Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 346/02

bei uns veröffentlicht am14.11.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 346/02 Verkündet am:
14. November 2003
Wilms
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Käufer, der als Rechtsnachfolger in die Rechte des Verkäufers aus einer
Baugenehmigung eingetreten ist, kann die Stellplatzablösesumme, die diesem
wegen Erlöschens der Baugenehmigung erstattet worden ist, nicht herausverlangen.
BGH, Versäumnis-Urteil v. 14. November 2003 - V ZR 346/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Kassel
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 11. April 2001 zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war Eigentümerin des Grundstücks H. Straße 23 in K. . Am 20. Dezember 1991 erhielt sie die Genehmigung zur Errichtung eines Appartment-Hotels. Die Genehmigung war mit einer Stellplatzauflage verbunden, die zum Teil durch Zahlung abgelöst werden konnte. Aufgrund einer Vereinbarung vom 22. Juli 1992 zahlte die Beklagte eine Ablösesumme von 175.950 DM an die Stadt. Mit notariellem Vertrag vom 14. September 1994 verkaufte sie das Grundstück, auf dem die Bauarbeiten aufgenommen worden waren, für 1.802.700,01 DM an den Kläger. Dieser hatte sich mit der Absicht getragen, den Bau als Wohn-, Büro- und Geschäftshaus weiterzuführen, nahm aber im Hinblick auf die Entwicklung des Immobilienmarktes am Ort von der Baumaßnahme Abstand. Die Stadt zahlte die Ablösesumme nach Erlöschen der Baugenehmigung an die Beklagte zurück.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung in Höhe der Ablösesumme in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 165.950 DM stattgegeben.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Auffassung, in ergänzender Auslegung des Kaufvertrags der Parteien sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Rechte aus der mit der Stadt getroffenen Ablösevereinbarung an den Kläger abzutreten. Nach Rückerstattung habe sie die Summe an diesen weiterzugeben. Da der Kläger mit Erwerb des Eigentums in die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Rechte eingetreten sei, sei ihm die Ablösesumme zugute gekommen. Ein gesonderter Ausgleich hierfür sei im Kaufvertrag nicht vorgesehen gewesen. Dies spreche dafür, daß die Beklagte ihm bei Nichtausführung des Baus den Rückerstattungsanspruch zu überlassen habe. Anderenfalls würde das ausgewogene Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, das zu vermuten sei, durchbrochen.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

II.


1. Der Rückzahlung der Ablösesumme an die Beklagte durch eine ergänzende Auslegung des Kaufvertrags der Parteien Rechnung zu tragen, ist nicht möglich. Eine ergänzende Auslegung kann das Gericht nicht bereits dann vornehmen, wenn ein Vertrag einen Punkt, der sich im Streitfall als erheblich erweist, offen läßt. Erforderlich ist vielmehr eine planwidrige Lücke des Vereinbarten (BGHZ 77, 301, 304; 127, 138, 142). Sie ist dadurch gekennzeichnet,
daß die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist (BGH, Urteil vom 20. März 1985, VIII ZR 64/84, NJW 1985, 2581 f.). Die Lücke tritt in diesen Fällen in einem Bereich auf, den die Parteien als regelungsbedürftig angesehen haben (Senatsurteil vom 14. Januar 2000, V ZR 416/97, BGHR BGB § 157, Ergänzende Auslegung 23); das Ergänzungsbedürfnis entsteht innerhalb der wirklich gewollten Vereinbarungen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 63/90, BGHR aaO, Ergänzende Auslegung 14). Die Lücke muß zwar nicht von Anfang an bestanden haben, sie kann auch, was hier allein in Frage kommen könnte, infolge nachträglicher Umstände eingetreten sein (BGH, Urteil vom 19. Juni 1980, III ZR 182/78, NJW 1981, 219, 220). Im Gegensatz zu den Grundsätzen über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die einer Anpassung des Gewollten an die Wirklichkeit oder dessen Liquidation bei Scheitern der Anpassung dienen, geht es bei der ergänzenden Vertragsauslegung, auch soweit sie durch nachträgliche Umstände veranlaßt ist, darum, den in dem Vereinbarten zutage tretenden Planvorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr Ansatzpunkt besteht daher in der Ermittlung dessen, was die Parteien (bei angemessener Abwägung ihrer Interessen und als redliche Vertragspartner) zur Schließung der Lücke selbst unternommen hätten (hypothetischer rechtsgeschäftlicher Wille; BGHZ 90, 69, 77; 127, 138, 142).
Den Feststellungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, daß der Kaufvertrag der Parteien rechtlich auf einen über den Leistungsaustausch hinausgehenden Erfolg gerichtet gewesen wäre. Mit Erwerb des Eigentums an dem Grundstück rückte der Kläger allerdings, wovon das Berufungsgericht nach § 61 Abs. 8 HBO ausgeht, der "für Rechtsnachfolgerinnen und
Rechtsnachfolger" die Geltung der Verwaltungsakte anordnet, in die Rechtsstellung der Beklagten als Adressatin der Baugenehmigung ein. Dieses unmittelbar auf gesetzlicher Anordnung, nur mittelbar auf vertraglicher Gestaltung beruhende Ergebnis mag zwar, wozu Feststellungen allerdings fehlen, vom vertraglichen Regelungszweck erfaßt worden sein. Jeder Anhaltspunkt fehlt aber dafür, daß dem Kläger mehr als die rechtliche Möglichkeit, das Bauvorhaben unter Ausnutzung der Stellplatzablösung durchzuführen, geboten werden sollte. Ob er hiervon Gebrauch machte oder nicht, lag allein in seiner durch das Eigentum begründeten Befugnis, mit dem Baugrundstück nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB). Im übrigen konnte auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen noch nicht einmal davon ausgegangen werden, daß dem Kläger die rechtlich gesicherte Möglichkeit verschafft werden sollte, die von ihm, abweichend von den genehmigten Plänen (Hotel), beabsichtigte Bebauung (Wohn-, Büro- und Geschäftshaus) unter Ausnutzung der Stellplatzablösung zu verwirklichen. Auch der Kläger ging, wie die vorgelegte Korrespondenz mit der Stadtverwaltung zeigt, davon aus, daß zur Verwirklichung seines Vorhabens eine Änderungsgenehmigung erforderlich war. Aus der Feststellung des Berufungsgerichts , daß für die Parteien bei Kaufabschluß kein Anlaß bestanden habe, "über eine mögliche Rückerstattung des Ablösebetrages bei Nichtbebauung des Grundstücks nachzudenken", kann somit nicht gefolgert werden, ihre Vereinbarung sei lückenhaft.
2. Auch eine Anpassung des Kaufvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Frage. Geschäftsgrundlage, wenn nicht Vertragsinhalt (dazu oben zu 1.), mag die Möglichkeit des Klägers gewesen sein, die Rechte aus der Baugenehmigung vom 20. Dezember 1991 auszuüben. Dafür, daß nach den beiderseitigen oder für die jeweilige Gegenseite erkenn-
baren Vorstellungen der Parteien der gemeinsame Geschäftswille darauf beruht hätte, daß der Kläger von der erworbenen öffentlich-rechtlichen Stellung auch Gebrauch machte und sich so den Vorteil der Stellplatzablösung sicherte (BGHZ 128, 230, 236), sind keine Anhaltspunkte gegeben. Die vom Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung erörterten Umstände geben hierfür nichts her. Bei der Prüfung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung übersieht das Berufungsgericht, daß die Leistung der Beklagten sich darauf beschränkte, dem Kläger mit dem Eigentum die Möglichkeit zu verschaffen, die Baugenehmigung mit Stellplatzablösung zu nutzen. Der Umstand, daß er hiervon aus in seinem Bereich liegenden Gründen absah, führt nicht zu einer Äquivalenzstörung. Schon gar nicht würde dies gelten, wenn die Stellplatzablösung, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, nicht einmal Eingang in die Kaufpreiskalkulation der Beklagten gefunden hätte.
Wenzel Tropf Lemke
Gaier Schmidt-Räntsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 346/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 346/02

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 313 Störung der Geschäftsgrundlage


(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 903 Befugnisse des Eigentümers


Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die be
Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 346/02 zitiert 5 §§.

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Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 346/02 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2000 - V ZR 416/97

bei uns veröffentlicht am 14.01.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 416/97 Verkündet am: 14. Januar 2000 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 346/02.

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juli 2004 - V ZR 209/03

bei uns veröffentlicht am 02.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 209/03 Verkündet am: 2. Juli 2004 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2004 - V ZR 225/03

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 225/03 Verkündet am: 13. Februar 2004 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Apr. 2008 - X ZR 150/05

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Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 416/97 Verkündet am:
14. Januar 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
BGB §§ 157 D, 433 Abs. 2
Sind die Parteien irrtümlicherweise übereinstimmend davon ausgegangen, daß der
Kaufvertrag über Bergwerkseigentum nicht der Umsatzsteuer unterliegt, kann die
Frage, wer die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer zu tragen hat, einer ergänzenden
Vertragsauslegung zugänglich sein.
BGH, Urt. v. 14. Januar 2000 - V ZR 416/97 - Kammergericht
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Tropf und Schneider

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. Oktober 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 4. Oktober 1991 kaufte die damals noch in Gründung befindliche Klägerin von der Treuhandanstalt, die nunmehr unter dem Namen der Beklagten handelt, das Bergwerkseigentum zweier Bergfelder für den Bodenschatz "Kiese und Kiessande" zum Preis von 2.500.000 DM. Nach Erteilung der erforderlichen Genehmigungen wurde der Kaufpreis bezahlt ; Übergabe, Nutzung und Lastentragung sind erfolgt.
Mit Schreiben vom 4. August 1993 forderte die Klägerin von der Treuhandanstalt eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der nach ihrer Auffassung im vereinbarten Kaufpreis enthaltenen Umsatzsteuer. Nachdem das Finanzamt der Treuhandanstalt in anderer Sache mit Schreiben vom 19. November 1993 mitgeteilt hatte, daß die entgeltliche Übertragung von Bergwerkseigentum umsatzsteuerbar und umsatzpflichtig sei, erteilte die Treuhandanstalt mit Schreiben vom 22. März 1994 der Klägerin eine Rechnung über netto 2,5 Mio. DM zuzüglich 14 % Umsatzsteuer, insgesamt 2,85 Mio. DM und forderte sie zur Zahlung der (weiteren) 350.000 DM auf. Ein Angestellter der Klägerin überwies ohne Anweisung der Geschäftsführung diesen Betrag am 12. April 1994 an die Treuhandanstalt, die ihn an das zuständige Finanzamt weiterleitete. Mit der Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung der nach ihrer Auffassung zu Unrecht von der Beklagten geforderten und von ihr gezahlten Umsatzsteuer von 350.000 DM sowie die Erteilung einer Rechnung über einen Kaufpreis von 2.192.982,50 DM zuzüglich 307.017,55 DM Mehrwertsteuer. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat im wesentlichen Erfolg gehabt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält einen Rückforderungsanspruch der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB sowie einen Anspruch auf Rechnungs-
stellung mit Umsatzsteuerausweis gemäß § 14 Abs. 1 UStG für begründet. Die Zahlung von 350.000 DM Umsatzsteuer sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Eine Zahlungspflicht der Klägerin folge weder aus dem Vertrag noch aus einer an §§ 133, 157 BGB orientierten Auslegung der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen noch aus einem Handelsbrauch. Eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zugunsten der Beklagten scheitere schon daran, daß der von ihr behauptete beiderseitige Irrtum für sie weder unvermeidbar noch unvorhersehbar gewesen sei. Auch eine im Wege der Vertragsergänzung auszufüllende Regelungslücke im Sinne des § 9 Ziff. 2 Satz 3 der Kaufurkunde liege nicht vor. Selbst wenn die getroffene Regelung unbillig sei, habe sich die Verkäuferin lediglich wegen falscher Einschätzung der Umsatzsteuerpflicht verkalkuliert.

II.


Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis nicht stand.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß ein vereinbarter Kaufpreis grundsätzlich auch die hierauf zu entrichtende Umsatzsteuer mit einschließt , falls nicht etwas anderes vereinbart wurde oder sich ein abweichender Handelsbrauch entwickelt hat (BGHZ 58, 292 ff, 295 m.w.N.; 60, 199 ff, 203 m.w.N.; 103, 284 ff, 287; 115, 47 ff, 50).
2. Ohne Rechtsfehler vertritt es auch die Auffassung, daß die Parteien die Frage, wer eine etwaige Umsatzsteuer zu tragen hat, nicht ausdrücklich geregelt haben. Zwar wendet sich die Revision zu Recht gegen die Auslegung des Berufungsgerichts, schon der gewählte Vertragswortlaut "der Kaufpreis für
das Bergwerkseigentum beträgt insgesamt DM 2.500.000" spreche für eine abschließende Regelung. Denn der verwendete Begriff "insgesamt" bezieht sich erkennbar nur auf die aufgeschlüsselten Kaufpreisteile von 0,6 Mio DM und 1,9 Mio. DM für die beiden verkauften Bergfelder. Unstreitig haben die Parteien jedoch über die Frage, wer eine Umsatzsteuer zu tragen hat, nicht verhandelt. Die Beklagte macht vielmehr geltend, der Vertrag sei in der beiderseitigen Annahme geschlossen worden, das vereinbarte Rechtsgeschäft unterliege nicht der Umsatzsteuerpflicht. Dann aber kommen außerhalb des Erklärungsaktes liegende Umstände, die im Rahmen der Auslegung den zwingenden Rückschluß auf eine gewollte Überwälzung der Umsatzsteuerpflicht auf die Klägerin zuließen, nicht in Betracht. Die in § 5 Ziff. 1 des Kaufvertrags enthaltene Freistellungsverpflichtung der Käuferin betrifft nur die Pflichten der Käuferin im Rahmen der Nutzung und Wiedernutzbarmachung des Bergwerkeigentums , nicht den steuerlichen Aspekt.
3. Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß dem Vertrag eine Regelung auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entnommen werden kann. Zwar ist es richtig, daß die hierzu erforderliche Lücke nicht daraus hergeleitet werden kann, daß sich die getroffene Preisabsprache als unbillig erweist. Wohl aber sind die Voraussetzungen für die ergänzende Vertragsauslegung dann gegeben, wenn der Vortrag der Beklagten zutrifft, nach dem die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, daß der Kaufvertrag nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliege. Denn in diesem Fall haben die Parteien die Frage, wer die Umsatzsteuer zu tragen hat, an sich als regelungsbedürftig angesehen, ihre Regelung aber als unerheblich erachtet. Es liegt dann kein in ihre Risikosphäre fallender einseitiger Kalkulationsirrtum der Beklagten, sondern eine Regelungslücke vor, die im Wege der
ergänzenden Auslegung zu schließen ist. Dies geht den Grundsätzen der Anpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei einem gemeinschaftlichen Kalkulationsirrtum (vgl. BGH, Urt. v. 4. April 1973, VIII ZR 191/72, WM 1973, 677, 679; BGH, Urt. v. 18. November 1975, VI ZR 153/73, DB 1976, 234 ff, 235; BGH, Urt. v. 14. Dezember 1977, VIII ZR 34/76, WM 1978, 91 ff = JR 1978, 237 m. Anm. Ohlsen = MDR 1978, 834 m. Anm. Weiß; Palandt/ Heinrichs 58. Aufl. § 242 Rdn. 150 m.w.N.; Soergel/Teichmann 12. Aufl. § 242 Rdn. 237 m.w.N.; Knapp, Einfluß nicht erwarteter steuerlicher Folgen auf Schenkungen, BB 1979, 1207 ff) vor. Die von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 4. April 1973 (VIII ZR 191/72, WM 1973, 677) steht nicht entgegen, weil dort die Parteien die Auswirkungen des UStG 1967 auf die Vertragsabwicklung, d.h. die aktuelle steuerrechtliche Behandlung des Vorgangs, gerade nicht bedacht haben. Hier haben sie sie nach dem Vortrag der Beklagten dagegen bedacht, jedoch übereinstimmend falsch eingeschätzt. Hätten sie sich insoweit aber nicht geirrt, hätten sie bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner den Kaufpreis als Nettokaufpreis ausgewiesen , weil dies die Klägerin im Hinblick auf ihre Vorsteuerabzugsberechtigung wirtschaftlich im Ergebnis nicht nachteilig belastet und eine andere Regelung der Beklagten nicht zugemutet werden könnte.
Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu würdigen haben, daß die Klägerin eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis von der Beklagten erst mit zeitlicher Verzögerung verlangte und den Vorsteuerabzug erst aufgrund steuerrechtlicher Beratung geraume Zeit nach Vertragsschluß durchführte.

Wenzel Vogt Lambert-Lang Tropf Schneider

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.