Bundesgerichtshof Urteil, 20. Mai 2011 - V ZR 250/10

bei uns veröffentlicht am20.05.2011
vorgehend
Amtsgericht Wuppertal, 91b C 61/09, 07.10.2009
Landgericht Düsseldorf, 16 S 128/09, 09.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 250/10 Verkündet am:
20. Mai 2011
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 9. November 2010 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, wendet sie sich mit der Anfechtungsklage gegen die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 19. März 2009 gefassten Beschlüsse. Die mit „Antrag“ überschriebene und gegen die „WEG, L. Str. , W. “ gerichtete Klagevom 30. März 2009 ist der Verwalterin mit dem Hinweis zugestellt worden, sie erhalte die Klage sowohl „als beizuladende/r Verwalter/in als auch als Zustellungsvertreter/in derWoh- nungseigentümer…“. Die Klägerin hat geltend gemacht, sämtliche Beschlüsse litten daran, dass der Versammlungsort zu weit von der Wohnungseigentumsanlage entfernt gewesen sei (Antrag zu 1). Der zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 4 ergangene Beschluss über die Wiederwahl der Verwalterin könne keinen Bestand haben, weil die Verwalterin namens und in Vollmacht einiger Wohnungseigentümer in entscheidungserheblicher Weise für sich selbst gestimmt habe (Antrag zu 3).
2
Von dem Amtsgericht darauf hingewiesen, dass Anfechtungsklagen gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten seien und deshalb Bedenken gegen die Einhaltung der Klagefrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG bestünden, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt: „Aufgrund des gerichtlichen Hinweises stelle ich klar bzw. ändere ich die Bezeichnung der Beklagten dahin, dass die übrigen Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft Beklagte sein sollen“. Nach Stellung der Anträge hat das Amtsgericht der Klägerin antragsgemäß eine Schriftsatzfrist eingeräumt. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin die übrigen Wohnungseigentümer mit Anschriften benannt.
3
Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen, wobei es im Urteilsrubrum die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte bezeichnet und zur Konkretisierung auf die beigefügte Liste der Wohnungseigentümer Bezug genommen hat. In der Sache hat es sowohl die Wahrung der Klagefrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG als auch das Vorliegen von Beschlussmängeln verneint. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben, wobei der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht für die Beklagten, also die übrigen Wohnungseigentümer aufgetreten ist. Mit der zugelassenen Revision möchte die Klägerin weiterhin die Ungültigerklärung der angefochtenen Beschlüsse erreichen. Die übrigen Wohnungseigentümer beantragen in erster Linie die Verwerfung des Rechtsmittels und hilfsweise dessen Zurückweisung.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil zunächst mit der Erwägung gebilligt, die Abweisung der Anfechtungsklage beruhe nicht auf einem Rechtsfehler. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigten keine andere Entscheidung. Jedoch gebe das Berufungsvorbringen „noch“Anlass zu den Erwägungen, dass die erhobene Klage nicht gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen den Verband gerichtet gewesen sei. Ein Parteiwechsel sei zwar grundsätzlich möglich. Dieser hätte jedoch innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erklärt werden müssen. Daran fehle es.

II.

5
1. Die Revision ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist entgegen § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO nicht ausreichend begründet worden.
6
Nach der genannten Vorschrift muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Erforderlich ist, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils auseinandersetzt und konkret darlegt, aus welchen Gründen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZB 71/02, NJW 2003, 2352, 2533; BAG, NJW 2007, 3739, 3741; jeweils mwN). Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige – selbständig tragende – Erwägungen gestützt, muss der Revisionskläger für jede dieser Begründungen darlegen, warum sie keinen Bestand haben können; anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (std. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 551 Rn. 20 mwN). So verhält es sich hier.
7
a) Entgegen der Annahme der Klägerin hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auch auf das Nichtvorliegen von Beschlussmängeln gestützt. Unter I. des Berufungsurteils hat es beide von dem Amtsgericht zur Abweisung der Anfechtungsklage (Anträge zu 1 bis 3) gegebene Begründungen referiert. Sodann hat es unter II. das Urteil des Amtsgerichts hinsichtlich der Klageanträge zu 1 bis 3 mit der – wenn auch knappen und gleichsam vor die Klammer gezogenen – Begründung bestätigt, die erstinstanzliche Entscheidung beruhe auf keinem Rechtsfehler. Das Berufungsvorbringen führe nicht zu einer anderen Beurteilung, gebe jedoch „noch“ Anlass zu nachstehenden Ausführungen, in denen sich das Berufungsgericht mit der Frage der Fristversäumung auseinandersetzt. Vor diesem Hintergrund kann das Berufungsurteil nur so verstanden werden, dass das Berufungsgericht die Entscheidung des Amtsgerichts zu den Klageanträgen zu 1 bis 3 insgesamt gebilligt und lediglich mit Blick auf die Versäumung der Klagefrist ergänzende Überlegungen angestellt hat.
8
b) In Bezug auf das auch von dem Berufungsgericht verneinte Durchgreifen von Beschlussmängeln genügt die Revisionsbegründung nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO. In der Revisionsbegründung werden lediglich die von dem Berufungsgericht zur Versäumung der Frist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG angestellten Erwägungen wiedergegeben und sodann ausgeführt, aus welchen Gründen diese einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten sollen. Auf Seite 9 der Revisionsbegründung geht die Klägerin sogar ausdrücklich davon aus, das Berufungsgericht habe – anders als das Amtsgericht – keine Entscheidung über die Frage getroffen, ob die von den Wohnungseigen- tümern gefassten Beschlüsse rechtsfehlerhaft gewesen seien, so dass dies „revisionsrechtlich zu unterstellen“ sei. Selbst bei großzügiger Handhabung der Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung zu stellen sind, kann darin nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der in Rede stehenden – zweiten – tragenden Erwägung des Berufungsurteils gesehen werden.
9
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Stresemann Roth
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 07.10.2009 - 91b C 61/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.11.2010 - 16 S 128/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Mai 2011 - V ZR 250/10

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen. (2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründun
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(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.

(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen.

(2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. § 544 Absatz 8 Satz 3 bleibt unberührt. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Revisionskläger erhebliche Gründe darlegt; kann dem Revisionskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Revisionsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar:
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Ist die Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden, kann zur Begründung der Revision auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden.

(4) § 549 Abs. 2 und § 550 Abs. 2 sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 71/02
vom
26. Juni 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung nach § 520
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
BGH, Beschluß vom 26. Juni 2003 - III ZB 71/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke am 26. Juni
2003

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 5. September 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Gegenstandswert: 23.098,90

Gründe


I.


1. Die Klägerin vertreibt chemisch-technische Erzeugnisse, die Beklagte stellt Klebstoffe her. Im Herbst des Jahres 2000 vermittelte der Ehemann und Mitarbeiter der Klägerin, K.-H. Bi. , der Beklagten einen Kontakt mit der Fir-
ma B. , die ihrerseits über feste Lieferbeziehungen zu den R. -Bau- märkten verfügte. Die Beklagte sah sich allerdings nicht in der Lage, die von der Firma B. gewünschte Menge von 5.000 Einheiten ihres Klebstoffs kurzfristig herzustellen, da sie das Verpackungsmaterial nicht rechtzeitig beschaffen konnte und ihr auch die finanziellen Mittel für eine Vorfinanzierung fehlten. Daraufhin erklärte sich der Zeuge Bi. bereit, das Verpackungsmaterial selbst zu bestellen und es vorab zu bezahlen. Hierfür wendete die Klägerin insgesamt 45.177,52 DM auf, deren Erstattung sie vorliegend - aus eigenem oder abgetretenem Recht des Zeugen Bi. - verlangt. Die Beklagte hat sich unter anderem damit verteidigt, daß ein Kostenausgleich vereinbarungsgemäß erst nach vollständigem Verkauf der von der Firma B. georderten 110.000 Tuben und dem Eingang des vollen Kaufpreises von 54.043,47 erfolgen sollen. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht eingetreten; Zahlungen seien lediglich in Höhe von 15.068,01 ichen Produkte seien wegen fehlerhafter Gefahraufdrucke unverkäuflich. Die Beklagte hat deswegen Schadensersatzansprüche geltend gemacht, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und hilfsweise die Aufrechnung erklärt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gemäß § 670 BGB jedenfalls aus abgetretenem Recht bejaht und die Behauptung nicht ordnungsgemäßer Auftragsausführung als unsubstantiiert angesehen. Die von der Beklagten behaupteten Zahlungsmodalitäten hat das Landgericht als Fälligkeitsabrede gewertet und den Einwand nicht durchgreifen lassen, weil sonst die Klägerin das wirtschaftliche Risiko des zwischen der Beklagten und der Firma B. geschlossenen Vertrags tragen müßte. Das entspreche weder der vertraglichen Vereinbarung noch der Billigkeit. Aufrechenbare Gegenansprüche stünden der Beklagten
gleichfalls nicht zu. Die wirtschaftliche Disposition hinsichtlich der Frage, wel- che Verträge sie abschließe und mit welchen daraus entstehenden Aufwendungen , obliege der Beklagten. Sie habe auch nicht mit Substanz dargetan, daß dem Zeugen Bi. die Zuordnung der Gefahrhinweise auf den Verpakkungsmaterialien obgelegen habe und daß dieser schuldhaft den Aufdruck falscher Hinweise veranlaßt habe. Auch zur Höhe fehle substantiierter Vortrag.
3. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt und in ihrer Berufungsbegründung unter Beweisantritt bestritten, der Klägerin einen Auftrag zur Bestellung von Verpackungsmaterialien erteilt zu haben. Wann, wo und wer für die Beklagte einen solchen Auftrag erteilt haben solle, trage die Klägerin nicht vor. Der Geschäftsführer der Beklagten habe Herrn Bi. erklärt , daß er das Geschäft ablehnen müsse, da er unter anderem weder Tuben noch Verpackungsmaterial innerhalb des gewünschten Lieferzeitraums in der verlangten Menge besorgen könne. Außerdem habe er erklärt, daß die Kunden der Beklagten bei speziell nach ihren Wünschen hergestellten Klebstoffgebinden die Produkte im voraus zu bezahlen hätten. Darauf habe Herr Bi. erwidert , er werde dafür sorgen, daß das Material der Beklagten kurzfristig zur Verfügung stünde. Er werde auch die Lieferungen für Tuben und Kunststoffkappen zunächst bezahlen. Für die Beklagte sei das Geschäft kein Risiko, da er die von ihm übernommenen Fremdkosten erst erstattet verlange, wenn die Klebstoffgebinde verkauft seien und die Firma B. gezahlt habe. Das vom Geschäftsführer der Beklagten befürchtete wirtschaftliche Risiko, Fremdrechnungen zahlen zu müssen, ohne eine Vergütung vom Abnehmer zu erhalten, bestehe deshalb nicht; er übernehme die "Garantie". Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten die Beklagten und der Zeuge Bi. keineswegs nur eine Fälligkeitsabrede getroffen. Vielmehr habe dieser das wirtschaftliche Risi-
ko eines Fehlschlags des Geschäfts ausdrücklich übernommen. Die Firma B. habe aber nicht einmal die 5.000 Tuben je Klebstoffsorte übernommen und sie auch nicht bezahlt. Die noch nicht verkauften Tuben habe die Beklagte wegen der falschen Sicherheitshinweise sogar zurücknehmen müssen. Es dürfte auch problematisch sein, von einem Auftrag der Beklagten an Herrn Bi. zu sprechen. Dieser sei der Initiator des Geschäfts gewesen und habe es in der Weise abgewickelt, daß er als Geschäftsherr aufgetreten sei und er sich der Beklagten als "Subunternehmerin" bedient habe. Für alle von ihm vermittelten Geschäfte habe er von der Beklagten eine Provision erhalten. Im Streitfall habe er darüber hinaus noch einen langjährigen Beratervertrag abschließen wollen. Selbst wenn man aber einen Auftrag der Beklagten an den Zeugen Bi. unterstellen wolle, seien dessen Materialbestellungen weit über die Grenzen des Auftrags hinausgegangen. Herr Bi. habe nämlich nicht nur 5.000 Tuben je Klebstoffsorte geordert, sondern jeweils mehr als 10.000 Stück, teilweise sogar 20.000 oder 30.000 Tuben. Auch die Anzahl der Kunststoffkappen gehe erheblich über die besprochenen Mengen hinaus. Damit sei die Forderung der Klägerin jedenfalls bei weitem überhöht. Diese könne allenfalls Aufwendungsersatz für jeweils 5.000 Stück verlangen. Darüber hinaus habe Herr Bi. ohne Rücksprache mit der Beklagten die Aufträge zur Herstellung der Tuben einschließlich der Bedruckung erteilt und dabei nicht beachtet, daß korrekte Gefahrhinweise auf die Tuben hätten gelangen müssen. Demnach habe es die Klägerin zu vertreten, daß diese Tuben nunmehr unverkäuflich seien. Auch die Blisterrückwände habe der Ehemann der Klägerin in Auftrag gegeben, ohne dabei die strikte Einhaltung der EG-Sicherheitsdatenblätter zu verlangen. Sowohl die Blisterrückwände als auch die Bedruckung der Tuben verstießen gegen die einschlägigen Sicherheitsvorschriften mit der Folge, daß die gesamte Restware unverkäuflich sei. Selbst wenn der Zeuge Bi. nicht
das wirtschaftliche Risiko für die in diesem Prozeß geltend gemachten Forderungen übernommen hätte, habe er es doch zu vertreten, daß die Beklagte den Auftrag nicht habe durchführen können. Die von ihr nutzlos aufgewendeten Kosten überstiegen die vom Abnehmer erhaltene Teilvergütung von 15.068,01 rheblich. So seien allein Lagerungskosten in Höhe von "!# $ &%' )( +*' -, . . /10 2 3 1 4 5 6 7 1.380,50 Aufrechnung erklärt.
4. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt : Die Beklagte habe ihre Berufung nicht in der gesetzlichen Form (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO n.F.) begründet. Ihre Berufungsbegründung enthalte auch bei wohlwollender Ausdeutung weder die Bezeichnung der Umstände , aus denen die Rechtsverletzung sich ergebe und auf welcher das angefochtene Urteil beruhe, noch die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründeten und deshalb eine erneute Feststellung geböten , noch die Bezeichnung der neuen Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen , aufgrund derer diese zuzulassen seien. Das Vorbringen, die Beklagte und der Ehemann der Klägerin hätten entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur eine Fälligkeitsabrede getroffen, sondern der Ehemann der Klägerin habe ausdrücklich das wirtschaftliche Risiko für das Fehlschlagen des Geschäfts übernommen, stelle nicht die Rüge dar, das Landgericht habe das Recht auf den ihm unterbreiteten Sachverhalt falsch angewandt, sondern, wie die Bezugnahme auf Zeugenbeweis zeige, tatsächliches Vorbringen, wie die Berufungsbegründung sich insgesamt darin erschöpfe, das Vorbringen erster
Instanz zu konkretisieren und zu erweitern, ohne Angabe der Folgen, die sich nach neuem Berufungsrecht daraus ergeben sollten.
Hiergegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.


Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig; zumindest erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hier eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Die Beschwerde ist auch begründet. Ob der angegriffene Beschluß bereits deswegen aufzuheben wäre, weil das Berufungsgericht vor seiner Entscheidung der Beklagten nicht das erforderliche rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt hat, wie die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf den in NJW 1994, 392 veröffentlichten Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - meint, mag dahinstehen. Jedenfalls überspannt das Berufungsgericht die inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung nach dem neuen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
1. Das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses hat die Struktur der Berufung geändert. Sie kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur noch darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder daß nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Die Berufung dient damit jetzt primär der Fehlerkontrolle und -beseitigung (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 14/4722 S. 61, 64, 94) und ähnelt darin - wenn auch eingeschränkt - der Revision (§ 545 Abs. 1 ZPO). Das kommt auch in der Verweisung auf eine sonst nur für das Revisionsverfahren geltende Vorschrift (§ 546 ZPO) zum Ausdruck.
Die Umgestaltung der Berufungsinstanz zu einem Instrument der Fehlerkontrolle hat zugleich die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbe- gründung modifiziert und teilweise präzisiert. Während die Berufungsbegründung bisher ohne Differenzierung zwischen den möglichen Berufungsangriffen "die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung" sowie der neu anzuführenden Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten mußte (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.), unterscheidet § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO jetzt zwischen den nach der Reform zulässigen Berufungsgründen und bestimmt dafür jeweils unterschiedliche Mindestanforderungen an die Rechtsmittelbegründung. Geht es - was im Streitfall allein in Betracht kommt - um die (sachliche) Rüge eines Rechtsverstoßes, so verlangt § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO "die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt". Die Vorschrift bleibt darin nur wenig hinter den heutigen Voraussetzungen einer Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO zurück, die dem Revisionskläger zusätzlich lediglich die "bestimmte" Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, abverlangt. Wie dort ist deshalb - insoweit in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht - die auf den Streitfall zugeschnittene Darlegung notwendig, in welchen Punkten und aus welchen materiellrechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. etwa Senatsurteil BGHZ 143, 169, 171; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - X ZR 196/99 - NJW-RR 2002, 209, 210). Die Berufungsbegründung erfordert aber weder die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm (MünchKomm/Rimmelspacher, ZPO, 2. Aufl. Aktualisierungsband , § 520 Rn. 50; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 520 Rn. 31; für die Revisionsbegründung : BGH, Urteil vom 19. Oktober 1989 - I ZR 22/88 - NJW-RR
1990, 480, 481; MünchKomm/Wenzel, § 551 Rn. 20) noch die Schlüssigkeit oder jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen (Meyer-Seitz in Hannich /Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 520 Rn. 12; MünchKomm /Rimmelspacher aaO; Musielak/ Ball, § 520 Rn. 33; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rn. 34; zum bisherigen Recht: Senatsurteil vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98 - NJW 1999, 3126; BGH, Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - NJW 2002, 682; Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 302/99 - NJW-RR 2002, 1608 m.w.N.; st. Rspr.; a.A. zum neuen Recht: LG Stendal NJW 2002, 2886, 2887; Schellhammer, MDR 2001, 1141, 1143; widersprüchlich Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 61. Aufl., § 520 Rn. 23: Der Berufungskläger müsse mindestens einen der gesetzlichen Berufungsgründe schlüssig darlegen, es sei aber unerheblich, ob die Begründung schlüssig oder rechtlich haltbar sei).
2. Diesen Maßstäben genügt ersichtlich die Berufungsbegründung der Beklagten. Sie erschöpft sich keineswegs darin, wie das Berufungsgericht meint, das tatsächliche Vorbringen der Beklagten aus erster Instanz zu konkretisieren und zu erweitern, sondern enthält in mehrfacher Hinsicht die nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen rechtlichen Angriffe gegen das landgerichtliche Urteil. Das ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte eine Auftragserteilung an die Klägerin sowie an den Zeugen Bi. bestreitet und hiermit die Grundlage des vom Landgericht angenommenen Klageanspruchs (§ 670 BGB) leugnet. Ferner wendet sich die Berufungsbegründung, was das Berufungsgericht verkennt, auch aus Rechtsgründen gegen die Auslegung des Landgerichts, die Parteien hätten statt der von der Beklagten behaupteten Risikoübernahme durch den Zeugen Bi. lediglich eine Fälligkeitsabrede getroffen. Schließlich wird in dem Schriftsatz mit näherer Begründung eine Schlechterfüllung des
Auftrags durch den Zeugen Bi. gerügt und dabei - wenngleich ohne Be- zeichnung einer Rechtsvorschrift - geltend gemacht, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft eine Verantwortlichkeit der Klägerin oder des Zeugen Bi. für die behaupteten Schäden verneint. Eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung setzt indes, wie ausgeführt, nicht voraus, daß die inhaltlich als verletzt gerügten Normen konkret benannt sind oder daß die rechtlichen Angriffe eindeutig von der - nicht notwendigen, aber auch nicht schädlichen - Wiederholung des Sachverhalts abgesetzt werden.
3. Demzufolge ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Der Senat hat hierbei von der Möglichkeit des § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO Gebrauch gemacht.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 81/04
vom
18. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Auch nach neuem Recht (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F.) muss, wenn das Erstgericht
die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere
voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt
hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher
für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht
trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2005 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. November 2004 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Beschwerdewert: 445.000 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Beklagte, die eine Klinik betreibt, nach zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat sowohl einen Behandlungsfehler als auch ein Aufklärungsverschulden verneint, ferner die Kausalität etwaiger Fehler für das Leiden des Klägers. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2003 begründet. Der Schriftsatz enthält keinen Berufungsantrag. Er befasst sich mit der Indikation für den vorgenommenen Eingriff und mit der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht.
2
Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
4
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
5
Ob die Berufungsbegründung die nach § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlichen Anträge mit der gebotenen Deutlichkeit enthalte, könne dahinstehen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass der Berufungsführer mit seiner Berufung den erstinstanzlich gestellten Sachantrag weiterverfolge. Über die entsprechende Rüge der Beklagten müsse indes nicht entschieden werden, denn die Berufung sei bereits deshalb unzulässig, weil es an der nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergäben, fehle. Das Landgericht habe unter Verwertung des schriftlichen Gutachtens ausgeführt , dass es nicht darauf ankomme, ob die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, denn eine fehlende Aufklärung habe sich deshalb nicht ausgewirkt, weil es gerade nicht zu einer Nervläsion gekommen sei und die Schäden des Klägers aller Voraussicht nach auf einer so genannten Konversionsneurose beruhten , die bereits präoperativ mehrfach Ausdruck gefunden habe.
6
Diese Ausführungen habe der Kläger nicht ansatzweise angegriffen. Hierzu habe er bereits durch die Urteilsausführungen deutlichen Anlass gehabt. Das Landgericht habe die Klageabweisung immerhin auf zwei Gründe gestützt, nämlich zum einen auf die erfolgte Aufklärung des Klägers über mögliche Schadensfolgen der Operationen durch den Zeugen Dr. S., zum anderen auf die fehlende Ursächlichkeit zwischen den Operationen, deren sachgemäße Durchführung nicht mehr in Frage stehe, und den Schadensfolgen. In einem solchen Fall liege eine hinreichende Berufungsbegründung nur vor, wenn beide Abweisungsgründe in für sich ausreichender Weise angegriffen würden; stelle der Berufungsführer nur einen der beiden Gründe in Frage, sei sein Rechtsmittel unzulässig. So liege der Fall hier. Mithin komme es auch nicht darauf an, ob andere Behandlungsvarianten möglich gewesen wären. Auch wenn dies so wäre , ändere das nichts daran, dass die Operation die bei dem Kläger eingetretenen Schadensfolgen nicht verursacht habe, wovon mangels Berufungsangriffs weiterhin auszugehen sei, so dass die Klage und somit auch die Berufung - unabhängig von der mangelnden Berufungsbegründung - auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben könnten.
7
2. Diese Ausführungen werfen, entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Auffassung, keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
8
Der Bundesgerichtshof hat bereits zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. entschieden , dass dann, wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen muss und daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen hat, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGHZ 143, 169, 171; Senats- urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - VersR 2002, 999, 1000 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00 - NJW-RR 2004, 641 ff., jew. m.w.N.). Der Grund dafür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist.
9
Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass sich insoweit für den Anwendungsbereich des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. abweichende Rechtsmaßstäbe ergeben könnten. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Dass der Rechtsmittelführer nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung Stellung nehmen muss, es vielmehr genügt, wenn die Berufungsgründe sich mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befassen und diesen in ausreichendem Maße behandeln, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, entspricht der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil aaO), ändert aber nichts daran, dass jeder von mehreren Klageabweisungsgründen angegriffen werden muss.
10
3. Im vorliegenden Fall erfordert auch nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; eine Rechtsfortbildung scheidet erkennbar aus).
11
a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen insoweit relevanten Rechtsfehler erkennen. Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass ein ohne genügende Aufklärung vorgenommener medizinischer Eingriff rechtswidrig sei, hilft hier nicht weiter. Das Berufungsgericht versteht die Ausführungen in dem Urteil des Landgerichts dahin, dass ein Kausalzusammenhang zwischen etwaigen Aufklärungsversäumnissen und den Leiden, die Grundlage der Klage- forderung sind, nicht bestehe. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, inwiefern dies rechtsfehlerhaft sein könnte.
12
b) Angesichts dessen erfordern die Ausführungen des Berufungsgerichts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Tatsache, dass der Kläger Fehler so- wohl bei der Aufklärung über Behandlungsalternativen als auch bei der Aufklärung über das Risiko des Eingriffs behauptet, in Erwägung gezogen; es hält diesen Vortrag aber im Hinblick auf die Kausalitätszweifel für nicht durchgreifend.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 19.06.2003 - 6 O 133/02 -
KG Berlin, Entscheidung vom 29.11.2004 - 20 U 188/03 -

(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen.

(2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. § 544 Absatz 8 Satz 3 bleibt unberührt. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Revisionskläger erhebliche Gründe darlegt; kann dem Revisionskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Revisionsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar:
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Ist die Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden, kann zur Begründung der Revision auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden.

(4) § 549 Abs. 2 und § 550 Abs. 2 sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden.

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)