club“ bedingten Geräuschimmissionen das Grundstück der Klägerin nicht beeinträchtigen, insbesondere die Anforderungen an den Schallschutz durch Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.2. der TA Lärm von 35 dB(A) zu erfüllen. Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Über die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht am 24. Januar 2018 verhandelt und Vergleichsgespräche geführt. Dabei kam man überein, dass die Parteien die Einigungsbemühungen anschließend fortsetzen und dem Gericht bis zum 24. Mai 2018 mitteilen sollten , ob eine Einigung zustande gekommen ist. Vorsorglich hat das Kammergericht für den 13. Juni 2018 einen Verkündungstermin anberaumt. Am 24. Mai 2018 hat die Klägerin mitgeteilt, dass Gespräche nicht stattgefunden hätten; die Beklagte hat erklärt, weiterhin zur Einigung bereit zu sein, und hat um Fristverlängerung bis zum 25. Juni 2018 gebeten. Mit Verfügung vom 28. Mai 2018 hat das Kammergericht ausgeführt: „Sofern nicht unverzüglich konkrete Vorbereitungen für einen Vergleichsschluss dargelegt und belegt werden, kann die begehrte Fristverlängerung nicht gewährt werden und der anberaumte Verkündungstermin bleibt bestehen.“ Am Tag vor dem Verkündungstermin hat die Beklagte dem Kammergericht einen der Klägerin übersandten Vergleichsvorschlag überreicht und angeregt, den Verkündungstermin aufzuheben. Am 13. Juni 2018 hat die Klägerin noch vor dem Verkündungstermin schriftsätzlich ihr Einverständnis mit der Verlegung erklärt und angekündigt, auf der Grundla- ge des Vorschlags der Beklagten in Vergleichsgespräche eintreten zu wollen. Das Kammergericht hat sowohl den Verlegungsantrag als auch die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


3
Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet. Der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Beseitigungsanspruch sei nicht gegeben. Zwar verfüge das nunmehr selbständige Grundstück der Beklagten nicht über die gemäß § 30 BauO Berlin aus Brandschutzgründen erforderliche Gebäudeabschlusswand , und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reiche es für den Beseitigungsanspruch aus, dass eine drittschützende Vorschrift des Bauordnungsrechts verletzt sei; um eine solche Norm mit drittschützender Wirkung handele es sich bei § 30 BauO Berlin zweifellos. Die Beklagte sei jedoch nicht als Störerin anzusehen. Die Haftung als Zustandsstörerin erfordere eine wertende Betrachtung und komme nur in Betracht, wenn tatsächlich ein gefahrenträchtiger Zustand des Gebäudes vorliege; eine rein formale, von der Beklagten nicht herbeigeführte Baurechtswidrigkeit reiche nicht aus. An einem solchen gefahrenträchtigen Zustand fehle es, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Brandschutz unzureichend sei. Die Darlegungs- und Beweislast trage insoweit die Klägerin; sie habe keine konkreten Anknüpfungstatsachen für eine Gefahr dargelegt.

4
Auch der mit dem Klageantrag zu 2 verfolgte Anspruch auf Unterlassung von Lärmimmissionen bestehe nicht. Richtig sei zwar, dass sich für Immissionsorte innerhalb von Gebäuden aus Ziff. 6.2 der TA Lärm und Ziff. 4.2 der Freizeitlärmrichtlinie für - hier gegebene - betriebsfremde schutzbedürftige Räume nach DIN 4109 (1989) ein Richtwert von 35 dB(A) tagsüber ergebe. Dieser Richtwert werde durch die Musikveranstaltungen der Beklagten erheblich überschritten. Die von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Lärmimmissionen stellten sich aber dennoch als unwesentlich dar. Entscheidend sei nämlich die Dauer und Häufigkeit von Geräuschen. Eine Nutzung von Büroräumen erfolge während der nur an Wochenenden und Feiertagen ab 22 Uhr stattfindenden Musikveranstaltungen üblicherweise nicht. Sollte dies einmal der Fall sein, müsse bedacht werden, dass die Klägerin ihr Gebäude in Kenntnis der benachbarten Diskothek erworben habe. Sie treffe daher eine Mitverantwortung für die vorhersehbare Konfliktlage. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht überwögen die schützenswerten Belange der Beklagten. Diese sei wesentlich stärker auf den Standort angewiesen als die Klägerin bei der Errichtung ihrer Atelierlofts , zumal deren Vermietung ausnahmslos gelungen sei. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich die Verpflichtung der Klägerin, Gewerbemieter auszuwählen, die sich an den nächtlichen Geräuschimmissionen nicht störten.

II.


5
Die Revision hat Erfolg.
6
1. Im Ergebnis ist das Urteil nicht bereits aufgrund der von der Revision erhobenen Verfahrensrüge aufzuheben.
7
a) Allerdings rügt die Revision im Ausgangspunkt zu Recht, dass das Berufungsgericht verpflichtet war, dem Antrag der Parteien auf Verlegung des Verkündungstermins stattzugeben. Gestützt hat das Berufungsgericht seine gegenteilige Ansicht auf die Überlegung, dass ein Grund für die Verlegung des Verkündungstermins angesichts des langen Zeitraums, der den Parteien für Vergleichsverhandlungen zur Verfügung gestanden habe, und der für das Gericht ungewissen Erfolgsaussichten nicht bestehe; den Parteien werde nahegelegt , ihre Einigungsbemühungen in dem anhängigen Verwaltungsgerichtsverfahren fortzusetzen. Diese Vorgehensweise ist verfahrensfehlerhaft.
8
aa) Anerkannt ist, dass das Gericht eine vorbereitete Entscheidung nicht (mehr) verkünden darf, wenn die Parteien unmittelbar vor dem Termin eine außergerichtliche Einigung bekannt geben (vgl. OLG Karlsruhe, OLGR 2009, 528 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2009, 358 f.). Dies wird einerseits aus der Dispositionsmaxime und andererseits aus der Verpflichtung des Gerichts zur Förderung einer gütlichen Streitbeilegung (§ 278 Abs. 1 ZPO) hergeleitet.
9
bb) Eine Einigung war hier noch nicht erzielt worden. Daher stellt sich die Frage, ob der Termin verlegt werden musste, um die angekündigten Vergleichsgespräche zu ermöglichen.
10
(1) Im Grundsatz kann ein Termin - also auch ein Verkündungstermin - nur aus erheblichen Gründen verlegt werden (§ 227 ZPO). Das Einvernehmen der Parteien allein ist kein erheblicher Grund (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Ein solcher liegt nach überwiegender und zutreffender Ansicht aber dann vor, wenn die Parteien einvernehmlich die Verlegung beantragen, weil sie ernsthafte Vergleichsverhandlungen führen wollen (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 227 Rn. 19; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 15. Aufl., § 227 Rn. 8; MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 227 ZPO Rn. 9 a.E.; PG/Kazele, ZPO, 11. Aufl., § 227 Rn. 4; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 227 Rn. 19; aA Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 227 Rn. 7: nur Aussetzungsantrag gemäß § 251 ZPO möglich). Ist ein erheblicher Grund gegeben, liegt die Entscheidung über die Verlegung grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2008 - VI ZR 317/07, NJW 2009, 687 Rn. 8). Das Gericht ist aber jedenfalls dann verpflichtet, dem Antrag stattzugeben , wenn die Wahrung des rechtlichen Gehörs die Terminsverlegung gebietet (so BGH, Beschluss vom 7. Juni 2010 - II ZR 233/09, NJW 2010, 2440 Rn. 9; BVerwG, NJW 1995, 1441; BSG, NJW 1992, 1190 f.; für generelle Verlegungspflicht bei Vorliegen eines erheblichen Grundes BGH, Urteil vom 15. November 2007 - RiZ (R) 4/07, NJW 2008, 1448 Rn. 31; Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18, NJW-RR 2019, 695 Rn. 22; BSG, NJW 1996, 677, 678; MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 227 ZPO Rn. 5; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 227 Rn. 8a; PG/Kazele, ZPO, 11. Aufl., § 227 Rn. 4; kritisch dazu Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 227 Rn. 4 unter Hinweis auf die uneinheitliche Rechtsprechung).
11
(2) Hier war das Berufungsgericht zur Verlegung des Verkündungstermins verpflichtet.
12
(a) Beantragen die Parteien einvernehmlich die Verlegung eines Verkündungstermins , weil sie ernsthaft Vergleichsgespräche führen wollen, ist regelmäßig ein erheblicher Grund im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO gegeben; das Gericht darf bei dieser Sachlage jedenfalls keine Endentscheidung verkünden, sondern es muss den Termin verlegen und den Parteien zumindest Gelegenheit geben, gemäß § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
13
(aa) Zunächst entspricht dies der Dispositionsmaxime als tragendem Verfahrensgrundsatz des deutschen Zivilprozessrechts. Danach steht das Verfügungsrecht über den Prozess im Ganzen den Parteien zu. Sie bestimmen über den Beginn des Verfahrens, seinen Umfang und seine Beendigung (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., vor § 128 Rn. 9).
14
(bb) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber der Beendigung des Streitverfahrens durch einen Vergleich besondere Bedeutung beigemessen. Gemäß § 278 Abs. 1 ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens - also auch noch kurz vor der Verkündung eines bereits abgefassten Urteils - auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Dieses Ziel darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung des Gerichts gesehen werden. Gesetzgeberisches Motiv war vielmehr auch die Erkenntnis , dass eine gütliche Einigung zwischen den Parteien dem Rechtsfrieden nachhaltiger dienen kann als eine streitige Entscheidung (BT-Drucks. 14/4722 S. 62; vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR 2009, 528 f.).
15
(cc) Daraus folgt, dass das Gericht in einer solchen Verfahrenslage jedenfalls keine Endentscheidung verkünden darf, sondern dass es den Termin verlegen und den Parteien zumindest Gelegenheit geben muss, gemäß § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Anerkannt worden ist eine Pflicht des Gerichts zur Verlegung von Terminen zwar - wie oben Rn. 10 ausgeführt - bislang vor allem zwecks Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Aber auch der Dispositionsbefugnis der Parteien und dem Vorrang der gütlichen Streitbeilegung muss das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung gerecht werden, und es darf eine endgültige Entscheidung nicht gegen den erklärten Willen einigungswilliger Parteien treffen. Das bedeutet nicht, dass es den Verkündungstermin weiträumig verlegen muss. Den Parteien muss lediglich Zeit eingeräumt werden, damit sie das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO beantragen können; weil eine dahingehende Anordnung wegen der schwebenden Vergleichsverhandlungen auch bei Entscheidungsreife zweckmäßig im Sinne dieser Norm wäre (vgl. Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 16. Aufl., § 251 Rn. 3; HK-ZPO/Wöstmann, 8. Aufl., § 251 Rn. 3; Wieczorek /Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 227 Rn. 4), müsste das Gericht einem solchen einvernehmlichen Antrag entsprechen (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2011,

624).


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(dd) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung folgt aus § 310 Abs. 1 ZPO nichts anderes. Nach dieser Bestimmung wird ein Verkündungstermin nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern. Wie das Wort „insbesondere“ zeigt, können auch andere als die ausdrücklich genannten Gründe als wichtig anzusehen sein (vgl. auch BVerfG, NJW-RR 1993, 253). Das ernsthafte Führen von Vergleichsgesprächen kann einen solchen wichtigen Grund darstellen und die Verschiebung eines Verkündungstermins rechtfertigen.
17
(b) Nach alledem war das Berufungsgericht hier verpflichtet, den Termin zu verlegen und den Parteien Gelegenheit zu geben, jeweils das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO zu beantragen. Zweifel an ernsthaften Vergleichsbemühungen konnte das Berufungsgericht zwar deshalb hegen, weil die Parteien die mehrmonatige Frist nicht - wie zuvor in dem Verhandlungstermin besprochen - zur Führung von Vergleichsgesprächen genutzt hatten. Diese Zweifel waren aber dadurch ausgeräumt worden, dass die Beklagte einen de- taillierten Vorschlag für eine Einigung unterbreitet und die Klägerin erklärt hatte, auf dieser Grundlage in Vergleichsgespräche eintreten zu wollen. Dass der Erfolg dieser Gespräche noch ungewiss war, mag zutreffen; das ändert aber nichts daran, dass ein Zivilprozess der Disposition der Parteien unterliegt und zuvörderst deren Interessen dient.
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b) Dieser Verfahrensfehler verhilft der Revision aber für sich genommen nicht zum Erfolg, weil er prozessual überholt ist. Denn ein wesentlicher Grund für die Vergleichsbereitschaft der Parteien besteht regelmäßig darin, dass der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens ungewiss und für beide Parteien mit Risiken behaftet ist. Mit der Verkündung der streitigen Endentscheidung und der Bekanntgabe der Erwägungen des Gerichts entfällt dieser Beweggrund; eine Aufhebung der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz und Zurückverweisung der Sache könnte daran nichts ändern. Soweit es noch andere Beweggründe für eine gütliche Einigung gibt, hindert die Verkündung der Endentscheidung die Parteien nicht an einem anschließenden Vergleichsschluss; dann könnten die mit dem Urteil einhergehenden Mehrkosten ggf. gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen werden, weil sie (nur) in diesem Fall auf dem Verfahrensfehler beruhen können (vgl. dazu OLG Karlsruhe, OLGR 2009, 528 f.; OLG Koblenz, NJW-RR 2009, 358 f.). Zu einem solchen Vergleich ist es hier jedoch gerade nicht gekommen; deshalb ist die angefochtene Entscheidung einer Sachprüfung zu unterziehen.
19
2. In der Sache hält das Berufungsurteil rechtlicher Überprüfung nicht stand.
20
a) Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachten Anspruch auf Beseitigung des aus dem Fehlen der gemäß § 30 BauO Berlin erforderlichen Brandwand herrührenden bauordnungsrechtswidrigen Zustands.
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aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht zunächst von der ständigen Rechtsprechung des Senats aus, wonach die Verletzung nachbarschützender Bauvorschriften sowohl einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch als auch einen (quasinegatorischen) verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründen kann (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 1973 - V ZR 107/72, WM 1974, 572, 573; Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84, NJW 1985, 2825, 2826; Urteil vom 29. April 2011 - V ZR 174/10, NZM 2013, 244 Rn. 17; zu dem quasinegatorischen Unterlassungsanspruch bei Lärmimmissionen Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 6 ff.). Die dagegen von der Revisionserwiderung erhobenen Einwände sind nicht neu und geben keinen Anlass, von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abzurücken. Diese hat ihren gedanklichen Ausgangspunkt in der Überlegung, dass jeder, der unter Verstoß gegen ein den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes fremde Rechtsgüter beeinträchtigt , grundsätzlich dazu verpflichtet ist, diese Beeinträchtigung für die Zukunft zu beseitigen, und zwar unabhängig von einem Vertretenmüssen im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB. Diesen zunächst für den Bereich des Ehrschutzes entwickelten Grundsatz hat der Senat aus guten Gründen auf das Nachbarrecht ausgedehnt. Andernfalls müsste nämlich ein Grundstückseigentümer, dessen Interessen durch ein an den Nachbarn gerichtetes Ge- oder Verbot des Baurechts geschützt werden sollen, eine fortdauernde Beeinträchtigung dieser Interessen allein deshalb hinnehmen, weil der Nachbar die Setzung der Ursache der Beeinträchtigung nicht zu vertreten hat (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 21. Dezember 1973 - V ZR 107/72, WM 1974, 572, 573). Die Rechtswid- rigkeit der Beeinträchtigung wird durch die Schutzgesetzverletzung indiziert (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 6); begrenzt wird der Anspruch seit der Schuldrechtsmodernisierung ggf. durch § 275 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 30. Mai 2008 - V ZR 184/07, NJW 2008, 3122 Rn. 17; Urteil vom 23. Oktober 2009 - V ZR 141/08, NJW-RR 2010, 315 Rn. 14 f.). Neben diesen Voraussetzungen müssen nicht - wie die Revisionserwiderung meint - zusätzlichdiejenigen nachbarrechtlicher Ansprüche gemäß § 907 BGB oder § 908 BGB vorliegen; denn es handelt sich jeweils um selbständige Ansprüche mit eigenen Voraussetzungen, die auch inhaltlich verschieden sein können (vgl. zum Verhältnis zu einem Anspruch gemäß § 1004 i.V.m. § 906 BGB Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 7 f.; zum Verhältnis zu § 907 BGB und § 908 BGB vgl. MüKoBGB/Brückner, 8. Aufl., § 907 Rn. 2, § 908 Rn. 1).
22
Steht der Zustand eines Gebäudes im Widerspruch zu nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts, kann der Nachbar infolgedessen mit dem quasinegatorischen Beseitigungsanspruch die Beseitigung der Störung verlangen. Im Ergebnis wird dem Nachbarn damit die Möglichkeit eröffnet, auch auf zivilrechtlichem Wege die Einhaltung drittschützender Normen des öffentlichen Rechts zu erzwingen. Ohne Erfolg wendet die Revisionserwiderung ein, dass hierdurch öffentlich-rechtliche Normen in einem Zivilprozess zu prüfen sind. Das ist zwar richtig. Aber diese Konsequenz ist unmittelbar in § 823 Abs. 2 BGB angelegt und für den Fall einer Schadensersatzforderung unbestritten (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 6 ff.). Da der zivilrechtliche quasinegatorische Beseitigungsanspruch selbständig neben etwaigen öffentlich-rechtlichen Ansprüchen steht, kann der Nachbar sowohl vor den Verwaltungsgerichten als auch vor den Zivilgerichten um Rechtsschutz nachsuchen. Deshalb fehlt der Klägerin entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die zivilrechtlichen Klageanträge (vgl. Saller in Grziwotz /Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., Teil 1 Rn. 85 ff. mwN).
23
bb) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die in § 30 BauO Berlin enthaltene Regelung über Brandwände als Gebäudeabschlusswände der Ausbreitung von Bränden vorbeugen soll und deshalb nachbarschützende Wirkung hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Dezember 2011 - OVG 10 B 6.11, juris Rn. 36 mwN), und dass nach den dort näher geregelten Voraussetzungen das Gebäude der Beklagten seit der Grundstücksteilung eine (eigene) Gebäudeabschlusswand als Brandwand aufweisen müsste, eine solche jedoch fehlt (vgl. VG Berlin, Urteil vom 18. Dezember 2018 - 19 K 224.16, juris Rn. 61 ff.; eingehend zu der Parallelvorschrift des § 26 Abs. 2 Nr. 2 BauO Brdb. in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2016, 407 Rn. 4 mwN). Diese Würdigung nimmt auch die Beklagte hin. Die auf dem Grundstück der Klägerin vorhandene Brandwand reicht als Gebäudeabschlusswand für das Gebäude der Beklagten nicht aus. Das ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 12 Abs. 2 BauO Berlin die Verwendung gemeinsamer Bauteile für mehrere bauliche Anlagen nur dann zulässig ist, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass die gemeinsamen Bauteile bei der Beseitigung einer der baulichen Anlagen bestehen bleiben können. An einer solchen Sicherung fehlt es, nachdem die Klägerin die Eintragung einer Baulast nicht bewilligt hat; mit der Brandwand der Klägerin kann die Beklagte die ihr obliegenden Brandschutzpflichten nicht erfüllen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 18. Dezember 2018 - 19 K 224.16, juris Rn. 78). Auf die Tatbestandswirkung der nachträglich erteilten Baugenehmigung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 26. Fe- bruar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 5 f.; Saller in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., Teil 1 Rn. 100 f.) kann die Beklagte sich nicht berufen, weil die Genehmigung bislang nicht bestandskräftig geworden ist.

24
cc) Keinen Bestand haben kann dagegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts , die Störereigenschaft der Beklagten sei in wertender Betrachtung zu verneinen, weil eine „rein formale, von der Beklagten nicht herbeige- führte Baurechtswidrigkeit“ hierfür nicht ausreiche. Das verkennt die Reichweite und Wirkung von nachbarschützenden Normen des öffentlichen Rechts. Zustandsstörer ist derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
25
(1) Notwendig ist zunächst, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat (vgl. Senat , Urteil vom 1. Dezember 2006 - V ZR 112/06, NJW 2007, 432 Rn. 13). Das ist der Fall, weil die Beklagte als Eigentümerin des Gebäudes, dessen baulicher Zustand dem Eigentumsrecht der Klägerin widerspricht, in der Lage ist, die Beeinträchtigung zu beseitigen.
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(2) Darüber hinaus muss dem Inanspruchgenommenen die Beeinträchtigung zurechenbar sein.
27
(a) Das erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich , sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, Urteil vom 1. Dezember 2006 - V ZR 112/06, NJW 2007, 432 Rn. 14; Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 14; Urteil vom 14. November 2014 - V ZR 118/13, NZM 2015, 256 Rn. 14 f., jeweils mwN).
28
(b) Solche Sachgründe sind stets gegeben, wenn der Zustand des Grundstücks gegen ein Schutzgesetz verstößt. Ein Grundstückseigentümer, der einen mit nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts unvereinbaren Zustand seines Gebäudes aufrechterhält, ist ohne weiteres als Zustandsstörer anzusehen. Für den quasinegatorischen Beseitigungsanspruch bedarf es keiner über die Verletzung des Schutzgesetzes hinausgehenden Beeinträchtigung des Nachbarn; der Zustand des Gebäudes muss nicht konkret „gefahrenträchtig“ sein, wenn das Schutzgesetz dies nicht verlangt (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 665, 666 unter I.1; Saller in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., Teil 1 Rn. 96). Denn Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verlagern den Schutz des Nachbarn vor und knüpfen gerade nicht an einen Verletzungserfolg an (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 6). So schützen etwa Abstandsvorschriften die Interessen des Nachbarn abstrakt, weshalb ihre Einhaltung ohne weiteres verlangt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 11. Oktober 1996 - V ZR 3/96, NJW-RR 1997, 16, 17 a.E.; Urteil vom 29. April 2011 - V ZR 174/10, NVwZ 2011, 1148 Rn. 19). Brandschutzvorschriften wie § 30 BauO Berlin legen fest, in welchen Fällen aufgrund brandschutztechnischer Erfahrungen Brandwände anzuordnen und wie diese auszubilden sind (vgl. OVG BerlinBrandenburg , NVwZ-RR 2016, 407 Rn. 4 mwN). Steht der Zustand eines Ge- bäudes - wie hier - im Widerspruch zu solchen nachbarschützenden Brandschutzvorschriften , kann der Nachbar mit dem quasinegatorischen Beseitigungsanspruch die Beseitigung dieses Zustands verlangen, ohne dass darüber hinaus zu prüfen ist, ob sich das Gebäude in einem gefahrenträchtigen Zustand befindet. Nichts anderes ergibt sich aus dem von den Vorinstanzen herangezogenen Urteil des Senats vom 22. September 2000 (V ZR 443/99, NZM 2001, 396, 397). Dort ging es nicht um den quasinegatorischen Beseitigungsanspruch , bei dem die Zurechnung aus dem pflichtwidrig aufrechterhaltenen Zustand des Grundstücks folgt.
29
(c) Im Kern geht es dem Berufungsgericht auch um etwas anderes. Es lässt sich nämlich vor allem von der Überlegung leiten, dass die vorhandene Brandwand auf dem Grundstück der Klägerin ausreichend wäre, wenn die Grundstücksteilung unterblieben wäre, und meint deshalb, dass es sich nur um eine „formale“ Baurechtswidrigkeit handele, weil ein Brandüberschlag nicht ernsthaft drohe. Das betrifft aber nicht die Zurechenbarkeit im Rahmen der Zustandsstörerhaftung , sondern die Auslegung von § 30 BauO Berlin. Da - wie ausgeführt (vgl. oben Rn. 23) - nach dieser nachbarschützenden Norm eine Gebäudeabschlusswand erforderlich ist, kann die Klägerin die Beseitigung des bestehenden, von der Beklagten aufrechterhaltenen Zustands verlangen.
30
(3) Schließlich ist der Einwand der Revisionserwiderung, die Beklagte werde der Sache nach zur Herstellung einer Brandwand verpflichtet, und das könne nicht Inhalt eines Beseitigungsanspruchs sein, schon im Ansatz unzutreffend. Der Anspruch der Klägerin richtet sich auf die Beseitigung des dem Bauordnungsrecht widersprechenden Zustands, zu der auch der Zustandsstörer verpflichtet sein kann (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 14). Wie die Beklagte die Beseitigung vornimmt, ist ihr überlassen; dass sie nicht umhinkommen wird, Handlungen vorzunehmen, ändert nichts daran, dass das Begehren aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Klägerin auf Störungsbeseitigung gerichtet ist.
31
b) Auch die Abweisung des mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Anspruchs gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 906 BGB kann keinen Bestand haben. Danach soll die Beklagte durch geeignete Maßnahmen sicherstellen , dass das Grundstück der Klägerin nicht durch von dem Betrieb der Dis- kothek „J. -Club“ ausgehende Geräuschimmissionen beeinträchtigt wird, die in den Räumlichkeiten der Klägerin einen Beurteilungspegel von 35 dB(A) überschreiten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der in dem wörtlichen Klageantrag enthaltenen Formulierung „insbesondere“ bei verständiger Würdigung nicht entnommen werden, dass die Klägerin mit dem vorangestellten Satz einen darüber hinausgehenden Schallschutz verlangt; vielmehr hat sie mit dem nachgestellten Satz die erforderliche Präzisierung ihres Anliegens vorgenommen. Ob Geräuschimmissionen die Benutzung eines Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen oder nicht, ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat, Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 252 mwN).
32
aa) Im Ausgangspunkt legt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugrunde , dass die Räume der Klägerin als schutzwürdige Räume im Sinne der DIN 4109/1989 einzuordnen sind. Es geht weiter davon aus, dass der gemäß Nr. 6.2 der TA-Lärm und Nr. 4.2 der LAI-Freizeitlärmrichtlinie für solche Räume in Gewerbeeinheiten maßgebliche Tagesrichtwert von 35 dB(A) deutlich überschritten wird. Nach dem in Bezug genommenen, von der Klägerin vorgelegten Messbericht werden im Erdgeschoss 58 dB(A) und im ersten Obergeschoss 49 dB(A) erreicht. Die für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung darlegungs - und beweispflichtige Beklagte habe, so führt das Berufungsgericht aus, die von der Klägerin vorgelegten Messungen nicht mit Substanz bestritten. Von diesen tatrichterlichen Feststellungen hat der Senat auszugehen; eine Gegenrüge hat die Beklagte nicht erhoben.
33
bb) Die danach zugrunde zu legende Lärmbeeinträchtigung sieht das Berufungsgericht deshalb als unwesentlich an, weil der Lärm nachts ab 22 Uhr und am Wochenende stattfinde und die Mieter der Klägerin daher nur in Ausnahmefällen störe, und weil die Klägerin eine Mitverantwortung treffe, nachdem sie das Gebäude in Kenntnis der nebenan betriebenen Diskothek erworben habe. Diese Erwägungen sind rechtsfehlerhaft.
34
(1) Überschreiten die Geräuschimmissionen die zulässigen Richtwerte, ist das im Ausgangspunkt gemäß § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ein Indiz für eine wesentliche Beeinträchtigung. Das ist hier der Fall (vgl. zur Heranziehung der TA-Lärm Senat, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 264; zu der LAI-Freizeitlärmrichtlinie Senat, Urteil vom 26. September 2003 - V ZR 41/03, NJW 2003, 3699, 3700). Allerdings kann die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Geräuschbelästigung nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden. Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist. Von der indiziellen Bedeutung der Richtwertüberschreitung nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist deshalb abzuweichen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies gebieten (st. Rspr., vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253 Rn. 24 mwN).

35
(2) Daran gemessen führen die von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Lärmimmissionen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks.
36
(a) Die festgestellten Lärmimmissionen liegen sogar noch über dem nach Nr. 6.2 der TA Lärm sowie Nr. 4.3 der Freizeitlärmrichtlinie nur für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen zulässigen Richtwert von 45 dB(A); zudem entsteht die Beeinträchtigung regelmäßig an mindestens zwei Tagen pro Woche , weshalb es sich von vornherein nicht um ein sog. seltenes Störereignis handelt (vgl. dazu Senat, Urteil vom 26. September 2003 - V ZR 41/03, NJW 2003, 3699, 3700). Angesichts dessen sind besondere Umstände des Einzelfalls, die ein Abweichen von den Richtwerten gebieten könnten, nicht gegeben. Für diese Beurteilung bedarf es keines Ortstermins. Zwar ist der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn es um die Zumutbarkeit von Geräuscheinwirkungen geht, gerade in Grenzbereichen gehalten, sich durch einen Ortstermin einen eigenen Eindruck von Art und Intensität des Lärms zu verschaffen (Senat, Urteil vom 5. Februar 1992 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 255; Urteil vom 26. Oktober 2018 - V ZR 143/17, NJW 2019, 773 Rn. 24 mwN). Aber hier ist die Überschreitung der Richtwerte so deutlich, dass sie sich nicht mehr in jenem Grenzbereich bewegt, in dem die eigene Wahrnehmung des Tatrichters entscheidungserhebliche Erkenntnisse erbringen kann.
37
(b) Anders als das Berufungsgericht meint, kommt dem Umstand, dass die Beklagte ihren Betrieb lange vor dem Grundstückserwerb der Klägerin aufgenommen hatte, keine Bedeutung zu. Zum einen fehlt es nämlich an einer wirksamen Baugenehmigung für den Betrieb der Beklagten, weshalb diese sich von vornherein nicht auf einen Vertrauensschutz berufen kann. Zum anderen könnte die zeitliche Priorität selbst bei bestehender Baugenehmigung nur dazu führen, dass die Klägerin Immissionen, die sich innerhalb der Grenzen der zulässigen Richtwerte halten, auch dann dulden müsste, wenn diese ihrer Art nach besonders lästig und damit grundsätzlich abwehrfähig wären (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261, 268 ff.). Um solche Beeinträchtigungen geht es aber nicht, da der maßgebliche Richtwert nach den Feststellungen des Berufungsgerichts deutlich überschritten wird.
38
(c) Die Überschreitung der Richtwerte ist auch nicht deshalb als unwesentliche Beeinträchtigung einzuordnen, weil die Musikveranstaltungen der Beklagten nur an den Wochenenden und Feiertagen ab 22 Uhr stattfinden. Wie das Verwaltungsgericht Berlin in dem parallelen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zutreffend ausgeführt hat, ist es nicht lebensfremd, dass die als Büros oder gewerbliche Ateliers vermieteten Räumlichkeiten der Klägerin auch in den frühen Nachtstunden genutzt werden (vgl. VG Berlin, Urteil vom 18. Dezember 2018 - 19 K 224.16, juris Rn. 101). Das gilt erst recht für die Veranstaltungsflächen im angrenzenden Erdgeschoss des klägerischen Gebäudes. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung bedarf es insoweit keiner Darlegung konkreter Beschwerden auf Mieterseite. Denn es liegt auf der Hand, dass die Immissionen die Vermietung beeinträchtigen und sich negativ auf die Verhandlungsmacht der Klägerin auswirken können; davon geht auch das Berufungsgericht aus, wenn es meint, die Klägerin müsse potentielle Mieter auf die Immissionen hinweisen und die Haftung insoweit ausschließen. Es gibt aber keinen Grund, warum die Klägerin zu solchen Maßnahmen oder gar zu einer Auswahl von Mietern, die sich an dem Lärm nicht stören, verpflichtet sein sollte ; denn die Beklagte unterhält ihren Betrieb seit Jahren ohne die erforderliche Genehmigung, und es ist nicht erkennbar, dass der mangelnde Schallschutz im Verantwortungsbereich der Klägerin liegt, deren Gebäude - anders als das der Beklagten - über eine Gebäudeabschlusswand verfügt. Deshalb können - anders , als das Berufungsgericht meint - auch die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht herangezogen werden, um die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung zu begründen; erst recht genießt das Interesse an der Fortführung einer baurechtlich unzulässigen Nutzung keinen Vorrang gegenüber den legitimen wirtschaftlichen Interessen der Klägerin.

III.


39
Das Berufungsurteil kann danach insgesamt keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache zu entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO). Beide Klageanträge sind begründet.
40
1. Das gilt zunächst für den auf Beseitigung des bauordnungswidrigen Zustands gerichteten Klageantrag zu 1. Der Anspruch ergibt sich - wie ausgeführt - aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und § 30 BauO Berlin. Ob der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Abs. 2 BGB zusteht, hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen. Dies ist zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf. Im Grundsatz ist § 275 Abs. 2 BGB zwar auch auf den Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB anwendbar (vgl. Senat, Urteil vom 30. Mai 2008 - V ZR 184/07, NJW 2008, 3122 Rn. 17; Urteil vom 23. Oktober 2009 - V ZR 141/08, NJW-RR 2010, 315 Rn. 14 f.). Widerspricht aber ein Gebäude - wie hier - nachbarschützenden Brandschutzvorschriften, kann dessen Eigentümer die von dem Nachbarn beanspruchte Störungsbeseitigung nicht gemäß § 275 Abs. 2 BGB verweigern, weil selbst ein hoher finanzieller Aufwand nicht in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Nachbarn steht. Denn Brandschutzbestimmungen werden nur dann als nachbarschützend angesehen, wenn sie die Ausbreitung eines Brandes auf das Nachbargebäude verhindern sollen; sie schützen also sowohl das Nachbargebäude selbst als auch Leib und Leben der dort aufhältigen Menschen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Dezember 2011 - OVG 10 B 6.11, juris Rn. 36 mwN). Angesichts dieses Schutzzwecks ist es von vornherein ausgeschlossen, dass die finanziellen Interessen des Schuldners Vorrang genießen. Insbesondere kann auch an dieser Stelle nicht eingewandt werden, dass die baurechtlichen Vorgaben des § 30 BauO Berlin nicht erforderlich wären, um den mit der Norm verfolgten Schutzzweck zu erfüllen.
41
2. Auch im Hinblick auf den Klageantrag zu 2 ist die Sache entscheidungsreif.
42
a) Die Voraussetzungen eines Abwehranspruchs gemäß § 1004 i.V.m. § 906 Abs. 1 BGB liegen vor. Danach ist die Beklagte verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die auf das Grundstück der Klägerin einwirkenden Lärmimmissionen die Vorgaben der TA Lärm einhalten. Die Verurteilung bedarf nur insoweit einer geringfügigen Einschränkung, als für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen nach Nr. 6.2 der TA Lärm sowie Nr. 4.3 der Freizeitlärmrichtlinie ein Immissionsrichtwert von 45 dB(A) maßgeblich ist.
43
b) Die Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks muss auch nicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hingenommen werden. Diese Frage hat das Berufungsgericht offengelassen; sie ist zu verneinen. Voraussetzung wäre nämlich, dass die wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benut- zung des Grundstücks der Beklagten herbeigeführt wird. Daran fehlt es.Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Nutzung nicht im Sinne dieser Norm als ortsüblich angesehen werden, wenn - wie hier - eine wirksame öffentlich -rechtliche Genehmigung nicht besteht (Senat, Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1, 9 f. mwN) und die Nutzung auch nicht genehmigungsfähig ist (vgl. Senat, Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 237). Von letzterem ist hier schon aufgrund der fehlenden Brandwand auszugehen. Infolgedessen ist es unerheblich, ob Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung wirtschaftlich zumutbar sind.
44
c) Ebenso wenig besteht die von dem Berufungsgericht erwogene Duldungspflicht auf der Grundlage des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Inwieweit der Grundstückseigentümer von dem Nachbargrundstück ausgehende Beeinträchtigungen durch positive Einwirkungen wie Lärm hinnehmen muss, ist in § 906 BGB eingehend geregelt; aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergeben sich insoweit keine weitergehenden Duldungspflichten , weil dieses Rechtsinstitut nicht dazu dienen darf, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (Senat, Urteil vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJW-RR 2012, 1160 Rn. 20; zu anderen Einwirkungen MüKoBGB/Brückner, 8. Aufl., § 903 Rn. 43 ff.).

IV.


45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen der Klägerin im Hinblick auf einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen ist verhältnismäßig geringfügig im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und wirkt sich auf die Kosten nicht aus.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 16.01.2017 - 27 O 93/16 -
KG, Entscheidung vom 13.06.2018 - 25 U 15/17 -

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 152/18 Verkündet am: 13. Dezember 2019 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 227 Abs. 1

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(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
V ZR 443/99 Verkündet am:
22. September 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Zur Beseitigung des eigentumsbeeinträchtigenden Zustands eines Grundstücks ist
der Eigentümer des Nachbargrundstücks, der ihn weder durch positives Tun noch
durch pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat, nur verpflichtet, wenn die Beeinträchtigung
auf einen gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks zurückzuführen
ist.
BGH, Urt. v. 22. September 2000 - V ZR 443/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. Oktober 1999 aufgehoben und das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 1998 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 24. November 1995 erwarben die Kläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts von einer Erbengemeinschaft das Grundstück S. A. 62 in B. -P. B. . Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 28. Juni 1996. Der Beklagte war bei Einreichung der Klage am 8. Juli 1998 Eigentümer des Nachbargrundstücks

S.

A. 61, welches mit bestandskräftigem Bescheid des Amtes zur Regelung
offener Vermögensfragen Mitte-P. B. am 11. November 1998 restituiert worden ist.
Beide mit zum Teil gewerblich genutzten Altbau-Miethäusern bebaute Grundstücke standen vor der Wiedervereinigung im Eigentum des Volkes; Rechtsträger war jeweils der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung B. - P. B. . Dieser errichtete Anfang der 80er Jahre auf dem jetzigen Grundstück der Kläger einen etwa 2 x 4 m großen eingeschossigen Anbau. Der Zugang dazu ist ausschließlich durch einen Durchbruch in der Brandwand von dem NachbargrundstückS. A. 61 möglich. Ferner befindet sich im Erdgeschoß des auf dem Grundstück der Kläger gelegenen Seitenflügels ihres Miethauses ein 3,5 x 5,6 m großer Raum, der durch eine vor dem Erwerb der Kläger hergestellte Öffnung der Grenzwand zwischen den Grundstücken S. A. 61 und 62 erschlossen wird. Der Zugang zu einem angrenzenden Raum des Hauses der Kläger wurde seinerzeit zugemauert.
Sowohl der Anbau als auch der Raum im Seitenflügel des Miethauses der Kläger werden derzeit von einem Dritten gewerblich genutzt.
Mit der Behauptung, der Beklagte habe die Räume an den Dritten vermietet , haben die Kläger verlangt, den Beklagten zu verurteilen, den Anbau zu beseitigen, die Maueröffnung und den Wanddurchbruch zu dem Raum im Seitenflügel ihres Miethauses zu schließen, den Zugang zu dem angrenzenden Raum zu öffnen sowie Auskunft über die Höhe des erzielten Mietzinses für die Vermietung des Anbaus und des Raums im Seitenflügel ihres Hauses zu erteilen und ihn nebst Zinsen auszuzahlen. Das Landgericht hat den Auskunftsund Zahlungsanspruch abgewiesen und der Klage im übrigen stattgegeben.
Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt er weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die während des Rechtsstreits erfolgte Restitution des bisher dem Beklagten gehörenden Grundstücks nach dem auch hier anzuwendenden Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit keinen Einfluß auf die Passivlegitimation des Beklagten. Er sei Zustandsstörer gewesen, weil das Aufrechterhalten des das Eigentum der Kläger fortlaufend beeinträchtigenden Zustands auf seinen Willen zurückgegangen sei. Ob die Kläger Eigentümer des Anbaus geworden seien, sei unerheblich. Sie seien auch nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet, weil die Voraussetzungen des § 320 Abs. 1 ZGB und § 912 Abs. 1 BGB nicht vorlägen.

II.


Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Kläger waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden, obwohl das Urteil inhaltlich nicht auf der Säumnisfolge beruht
(vgl. BGHZ 37, 79, 81 f; Senatsurt. v. 6. Juni 1986, V ZR 96/85, NJW 1986, 3086).
2. Ob das Berufungsgericht zu Recht von einer fortdauernden Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger ausgeht, kann dahinstehen. Zwar knüpft das Gesetz die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung an, die der Eigentümer nicht dulden muß; allein der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch (vgl. Senat, BGHZ 66, 37, 39 m.w.N.). Die Sachherrschaft des Grundstückseigentümers ist so lange beeinträchtigt, wie die Eigentumsstörung nicht beseitigt ist (Senatsurt. v. 11. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). In Anlehnung an die Grundsätze des Eigengrenzüberbaus könnte hier bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Eigentumsbeeinträchtigung gegeben sein. Jedoch sind Zweifel daran deswegen angebracht, weil die Baumaßnahmen seinerzeit von dem Berechtigten ausschließlich auf dem jetzt den Klägern gehörenden Grundstück ausgeführt wurden und die Kläger das Eigentum in dem baulich veränderten Zustand erlangt haben (s. dazu Staudinger/Gursky [1999], § 1004 Rdn. 41 ff). Dies bedarf aber keiner Vertiefung, weil der Beklagte für eine etwaige Störung nicht verantwortlich ist.

a) Nach allgemeiner Auffassung richtet sich der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB gegen denjenigen, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten - d.h. positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen - adäquat verursacht hat (vgl. nur Senat, BGHZ 49, 340, 347; Senatsurt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, WM 1983, 176, 177; Staudinger/Gursky,aaO, Rdn. 93 mit umfangr. Nachw.), aber auch gegen denjenigen, der zwar nicht selbst gehandelt hat, durch dessen maßgebenden Willen aber der eigentumsbeeinträchti-
gende Zustand aufrechterhalten wird, von dessen Willen also die Beseitigung dieses Zustands abhängt (vgl. Senatsurt. v. 22. März 1966, V ZR 126/63, NJW 1966, 1360, 1361 m.w.N.; 19. Januar 1996, V ZR 298/94, NJW-RR 1996, 659; 11. Juni 1999, V ZR 377/98, WM 1998, 2168, 2169; Staudinger/Gursky, aaO, Rdn. 94 m. umfangr. Nachw.). Danach ist der Eigentümer eines Grundstücks für dessen gefahrenträchtigen Zustand verantwortlich und kann nach § 1004 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden, weil die Aufrechterhaltung des Zustands auf seinen Willen zurückgeht, ohne daß es darauf ankäme, welchen eigenen Beitrag er hierzu geleistet hat und ob er den störenden Zustand kannte (Senatsurt. v. 19. Januar 1996, aaO).

b) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Haftung des Beklagten aus. Dafür kommt es allerdings nicht darauf an, daß die Baumaßnahmen, die das Eigentum der Kläger nach wie vor beeinträchtigen, seit vielen Jahren abgeschlossen sind. Denn an einer einmal eingetretenen Verantwortlichkeit eines Störers kann sich durch das Verhalten des Pflichtigen nichts ändern, wenn die Beeinträchtigung fortbesteht (Senatsurt. v. 1. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). Entscheidend ist vielmehr, daß der Beklagte die baulichen Veränderungen nicht vorgenommen und es sich bei ihnen seinerzeit gar nicht um die Beeinträchtigung fremden Eigentums gehandelt hat. Auch der Umstand, daß der Beklagte bei Klageerhebung Eigentümer des an das Grundstück der Kläger angrenzenden Grundstücks war, macht ihn nicht zum Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Eine solche Haftung kommt nämlich nur dann in Betracht , wenn die störenden Einwirkungen auf das Nachbargrundstück von dem Grundstück des Eigentümers ausgehen oder zu besorgen sind (s. nur Senat, BGHZ 122, 283, 284 f; Senatsurt. v. 19. Januar 1996, aaO). Um es mit einem vom Senat bereits in anderem Zusammenhang angeführten ähnlichen Beispiel
(Senatsurt. v. 1. Dezember 1995, aaO) zu verdeutlichen: Der Grundstückseigentümer muß den Stein, den der Voreigentümer auf das Nachbargrundstück geworfen hat, nicht beseitigen. Denn die bei dem Nachbarn eingetretene Eigentumsstörung steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Zustand des Grundstücks des Eigentümers, sondern beruht ausschließlich auf dem Handeln des Voreigentümers. Der einzige Bezug zwischen Störung und Grundstück wird durch die Identität des Störers mit dem früheren Grundstückseigentümer hergestellt. Das reicht für die Begründung der Haftung des späteren Eigentümers nicht aus. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, daß der Grundstückseigentümer für jede Störungshandlung eines Voreigentümers verantwortlich ist, auch wenn sie keinen Bezug zu dem Zustand des Grundstücks aufweist. Das kann nicht richtig sein. Zur Beseitigung des eigentumsbeeinträchtigenden Zustands eines Grundstücks ist der Eigentümer des Nachbargrundstücks, der ihn weder durch positives Tun noch durch pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat, nur verpflichtet, wenn die Beeinträchtigung auf einen gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks zurückzuführen ist.
In dem vorliegenden Fall hat die zugemauerte Türöffnung in dem Miethaus der Kläger mit dem Zustand des benachbarten Grundstücks ebensowenig etwas zu tun wie der Durchbruch in der Mauer dieses Hauses. Beide Gegebenheiten beruhen nicht etwa auf Gefahren oder sonstigen Umständen, die von dem anderen Grundstück ausgehen. Nichts anderes gilt für den auf dem Grundstück der Kläger errichteten Anbau. Auch seine Existenz läßt sich nicht auf einen bestimmten Zustand des bei Klageerhebung dem Beklagten gehörenden Grundstücks zurückführen. Etwas anderes könnte allenfalls für die
Wanddurchbrüche auf diesem Grundstück gelten. Deren Beseitigung verlangen die Kläger indes nicht.

c) Auf die vom Berufungsgericht weiter erörterte Problematik des Eigentums an dem Anbau und der Duldungspflicht nach §§ 912 Abs. 1, 1004 Abs. 2 BGB kommt es somit nicht an.
3. Der Anspruch der Kläger ist auch nicht aus § 823 BGB begründet. Der Beklagte hat keine unerlaubte Handlung im Sinne des Absatzes 1 der Vorschrift begangen, weil er die baulichen Maßnahmen nicht durchgeführt hat und nicht zu ihrer Beseitigung verpflichtet ist. Ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB) kann dem Beklagten nach dem bisher Gesagten ebenfalls nicht vorgeworfen werden.
4. Auch ein Anspruch der Kläger unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kommt nicht in Betracht. Dieses Rechtsinstitut dient nur in Extremfällen als Korrektiv nach Treu und Glauben zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher Interessenkonflikte (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 389 ff). Hier liegt indes keine Situation vor, die eine solche Korrektur erfordert.
5. Ob die während des Rechtsstreits erfolgte Eigentumsänderung an dem früher dem Beklagten gehörenden Grundstück zum Verlust seiner Passivlegitimation geführt hat, bedarf somit keiner Entscheidung.
Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben. Da die Sache nach den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil zur Endentschei-
dung reif ist, hat der Senat abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dies führt zur Abweisung der Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 2 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Tropf Schneider Lemke

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

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aa) Die Säumnis der Klägerin war nicht deshalb unverschuldet, weil das Berufungsgericht ihren Anträgen, den auf 11:20 Uhr anberaumten Verhandlungstermin wegen anderweitiger Termine ihres Prozessbevollmächtigten zu verlegen, nicht entsprochen hat. Voraussetzung jeder Terminverlegung ist, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung vertagt wird (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - X ZR 212/02 - GRUR 2004, 354; BVerwG, NJW 1992, 2042; NJW 1995, 1231; Buchholz 303, § 227 ZPO, Nr. 29). Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Die Ablehnung der Ter- minverlegung lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Angesichts der Tatsache , dass der Verhandlungstermin schon mehrfach verlegt worden war, kam dem Beschleunigungsgebot vorliegend ein erhöhtes Gewicht zu. Dass das Berufungsgericht bei dieser Sachlage an das Vorliegen eines erheblichen Grunds im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO strenge Anforderungen gestellt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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(1) Eine Terminsverlegung setzt voraus, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dieser glaubhaft gemacht wird. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung , ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung verlegt wird (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 25. November 2008 - VI ZR 317/07 Rn. 8 m.w.N., NJW 2009, 687). Erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Einem Antrag auf Terminsverlegung ist daher regelmäßig aufgrund Vorliegens eines erheblichen Grundes stattzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2010 - II ZR 233/09 Rn. 9, NJW 2010, 2440; Urteil vom 15. November 2007 - RiZ (R) 4/07 Rn. 31, NJW 2008, 1448; Urteil vom 13. Januar 2004 - X ZR 212/02, GRUR 2004, 354, juris Rn. 27).

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

(1) Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet. Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern.

(2) Wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein.

(3) Bei einem Anerkenntnisurteil und einem Versäumnisurteil, die nach §§ 307, 331 Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. Dasselbe gilt bei einem Urteil, das den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verwirft (§ 341 Abs. 2).

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

17
a) Die Verletzung nachbarschützender Bauvorschriften kann sowohl einen (quasi negatorischen) verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch des Nachbarn nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog als auch einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB be- gründen (Senat, Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84, NJW 1985, 2825,

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

17
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat den Rückgriff auf den in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz zur Beschränkung des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB überflüssig gemacht. Die Beschränkung folgt nunmehr aus § 275 BGB. Die Vorschrift findet auf alle Leistungspflichten Anwendungen, gleichgültig ob diese auf einem Vertrag, auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder allgemein auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. § 275 Rdn. 2; MünchKomm -BGB/Ernst, 5. Aufl., § 275 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 275 Rdn. 2; ferner OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1024, 1025). Dies war Absicht des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Die Begründung des Gesetzesvorschlags verweist zum Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB ausdrücklich auf Leistungsansprüche aus dem Sachenrecht und führt aus, die Begrenzung derartiger Ansprüche sei bisher § 251 Abs. 2 BGB entnommen worden. Hierzu ist auf das Urteil des Senats, BGHZ 62, 388 ff., ausdrücklich Bezug genommen (BT-Drucks. 14/6040, S. 130).

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt.

(2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschriften.

Droht einem Grundstück die Gefahr, dass es durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstück verbunden ist, oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes beschädigt wird, so kann der Eigentümer von demjenigen, welcher nach dem § 836 Abs. 1 oder den §§ 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich sein würde, verlangen, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt.

(2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschriften.

Droht einem Grundstück die Gefahr, dass es durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen Werkes, das mit einem Nachbargrundstück verbunden ist, oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes beschädigt wird, so kann der Eigentümer von demjenigen, welcher nach dem § 836 Abs. 1 oder den §§ 837, 838 für den eintretenden Schaden verantwortlich sein würde, verlangen, dass er die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Vorkehrung trifft.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

13
(1) Notwendig ist zunächst, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat (vgl. Senat , BGHZ 62, 388, 393; 95, 307, 308; Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rdn. 120). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Beklagten als unmittelbare Besitzer der Wohnung, deren baulicher Zustand dem Eigentumsrecht der Klägerin widerspricht, in der Lage sind, die Beeinträchtigung zu beseitigen. Dem steht der Einwand der Revision, die Beklagten seien als Mieter nicht berechtigt, wesentliche bauliche Veränderung an der Wohnung vorzunehmen, nicht entgegen. Denn die Beklagten werden nicht auf Beseitigung der Störung, sondern lediglich auf deren Duldung und damit auf eine ihnen auch rechtlich mögliche Handlung in Anspruch genommen.
14
(1) Anders als das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Kammergericht (NZM 2007, 845 f. m.w.N.) meint, kann auch der Zustandsstörer zur Beseitigung einer ihm zurechenbaren Störung verpflichtet sein (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2007, V ZR 179/06, NJW 2007, 2182; Urt. v. 29. Februar 2008, V ZR 31/07, NJW-RR 2008, 827). Dies setzt allerdings voraus, dass er nicht nur tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, sondern zudem , dass die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung durch seinen maßgebenden Willen zumindest aufrechterhalten wird (vgl. Senat, Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, NJW 2007, 432 f.). Daran fehlt es etwa, wenn der Mieter einer Wohnung auf Beseitigung eines das Eigentum eines Dritten beeinträchtigenden Zustandes in Anspruch genommen wird, der auf das Handeln des Wohnungseigentümers zurückzuführen ist. Der Mieter ist in einem solchen Fall lediglich verpflichtet, die Beseitigung der Störung zu dulden (vgl. Senat , Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, aaO), nicht aber ist er gehalten, diese durch einen Eingriff in das Eigentum seines Vermieters zu beseitigen. Die Störung zu beseitigen, bleibt in solchen Fällen Sache des Eigentümers.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 24. April 2013 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Miteigentümer eines nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilten Grundstücks, auf dem eine Mehrhausanlage errichtet wurde. Die Eigentumswohnung Nr. 13 der Kläger und die Wohnung Nr. 14 der Beklagten befinden sich in demselben Gebäude, wobei sich das Sondereigentum der Beklagten auf einen im zweiten Dachgeschoss gelegenen Abstellraum erstreckt. Ihr Wohnungseigentum erwarben die Parteien aufgrund notarieller Kaufverträge, die unter Bezugnahme auf die Teilungserklärung mit dem - mittlerweile insolventen - Bauträger geschlossen worden waren. Der Kaufvertrag der Kläger wurde am 7. Februar 2005, derjenige der Beklagten am 12. November 2004 geschlossen. Die Wohnungsgrundbücher wurden am 7. Dezember 2004 angelegt, die Gebäude von dem Bauträger in den Jahren 2005 und 2006 errichtet.

2

Die von den Beklagten genutzten Räume entsprechen in ihrer räumlichen Ausdehnung und Errichtung zwar dem mit dem Bauträger geschlossenen Kaufvertrag, weichen aber von der Teilungserklärung in Verbindung mit den in Bezug genommenen Aufteilungsplänen ab. Insbesondere wurden entgegen diesen Plänen eine für das Treppenhaus vorgesehene Freifläche und eine Aufzugstür in die Wohnung der Beklagten integriert sowie im verbliebenen Treppenhaus eine Treppe „aufgedoppelt“. Der Zugang zum Dachgeschossraum wurde nicht über die vorgesehene Auszugstreppe hergestellt, sondern an anderer Stelle über eine Spindeltreppe. Darüber hinaus wurde dieser Raum mit in den Plänen nicht vorgesehenen Fenstern sowie mit Heizkörpern und Heißwasserzuleitungen versehen.

3

Die Kläger verlangen die Herstellung eines der Teilungserklärung entsprechenden Zustands sowie die Unterlassung der behaupteten Nutzung des Dachgeschossraums als Wohnraum. Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben; lediglich hinsichtlich der „aufgedoppelten“ Treppe hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage auch im Übrigen abgewiesen worden; die gegen die teilweise Klageabweisung gerichtete Anschlussberufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet ein gegen die Beklagten gerichteter „Rückbauanspruch“ gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG aus, weil die Wohnungseigentumsanlage von vornherein abweichend von dem Aufteilungsplan errichtet worden sei. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG erfasse nur bauliche Veränderungen; die erstmalige plangerechte Herstellung falle nicht darunter. Das gelte unabhängig davon, ob Planabweichungen vom teilenden Bauträger ausgingen oder auf Wünschen des von der Abweichung Begünstigten beruhten. Auch ein Anspruch nach § 1004 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG sei nicht gegeben. Zwar habe bereits zur Zeit der Bauausführung eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft bestanden. Da die erste Eigentumswohnung am 10. September 2005 bezogen worden und von einem Besitzübergang an einen durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Ersterwerber auszugehen sei, fänden ab diesem Zeitpunkt die §§ 10 bis 29 WEG entsprechende Anwendung. Gleichwohl sei zu berücksichtigen, dass die Beklagten selbst keine baulichen Veränderungen vorgenommen hätten, sondern der Bauträger die planwidrige Ausführung zu verantworten habe. Auch seien die Parteien bei der Bauausführung noch nicht Mitglieder der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft gewesen, weil sämtliche Miteigentümer des von den Parteien bewohnten Hauses erst Mitte 2006 und damit nach dem ganz überwiegenden Abschluss der Baumaßnahmen in den Besitz des Sonder- und Gemeinschaftseigentums gelangt seien. Ungeachtet dessen stehe den geltend gemachten Beseitigungsansprüchen jedenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

5

Auch die auf Unterlassung einer Nutzung des Dachgeschossraumes zu Wohnzwecken gerichtete Klage sei unbegründet. Auf der Grundlage der von dem Amtsgericht im Wege der Augenscheinseinnahme getroffenen Feststellungen sei eine Nutzung zu Wohnzwecken nicht erwiesen.

II.

6

Die Revision ist unbegründet.

7

1. Der Sache nach zutreffend bejaht das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage. Insbesondere sind die Kläger jedenfalls solange befugt, die auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützten Ansprüche alleine geltend zu machen, wie die Gemeinschaft die Rechtsausübung – woran es hier fehlt – nicht durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG an sich gezogen hat (vgl. Senat, Urteil vom 7. Februar 2014 – V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 6; Timme/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 22 Rn. 293 f., § 43 Rn. 76 mwN).

8

2. Im Ergebnis zu Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass den Klägern die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen.

9

a) Das gilt zunächst für die in Rede stehenden Beseitigungsansprüche. Der Erwerber einer Eigentumswohnung, der mit dem teilenden Eigentümer eine von dem Teilungsplan abweichende bauliche Ausgestaltung vereinbart, ist hinsichtlich der sich daraus ergebenden Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nicht Störer und daher gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern nicht zur Beseitigung des planwidrigen Zustands verpflichtet.

10

aa) Soweit planwidrige Baumaßnahmen vor dem Entstehen einer werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft (dazu und zu den Voraussetzungen vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 – V ZR 196/11, BGHZ 193, 219 Rn. 5 ff.) durchgeführt worden sein sollten, folgt dies schon daraus, dass es an der von § 1004 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Eigentumsbeeinträchtigung fehlt. Zu dem genannten Zeitpunkt stand es dem teilenden Bauträger als Alleineigentümer frei, mit der Sache auch bei der Bauausführung nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB). Nach der Teilung (§ 8 WEG) änderte sich hieran bis zum Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft nichts. Die Rechtslage ist nicht anders, als wenn ein Eigentümer ein ihm gehörendes Grundstück nach seinen Vorstellungen bebaut und dann Eigentum daran überträgt (BayObLG, NJW-RR 1987, 717, 718).

11

Der Erwerber hat auch nach der Eigentumsumschreibung keinen Anspruch aus § 1004 BGB gegen den früheren Eigentümer auf Beseitigung von baulichen Maßnahmen, mögen diese für sein Eigentum auch von Nachteil sein und den vertraglichen Ansprüchen widersprechen (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Mai 1963 – VII ZR 236/61, BGHZ 39, 366, 367; BayObLG, NJW-RR 1988, 587, 588). Das Eigentum des Erwerbers ist durch die baulichen Maßnahmen nicht im Sinne des § 1004 BGB beeinträchtigt, der frühere Eigentümer schon deshalb nicht Störer (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 1993 – 15 W 386/92, juris Rn. 22 u. NJW-RR 1998, 371, 372). Umso weniger kann ein anderer Erwerber, der mit dem teilenden Eigentümer eine von den ursprünglichen Plänen abweichende bauliche Ausgestaltung vereinbart hat und damit nur eine mittelbare Ursache für die Ausübung der dem Bauträger nach § 903 BGB zustehenden sachenrechtlichen Befugnisse setzt, als Handlungsstörer angesehen werden (vgl. BayObLG, NJW-RR 1986, 954, 955; OLG Frankfurt, NZM 2008, 322, 323 aE mwN; Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 22 Rn. 314). Auch eine Haftung dieses Erwerbers als Zustandsstörer scheidet in solchen Fällen aus (Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 315).

12

bb) Soweit die planwidrige Bauausführung erst nach dem Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft durchgeführt oder fertiggestellt worden sein sollte, scheidet eine Inanspruchnahme der Beklagten auf Beseitigung des planwidrigen Zustandes ebenfalls aus. Diese sind auch insoweit nicht als Störer zu qualifizieren.

13

(1) Bei der Bestimmung der Störereigenschaft nach § 1004 Abs. 1 BGB geht es um die Zurechnung von Ursachen, die in Eigentumsbeeinträchtigungen einmünden (vgl. nur MünchKomm-BGB/Baldus, 6. Aufl., § 1004 Rn. 149; Staudinger/Gursky [2013], § 1004 Rn. 92), und damit letztlich um den Zuschnitt von Verantwortungsbereichen.

14

(a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass für die Zurechnung nicht schon die Sachherrschaft über die störende Sache und die damit einhergehende Möglichkeit genügt, die Störung zu beenden, um jemanden als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen. So ist Zustandsstörer nur derjenige, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird; die Beeinträchtigung muss - wenigstens mittelbar - auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgehen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles Sachgründe dafür gibt, der als Störer in Betracht kommenden Person die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen (zum Ganzen Senat, Urteil vom 1. Dezember 2006 – V ZR 112/06, NJW 2007, 437 Rn. 11 ff. mwN; vgl. auch Senat, Beschluss vom 4. März 2010 – V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 14).

15

(b) Als mittelbarer Handlungsstörer kommt nur derjenige in Betracht, der die Beeinträchtigung durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht und in der Lage ist, die unmittelbar auftretende Störung zu verhindern (std. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Mai 2014 – V ZR 131/13, NJW 2014, 2640 Rn. 8 mwN). Geht es – wie hier – um eine von dem Zustand einer Sache ausgehende fortdauernde Eigentumsbeeinträchtigung, sind die Übergänge zum Zustandsstörer allerdings fließend (zutreffend Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 328) und entziehen sich einer klaren Abgrenzung zum Handlungsstörer jedenfalls dann, wenn der Handelnde später – wie hier – Eigentümer der Sache geworden ist. Denn auch bei der Verursachung durch eine Handlung – wie hier bei der (teilweise) planwidrigen Errichtung eines Bauwerks aufgrund bestimmter Wünsche des Erwerbers – wird die Beeinträchtigung erst über den Zustand der Sache vermittelt (MünchKomm-BGB/Baldus, aaO, § 1004 Rn. 153). Das lässt es sachgerecht erscheinen, die Zurechnung und den damit einhergehenden Zuschnitt der Verantwortungsbereiche in derartigen Konstellationen auch bei der Bestimmung des mittelbaren Handlungsstörers von einer wertenden Betrachtung abhängig zu machen (vgl. auch LG München I, ZWE 2010, 411, 412; Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 314).

16

(2) Bei der danach gebotenen wertenden Betrachtung sind die Beklagten weder als mittelbare Handlungs- noch als Zustandsstörer anzusehen. Es fehlt an ausreichenden Sachgründen dafür, den Beklagten die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen.

17

(a) Durch den Abschluss des Kaufvertrags haben die Beklagten zwar eine adäquate Ursache für die teilweise planwidrige Errichtung des Gebäudes gesetzt. Unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Rechtsverkehrs reicht dies jedoch nicht aus, dem Käufer die Verantwortung für die planwidrige Bauausführung durch den teilenden Bauträger zuzuschreiben (vgl. auch LG München I, ZWE 2010, 411, 412; Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 314). Vielmehr darf ein Käufer in aller Regel davon ausgehen, dass der Bauträger die Bauausführung im Rahmen seiner (Eigentums-)Befugnisse bzw. – sofern der Bau erst nach Entstehen einer (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fertiggestellt wird – notfalls im Zuge einer Anpassung der Teilungserklärung und in Übereinstimmung mit den anderweit eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juni 2005 - V ZR 328/03, NZBau 2005, 587 f.) durchführen wird. Wollte man das anders sehen, würde Käufern von noch zu errichtenden Eigentumswohnungen ein erhebliches Risiko auferlegt und damit der Kauf von Wohnungseigentum ohne Not erschwert.

18

(b) Zudem erscheint es kaum überzeugend, dem Gestaltungswünsche äußernden zukünftigen Erwerber eine Mitverantwortung als Störer je nachdem aufzuerlegen, ob dem teilenden Bauträger die planwidrige Fertigstellung des Gebäudes noch vor Entstehen der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft gelingt (dann keine Zurechnung) oder aber erst danach (dann Zurechnung; so jedenfalls im Ergebnis BayObLG, NJW-RR 1987, 717 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 1993 – 15 W 386/92, juris Rn. 23 ff.). Auch hinsichtlich der Beseitigungsverpflichtung ergäben sich Abgrenzungsschwierigkeiten; denn verlangt werden könnte von dem Erwerber nach § 1004 BGB nur die Wiederherstellung des baulichen Zustandes, der vor der Störung, also im Zeitpunkt der - von Zufälligkeiten abhängigen - Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft, bestand.

19

(c) Der von dem Senat befürwortete Zuschnitt der Verantwortungsbereiche harmoniert damit, dass die erstmalige plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes nicht einem einzelnen Wohnungseigentümer obliegt, sondern Sache aller Wohnungseigentümer ist (vgl. nur BayObLG NJW-RR 1986, 954, 955; 1988, 587, 588; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 1993 – 15 W 386/92, aaO, Rn. 24 u. NJW-RR 1998, 371, 372; Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 22; vgl. auch OLG Frankfurt, NZM 2008, 322, 323 aE mwN). Schutzwürdige Belange der übrigen Wohnungseigentümer bleiben dabei gewahrt.

20

(aa) Da unter Instandsetzung auch die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu verstehen ist (vgl. nur Merle in Bärmann, aaO, § 21 Rn. 118 mwN), kann jeder Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 WEG von den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich verlangen, dass das Gemeinschaftseigentum plangerecht hergestellt wird (vgl. Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 20 u. 22 mwN; KG, NJW-RR 1991, 1421 f.). Beschließen die Wohnungseigentümer die plangerechte Herrichtung der Wohnanlage auf Kosten der Gemeinschaft (vgl. BayObLG NJW-RR 1987, 717, 718; KG, NJW-RR 1991, 1421, 1422) mehrheitlich nach § 21 Abs. 3 WEG, sind die hiervon betroffenen Wohnungseigentümer ab diesem Zeitpunkt nach § 14 Nr. 4 WEG zur Duldung des Umbaus verpflichtet. § 22 WEG steht dem nicht entgegen, weil die erstmalige plangerechte Herrichtung keine bauliche Veränderung im Sinne der genannten Norm darstellt, und zwar im Grundsatz auch dann, wenn ein Gebäude planwidrig erstellt wurde und sodann die Planwidrigkeit behoben wird (vgl. BayObLG, NJW-RR 1986, 954, 955; Hogenschurz in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 22 Rn. 7 f.; Merle in Bärmann, aaO, § 22 Rn. 20 u. 22; jeweils mwN).

21

(bb) Der Anspruch auf erstmalige Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustands wird allerdings durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begrenzt und entfällt deshalb, wenn seine Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern nach den Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist (vgl. BayObLG, ZMR 2004, 524, 525 mwN). So kann es etwa liegen, wenn die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erfordert oder Kosten verursacht, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer unverhältnismäßig sind. In einem solchen Fall sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, Teilungsvertrag und Aufteilungsplan so zu ändern, dass diese der tatsächlichen Bauausführung entsprechen (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2003 – V ZR 447/01, NJW 2004, 1798, 1800 für einen sondereigentumslosen Miteigentumsanteil und Urteil vom 11. Mai 2012– V ZR 189/11, NJW-RR 2012, 1036 Rn. 11). Die Interessen der hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer werden dadurch gewahrt, dass sie jedenfalls gravierende Abweichungen zu Lasten ihres Sondereigentums unter Umständen nur gegen eine Ausgleichszahlung hinnehmen müssen (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2003 - V ZR 447/01, aaO).

22

b) Die Unterlassungsklage hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler mit der Erwägung abgewiesen, auf der Grundlage der von dem Amtsgericht im Wege der Augenscheinseinnahme getroffenen Feststellungen sei eine Nutzung des Dachgeschossraums zu Wohnzwecken nicht erwiesen. Entgegen der Auffassung der Kläger war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, die Augenscheinseinnahme zu wiederholen. Richtig ist zwar, dass insoweit im Prinzip dieselben Grundsätze gelten, die zur Unzulässigkeit der abweichenden Würdigung einer in erster Instanz protokollierten Zeugenaussage durch das Berufungsgericht ohne eigene Beweiserhebung entwickelt worden sind (BGH, Urteil vom 21. Mai 1985 – VI ZR 235/83, NJW-RR 1986, 190, 191). Danach ist die erneute Vernehmung eines Zeugen erforderlich, wenn das Berufungsgericht dessen protokollierte Aussage anders verstehen oder werten will als die Vorinstanz (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 – VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5 mwN). Anders liegt es dagegen, wenn dem Berufungsgericht der objektive Beweiswert der als wahr unterstellten Aussage des Zeugen nicht ausreicht, um die Beweisfrage zu bejahen; in diesem Fall ist eine Wiederholung der Beweisaufnahme entbehrlich (Senat, Urteil vom 19. Juli 2002– V ZR 240/01, WM 2003, 154, 156; BGH, Urteil vom 2. Juni 1999– VIII ZR 112/98, NJW 1999, 2972, 2974). So verhält es sich der Sache nach auch hier. Das Berufungsgericht hat die von dem Amtsgericht im Wege der Augenscheinsnahme getroffenen Feststellungen als wahr unterstellt, sie aber nicht als ausreichend angesehen, um die Nutzung des zweiten Dachgeschosses zu Wohnzwecken als erwiesen anzusehen. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

23

Soweit die Revision darüber hinaus rügt, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang bestimmte Anlagen und Sachvortrag u.a. in einem Parallelverfahren nicht berücksichtigt, hat der Senat auch diese Rügen geprüft, sie aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

III.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                       Schmidt-Räntsch                      Brückner

                    Weinland                                  Kazele

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

17
a) Die Verletzung nachbarschützender Bauvorschriften kann sowohl einen (quasi negatorischen) verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch des Nachbarn nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog als auch einen auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB be- gründen (Senat, Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84, NJW 1985, 2825,

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
V ZR 443/99 Verkündet am:
22. September 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Zur Beseitigung des eigentumsbeeinträchtigenden Zustands eines Grundstücks ist
der Eigentümer des Nachbargrundstücks, der ihn weder durch positives Tun noch
durch pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat, nur verpflichtet, wenn die Beeinträchtigung
auf einen gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks zurückzuführen
ist.
BGH, Urt. v. 22. September 2000 - V ZR 443/99 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. Oktober 1999 aufgehoben und das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 1998 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 24. November 1995 erwarben die Kläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts von einer Erbengemeinschaft das Grundstück S. A. 62 in B. -P. B. . Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 28. Juni 1996. Der Beklagte war bei Einreichung der Klage am 8. Juli 1998 Eigentümer des Nachbargrundstücks

S.

A. 61, welches mit bestandskräftigem Bescheid des Amtes zur Regelung
offener Vermögensfragen Mitte-P. B. am 11. November 1998 restituiert worden ist.
Beide mit zum Teil gewerblich genutzten Altbau-Miethäusern bebaute Grundstücke standen vor der Wiedervereinigung im Eigentum des Volkes; Rechtsträger war jeweils der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung B. - P. B. . Dieser errichtete Anfang der 80er Jahre auf dem jetzigen Grundstück der Kläger einen etwa 2 x 4 m großen eingeschossigen Anbau. Der Zugang dazu ist ausschließlich durch einen Durchbruch in der Brandwand von dem NachbargrundstückS. A. 61 möglich. Ferner befindet sich im Erdgeschoß des auf dem Grundstück der Kläger gelegenen Seitenflügels ihres Miethauses ein 3,5 x 5,6 m großer Raum, der durch eine vor dem Erwerb der Kläger hergestellte Öffnung der Grenzwand zwischen den Grundstücken S. A. 61 und 62 erschlossen wird. Der Zugang zu einem angrenzenden Raum des Hauses der Kläger wurde seinerzeit zugemauert.
Sowohl der Anbau als auch der Raum im Seitenflügel des Miethauses der Kläger werden derzeit von einem Dritten gewerblich genutzt.
Mit der Behauptung, der Beklagte habe die Räume an den Dritten vermietet , haben die Kläger verlangt, den Beklagten zu verurteilen, den Anbau zu beseitigen, die Maueröffnung und den Wanddurchbruch zu dem Raum im Seitenflügel ihres Miethauses zu schließen, den Zugang zu dem angrenzenden Raum zu öffnen sowie Auskunft über die Höhe des erzielten Mietzinses für die Vermietung des Anbaus und des Raums im Seitenflügel ihres Hauses zu erteilen und ihn nebst Zinsen auszuzahlen. Das Landgericht hat den Auskunftsund Zahlungsanspruch abgewiesen und der Klage im übrigen stattgegeben.
Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt er weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die während des Rechtsstreits erfolgte Restitution des bisher dem Beklagten gehörenden Grundstücks nach dem auch hier anzuwendenden Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit keinen Einfluß auf die Passivlegitimation des Beklagten. Er sei Zustandsstörer gewesen, weil das Aufrechterhalten des das Eigentum der Kläger fortlaufend beeinträchtigenden Zustands auf seinen Willen zurückgegangen sei. Ob die Kläger Eigentümer des Anbaus geworden seien, sei unerheblich. Sie seien auch nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet, weil die Voraussetzungen des § 320 Abs. 1 ZGB und § 912 Abs. 1 BGB nicht vorlägen.

II.


Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Kläger waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden, obwohl das Urteil inhaltlich nicht auf der Säumnisfolge beruht
(vgl. BGHZ 37, 79, 81 f; Senatsurt. v. 6. Juni 1986, V ZR 96/85, NJW 1986, 3086).
2. Ob das Berufungsgericht zu Recht von einer fortdauernden Eigentumsbeeinträchtigung der Kläger ausgeht, kann dahinstehen. Zwar knüpft das Gesetz die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung an, die der Eigentümer nicht dulden muß; allein der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand begründet den Abwehranspruch (vgl. Senat, BGHZ 66, 37, 39 m.w.N.). Die Sachherrschaft des Grundstückseigentümers ist so lange beeinträchtigt, wie die Eigentumsstörung nicht beseitigt ist (Senatsurt. v. 11. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). In Anlehnung an die Grundsätze des Eigengrenzüberbaus könnte hier bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Eigentumsbeeinträchtigung gegeben sein. Jedoch sind Zweifel daran deswegen angebracht, weil die Baumaßnahmen seinerzeit von dem Berechtigten ausschließlich auf dem jetzt den Klägern gehörenden Grundstück ausgeführt wurden und die Kläger das Eigentum in dem baulich veränderten Zustand erlangt haben (s. dazu Staudinger/Gursky [1999], § 1004 Rdn. 41 ff). Dies bedarf aber keiner Vertiefung, weil der Beklagte für eine etwaige Störung nicht verantwortlich ist.

a) Nach allgemeiner Auffassung richtet sich der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB gegen denjenigen, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten - d.h. positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen - adäquat verursacht hat (vgl. nur Senat, BGHZ 49, 340, 347; Senatsurt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, WM 1983, 176, 177; Staudinger/Gursky,aaO, Rdn. 93 mit umfangr. Nachw.), aber auch gegen denjenigen, der zwar nicht selbst gehandelt hat, durch dessen maßgebenden Willen aber der eigentumsbeeinträchti-
gende Zustand aufrechterhalten wird, von dessen Willen also die Beseitigung dieses Zustands abhängt (vgl. Senatsurt. v. 22. März 1966, V ZR 126/63, NJW 1966, 1360, 1361 m.w.N.; 19. Januar 1996, V ZR 298/94, NJW-RR 1996, 659; 11. Juni 1999, V ZR 377/98, WM 1998, 2168, 2169; Staudinger/Gursky, aaO, Rdn. 94 m. umfangr. Nachw.). Danach ist der Eigentümer eines Grundstücks für dessen gefahrenträchtigen Zustand verantwortlich und kann nach § 1004 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden, weil die Aufrechterhaltung des Zustands auf seinen Willen zurückgeht, ohne daß es darauf ankäme, welchen eigenen Beitrag er hierzu geleistet hat und ob er den störenden Zustand kannte (Senatsurt. v. 19. Januar 1996, aaO).

b) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Haftung des Beklagten aus. Dafür kommt es allerdings nicht darauf an, daß die Baumaßnahmen, die das Eigentum der Kläger nach wie vor beeinträchtigen, seit vielen Jahren abgeschlossen sind. Denn an einer einmal eingetretenen Verantwortlichkeit eines Störers kann sich durch das Verhalten des Pflichtigen nichts ändern, wenn die Beeinträchtigung fortbesteht (Senatsurt. v. 1. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). Entscheidend ist vielmehr, daß der Beklagte die baulichen Veränderungen nicht vorgenommen und es sich bei ihnen seinerzeit gar nicht um die Beeinträchtigung fremden Eigentums gehandelt hat. Auch der Umstand, daß der Beklagte bei Klageerhebung Eigentümer des an das Grundstück der Kläger angrenzenden Grundstücks war, macht ihn nicht zum Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Eine solche Haftung kommt nämlich nur dann in Betracht , wenn die störenden Einwirkungen auf das Nachbargrundstück von dem Grundstück des Eigentümers ausgehen oder zu besorgen sind (s. nur Senat, BGHZ 122, 283, 284 f; Senatsurt. v. 19. Januar 1996, aaO). Um es mit einem vom Senat bereits in anderem Zusammenhang angeführten ähnlichen Beispiel
(Senatsurt. v. 1. Dezember 1995, aaO) zu verdeutlichen: Der Grundstückseigentümer muß den Stein, den der Voreigentümer auf das Nachbargrundstück geworfen hat, nicht beseitigen. Denn die bei dem Nachbarn eingetretene Eigentumsstörung steht in keinerlei Zusammenhang mit dem Zustand des Grundstücks des Eigentümers, sondern beruht ausschließlich auf dem Handeln des Voreigentümers. Der einzige Bezug zwischen Störung und Grundstück wird durch die Identität des Störers mit dem früheren Grundstückseigentümer hergestellt. Das reicht für die Begründung der Haftung des späteren Eigentümers nicht aus. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, daß der Grundstückseigentümer für jede Störungshandlung eines Voreigentümers verantwortlich ist, auch wenn sie keinen Bezug zu dem Zustand des Grundstücks aufweist. Das kann nicht richtig sein. Zur Beseitigung des eigentumsbeeinträchtigenden Zustands eines Grundstücks ist der Eigentümer des Nachbargrundstücks, der ihn weder durch positives Tun noch durch pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat, nur verpflichtet, wenn die Beeinträchtigung auf einen gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks zurückzuführen ist.
In dem vorliegenden Fall hat die zugemauerte Türöffnung in dem Miethaus der Kläger mit dem Zustand des benachbarten Grundstücks ebensowenig etwas zu tun wie der Durchbruch in der Mauer dieses Hauses. Beide Gegebenheiten beruhen nicht etwa auf Gefahren oder sonstigen Umständen, die von dem anderen Grundstück ausgehen. Nichts anderes gilt für den auf dem Grundstück der Kläger errichteten Anbau. Auch seine Existenz läßt sich nicht auf einen bestimmten Zustand des bei Klageerhebung dem Beklagten gehörenden Grundstücks zurückführen. Etwas anderes könnte allenfalls für die
Wanddurchbrüche auf diesem Grundstück gelten. Deren Beseitigung verlangen die Kläger indes nicht.

c) Auf die vom Berufungsgericht weiter erörterte Problematik des Eigentums an dem Anbau und der Duldungspflicht nach §§ 912 Abs. 1, 1004 Abs. 2 BGB kommt es somit nicht an.
3. Der Anspruch der Kläger ist auch nicht aus § 823 BGB begründet. Der Beklagte hat keine unerlaubte Handlung im Sinne des Absatzes 1 der Vorschrift begangen, weil er die baulichen Maßnahmen nicht durchgeführt hat und nicht zu ihrer Beseitigung verpflichtet ist. Ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB) kann dem Beklagten nach dem bisher Gesagten ebenfalls nicht vorgeworfen werden.
4. Auch ein Anspruch der Kläger unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kommt nicht in Betracht. Dieses Rechtsinstitut dient nur in Extremfällen als Korrektiv nach Treu und Glauben zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher Interessenkonflikte (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 389 ff). Hier liegt indes keine Situation vor, die eine solche Korrektur erfordert.
5. Ob die während des Rechtsstreits erfolgte Eigentumsänderung an dem früher dem Beklagten gehörenden Grundstück zum Verlust seiner Passivlegitimation geführt hat, bedarf somit keiner Entscheidung.
Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben. Da die Sache nach den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil zur Endentschei-
dung reif ist, hat der Senat abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dies führt zur Abweisung der Klage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 2 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Tropf Schneider Lemke
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(1) Anders als das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Kammergericht (NZM 2007, 845 f. m.w.N.) meint, kann auch der Zustandsstörer zur Beseitigung einer ihm zurechenbaren Störung verpflichtet sein (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2007, V ZR 179/06, NJW 2007, 2182; Urt. v. 29. Februar 2008, V ZR 31/07, NJW-RR 2008, 827). Dies setzt allerdings voraus, dass er nicht nur tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, sondern zudem , dass die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung durch seinen maßgebenden Willen zumindest aufrechterhalten wird (vgl. Senat, Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, NJW 2007, 432 f.). Daran fehlt es etwa, wenn der Mieter einer Wohnung auf Beseitigung eines das Eigentum eines Dritten beeinträchtigenden Zustandes in Anspruch genommen wird, der auf das Handeln des Wohnungseigentümers zurückzuführen ist. Der Mieter ist in einem solchen Fall lediglich verpflichtet, die Beseitigung der Störung zu dulden (vgl. Senat , Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, aaO), nicht aber ist er gehalten, diese durch einen Eingriff in das Eigentum seines Vermieters zu beseitigen. Die Störung zu beseitigen, bleibt in solchen Fällen Sache des Eigentümers.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 246/00 Verkündet am:
6. Juli 2001
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wer sich in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle
(hier: Industrielärm einer Hammerschmiede) in deren Nähe ansiedelt, ist
zwar nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immission verpflichtet, wohl aber
zur Duldung derjenigen, die sich in den Grenzen der zulässigen Richtwerte hält.
BGH, Urt. v. 6. Juli 2001- V ZR 246/00 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel, die Richterin
Dr. Lambert-Lang und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2000 aufgehoben und das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 1. August 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in G.-F., das sie im Jahr 1990 erworben und mit einem von ihnen bewohnten Einfamilienhaus bebaut haben. Das Grundstück liegt am östlichen Rand eines allgemeinen Wohngebiets. In einer Entfernung von etwa 160 m östlich davon betreibt die Beklagte in einem Industriegebiet seit mehr als 30 Jahren - im jetzigen Umfang seit 1986 - eine behördlich genehmigte Hammerschmiede. Die Betriebszeit beträgt werk-
täglich acht Stunden, die Einwirkdauer beim Schmieden mit den Riemenfallhämmern ca. zwei bis fünf Stunden. Während der Betriebszeiten sind ganzjährig sämtliche Fenster im Produktionsgebäude geöffnet, im Sommer zusätzlich ein ca. 5 qm großes Tor in der Westfassade.
Das Betriebsgrundstück der Beklagten grenzt an die östliche Seite einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Kreisstraße; zwischen der westlichen Straßenseite und dem Grundstück der Kläger liegt noch ein Gewerbegebiet.
Mit der Behauptung, der Betrieb der Hammerschmiede führe - insbesondere in den Sommermonaten - zu unzumutbaren Lärmimmissionen, die zur Folge hätten, daß es unmöglich sei, sich auf ihrem Grundstück im Freien aufzuhalten , sich zu unterhalten und im Inneren des Wohnhauses während des Betriebs der Hämmer zu schlafen, haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, während des Einsatzes von Hämmern, Hammereinrichtungen und anderen Maschinen Tore, Türen, Fenster, Lüftungsklappen oder die Oberlichtverglasung der Werkhalle an der Westseite des Betriebsgeländes offenzuhalten; hilfsweise haben sie die Verurteilung der Beklagten beantragt, geeignete Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß von der Hammerschmiede Geräusche ausgehen, welche die Benutzung des Wohngrundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigen. Das Landgericht hat dem Hauptantrag im wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie verurteilt, geeignete Maßnahmen zu treffen, daß beim Einsatz der Riemenfallhämmer keine Geräusche entstehen, welche die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigen, wozu nur solche Maßnahmen geeignet seien, die die auf dem Grundstück gemessenen Immissionspegel um mindestens Delta L größer als 10 dB(A) minderten.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger von der Beklagten nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 862 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 906 BGB die Unterlassung der durch den Betrieb der Riemenfallhämmer verursachten wesentlichen Beeinträchtigungen der Benutzung ihres Grundstücks verlangen. Zwar habe der gerichtlich bestellte Sachverständige eine Überschreitung der nach den Vorschriften der TA-Lärm 1968 und 1998 sowie den VDI-Richtlinien 2058 festgelegten Immissionsrichtwerte nicht festgestellt, weshalb nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB eine nur unwesentliche Beeinträchtigung vermutet werde; aber aufgrund seiner bei einem Ortstermin gewonnenen eigenen Empfindungen sieht das Berufungsgericht die Geräusche der Riemenfallhämmer als "schädliche Umwelteinwirkungen" im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG an, woraus sich die wesentliche Beeinträchtigung ergebe. Dem stehe der Umstand, daß die Beklagte ihren Betrieb seit mehr als 30 Jahren betreibe, während die Kläger ihr Grundstück erst vor ca. 10 Jahren erworben hätten, nicht entgegen; denn bei der Anwendung des § 906 BGB komme es auf die zeitliche Priorität nicht an. Auch sei die situationsbedingte Vorbelastung des Grundstücks der Kläger bei der Festlegung des maßgebenden Immissionsrichtwerts - anstatt mit 55 dB(A) für allgemeine Wohngebiete hier mit 60 dB(A) für Mischgebiete - ausreichend berücksichtigt. Schließlich folge eine Dul-
dungspflicht der Kläger auch nicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB; dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Nutzung des Grundstücks der Beklagten überhaupt ortsüblich sei, denn die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht vorgetragen, daß die wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks der Kläger durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden könne.

II.


Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. a) Nicht zu beanstanden - und von der Revision auch nicht angegriffen - ist allerdings, daß das Berufungsgericht seiner Beurteilung das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, zugrunde legt (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 255; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030) und sich an den Richtwerten der TA-Lärm 1968 und 1998 sowie den VDI-Richtlinien 2058 orientiert.

b) Fehlerfrei stellt das Berufungsgericht auch fest, daß die von dem Betrieb der Beklagten ausgehenden Geräusche auf dem Grundstück der Kläger die für dieses geltenden Richt- und Grenzwerte nicht überschreiten. Zwar weist die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung zutreffend auf den Unterschied zwischen der Impulshaltigkeit gemessener Geräusche und ihrem Informationsgehalt hin, den zwar der Sachverständige, nicht aber das Berufungsgericht be-
achtet hat. Aber sie räumt ebenso zutreffend ein, daß dieser Umstand nichts an dem Ergebnis ändert.

c) Zu Recht legt das Berufungsgericht seiner Beurteilung den Richtwert für Mischgebiete zugrunde. Die Rüge der Revision, es habe dabei den Grenzbereich zwischen einem allgemeinen Wohngebiet und einem Industriegebiet nicht beachtet, ist unbegründet. Das Gegenteil ist der Fall. Das Berufungsgericht ordnet die beiden Gebietscharaktere richtig ein und folgert daraus zu Recht, daß beim Zusammentreffen von Gebieten unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit jede Grundstücksnutzung - wie auch im öffentlichen Baurecht (vgl. BVerwGE 98, 235, 243) - mit einer speziellen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet ist, so daß für die Ermittlung der maßgebenden Richt- und Grenzwerte ein Mittelwert gefunden werden muß (vgl. Senat, BGHZ 121, 248, 254; Senatsurt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, NJW 1995, 132, 133). Diesen Wert von 60 dB(A) leitet es fehlerfrei - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen - aus den Ziff. 6.1 und 6.7 der TA-Lärm 1998 her.

d) Im übrigen führte die Festlegung eines höheren Mittelwerts lediglich zu einem stärkeren Unterschreiten des maßgeblichen Richtwerts, ohne daß allein dadurch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks der Kläger ausgeschlossen wäre; das Einhalten oder Unterschreiten von Richtwerten indiziert nämlich nur die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung (Senatsurt. v. 20. November 1998, aaO). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgelegt werden. Die Lästigkeit eines Geräuschs, die rechtlich für das Immissionsrecht entscheidend ist, hängt nicht allein von Meßwerten (zumal von Mittelungspegeln), sondern von einer Reihe anderer Um-
stände ab, für die es auf das eigene Empfinden des Tatrichters ankommt (Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, NJW 1992, 2019). Das hat auch den Gesetzgeber bei der Neufassung des § 906 Abs. 1 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 (BGBl. I 2457) veranlaßt, mit der Formulierung "in der Regel" in dem neu eingefügten Satz 2 einen gewissen einzelfallbezogenen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu erhalten (vgl. BT-Drucks. 12/7425 S. 88). Deswegen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung im wesentlichen auf das Ergebnis der Augenscheinseinnahme stützt. Es hat dabei festgestellt, daß die Schläge der Riemenfallhämmer ohne Vorankündigung mit voller Intensität einsetzen , ihre zeitliche Dauer unvorhersehbar und die Frequenz sehr unterschiedlich ist. Die Berücksichtigung dieser Besonderheiten, die nach Auffassung des Berufungsgerichts die Lästigkeit der Geräuschimmissionen ausmachen , führt entgegen der Auffassung der Beklagten in ihrer Revisionsbegründung nicht zu einer doppelten Wertung zu Lasten der Beklagten. Zwar hat der Sachverständige diese Eigenart der Geräusche unter Anwendung des Taktmaximalverfahrens wegen ihrer Impulshaltigkeit und mit der Erhebung eines Zuschlags von 6 dB(A) für ihren Informationsgehalt bereits berücksichtigt. Aber das ersetzt nicht das eigene Empfinden des Tatrichters, welches naturgemäß von denselben Geräuschkomponenten bestimmt wird.

e) Bedenken bestehen jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht die Einwirkdauer beim Schmieden mit den Riemenfallhämmern nicht weiter in seine Beurteilung einbezieht. Es trifft keine Feststellungen dazu, zu welcher Tageszeit die von ihm als lästig empfundenen Geräusche auftreten. Dabei liegt es auf der Hand, daß auch davon das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" beeinflußt wird. Denn Geräuschimmissionen z.B. in den
Abend- und Nachtstunden werden in der Regel als lästiger empfunden als solche am Vormittag; je mehr sie in der Freizeit oder in Ruhezeiten auf das Grundstück des Beeinträchtigten einwirken, desto weniger sind sie zumutbar.

f) Auch die Vorgehensweise des Berufungsgerichts bei der Augenscheineinnahme begegnet rechtlichen Bedenken. Es hat sich nämlich seinen Eindruck von der Intensität und Lautstärke der Geräusche nicht nur auf dem Grundstück der Kläger verschafft, sondern auch an einem anderen, dem Betrieb der Beklagten näher gelegenen Standort. Dorthin hat es sich zur Kompensation des am Tag der Augenscheineinnahme herrschenden Westwindes begeben, um diejenige Lautstärke zu empfinden, die der Sachverständige bei seiner Messung bei Windstille auf dem Grundstück der Kläger ermittelt hat. Auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse stützt es im wesentlichen seine Beurteilung. Das ist jedoch allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Berufungsgericht diese Vorgehensweise entweder aufgrund eigener Sachkunde oder nach sachverständiger Beratung gewählt hat. Entsprechende Darlegungen fehlen in dem angefochtenen Urteil. Außerdem weist die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung zutreffend darauf hin, daß die Messung des Sachverständigen auf dem Grundstück der Kläger einen Spitzenwert von ca. 61 dB(A) ergeben hat, das Berufungsgericht sich jedoch bei der Augenscheineinnahme dem Betrieb der Beklagten so weit genähert hat, bis das Meßgerät des Sachverständigen die Geräusche der Riemenfallhämmer mit 56-64 dB(A) anzeigte. Auch insoweit fehlen in dem Berufungsurteil Darlegungen zur Vergleichbarkeit der Wahrnehmung der verschiedenen Lautstärken.
2. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung. Das Berufungsurteil kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht
den Umstand, daß die Beklagte die Hammerschmiede schon seit über 30 Jahren betreibt und die Kläger das betroffene Grundstück erst vor etwa 10 Jahren erworben haben, nicht ausreichend berücksichtigt.

a) Zutreffend ist allerdings, daß nach der Rechtsprechung des Senats, die in der Kommentarliteratur Zustimmung gefunden hat, dem Gedanken der zeitlichen Priorität - anders als im Rahmen des sekundären Rechtsschutzes nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (BGHZ 59, 378, 384 f) - beim primären Rechtsschutz nach §§ 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich keine Bedeutung zukommt (BGHZ 15, 146, 148; Urt. v. 6. Juni 1969, V ZR 53/66, LM BGB § 906 Nr. 32; Urt. v. 22. Oktober 1976, V ZR 36/75, NJW 1977, 146 [insoweit nicht in BGHZ 67, 252 ff. abgedruckt]; MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 93; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 906 Rdn. 51; Palandt /Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 906 Rdn. 28; Soergel/Baur, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdn. 92). Maßgeblich für die Beurteilung, ob Immissionen die Benutzung eines Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, ist nämlich die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Allerdings hat der Senat auch wiederholt klargestellt, daß dies nur in dem Sinne gilt, daß die zeitliche Priorität dem Störer keinen Rechtfertigungsgrund für die Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbarn liefert (BGHZ 60, 235, 242; 135, 235, 241).

b) Andererseits hat der Senat in dem Jugendzeltplatz-Fall (BGHZ 121, 248, 254) aber auch betont, daß der Grundstückseigentümer, der sich im Grenzbereich von Gebieten mit verschiedener Qualität und Schutzwürdigkeit als erster ansiedelt, keinen Anspruch darauf hat, daß im angrenzenden Bereich eine emittierende Nutzung in Zukunft unterbleibt. Den darin liegenden Gedanken der Mitverantwortung des beeinträchtigten Eigentümers für die spätere
vorhersehbare Konfliktlage hat der Senat in seinem Tennisplatz-PappelwurzelFall (BGHZ 135, 235, 241) aufgegriffen und in den Vordergrund gestellt. Er ist die Folge der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch im Nachbarrecht gilt. Aus ihm hat das Reichsgericht das sog. nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis entwickelt; der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung übernommen und weitergebildet. Zwar ergeben sich, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont hat, die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn in erster Linie aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts; sie haben dort eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Deshalb begründet der Gedanke von Treu und Glauben keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringt nämlich die Pflicht zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme, die in Ausnahmefällen dazu führen kann, daß die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig wird (s. zu allem Senat, BGHZ 68, 350, 353 f; 88, 344, 351; 113, 384, 389; Senatsurt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634, jew. m.w.N.). Das gilt auch hier.
3. Die Beklagte betreibt die Hammerschmiede seit mehr als 30 Jahren auf ihrem in einem Industriegebiet liegenden Grundstück; der Produktionsablauf ist seit 1986 unverändert, so daß die auf die Umgebung einwirkenden Geräuschimmissionen seitdem ebenfalls unverändert sind; der Betrieb ist behördlich genehmigt; die auf das Grundstück der Kläger einwirkenden Geräuschimmissionen dauern werktäglich zwei bis fünf Stunden; die für das Grundstück der Kläger maßgeblichen Geräuschimmissionsrichtwerte werden nicht überschritten ; die Kläger haben ihr insoweit situationsbelastetes Grundstück im
Jahr 1990 erworben und mit dem Wohnhaus bebaut. Sie kannten die Geräuscheinwirkungen , die sie jetzt abwehren wollen, oder sie hätten sie zumindest kennen können. Das gilt auch dann, wenn sie sich - worauf ihr Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen hat - darauf verlassen haben, daß die Beklagte die ihr in öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erteilten Auflagen einhielt. Denn insoweit kommt es nicht auf die Nr. 9 der Allgemeinen Bedingungen zu der Genehmigung des Landratsamts H. vom 24. August 1965 (Ausführung der Fensterfront der Westseite des Produktionsgebäudes als Doppelverglasung - Mindestabstand der beiden Glasfronten 5 cm - oder in entsprechend starken Glasbausteinen), sondern auf die den Lärmschutz konkretisierende Nr. 27 der Nebenbestimmungen zu der Entscheidung des Landratsamts H. vom 18. August 1986 an. Darin wird von der Beklagten nur verlangt, durch bauliche Maßnahmen sicherzustellen, daß der Beurteilungspegel der Geräuschimmissionen - gemessen 0,5 m vor den geöffneten , vom Lärm am stärksten betroffenen Fenstern der zum Wohnen bestimmten Nachbargebäude - u.a. den hier maßgeblichen Wert für Mischgebiete von 60 dB (A) nicht überschreitet. Dieser Wert wird nach den Messungen des Sachverständigen jedoch eingehalten, obwohl die Fenster in dem Produktionsgebäude der Beklagten geöffnet sind. Den Klägern war es möglich, sich auf diese Situation einzustellen und entweder von der Ansiedelung Abstand zu nehmen oder eigene Vorkehrungen zum Schutz gegen die Geräuschimmissionen zu treffen. Beides haben sie nicht getan, sondern gleichsam "sehenden Auges" die absehbaren Beeinträchtigungen in Kauf genommen. Das führt im Rahmen der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme zu einer gesteigerten Duldungspflicht, nachdem die Beklagte der ihr obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme dadurch nachgekommen ist, daß sie ihren Betrieb so eingerichtet
hat, daß die zulässigen Immissionsrichtwerte bei der Produktion nicht überschritten werden.
4. Bei dieser Sachlage können die Kläger von der Beklagten keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Geräuschimmissionen verlangen. Denn selbst das bloße Schließen der Tore und Fensteröffnungen wäre wegen der dann erforderlichen Belüftungseinrichtungen nach dem Gutachten des Sachverständigen mit einem Kostenaufwand von wenigstens 80.000 DM verbunden. Diesen muß die Beklagte nicht tragen. Wer sich nämlich in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle in deren Nähe ansiedelt, hat den daraus entstehenden vorhersehbaren Konflikt mit verschuldet. Er ist deswegen zwar nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immission verpflichtet, wohl aber zur Duldung derjenigen, die sich - wie hier - in den Grenzen der zulässigen Richtwerte hält. Dies folgt aus der im nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis bestehenden Pflicht zur gesteigerten gegenseitigen Rücksichtnahme und führt nicht zu einer doppelten Berücksichtigung ein und desselben Gesichtspunkts. Soweit das Berufungsgericht die situationsbedingte Vorbelastung des Grundstücks der Kläger bei der Ermittlung des maßgeblichen Immissionsrichtswerts berücksichtigt hat, trägt es nur dem Zusammentreffen von Gebieten unterschiedlicher Qualität und der notwendigen abstrakt-generellen Abwägung miteinander konkurrierender Nutzungsinteressen Rechnung, nicht dagegen dem konkret-individuellen Gesichtspunkt des Eigenverschuldens an dem Entstehen des nachbarrechtlichen Konflikts. Diesem Gedanken kommt zunehmend auch im Schrifttum Bedeutung zu, wenn auch teilweise unter dem Stichwort "Priorität" (Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 21; Staudinger/Roth, [1995], § 906 Nr. 191; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 16, S. 76 f; Westermann/Eickmann/Pinger, Sachen-
recht, Bd. II, S. 19; Hagen, Festschrift für Medicus, S. 161, 174; Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, S. 323 f; Matz, Geräuschimmissionen durch Tennisanlagen, S. 133 f; Pikart, Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen , Rechtsgutachten, S. 33 f).
5. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, ist die Sache zur Endentscheidung reif, so daß auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Krüger Lemke Gaier

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 41/03 Verkündet am:
26. September 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einem Rockkonzert ausgehende Lärmimmissionen, die die Richtwerte der sog.
LAI-Hinweise überschreiten, können unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB sein, wenn es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung handelt,
die an nur einem Tag des Jahres stattfindet und weitgehend die einzige in der Umgebung
bleibt. Dies gilt in aller Regel aber nur bis Mitternacht.
BGH, Urt. v. 26. September 2003 - V ZR 41/03 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2003 im Kostenpunkt und im Umfang des nachfolgenden Ausspruchs aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 22. April 2002 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihren Grundstücken, Gemarkung G. -F. , Parzellen-Nr. 2713 und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfindenden Sommerfestes des Sportvereins F. Geräusche auf das Grundstück der Kläger R. straße 27, G. -F. , Flurstück 2477, einwirken, die – gemessen 0,5 m vor den Fenstern des klägerischen Wohnhauses - zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB(A), sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei- lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von 65 dB(A) überschreiten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von einem Rockkonzert ausgehen.
Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein Sommerfest. Dabei finden in
einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und 2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung eines weitergehenden Antrags verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück Geräusche auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der Zeit von 6 Uhr bis 8 Uhr sowie von 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Kläger durch den von dem Sommerfest und hier insbesondere von dem Rockkonzert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Überschreitung der in der LAI-Freizeitlärmrichtlinie festgesetzten Lärmgrenzwerte; die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werte seien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen
Ereignis eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege aber nicht vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren Veranstaltungen Lärm verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitungen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hingenommen werden müßten.

II.


Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Feststellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch der Kläger (§§ 1004, 906 BGB).
1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat BGHZ 148, 261, 264 - Hammerschmiede; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat BGHZ 148, 261, 264). Dabei sind wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (BGHZ 122, 76, 78).
Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Revisionsrecht-
lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat BGHZ 121, 248, 252 - Jugendzeltplatz). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärm-Richtlinie, abgedruckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die LAI-Hinweise gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste, Platzkonzerte, Lifemusik-Darbietungen und ähnliche Veranstaltungen im Freien stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung des Grundstücks der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einer Sportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung, ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).
Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mitgetragenen LAI-Hinweise unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten aber gleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 67 - Volksfestlärm; 120, 239, 256 f. – Froschlärm; 121, 248, 253 - Jugendzeltplatz; BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung aber eine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Senat
BGHZ 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in diesem Fall berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nur um Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.
b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind Dauer und Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsgericht vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung im Einzelfall also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davon aus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das Sommerfest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. Denn daß von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf das Grundstück der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist revisionsrechtlich nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende Klage schon nicht schlüssig.
Richtig ist allerdings, daß die LAI-Hinweise der Seltenheit eines Ereignisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für Veranstaltungen , die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten im Kalenderjahr stattfinden (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben werden. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßt Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehört auch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der LAI-Hinweise erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Jahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte verursachen.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat BGHZ 111, 63 - Volksfestlärm) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das Grundstück des Klägers angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als Kirmes- und Festplatz genutzt. Für das Jahr 1987 waren beispielsweise für die Monate Juni, Juli und August vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision davon auszugehen, daß das an nur einem Abend des Sommerfestes stattfindende Rockkonzert, gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Linie wenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Überschreitung der in den LAI-Hinweisen in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestellten Richtwerte auf das Grundstück der Kläger einwirkt.

c) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht, daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat BGHZ 120, 239, 255 - Froschlärm; 148, 261, 264 – Hammerschmiede). Demgemäß können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen
eine Rolle spielen (vgl. Senat BGHZ 121, 248, 255 - Jugendzeltplatz; 111, 63, 68 – Volksfestlärm).
aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich sein (so auch VGH Kassel GewArch 1997, 162).
Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-
menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen , wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern , die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auch die mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangen sie im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.
bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken , aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-
haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 der LärmVO Hamburg, § 8 der LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG Nordrhein-Westfalen, § 4 Abs. 4 LImSchG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg). Eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor. Nach § 12 Abs. 1 GaststG kann aus besonderem Anlaß der Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" beziehen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG4 Abs. 1 Nr. 3 GaststG), und gelten damit beispielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfests betriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. VGH München NVwZ 1999, 555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaß und nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu beachtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dauerbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Beziehung zu setzen (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, daß bei der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Seltenheit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind (VGH München a.a.O., S. 556). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nicht auf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-
gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Ereignis , an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat BGHZ 111, 63, 68 – Volksfestlärm; a.A. Roth in Anm. JR 1991, 149).
cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, ist dabei auch eine deutliche Überschreitung der in den LAI-Hinweisen für seltene Störereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die Nachtzeit nicht generell ausgenommen, zumal es im Sommer noch bis gegen 22 Uhr hell bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen entspricht , daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls an einem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmen sein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zu qualifizieren sein.
Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine weitergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfeste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtliche Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß, weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht verbunden war.
Für die Beuteilung durch einen verständigen Durchschnittsmenschen von Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an einen ebenso geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchtigenden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt. Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die Lärmimmissionen für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standortwechsel , so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an Geräuscheinwirkungen zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerte der LAI-Hinweise maßgebend sein.

III.


Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das Sommerfest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstaltung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. Gleichwertige
alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von den Klägern vorgeschlagene Verlegung des Rockkonzerts in die benachbarte Sporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davon geprägt, daß das Konzert als Teil eines Sommerfestes weitgehend im Freien stattfindet.
Die Kläger müssen am Abend des Rockkonzerts allerdings nicht jegliche Lärmeinwirkung hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist durch eine Begrenzung der Immissionen zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, die die LAI-Hinweise bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhezeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, die Tageszeit im Sinne der LAI-Hinweise bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist für das Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitze von 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dagegen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht. Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von Mitternacht bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die Nachtzeit vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

24
dd) Somit muss das Berufungsgericht aufklären, ob - worauf sich die Beklagte in den Tatsacheninstanzen berufen hat - die Kühlaggregate nur deshalb eine richtwertüberschreitende Geräuscheinwirkung auf die Wohn- und Schlafräume des Klägers - und zwar auch auf die im zweiten Obergeschoß des Hau- ses liegenden Räume, in denen der Sachverständige bisher keine Messungen vorgenommen hat - verursachen, weil diese unter Missachtung der Schallschutzanforderungen der DIN 4109 errichtet wurden. Ist dies der Fall, scheidet ein Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 BGB aus. Überschreiten die Geräuschimmissionen jedoch den zulässigen Richtwert auch in dem Fall der Einhaltung der Vorschriften der DIN 4109, ist das nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ein Indiz für eine wesentliche Beeinträchtigung (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 85/04, MDR 2005, 328). Allerdings kann die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Geräuschbelästigung nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat, BGHZ 148, 261, 265; Urt. v. 26. September 2003, V ZR 41/03, NJW 2003, 3699; Urt. v. 27. Oktober 2006, V ZR 2/06, NJW-RR 2007, 168, 169). Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (siehe nur Senat, BGHZ 157, 33, 43; Urt. v. 27. Oktober 2006, V ZR 2/06, NJW-RR 2007, 168). Von der indiziellen Bedeutung der Richtwertüberschreitung nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist deshalb abzuweichen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies gebieten (Senat, Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 85/04, aaO). Deshalb wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls einen eigenen Eindr uck von der Lästigkeit der Geräuscheinwirkungen verschaffen müssen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 41/03 Verkündet am:
26. September 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Von einem Rockkonzert ausgehende Lärmimmissionen, die die Richtwerte der sog.
LAI-Hinweise überschreiten, können unwesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1
BGB sein, wenn es sich um eine Veranstaltung von kommunaler Bedeutung handelt,
die an nur einem Tag des Jahres stattfindet und weitgehend die einzige in der Umgebung
bleibt. Dies gilt in aller Regel aber nur bis Mitternacht.
BGH, Urt. v. 26. September 2003 - V ZR 41/03 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2003 im Kostenpunkt und im Umfang des nachfolgenden Ausspruchs aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 22. April 2002 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihren Grundstücken, Gemarkung G. -F. , Parzellen-Nr. 2713 und 2739 bei dem Rockkonzert anläßlich des jährlich stattfindenden Sommerfestes des Sportvereins F. Geräusche auf das Grundstück der Kläger R. straße 27, G. -F. , Flurstück 2477, einwirken, die – gemessen 0,5 m vor den Fenstern des klägerischen Wohnhauses - zwischen 20.00 Uhr und 24.00 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) und eine Geräuschspitze von 90 dB(A), sowie zwischen 24.00 Uhr und 08.00 Uhr einen Beurtei- lungspegel von 55 dB(A) und eine Geräuschspitze von 65 dB(A) überschreiten.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von einem Rockkonzert ausgehen.
Die Kläger sind Eigentümer eines in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück, das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein Sommerfest. Dabei finden in
einem Festzelt Musikveranstaltungen statt, darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und 2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung eines weitergehenden Antrags verurteilt, es zu unterlassen, daß von ihrem Grundstück Geräusche auf das Grundstück der Kläger einwirken, die zwischen 8 Uhr und 20 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A), in der Zeit von 6 Uhr bis 8 Uhr sowie von 20 Uhr bis 22 Uhr einen Beurteilungspegel von 65 dB(A) sowie zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einen Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschreiten. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beeinträchtigung der Kläger durch den von dem Sommerfest und hier insbesondere von dem Rockkonzert ausgehenden Lärm sei wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dies folge aus der vor allem zur Nachtzeit ab 22 Uhr gravierenden Überschreitung der in der LAI-Freizeitlärmrichtlinie festgesetzten Lärmgrenzwerte; die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung werde dadurch indiziert. Diese Werte seien zwar nicht schematisch anzuwenden und erlaubten bei einem einmaligen
Ereignis eine großzügigere Handhabung. Ein einmaliges Ereignis liege aber nicht vor, weil das Fest an drei Tagen stattfinde und auch die weiteren Veranstaltungen Lärm verursachten. Zudem seien die festgestellten Überschreitungen von 22 Uhr bis weit nach Mitternacht so gravierend, daß sie nicht hingenommen werden müßten.

II.


Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Feststellungen bejaht das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch der Kläger (§§ 1004, 906 BGB).
1. Nach § 906 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Immissionen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt. Ob Geräuschimmissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (Senat BGHZ 148, 261, 264 - Hammerschmiede; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgesetzt werden (Senat BGHZ 148, 261, 264). Dabei sind wesentliche Immissionen identisch mit erheblichen Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG (BGHZ 122, 76, 78).
Wann Lärmimmissionen im Einzelfall die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreiten, unterliegt weitgehend tatrichterlicher Wertung. Revisionsrecht-
lich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat BGHZ 121, 248, 252 - Jugendzeltplatz). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in jeder Hinsicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht orientiert sich an den Hinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche (sog. LAI-Hinweise oder Freizeitlärm-Richtlinie, abgedruckt in NVwZ 1997, 469). Das ist nicht zu beanstanden. Die LAI-Hinweise gelten für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste, Platzkonzerte, Lifemusik-Darbietungen und ähnliche Veranstaltungen im Freien stattfinden. Sie sind ungeachtet der generellen Nutzung des Grundstücks der Beklagten als Sportplatz einschlägig, denn die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) regelt nur Immissionen, die von einer Sportanlage bei ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung, der Sportausübung, ausgehen (§ 1 Abs. 1 der 18. BImSchV).
Die von Sachverständigen ausgearbeiteten und von allen Ländern mitgetragenen LAI-Hinweise unterfallen zwar nicht § 906 Abs. 1 Satz 2 u. 3 BGB (Staudinger/Roth, BGB [2002], § 906 Rdn. 193), können den Gerichten aber gleichwohl als Entscheidungshilfe dienen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 67 - Volksfestlärm; 120, 239, 256 f. – Froschlärm; 121, 248, 253 - Jugendzeltplatz; BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453). Sie ersetzen nicht die Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, geben dieser Würdigung aber eine Orientierung. Werden die Richtwerte überschritten, so indiziert dies eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB (vgl. Senat
BGHZ 111, 63, 67; 121, 248, 251). Der Tatrichter muß allerdings auch in diesem Fall berücksichtigen, daß es sich bei den technischen Regelwerken nur um Richtlinien handelt, die nicht schematisch angewendet werden dürfen.
b) Für die Frage der Wesentlichkeit von Lärmimmissionen sind Dauer und Häufigkeit der Einwirkung von erheblicher Bedeutung. Das Berufungsgericht vertritt daher zu Recht die Ansicht, daß bei einem einmaligen Ereignis eine großzügigere Handhabung der Richtwerte geboten, eine Überschreitung im Einzelfall also hinzunehmen sein kann. Rechtsfehlerhaft geht es jedoch davon aus, daß hier ein einmaliges Störereignis deswegen nicht vorliege, weil das Sommerfest an drei aufeinanderfolgenden Wochenendtagen stattfindet. Denn daß von den übrigen Veranstaltungen eine wesentliche Einwirkung auf das Grundstück der Kläger ausginge, hat es nicht festgestellt. Mithin ist revisionsrechtlich nur das Rockkonzert von Bedeutung und die weitergehende Klage schon nicht schlüssig.
Richtig ist allerdings, daß die LAI-Hinweise der Seltenheit eines Ereignisses durch eine Sonderregelung in Ziff. 4.4. Rechnung tragen, in der für Veranstaltungen , die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten im Kalenderjahr stattfinden (sog. seltene Störereignisse), höhere Richtwerte vorgegeben werden. Auch insoweit gibt die Richtlinie jedoch nur eine Orientierung und läßt Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG DVBl 2001, 1451, 1453 "Entscheidungshilfe mit Indizcharakter"). Hierzu gehört auch die Zahl der Störereignisse. Denn die Sonderregelung in Ziff. 4.4. der LAI-Hinweise erfaßt Ereignisse, die bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Jahres auftreten und einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte verursachen.
In dem der Entscheidung des Senats vom 23. März 1990 (Senat BGHZ 111, 63 - Volksfestlärm) zugrunde liegenden Fall wurde ein an das Grundstück des Klägers angrenzendes Gelände mehrmals im Jahr als Kirmes- und Festplatz genutzt. Für das Jahr 1987 waren beispielsweise für die Monate Juni, Juli und August vier jeweils über das ganze Wochenende, einmal sogar drei Tage dauernde Veranstaltungen angekündigt. Vorliegend ist dagegen mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision davon auszugehen, daß das an nur einem Abend des Sommerfestes stattfindende Rockkonzert, gegen dessen Immissionen sich die Kläger in erster Linie wenden, weitgehend das einzige Ereignis ist, welches unter deutlicher Überschreitung der in den LAI-Hinweisen in Ziffer 4.4. für die Nachtzeit aufgestellten Richtwerte auf das Grundstück der Kläger einwirkt.

c) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung ferner nicht bedacht, daß bei seltenen Störereignissen auch die Bedeutung der Veranstaltung nicht unberücksichtigt bleiben kann. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beurteilung, ob eine Immission wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, nicht nur nach dem Maß der objektiven Beeinträchtigung. Im Interesse der Harmonisierung zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Beurteilungsmaßstäbe hat der Senat eine Angleichung an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vollzogen, die als erhebliche Belästigung alles ansieht, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. Senat BGHZ 120, 239, 255 - Froschlärm; 148, 261, 264 – Hammerschmiede). Demgemäß können bei der Prüfung der Erheblichkeit oder Wesentlichkeit von Lärm auch schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit und gesetzliche Wertungen
eine Rolle spielen (vgl. Senat BGHZ 121, 248, 255 - Jugendzeltplatz; 111, 63, 68 – Volksfestlärm).
aa) Volks- und Gemeindefeste, Feiern örtlicher Vereine, traditionelle Umzüge und ähnliche Veranstaltungen gehören zu den herkömmlichen, allgemein akzeptierten Formen gemeindlichen und städtischen Lebens. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß sie oftmals in der Nähe zur Wohnbebauung durchgeführt werden müssen und zwangsläufig zu Beeinträchtigungen der Nachbarschaft führen. Da solche Veranstaltungen für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft von großer Bedeutung sein können, dabei auch die Identität dieser Gemeinschaft stärken und für viele Bewohner einen hohen Stellenwert besitzen, werden die mit ihnen verbundenen Geräuschentwicklungen von einem verständigen Durchschnittsmenschen bei Würdigung auch anderer Belange in der Regel in höherem Maß akzeptiert werden als sonstige Immissionen. Das kann bei der Beurteilung, ob eine Lärmeinwirkung als wesentlich anzusehen ist, vor allem dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um ein sehr seltenes Ereignis handelt, das weitgehend das einzige in der Umgebung bleibt. In einem solchen Fall können auch Lärmimmissionen, die die Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten, ausnahmsweise noch unwesentlich sein (so auch VGH Kassel GewArch 1997, 162).
Die kommunale Bedeutung kann einem Ereignis nicht deshalb abgesprochen werden, weil Veranstalter nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein ist. Maßgeblich ist, daß das Ereignis von einem Großteil der Ortsbevölkerung getragen und akzeptiert wird. Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen ist ferner, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrunde liegt. Bei der vom Tatrichter vorzuneh-
menden Würdigung, ob Geräuschimmissionen wesentlich sind, kann zwar dem Traditionscharakter einer Veranstaltung besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt steht der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung aber nicht entgegen, daß eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfindet. Andernfalls würden Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen , wo Traditionsveranstaltungen fehlen, oder die Abläufe bei Festen zu ändern , die auf eine langjährige Übung zurückgehen. Demgemäß können auch die mit Gemeinde- und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik- und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangen sie im Einzelfall überregionale Bedeutung, nimmt ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, solange die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt ist und von ihr angenommen wird.
bb) Bei nur einmal jährlich stattfindenden Veranstaltungen von kommunaler Bedeutung können selbst Lärmeinwirkungen unwesentlich sein, welche die für die Abend- und Nachtzeit aufgestellten Richtwerte der LAI-Hinweise überschreiten. Zwar gebührt nach 22 Uhr dem Schutz der ungestörten Nachtruhe grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse der Bevölkerung, Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen zu besuchen (vgl. Senat BGHZ 111, 63, 70 - Volksfestlärm). Insbesondere in Krankenhäusern oder sonstigen Kliniken , aber auch dort, wo die Bewohner der Umgebung bereits tagsüber einem höheren Lärmpegel als üblich ausgesetzt sind, ist eine Störung der Nachtruhe meist eine erhebliche Einwirkung auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden und damit eine wesentliche Immission. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Nachtruhe nicht generell geschützt wird. Dort, wo ruhestörende Tätigkeiten zur Nachtzeit durch landesrechtliche Normen ausdrücklich verboten sind, hat der Gesetzgeber zugleich Ausnahmen für den Fall vorgesehen, daß ein Vor-
haben im Einzelfall Vorrang vor den schutzwürdigen Belangen Dritter hat (z.B. § 5 der LärmVO Hamburg, § 8 der LärmVO Berlin). Vorrang kann insbesondere Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen zukommen, wenn sie auf historischen oder kulturellen Umständen beruhen oder sonst von kommunaler Bedeutung sind, und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Schutzbedürfnis der Nachbarschaft überwiegt (vgl. § 9 Abs. 3 LImSchG Nordrhein-Westfalen, § 4 Abs. 4 LImSchG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 4 LImSchG Brandenburg). Eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen sieht auch das Gaststättengesetz vor. Nach § 12 Abs. 1 GaststG kann aus besonderem Anlaß der Betrieb eines Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend gestattet werden. Die "erleichterten Voraussetzungen" beziehen sich auch auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG4 Abs. 1 Nr. 3 GaststG), und gelten damit beispielsweise für die Lärmimmissionen, die von einer aus Anlaß eines Volksfests betriebenen Außengastronomie ausgehen (vgl. VGH München NVwZ 1999, 555). Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, daß bei besonderem Anlaß und nur vorübergehendem Betrieb die bei der Erteilung der Erlaubnis zu beachtenden Vorschriften weniger streng zu handhaben sind als bei einem Dauerbetrieb. Immissionsschutzrechtliche Gesichtspunkte dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, sie sind jedoch zu Art und Dauer des Betriebs in Beziehung zu setzen (vgl. Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, 14. Aufl. 2003, § 12 Rdn. 5). Dies führt im Fall von Lärmbeeinträchtigungen dazu, daß bei der Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle nach § 3 BImSchG die Seltenheit des Anlasses und seine Bedeutung in die Würdigung einzubeziehen sind (VGH München a.a.O., S. 556). Die Berücksichtigung dieser Kriterien ist nicht auf die gastronomischen Betriebe beschränkt, sondern gilt für den verständi-
gen Durchschnittsmenschen gleichermaßen in Bezug auf das besondere Ereignis , an das sie anknüpfen. Insoweit hängt die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich auch von einer Interessenabwägung ab (Senat BGHZ 111, 63, 68 – Volksfestlärm; a.A. Roth in Anm. JR 1991, 149).
cc) In welchem Umfang Lärmbeeinträchtigungen von Veranstaltungen mit besonderer historischer, kultureller oder kommunaler Bedeutung noch als unwesentlich angesehen werden können, ist weitgehend eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Bedeutung und Charakter der Veranstaltung, ihr Ablauf, Dauer und Häufigkeit, die Nutzungsart und Zweckbestimmung sowie die Gesamtbelastung des beeinträchtigten Grundstücks während der Veranstaltung und durch andere seltene Störereignisse, ferner die zeitlichen Abstände dieser Ereignisse. Je gewichtiger der Anlaß für die Gemeinde oder Stadt ist, desto eher ist der Nachbarschaft zuzumuten, an wenigen Tagen im Jahr Ruhestörungen hinzunehmen. Bei Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, die nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfinden, ist dabei auch eine deutliche Überschreitung der in den LAI-Hinweisen für seltene Störereignisse festgelegten Richtwerte denkbar. Hiervon ist selbst die Nachtzeit nicht generell ausgenommen, zumal es im Sommer noch bis gegen 22 Uhr hell bleibt und es dem Charakter bzw. der Tradition vieler Veranstaltungen entspricht , daß sie bis in die Nachtstunden andauern (so auch VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 633, 635). Im Einzelfall kann von den Anliegern jedenfalls an einem Tag bis Mitternacht ein deutlich höherer Beurteilungspegel hinzunehmen sein. Eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte wird demgegenüber in aller Regel nicht mehr als unwesentlich zu qualifizieren sein.
Ob etwas anderes gilt, wenn für die betreffende Veranstaltung eine weitergehende Ausnahmegenehmigung nach öffentlichem Recht erteilt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat zwar der Durchführung der Sportfeste in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde zugestimmt. Auf die zivilrechtliche Beurteilung hat die Genehmigung aber schon deswegen keinen Einfluß, weil eine umfassende Prüfung immissionsschutzrechtlicher Belange im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit ihr ersichtlich nicht verbunden war.
Für die Beuteilung durch einen verständigen Durchschnittsmenschen von Bedeutung kann schließlich sein, ob sich die Veranstaltung an einen ebenso geeigneten, Anwohner insgesamt aber deutlich weniger beeinträchtigenden Standort innerhalb der Gemeinde bzw. des Ortsteils verlegen läßt. Können unter Wahrung des Charakters der Veranstaltung die Lärmimmissionen für Anwohner deutlich reduziert werden, unterbleibt aber ein Standortwechsel , so verringert sich das Maß dessen, was einem Anwohner an Geräuscheinwirkungen zuzumuten ist; in der Regel werden dann die Richtwerte der LAI-Hinweise maßgebend sein.

III.


Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Angesichts der Unterstützung, die das Sommerfest und das Rockkonzert seitens der Gemeinde erfahren, kann der Veranstaltung die kommunale Bedeutung nicht abgesprochen werden. Gleichwertige
alternative Standorte für das Festzelt sind nicht ersichtlich. Durch die von den Klägern vorgeschlagene Verlegung des Rockkonzerts in die benachbarte Sporthalle bliebe der Charakter der Veranstaltung nicht gewahrt. Er ist davon geprägt, daß das Konzert als Teil eines Sommerfestes weitgehend im Freien stattfindet.
Die Kläger müssen am Abend des Rockkonzerts allerdings nicht jegliche Lärmeinwirkung hinnehmen, sondern nur das nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen zumutbare Maß. Die Zumutbarkeit ist durch eine Begrenzung der Immissionen zu wahren. Hierfür geben die Richtwerte, die die LAI-Hinweise bei seltenen Störereignissen tagsüber außerhalb der Ruhezeiten vorsehen, eine Orientierung. Im vorliegenden Fall bietet es sich an, die Tageszeit im Sinne der LAI-Hinweise bis 24 Uhr auszudehnen. Damit ist für das Rockkonzert ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) mit einer Geräuschspitze von 90 dB(A) maßgeblich. Eine Verlängerung über 24 Uhr hinaus kommt dagegen mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Kläger nicht in Betracht. Um ihnen eine ausreichende Nachtruhe zu ermöglichen, ist vielmehr von Mitternacht bis 8 Uhr des auf das Rockkonzert folgenden Tages der für die Nachtzeit vorgegebene Beurteilungspegel von 55 dB(A) einzuhalten.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
24
bb) Aus diesen Gründen ist der Tatrichter, wenn es um die Zumutbarkeit von Geräuscheinwirkungen geht, gerade in Grenzbereichen gehalten, sich durch einen Ortstermin einen eigenen Eindruck von der Art und Intensität der Geräusche zu verschaffen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2015 - V ZR 110/14, NJW 2015, 2023 Rn. 31; Urteil vom 5. Februar 1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248, 255; Urteil vom 8. Mai 1992 - V ZR 89/91, NJW 1992, 2019 f.; st. Rspr.). Schon die dabei gewonnenen Erkenntnisse können eine ausreichende Entscheidungsgrundlage liefern. Davon ist hier auszugehen. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Trompetenmusik in dem angrenzenden Wohnzimmer lediglich „als schwache Zimmerlautstärke“ wahr- genommen wird. Auf dieser Grundlage kann es die gebotene zeitliche Regelung vorgeben. Anders kann es liegen, wenn das Gericht die Einwirkungen für so gravierend hält, dass besonders enge zeitliche Grenzen erwogen werden müssen; dann kann es sich ggf., um Immissionsrichtwerte wie die TA-Lärm als Entscheidungshilfe nutzen zu können, sachverständiger Hilfe bedienen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 246/00 Verkündet am:
6. Juli 2001
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Wer sich in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle
(hier: Industrielärm einer Hammerschmiede) in deren Nähe ansiedelt, ist
zwar nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immission verpflichtet, wohl aber
zur Duldung derjenigen, die sich in den Grenzen der zulässigen Richtwerte hält.
BGH, Urt. v. 6. Juli 2001- V ZR 246/00 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel, die Richterin
Dr. Lambert-Lang und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. Juli 2000 aufgehoben und das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 1. August 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in G.-F., das sie im Jahr 1990 erworben und mit einem von ihnen bewohnten Einfamilienhaus bebaut haben. Das Grundstück liegt am östlichen Rand eines allgemeinen Wohngebiets. In einer Entfernung von etwa 160 m östlich davon betreibt die Beklagte in einem Industriegebiet seit mehr als 30 Jahren - im jetzigen Umfang seit 1986 - eine behördlich genehmigte Hammerschmiede. Die Betriebszeit beträgt werk-
täglich acht Stunden, die Einwirkdauer beim Schmieden mit den Riemenfallhämmern ca. zwei bis fünf Stunden. Während der Betriebszeiten sind ganzjährig sämtliche Fenster im Produktionsgebäude geöffnet, im Sommer zusätzlich ein ca. 5 qm großes Tor in der Westfassade.
Das Betriebsgrundstück der Beklagten grenzt an die östliche Seite einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Kreisstraße; zwischen der westlichen Straßenseite und dem Grundstück der Kläger liegt noch ein Gewerbegebiet.
Mit der Behauptung, der Betrieb der Hammerschmiede führe - insbesondere in den Sommermonaten - zu unzumutbaren Lärmimmissionen, die zur Folge hätten, daß es unmöglich sei, sich auf ihrem Grundstück im Freien aufzuhalten , sich zu unterhalten und im Inneren des Wohnhauses während des Betriebs der Hämmer zu schlafen, haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, während des Einsatzes von Hämmern, Hammereinrichtungen und anderen Maschinen Tore, Türen, Fenster, Lüftungsklappen oder die Oberlichtverglasung der Werkhalle an der Westseite des Betriebsgeländes offenzuhalten; hilfsweise haben sie die Verurteilung der Beklagten beantragt, geeignete Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß von der Hammerschmiede Geräusche ausgehen, welche die Benutzung des Wohngrundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigen. Das Landgericht hat dem Hauptantrag im wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie verurteilt, geeignete Maßnahmen zu treffen, daß beim Einsatz der Riemenfallhämmer keine Geräusche entstehen, welche die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigen, wozu nur solche Maßnahmen geeignet seien, die die auf dem Grundstück gemessenen Immissionspegel um mindestens Delta L größer als 10 dB(A) minderten.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger von der Beklagten nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 862 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 906 BGB die Unterlassung der durch den Betrieb der Riemenfallhämmer verursachten wesentlichen Beeinträchtigungen der Benutzung ihres Grundstücks verlangen. Zwar habe der gerichtlich bestellte Sachverständige eine Überschreitung der nach den Vorschriften der TA-Lärm 1968 und 1998 sowie den VDI-Richtlinien 2058 festgelegten Immissionsrichtwerte nicht festgestellt, weshalb nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB eine nur unwesentliche Beeinträchtigung vermutet werde; aber aufgrund seiner bei einem Ortstermin gewonnenen eigenen Empfindungen sieht das Berufungsgericht die Geräusche der Riemenfallhämmer als "schädliche Umwelteinwirkungen" im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG an, woraus sich die wesentliche Beeinträchtigung ergebe. Dem stehe der Umstand, daß die Beklagte ihren Betrieb seit mehr als 30 Jahren betreibe, während die Kläger ihr Grundstück erst vor ca. 10 Jahren erworben hätten, nicht entgegen; denn bei der Anwendung des § 906 BGB komme es auf die zeitliche Priorität nicht an. Auch sei die situationsbedingte Vorbelastung des Grundstücks der Kläger bei der Festlegung des maßgebenden Immissionsrichtwerts - anstatt mit 55 dB(A) für allgemeine Wohngebiete hier mit 60 dB(A) für Mischgebiete - ausreichend berücksichtigt. Schließlich folge eine Dul-
dungspflicht der Kläger auch nicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB; dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Nutzung des Grundstücks der Beklagten überhaupt ortsüblich sei, denn die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht vorgetragen, daß die wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks der Kläger durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden könne.

II.


Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. a) Nicht zu beanstanden - und von der Revision auch nicht angegriffen - ist allerdings, daß das Berufungsgericht seiner Beurteilung das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, zugrunde legt (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 255; Senatsurt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029, 1030) und sich an den Richtwerten der TA-Lärm 1968 und 1998 sowie den VDI-Richtlinien 2058 orientiert.

b) Fehlerfrei stellt das Berufungsgericht auch fest, daß die von dem Betrieb der Beklagten ausgehenden Geräusche auf dem Grundstück der Kläger die für dieses geltenden Richt- und Grenzwerte nicht überschreiten. Zwar weist die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung zutreffend auf den Unterschied zwischen der Impulshaltigkeit gemessener Geräusche und ihrem Informationsgehalt hin, den zwar der Sachverständige, nicht aber das Berufungsgericht be-
achtet hat. Aber sie räumt ebenso zutreffend ein, daß dieser Umstand nichts an dem Ergebnis ändert.

c) Zu Recht legt das Berufungsgericht seiner Beurteilung den Richtwert für Mischgebiete zugrunde. Die Rüge der Revision, es habe dabei den Grenzbereich zwischen einem allgemeinen Wohngebiet und einem Industriegebiet nicht beachtet, ist unbegründet. Das Gegenteil ist der Fall. Das Berufungsgericht ordnet die beiden Gebietscharaktere richtig ein und folgert daraus zu Recht, daß beim Zusammentreffen von Gebieten unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit jede Grundstücksnutzung - wie auch im öffentlichen Baurecht (vgl. BVerwGE 98, 235, 243) - mit einer speziellen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet ist, so daß für die Ermittlung der maßgebenden Richt- und Grenzwerte ein Mittelwert gefunden werden muß (vgl. Senat, BGHZ 121, 248, 254; Senatsurt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, NJW 1995, 132, 133). Diesen Wert von 60 dB(A) leitet es fehlerfrei - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen - aus den Ziff. 6.1 und 6.7 der TA-Lärm 1998 her.

d) Im übrigen führte die Festlegung eines höheren Mittelwerts lediglich zu einem stärkeren Unterschreiten des maßgeblichen Richtwerts, ohne daß allein dadurch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks der Kläger ausgeschlossen wäre; das Einhalten oder Unterschreiten von Richtwerten indiziert nämlich nur die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung (Senatsurt. v. 20. November 1998, aaO). Die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung kann nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund wertender Beurteilung festgelegt werden. Die Lästigkeit eines Geräuschs, die rechtlich für das Immissionsrecht entscheidend ist, hängt nicht allein von Meßwerten (zumal von Mittelungspegeln), sondern von einer Reihe anderer Um-
stände ab, für die es auf das eigene Empfinden des Tatrichters ankommt (Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, NJW 1992, 2019). Das hat auch den Gesetzgeber bei der Neufassung des § 906 Abs. 1 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 (BGBl. I 2457) veranlaßt, mit der Formulierung "in der Regel" in dem neu eingefügten Satz 2 einen gewissen einzelfallbezogenen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu erhalten (vgl. BT-Drucks. 12/7425 S. 88). Deswegen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung im wesentlichen auf das Ergebnis der Augenscheinseinnahme stützt. Es hat dabei festgestellt, daß die Schläge der Riemenfallhämmer ohne Vorankündigung mit voller Intensität einsetzen , ihre zeitliche Dauer unvorhersehbar und die Frequenz sehr unterschiedlich ist. Die Berücksichtigung dieser Besonderheiten, die nach Auffassung des Berufungsgerichts die Lästigkeit der Geräuschimmissionen ausmachen , führt entgegen der Auffassung der Beklagten in ihrer Revisionsbegründung nicht zu einer doppelten Wertung zu Lasten der Beklagten. Zwar hat der Sachverständige diese Eigenart der Geräusche unter Anwendung des Taktmaximalverfahrens wegen ihrer Impulshaltigkeit und mit der Erhebung eines Zuschlags von 6 dB(A) für ihren Informationsgehalt bereits berücksichtigt. Aber das ersetzt nicht das eigene Empfinden des Tatrichters, welches naturgemäß von denselben Geräuschkomponenten bestimmt wird.

e) Bedenken bestehen jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht die Einwirkdauer beim Schmieden mit den Riemenfallhämmern nicht weiter in seine Beurteilung einbezieht. Es trifft keine Feststellungen dazu, zu welcher Tageszeit die von ihm als lästig empfundenen Geräusche auftreten. Dabei liegt es auf der Hand, daß auch davon das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" beeinflußt wird. Denn Geräuschimmissionen z.B. in den
Abend- und Nachtstunden werden in der Regel als lästiger empfunden als solche am Vormittag; je mehr sie in der Freizeit oder in Ruhezeiten auf das Grundstück des Beeinträchtigten einwirken, desto weniger sind sie zumutbar.

f) Auch die Vorgehensweise des Berufungsgerichts bei der Augenscheineinnahme begegnet rechtlichen Bedenken. Es hat sich nämlich seinen Eindruck von der Intensität und Lautstärke der Geräusche nicht nur auf dem Grundstück der Kläger verschafft, sondern auch an einem anderen, dem Betrieb der Beklagten näher gelegenen Standort. Dorthin hat es sich zur Kompensation des am Tag der Augenscheineinnahme herrschenden Westwindes begeben, um diejenige Lautstärke zu empfinden, die der Sachverständige bei seiner Messung bei Windstille auf dem Grundstück der Kläger ermittelt hat. Auf die dabei gewonnenen Erkenntnisse stützt es im wesentlichen seine Beurteilung. Das ist jedoch allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Berufungsgericht diese Vorgehensweise entweder aufgrund eigener Sachkunde oder nach sachverständiger Beratung gewählt hat. Entsprechende Darlegungen fehlen in dem angefochtenen Urteil. Außerdem weist die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung zutreffend darauf hin, daß die Messung des Sachverständigen auf dem Grundstück der Kläger einen Spitzenwert von ca. 61 dB(A) ergeben hat, das Berufungsgericht sich jedoch bei der Augenscheineinnahme dem Betrieb der Beklagten so weit genähert hat, bis das Meßgerät des Sachverständigen die Geräusche der Riemenfallhämmer mit 56-64 dB(A) anzeigte. Auch insoweit fehlen in dem Berufungsurteil Darlegungen zur Vergleichbarkeit der Wahrnehmung der verschiedenen Lautstärken.
2. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung. Das Berufungsurteil kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht
den Umstand, daß die Beklagte die Hammerschmiede schon seit über 30 Jahren betreibt und die Kläger das betroffene Grundstück erst vor etwa 10 Jahren erworben haben, nicht ausreichend berücksichtigt.

a) Zutreffend ist allerdings, daß nach der Rechtsprechung des Senats, die in der Kommentarliteratur Zustimmung gefunden hat, dem Gedanken der zeitlichen Priorität - anders als im Rahmen des sekundären Rechtsschutzes nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (BGHZ 59, 378, 384 f) - beim primären Rechtsschutz nach §§ 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich keine Bedeutung zukommt (BGHZ 15, 146, 148; Urt. v. 6. Juni 1969, V ZR 53/66, LM BGB § 906 Nr. 32; Urt. v. 22. Oktober 1976, V ZR 36/75, NJW 1977, 146 [insoweit nicht in BGHZ 67, 252 ff. abgedruckt]; MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 906 Rdn. 93; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 906 Rdn. 51; Palandt /Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 906 Rdn. 28; Soergel/Baur, BGB, 12. Aufl., § 906 Rdn. 92). Maßgeblich für die Beurteilung, ob Immissionen die Benutzung eines Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, ist nämlich die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Allerdings hat der Senat auch wiederholt klargestellt, daß dies nur in dem Sinne gilt, daß die zeitliche Priorität dem Störer keinen Rechtfertigungsgrund für die Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbarn liefert (BGHZ 60, 235, 242; 135, 235, 241).

b) Andererseits hat der Senat in dem Jugendzeltplatz-Fall (BGHZ 121, 248, 254) aber auch betont, daß der Grundstückseigentümer, der sich im Grenzbereich von Gebieten mit verschiedener Qualität und Schutzwürdigkeit als erster ansiedelt, keinen Anspruch darauf hat, daß im angrenzenden Bereich eine emittierende Nutzung in Zukunft unterbleibt. Den darin liegenden Gedanken der Mitverantwortung des beeinträchtigten Eigentümers für die spätere
vorhersehbare Konfliktlage hat der Senat in seinem Tennisplatz-PappelwurzelFall (BGHZ 135, 235, 241) aufgegriffen und in den Vordergrund gestellt. Er ist die Folge der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch im Nachbarrecht gilt. Aus ihm hat das Reichsgericht das sog. nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnis entwickelt; der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung übernommen und weitergebildet. Zwar ergeben sich, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung immer wieder betont hat, die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn in erster Linie aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts; sie haben dort eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Deshalb begründet der Gedanke von Treu und Glauben keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus. Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringt nämlich die Pflicht zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme, die in Ausnahmefällen dazu führen kann, daß die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig wird (s. zu allem Senat, BGHZ 68, 350, 353 f; 88, 344, 351; 113, 384, 389; Senatsurt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634, jew. m.w.N.). Das gilt auch hier.
3. Die Beklagte betreibt die Hammerschmiede seit mehr als 30 Jahren auf ihrem in einem Industriegebiet liegenden Grundstück; der Produktionsablauf ist seit 1986 unverändert, so daß die auf die Umgebung einwirkenden Geräuschimmissionen seitdem ebenfalls unverändert sind; der Betrieb ist behördlich genehmigt; die auf das Grundstück der Kläger einwirkenden Geräuschimmissionen dauern werktäglich zwei bis fünf Stunden; die für das Grundstück der Kläger maßgeblichen Geräuschimmissionsrichtwerte werden nicht überschritten ; die Kläger haben ihr insoweit situationsbelastetes Grundstück im
Jahr 1990 erworben und mit dem Wohnhaus bebaut. Sie kannten die Geräuscheinwirkungen , die sie jetzt abwehren wollen, oder sie hätten sie zumindest kennen können. Das gilt auch dann, wenn sie sich - worauf ihr Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen hat - darauf verlassen haben, daß die Beklagte die ihr in öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erteilten Auflagen einhielt. Denn insoweit kommt es nicht auf die Nr. 9 der Allgemeinen Bedingungen zu der Genehmigung des Landratsamts H. vom 24. August 1965 (Ausführung der Fensterfront der Westseite des Produktionsgebäudes als Doppelverglasung - Mindestabstand der beiden Glasfronten 5 cm - oder in entsprechend starken Glasbausteinen), sondern auf die den Lärmschutz konkretisierende Nr. 27 der Nebenbestimmungen zu der Entscheidung des Landratsamts H. vom 18. August 1986 an. Darin wird von der Beklagten nur verlangt, durch bauliche Maßnahmen sicherzustellen, daß der Beurteilungspegel der Geräuschimmissionen - gemessen 0,5 m vor den geöffneten , vom Lärm am stärksten betroffenen Fenstern der zum Wohnen bestimmten Nachbargebäude - u.a. den hier maßgeblichen Wert für Mischgebiete von 60 dB (A) nicht überschreitet. Dieser Wert wird nach den Messungen des Sachverständigen jedoch eingehalten, obwohl die Fenster in dem Produktionsgebäude der Beklagten geöffnet sind. Den Klägern war es möglich, sich auf diese Situation einzustellen und entweder von der Ansiedelung Abstand zu nehmen oder eigene Vorkehrungen zum Schutz gegen die Geräuschimmissionen zu treffen. Beides haben sie nicht getan, sondern gleichsam "sehenden Auges" die absehbaren Beeinträchtigungen in Kauf genommen. Das führt im Rahmen der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme zu einer gesteigerten Duldungspflicht, nachdem die Beklagte der ihr obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme dadurch nachgekommen ist, daß sie ihren Betrieb so eingerichtet
hat, daß die zulässigen Immissionsrichtwerte bei der Produktion nicht überschritten werden.
4. Bei dieser Sachlage können die Kläger von der Beklagten keine weiteren Maßnahmen zur Reduzierung der Geräuschimmissionen verlangen. Denn selbst das bloße Schließen der Tore und Fensteröffnungen wäre wegen der dann erforderlichen Belüftungseinrichtungen nach dem Gutachten des Sachverständigen mit einem Kostenaufwand von wenigstens 80.000 DM verbunden. Diesen muß die Beklagte nicht tragen. Wer sich nämlich in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle in deren Nähe ansiedelt, hat den daraus entstehenden vorhersehbaren Konflikt mit verschuldet. Er ist deswegen zwar nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immission verpflichtet, wohl aber zur Duldung derjenigen, die sich - wie hier - in den Grenzen der zulässigen Richtwerte hält. Dies folgt aus der im nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis bestehenden Pflicht zur gesteigerten gegenseitigen Rücksichtnahme und führt nicht zu einer doppelten Berücksichtigung ein und desselben Gesichtspunkts. Soweit das Berufungsgericht die situationsbedingte Vorbelastung des Grundstücks der Kläger bei der Ermittlung des maßgeblichen Immissionsrichtswerts berücksichtigt hat, trägt es nur dem Zusammentreffen von Gebieten unterschiedlicher Qualität und der notwendigen abstrakt-generellen Abwägung miteinander konkurrierender Nutzungsinteressen Rechnung, nicht dagegen dem konkret-individuellen Gesichtspunkt des Eigenverschuldens an dem Entstehen des nachbarrechtlichen Konflikts. Diesem Gedanken kommt zunehmend auch im Schrifttum Bedeutung zu, wenn auch teilweise unter dem Stichwort "Priorität" (Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rdn. 21; Staudinger/Roth, [1995], § 906 Nr. 191; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 16, S. 76 f; Westermann/Eickmann/Pinger, Sachen-
recht, Bd. II, S. 19; Hagen, Festschrift für Medicus, S. 161, 174; Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, S. 323 f; Matz, Geräuschimmissionen durch Tennisanlagen, S. 133 f; Pikart, Umwelteinwirkungen durch Sportanlagen , Rechtsgutachten, S. 33 f).
5. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, ist die Sache zur Endentscheidung reif, so daß auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Lambert-Lang Krüger Lemke Gaier

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die Vertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

17
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat den Rückgriff auf den in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz zur Beschränkung des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB überflüssig gemacht. Die Beschränkung folgt nunmehr aus § 275 BGB. Die Vorschrift findet auf alle Leistungspflichten Anwendungen, gleichgültig ob diese auf einem Vertrag, auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder allgemein auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. § 275 Rdn. 2; MünchKomm -BGB/Ernst, 5. Aufl., § 275 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 275 Rdn. 2; ferner OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1024, 1025). Dies war Absicht des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Die Begründung des Gesetzesvorschlags verweist zum Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB ausdrücklich auf Leistungsansprüche aus dem Sachenrecht und führt aus, die Begrenzung derartiger Ansprüche sei bisher § 251 Abs. 2 BGB entnommen worden. Hierzu ist auf das Urteil des Senats, BGHZ 62, 388 ff., ausdrücklich Bezug genommen (BT-Drucks. 14/6040, S. 130).

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 169/04 Verkündet am:
21. Oktober 2005
Wilms
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 242 Ce, 862 Abs. 1, 906, 1004 Abs. 1

a) Sollen mit dem aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Unterlassungsanspruch
wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen
auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus; die im Rahmen
des Einwands der Verwirkung für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche
Frist beginnt jeweils neu zu laufen.

b) Das Fehlen einer notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung stellt für die
Frage der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nur ein Kriterium von mehreren
dar. Entscheidend ist eine Würdigung aller Umstände, ausgerichtet am Empfinden
eines "verständigen Durchschnittsmenschen", insbesondere unter Berück-
sichtigung der nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Grenz- oder
Richtwerte.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 169/04 - OLG Stuttgart
LG Rottweil
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 2 ist Nießbrauchsberechtigte eines Hausgrundstücks, welches sie seit 1991 mit dem Kläger zu 1, ihrem Ehemann, bewohnt. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befindet sich das Grundstück der Beklagten , die dort ein von ihrem verstorbenen Ehemann übernommenes Fuhrunternehmen betreibt.
2
Der Ehemann der Beklagten erhielt 1970 die Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses mit zwei Pkw-Garagen und zwei Lkw-Garagen „als Fuhrgeschäft“ sowie für eine oberirdische Heizöllagerung von 12.000 Litern. Das Wohnhaus mit den zwei Pkw-Garagen wurde erstellt, die beiden Lkw-Garagen hingegen nicht. Statt dessen legte der Ehemann der Beklagten Abstellplätze für bis zu drei Lkw an. Er errichtete zudem eine 1972 nachträglich zugelassene Eigenverbrauchstankstelle, die inzwischen stillgelegt wurde. Von einer 1978 erteilten Genehmigung für den Neubau einer Montagegrube machte er keinen Gebrauch. Heute besteht der Fuhrpark aus zwei oder drei Lastkraftwagen, davon mindestens zwei Tanklastzügen, die als Gefahrguttransporter eingesetzt werden.
3
Seit 1998 wenden sich die Kläger mit zahlreichen Eingaben an Behörden und an den Petitionsausschuss des Landtags Baden-Württemberg sowie mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage vergeblich gegen den - zeitweilig bis zu acht Lastkraftwagen umfassenden - Fuhrbetrieb. Sie fühlen sich durch Anund Abfahrten der Lastzüge, durch Dieselabgase und insbesondere durch an Samstagen ausgeführte Wartungs- und Reparaturarbeiten beeinträchtigt.
4
Das Landgericht hat die vorliegende Klage, mit der die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Benutzung ihres Grundstücks als Fuhrbetrieb mit Tanklastzügen und Hängerzügen sowie für die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten verlangen, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist es bei der Prüfung der Wesentlichkeit und der Ortsüblichkeit von Immissionen ein sachgerechter Ansatz, ob die emittierende Anlage mit oder ohne behördliche Genehmigung betrieben wird. Ein nicht genehmigter Betrieb könne nicht ortsüblich sein. Das Fehlen der notwendigen Genehmigung spreche zudem so lange für eine Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks, wie nicht feststehe, dass die Anlage ohne Einschränkungen genehmigungsfähig sei. Nach den überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in einem zwischen den Klägern und der Gemeinde geführten Rechtsstreit sei der gesamte Fuhrbetrieb der Beklagten materiell baurechtswidrig und in seiner Ausprägung nicht genehmigungsfähig. Damit sei nach den von dem Bundesgerichtshof aufgestellten Darlegungs - und Beweisregeln vorgegeben, dass von dem Betrieb der Beklagten Einwirkungen ausgingen, welche die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigten. Da die Genehmigungsfähigkeit einer typisierenden Betrachtung folge, komme es nicht darauf an, ob hier Lärmschutzvorschriften eingehalten seien. Ob Immissionsunterlassungsansprüche verwirkt werden könnten, brauche nicht entschieden zu werden, denn die Voraussetzungen für eine Verwirkung lägen nicht vor.
6
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


7
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, dass das Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 139 ZPO verstoßen habe. Entgegen ihrer Ansicht war es nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der möglichen Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ihren Vortrag zu dem sogenannten Umstandsmoment für nicht ausreichend hielt.
8
Zwar trifft es zu, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen kann, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO gibt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Urt. v. 27. April 1994, XII ZR 16/93, WM 1994, 1823, 1824 m.w.N.). Aber diese Situation war hier nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht, wie die Beklagte meint, die Klageabweisung (auch) damit begründet, die Kläger müssten sich den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen. Vielmehr hat es den Gesichtspunkt der Verwirkung lediglich angesprochen, ohne darüber eine Entscheidung zu treffen. Zudem bestand für das Berufungsgericht auch deshalb keine Hinweispflicht , weil das Problem der Verwirkung von Beginn an eine der zentralen Fragen des Rechtsstreits und auch Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war; dabei hat es den Parteien den weiteren Verfahrenslauf aufgezeigt, falls der Gesichtspunkt der Verwirkung nicht zum Tragen kommen sollte. Bei dieser Sachlage war die Beklagte auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, umfassend zu den beiden Elementen der Verwirkung, dem Zeit- und dem Umstandsmoment, vorzutragen. Außerdem schließt die Vorgehensweise des Berufungsgerichts die Annahme aus, es habe eine Überraschungsentscheidung zu Lasten der Beklagten getroffen.
9
2. Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, der Anspruch der Kläger gegen die Beklagte sei verwirkt. Allerdings kann hier offen bleiben, ob - wie das Berufungsgericht gemeint hat - das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt ist; denn es fehlt an dem ebenfalls notwendigen Zeitmoment.
10
a) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (ständige Rechtsprechung, siehe nur Senat, BGHZ 122, 308, 315 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14. November 2002, VII ZR 23/02, NJW 2003, 824). Die Verwirkung ist somit ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB); sie kann im gesamten Privatrecht eingewendet werden (Senat, BGHZ 122, 308, 314). Verwirkt werden können nur subjektive Rechte, weil nur bei ihnen davon gesprochen werden kann, ihre Ausübung stehe in Widerspruch zu der länger andauernden Nichtausübung, die bei dem Schuldner einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründet hat (BGH, Beschl. v. 1. Juli 1994, BLw 95/93, WM 1994, 1944, 1945). Der Verwirkung unterliegen dingliche Rechte nicht, wohl aber die daraus folgenden Ansprüche (Bamberger /Roth/Grüneberg, BGB, § 242 Rdn. 163; MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdn. 298; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 242 Rdn. 107; Soergel /Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 335; Staudinger/J. Schmidt, BGB [1995], § 242 Rdn. 538). Mithin bestehen keine Bedenken, auch die aus Besitz bzw. Eigentum abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach §§ 862 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB dem Einwand der Verwirkung auszusetzen (vgl. Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556).
11
b) Bei Unterlassungsansprüchen der hier vorliegenden Art ist zu unterscheiden : Sollen wiederholte gleichartige Störungen abgewehrt werden, die zeitlich unterbrochen auftreten, löst jede neue Einwirkung einen neuen Anspruch aus (Bamberger/Roth/Grüneberg, aaO; Palandt/Heinrichs, aaO; ebenso RG JW 1935, 1775 für den Schadensersatzanspruch). Die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es in der Regel - mit Ausnahme besonders langer Unterbrechungen - an dem Zeitmoment fehlt. Ob das auch für die Abwehr ununterbrochen andauernder Einwirkungen gilt (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301 für den Beginn der Ausschlussfrist des § 864 Abs. 1 BGB), kann offen bleiben. Solche Immissionen sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
12
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks durch Immissionen angenommen, die von dem Grundstück der Beklagten herrühren. Die Feststellungen in dem Berufungsurteil rechtfertigen das nicht.
13
a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht - stillschweigend - davon ausgegangen, dass den Klägern ein Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 1065 BGB gegen die Beklagte als Betreiberin des störenden Fuhrunternehmens zustehen kann; richtig ist auch, dass ein solcher Anspruch nicht nach § 864 Abs. 1 BGB durch Fristablauf erloschen und die Zulässigkeit der Immissionen am Maßstab des § 906 BGB zu messen ist (vgl. Senat, Urt. v. 14. Oktober 1994, V ZR 76/93, WM 1995, 300, 301).
14
b) Fehlerhaft hat das Berufungsgericht aber den Vortrag der Beklagten für unerheblich gehalten, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der in den Vorschriften der TA-Lärm für Mischgebiete enthaltenen Grenzwerte. Das zeigt, dass das Berufungsgericht die für seine Ansicht herangezogene Rechtsprechung des Senats missverstanden hat. Es hat die für den Erfolg des Unterlassungsanspruchs notwendige Unterscheidung zwischen einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks und einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB) verkannt. In seinem Urteil vom 30. Oktober 1998 hat der Senat nicht den Grundsatz aufgestellt, dass die von einem Betrieb auf ein Nachbargrundstück einwirkenden Immissionen als wesentlich anzusehen sind, wenn dieser bauplanungsrechtlich nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist; vielmehr hat er es lediglich für rechtlich unbedenklich gehalten, bei der Erheblichkeitsprüfung die Tatsache mit zu berücksichtigen, dass die für den Betrieb notwendige behördliche Genehmigung fehlt (BGHZ 140, 1, 6 f.). Hinsichtlich der ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks hat der Senat entschieden, dass eine vorhandene Genehmigung nicht automatisch die Ortsüblichkeit begründet, sondern dafür nur einen Anhalt bietet; das Fehlen einer notwendigen Genehmigung schließt allerdings die Ortsüblichkeit aus (BGHZ 140, 1, 9), jedenfalls dann, wenn es auch an der Genehmigungsfähigkeit fehlt (vgl. Wenzel, NJW 2005, 241, 245). Das verdeutlicht, dass bei der für die Feststellung der Wesentlichkeit erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände das Fehlen der öffentlich-rechtlichen Genehmigung nur ein einzelnes Kriterium ist. Es kann zu dem Ergebnis führen, dass die von dem Betriebsgrundstück ausgehenden Emissionen die Benutzung des Nachbargrundstücks nur unwesentlich beeinträchtigen und deshalb kein Unterlassungsanspruch des Nachbarn besteht. Dass der Betrieb aus öffentlich-rechtlichen Gründen wegen fehlender Genehmigung nicht aufrechterhalten bleiben dürfte, ist für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks somit nicht von alleiniger Bedeutung. Maßgeblich bleibt, ob im konkreten Fall von dem Betrieb Immissionen ausgehen, die sich nach dem Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" als wesentlich darstellen (Senat BGHZ 148, 261, 264 m.w.Nw.). Dabei können die nach § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB maßgeblichen Regelwerke, in denen Grenz- oder Richtwerte für Immissionen festgelegt sind, nicht außer Betracht gelassen werden.
15
4. Unter diesen Gesichtspunkten wird das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, die von ihrem Grundstück ausgehenden Lärmemissionen lägen unterhalb der maßgeblichen Grenzwerte.
16
a) Trifft das zu, ist zunächst von der Unwesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung für die Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks auszugehen (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB); es ist dann Sache der Kläger, Umstände darzulegen und zu beweisen, welche diese Indizwirkung erschüttern (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318). Dazu haben sie bisher nichts vorgetragen, weil sie zu Unrecht davon ausgegangen sind, von der Beklagten wegen der fehlenden baurechtlichen Genehmigung die Unterlassung der Benutzung des Grundstücks zum Befahren, Abstellen sowie zur Reparatur und Wartung von Lastkraftwagen verlangen zu können. Insoweit müssen die Kläger gegebenenfalls Gelegenheit zu weiterem Vortrag erhalten.
17
b) Bestätigt sich der Vortrag der Beklagten nicht, werden die maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte also überschritten, rechtfertigt das allerdings nicht ohne weiteres die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks , sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, grundstücks, sondern indiziert lediglich das Vorliegen einer solchen (Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, aaO). Der Beklagten wird damit nicht die Möglichkeit abgeschnitten, eine nur unwesentliche Beeinträchtigung darzulegen und zu beweisen.
18
c) Die indizielle Bedeutung der Einhaltung oder Nichteinhaltung von Grenz- oder Richtwerten muss das Berufungsgericht beachten. Es kann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen von dem Regelfall abweichen und trotz Unterschreitens der Werte eine wesentliche Beeinträchtigung annehmen oder eine solche trotz Überschreitens der Werte verneinen.
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5. Das Berufungsgericht wird auch Feststellungen zu der Wesentlichkeit der von den Klägern ebenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen durch das Einsickern von Schweröl in den Boden und durch die Abgase der LkwMotoren treffen müssen. Falls es wegen einer oder mehrerer Immissionen eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung des von den Klägern bewohnten Grundstücks feststellt, wird es aufzuklären haben, ob sie durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Verneint es die Ortsüblichkeit, muss es den Klägern die Möglichkeit zu einer Anpassung ihres Unterlassungsantrags geben. Die Parteien und das Berufungsgericht haben nämlich bisher übersehen, dass der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann, es also grundsätzlich ihm überlassen bleibt, auf welchem Weg er die Beeinträchtigung abwendet; daher kann der Beeinträchtigte in der Regel lediglich die Vornahme geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung verlangen und der Urteilsausspruch nur allgemein auf Unterlassung von Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Hier haben die Kläger jedoch bisher die Verurteilung der Beklagten zu einer konkreten Maßnahme beantragt, die das Berufungsgericht auch ausgesprochen hat. Das ist aber nur dann zulässig, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet oder wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise jedoch nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, aaO). Dazu fehlt es bisher an Parteivortrag und an Feststellungen des Berufungsgerichts.

III.


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Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Krüger Klein Lemke
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Rottweil, Entscheidung vom 02.02.2004 - 3 O 351/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 U 27/04 -

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

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a) Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Zwar ist auch auf sie der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine daraus folgende selbständige Verpflichtung ist aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das Rechtsinstitut darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren (siehe nur Senatsurteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344, 351 f. und vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mwN).

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.