Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09

bei uns veröffentlicht am04.03.2010
vorgehend
Landgericht München I, 36 T 2377/07, 23.12.2008
Oberlandesgericht München, 32 Wx 8/09, 03.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 130/09
vom
4. März 2010
in der Wohnungseigentumssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch der Zustandsstörer kann zur Beseitigung einer Störung (und nicht bloß zur
Duldung der Störungsbeseitigung) verpflichtet sein.
BGH, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09 - OLG München
LG München I
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 36. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 23. Dezember 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 10.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Antragsgegnerin ist Mitglied einer von dem Antragsteller verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie ist seit dem 30. Mai 1996 Sondereigentümerin einer zu der Wohnungseigentumsanlage gehörenden Doppelhaushälfte , die schon vor dem Eigentumserwerb von der Familie S. bewohnt wurde; Mieter ist Herr S. , der Geschäftsführer der Antragsgegnerin.
2
Das Sondereigentum der Antragsgegnerin ist mit einem Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche verbunden. In der Teilungserklärung heißt es hierzu in § 2: "Die Halbhäuser … und die ihnen zugeordneten Sondernutzungsflächen werden im höchstmöglichen nach dem WEG überhaupt zulässigen Umfang wie selbständige Grundstücke behandelt … Jedem Wohnungseigentümer ist nur ein solcher Gebrauch seines Sondereigentums und der seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teile des gemeinschaftlichen Eigentums untersagt, dem ein anderer Wohnungseigentümer als Nachbar widersprechen könnte, wäre das Grundstück real so geteilt, wie die Sondernutzungsrechte abgegrenzt sind."
3
Die dem Sondernutzungsrecht unterliegende Gartenfläche wird seit 1987/88 auf einer Länge von etwa 15 m von einer aus 19 Bäumen bestehenden Thujenhecke begrenzt. Die Bäume sind von der angrenzenden Sondernutzungsfläche weniger als 2 m entfernt und haben eine Höhe von ca. 7,6 m erreicht. Wegen der Hecke fand am 16. April 1996 eine Ortsbegehung statt. Das darüber aufgenommene Protokoll lautet auszugsweise: "Die Thujenhecke ist mittlerweile ‚in den Himmel gewachsen’. Sie muss in jedem Fall massiv zurück geschnitten werden. Dies stößt bei der Familie S. auf Ablehnung … Herr S. sagt zu, daß die Thujenhecke auf keinen Fall höher werden würde (Stichtag: 16.4.1996)."
4
Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 12. Mai 1997 wurde folgender Beschluss gefasst: "Zurückschneiden der Sträucher bzw. Bäume entlang des Hauses 21c. Die Eigentümergemeinschaft beschließt einstimmig, dass die Höhe der Sträucher bzw. Bäume auf dem Sondernutzungsrecht der Familie S. das Maß vom 16.4.1996 nicht überschreiten dürfe. Die Familie S. verpflichtet sich zu entsprechenden Rückschnitten wie im Protokoll vom 16.4.1996 festgehalten."
5
Am 26. November 2003 beschlossen die Wohnungseigentümer auf einer weiteren Eigentümerversammlung: "Da über die Zeit mit Herrn S. bis heute kein Kompromiss erreicht werden konnte, erhält die Hausverswaltung die Genehmigung zur Klageerhebung mit dem Ziel, einen Rückschnitt der Thujenhecke … auf die niedrigst mögliche Höhe zu erreichen, wenn bis zum 15.1.2002 kein akzeptabler Kompromissvorschlag … bei der Hausverwaltung eingereicht wird."
6
Mit Beschluss vom 9. Januar 2007 hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin aufgegeben, die Hecke auf eine Höhe von 4 m zurückzuschneiden; den weitergehenden Antrag – Rückschnitt auf eine Höhe von 2 m – hat es zurückgewiesen. Das Landgericht hat den Antrag vollends zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten weiteren sofortigen Beschwerde möchte der Antragsteller in erster Linie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen ; hilfsweise beantragt er, die Antragsgegnerin zu verpflichten, einen Rückschnitt bis auf eine Höhe von 4 m zu dulden. Das Oberlandesgericht hält das Rechtsmittel für begründet, sieht sich aber durch die Entscheidung des Kammergerichts in Berlin vom 19. März 2007 (NZM 2007, 845 f.) daran gehindert, den Beschluss des Amtsgerichts wiederherzustellen. Es hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.

7
Die Vorlage ist gemäß § 62 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F., § 28 Abs. 2 FGG, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG statthaft. Das vorlegende Gericht geht davon aus, dass die Entscheidung der Sache davon abhängt, ob ein Zustandsstörer zur Beseitigung der Störung verpflichtet ist. Im Gegensatz zur Auffassung des Kammergerichts – danach soll allenfalls eine Duldungspflicht des Zustandsstörers bestehen – möchte es die Frage bejahen. Diese Divergenz , an deren Beurteilung als entscheidungserheblich der Bundesgerichtshof bei der Prüfung der Statthaftigkeit gebunden ist (vgl. nur Senat, BGHZ 116, 392, 394 m.w.N.), rechtfertigt die Vorlage.

III.

8
Die nach §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F., §§ 27, 29, 22 Abs. 1 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
9
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin als Zustandsstörerin nicht zu einem Rückschnitt verpflichtet ist. Davon abgesehen sei mit dem Beschluss vom 12. Mai 1997 eine dem Stichtag des 16. April 1996 entsprechende Heckenhöhe genehmigt worden. Schließlich sei der Anspruch jedenfalls verwirkt.
10
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
11
a) Allerdings ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller befugt ist, die Ansprüche der Wohnungseigentümer (vgl. dazu Senat, BGHZ 116, 392, 395) im eigenen Namen geltend zu machen. Die Voraussetzungen einer gewillkürten Verfahrensstandschaft sind gegeben. Insbesondere liegt die dafür erforderliche Ermächtigung der Rechtsinhaber vor. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Erteilung der notwendigen Ermächtigung in dem Beschluss vom 26. November 2003 gesehen. Dieser wurde zu einem Zeitpunkt gefasst, als die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht anerkannt war und demgemäß Ansprüche der Wohnungseigentümer nicht durch sog. Ansichziehen auf den Verband zur Ausübung übertragen und daher auch nicht von diesem prozessual durchgesetzt werden konnten. Vor diesem Hintergrund entsprach es gängiger und rechtlich unbe- denklicher Rechtspraxis, Ansprüche der Wohnungseigentümer über das Rechtsinstitut der Verfahrensstandschaft zu bündeln (vgl. Senat, BGHZ 73, 302, 306 f.). Dass der Beschluss, wäre er erst nach der im Jahr 2005 erfolgten Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (dazu grundlegend Senat, BGHZ 163, 154, 158 ff.) gefasst worden, anders, nämlich dahin auszulegen wäre, die Ansprüche der Wohnungseigentümer sollten im Wege des sog. Ansichziehens auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen werden, führt nicht zu einem Wegfall der einmal gegebenen Verfahrensstandschaft.
12
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann jedoch nach dem derzeitigen Verfahrensstand ein Anspruch der einzelnen Wohnungseigentümer auf einen Rückschnitt der Hecke nicht verneint werden.
13
aa) Mit der gegebenen Begründung kann die Beschwerdeentscheidung nicht aufrechterhalten werden.
14
(1) Anders als das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit dem Kammergericht (NZM 2007, 845 f. m.w.N.) meint, kann auch der Zustandsstörer zur Beseitigung einer ihm zurechenbaren Störung verpflichtet sein (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2007, V ZR 179/06, NJW 2007, 2182; Urt. v. 29. Februar 2008, V ZR 31/07, NJW-RR 2008, 827). Dies setzt allerdings voraus, dass er nicht nur tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, sondern zudem , dass die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung durch seinen maßgebenden Willen zumindest aufrechterhalten wird (vgl. Senat, Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, NJW 2007, 432 f.). Daran fehlt es etwa, wenn der Mieter einer Wohnung auf Beseitigung eines das Eigentum eines Dritten beeinträchtigenden Zustandes in Anspruch genommen wird, der auf das Handeln des Wohnungseigentümers zurückzuführen ist. Der Mieter ist in einem solchen Fall lediglich verpflichtet, die Beseitigung der Störung zu dulden (vgl. Senat , Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, aaO), nicht aber ist er gehalten, diese durch einen Eingriff in das Eigentum seines Vermieters zu beseitigen. Die Störung zu beseitigen, bleibt in solchen Fällen Sache des Eigentümers.
15
Vorliegend befindet sich die Antragsgegnerin nicht in einer Situation, die der des Mieters im Beispielsfall vergleichbar wäre. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass die Aufrechterhaltung der von der Hecke ausgehenden Störung hier allein auf dem maßgebenden Willen der Antragsgegnerin beruht und diese nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich zur Beseitigung der Störung in der Lage ist. Zwar sind die Pflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und damit Gemeinschaftseigentum geworden. Jedoch ergibt sich die Befugnis zur Kürzung schon aus der Regelung in der Teilungserklärung, wonach die Wohnungseigentümer möglichst so zu stellen sind, wie sie bei einer Realteilung stünden. Davon abgesehen folgt sie auch aus dem in dem Rückschnittverlangen liegenden Einverständnis der übrigen Wohnungseigentümer.
16
(2) Offen bleiben kann, ob die Wohnungseigentümer der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12. Mai 1997 eine Heckenhöhe gestattet haben, die dem Stand vom 16. April 1996 entspricht. Denn der später gefasste Beschluss vom 26. November 2003 ist aus unbefangener Sicht nächstliegend (zu diesen Kriterien Senat, BGHZ 139, 288, 292; Urt. v. 5. Februar 2010, V ZR 126/09, Umdruck S. 4 m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt) jedenfalls als Widerruf dieser Gestattung auszulegen.
17
(3) Die Annahme einer Verwirkung nach § 242 BGB scheitert schon daran , dass es an dem dafür erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Die Antragsgegnerin verweist auf kein Vorbringen, aus dem sich eine Vertrauensbetätigung ergibt, die die weitere Geltendmachung der Ansprüche als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen lässt (vgl. Senat, Urt. v. 22. November 2002, V ZR 443/01, Umdruck S. 9; BGH, Urt. v. 12. März 2008, XII ZR 147/05, NJW 2008, 2254, 2255; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 242 BGB Rdn. 95 m.w.N.).
18
(4) Soweit das Beschwerdegericht auf dem Standpunkt steht, die "Verurteilung" zu einem Rückschnitt auf eine Höhe von 7 m oder 6,5 m scheitere zudem daran, dass diese nicht mehr von dem auf einen Rückschnitt auf 2 m gerichteten Antrag erfasst sei, ist auch dies rechtsfehlerhaft. Bei verständiger Würdigung des Antrages möchte der Antragsteller bis zu der angegebenen Höhe jede rechtlich durchsetzbare Kürzung erreichen. Dann aber ist auch eine Kürzung auf eine verbleibende Baumhöhe von 7 m oder 6,5 m in dem Antrag als Minus enthalten. Die Auffassung des Beschwerdegerichts läuft darauf hinaus , der Antragsteller wolle den jetzigen Zustand hinnehmen, sofern sein weitergehendes Ziel nicht erreichbar sei. Das ist abwegig.
19
(5) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht der Verpflichtung zu einem eingeschränkten Rückschnitt schon deshalb nicht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen, weil die Wohnungseigentümer eine Gestattung jedenfalls widerrufen haben (oben (2)).
20
bb) Der angefochtene Beschluss ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Regelungsgehalt der §§ 14, 15 Abs. 3 WEG durch die Regelung in der Teilungserklärung modifiziert worden ist, wonach die Wohnungseigentümer möglichst so zu stellen sind, wie sie bei einer Realteilung stünden. Das hat zur Folge, dass sich die Wohnungseigentümer in Konstellationen der vorliegenden Art grundsätzlich nur auf diejenigen Anspruchsgrundlagen stützen können, die ihnen bei einer Realteilung des Grundstücks zustünden. Bei der Frage, ob solche Ansprüche verjährt sind, bedarf es einer differenzierenden Betrachtung.
21
(1) Soweit es um die Verjährung des landesrechtlichen Anspruches aus Art. 47 BayAGBGB geht, den beide Vorinstanzen mit Blick auf die von den Wohnungseigentümern vereinbarte weitgehende Gleichstellung mit Realeigentümern zu Recht für entsprechend anwendbar gehalten haben, führt dies – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – auch zur analogen Anwendung der diese Anspruchsgrundlage ausdrücklich einbeziehenden Verjährungsregelung des Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB. Wie das Beschwerdegericht der Sache nach zutreffend ausführt, ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, nur auf landesrechtliche Anspruchsgrundlagen zurückzugreifen, nicht aber auf in demselben Regelungszusammenhang normierte Einreden oder Einwendungen. Dem entspricht es, dass der Senat in einem vergleichbaren Fall dem Landesrecht nicht nur die Anspruchsgrundlage entnommen, sondern auch den dort geregelten Ausschlusstatbestand für entsprechend anwendbar gehalten hat (vgl. Urt. v. 28. September 2007, V ZR 276/06, NJW 2007, 3636, 3637). Dass sich der bayerische Gesetzgeber nicht für eine Ausschluss-, sondern für eine Verjährungsregelung entschieden hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
22
Ob die gegen den Anspruch aus Art. 47 BayAGBGB erhobene Verjährungseinrede durchgreift, ist offen. Feststellungen dazu, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB vorliegen, hat das Beschwerdegericht – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig – bislang nicht getroffen. Das wird ebenso nachzuholen sein wie die sich hieran ggf. anschließende Prüfung, ob und inwieweit die Bemühungen, im Verhandlungswege zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen, dem Eintritt der Verjährung entgegen stehen. Soweit es um die Zeit vor dem 1. Januar 2002 geht, ist Prüfungsmaßstab § 242 BGB i.V.m. dem in §§ 639 Abs. 2, 852 Abs. 2 BGB a.F. enthaltenen Rechtsgedanken (vgl. auch Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 203 BGB Rdn. 1 m.w.N.), für die Zeit danach die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nunmehr konkretisierende Regelung des § 203 BGB (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Dabei wird sich die Antragsgegnerin jedenfalls für die Zeit nach ihrem Eigentumserwerb auch das Verhalten ihres Geschäftsführers S. zurechnen lassen müssen. Die Annahme, dass dieser ausschließlich in seiner Eigenschaft als Mieter an Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaft teilgenommen und Erklärungen abgegeben hat, liegt aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Erklärungsad- ressaten – so Herr S. nicht ausdrücklich einen entsprechenden Vorbehalt geäußert haben sollte – fern.
23
(2) Auf eventuelle Ansprüche der Wohnungseigentümer aus § 1004 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Verjährungsbestimmung des Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB dagegen nicht. Diese unterlagen zunächst der dreißigjährigen Regelverjährung nach § 195 BGB a.F. und ab dem 1. Januar 2002 mit neuem Fristlauf den Vorschriften des nunmehr geltenden Verjährungsrechts (Art. 229 § 6 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Einschlägig ist die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB n.F. (vgl. Palandt/Bassenge, aaO, § 1004 Rdn. 45; vgl. auch Senat, Urt. v. 16. März 2007, V ZR 190/06, NJW 2007, 2183, 2184), die bei Zustellung des Antrags im März 2004 noch lief.
24
Wie Art. 124 EGBGB belegt, kann eine landesgesetzliche Regelung das Grundstückseigentum zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen, nicht aber umgekehrt dem Nachbarn Rechte nehmen, die sich aus bundesrechtlichen Vorschriften – etwa aus § 1004 Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 3 WEG – ergeben (vgl. Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Das gilt vorliegend umso mehr, als das Landesrecht mit Art. 47 BayAGBGB einen Anspruch schon dann gewährt, wenn bei Pflanzen mit einer bestimmten Höhe der Grenzabstand nicht eingehalten ist. Dass die Missachtung dieser Vorgaben zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbargrundstückes führt, ist nicht Anspruchsvoraussetzung. Dagegen kommen Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn eine solche Beeinträchtigung vorliegt oder zumindest ernsthaft zu besorgen ist (zu Letzterem vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 1004 Rdn. 32 m.w.N.). Die Verjährung des für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleibt damit auf ihren Anwendungsfall beschränkt und lässt konkurrierende Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch unberührt (Senat, Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037 m.w.N.). Insbesonde- re führt die erfolgreiche Erhebung der auf eine landesrechtliche Bestimmung gestützten Verjährungseinrede nicht dazu, dass deshalb eine von der bundesrechtlichen Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasste Eigentumsbeeinträchtigung hingenommen werden müsste. Das hat der Senat bereits für den insoweit vergleichbaren Fall des Durchgreifens eines – ebenfalls an den Ablauf einer Frist geknüpften – landesrechtlichen Ausschlusstatbestandes entschieden (Urt. v. 12. Dezember 2003, V ZR 98/03, aaO). Für das Eingreifen der Verjährungseinrede nach Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB gilt nichts anderes. Ob auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens des Antragstellers eine unter § 1004 Abs. 1 BGB fallende Eigentumsbeeinträchtigung (dazu etwa Senat, BGHZ 113, 384, 387 f.; Palandt/Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 903 Rdn. 9 f.; jeweils m.w.N.; vgl. aber PWW/Lemke, 4. Aufl., BGB, § 903 BGB Rdn. 5; Stresemann, FS Wenzel, 425, 431 ff.) vorliegt, hat das Beschwerdegericht – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung wiederum konsequent – nicht geprüft. Das wird ggf. nachzuholen sein.
25
3. Nach allem ist die Beschwerdeentscheidung aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen , damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.12.2008 - 36 T 2377/07 -
OLG München, Entscheidung vom 03.08.2009 - 32 Wx 8/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09 zitiert 12 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 852 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung


Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vor

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen


Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjähru

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 14 Pflichten des Wohnungseigentümers


(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, 1. die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und2. das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses un

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 15 Pflichten Dritter


Wer Wohnungseigentum gebraucht, ohne Wohnungseigentümer zu sein, hat gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und anderen Wohnungseigentümern zu dulden:1.die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums, die ihm rechtze

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 45 Fristen der Anfechtungsklage


Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden. Die §§ 233 bis 238 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 639 Haftungsausschluss


Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Unternehmer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit de

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09 zitiert oder wird zitiert von 18 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Feb. 2008 - V ZR 31/07

bei uns veröffentlicht am 29.02.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 31/07 Verkündet am: 29. Februar 2008 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 16. März 2007 - V ZR 190/06

bei uns veröffentlicht am 16.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 190/06 Verkündet am: 16. März 2007 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2007 - V ZR 179/06

bei uns veröffentlicht am 30.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 179/06 Verkündet am: 30. März 2007 W i l m s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2002 - V ZR 443/01

bei uns veröffentlicht am 22.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 443/01 Verkündet am: 22. November 2002 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgericht

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2007 - V ZR 276/06

bei uns veröffentlicht am 28.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 276/06 Verkündet am: 28. September 2007 Lesniak, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Dez. 2006 - V ZR 112/06

bei uns veröffentlicht am 01.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 112/06 Verkündet am: 1. Dezember 2006 W i l m s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2008 - XII ZR 147/05

bei uns veröffentlicht am 12.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 147/05 Verkündet am: 12. März 2008 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2003 - V ZR 98/03

bei uns veröffentlicht am 12.12.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES TEIL-VERSÄUMNIS- UND SCHLUSSURTEIL V ZR 98/03 Verkündet am: 12. Dezember 2003 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschla
10 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2010 - V ZB 130/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Feb. 2019 - V ZR 136/18

bei uns veröffentlicht am 22.02.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 136/18 Verkündet am: 22. Februar 2019 Rinke Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2019 - V ZR 152/18

bei uns veröffentlicht am 13.12.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 152/18 Verkündet am: 13. Dezember 2019 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 227 Abs. 1

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2011 - V ZR 145/10

bei uns veröffentlicht am 28.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 145/10 Verkündet am: 28. Januar 2011 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 51 Abs. 1 Macht

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2013 - V ZR 230/12

bei uns veröffentlicht am 25.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 230/12 Verkündet am: 25. Oktober 2013 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 906 Abs. 2 S

Referenzen

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet werden. Die §§ 233 bis 238 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 179/06 Verkündet am:
30. März 2007
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Eigentümer kann sich der Haftung als Zustandsstörer (§ 1004 Abs. 1 BGB) nicht
durch Verzicht auf sein Eigentum entziehen.
BGH, Urt. v. 30. März 2007 - V ZR 179/06 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 19. Juni 2006 aufgehoben, soweit über Räumungs- und Beseitigungsansprüche erkannt worden ist. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin vom 3. November 2005 wird insoweit zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 67 % und der Beklagte 33 %, von denen der Rechtsmittelinstanzen der Kläger 63 % und der Beklagte 37%.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Das klagende Land ist Eigentümer einer Gründstücksfläche, auf dem G. M. aufgrund eines mit dem Land geschlossenen Mietvertrags eine Bootsanlage betrieben und hierzu Gebäude und andere Baulichkeiten errichtet hatte, die nach den Vereinbarungen der Vertragsparteien als nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden gelten und im Eigentum der Mieterin bleiben sollten. 1992 wurde die Bootsanlage an U. B. veräußert, der mit dem Land ebenfalls einen Mietvertrag abschloss. Dieser Vertrag sah unter Berücksichtigung einer ausgeübten Verlängerungsoption eine Vertragsdauer bis Ende 2001 vor. Im September 1996 veräußerte U. B. die Bootsanlage an den Beklagten. Nachdem ein Ankauf des Grundstücks durch den Beklagten gescheitert war, bemühte sich dieser Ende 2001 um den Abschluss eines Mietvertrages. Das Land lehnte dies ab. Es verlangt die Herausgabe und die Räumung des Areals, die Beseitigung von zur Bootsanlage gehörenden Bauten sowie die Zahlung einer Nutzungsentschädigung.
2
Nach teilweiser Klagerücknahme hat das Landgericht der Klage stattgegeben. In der Berufungsverhandlung vor dem Kammergericht hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu Protokoll erklärt, sein Mandant gebe - für den Fall, dass das Berufungsgericht von einem fortdauernden Besitz des Beklagten ausgehen sollte - einen etwaigen Besitz an der Fläche auf. Mit der Entfernung sämtlicher auf dem Grundstück vorhandenen Aufbauten durch das Land sei der Mandant einverstanden.
3
Das Kammergericht hat das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Land möchte mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, einem Räumungsanspruch stehe das Fehlen eines Mietvertrages entgegen. Herausgabe könne nicht verlangt werden, weil das Land nicht bewiesen habe, dass der Beklagte wenigstens bei Eintritt der Rechtshängigkeit noch Besitzer der Fläche gewesen sei. Für Ansprüche auf Nutzungsentschädigung fehle es an der von den §§ 987 f. BGB vorausgesetzten Vindikationslage. Die Voraussetzungen des § 1004 BGB lägen nicht vor. Da die Bauten nicht auf Veranlassung des Beklagten errichtet worden seien, komme eine Zurechnung als Handlungsstörer nicht in Betracht. Zustandsstörer sei der Beklagte nicht mehr, weil die Erklärung seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zur Aufgabe des Eigentums geführt hätten. Die Revision sei zuzulassen, soweit es um die Frage gehe, ob die Haftung als Zustandsstörer nach § 1004 Abs. 1 BGB durch Aufgabe des Eigentums an der störenden Sache ende.

II.

5
1. Die Revision ist nur zulässig, soweit sich das Land gegen die Abweisung des Räumungs- und Beseitigungsverlangens wendet. Im Übrigen steht der Statthaftigkeit des Rechtsmittels die fehlende Zulassung entgegen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
6
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbstständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. nur Senat, Beschl. v. 29. Januar 2004, V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, m.w.N.; ferner BGH, BGHZ 101, 276, 278; BGH, Urt. v. 20. Mai 2003, XI ZR 248/02, VersR 2003, 1396, 1397, v. 4. Juni 2003, VIII ZR 91/02, NJW-RR 2003, 1192, 1193, und v. 5. November 2003, VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426 f.; Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 4/06, Rdn. 4 m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt). Zumindest die zuletzt genannte Alternative liegt vor, weil das Land die Abweisung der Klage wegen der Ansprüche auf Herausgabe und Nutzungsentschädigung hätte hinnehmen und demgemäß sein Rechtsmittel auf das Räumungs- und Beseitigungsverlangen hätte beschränken können.
7
b) Der Annahme einer beschränkten Revisionszulassung steht nicht entgegen , dass die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keine Einschränkung enthält. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und demgemäß von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen die Beschränkung klar ergibt (vgl. nur Senat, Beschl. v. 29. Januar 2004, aaO; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 84/04, BauR 2005, 444; BGH, Urt. v. 3. März 2005, IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716; jeweils m.w.N.). So liegt es hier, weil sich die von dem Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffes stellt (vgl. dazu nur BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 362; Urt. v. 3. März 2005, aaO). Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich deutlich, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nur mit Blick auf die Frage bejaht hat, ob die Haftung als Zustandsstörer nach § 1004 Abs. 1 BGB durch Aufgabe des Eigentums an der störenden Sache endet. Erheblich ist diese Rechtsfrage allein für die Streitgegenstände Räumung und Beseitigung. Für die weiteren - auf Herausgabe und Nutzungsentschädigung gerichteten - Klageansprüche ist sie bedeutungslos.
8
2. In dem zugelassenen Umfang hat das Rechtsmittel auch in der Sache Erfolg.
9
a) Die Verneinung von Ansprüchen aus § 1004 BGB hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
aa) Verfehlt ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass sich der Eigentümer einer Haftung als Zustandsstörer nicht durch Verzicht auf sein Eigentum entziehen kann (vgl. BGHZ 18, 253, 258; 41, 393, 397; Urt. v. 4. Februar 2005, V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1367; so auch die ganz überwiegende Auffassung im Schrifttum, etwa AnwKomm-BGB/Keukenschrijver, § 1004 Rdn. 49; Soergel /Mühl, BGB, 12. Aufl., § 1004 Rdn. 98; vgl. auch MünchKommBGB /Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 28, 52 m.w.N. auch zum Streitstand; ebenso für das öffentliche Recht BVerwG NJW 1999, 231 f.). Daran hält der Senat fest. Der gegenteilige Standpunkt des Berufungsgerichts führte dazu, dass die Vorschrift des § 1004 BGB die ihr zugedachte Aufgabe, zusammen mit § 985 BGB das Eigentum und die damit verbundene Sachherrschaft in umfassender Weise zu schützen (vgl. Senatsurt. v. 4. Februar 2005, aaO, m.w.N.), nur noch unvollständig erfüllen könnte. Das ist deshalb nicht hinnehmbar, weil deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche wegen des Verschuldenserfordernisses keinen dem negatorischen Beseitigungsanspruch gleichwertigen Eigentumsschutz gewährleisten (Senat, aaO).
11
Dem steht nicht entgegen, dass ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB infolge der Veräußerung der störenden Sache entfallen kann (vgl. Senat, BGHZ 41, 393, 397 f.; Urt. v. 10. Juli 1998, V ZR 60/97, NJW 1998, 3273). Denn der Wegfall der Haftung beruht in solchen Fällen zum einen darauf, dass der Störer infolge der auf den Rechtsnachfolger übergehenden umfassenden Sachherrschaft in der Regel nicht mehr in der Lage ist, die Störung zu beseiti- gen (vgl. Senat, aaO), und zum anderen darauf, dass die Beseitigung der Störung bei Übernahme der umfassenden Sachherrschaft nunmehr Sache des Erwerbers als Ausdruck seiner Verantwortlichkeit als Zustandsstörer ist (vgl. MünchKomm-BGB/Medicus, aaO, Rdn. 50). In den Dereliktionsfällen trifft weder das eine noch das andere zu.
12
bb) Davon abgesehen lässt sich der Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vor dem Berufungsgericht nicht der für eine Dereliktion (§ 959 BGB) erforderliche Verzichtswille entnehmen. Einer dahin gehenden Auslegung steht entgegen, dass nur dem Land gestattet worden ist, die Sachen von dem Grundstück zu beseitigen.
13
b) Nach allem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist im Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO. Weitere Feststellungen kommen nicht in Betracht.
14
aa) Die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB liegen vor. Insbesondere stellt der weitere Verbleib der als Scheinbestandteile nach § 95 BGB zu qualifizierenden Bauten auf dem Grundstück des Landes eine dem Beklagten als Zustandsstörer zurechenbare Eigentumsbeeinträchtigung dar. Zwar ist eine Störung dem Eigentümer nicht schon allein wegen seines Eigentums zuzurechnen. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, dass die Beeinträchtigung zumindest mittelbar auch auf seinem Willen beruht (std. Senatsrechtsprechung, vgl. nur, BGHZ 19, 126, 129 f.; 122, 283, 284; 155, 99, 105; Urt. v. 4. Februar 2005, V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1368 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist jedoch auch dann gegeben, wenn die Störung - wie hier - mit dem maßgebenden Willen desjenigen aufrechterhalten wird, der infolge Eigentumserwerbs die Herrschaft über die störenden Sachen übernommen hat (Senat, BGHZ 29, 314, 317; Urt. v. 22. September 2000, V ZR 443/99, WM 2001, 208; Urt. v.
1. Dezember 2006, V ZR 112/06, Rdn. 12 m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt ; vgl. auch MünchKomm-BGB/Medicus, aaO, Rdn. 50 f. m.w.N.).
15
bb) Die Eigentumsbeeinträchtigungen braucht das Land nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Dass die Bauten mit seiner Zustimmung errichtet worden sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil es entscheidend darauf ankommt, ob gegenwärtig noch eine schuldrechtliche oder dingliche Grundlage für die Eigentumsbeeinträchtigung gegeben ist (Senatsurt. v. 26. Januar 2007, V ZR 175/06, Rdn. 9 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
16
(1) Aus eigenem Recht steht dem Beklagten keine Duldungspflicht zur Seite. Der mit dem Land geschlossene notarielle Kaufvertrag besteht nicht mehr. Zum Abschluss eines Mietvertrages zwischen den Parteien ist es nicht gekommen.
17
(2) Einer Duldungspflicht aus abgeleitetem Recht entsprechend § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Senatsurt. v. 5. Mai 2006, V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160, 1161 m.w.N.) steht entgegen, dass G. M. die Errichtung der Baulichkeiten nur zum vorübergehenden Verbleib gestattet worden war. Aus dem zwischen dem Land und dem unmittelbaren Rechtsvorgänger des Beklagten , U. B. , geschlossenen Mietvertrags kann der Beklagte schon deshalb nichts für sich herleiten, weil dieser Vertrag Ende 2001 ausgelaufen war.

III.

18
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 03.11.2005 - 13 O 173/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 19.06.2006 - 8 U 263/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 31/07 Verkündet am:
29. Februar 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Gestattet der Eigentümer eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Störung,
bindet dies seinen Einzelrechtsnachfolger grundsätzlich nicht.
BGH, Urt. v. 29. Februar 2008 - V ZR 31/07 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. Januar 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die gegen die Abweisung des die Stützmauer betreffenden Hilfsantrags gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das an eine im Eigentum der Beklagten stehende Privatstraße grenzt. Die Straße liegt über dem Bodenniveau des klägerischen Grundstücks und ist mit Betonsteinen gepflastert. Sie schließt unmittelbar an eine sich auf dem Grundstück der Kläger befindliche, etwa 50 cm hohe Mauer an.
2
Mit der Behauptung, die Mauer halte aus statischen Gründen den von der Privatstraße ausgehenden Druck nicht aus und drohe deshalb einzustürzen, verlangen die Kläger von den Beklagten, die Straße abzustützen.
3
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht meint, ein Anspruch der Kläger aus § 1004 BGB scheitere daran, dass die frühere Eigentümerin ihres Grundstücks mit dem Anbau der Privatstraße an die Gartenmauer einverstanden gewesen sei. Diese Zustimmung müssten sich die Kläger als Rechtsnachfolger entgegenhalten lassen.

II.

5
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht zwar an, dass die Beklagten nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Beseitigung der behaupteten Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger in Anspruch genommen werden können. Die Beklagten sind als Zustandsstörer passivlegitimiert, da die – für das Revisionsverfahren zu unterstellende – Störung von ihrem Grundstück ausgeht und die Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar auf ihren Willen zurückzuführen ist (vgl. zu diesem Erfordernis: Senat, Urt. v. 1. Dezember 2006, V ZR 112/06, NJW 2007, 432, Rdn. 14 m.w.N.). Letzteres folgt daraus, dass die Beklagten für den baulichen Zustand der von ihnen unterhaltenen und benutzten Straße verantwortlich sind (Rechtsgedanke des § 907 BGB), ohne dass es darauf ankommt, welchen eigenen Beitrag sie hierzu geleistet haben und ob sie den störenden Zustand der Straße bei Erwerb des Grundstücks kannten (vgl. Senat, Urt. v. 19. Januar 1996, V ZR 298/94, NJW-RR 1996, 659, 660; Urt. v. 22. September 2000, V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232).
7
Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB sei ausgeschlossen, weil die frühere Eigentümerin des Grundstücks der Kläger damit einverstanden war, dass die Privatstraße unmittelbar an die Gartenmauer herangebaut wurde. Gestattet der Eigentümer einen bestimmten Störungszustand, bindet dies seinen Einzelrechtsnachfolger grundsätzlich nicht (Senat, BGHZ 66, 37, 39; BGHZ 60, 119, 122; Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 1004, Rdn. 36; MünchKomm-BGB/ Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 65 f.; Staudinger/Gursky, BGB [2006], § 1004 Rdn. 198 m.w.N.). Denn hierbei handelt es sich – wenn eine dingliche Belastung des Grundstücks unterbleibt – um eine schuldrechtlich vereinbarte, also lediglich zwischen den Beteiligten wirkende, Duldungspflicht oder sogar nur um eine gefälligkeitshalber erteilte, je nach den Umständen widerrufliche Erlaubnis.
8
Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks eine schuldrechtliche Duldungsverpflichtung seines Rechtsvorgängers übernommen hat. Ein Übernahmewille des Erwerbers kann aber nicht unterstellt werden, vielmehr muss er deutlich zum Ausdruck gekommen sein (vgl. Staudinger/Gursky, aaO). Vorliegend ist dafür nichts ersichtlich.

III.

9
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben, soweit der die Stützmauer betreffende Hilfsantrag abgewiesen worden ist. In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die notwendigen Feststellungen zu der von den Klägern behaupteten Eigentumsbeeinträchtigung treffen kann. Zugleich erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf einen sachdienlichen Antrag hinzuwirken (vgl. zum Klageantrag bei § 1004 BGB: Senat, BGHZ 67, 252, 253; Staudinger /Gursky, aaO, Rdn. 236 m.w.N.). Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 31.07.2006 - 4 O 3256/04 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 11.01.2007 - 14 U 75/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 112/06 Verkündet am:
1. Dezember 2006
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Beeinträchtigt der Zustand einer Wohnung das Eigentum eines Dritten und geht dies
auf rechtswidriges Handeln des Wohnungseigentümers zurück, kann der Dritte den
Mieter der Wohnung auf Duldung der Störungsbeseitigung in Anspruch nehmen.
BGH, Urt. v. 1. Dezember 2006 - V ZR 112/06 - KG
LGBerlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. März 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Mieter einer dem Streithelfer gehörenden Wohnung. Dieser hatte ohne die erforderliche Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer einen Balkon der Wohnung zu einem Wintergarten umgebaut und Fenster durch einen Balkon ersetzt.
2
Auf Antrag der Klägerin, die Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist, wurde der Streithelfer durch rechtskräftigen Beschluss des Kammergerichts zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Wohnung verpflichtet. Die Klägerin beabsichtigt, die hierfür erforderlichen Arbeiten im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen. Sie hat die Beklagten deshalb auf Duldung des Rückbaus in Anspruch genommen.
3
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt , verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält die Beklagten nach § 1004 Abs. 1 BGB für verpflichtet, den Rückbau zu dulden. Sie seien Zustandsstörer, da die Beseitigung des das Miteigentum der Klägerin beeinträchtigenden baulichen Zustands der Wohnung allein von ihrem Willen abhänge. Auf eine Handlungspflicht der Beklagten komme es nicht an. Diese zusätzliche Voraussetzung sei nur von Bedeutung, wenn von einem Untätigen die Herstellung des rechtmäßigen Zustands verlangt, nicht aber, wenn dieser, wie hier, lediglich auf Duldung der notwendigen Maßnahmen in Anspruch genommen werde. Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts München (NZM 2003, 445) überzeuge nicht. Sie lasse unberücksichtigt, dass der Vermieter dem Mieter nicht mehr an Rechten übertragen könne, als er selber habe, und führe dazu, dass ein Wohnungseigentümer einen eigenmächtig geschaffenen baulichen Zustand seiner Wohnung durch deren Vermietung auf unbegrenzte Zeit aufrechterhalten könne.

II.

5
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
6
Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Beklagten verpflichtet sind, die Baumaßnahmen zu dulden, die zur Beseitigung des das Eigentums- recht der Klägerin beeinträchtigenden Zustands der von ihnen gemieteten Wohnung erforderlich sind. Das folgt aus der Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach derjenige, dessen Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen kann.
7
1. Die erforderliche Eigentumsbeeinträchtigung - hierunter fällt jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand (vgl. Senat, Urt. v. 4. Februar 2005, V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1367 m.w.N.) - ist gegeben. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Streithelfer durch den Anbau eines Wintergartens und eines Balkons im Gemeinschaftseigentum stehende Bauteile des Hauses massiv verändert ; hierdurch hat er, weil die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer fehlte, in rechtswidriger Weise in das Miteigentum der Klägerin eingegriffen.
8
2. Die Beklagten sind Störer im Sinne des § 1004 BGB.
9
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sie allerdings keine Handlungsstörer sind. Hierunter ist nur derjenige zu verstehen, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten, d.h. durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen, adäquat verursacht hat (vgl. Senat, BGHZ 144, 200, 203; Urt. v. 22. September 2000, V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232; Urt. v. 4. Februar 2005, V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1368 m.w.N.). Die Beklagten haben die baulichen Veränderungen an der von ihnen gemieteten Wohnung und damit den Eingriff in das Gemeinschaftseigentum aber weder selbst vorgenommen noch in irgendeiner Weise veranlasst.
10
b) Die Beklagten sind jedoch Zustandsstörer.
11
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt das allerdings nicht schon daraus, dass sie sich weigern, den zur Störungsbeseitigung erforderlichen Rückbau zu dulden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für sich genommen weder die Sachherrschaft über die störende Sache noch die damit einhergehende Möglichkeit, die Störung zu beenden , um jemanden als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen (Senat, BGHZ 28, 110, 112; 90, 255, 260; BGHZ 114, 183, 187). Denn es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Eigentümer oder der Besitzer allein kraft seines Eigentums bzw. seines Besitzes für beeinträchtigende Einwirkungen einer Sache verantwortlich ist (vgl. Senat, BGHZ 28, 110, 112; 90, 255, 260; 122, 283, 284; BGHZ 114, 183, 187; MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 46).
12
Zustandsstörer ist vielmehr derjenige, der die Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgebenden Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird (Senat, Urt. v. 22. März 1966, V ZR 126/63, NJW 1966, 1360, 1361; Urt. v. 22. September 2000, V ZR 443/99, NJW-RR 2001, 232; Urt. v. 24. Januar 2003, V ZR 175/02, NJW-RR 2003, 953, 955). Das setzt Zweierlei voraus:
13
(1) Notwendig ist zunächst, dass der Inanspruchgenommene die Quelle der Störung beherrscht, also die Möglichkeit zu deren Beseitigung hat (vgl. Senat , BGHZ 62, 388, 393; 95, 307, 308; Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rdn. 120). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Beklagten als unmittelbare Besitzer der Wohnung, deren baulicher Zustand dem Eigentumsrecht der Klägerin widerspricht, in der Lage sind, die Beeinträchtigung zu beseitigen. Dem steht der Einwand der Revision, die Beklagten seien als Mieter nicht berechtigt, wesentliche bauliche Veränderung an der Wohnung vorzunehmen, nicht entgegen. Denn die Beklagten werden nicht auf Beseitigung der Störung, sondern lediglich auf deren Duldung und damit auf eine ihnen auch rechtlich mögliche Handlung in Anspruch genommen.
14
(2) Darüber hinaus muss dem Inanspruchgenommenen die Beeinträchtigung zurechenbar sein (vgl. MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 45; Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rdn. 122). Hierzu genügt es - wie dargelegt - nicht, dass der Inanspruchgenommene Eigentümer oder Besitzer der Sache ist, von der die Störung ausgeht. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht (Senat, BGHZ 28, 110, 111; 90, 255, 266; 120, 239, 254; 122, 283, 284; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634; Urt. v. 4. Februar 2005, V ZR 142/04, NJW 2005, 1366, 1368; BGH, Urt. v. 12. Februar 1985, VI ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; Urt. v. 18. April 1991, III ZR 1/90, WM 1991, 1609, 1610). Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Eigentümer oder Nutzer der störenden Sache die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, BGHZ 142, 66, 69 f.; 155, 99, 105; vgl. auch Wenzel, NJW 2005, 241).
15
Das gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unabhängig davon , ob der Beeinträchtigte die Beseitigung der Störung oder lediglich deren Duldung verlangt. Die Störereigenschaft des Inanspruchgenommenen gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen eines auf § 1004 BGB gestützten Anspruchs (zu sonstigen auf Duldung der Beseitigung gerichteten Ansprüchen: MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 94).
16
bb) Das angefochtene Urteil erweist sich in diesem Punkt gleichwohl als richtig (§ 561 ZPO), da den Beklagten die Aufrechterhaltung der Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin zuzurechnen ist.
17
Allerdings kann den Beklagten als Mietern die Verantwortung für den - von ihnen nicht geschaffenen - baulichen Zustand der Wohnung nicht auferlegt werden. Eine Zurechnung der davon ausgehenden Beeinträchtigung kommt jedoch unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass sie die Beeinträchtigung willentlich aufrechterhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagten rein passiv verhalten. Sie tragen nur insoweit zur Aufrechterhaltung des baulichen Zustands der Wohnung bei, als sie die aufgrund ihrer Sachherrschaft tatsächlich und im übrigen auch rechtlich gegebene Möglichkeit, die Störung durch den Eigentümer beseitigen zu lassen, nicht nutzen. Da dies ein bloßes Unterlassen darstellt, kann ihnen ihr Verhalten nur zugerechnet werden, wenn sie aus irgendeinem Rechtsgrund zur Duldung der Störungsbeseitigung verpflichtet sind (vgl. Senat, BGHZ 28, 110, 111; 41, 393, 397 f.; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995 2633, 2634; Urt. v. 16. Februar 2001, V ZR 422/99, NJW-RR 2001, 1208). Das folgt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz , wonach ein Unterlassen nur zu einer Haftung führen kann, wenn eine Pflicht zum Handeln - bzw. hier zur Duldung - besteht.
18
Eine Duldungspflicht besteht indessen. Wie das Berufungsgericht der Sache nach zutreffend erkannt hat, folgt sie daraus, dass die Beklagten ihr Besitzrecht an der Wohnung von dem Streithelfer ableiten und deshalb gegenüber Dritten, die dingliche Ansprüche in Bezug auf die Wohnung geltend machen, keine weitergehenden Rechte als der Streithelfer haben (vgl. Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl., Nach § 13 Rdn. 4; Müller, ZMR 2001, 506, 510). Ebenso, wie ein Mieter die Wohnung gemäß § 985 BGB an den wahren Eigentümer herausgeben muss, wenn sie dem Vermieter nicht gehört und dieser auch nicht zur Ver- mietung berechtigt ist (vgl. § 986 Abs. 1 BGB), beschränkt ein gegen den Vermieter gerichteter - mit dem Vindikationsanspruch des § 985 BGB eng verwandter (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2006], § 1004 Rdn. 1 f.) - Eigentumsstörungsanspruch aus § 1004 BGB das Recht des Mieters an dem ungestörten Besitz der Wohnung und verpflichtet ihn, die Beseitigung einer von der Wohnung ausgehenden Störung zu dulden. Ein solcher Anspruch steht der Klägerin hier zu. Der Streithelfer hat die baulichen Veränderungen seiner Wohnung, die das (Mit-)Eigentum der Klägerin beeinträchtigen, selbst veranlasst und ist daher nicht nur aufgrund der zwischen Wohnungseigentümern bestehenden Sonderverbindung , sondern auch als Handlungsstörer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu deren Beseitigung verpflichtet. Dieser dingliche Anspruch der Klägerin gegen den Streithelfer begründet die Verpflichtung der Beklagten, den Rückbau zu dulden. Dass der Mietvertrag sie zur Nutzung der Wohnung in dem bestehenden Zustand berechtigt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Vertrag wirkt nur schuldrechtlich, also lediglich in dem Verhältnis zwischen den Beklagten und dem Streithelfer (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 1995, XII ZR 30/93, NJW-RR 1995, 715; Urt. v. 29. November 1995, XII ZR 230/94, NJW 1996, 714, 715).
19
3. Rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht angegriffen nimmt das Berufungsgericht schließlich an, dass der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auf bloße Duldung der Beseitigung des beeinträchtigenden Zustands gerichtet sein kann (vgl. BayObLG NJW-RR 2002, 660). Eine solche beschränkte Inanspruchnahme kommt insbesondere in Betracht, wenn mehrere Störer für die Beeinträchtigung verantwortlich sind, da jeder Störer nur in dem Maße haftet, wie er in zurechenbarer Weise an der Beeinträchtigung mitwirkt (vgl. BGH, Urt. v. 3. Februar 1976, VI ZR 23/72, NJW 1976, 799, 800; Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004 Rdn. 122; MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rdn. 75). Besteht der Beitrag des Besitzers - wie hier - nur darin, dass er sich kraft seiner Sachherrschaft der Beseitigung der Störung wi- dersetzt, kann er deshalb – sofern er Störer ist - auf Duldung der Beseitigung in Anspruch genommen werden (vgl. Senat, BGHZ 41, 393, 398 f.; Staudinger /Gursky, BGB [2006], § 1004 Rdn. 118 u. 150; Westermann, Lehrbuch des Sachenrechts, 7. Aufl., S. 267; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II 2, 13. Aufl., S. 687; a.A. OLG München NZM 2003, 445).

III.

20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 03.06.2005 - 3 O 474/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 21.03.2006 - 4 U 97/05 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 443/01 Verkündet am:
22. November 2002
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2002 durch die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21. November 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 6.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Januar 1999 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Januar 2001 zurückgewiesen.
Von den Kosten der I. Instanz und des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte zu je 1/2.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 4. September/16. November 1928 erwarb die Stadt B. von dem Landwirt Fritz W. ein Rittergut zur Größe von ca. 695 ha. Ein noch zu zahlender Restkaufpreis von 1.300.000 RM war zunächst bis zum 1. Oktober 1938 gestundet. Er wurde durch die Eintragung von sieben Briefhypotheken gesichert, die mit 6 % zu verzinsen waren. Eine Hypothek über 200.000 RM wurde zugunsten von B. D. bestellt und in das Grundbuch eingetragen. Am 18. Mai 1940 wurde über diese Hypothek ein "Preußischer Hypothekenbrief" ausgestellt, der eine Vereinbarung zwischen B. D. und der Stadt B. wiedergibt, wonach die Hypothek zu den bisherigen Bedingungen über den 1. April 1940 hinaus auf Abruf bestehen bleiben soll. Weiter heißt es dort: "Das Schuldkapital kann beiderseits mit einer Frist von 6 Monaten jeweils zum 1.4. und 1.10. d.Js. zur Rückzahlung gekündigt werden."
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Oktober 1946 trat B. D. die Hypothek einschließlich der gesicherten Forderung nebst Zinsen an die Eltern des Klägers, deren Rechtsnachfolger er ist, ab.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Kaufpreiszinsen für das letzte Quartal 1946, hilfsweise für das letzte Quartal 1996, und die Zahlung rückständiger Zinsen für das Jahr 1994 in Höhe von 12.000 DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich gewesen; das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 12.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger die Kaufpreisforderung von 200.000 RM aus dem Kaufvertrag vom 4. September/16. November 1928 durch Abtretung von dem Verkäufer an B. D. und sodann von ihr an die Eltern des Klägers sowie durch Erbfolge wirksam erworben. B. D. und die Stadt B. hätten die Fälligkeit der Forderung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben, verbunden mit der für beide Seiten bestehenden Möglichkeit, die Fälligkeit durch Kündigung des Kapitals herbeizuführen. Mangels Kündigung sei bisher keine Fälligkeit eingetreten; deswegen habe der Kläger ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung der Zinsen in Höhe von 6 % jährlich. Diese Forderung sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist von 30 Jahren für den Restkaufpreisanspruch habe wegen fehlender Fälligkeit noch nicht begonnen. Die Vorschrift des § 199 Satz 1 BGB a.F., wonach abweichend von dem regelmäßigen Verjährungsbeginn (§ 198 BGB a.F.) die Verjährung dann, wenn der Berechtigte die Leistung erst verlangen kann, wenn er dem Verpflichteten gekündigt hat, bereits mit dem Zeitpunkt beginnt, von dem an die Kündigung zulässig ist, finde hier keine Anwendung, weil nicht nur
der Gläubiger, sondern auch der Schuldner die Fälligkeit durch Kündigung herbeiführen könne. Die vierjährige Verjährungsfrist für die für 1994 verlangten Zinsen (§ 197 BGB a.F.) habe nach §§ 198, 201 BGB a.F. Ende des Jahres 1994 zu laufen begonnen und sei durch die Geltendmachung mit dem am 30. Dezember 1998 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz, der dem Beklagten am 11. Januar 1999 zugestellt wurde, rechtzeitig unterbrochen worden.
Der Kaufpreisanspruch und der Zinsanspruch seien nicht verwirkt, weil weder das Zeit- noch das Umstandsmoment erfüllt seien.
Hinsichtlich der Höhe der Zinsforderung könne der Kläger die ursprünglich in Reichsmark geschuldeten Zinsen nach einer Umrechnung von 1:1 in DM verlangen.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

II.


1. Zu Recht - und von der Revision nicht angegriffen - sieht das Berufungsgericht den Kläger als Forderungsinhaber an. Er ist durch Abtretungen und durch Erbfolge Gläubiger geworden.
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auslegung der Vereinbarung zwischen B. D. und der Stadt B. durch das Berufungsgericht. Danach wird die Restkaufpreisforderung von damals 200.000 RM erst fällig,
wenn der Gläubiger oder der Schuldner das Kapital kündigen; bis dahin ist es mit 6 % jährlich zu verzinsen.
3. Die Frage, ob der Klageanspruch verjährt ist, ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung zu beantworten , denn er war an diesem Tag noch nicht verjährt.

a) Der Restkaufpreisanspruch ist nicht verjährt.
aa) Nach der nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB hier anwendbaren Vorschrift des § 198 Satz 1 BGB a.F. beginnt die Verjährungsfrist mit der Entstehung des Anspruchs. Entstanden in diesem Sinne ist der Anspruch, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann; das setzt seine Fälligkeit voraus (BGHZ 113, 188, 193; BGH, Urt. v. 23. Januar 2001, X ZR 247/98, WM 2001, 687, 689). Da hier die Fälligkeit erst mit der Kündigung des Kapitals eintritt und weder der Gläubiger noch der Schuldner bisher eine Kündigung ausgesprochen haben, ist der Restkaufpreisanspruch noch nicht entstanden und hat die Verjährungsfrist noch nicht begonnen.
Dem steht § 199 Satz 1 BGB a.F., der ebenfalls nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB anwendbar ist, nicht entgegen. Die Vorschrift verlagert den Beginn der Verjährung dann, wenn der Berechtigte die Leistung erst nach einer Kündigung verlangen kann, auf den Zeitpunkt vor, von dem an die Kündigung zulässig ist. Sie ist hier jedoch nicht anwendbar. Ihr Sinn und Zweck besteht darin, dem Gläubiger die Möglichkeit zu nehmen, nach Belieben den Beginn
der Verjährung hinauszuschieben (BGH, Urt. v. 4. Juni 2002, XI ZR 361/01, ZIP 2002, 1393, 1394; OLG Schleswig, WM 1998, 1578, 1580; MünchKommBGB /Grothe, 4. Aufl., § 199 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., §§ 199, 200 Rdn. 1; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 199 Rdn. 1; Staudinger/ Peters, BGB [1995], § 199 Rdn. 1). Es war die Intention des Gesetzgebers, auch in den Fällen, in denen durch das Kündigungserfordernis die Dauer einer Stundung und damit der Eintritt der Fälligkeit einer Forderung von dem Belieben des Berechtigten abhängt, zu einem festen Anfangszeitpunkt für den Beginn der Verjährung zu gelangen (Motive I, S. 309; vgl. auch Mugdan, Bd. I, S. 779 ff.; van Gelder, WuB I C 2.-1.98). Anderenfalls hätte die Stundungsvereinbarung zur Folge, daß das Institut der Verjährung unterlaufen werden könnte; der Gläubiger hätte es nämlich in der Hand, den Verjährungsbeginn auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Das führte aus der Sicht des Verpflichteten dazu, die Verjährung zu erschweren. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nach § 225 Satz 1 BGB a.F. unzulässig.
Soweit die Revision meint, dem Gesetzgeber sei es in erster Linie auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, nicht dagegen auf die Verhinderung einer Mißbrauchsmöglichkeit angekommen, weil der Zweck des Verjährungsinstituts es gebiete, "an den Nichtgebrauch dieses Dürfens dessen Verlust zu knüpfen" (Motive I, S. 308), hat sie damit zwar recht. Sie übersieht aber, daß das für die Grundregel des § 198 BGB a.F. und nicht für die Ausnahmevorschrift des § 199 BGB a.F. gilt.
bb) Kann - wie hier - die Fälligkeit der Forderung nicht nur durch eine Kündigung des Berechtigten (Gläubigers), sondern auch durch eine Kündigung des Verpflichteten (Schuldner) herbeigeführt werden, gilt die Vorschrift des
§ 199 BGB a.F. nicht (BGH aaO m.w.N.); die Verjährung beginnt deshalb mit der Entstehung des Anspruchs (§ 198 BGB a.F.), hier also nach einer Kündigung. Die Fälligkeit und damit das Entstehen des Anspruchs stehen nämlich nicht zur alleinigen Disposition des Gläubigers. Damit entfällt das Erfordernis, dem Schuldner hinsichtlich des Verjährungsbeginns kraft Gesetzes eine Sicherheit dafür zu geben, daß er nicht auf unbestimmte Zeit der Geltendmachung des Anspruchs ausgesetzt ist. Er selbst hat die Möglichkeit, jederzeit den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Macht er davon Gebrauch, ist er jedem anderen Schuldner gleichgestellt und kann absehen, in welchem Zeitraum er in Anspruch genommen werden kann. Spricht er keine Kündigung aus, muß er die daraus folgende Unsicherheit in bezug auf den Beginn und damit auch auf das Ende der Verjährungsfrist selbst tragen.
cc) Ist somit der Restkaufpreisanspruch noch nicht entstanden, hat für ihn die Verjährungsfrist noch nicht begonnen.

b) Auch der mit der Klage geltend gemachte Zinsanspruch für das Jahr 1994 ist nicht verjährt. Das Berufungsgericht geht zu Recht von einem Beginn der Verjährungsfrist am 31. Dezember 1994 und ihrem Ende am 31. Dezember 1998 aus (§§ 197, 201 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Durch seine gerichtliche Geltendmachung mit dem am 30. Dezember 1998 eingegangenen und dem Beklagten am 11. Januar 1999 zugestellten Schriftsatz wurde die Verjährung unterbrochen (§ 270 Abs. 3 ZPO). Da nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB diese gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zu einer Hemmung der Verjährung führt, gilt die Unterbrechung als mit Ablauf des 31. Dezember 2001 beendet; die nach neuem Recht zu beurteilende Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB). Das hat zur
Folge, daß die Verjährungsfrist um die Zeit der Hemmung zu verlängern ist (§ 209 BGB). Da die Hemmung nach § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung, nach einer anderweitigen Beendigung des Rechtsstreits oder - wenn er nicht betrieben wird - nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien oder des Gerichts endet und keiner dieser Zeitpunkte bisher eingetreten ist, dauert die Hemmung weiter an; die Verjährungsfrist ist deswegen noch nicht beendet.
4. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts , der Beklagte könne sich nicht erfolgreich auf die Verwirkung des Klageanspruchs berufen. Es ist nämlich nichts dafür ersichtlich, daß die Geltendmachung des Anspruchs für den Beklagten eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellt.
5. Der Klageanspruch ist indes nicht in der geltend gemachten Höhe begründet.

a) Die Wertausgleichklausel in § 2 des notariellen Kaufvertrags entfaltet keine Wirkung. § 1 der Verordnung über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940 (RGBl. I, 1521) legte nämlich für den Fall, daß bei der Begründung einer in Reichswährung zu erfüllenden Geldschuld der geschuldete Geldbetrag durch Bezugnahme auf den Preis des Feingolds bestimmt worden war, fest, daß der Geldbetrag als geschuldet galt, der sich unter Zugrundelegung des amtlich festgestellten Feingoldpreises ergab; entgegenstehende Vereinbarungen waren unwirksam. § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 (RGBl. 1939 I, 1015), auf den § 1 Abs. 1 der Verordnung über wertbeständige Rechte verweist, setzte den Kurs mit
2.790 Reichsmark für 1 kg Gold fest. Damit war das Verhältnis von Reichsmark zu Gold festgeschrieben und die Goldmark kraft Gesetzes der Reichsmark gleichgestellt (vgl. OLG Gera, Beschluß vom 23. Dezember 1947, NJ 1948, 20 [m. Anm. Nathan]; s. näher Vogels, DJ 1940, 1309, 1310 ff.). Die Wertsicherungsklausel in § 2 des notariellen Kaufvertrags vom 4. März 1929 war nunmehr wirkungslos.

b) Der Befehl Nr. 111 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland vom 23. Juni 1948 (Zentralverordnungsblatt 1948, 217) in Verbindung mit VI. 18. der Verordnung über die Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 21. Juni 1948 (Zentralverordnungsblatt 1948, 220, 222) bestimmte, daß innerdeutsche Schuld- und Vertragsverpflichtungen , die vor der Durchführung der Währungsreform entstanden waren, grundsätzlich unverändert blieben und nicht der Umwertung unterlagen. Der Nennbetrag der betroffenen Forderungen wurde demnach durch die Umwertung nicht verändert. Es trat lediglich an die Stelle der Währungsbezeichnung "Reichsmark" zunächst die "Reichs- bzw. Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons" (vgl. Befehl Nr. 111 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland vom 23. Juni 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 217, 218) und sodann die neue Währungseinheit "Deutsche Mark der Deutschen Notenbank" (vgl. Befehl der Sowjetischen Militäradministration Nr. 124/1948 vom 24. Juli 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 294, in Verbindung mit I.1. der Anordnung zur Regelung des Umtausches der Reichsmark und Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons in Deutsche Mark der Deutschen Notenbank [im Verhältnis 1:1] vom 20. Juli 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 295).

c) Schließlich wurden durch Art. 10 Abs. 5 des Staatsvertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl. II, 537; GBl. I, 332) in Verbindung mit Art. 7 § 1 Abs. 1 der Anlage I dieses Vertrags alle Forderungen, die vor dem 1. Juli 1990 begründet worden waren oder nach den vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung in Geltung gewesenen Vorschriften in Mark der Deutschen Demokratischen Republik zu erfüllen gewesen wären, im Verhältnis 2:1 auf DM umgestellt. Das betraf auch die streitbefangene Forderung, die sich demnach im Zuge dieser Währungsumstellung im Nennbetrag "halbiert" hat. Dementsprechend können dem Kläger nur 6.000 DM zugesprochen werden.

III.


Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 147/05 Verkündet am:
12. März 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine vom Vermieter verwendete formularmäßige Klausel, wonach der Mieter
von Gewerberaum gegenüber den Ansprüchen des Vermieters auf Zahlung
des Mietzinses kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend
machen kann, es sei denn, der Vermieter hat die Mängel vorsätzlich oder grob
fahrlässig zu vertreten, ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie die Minderung
wegen sonstiger Mängel vollständig ausschließt und dem Mieter auch
nicht die Möglichkeit der Rückforderung der Miete nach § 812 BGB verbleibt.
Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deswegen
unwirksam.
BGH, Urteil vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - OLG München
LG München I
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. August 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert von den Beklagten rückständige Mieten für Büround Kellerräume. Die Beklagten berufen sich darauf, dass der Mietzins um die Hälfte gemindert sei. Die Beklagte zu 1 rechnet mit einem behaupteten Rückgewähranspruch wegen zuvor zuviel bezahlter Miete gegen die andere Hälfte auf und verlangt hilfsweise widerklagend für den Fall, dass die Aufrechnung ausgeschlossen sei, die Rückzahlung der angeblich zuviel gezahlten Miete.
2
Die Beklagte zu 1 mietete mit Verträgen vom 24. August 1999 von der Klägerin Büroräume in München zu einem monatlichen Mietzins von 4.036,74 € fest auf zehn Jahre sowie im selben Gebäude einen Kellerraum befristet auf ein Jahr mit einer Verlängerungsklausel zu einem monatlichen Mietzins von 526,94 €. Der Beklagte zu 2, der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 ist, hat die Mithaftung für die Miete der Büroräume übernommen.
3
Der Mietvertrag bezüglich der Büroräume enthält u.a. folgende Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin: "§ 7 Aufrechnung, Minderung, Mängel der Mietsache 1. Der Mieter kann gegenüber dem Mietzinsanspruch und anderen Forderungen der Vermieterin aus diesem Vertrag nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen aufrechnen bzw. ein Rückbehaltsrecht ausüben. 2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Mieter wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzugs der Vermieterin mit der Beseitigung eines Mangels ist ausgeschlossen, sofern die Vermieterin den Mangel bzw. den Vollzug mit der Mängelbeseitigung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten hat. 3. Der Mieter kann gegenüber den Ansprüchen der Vermieterin auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen, es sei denn, die Vermieterin hat die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten. Dies gilt auch für Störungen des Mietgebrauchs durch Einwirkungen von außen. … § 9 Instandhaltung, Instandsetzung, Schönheitsreparaturen, Schäden 1. Der Mieter ist verpflichtet, die laufende Instandhaltung und Instandsetzung im Inneren der von ihm genutzten Mieträume auf eigene Kosten durchzuführen. … Die Reparatur- und Instandsetzungspflicht für Schäden , die der Mieter nicht zu vertreten hat, wird auf einen jährlichen Höchstbetrag von 10 % einer Jahresmiete (einschließlich Mehrwertsteuer ) begrenzt. 2. Die laufenden Schönheitsreparaturen hat der Mieter während der Mietzeit spätestens alle fünf Jahre auf eigene Kosten fachgerecht vorzunehmen. …"
4
Die Geschäftsräume haben keine Fenster. Mit Schreiben vom 30. September 2000 rügte die Beklagte zu 1 bei der Klägerin unter Bezugnahme auf mündliche Beanstandungen die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, die Anlage in einen einwandfreien Zustand bringen zu lassen. Mit Schreiben vom 3. April 2002 wies die Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. September 2000 auf die mangelhafte Lüftungsanlage hin und forderte die Klägerin auf, bis zum 15. April 2002 mitzuteilen , wann sie etwas unternehmen werde.
5
Bis einschließlich April 2003 (45 Monate) wurde der Mietzins vollständig (teilweise durch Aufrechnung) und vorbehaltlos erbracht. Seit Mai 2003 zahlt die Beklagte weder für die Geschäfts- noch die Kellerräume Miete.
6
Die Klägerin hat zunächst gegen die Beklagte zu 1 die monatliche Miete für beide Räume von Mai 2003 bis Juli 2003 in Höhe von insgesamt 13.691,05 € zuzüglich Zinsen und Kosten im Mahnverfahren geltend gemacht. Nach Einspruch der Beklagten zu 1 gegen den Vollstreckungsbescheid hat sie die Klage um die ausstehende Miete bis einschließlich Juni 2004 in Höhe von 41.096,99 € erweitert und außerdem den Beklagten zu 2 hinsichtlich der Büroraummiete (47.517,56 € nebst Zinsen) mit verklagt.
7
Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, der Mietzins sei von Anfang an um 50 % gemindert gewesen, weil die Belüftungsanlage mangelhaft sei. Soweit vor Mai 2003 der volle Mietzins gezahlt worden sei, habe die Beklagte zu 1 einen Rückgewähranspruch in Höhe der Hälfte des vereinbarten Mietzinses. Mit diesem Rückgewähranspruch werde gegen den ab Mai 2003 bestehenden geminderten Mietzinsanspruch der Klägerin aufgerechnet. Für den Fall, dass die Aufrechnung nach § 7 des Mietvertrages unzulässig sei, hat die Beklagte zu 1 hilfsweise Widerklage erhoben und in erster Instanz beantragt , die Klägerin zur Zahlung von 12.000 € zu verurteilen.
8
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Abgesehen davon, dass nach der Beweisaufnahme davon ausgegangen werden könne, dass kein Mangel vorliege, sei ein etwaiges Mietminderungsrecht der Beklagten zu 1 verwirkt. Denn diese habe den Mietzins vorbehaltlos über einen Zeitraum von 45 Monaten ungekürzt beglichen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision ist zulässig. Die Revisionsanträge sind Teil der Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Beklagten haben in zulässiger Weise auf die in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthaltenen Anträ- ge Bezug genommen (vgl. BGH Beschluss vom 10. Dezember 2007 - III ZB 27/06 - NJW 2008, 588).
10
Die Revision der Beklagten hat auch Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

11
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Beklagte zu 1 habe dadurch, dass sie seit August 1999 bis zum Beginn der Zahlungseinstellung 45 Monate lang den vollen Mietzins entrichtet habe, ein etwaiges Minderungsrecht auch für den strittigen Zeitraum (Mai 2003 bis Juni 2004) verwirkt. Die Klausel in § 7 Abs. 3 des Mietvertrages, wonach der Mieter nur mindern könne, wenn der Vermieter den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten habe, sei auch als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin wirksam. Ein solcher Haftungsausschluss sei schon gegenüber einem Verbraucher unbedenklich, wie sich aus § 309 Nr. 7 b, 8 b BGB ergebe. Die Klausel sei daher erst recht im kaufmännischen Verkehr gegenüber der Beklagten zu 1 wirksam. Hinzu komme , dass die Beklagte zu 1 durch das mehrjährige beanstandungslose Begleichen des vollen Mietzinses eine für die Verwirkung ausreichende Vertrauensgrundlage geschaffen habe. Die Beklagten hätten nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 1 über die Möglichkeit der Mietminderung nachgedacht, sich aber durch die AGB der Klägerin daran gehindert gesehen habe. Erst recht hätten sie nicht vorgetragen, dass sie einen solchen Gedankenablauf der Klägerin mitgeteilt hätten. Auch habe die Beklagte zu 1 nie ernsthaft versucht, hinsichtlich des behaupteten Mangels einen der vielfältigen nicht auf Minderung beschränk- ten Ansprüche des Mieters anzumelden - etwa auf Beseitigung zu klagen , außerordentlich zu kündigen oder eine solche Kündigung anzudrohen. Sie habe insbesondere nie eine Frist zur Beseitigung gesetzt und damit auch nie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Vermieterin grob fahrlässig oder vorsätzlich im Sinne der die Mietminderungsmöglichkeit einschränkenden AGBKlausel gehandelt hätte. Der Beklagten zu 1 stehe auch kein Anspruch auf Erstattung aus Überzahlungen zu, die zwischen Beginn des Mietverhältnisses und Einstellung der Zahlung erfolgt sein sollen. Auch für diese Zeit sei ein Minderungsanspruch verwirkt. Im Übrigen scheitere die Rückforderung an § 814 BGB. Über die Eventualwiderklage auf Rückzahlung zuviel gezahlter Miete sei in der Berufungsinstanz nicht zu entscheiden.

II.

12
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
13
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Klage sei bereits nach § 320 BGB unbegründet. Zwar stehen dem Mieter, wenn die Mietsache mangelhaft ist - was hier im Revisionsverfahren zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist - nicht nur die mietvertraglichen Gewährleistungsansprüche zu. Vielmehr kann er gegenüber dem Anspruch des Vermieters auf Miete auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB erheben (Senatsurteil vom 18. April 2007 - XII ZR 139/05 - NZM 2007, 484 m.w.N.). Doch haben die Beklagten diese Einrede vor den Instanzgerichten nicht geltend gemacht. Zwar brauchten sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht ausdrücklich zu erheben. Erforderlich ist aber, dass der Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzuhalten, eindeutig erkennbar ist (BGH Urteile vom 7. Oktober 1998 - VIII ZR 100/97 - NJW 1999, 53 und vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 209/05 - NJW 2006, 2839, 2842). Daran fehlt es hier. Denn die Beklagten berufen sich ausschließlich darauf, dass die eingeklagte Mietzinsforderung zur einen Hälfte aufgrund der Minderung und zur anderen Hälfte aufgrund der Aufrechnung mit Mietrückgewähransprüchen nicht geschuldet bzw. erloschen sei.
14
2. Unwirksam ist jedoch, wie die Revision zu Recht geltend macht, die Klausel in § 7 Abs. 3 des Mietvertrages, wonach der Mieter kein Mietminderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen kann, es sei denn, die Vermieterin habe die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten.
15
a) Es ist aber unklar, ob die Klausel dahingehend auszulegen ist, dass der Mieter bei einem Mangel, den der Vermieter nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten hat, umfassend mit seinem Minderungsrecht ausgeschlossen ist oder ob die Minderung zwar nicht durch sofortigen Abzug von der laufenden Miete vorgenommen werden kann, dem Mieter aber das Recht verbleibt, den Minderungsbetrag gesondert nach § 812 BGB verlangen zu können. Zwar hat der Bundesgerichtshof eine Klausel, wonach der Mieter gegenüber dem Mietzins und den Nebenkosten nicht aufrechnen und auch kein Minderungsoder Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann, für eindeutig in dem Sinne angesehen, dass das Minderungsrecht nicht umfassend, sondern nur dessen Verwirklichung durch Abzug vom geschuldeten Mietzins ausgeschlossen werde. Der Mieter werde insoweit auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen (BGHZ 91, 375, 383). Ebenso hat er eine Klausel für eindeutig angesehen, nach der der Pächter auf das Recht zur Aufrechnung, Minderung (Herabsetzung des Pachtzinses) verzichtet, soweit dies gesetzlich zulässig ist und soweit nicht mit rechtskräftig festgesetzten Forderungen die vorgenannten Rechte gel- tend gemacht werden (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519). Auch nach dieser Klausel werde das Minderungsrecht zwar nicht durch Abzug vom Pachtzins verwirklicht, doch bleibe dem Pächter unbenommen, eine gesonderte Klage aufgrund von § 812 BGB zu erheben.
16
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zwar kann die vorliegende Klausel auch in dem Sinne ausgelegt werden, dass dem Mieter ein Bereicherungsanspruch verbleibe. Eine Gesamtschau der vom Vermieter gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen legt jedoch nahe, dass ein vollständiger Ausschluss des Minderungsrechts des Mieters vorliegt. Denn wie sich aus § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt, sind jedwede Schadensersatzansprüche des Mieters wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzugs der Vermieterin mit der Beseitigung eines Mangels ausgeschlossen, sofern die Vermieterin den Mangel bzw. den Vollzug mit der Mängelbeseitigung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten hat. Mit Blick hierauf spricht viel dafür, dass in der folgenden Klausel über das Minderungsrecht des Mieters ebenfalls ein umfassender Ausschluss gewollt war.
17
Infolge dieser Unklarheit ist § 305 c Abs. 2 BGB anzuwenden, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders - hier der Klägerin - gehen. Die Klausel ist somit dahin zu verstehen, dass sie die Minderung vollständig ausschließt und dem Mieter auch nicht die Möglichkeit der Rückforderung nach § 812 BGB verbleibt, wobei zu prüfen ist, ob diese (scheinbar) kundenfeindlichste Auslegung einer Inhaltskontrolle standhält (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 67. Aufl. § 305 Rdn. 20).
18
b) Die Instanzgerichte vertreten weitgehend die Auffassung, der vollständige Ausschluss der Minderung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen benachteilige den Mieter unangemessen und sei unwirksam. Kardinalpflichten, zu de- nen auch die Pflicht des Vermieters gehöre, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, dürfen nur ausgeschlossen werden, wenn davon vertragsuntypische und nicht vorhersehbare Schäden erfasst würden. Ein formularmäßiger Ausschluss der Gewährleistung sei nur wirksam, wenn dem Mieter andere Möglichkeiten verblieben, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wieder herzustellen (vgl. KG GE 2008, 52, 53; OLG München ZMR 1987, 16; LG Hamburg NZM 2004, 948, weitergehend OLG Naumburg NZM 2000, 1183).
19
Auch die Literatur ist vorwiegend der Ansicht, dass ein absoluter Ausschluss der Mietminderung inklusive etwaiger Rückerstattungsansprüche den Mieter unangemessen im Sinne von § 307 BGB benachteilige und deswegen unwirksam sei (Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rdn. 363; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 41 Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 536 BGB Rdn. 63; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete Kap. 14 Rdn. 305; Fritz Gewerberaummietrecht 4. Aufl. Rdn. 171 b; Schmidt/ Futterer/ Eisenschmidt Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 426 ff.; Kraemer in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III Rdn. 1373; Bub in Bub/Treier Kap. II Rdn. 519; a.A.: Erman/Jendrek BGB 11. Aufl. § 536 BGB Rdn. 31).
20
Dies gilt nach Ansicht des Senates auch für die vorliegende Klausel, wonach das Minderungsrecht des Mieters vollständig ausgeschlossen ist, es sei denn, der Vermieter hat den Mangel grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten. Die Klausel verstößt gegen das Äquivalenzprinzip und benachteiligt den gewerblichen Mieter unangemessen: Dieser hätte nach der Klausel den vollen Mietzins zu zahlen, obwohl ihm der Vermieter den Mietgebrauch nicht vertragsgemäß gewährt und sich wegen des Mangels die nach § 535 Abs. 2 BGB ge- schuldete Miete nach § 536 BGB automatisch mindert. In diesem Falle wäre das Austauschverhältnis empfindlich gestört. Dies widerspräche nicht nur dem Äquivalenzprinzip, sondern bewirkte auch eine unangemessene Risikoverlagerung zu Ungunsten des Mieters (vgl. Sternel Gedächtnisschrift für Sonnenschein , 293, 298).
21
3. Die Revision macht zu Recht geltend, dass unter diesen Voraussetzungen , sollte die Klimaanlage fehlerhaft sein, die Beklagte zu 1 ihr Minderungsrecht nicht verwirkt hätte.
22
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 88, 280, 281; Senatsurteil vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04 - NZM 2006, 929). Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs.
23
Hiervon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Zwar hat die Beklagte zu 1 die Miete über 40 Monate vorbehaltlos bezahlt. Auch ist entsprechend den Ausführungen des Oberlandesgerichts davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1 nicht vorgetragen hat, über die Möglichkeit der Mietminderung nachgedacht zu haben, hiervon aber wegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Mietvertrag abgerückt zu sein. Die Revision rügt vergeblich, dass diese Ausführungen des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft seien, weil die Beklagte zu 1 bereits in der Klageerwiderung und später auch in der Berufungsbegründung vorgetragen habe, dass sie sich im Hinblick auf § 7 Abs. 3 des Mietvertrages an einer Minderung zunächst gehindert gesehen habe. Denn nach §§ 559, 314 ZPO kann mit einer Verfahrensrüge nicht geltend gemacht werden, das Berufungsurteil gebe das Parteivorbringen unrichtig wieder. Vielmehr verbleibt den Parteien in diesem Fall nur der Antrag nach § 320 ZPO auf Tatbestandsberichtigung (BGH Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04 - NJW-RR 2007, 1434; Musielak/Ball ZPO 5. Aufl. § 559 ZPO Rdn. 16). Allerdings kommt es hierauf nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Klägerin ihrerseits mit der Verwendung einer unwirksamen Klausel über den Ausschluss der Minderung gegen ihre vorvertraglichen Pflichten verstoßen hat und sie damit rechnen musste, die Beklagte zu 1 werde die Unwirksamkeit der Klausel nicht sofort bei Auftreten eines Mangels, sondern erst später erkennen und sich dann - ohne dass ihr ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen wäre - auf die Minderung berufen. Die Klägerin konnte somit wegen ihres eigenen Vertragsverstoßes nicht darauf vertrauen, die Beklagte zu 1 werde wegen des großen Zeitablaufs ihr Recht nicht mehr geltend machen. Die Voraussetzungen der Verwirkung sind demnach nicht gegeben.
24
4. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen trifft.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 13.12.2004 - 30 O 4047/04 -
OLG München, Entscheidung vom 04.08.2005 - 8 U 1910/05 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,

1.
die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und
2.
das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.

(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,

1.
deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und
2.
Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.

(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.

Wer Wohnungseigentum gebraucht, ohne Wohnungseigentümer zu sein, hat gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und anderen Wohnungseigentümern zu dulden:

1.
die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums, die ihm rechtzeitig angekündigt wurde; § 555a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend;
2.
Maßnahmen, die über die Erhaltung hinausgehen, die spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform angekündigt wurden; § 555c Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2, Absatz 2 bis 4 und § 555d Absatz 2 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 276/06 Verkündet am:
28. September 2007
Lesniak,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Haben Bruchteilseigentümer oder Wohnungseigentümer vereinbart, dass sie räumlich
abgegrenzte Teile des gemeinschaftlichen Grundstücks allein, also unter Ausschluss
der übrigen Eigentümer, als Garten nutzen dürfen, können auf das dadurch
entstandene nachbarliche Verhältnis die bundes- und landesrechtlichen Vorschriften
des Nachbarrechts entsprechend angewendet werden.
BGH, Urt. v. 28. September 2007 - V ZR 276/06 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Wohnungseigentümer in einer Reihenhausanlage. Hinter den Häusern befindet sich eine Gartenfläche, die nicht zu dem gemeinschaftlichen Eigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes gehört, sondern im Bruchteilseigentum der Wohnungseigentümer steht.
2
Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 9. Juli 1985 wurde den einzelnen Bruchteilseigentümern jeweils ein räumlich abgegrenzter Teil der Gartenfläche zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Bezüglich einer davon nicht erfassten Fläche vereinbarten die Bruchteilseigentümer am 21. Oktober 2001 die Zuweisung bestimmter Teile ebenfalls zur alleinigen Nutzung. Die den Parteien zugeteilten Grundstücksflächen liegen nebeneinander. Sie werden durch einen Zaun getrennt.
3
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Beseitigung verschiedener Anpflanzungen, die auf der ihnen zugeteilten Fläche nahe der dem Kläger zugewiesenen Fläche stehen. Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, sechs Koniferen , eine Koreatanne und eine Tanne zu entfernen sowie einen Fliederstrauch auf maximal 2,5 m herunterzuschneiden. Das Landgericht hat die Verurteilung der Beklagten auf die Entfernung von drei ca. 1 m bis 1,5 m hohen Koniferen reduziert.
4
Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die Vorschriften des Nachbarrechtsgesetzes für Nordrhein-Westfalen (NachbG NW) auf das Rechtsverhältnis der Parteien entsprechend anzuwenden. Zwar gebe es zwischen den zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Flächen keine Grenze im Sinne des Nachbarrechtsgesetzes; aber faktisch stelle sich die Situation so dar, als nutzten die Reihenhauseigentümer die jeweils hinter ihren Häusern befindlichen Flächen wie Alleineigentümer. Deshalb könne der Kläger - ohne Mitwirkung der übrigen Miteigentümer - von den Beklagten nach §§ 1004 BGB, 41 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b NachbG NW die Entfernung der drei Koniferen verlangen, welche am nächsten zu den Reihenhäusern stünden, weil diese Bäume den vorgeschriebenen "Grenzabstand" nicht einhielten. Ein Anspruch des Klägers auf Entfernung der übrigen Koniferen, der Koreatanne und der Tanne sowie auf Zurückschneiden des Fliederbusches sei nach § 47 Abs. 1 Satz 1 NachbG NW ausgeschlossen , weil innerhalb der sechsjährigen Ausschlussfrist nach dem Anpflanzen dieser Gehölze keine Beseitigungsklage erhoben worden sei.
6
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

II.


7
1. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass der einzelne Miteigentümer den Abwehranspruch nach § 1004 BGB gegen die übrigen Miteigentümer zwar nicht gemäß § 1011 BGB in Ansehung der ganzen Sache, wohl aber auf Grund seines Teilrechts geltend machen kann (Senat, BGHZ 116, 392, 394 f. m.w.N.).
8
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts , dass die Vorschriften über Grenzabstände für Pflanzen des Nachbarrechtsgesetzes für Nordrhein-Westfalen (§§ 40 ff. NachbG NW) entsprechend anwendbar sind.
9
a) Bei der Wohnungseigentümergemeinschaft ist es nahezu unbestritten, dass bei Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern über die Bepflanzung unmittelbar benachbarter Gartenteile, an denen jeweils einem der Eigentümer ein Sondernutzungsrecht zusteht, nachbarrechtliche Vorschriften entsprechen- de Anwendung finden; danach sind in diesen Fällen auch die in dem jeweiligen Bundesland geltenden nachbarrechtlichen Bestimmungen über die Grenzabstände von Bäumen und Sträuchern und ihren Rückschnitt sowie über Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen heranzuziehen (vgl. BayObLG WE 1988, 23; ZMR 1988, 23; KG ZMR 1996, 149; OLG Köln ZMR 1997, 47, 48; OLG Hamm ZMR 2003, 372; OLG München OLGReport 2006, 213; Staudinger/Bub [2005], § 22 WEG Rdn. 145; Weitnauer, WEG, 9. Aufl., § 15 Rdn. 27; Horst, Rechtshandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., Rdn. 2041; Schmid, DWE 1987, 74, 76; a.A. KG WE 1987, 197). Das folgt daraus , dass auf Grund der Aufteilung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartenfläche durch die Einräumung von Sondernutzungsrechten zwischen den Wohnungseigentümern als Nutzungsberechtigten im Hinblick auf die Gartenbepflanzung eine ähnliche Interessenlage wie zwischen Grundstücksnachbarn besteht.
10
b) Für die hier bestehende Bruchteilseigentümergemeinschaft gilt grundsätzlich nichts anderes. Die Benutzung der Gartenfläche durch die Eigentümer ist u.a. wie folgt geregelt: "Die einzelnen Hausgärten sind durch eine einheitliche Anpflanzung von Liguster- oder Hainbuchenhecken, Höhe rd. 170 cm, abzugrenzen." Das ergibt sich aus einer als Anlage zu den Kaufverträgen, mit denen die Eigentümer im Jahr 1983 (auch) die Gartenfläche erworben haben, genommenen Vorgabe der unteren Denkmalbehörde vom 14. Dezember 1982. Daraus und aus dem Umstand, dass später räumlich abgegrenzte Teile der Gartenfläche den Bruchteilseigentümern durch die Gewährung des Alleingebrauchs (§§ 744, 745, 1010 BGB) zur alleinigen Nutzung überlassen wurden und zumindest die den Parteien zugewiesenen Flächen inzwischen durch einen Zaun voneinander getrennt werden, ergibt sich, dass die Bruchteilseigentümer im Hinblick auf "ihre" Teilflächen tatsächlich wie Alleineigentümer angesehen werden sollen. Deshalb besteht zwischen ihnen ein nachbarschaftsähnliches Verhältnis, welches die entsprechende Anwendung nachbarrechtlicher Vorschriften rechtfertigt.
11
3. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht auch die Vorschrift in § 47 Abs. 1 Satz 1 NachbG NW für entsprechend anwendbar hält, nach welcher der Anspruch auf Beseitigung einer Anpflanzung, mit der ein geringerer als der in den §§ 40 bis 44 und 46 NachbG NW vorgeschriebene Grenzabstand eingehalten wird, ausgeschlossen ist, wenn der Nachbar nicht binnen sechs Jahren nach dem Anpflanzen Klage auf Beseitigung erhoben hat.
12
a) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Regelung mit dem Sinn und Zweck des Gemeinschaftsverhältnisses, in welchem sich die Bruchteilseigentümer befinden, nicht vereinbar ist. Zwar mögen unter dem Gesichtspunkt, dass die zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Flächen gemeinschaftliches Eigentum aller Bruchteilseigentümer sind und demgemäß den Bindungen des Gemeinschaftsverhältnisses unterliegen, für das Verhältnis der Bruchteilseigentümer untereinander grundsätzlich weitergehende Rücksichtnahmepflichten gelten als im allgemeinen Nachbarrecht. Das ist jedenfalls für gleichgelagerte Konflikte zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft anerkannt (BayObLGZ 2002, 82, 88; BayObLG WE 1988, 23; OLG Köln ZMR 1997, 47, 48; OLG Hamm ZMR 2003, 372, 373). Aber hier ist die Anlegung eines solchen strengen Maßstabs nicht gerechtfertigt. Denn mit der gegenseitigen Einräumung des Alleingebrauchs haben die Eigentümer nicht nur zu erkennen gegeben , dass sie die Rechtsverhältnisse an der Gartenfläche tatsächlich wie die an einem real geteilten Grundstück ansehen, sondern damit zugleich auf ihre Befugnis nach § 743 Abs. 2 BGB verzichtet, die gesamte Fläche insoweit zu benutzen, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Eigentümer beeinträchtigt wird.
Da andere Nutzungsbeschränkungen weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, ergeben sich für die Bruchteilseigentümer aus dem Gemeinschaftsverhältnis - anders als bei der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. § 14 WEG) - keine Pflichten, die über diejenigen zwischen Eigentümern benachbarter Grundstücke hinausgehen.
13
b) Die entsprechende Anwendung der Vorschrift in § 47 Satz 1 NachbG NW kann - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht mit der Überlegung verneint werden, darin sei eine landesrechtliche materielle Ausschlussfrist enthalten, die im Bundesrecht nicht vorgesehen sei (ebenso für die Wohnungseigentümergemeinschaft OLG Hamm ZMR 2003, 372, 373). Diese Ansicht verkennt , dass das Bundesrecht nicht nur keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung eines auf die Beseitigung von grenznahen Anpflanzungen gerichteten Anspruchs vorsieht, sondern auch keine Grenzabstände für Bäume und Pflanzen vorgibt. Gleichwohl unterliegen Grundstückseigentümer den solche Regelungen enthaltenden Landesnachbarrechtsgesetzen. Wenn aber - wie hier - deren Vorschriften auf das Verhältnis von Bruchteilseigentümern, denen der Alleingebrauch an räumlich abgegrenzten Flächen des gemeinschaftlichen Grundstücks eingeräumt ist, entsprechend angewendet werden können, gibt es keinen Grund dafür, die Regelung über die Ausschlussfrist davon auszunehmen.
14
4. Ein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Gehölze, deren Beseitigung er wegen Fristablaufs nicht mehr verlangen kann, unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben (vgl. Senat, BGHZ 157, 33, 37) scheidet von vornherein aus. Der Kläger hat nämlich nicht vorgetragen, dass die Folgen des Höhenwachstums der beanstandeten Anpflanzungen die Nutzung der ihm zugewiesenen Fläche so stark beeinträchtigen, dass ein über die nachbarrechtliche Sonderregelung in § 47 Satz 1 NachbG NW hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint.
15
5. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf Beseitigung der Koreatanne fehlerhaft als nach § 242 BGB ausgeschlossen angesehen. Diese Begründung in dem Berufungsurteil ist für die insoweit erfolgte Abweisung der Klage unerheblich, weil das Berufungsgericht zuvor rechtsfehlerfrei auch diesen Beseitigungsanspruch wegen Ablaufs der Ausschlussfrist (§ 47 Satz 1 NachbG NW) verneint hat. Auf die gegen die zusätzliche Entscheidungsbegründung erhobenen Einwände kommt es deshalb nicht an.

III.


16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Stresemann Roth
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.08.2005 - 232 C 2751/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.12.2006 - 21 S 400/05 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Unternehmer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen hat.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 190/06 Verkündet am:
16. März 2007
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Herausgabeanspruch des eingetragenen Eigentümers eines Grundstücks kann
nur dann verwirkt sein, wenn die Herausgabe für den Besitzer schlechthin unerträglich
ist.
BGH, Urt. v. 16. März 2007 - V ZR 190/06 - LG Halle
AG Sangerhausen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter
Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 28. Juli 2006 aufgehoben.
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen vom 17. August 2005 wird zurückgewiesen , soweit über die Klage entschieden worden ist.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Nachbarn. Den Beklagten gehört das Grundstück Flur 4, Flurstück 330/79, K. str. 13, in R. . Sie besitzen das mit Notarvertrag vom 13. Juli 1978 von ihnen gekaufte Grundstück seit dem 11. März 1978 und wurden am 21. August 1978 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
2
Das Grundstück grenzt an seiner nördlichen Seite an das Flurstück 330/78. Das 58 qm große Flurstück 330/78 ist auf Blatt 1780 des Grundbuchs unter Nr. 2 gebucht. Das seinerzeit unter Treuhandverwaltung stehende, im Grundbuch als K. str. 6 bezeichnete Flurstück war mit einer Scheune bebaut (im Folgenden: Scheunengrundstück). Seit der Übergabe ihres Grundstücks nutzen es die Beklagten als Zugang zu dem Hof auf ihrem Grundstück. 1980 bauten sie die Scheune zu einer Garage um.
3
1985 wurden das Scheunengrundstück und das als Nr. 1 auf demselben Grundbuchblatt gebuchte, ebenfalls als K. str. 6 bezeichnete Grundstück enteignet. Den Klägern wurde ein Nutzungsrecht zum Bau eines Einfamilienhauses auf den Grundstücken verliehen. Mit Vertrag vom 30. September 1990 kauften sie die Grundstücke von der Gemeinde R. . Sie wurden am 28. Juli 1992 in das Grundbuch eingetragen.
4
Im Mai 2002 machten sie gegenüber den Beklagten ihr Eigentum an dem Scheunengrundstück geltend. Mit der am 26. März 2003 erhobenen Klage verlangen sie dessen Räumung und Herausgabe. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben, die Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche eingewandt und im Wege der Hilfswiderklage die Bestellung eines Wege- und Überfahrtsrechts an dem Scheunengrundstück gemäß § 116 SachenRBerG verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


5
Das Landgericht meint, der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks unterliege als Anspruch aus dem im Grundbuch eingetragenen Eigentum der Kläger zwar nicht der Verjährung, er sei jedoch verwirkt. Zumindest ab 1960 sei die Scheune als Bestandteil des später von den Beklagten erworbenen Grundstücks genutzt worden, ohne dass dies beanstandet worden sei. Die Beklagten hätten, ohne dass ihnen ein Vorwurf zu machen sei, gemeint, die Scheune sei Bestandteil ihres Grundstücks. So sei es ihnen verkauft worden. Der Wert der Scheune sei in das zur Ermittlung des Kaufpreises für das Grundstück erstellte Gutachten einbezogen worden. Im Vertrauen auf den Erwerb der Scheune hätten die Beklagten die Geltendmachung von Ansprüchen wegen des ausgebliebenen Erwerbs der Scheune unterlassen , diese zu einer Garage umgebaut und sich bei der Gemeinde R. nicht um einen Erwerb des Scheunengrundstücks bemüht. Auch die Kläger hätten ihr Eigentum nicht sogleich nach dem Erwerb des Scheunengrundstücks gegenüber den Beklagten geltend gemacht, sondern bis zur Erhebung der Klage noch bis zu der 2002 vorgenommen Vermessung der Grundstücke der Parteien zugewartet, durch die alle Beteiligten Klarheit über die Eigentumsverhältnisse gewonnen hätten.

II.


6
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Der Anspruch des eingetragenen Eigentümers auf Herausgabe des Grundstücks unterliegt gemäß § 902 Abs. 1 BGB nicht der Verjährung. Ebenso verhielt es sich gemäß § 479 Abs. 1 ZGB während der Dauer der Geltung des Zivilgesetzbuchs in der DDR mit dem § 985 BGB entsprechenden Anspruch aus § 33 Abs. 2 ZGB. Der von den Klägern geltend gemachte Herausgabeanspruch ist daher nicht verjährt. Ebenso wenig ist er verwirkt.
8
a) Die Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Dabei kommt es nicht auf den Willen des Berechtigten an. Verwirkung kann auch gegen den Willen des Berechtigten eintreten, da die an Treu und Glauben ausgerichtete objektive Beurteilung, nicht aber der Willensentschluss des Berechtigten entscheidend ist. Verwirkung kann daher selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGHZ 25, 47, 53). Notwendig für die Verwirkung ist jedoch immer, dass sich der Verpflichtete mit Rücksicht auf das Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen werde, dass es mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, dass der Berechtigte später doch mit dem ihm zustehenden Recht hervortritt (RGZ 158, 100, 107 f.) und dass unter diesem Gesichtspunkt die Leistung für den Verpflichteten unzumutbar ist (BGHZ 25, 47, 52).
9
b) Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls (Soergel/Teichmann , BGB, 12. Aufl., § 242 Rdn. 316), wobei der Art und der Bedeutung des Rechts, um dessen Verwirkung es geht, besondere Bedeutung zukommt (Erman /Hohloch, BGB, 11. Aufl. § 242 Rdn. 124). Soweit dem Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe der Einwand der Verwirkung entgegen gehalten wird, ist bei der gebotenen Würdigung zu berücksichtigen, dass dieser Anspruch Kernbestandteil des Eigentums ist und seine Verwirkung deshalb nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann (MünchKomm-BGB/Roth, 4. Aufl., Bd. 2a, § 242 Rdn. 300). Die Verneinung des Herausgabeanspruchs bedeutet wirtschaftlich die Enteignung des Eigentümers. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem nichtberechtigten Besitzer ist durch §§ 987 ff. BGB in einer Weise geregelt, die die Interessen und den Schutz von Eigentümer und Besitzer gegeneinander abwägt und grundsätzlich keiner Korrektur durch die Verneinung des Anspruchs aus § 985 BGB bedarf. Dem Irrtum des Eigentümers über den Umfang seines Eigentums kann grundsätzlich auch keine andere Bedeutung zukommen als dem entsprechenden Irrtum des Besitzers. Der Irrtum des Eigentümers ist ebenso wenig rechtsvernichtend, wie der Irrtum des Besitzers rechtsbegründend wirkt.
10
Soweit es um die Verwirkung des Herausgabeanspruchs aus dem in das Grundbuch eingetragenen Eigentum geht, ist darüber hinaus zu berücksichtigen , dass die Ansprüche aus dem eingetragenen Eigentum nach der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers in § 902 Abs. 1 BGB als unverjährbar ausgestaltet sind und die Verwirkung des Herausgabeanspruchs das Eigentum als "Rechtskrüppel" (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2002], § 902 Rdn. 1) zurücklässt , das gegen die Eintragung im Grundbuch noch nicht einmal im Wege der Ersitzung nach § 900 Abs. 1 BGB erstarken kann. Für die Verneinung des Herausgabeanspruchs des im Grundbuch eingetragenen Eigentümers unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung folgt daraus, dass eine Verwirkung nur ange- nommen werden kann, wenn sich die Verpflichtung zur Herausgabe für den Besitzer als schlechthin unerträglich darstellt.
11
c) So verhält es sich hier nicht. Zu dieser Festsstellung ist der Senat in der Lage, weil weiterer Vortrag der Beklagten nicht in Betracht kommt.
12
Die Herausgabe des Grundstücks beeinträchtigt die Beklagten nicht in unerträglicher Weise. Ob die Scheune, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, seit 1960 als Bestandteil des Grundstücks der Beklagten genutzt worden ist, oder ob, wie die Beklagten behaupten, eine solche Nutzung schon seit 1937 stattgefunden hat, ist im Rahmen der Würdigung der Situation der Beklagten ohne Bedeutung. Der Wert der Scheune ist mit 450 M/DDR und damit mit einem objektiv geringen Betrag in den Kaufpreis für ihr Grundstück eingeflossen. Auf die Nutzung des Gebäudes als Scheune haben die Beklagten keinen nachhaltigen Wert gelegt, sondern die Scheune schon bald nach deren vermeintlichem Erwerb zu einer Garage umgebaut und diese mehr als zwanzig Jahre genutzt. Ob die Kosten für den Umbau nach dem Recht der früheren DDR von den Klägern zu erstatten sind, kann dahin gestellt bleiben. Auch wenn die Beklagten den Irrtum über die Größe ihres Grundstücks früher erkannt und sich um einen Erwerb des Scheunengrundstücks bemüht hätten, hätten sie dieses nicht unentgeltlich erwerben können. Eine Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten durch den Rat der Gemeinde R. als Treuhänder der Eigentümer durfte nur durch einen Verkauf zum Verkehrswert erfolgen. Nachdem das Grundstück in Volkseigentum überführt und den Klägern ein Nutzungsrecht an ihm verliehen worden war, kam sein Verkauf an die Beklagten nicht mehr in Betracht. Die zwischen der Aufklärung des Irrtums der Parteien und der gerichtlichen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch die Kläger verstrichene Zeit ist so kurz, dass ihr keine Bedeutung zukommt.
13
d) Sofern die Beklagten zur Bewirtschaftung ihres Grundstücks auf einen Zugang über das Scheunengrundstück angewiesen sind, können sie von den Klägern gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG die Bewilligung einer entsprechenden Dienstbarkeit verlangen. Dieser Anspruch ist Gegenstand der hilfsweise erhobenen Widerklage.
14
2. Der geltend gemachte Anspruch auf Räumung der Garage folgt aus § 1004 Abs. 1 BGB. Für diesen Anspruch gilt § 902 Abs. 1 BGB nicht (Senat, BGHZ 60, 235, 238).
15
Gegenstand des Räumungsanspruchs ist der Anspruch auf Entfernung der beweglichen Sachen, die von den Beklagten oder auf ihre Veranlassung in die Garage verbracht worden sind. Soweit dies nach dem Wiederinkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der früheren DDR geschehen ist, ist der Anspruch der Kläger schon deshalb nicht verjährt, weil der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB der regelmäßigen Verjährung unterliegt (BGHZ 98, 235, 241; 125, 56, 63), die bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltende 30jährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 nicht abgelaufen war und die seither geltende kürzere Frist bei Zustellung der Klage nicht verstrichen war, Art 229 Abs. 1 EGBGB.
16
Ob § 479 Abs. 1 ZGB auf den Anspruch aus § 33 Abs. 1 ZGB Anwendung findet, bedarf keiner Entscheidung. Dass einzelne Gegenstände, die heute noch in der Garage sind, schon vor dem 3. Oktober 1990 dorthin gebracht worden sind, tragen die Kläger nicht vor.
17
Für eine Verwirkung des Räumungsanspruchs ist nichts ersichtlich.

III.


18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. An einer den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung ist der Senat gehindert, weil das Berufungsgericht über die Widerklage - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht entschieden hat. Dies ist nachzuholen, (vgl. BGH, Urt. v. 6. März 1996, VIII ZR 12/94, NJW 1996, 2165, 2167).
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Sangerhausen, Entscheidung vom 17.08.2005 - 1 C 157/03 (II) -
LG Halle, Entscheidung vom 28.07.2006 - 1 S 153/05 -

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Wer Wohnungseigentum gebraucht, ohne Wohnungseigentümer zu sein, hat gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und anderen Wohnungseigentümern zu dulden:

1.
die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums, die ihm rechtzeitig angekündigt wurde; § 555a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend;
2.
Maßnahmen, die über die Erhaltung hinausgehen, die spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform angekündigt wurden; § 555c Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2, Absatz 2 bis 4 und § 555d Absatz 2 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
TEIL-VERSÄUMNIS- UND SCHLUSSURTEIL
V ZR 98/03 Verkündet am:
12. Dezember 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Störer kann nicht nur dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden,
wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet
, sondern auch, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise
aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können.
BGH, Teil-Vers.- und Schlußurt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03 - LG Kassel
AG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. März 2003 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 21. November 2001 abgeändert, soweit diese Urteile zum Nachteil der Klägerin ergangen sind.
Über die bereits erfolgte Verurteilung hinaus wird die Beklagte zu 2 verurteilt, den auf dem Grundstück K. straße 3 in K. an der westlichen Grundstücksgrenze im Abstand von ca. 2,75 m zur nördlichen Grundstücksgrenze unmittelbar neben der Garage des Grundstücks H. straße 18 in K. stehenden Nadelbaum zu entfernen.
Die Revisionen der Beklagten werden als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 1 zu 5/8 und die Beklagte zu 2 zu 3/8; die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte zu 1 zu 6/11 und die Beklagte zu 2 zu 5/11.

Das Urteil ist im Hauptausspruch und hinsichtlich 1/6 der von der Beklagten zu 2 zu tragenden Kosten vorläufig vollstreck- bar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks in K. . Das benachbarte Grundstück stand zunächst im Eigentum der Beklagten zu 1; seit dem 25. Oktober 2000 ist die Beklagte zu 2 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich nahe der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine 17,5 m hohe Rotfichte. Von der Stammmitte aus gemessen ist der Baum 0,75 m von der Außenwand einer Garage entfernt, die auf dem Grundstück der Klägerin entlang der Grenze errichtet ist.
An der grenzseitigen Garagenwand sowie an einer neben der Garagenzufahrt verlaufenden Stützmauer zu dem höher gelegenen Nachbargrundstück bildeten sich Risse. Deren Ursache sieht die Klägerin in dem Wurzelwerk der Fichte auf dem Nachbargrundstück. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie beide Beklagten in erster Linie auf Entfernung dieses Baumes und hilfsweise auf geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden durch den Baum und dessen Wurzeln in Anspruch. Daneben hat sie von der Beklagten zu 1 die Zahlung von 2.000 DM sowie gegenüber beiden Beklagten die Feststellung von deren Verpflichtung zu Schadensersatz verlangt. Das Amtsgericht hat die
Beklagte zu 1 zur Beseitigung der Rotfichte und Durchtrennung der im Boden verbleibenden Wurzeln verurteilt; es hat ferner dem Zahlungsantrag und - hinsichtlich der Verzugsschäden - dem Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 1 stattgegeben. Die Beklagte zu 2 hat das Amtsgericht nur auf den Hilfsantrag zu geeigneten Maßnahmen der Schadensverhinderung verurteilt und ferner deren Ersatzpflicht für Schäden seit ihrem Eigentumserwerb festgestellt. Gegen dieses Urteil haben beide Beklagte mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung sowie die Klägerin mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zu 2 auf den Hauptantrag jeweils ohne Erfolg Berufung eingelegt. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin weiterhin eine Verurteilung der Beklagten zu 2 zur Entfernung der Fichte. Die von den Beklagten eingelegten Revisionen sind nicht begründet worden.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, die Beklagte zu 1 sei auf Grund einer Vereinbarung mit der Klägerin zur Beseitigung der Fichte und zur Zahlung von 2.000 DM verpflichtet. Da sie mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Verzug geraten sei, müsse sie außerdem den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen. Gegenüber der Beklagten zu 2 ergebe sich ein Beseitigungsanspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten habe das Wurzelwerk des Baumes an der Mauer einen "Druckstempel" ausgebildet, der sich bei Einwirkung von Windenergien auf den Baum gegen die Garagenwand presse. Der Beseitigungsanspruch sei weder durch die Aus-
schlußfristen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes gehindert noch gemäß § 195 BGB a.F. verjährt. Hinsichtlich Art und Weise der Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung habe die Beklagte zu 2 allerdings ein Wahlrecht. Ihre Verpflichtung dürfe nicht auf die Beseitigung des Baumes verengt werden, weil dies nicht die einzige insoweit in Betracht kommende Möglichkeit sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen reiche es etwa aus, den Baum auf hälftiger Höhe zu kappen und in der Folgezeit für einen Rückschnitt zu sorgen, oder auch den Baum mit statisch gesichertem und stabilem Material zu umbauen.
Dies hält den Angriffen der Revision der Klägerin nicht stand.

II.


Die Revisionen der Beklagten sind unzulässig, weil beide die erforderliche Begründung ihrer Rechtsmittel (§ 551 ZPO) versäumt haben. Hingegen ist die Revision der Klägerin zulässig und begründet.
1. Die Statthaftigkeit der Revision der Klägerin scheitert nicht an der fehlenden Zulassung des Rechtsmittels für diese Partei (§ 543 Abs. 1 ZPO). Zwar hätte das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf die Beklagten beschränken können, nachdem es die von ihm als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfragen der Verjährung und des Fristablaufs nach dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz ausschließlich zu deren Ungunsten entschieden hat (vgl. BGHZ 7, 62, 63; 130, 50, 59; MünchKomm-ZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, § 543 Rdn. 33). Es hat jedoch in den Tenor eine solche Beschränkung nicht aufgenommen. Auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, die
für die Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision ebenfalls heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 48, 134, 136; BGH, Urt. v. 8. März 1995, VIII ZR 156/94, NJW 1995, 1481, 1482; Urt. v. 12. Juli 2000, XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485, 486), ergibt sich eine Beschränkung der Zulassung der Revision nicht mit der gebotenen Deutlichkeit (vgl. Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 430/02, Umdruck S. 7 f, insoweit in ZOV 2003, 310 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 7. Juli 1983, III ZR 119/82, NJW 1984, 615).
2. In der Sache selbst bejaht das Berufungsgericht zu Recht einen Abwehranspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. Dieser ergibt sich allerdings nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern als Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nicht beizutreten ist zudem der Auffassung des Berufungsgerichts, mit dem Abwehranspruch könne im vorliegenden Fall nicht die Entfernung der Fichte verlangt werden.

a) Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin steht im vorliegenden Fall wegen der eingetretenen Substanzverletzung außer Frage (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 68). Nach den rechtsfehlerfreien - und von der Klägerin als ihr günstig hingenommenen - Feststellungen des Berufungsgerichts führte das Wurzelwerk der Fichte zu Druckschäden an der Mauer der Garage auf dem Grundstück der Klägerin. Die bereits eingetretenen Schäden am Mauerwerk begründen allerdings nicht die - für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche - Gegenwärtigkeit der Einwirkung. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Folgen aus dem störenden Eingriff in das Grundeigentum der Klägerin, deren Beseitigung ausschließlich im Wege des Schadensersatzes verlangt werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 1. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). Demgemäß zielt der geltend gemachte Ab-
wehranspruch auch auf die Ursache der Eigentumsbeeinträchtigung, die nach den getroffenen Feststellungen in dem über die Wurzeln abgeleiteten Winddruck auf den Stamm des Baumes zu sehen ist. Insoweit geht es der Klägerin darum, künftige weitere Störungen ihres Eigentums in Gestalt zusätzlicher Schäden am Mauerwerk abzuwenden. Hierfür gibt das Gesetz den Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hingegen erstrebt die Klägerin nicht die Beseitigung von Baumwurzeln, die von dem Grundstück der Beklagten zu 2 her eindringen (vgl. dazu Senat, BGHZ 135, 235, 238 - Tennisplatz /Pappelwurzel; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung vorgesehen - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Folgerichtig hat das Berufungsgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Wurzeln der Fichte über die Grenze hinweg in das Grundstück der Klägerin gewachsen sind.
Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB sind erfüllt. Insbesondere spricht angesichts des bereits erfolgten rechtswidrigen Eingriffs eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 1986, VI ZR 169/85, NJW 1986, 2503, 2505).

b) Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beklagte zu 2 als Störerin. Insoweit ist unerheblich, daß sie den Baum nicht selbst angepflanzt, sondern das Grundstück bereits mit dem Baumbewuchs erworben hat, der eine weitere Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin besorgen läßt. Auch Störungen , die allein auf natürlichen Vorgängen beruhen - wie hier der Druck des Wurzelwerks gegen die Garagenwand - können dem Grundstückseigentümer zurechenbar sein. So muß der Grundstückseigentümer z.B. dafür Sorge tragen,
daß Baumwurzeln nicht über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen und die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigen. Das ergibt sich aus § 910 BGB (Senat, Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 7 - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Dringen die Wurzeln dagegen nicht in das Nachbargrundstück ein, üben sie jedoch unter dem Einfluß von Wind als zusätzlichem Naturereignis auf Grund der Hebelwirkung des Baumes einen das Nachbargrundstück schädigenden Druck aus, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Senats darauf an, ob den Eigentümer des störenden Grundstücks eine "Sicherungspflicht" trifft (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 12, zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - vorgesehen - Kiefernadeln; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 7 - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei u.a. entscheidend ist, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus ist die Störereigenschaft der Beklagten zu 2 allein schon deswegen zu bejahen, weil sie den im Streit befindlichen Baum unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zum Grenzabstand (§ 38 Nr. 1 lit. b HNRG) unterhält (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 13 - Kiefernadeln; zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - vorgesehen ).

c) Aus § 907 Abs. 2 BGB folgt kein Hindernis für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Vorschrift nimmt Bäume und Sträucher von dem Anwendungsbereich des § 907 Abs. 1 BGB aus (vgl. Senat, Urt. v. 16. Februar 2001, V ZR 422/99, aaO). Betrifft sie danach lediglich den speziellen Abwehranspruch nach § 907 Abs. 1 BGB, so kann der
Regelung nichts für den hier entscheidenden allgemeinen Abwehranspruch aus § 1004 BGB entnommen werden.

d) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Verjährung des Unterlassungsanspruchs verneint. Hierfür ist zunächst das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung maßgebend, die vor dem 1. Januar 2002 galt (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterfielen dabei die Abwehransprüche aus § 1004 BGB der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. (Senat, BGHZ 60, 235, 238; BGHZ 125, 56, 63; Senat, Urt. v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM § 1004 BGB Nr. 156 jeweils für den Beseitigungsanspruch; Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556, insoweit in BGHZ 112, 1 nicht abgedruckt , für den Unterlassungsanspruch). Entscheidend für den Beginn dieser Verjährung ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2 nicht etwa der Zeitpunkt der Anpflanzung, sondern gemäß § 198 BGB a.F. der Zeitpunkt der Entstehung des Unterlassungsanspruchs (Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, aaO). Das Berufungsgericht hat hierfür zutreffend auf den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Mauerwerksschäden zu Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts abgestellt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2000 war mithin noch keine Verjährung eingetreten, so daß mit der Rechtshängigkeit die Verjährung gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F. unterbrochen wurde. Seit dem 1. Januar 2002 ist an die Stelle der Unterbrechung die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. getreten (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB). Es führt hier im übrigen zu keinem anderen Ergebnis, wenn mit der Gegenauffassung eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs, weil dieser nur künftige Beeinträchtigungen abwenden solle, schlechthin (so etwa Staudinger /Gursky, BGB [1999], § 1004 Rdn. 218; MünchKomm-BGB/Medicus,
3. Aufl., § 1004 Rdn. 83 jeweils m.w.N.) oder mit Blick auf § 902 Abs. 1 BGB nur für Ansprüche aus dem Grundeigentum (so etwa LG Tübingen, NJW-RR 1990, 338; Picker, JuS 1974, 357, 358 f) verneint wird.

e) Zur Erfüllung ihrer mithin zu bejahenden Unterlassungsverpflichtung schuldet die Beklagte zu 2 unter den gegeben Umständen die Entfernung der Rotfichte. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei lediglich verpflichtet, "geeignete Maßnahmen" vorzunehmen, um eine Beschädigung der Garagenwand durch das Wurzelwerk des Baumes zu verhindern.
aa) Ihrer Verurteilung zur Entfernung des Baumes steht nicht entgegen, daß die Beklagte zu 2 (lediglich) eine Unterlassungspflicht trifft. Läßt sich nämlich die drohende Beeinträchtigung nur durch aktives Eingreifen verhindern, so schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete das erforderliche positive Tun (Staudinger/Gursky, aaO, § 1004 Rdn. 204). Dabei geht das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht davon aus, daß der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, auf welchem Weg er die bevorstehende Eigentumsbeeinträchtigung abwendet (Senat, BGHZ 120, 239, 248; Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, NJW 1983, 751, 752; vgl. auch Senat, BGHZ 111, 63, 72; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, NJW 1984, 1242, 1243). Dies hat seinen Grund in der Überlegung, daß die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als dies der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seines Eigentums erfordert (Senat, BGHZ 67, 252, 253). Der Urteilsausspruch kann daher in der Regel nur allgemein auf Unterlassung von
Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, aaO).
bb) Folgerichtig steht aber einer Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme dann nichts im Wege, wenn nur sie den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet (vgl. Senat, BGHZ 67, 252, 254; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, aaO). Nichts anderes kann gelten, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (so wohl auch MünchKomm-BGB/Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 86). In dieser Lage fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse des Störers, zwischen verschiedenen Abhilfemaßnahmen wählen zu können. Das Beharren auf einer solchen nur formalen Position ohne materiellen Gehalt läßt die Rechtsordnung nicht zu (vgl. Senat, BGHZ 105, 154, 158; BGHZ 100, 95, 105 jeweils zu § 242 BGB).
cc) Im vorliegenden Fall fehlt der Beklagten zu 2 nach vernünftigen Maßstäben das Interesse an anderen Abhilfemaßnahmen als dem Entfernen des Baumes. Zwar kommen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwei weitere Möglichkeiten in Betracht, um den Druck des Wurzelwerks gegen die Garagenwand zu verhindern. Dabei legt aber das Berufungsgericht selbst dem zuerst erwogenen Kappen des Baumes auf hälftiger Höhe "verheerende Folgen" bei. Es wäre nicht nur das Erscheinungsbild des Baumes unwiederbringlich zerstört, die Beklagte zu 2 müßte vielmehr mit dem Absterben des Baumes binnen weniger Jahre rechnen. Sie müßte zudem ein erneutes Wachsen des Baumes durch wiederholten Rückschnitt verhindern. Ein nachvollziehbarer Vorteil gegenüber einer Fällung der Fichte ist hiernach nicht zu erkennen. Dies gilt erst recht für die zweite vom Berufungsgericht festgestellte Alter-
native der "Umbauung des Baumes mit einem statisch gesicherten und stabilen Material." Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, daß eine solche Maßnahme für die Beklagte zu 2 "wirtschaftlich und/oder ästhetisch … unsinnig" sein mag. Für ein gleichwohl vorhandenes vernünftiges Interesse der Beklagten zu 2 am Erhalt der Fichte in umbautem Zustand fehlt jeder Hinweis.
dd) Einer Verurteilung zur Beseitigung des Baumes auf Grund eines Unterlassungsanspruchs stehen die Regelungen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes (HNRG) nicht entgegen, obwohl nach der - für den Senat insoweit bindenden (§§ 560, 545 Abs. 1 ZPO) - Entscheidung des Berufungsgerichts der Ablauf der Frist nach § 43 Abs. 1 HNRG einen Beseitigungsanspruch der Klägerin wegen des nicht eingehaltenen Grenzabstandes von 2 m (§ 38 Nr. 1 lit. b HNRG) ausschließt. Eine solche landesgesetzliche Regelung kann - wie Art. 124 EGBGB zeigt - das Grundstückseigentum zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen, nicht aber umgekehrt dem Nachbarn Rechte nehmen, die sich für ihn aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergeben (vgl. Staudinger/Albrecht [1997], Art. 124 EGBGB Rdn. 8; MünchKomm -BGB/Säcker, 3. Aufl., Art. 124 EGBGB Rdn. 1; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., Art. 124 EGBGB Rdn. 1). Vorliegend gewährt das Landesrecht einen Anspruch auf Entfernung des Baumes allein schon deswegen, weil der maßgebende Grenzabstand nicht eingehalten ist. Daneben besteht ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, der von zusätzlichen Voraussetzungen , insbesondere einer zu besorgenden weiteren Eigentumsbeeinträchtigung abhängig ist. Der Ausschluß des für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleibt mithin auf seinen Anwendungsfall beschränkt und läßt einen konkurrierenden - nur unter strengeren Voraussetzungen begründeten - Anspruch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch unberührt.
Insbesondere ändert die Verwirklichung des Ausschlußtatbestandes des § 43 Abs. 1 HNRG nichts an der Störereigenschaft der Beklagten zu 2 (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 14 - Kiefernadeln) und steht Abwehransprüchen aus § 1004 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn sich die nicht zu duldenden Einwirkungen aus dem weiteren Wachstum des Baumes ergeben (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 7 - Kiefernadeln).
3. Das Berufungsurteil hat demnach keinen Bestand, soweit es die Abweisung des in erster Linie verfolgten Antrags auf Entfernung des Baumes bestätigt (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Verurteilung der Beklagten zu 2 auf den Hauptantrag.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.
Soweit die Entscheidung als Versäumnisurteil ergangen ist, war sie nach § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
TEIL-VERSÄUMNIS- UND SCHLUSSURTEIL
V ZR 98/03 Verkündet am:
12. Dezember 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Störer kann nicht nur dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden,
wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet
, sondern auch, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise
aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können.
BGH, Teil-Vers.- und Schlußurt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03 - LG Kassel
AG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. März 2003 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 21. November 2001 abgeändert, soweit diese Urteile zum Nachteil der Klägerin ergangen sind.
Über die bereits erfolgte Verurteilung hinaus wird die Beklagte zu 2 verurteilt, den auf dem Grundstück K. straße 3 in K. an der westlichen Grundstücksgrenze im Abstand von ca. 2,75 m zur nördlichen Grundstücksgrenze unmittelbar neben der Garage des Grundstücks H. straße 18 in K. stehenden Nadelbaum zu entfernen.
Die Revisionen der Beklagten werden als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 1 zu 5/8 und die Beklagte zu 2 zu 3/8; die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte zu 1 zu 6/11 und die Beklagte zu 2 zu 5/11.

Das Urteil ist im Hauptausspruch und hinsichtlich 1/6 der von der Beklagten zu 2 zu tragenden Kosten vorläufig vollstreck- bar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks in K. . Das benachbarte Grundstück stand zunächst im Eigentum der Beklagten zu 1; seit dem 25. Oktober 2000 ist die Beklagte zu 2 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich nahe der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine 17,5 m hohe Rotfichte. Von der Stammmitte aus gemessen ist der Baum 0,75 m von der Außenwand einer Garage entfernt, die auf dem Grundstück der Klägerin entlang der Grenze errichtet ist.
An der grenzseitigen Garagenwand sowie an einer neben der Garagenzufahrt verlaufenden Stützmauer zu dem höher gelegenen Nachbargrundstück bildeten sich Risse. Deren Ursache sieht die Klägerin in dem Wurzelwerk der Fichte auf dem Nachbargrundstück. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie beide Beklagten in erster Linie auf Entfernung dieses Baumes und hilfsweise auf geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden durch den Baum und dessen Wurzeln in Anspruch. Daneben hat sie von der Beklagten zu 1 die Zahlung von 2.000 DM sowie gegenüber beiden Beklagten die Feststellung von deren Verpflichtung zu Schadensersatz verlangt. Das Amtsgericht hat die
Beklagte zu 1 zur Beseitigung der Rotfichte und Durchtrennung der im Boden verbleibenden Wurzeln verurteilt; es hat ferner dem Zahlungsantrag und - hinsichtlich der Verzugsschäden - dem Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 1 stattgegeben. Die Beklagte zu 2 hat das Amtsgericht nur auf den Hilfsantrag zu geeigneten Maßnahmen der Schadensverhinderung verurteilt und ferner deren Ersatzpflicht für Schäden seit ihrem Eigentumserwerb festgestellt. Gegen dieses Urteil haben beide Beklagte mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung sowie die Klägerin mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zu 2 auf den Hauptantrag jeweils ohne Erfolg Berufung eingelegt. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin weiterhin eine Verurteilung der Beklagten zu 2 zur Entfernung der Fichte. Die von den Beklagten eingelegten Revisionen sind nicht begründet worden.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, die Beklagte zu 1 sei auf Grund einer Vereinbarung mit der Klägerin zur Beseitigung der Fichte und zur Zahlung von 2.000 DM verpflichtet. Da sie mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Verzug geraten sei, müsse sie außerdem den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen. Gegenüber der Beklagten zu 2 ergebe sich ein Beseitigungsanspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten habe das Wurzelwerk des Baumes an der Mauer einen "Druckstempel" ausgebildet, der sich bei Einwirkung von Windenergien auf den Baum gegen die Garagenwand presse. Der Beseitigungsanspruch sei weder durch die Aus-
schlußfristen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes gehindert noch gemäß § 195 BGB a.F. verjährt. Hinsichtlich Art und Weise der Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung habe die Beklagte zu 2 allerdings ein Wahlrecht. Ihre Verpflichtung dürfe nicht auf die Beseitigung des Baumes verengt werden, weil dies nicht die einzige insoweit in Betracht kommende Möglichkeit sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen reiche es etwa aus, den Baum auf hälftiger Höhe zu kappen und in der Folgezeit für einen Rückschnitt zu sorgen, oder auch den Baum mit statisch gesichertem und stabilem Material zu umbauen.
Dies hält den Angriffen der Revision der Klägerin nicht stand.

II.


Die Revisionen der Beklagten sind unzulässig, weil beide die erforderliche Begründung ihrer Rechtsmittel (§ 551 ZPO) versäumt haben. Hingegen ist die Revision der Klägerin zulässig und begründet.
1. Die Statthaftigkeit der Revision der Klägerin scheitert nicht an der fehlenden Zulassung des Rechtsmittels für diese Partei (§ 543 Abs. 1 ZPO). Zwar hätte das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf die Beklagten beschränken können, nachdem es die von ihm als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfragen der Verjährung und des Fristablaufs nach dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz ausschließlich zu deren Ungunsten entschieden hat (vgl. BGHZ 7, 62, 63; 130, 50, 59; MünchKomm-ZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, § 543 Rdn. 33). Es hat jedoch in den Tenor eine solche Beschränkung nicht aufgenommen. Auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, die
für die Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision ebenfalls heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 48, 134, 136; BGH, Urt. v. 8. März 1995, VIII ZR 156/94, NJW 1995, 1481, 1482; Urt. v. 12. Juli 2000, XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485, 486), ergibt sich eine Beschränkung der Zulassung der Revision nicht mit der gebotenen Deutlichkeit (vgl. Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 430/02, Umdruck S. 7 f, insoweit in ZOV 2003, 310 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 7. Juli 1983, III ZR 119/82, NJW 1984, 615).
2. In der Sache selbst bejaht das Berufungsgericht zu Recht einen Abwehranspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. Dieser ergibt sich allerdings nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern als Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nicht beizutreten ist zudem der Auffassung des Berufungsgerichts, mit dem Abwehranspruch könne im vorliegenden Fall nicht die Entfernung der Fichte verlangt werden.

a) Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin steht im vorliegenden Fall wegen der eingetretenen Substanzverletzung außer Frage (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 68). Nach den rechtsfehlerfreien - und von der Klägerin als ihr günstig hingenommenen - Feststellungen des Berufungsgerichts führte das Wurzelwerk der Fichte zu Druckschäden an der Mauer der Garage auf dem Grundstück der Klägerin. Die bereits eingetretenen Schäden am Mauerwerk begründen allerdings nicht die - für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche - Gegenwärtigkeit der Einwirkung. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Folgen aus dem störenden Eingriff in das Grundeigentum der Klägerin, deren Beseitigung ausschließlich im Wege des Schadensersatzes verlangt werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 1. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). Demgemäß zielt der geltend gemachte Ab-
wehranspruch auch auf die Ursache der Eigentumsbeeinträchtigung, die nach den getroffenen Feststellungen in dem über die Wurzeln abgeleiteten Winddruck auf den Stamm des Baumes zu sehen ist. Insoweit geht es der Klägerin darum, künftige weitere Störungen ihres Eigentums in Gestalt zusätzlicher Schäden am Mauerwerk abzuwenden. Hierfür gibt das Gesetz den Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hingegen erstrebt die Klägerin nicht die Beseitigung von Baumwurzeln, die von dem Grundstück der Beklagten zu 2 her eindringen (vgl. dazu Senat, BGHZ 135, 235, 238 - Tennisplatz /Pappelwurzel; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung vorgesehen - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Folgerichtig hat das Berufungsgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Wurzeln der Fichte über die Grenze hinweg in das Grundstück der Klägerin gewachsen sind.
Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB sind erfüllt. Insbesondere spricht angesichts des bereits erfolgten rechtswidrigen Eingriffs eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 1986, VI ZR 169/85, NJW 1986, 2503, 2505).

b) Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beklagte zu 2 als Störerin. Insoweit ist unerheblich, daß sie den Baum nicht selbst angepflanzt, sondern das Grundstück bereits mit dem Baumbewuchs erworben hat, der eine weitere Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin besorgen läßt. Auch Störungen , die allein auf natürlichen Vorgängen beruhen - wie hier der Druck des Wurzelwerks gegen die Garagenwand - können dem Grundstückseigentümer zurechenbar sein. So muß der Grundstückseigentümer z.B. dafür Sorge tragen,
daß Baumwurzeln nicht über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen und die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigen. Das ergibt sich aus § 910 BGB (Senat, Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 7 - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Dringen die Wurzeln dagegen nicht in das Nachbargrundstück ein, üben sie jedoch unter dem Einfluß von Wind als zusätzlichem Naturereignis auf Grund der Hebelwirkung des Baumes einen das Nachbargrundstück schädigenden Druck aus, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Senats darauf an, ob den Eigentümer des störenden Grundstücks eine "Sicherungspflicht" trifft (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 12, zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - vorgesehen - Kiefernadeln; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 7 - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei u.a. entscheidend ist, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus ist die Störereigenschaft der Beklagten zu 2 allein schon deswegen zu bejahen, weil sie den im Streit befindlichen Baum unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zum Grenzabstand (§ 38 Nr. 1 lit. b HNRG) unterhält (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 13 - Kiefernadeln; zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - vorgesehen ).

c) Aus § 907 Abs. 2 BGB folgt kein Hindernis für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Vorschrift nimmt Bäume und Sträucher von dem Anwendungsbereich des § 907 Abs. 1 BGB aus (vgl. Senat, Urt. v. 16. Februar 2001, V ZR 422/99, aaO). Betrifft sie danach lediglich den speziellen Abwehranspruch nach § 907 Abs. 1 BGB, so kann der
Regelung nichts für den hier entscheidenden allgemeinen Abwehranspruch aus § 1004 BGB entnommen werden.

d) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Verjährung des Unterlassungsanspruchs verneint. Hierfür ist zunächst das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung maßgebend, die vor dem 1. Januar 2002 galt (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterfielen dabei die Abwehransprüche aus § 1004 BGB der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. (Senat, BGHZ 60, 235, 238; BGHZ 125, 56, 63; Senat, Urt. v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM § 1004 BGB Nr. 156 jeweils für den Beseitigungsanspruch; Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556, insoweit in BGHZ 112, 1 nicht abgedruckt , für den Unterlassungsanspruch). Entscheidend für den Beginn dieser Verjährung ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2 nicht etwa der Zeitpunkt der Anpflanzung, sondern gemäß § 198 BGB a.F. der Zeitpunkt der Entstehung des Unterlassungsanspruchs (Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, aaO). Das Berufungsgericht hat hierfür zutreffend auf den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Mauerwerksschäden zu Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts abgestellt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2000 war mithin noch keine Verjährung eingetreten, so daß mit der Rechtshängigkeit die Verjährung gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F. unterbrochen wurde. Seit dem 1. Januar 2002 ist an die Stelle der Unterbrechung die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. getreten (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB). Es führt hier im übrigen zu keinem anderen Ergebnis, wenn mit der Gegenauffassung eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs, weil dieser nur künftige Beeinträchtigungen abwenden solle, schlechthin (so etwa Staudinger /Gursky, BGB [1999], § 1004 Rdn. 218; MünchKomm-BGB/Medicus,
3. Aufl., § 1004 Rdn. 83 jeweils m.w.N.) oder mit Blick auf § 902 Abs. 1 BGB nur für Ansprüche aus dem Grundeigentum (so etwa LG Tübingen, NJW-RR 1990, 338; Picker, JuS 1974, 357, 358 f) verneint wird.

e) Zur Erfüllung ihrer mithin zu bejahenden Unterlassungsverpflichtung schuldet die Beklagte zu 2 unter den gegeben Umständen die Entfernung der Rotfichte. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei lediglich verpflichtet, "geeignete Maßnahmen" vorzunehmen, um eine Beschädigung der Garagenwand durch das Wurzelwerk des Baumes zu verhindern.
aa) Ihrer Verurteilung zur Entfernung des Baumes steht nicht entgegen, daß die Beklagte zu 2 (lediglich) eine Unterlassungspflicht trifft. Läßt sich nämlich die drohende Beeinträchtigung nur durch aktives Eingreifen verhindern, so schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete das erforderliche positive Tun (Staudinger/Gursky, aaO, § 1004 Rdn. 204). Dabei geht das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht davon aus, daß der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, auf welchem Weg er die bevorstehende Eigentumsbeeinträchtigung abwendet (Senat, BGHZ 120, 239, 248; Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, NJW 1983, 751, 752; vgl. auch Senat, BGHZ 111, 63, 72; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, NJW 1984, 1242, 1243). Dies hat seinen Grund in der Überlegung, daß die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als dies der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seines Eigentums erfordert (Senat, BGHZ 67, 252, 253). Der Urteilsausspruch kann daher in der Regel nur allgemein auf Unterlassung von
Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, aaO).
bb) Folgerichtig steht aber einer Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme dann nichts im Wege, wenn nur sie den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet (vgl. Senat, BGHZ 67, 252, 254; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, aaO). Nichts anderes kann gelten, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (so wohl auch MünchKomm-BGB/Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 86). In dieser Lage fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse des Störers, zwischen verschiedenen Abhilfemaßnahmen wählen zu können. Das Beharren auf einer solchen nur formalen Position ohne materiellen Gehalt läßt die Rechtsordnung nicht zu (vgl. Senat, BGHZ 105, 154, 158; BGHZ 100, 95, 105 jeweils zu § 242 BGB).
cc) Im vorliegenden Fall fehlt der Beklagten zu 2 nach vernünftigen Maßstäben das Interesse an anderen Abhilfemaßnahmen als dem Entfernen des Baumes. Zwar kommen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwei weitere Möglichkeiten in Betracht, um den Druck des Wurzelwerks gegen die Garagenwand zu verhindern. Dabei legt aber das Berufungsgericht selbst dem zuerst erwogenen Kappen des Baumes auf hälftiger Höhe "verheerende Folgen" bei. Es wäre nicht nur das Erscheinungsbild des Baumes unwiederbringlich zerstört, die Beklagte zu 2 müßte vielmehr mit dem Absterben des Baumes binnen weniger Jahre rechnen. Sie müßte zudem ein erneutes Wachsen des Baumes durch wiederholten Rückschnitt verhindern. Ein nachvollziehbarer Vorteil gegenüber einer Fällung der Fichte ist hiernach nicht zu erkennen. Dies gilt erst recht für die zweite vom Berufungsgericht festgestellte Alter-
native der "Umbauung des Baumes mit einem statisch gesicherten und stabilen Material." Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, daß eine solche Maßnahme für die Beklagte zu 2 "wirtschaftlich und/oder ästhetisch … unsinnig" sein mag. Für ein gleichwohl vorhandenes vernünftiges Interesse der Beklagten zu 2 am Erhalt der Fichte in umbautem Zustand fehlt jeder Hinweis.
dd) Einer Verurteilung zur Beseitigung des Baumes auf Grund eines Unterlassungsanspruchs stehen die Regelungen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes (HNRG) nicht entgegen, obwohl nach der - für den Senat insoweit bindenden (§§ 560, 545 Abs. 1 ZPO) - Entscheidung des Berufungsgerichts der Ablauf der Frist nach § 43 Abs. 1 HNRG einen Beseitigungsanspruch der Klägerin wegen des nicht eingehaltenen Grenzabstandes von 2 m (§ 38 Nr. 1 lit. b HNRG) ausschließt. Eine solche landesgesetzliche Regelung kann - wie Art. 124 EGBGB zeigt - das Grundstückseigentum zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen, nicht aber umgekehrt dem Nachbarn Rechte nehmen, die sich für ihn aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergeben (vgl. Staudinger/Albrecht [1997], Art. 124 EGBGB Rdn. 8; MünchKomm -BGB/Säcker, 3. Aufl., Art. 124 EGBGB Rdn. 1; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., Art. 124 EGBGB Rdn. 1). Vorliegend gewährt das Landesrecht einen Anspruch auf Entfernung des Baumes allein schon deswegen, weil der maßgebende Grenzabstand nicht eingehalten ist. Daneben besteht ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, der von zusätzlichen Voraussetzungen , insbesondere einer zu besorgenden weiteren Eigentumsbeeinträchtigung abhängig ist. Der Ausschluß des für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleibt mithin auf seinen Anwendungsfall beschränkt und läßt einen konkurrierenden - nur unter strengeren Voraussetzungen begründeten - Anspruch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch unberührt.
Insbesondere ändert die Verwirklichung des Ausschlußtatbestandes des § 43 Abs. 1 HNRG nichts an der Störereigenschaft der Beklagten zu 2 (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 14 - Kiefernadeln) und steht Abwehransprüchen aus § 1004 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn sich die nicht zu duldenden Einwirkungen aus dem weiteren Wachstum des Baumes ergeben (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 7 - Kiefernadeln).
3. Das Berufungsurteil hat demnach keinen Bestand, soweit es die Abweisung des in erster Linie verfolgten Antrags auf Entfernung des Baumes bestätigt (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Verurteilung der Beklagten zu 2 auf den Hauptantrag.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.
Soweit die Entscheidung als Versäumnisurteil ergangen ist, war sie nach § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
TEIL-VERSÄUMNIS- UND SCHLUSSURTEIL
V ZR 98/03 Verkündet am:
12. Dezember 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Störer kann nicht nur dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden,
wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet
, sondern auch, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise
aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können.
BGH, Teil-Vers.- und Schlußurt. v. 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03 - LG Kassel
AG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. März 2003 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 21. November 2001 abgeändert, soweit diese Urteile zum Nachteil der Klägerin ergangen sind.
Über die bereits erfolgte Verurteilung hinaus wird die Beklagte zu 2 verurteilt, den auf dem Grundstück K. straße 3 in K. an der westlichen Grundstücksgrenze im Abstand von ca. 2,75 m zur nördlichen Grundstücksgrenze unmittelbar neben der Garage des Grundstücks H. straße 18 in K. stehenden Nadelbaum zu entfernen.
Die Revisionen der Beklagten werden als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 1 zu 5/8 und die Beklagte zu 2 zu 3/8; die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte zu 1 zu 6/11 und die Beklagte zu 2 zu 5/11.

Das Urteil ist im Hauptausspruch und hinsichtlich 1/6 der von der Beklagten zu 2 zu tragenden Kosten vorläufig vollstreck- bar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks in K. . Das benachbarte Grundstück stand zunächst im Eigentum der Beklagten zu 1; seit dem 25. Oktober 2000 ist die Beklagte zu 2 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Auf dem Nachbargrundstück befindet sich nahe der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine 17,5 m hohe Rotfichte. Von der Stammmitte aus gemessen ist der Baum 0,75 m von der Außenwand einer Garage entfernt, die auf dem Grundstück der Klägerin entlang der Grenze errichtet ist.
An der grenzseitigen Garagenwand sowie an einer neben der Garagenzufahrt verlaufenden Stützmauer zu dem höher gelegenen Nachbargrundstück bildeten sich Risse. Deren Ursache sieht die Klägerin in dem Wurzelwerk der Fichte auf dem Nachbargrundstück. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie beide Beklagten in erster Linie auf Entfernung dieses Baumes und hilfsweise auf geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden durch den Baum und dessen Wurzeln in Anspruch. Daneben hat sie von der Beklagten zu 1 die Zahlung von 2.000 DM sowie gegenüber beiden Beklagten die Feststellung von deren Verpflichtung zu Schadensersatz verlangt. Das Amtsgericht hat die
Beklagte zu 1 zur Beseitigung der Rotfichte und Durchtrennung der im Boden verbleibenden Wurzeln verurteilt; es hat ferner dem Zahlungsantrag und - hinsichtlich der Verzugsschäden - dem Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 1 stattgegeben. Die Beklagte zu 2 hat das Amtsgericht nur auf den Hilfsantrag zu geeigneten Maßnahmen der Schadensverhinderung verurteilt und ferner deren Ersatzpflicht für Schäden seit ihrem Eigentumserwerb festgestellt. Gegen dieses Urteil haben beide Beklagte mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung sowie die Klägerin mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zu 2 auf den Hauptantrag jeweils ohne Erfolg Berufung eingelegt. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin weiterhin eine Verurteilung der Beklagten zu 2 zur Entfernung der Fichte. Die von den Beklagten eingelegten Revisionen sind nicht begründet worden.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, die Beklagte zu 1 sei auf Grund einer Vereinbarung mit der Klägerin zur Beseitigung der Fichte und zur Zahlung von 2.000 DM verpflichtet. Da sie mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Verzug geraten sei, müsse sie außerdem den hierdurch entstandenen Schaden ersetzen. Gegenüber der Beklagten zu 2 ergebe sich ein Beseitigungsanspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten habe das Wurzelwerk des Baumes an der Mauer einen "Druckstempel" ausgebildet, der sich bei Einwirkung von Windenergien auf den Baum gegen die Garagenwand presse. Der Beseitigungsanspruch sei weder durch die Aus-
schlußfristen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes gehindert noch gemäß § 195 BGB a.F. verjährt. Hinsichtlich Art und Weise der Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung habe die Beklagte zu 2 allerdings ein Wahlrecht. Ihre Verpflichtung dürfe nicht auf die Beseitigung des Baumes verengt werden, weil dies nicht die einzige insoweit in Betracht kommende Möglichkeit sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen reiche es etwa aus, den Baum auf hälftiger Höhe zu kappen und in der Folgezeit für einen Rückschnitt zu sorgen, oder auch den Baum mit statisch gesichertem und stabilem Material zu umbauen.
Dies hält den Angriffen der Revision der Klägerin nicht stand.

II.


Die Revisionen der Beklagten sind unzulässig, weil beide die erforderliche Begründung ihrer Rechtsmittel (§ 551 ZPO) versäumt haben. Hingegen ist die Revision der Klägerin zulässig und begründet.
1. Die Statthaftigkeit der Revision der Klägerin scheitert nicht an der fehlenden Zulassung des Rechtsmittels für diese Partei (§ 543 Abs. 1 ZPO). Zwar hätte das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf die Beklagten beschränken können, nachdem es die von ihm als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfragen der Verjährung und des Fristablaufs nach dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz ausschließlich zu deren Ungunsten entschieden hat (vgl. BGHZ 7, 62, 63; 130, 50, 59; MünchKomm-ZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, § 543 Rdn. 33). Es hat jedoch in den Tenor eine solche Beschränkung nicht aufgenommen. Auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, die
für die Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision ebenfalls heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 48, 134, 136; BGH, Urt. v. 8. März 1995, VIII ZR 156/94, NJW 1995, 1481, 1482; Urt. v. 12. Juli 2000, XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485, 486), ergibt sich eine Beschränkung der Zulassung der Revision nicht mit der gebotenen Deutlichkeit (vgl. Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 430/02, Umdruck S. 7 f, insoweit in ZOV 2003, 310 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 7. Juli 1983, III ZR 119/82, NJW 1984, 615).
2. In der Sache selbst bejaht das Berufungsgericht zu Recht einen Abwehranspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. Dieser ergibt sich allerdings nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern als Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nicht beizutreten ist zudem der Auffassung des Berufungsgerichts, mit dem Abwehranspruch könne im vorliegenden Fall nicht die Entfernung der Fichte verlangt werden.

a) Eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin steht im vorliegenden Fall wegen der eingetretenen Substanzverletzung außer Frage (vgl. Senat, BGHZ 142, 66, 68). Nach den rechtsfehlerfreien - und von der Klägerin als ihr günstig hingenommenen - Feststellungen des Berufungsgerichts führte das Wurzelwerk der Fichte zu Druckschäden an der Mauer der Garage auf dem Grundstück der Klägerin. Die bereits eingetretenen Schäden am Mauerwerk begründen allerdings nicht die - für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche - Gegenwärtigkeit der Einwirkung. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Folgen aus dem störenden Eingriff in das Grundeigentum der Klägerin, deren Beseitigung ausschließlich im Wege des Schadensersatzes verlangt werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 1. Dezember 1995, V ZR 9/94, NJW 1996, 845, 846). Demgemäß zielt der geltend gemachte Ab-
wehranspruch auch auf die Ursache der Eigentumsbeeinträchtigung, die nach den getroffenen Feststellungen in dem über die Wurzeln abgeleiteten Winddruck auf den Stamm des Baumes zu sehen ist. Insoweit geht es der Klägerin darum, künftige weitere Störungen ihres Eigentums in Gestalt zusätzlicher Schäden am Mauerwerk abzuwenden. Hierfür gibt das Gesetz den Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hingegen erstrebt die Klägerin nicht die Beseitigung von Baumwurzeln, die von dem Grundstück der Beklagten zu 2 her eindringen (vgl. dazu Senat, BGHZ 135, 235, 238 - Tennisplatz /Pappelwurzel; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung vorgesehen - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Folgerichtig hat das Berufungsgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Wurzeln der Fichte über die Grenze hinweg in das Grundstück der Klägerin gewachsen sind.
Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB sind erfüllt. Insbesondere spricht angesichts des bereits erfolgten rechtswidrigen Eingriffs eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der erforderlichen Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 1986, VI ZR 169/85, NJW 1986, 2503, 2505).

b) Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beklagte zu 2 als Störerin. Insoweit ist unerheblich, daß sie den Baum nicht selbst angepflanzt, sondern das Grundstück bereits mit dem Baumbewuchs erworben hat, der eine weitere Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin besorgen läßt. Auch Störungen , die allein auf natürlichen Vorgängen beruhen - wie hier der Druck des Wurzelwerks gegen die Garagenwand - können dem Grundstückseigentümer zurechenbar sein. So muß der Grundstückseigentümer z.B. dafür Sorge tragen,
daß Baumwurzeln nicht über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen und die Nutzung des Nachbargrundstücks beeinträchtigen. Das ergibt sich aus § 910 BGB (Senat, Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 7 - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Dringen die Wurzeln dagegen nicht in das Nachbargrundstück ein, üben sie jedoch unter dem Einfluß von Wind als zusätzlichem Naturereignis auf Grund der Hebelwirkung des Baumes einen das Nachbargrundstück schädigenden Druck aus, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Senats darauf an, ob den Eigentümer des störenden Grundstücks eine "Sicherungspflicht" trifft (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 12, zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - vorgesehen - Kiefernadeln; Urt. v. 28. November 2003, V ZR 99/03, Umdruck S. 7 - Betonplatte/Kirschbaumwurzel). Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei u.a. entscheidend ist, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus ist die Störereigenschaft der Beklagten zu 2 allein schon deswegen zu bejahen, weil sie den im Streit befindlichen Baum unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zum Grenzabstand (§ 38 Nr. 1 lit. b HNRG) unterhält (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 13 - Kiefernadeln; zur Veröffentlichung - auch in BGHZ - vorgesehen ).

c) Aus § 907 Abs. 2 BGB folgt kein Hindernis für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Vorschrift nimmt Bäume und Sträucher von dem Anwendungsbereich des § 907 Abs. 1 BGB aus (vgl. Senat, Urt. v. 16. Februar 2001, V ZR 422/99, aaO). Betrifft sie danach lediglich den speziellen Abwehranspruch nach § 907 Abs. 1 BGB, so kann der
Regelung nichts für den hier entscheidenden allgemeinen Abwehranspruch aus § 1004 BGB entnommen werden.

d) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Verjährung des Unterlassungsanspruchs verneint. Hierfür ist zunächst das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung maßgebend, die vor dem 1. Januar 2002 galt (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterfielen dabei die Abwehransprüche aus § 1004 BGB der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. (Senat, BGHZ 60, 235, 238; BGHZ 125, 56, 63; Senat, Urt. v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM § 1004 BGB Nr. 156 jeweils für den Beseitigungsanspruch; Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, NJW 1990, 2555, 2556, insoweit in BGHZ 112, 1 nicht abgedruckt , für den Unterlassungsanspruch). Entscheidend für den Beginn dieser Verjährung ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2 nicht etwa der Zeitpunkt der Anpflanzung, sondern gemäß § 198 BGB a.F. der Zeitpunkt der Entstehung des Unterlassungsanspruchs (Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, V ZR 3/89, aaO). Das Berufungsgericht hat hierfür zutreffend auf den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Mauerwerksschäden zu Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts abgestellt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2000 war mithin noch keine Verjährung eingetreten, so daß mit der Rechtshängigkeit die Verjährung gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F. unterbrochen wurde. Seit dem 1. Januar 2002 ist an die Stelle der Unterbrechung die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. getreten (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB). Es führt hier im übrigen zu keinem anderen Ergebnis, wenn mit der Gegenauffassung eine Verjährung des Unterlassungsanspruchs, weil dieser nur künftige Beeinträchtigungen abwenden solle, schlechthin (so etwa Staudinger /Gursky, BGB [1999], § 1004 Rdn. 218; MünchKomm-BGB/Medicus,
3. Aufl., § 1004 Rdn. 83 jeweils m.w.N.) oder mit Blick auf § 902 Abs. 1 BGB nur für Ansprüche aus dem Grundeigentum (so etwa LG Tübingen, NJW-RR 1990, 338; Picker, JuS 1974, 357, 358 f) verneint wird.

e) Zur Erfüllung ihrer mithin zu bejahenden Unterlassungsverpflichtung schuldet die Beklagte zu 2 unter den gegeben Umständen die Entfernung der Rotfichte. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2 sei lediglich verpflichtet, "geeignete Maßnahmen" vorzunehmen, um eine Beschädigung der Garagenwand durch das Wurzelwerk des Baumes zu verhindern.
aa) Ihrer Verurteilung zur Entfernung des Baumes steht nicht entgegen, daß die Beklagte zu 2 (lediglich) eine Unterlassungspflicht trifft. Läßt sich nämlich die drohende Beeinträchtigung nur durch aktives Eingreifen verhindern, so schuldet der zur Unterlassung Verpflichtete das erforderliche positive Tun (Staudinger/Gursky, aaO, § 1004 Rdn. 204). Dabei geht das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht davon aus, daß der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen kann. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, auf welchem Weg er die bevorstehende Eigentumsbeeinträchtigung abwendet (Senat, BGHZ 120, 239, 248; Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, NJW 1983, 751, 752; vgl. auch Senat, BGHZ 111, 63, 72; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, NJW 1984, 1242, 1243). Dies hat seinen Grund in der Überlegung, daß die Rechte des Störers nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als dies der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seines Eigentums erfordert (Senat, BGHZ 67, 252, 253). Der Urteilsausspruch kann daher in der Regel nur allgemein auf Unterlassung von
Störungen bestimmter Art lauten (Senat, Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, aaO).
bb) Folgerichtig steht aber einer Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme dann nichts im Wege, wenn nur sie den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet (vgl. Senat, BGHZ 67, 252, 254; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, aaO). Nichts anderes kann gelten, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (so wohl auch MünchKomm-BGB/Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 86). In dieser Lage fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse des Störers, zwischen verschiedenen Abhilfemaßnahmen wählen zu können. Das Beharren auf einer solchen nur formalen Position ohne materiellen Gehalt läßt die Rechtsordnung nicht zu (vgl. Senat, BGHZ 105, 154, 158; BGHZ 100, 95, 105 jeweils zu § 242 BGB).
cc) Im vorliegenden Fall fehlt der Beklagten zu 2 nach vernünftigen Maßstäben das Interesse an anderen Abhilfemaßnahmen als dem Entfernen des Baumes. Zwar kommen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwei weitere Möglichkeiten in Betracht, um den Druck des Wurzelwerks gegen die Garagenwand zu verhindern. Dabei legt aber das Berufungsgericht selbst dem zuerst erwogenen Kappen des Baumes auf hälftiger Höhe "verheerende Folgen" bei. Es wäre nicht nur das Erscheinungsbild des Baumes unwiederbringlich zerstört, die Beklagte zu 2 müßte vielmehr mit dem Absterben des Baumes binnen weniger Jahre rechnen. Sie müßte zudem ein erneutes Wachsen des Baumes durch wiederholten Rückschnitt verhindern. Ein nachvollziehbarer Vorteil gegenüber einer Fällung der Fichte ist hiernach nicht zu erkennen. Dies gilt erst recht für die zweite vom Berufungsgericht festgestellte Alter-
native der "Umbauung des Baumes mit einem statisch gesicherten und stabilen Material." Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, daß eine solche Maßnahme für die Beklagte zu 2 "wirtschaftlich und/oder ästhetisch … unsinnig" sein mag. Für ein gleichwohl vorhandenes vernünftiges Interesse der Beklagten zu 2 am Erhalt der Fichte in umbautem Zustand fehlt jeder Hinweis.
dd) Einer Verurteilung zur Beseitigung des Baumes auf Grund eines Unterlassungsanspruchs stehen die Regelungen des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes (HNRG) nicht entgegen, obwohl nach der - für den Senat insoweit bindenden (§§ 560, 545 Abs. 1 ZPO) - Entscheidung des Berufungsgerichts der Ablauf der Frist nach § 43 Abs. 1 HNRG einen Beseitigungsanspruch der Klägerin wegen des nicht eingehaltenen Grenzabstandes von 2 m (§ 38 Nr. 1 lit. b HNRG) ausschließt. Eine solche landesgesetzliche Regelung kann - wie Art. 124 EGBGB zeigt - das Grundstückseigentum zugunsten des Nachbarn weitergehenden Beschränkungen unterwerfen, nicht aber umgekehrt dem Nachbarn Rechte nehmen, die sich für ihn aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergeben (vgl. Staudinger/Albrecht [1997], Art. 124 EGBGB Rdn. 8; MünchKomm -BGB/Säcker, 3. Aufl., Art. 124 EGBGB Rdn. 1; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., Art. 124 EGBGB Rdn. 1). Vorliegend gewährt das Landesrecht einen Anspruch auf Entfernung des Baumes allein schon deswegen, weil der maßgebende Grenzabstand nicht eingehalten ist. Daneben besteht ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, der von zusätzlichen Voraussetzungen , insbesondere einer zu besorgenden weiteren Eigentumsbeeinträchtigung abhängig ist. Der Ausschluß des für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleibt mithin auf seinen Anwendungsfall beschränkt und läßt einen konkurrierenden - nur unter strengeren Voraussetzungen begründeten - Anspruch aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch unberührt.
Insbesondere ändert die Verwirklichung des Ausschlußtatbestandes des § 43 Abs. 1 HNRG nichts an der Störereigenschaft der Beklagten zu 2 (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 14 - Kiefernadeln) und steht Abwehransprüchen aus § 1004 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn sich die nicht zu duldenden Einwirkungen aus dem weiteren Wachstum des Baumes ergeben (vgl. Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, Umdruck S. 7 - Kiefernadeln).
3. Das Berufungsurteil hat demnach keinen Bestand, soweit es die Abweisung des in erster Linie verfolgten Antrags auf Entfernung des Baumes bestätigt (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Verurteilung der Beklagten zu 2 auf den Hauptantrag.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.
Soweit die Entscheidung als Versäumnisurteil ergangen ist, war sie nach § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.