Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2007 - VI ZR 182/06

bei uns veröffentlicht am06.11.2007
vorgehend
Landgericht Bamberg, 2 O 744/04, 18.11.2005
Oberlandesgericht Bamberg, 3 U 356/05, 02.08.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 182/06 Verkündet am:
6. November 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 852 (Fassung bis 31. Dezember 2001)
Der Umstand, dass sich der Geschädigte erfolglos um die Rückzahlung einer Geldanlage
bemüht hat, führt auch dann nicht zu der für den Beginn der Verjährung erforderlichen
Kenntnis von den Tatbestandsmerkmalen der schädigenden Handlung
(hier: Betrug, § 263 StGB), wenn der Geschädigte vermutet, dass das Geld nicht in
der vereinbarten Anlageform verwendet worden ist.
BGH, Urteil vom 6. November 2007 - VI ZR 182/06 - OLG Bamberg
LG Bamberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. November 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 2. August 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 1 zurückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt vom Beklagten zu 1 (künftig: Beklagter) Schadensersatz für den Verlust einer Geldanlage.
2
Sie schloss am 17. August 1998 durch Vermittlung des Johann K. mit der GVP Finance (Suisse) S.A. (künftig: GVP) einen "Vermögensverwaltungsver- trag und Treuhandauftrag", mit dem sie 55.000,00 DM bei der GVP anlegte. Die Überweisung des Anlagebetrages erfolgte auf das Konto des Beklagten zu 1 bei der Banque et Caisse d'Épargne de l'État in Luxemburg. Die Gewinne von 8,25 % Verzinsung jährlich nebst einem Jahresbonus von 2,75 % sollten durch Nutzung der Differenz zwischen den Kapitalmarktzinsen erwirtschaftet werden.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 31. Januar 2001 kündigte die Klägerin die Verträge. Eine Rückzahlung der Anlage erfolgte nicht.
4
Der Beklagte war Treuhänder der GVP sowie einer GVP Vermögensberatung GmbH und Geschäftsführer einer GVP Service s.a.r.l. Er wurde mit Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 3. Juni 2004, rechtskräftig seit 31. Mai 2005, wegen Betrugs in neun Fällen sowie eines Betrugs in 432 tateinheitlich begangenen Fällen und wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegenstand der Verurteilungen waren keine Straftaten zu Lasten der Klägerin; soweit solche angeklagt waren, sind sie im Verlauf des Strafverfahrens gemäß § 154 Abs. 1, 2 StPO eingestellt worden.
5
Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er habe zusammen mit dem Geschäftsführer zahlreicher GVP-Unternehmen, G., ein Schneeballsystem aufgebaut , dessen Opfer sie geworden sei. Die Gelder der Anleger seien dabei gezielt zweckentfremdet, die Neuanlagen seien für die Zahlung von Renditen und Boni der alten Anleger, für Verluste der GVP-Unternehmensgruppe, Betriebsausgaben und für persönliche Zwecke u.a. des Beklagten verbraucht worden. Ihre Kündigung vom 31. Januar 2001 sei erfolgt, weil ihr gerüchteweise Machenschaften der GVP bekannt geworden seien.
6
Sie begehrt die Anlagesumme in Höhe von 28.121,05 €, nicht ausgeschüttete Zinsen und den jeweiligen Jahresbonus für die Zeit vom 15. September 1998 bis 31. Januar 2001, entgangene Erträge von der Kündigung bis zum 1. August 2004 (Zinsen und Jahresbonus) sowie Rechtsverfolgungskosten , insgesamt 51.611,53 €.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin die behaupteten unerlaubten Handlungen des Beklagten nicht bewiesen habe. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil Ansprüche der Klägerin jedenfalls verjährt seien. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

8
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, vertragliche Beziehungen hätten nur zwischen der Klägerin und der GVP bestanden. Ein Anspruch der Klägerin aus einem TreuhandVertrag des Beklagten mit der GVP könne zwar bestehen, wenn der Beklagte für die Klägerin erkennbar als Mittelverwendungstreuhänder eingeschaltet gewesen oder ihr gegenüber als solcher aufgetreten sei. Letztlich könne das jedoch dahinstehen, weil der Beklagte sich erfolgreich auf Verjährung berufe. Die Verjährungsfrist für etwaige vertragliche Ansprüche der Klägerin betrage seit dem 1. Januar 2002 drei Jahre. Am 1. Januar 2002 habe die Klägerin bereits Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners gehabt. Die Kenntnis vom Schaden (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) habe die Klägerin spätestens im Jahre 2001 erlangt, als eine Rückzahlung ihrer Anlagegelder nach der Kündigung vom 31. Januar 2001 nicht erfolgt sei. Kenntnis vom Schädiger habe sie bereits im Zeitpunkt der Zahlung des Anlagebetrages auf das Konto des Beklagten gehabt; ihr sei aufgrund einer Mitteilung der GVP vom 27. August 1998 auch bekannt gewesen, dass dieses Konto ein Treuhandkonto gewesen sei. Mit Ablauf des 31. Dezember 2004 sei daher die Verjährungsfrist abgelaufen. Die am 17. Dezember 2004 eingereichte Klage habe die Verjährung nicht gehemmt. Sie sei erst am 16. Februar 2005, also nicht "demnächst" zugestellt worden.
9
Auch deliktische Ersatzansprüche der Klägerin wegen Beihilfe des Beklagten zur Untreue (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB) nach einer abredewidrigen Verwendung der eingezahlten Beträge seien verjährt. Es sei zwar unschädlich, dass das Strafurteil des Landgerichts Darmstadt vom 3. Juni 2004 zum Geldfluss des von der Klägerin eingezahlten Betrages keine Feststellungen getroffen habe. Insoweit habe der Beklagte darlegen müssen , dass er das eingezahlte Geld der Klägerin entsprechend den Vereinbarungen der Klägerin mit der GVP verwendet habe. Mangels einer solchen Darlegung gehe das Berufungsgericht davon aus, dass auch das von der Klägerin gezahlte Geld veruntreut worden sei und der Beklagte hierzu jedenfalls Beihilfe geleistet habe. Die Klägerin habe bereits Anfang 2001 Kenntnis vom Schaden und vom Schädiger gehabt, denn sie habe gewusst, dass sie das Geld auf das Konto des Beklagten eingezahlt habe und eine Rückzahlung trotz Kündigung nicht erfolgt sei. Auch müsse sie sich die Kenntnis ihrer im Dezember 2000 beauftragten Prozessbevollmächtigten in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Diesen sei im Zusammenhang mit anderen Mandatsverhältnissen bekannt geworden, dass der Beklagte das auf sein Konto geflossene Geld der Anleger nicht in der zugesagten Anlageform verwendet, sondern einem Schneeballsystem zugeführt habe. Das sei ausreichend für den Beginn der Verjährungsfrist spätestens im Frühjahr 2001 gewesen. Der Klägerin sei es zumutbar gewesen, zumindest eine Feststellungsklage zu erheben.

II.

10
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durfte das Berufungsgericht die Klage nicht mit der Begründung abweisen, die Ansprüche der Klägerin seien verjährt.
11
1. Das Berufungsgericht nimmt an, deliktische Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB seien verjährt. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Frage des Verjährungsbeginns nach dem vor dem 1. Januar 2002 geltenden Recht zu beurteilen ist (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).
13
b) Die Revision wendet sich nicht gegen die ihr günstige Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zustehe.
14
c) Mit Recht geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass es für den Beginn der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB a. F. darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat (vgl. Senat, Urteile vom 8. Januar 1963 - VI ZR 35/62 - VersR 1963, 285, 286; vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - VersR 2004, 123; RGRK/Kreft, BGB, 12. Aufl., § 852 Rdn. 64).
15
§ 852 Abs. 1 BGB a. F. verlangt nicht die Kenntnis des Schadensvorgangs in allen Einzelheiten. Für den Verjährungsbeginn reicht im Allgemeinen eine solche Kenntnis aus, die es dem Geschädigten erlaubt, eine hinreichend aussichtsreiche - wenn auch nicht risikolose - Feststellungsklage zu erheben. Erforderlich ist, dass der Geschädigte über einen Kenntnisstand verfügt, der ihn in die Lage versetzt, eine auf eine deliktische Anspruchsgrundlage gestützte Schadensersatzklage schlüssig zu begründen (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - VersR 1995, 551, 552 m.w.N.).
16
aa) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin Kenntnis vom Schaden spätestens im Jahre 2001 erlangt, nachdem ihr der Vermittler K. mitgeteilt hatte, dass "bei der GVP nichts mehr zu holen" sei und auf ihre Kündigung vom 31. Januar 2001 eine Rückzahlung des Anlagebetrages nicht erfolgt war.
17
bb) Sie hatte damals aber keine Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen. Das Berufungsgericht bejaht diese Kenntnis zwar deshalb, weil die Klägerin gewusst habe, dass sie den Anlagebetrag auf das Konto des Beklagten eingezahlt habe, und auch deshalb, weil sie sich in Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müsse. Das hält rechtlicher Prüfung jedoch nicht stand.
18
(a) Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin Geld auf das Konto des Beklagten eingezahlt hat, ergibt sich nichts dafür, dass sie dessen Namen und Anschrift so genau kannte, dass ihr eine Klageerhebung möglich war (vgl. zu den Voraussetzungen Senat, BGHZ 145, 358, 362 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2000 - VI ZR 345/99 - VersR 2001, 381, 382). Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
19
(b) Die Revision rügt auch mit Erfolg, eine Kenntnis der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin von den wesentlichen Tatumständen einschließlich des Verschuldens des Schädigers sei deren Schreiben vom 16. August 2000 an das Amtsgericht Darmstadt nicht zu entnehmen. Die Würdigung des Schreibens der früheren Klägervertreter obliegt zwar in erster Linie dem Tatrichter. Das Revisionsgericht kann sie nur darauf überprüfen, ob sie gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - VIII ZR 37/06 - VersR 2007, 1084). Diese Voraussetzungen liegen jedoch vor. Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung nicht beachtet, dass der Wortlaut des Schreibens der Klägervertreter seine Schlussfolgerung nicht trägt.
20
Das Schreiben enthält den Antrag des damaligen Antragstellers A. an das Insolvenzgericht, über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Dort schreibt der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin, "nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Darmstadt wurden die Gelder der Anleger jedoch nicht in der zugesagten Anlageform eingestellt bzw. die ausgezahlten Renditen und Boni sowie die Kapitalzahlungen von den Neuanlagen getätigt". Er teilt dann mit, dass der Beklagte "in diesem Zusammenhang" in Untersuchungshaft genommen worden sei und der Strafverteidiger erklärt habe, der Schuldner habe ihm gegenüber geäußert, er wisse nicht, wohin das Geld geflossen sei, er habe kein Geld und er wisse auch nicht, warum er in Untersuchungshaft genommen worden sei. Zahlungen könne er nicht leisten. Der Prozessbevollmächtigte vertritt dann die Ansicht, dass der Schuldner zahlungsunfähig sei; es hätten sich mehrere Geschädigte gemeldet, deren Forderungen zusammen mehrere Millionen DM ausmachten, und fährt fort: "Der Schuldner haftet den Gläubigern jedenfalls deliktisch wegen Betrugs und Veruntreuung". Diesem Wortlaut des Schreibens ist schon kein Anhaltspunkt für eine Kenntnis der ladungsfähigen Anschrift des Beklagten zu entnehmen; auch eine über eine Vermutung hinausgehende Kenntnis von Tatsachen, die einen Betrug oder eine Untreue des Beklagten zum Nachteil der Klägerin ergeben, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Allein der Umstand, dass der damalige Gläubiger sich so wie die Klägerin erfolglos um die Rückzahlung des Geldes bemüht hatte, vermag allenfalls das Tatbestandsmerkmal "Schaden" nahe zu legen.
21
Zu den weiteren Tatbestandsmerkmalen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 266, 27 StGB ist dem Schreiben ebenfalls nichts zu entnehmen, was auf eine Kenntnis der Klägerin oder ihres späteren Prozessbevollmächtigten hindeuten würde. Dass "nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Darmstadt die Gelder der Anleger … nicht in der zugesagten Anlageform eingestellt bzw. die ausgezahlten Renditen und Boni sowie die Kapitalrückzahlungen von den Neuanlagen getätigt wurden", begründet keine für eine Feststellungsklage ausreichende Kenntnis der Klägerin von Handlungen des Beklagten, die eine vom Berufungsgericht bejahte Beihilfe zur Untreue aufzeigten. Welche Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft gemeint waren, blieb offen und ist nicht festgestellt. Dass der Beklagte die von den Anlegern eingezahlten Gelder nicht in der zugesagten Anlageform verwendet, sondern einem "Schneeballsystem" zugeführt habe, war lediglich eine Vermutung aufgrund "erster Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft" und ist einer Tatsachenkenntnis nicht gleichzusetzen.
22
Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass der Beklagte darlegungspflichtig dazu wäre, wie der Geldfluss des von der Klägerin eingezahlten Betrages im Einzelfall gewesen sei und dass der Beklagte das Geld der Klägerin entsprechend seiner Vereinbarung mit der GVP weitergeleitet habe, durfte das Berufungsgericht nicht zu Lasten der Klägerin deren Kenntnis hiervon unterstellen und durfte auch nicht den Beginn der Verjährung daran anknüpfen. § 852 Abs. 1 BGB a. F. verlangt positive Kenntnis des Geschädigten, damit der Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird. Der bloße Verdacht steht einer Kenntnis nicht gleich. Das ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats seit langem anerkannt (vgl. Senat, Urteil vom 2. Februar 1960 - VI ZR 2/59 - VersR 1960, 365, 366). Erforderlich ist stets, dass der Geschädigte über einen Kenntnisstand verfügt, der ihn in die Lage versetzt, eine auf eine deliktische Anspruchsgrundlage gestützte Schadensersatzklage schlüssig zu begründen (vgl. Senat, Urteil vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - VersR 1995, 551, 552; BGH, BGHZ 102, 246, 248). Dafür genügt nicht die Kenntnis, dass der Beklagte Inhaber eines Kontos war, auf das ein Geschädigter anzulegende Gelder überwiesen hat, die er nicht zurückerhalten hat. Anders als in dem der Entscheidung des erkennenden Senats vom 15. Oktober 1991 (- VI ZR 280/90 - VersR 1992, 207 f.) zugrunde liegenden Sachverhalt, hatte hier die Klägerin auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen keine positive Kenntnis davon, dass der Beklagte die vereinnahmten Kundengelder entgegen einer vertraglichen Vereinbarung der Kunden mit der GVP nicht angelegt, sondern mit diesem Geld die ausgezahlten Renditen anderer Anleger und Kapitalrückzahlungen von Neuanlagen getätigt hatte.
23
Reichen mithin die im Schreiben vom 16. August 2000 erwähnten Umstände für eine positive Kenntnis nicht aus, so kann dahinstehen, ob sich die Klägerin eine Kenntnis ihrer späteren Prozessbevollmächtigten überhaupt zurechnen lassen müsste (vgl. Senat, Urteile vom 9. Februar 1955 - VI ZR 40/54 - VersR 1955, 234; vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88 - VersR 1989, 914; vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 280/90 - VersR 1992, 207; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92 - VersR 1993, 1358, 1362).
24
2. Auch soweit das Berufungsgericht vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten für verjährt hält, hält das einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte für möglich gehalten, diese Frage letztlich aber offen gelassen, weil es auch insoweit Verjährung angenommen hat. Das geht gleichfalls fehl.
25
a) Das Berufungsgericht erkennt, dass etwaige Ansprüche der Klägerin aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte am 1. Januar 2002 noch nicht verjährt waren (§§ 195, 198 BGB a. F.; Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Die Frist für die Verjährung etwaiger vertraglicher Ansprüche beträgt hiernach drei Jahre (§ 195 BGB n. F.) und könnte frühestens vom 1. Januar 2002 an gerechnet werden (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB).
26
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts begann der Lauf dieser Verjährungsfrist jedoch nicht mit dem 1. Januar 2002. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt zwar möglicherweise die erforderliche Kenntnis von der Person des Schuldners (wobei eine Kenntnis von dessen ladungsfähiger Anschrift bislang nicht festgestellt ist, vgl. Senat, BGHZ 145, 358, 362 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2000 - VI ZR 345/99 - aaO), nicht aber die erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen.
27
aa) Die Klägerin hat den Anlagebetrag nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf das Treuhandkonto des Beklagten eingezahlt. Kenntnis vom Schaden hat die Klägerin erlangt, als sie ihr Geld trotz Kündigung der Anlage am 31. Januar 2001 in der Folgezeit nicht zurückerhalten hat.
28
bb) Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen , aus welchem Grund bereits das Unterbleiben der Rückzahlung der Klägerin die Kenntnis davon verschafft haben soll, dass der Beklagte die ihm aus dem mit der GVP zugunsten der Klägerin abgeschlossenen Vertrag obliegenden Pflichten verletzt und dadurch den Schaden verursacht habe. Allein der Umstand , dass der Beklagte als Treuhänder für die GVP tätig war, reicht hierfür nicht aus, wenn der Beklagte nicht auch Treuhänder der Klägerin war. Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Wenn die Klägerin hiernach aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte berechtigt gewesen sein sollte, müsste sie den Inhalt des Vertrages zwischen dem Beklagten und der GVP gekannt haben, um Kenntnis von der Verletzung derjenigen Vorschriften zu haben , die ihren - der Klägerin - Schutz bewirken sollten; zugleich hätte sie Kenntnis von der Verletzung dieser Pflichten haben müssen. Dazu fehlen Feststellungen. Deshalb vermag der Senat auf der Grundlage der derzeitigen Feststellungen nicht davon auszugehen, dass auch etwaige vertragliche Schadensersatzansprüche der Klägerin verjährt sind.
29
3. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
30
Für den erneut eröffneten Berufungsrechtszug weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass es für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte nicht darauf ankommt, was die Vertragsparteien letztlich beabsichtigt haben , sondern darauf, wie ihre auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen nach dem objektiven Erklärungsgehalt zu verstehen sind. Ob ein rechtsgeschäftlicher Wille zur Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags besteht, hat der Tatrichter nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln. Er wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, ob ein treuwidrig entgegenstehender Wille der Vertragsparteien Beachtung finden kann. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Bamberg, Entscheidung vom 18.11.2005 - 2 O 744/04 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 02.08.2006 - 3 U 356/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2007 - VI ZR 182/06

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2007 - VI ZR 182/06 zitiert 12 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

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(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. (2) H

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 379/02 Verkündet am:
14. Oktober 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist ein Schädiger mehrerer Taten (hier: sexueller Mißbrauch) verdächtig, steht
es der für den Beginn der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. erforderlichen
positiven Kenntnis des Sozialversicherungsträgers (§ 116 SGB X) grundsätzlich
nicht gleich, wenn dieser die Beschuldigungen kennt und weiß, daß ein
Strafurteil ergangen und Revision eingelegt worden ist, er sich aber nicht danach
erkundigt, wer Revision eingelegt hat.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02 - OLG Schleswig
LG Lübeck
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 10. Oktober 2002 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte zu 2 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Wege des Schadensersatzes aus übergegangenem Recht gemäß § 116 SGB X Ersatz von Heilbehandlungskosten ihrer Versicherten S. für die Zeit vom 15. November 1993 bis 1. August 1994. Die am 6. September 1979 geborene S. verbrachte im Jahre 1993 einen Teil ihrer Sommer- und Herbstferien auf einem Reiterhof des Beklagten zu 2 (im folgenden : Beklagter), der sie in dieser Zeit mehrfach sexuell mißbrauchte. Wegen der erlittenen psychischen Beeinträchtigungen wurde S. in der Folgezeit ärztlich behandelt. Am 15. November 1993 erstattete sie Strafanzeige. Gegen den Beklagten wurde Haftbefehl erlassen. Er bestritt die gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Am 10. Dezember 1993 gab die Staatsanwaltschaft ein aussagepsychologisches Gutachten hinsichtlich der von S. erhobenen Beschuldigungen in Auftrag. Die Klägerin erhielt am 22. Februar 1994 – vor Eingang des Gutachtens - Einsicht in die Ermittlungsakte. Durch Urteil vom 8. August 1994 wurde der Beklagte wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision wurde am 27. Januar 1995 als unbegründet verworfen. Auf Anforderung vom 25. April 1996 erhielt die Klägerin am 28. Mai 1996 erneut Akteneinsicht. Mit ihrer im April 1999 erhobenen Klage hat sie den Beklagten auf Zahlung von 112.926,17 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der gegen den Beklagten gerichtete Klageanspruch sei verjährt. Die Klägerin, auf deren Kenntnis abzustellen sei, habe mehr als drei Jahre vor Klageerhebung den Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen gekannt. Zwar sei ihr eine Einschätzung des Wahrheitsgehalts der von S. erhobenen Vorwürfe nicht schon bei der am 22. Februar 1994 erfolgten Einsichtnahme in die strafrechtlichen Ermittlungsakten möglich gewesen, doch komme es darauf nicht an; denn Kenntnis im Sinne von § 852 Abs. 1 BGB a.F. sei auch dann anzunehmen, wenn der Geschädigte es versäumt habe, eine gewissermaßen auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen. Dies sei hier der Fall. Die Klägerin habe nämlich auf ihre Anforderung vom 16. August 1994 die Mitteilung erhalten, daß die Akten vorläufig nicht entbehrlich seien, weil Revision eingelegt worden sei. Wenn sie daraufhin bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt hätte, wer Revision eingelegt habe, wäre ihr der Beklagte als Revisionsführer benannt worden. Auf diese Weise hätte sie ohne besonderen Aufwand von seiner Verurteilung erfahren können. Die Kenntnis davon hätte zur Erhebung einer erfolgversprechenden, wenn auch nicht risikolosen Schadensersatzklage genügt.

II.

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht in jeder Hinsicht stand. Der Klageanspruch ist nicht verjährt. 1. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß es für den Beginn der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. darauf ankommt, zu wel-
chem Zeitpunkt die Klägerin von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erfahren hat. Dies entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach für die Verjährung eines gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Regreßanspruchs auf den Kenntnisstand des zuständigen Sachbearbeiters der jeweiligen Regreßabteilung abzustellen ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 133, 129, 138 ff. m.w.N.). 2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis nicht schon aufgrund ihrer Akteneinsicht am 22. Februar 1994 erlangt, ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht zu beanstanden. Nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. beginnt die Verjährung deliktischer Schadensersatzansprüche, wenn der Geschädigte positive Kenntnis vom Schaden einschließlich des Schadenshergangs und des Schädigers hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 198 und vom 18. Januar 2000 – VI ZR 375/98 – VersR 2000, 503, 504). Dabei reicht im allgemeinen eine solche Kenntnis aus, die dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage – sei es auch nur in Form der Feststellungsklage - erfolgversprechend , wenn auch nicht risikolos ermöglicht (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 31. Oktober 1989 – VI ZR 84/89 – VersR 1990, 167; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 57/89 - VersR 1990, 497 und vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94 - VersR 1995, 551, 552; BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 - IX ZR 363/97 - VersR 1999, 1149, 1150). Ob eine solche hinreichende Kenntnis aus dem Inhalt der strafrechtlichen Ermittlungsakten gewonnen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Das gilt auch für die Frage, ob es für die gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Kenntnis genügen kann, wenn im Ermittlungsverfahren ein dringender Tatverdacht gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO bejaht wird, der zum Erlaß eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten führt (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 280/90 - VersR 1992, 207 f.). Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei nach damaliger Akten-
lage eine Einschätzung des Wahrheitsgehalts der gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe noch nicht möglich gewesen, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, zumal sich zum damaligen Zeitpunkt aus der von der Klägerin eingesehenen Ermittlungsakte ergab, daß die Staatsanwaltschaft zur Bewertung der von S. erhobenen Vorwürfe eine aussagepsychologische Begutachtung für erforderlich hielt. 3. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, daß die Klägerin sich so behandeln lassen müsse, als wenn sie die erforderliche Kenntnis aufgrund ihrer Aktenanforderung vom 16. August 1994 erhalten hätte.
a) Soweit die Revision rügt, die Berücksichtigung dieses Akteneinsichtsgesuchs der Klägerin beruhe auf einem Verfahrensfehler, kann sie damit allerdings keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat nicht gegen den im Zivilprozeß geltenden Beibringungsgrundsatz verstoßen. Allerdings müssen die Zivilgerichte , wenn nicht das schriftliche Verfahren angeordnet worden ist, bei der Beurteilung des Sachverhalts von dem Sach- und Streitstand ausgehen, wie er sich in der letzten mündlichen Verhandlung ergeben hat. Was die Parteien darin vor dem Berufungsgericht vorgetragen haben, ist entsprechend § 314 Satz 1 ZPO dem Tatbestand des Berufungsurteils zu entnehmen, denn dieser erbringt zusammen mit dem Sitzungsprotokoll den Beweis für das mündliche Parteivorbringen , das gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1990 - IV ZR 64/89 - VersR 1990, 974). Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, ergibt sich aus dem unstreitigen Teil des angefochtenen Berufungsurteils, daß die Staatsanwaltschaft der Klägerin auf eine erneute Aktenanforderung vom 16. August 1994 mitgeteilt hat, die Akten seien wegen eingelegter Revision vorläufig nicht entbehrlich. Den Beweis der Richtigkeit dieser tatbestandlichen Feststellung hat die Klägerin nicht erschüttert.

b) Die auf die Aktenanforderung vom 16. August 1994 erfolgte Antwort der Staatsanwaltschaft führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht zu einer Erkundigungspflicht der Klägerin, wer Revision eingelegt habe. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der grundsätzlich erforderlichen positiven Kenntnis ausnahmsweise eine auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit gleichstehen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nämlich die nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen im Einzelfall schon dann anzunehmen sein, wenn der Geschädigte diese Kenntnis zwar tatsächlich noch nicht besitzt, sie sich aber in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe beschaffen kann. In diesem Fall gelten die maßgebenden Umstände in dem Augenblick als bekannt, in dem der Geschädigte auf die entsprechende Erkundigung hin die Kenntnis erhalten hätte (vgl. Senatsurteile vom 3. November 1961 - VI ZR 254/60 - VersR 1962, 86, 87; vom 29. Mai 1973 - VI ZR 68/72 - VersR 1973, 841, 842 und vom 23. September 1975 - VI ZR 62/73 - VersR 1976, 166 f. sowie BGH, Urteil vom 5. April 1976 - III ZR 69/74 - VersR 1976, 859, 860). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß der Verletzte es nicht in der Hand haben darf, einseitig die Verjährungsfrist dadurch zu verlängern, daß er die Augen vor einer sich ihm aufdrängenden Kenntnis verschließt (Senatsurteil vom 5. Februar 1985 - VI ZR 61/83 - VersR 1985, 367, 368). Der erkennende Senat hat aber mehrfach darauf hingewiesen, daß selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis grundsätzlich nicht gleichsteht; dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn der Geschädigte es versäumt hat, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen, und deshalb letztlich das Sichberufen auf Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die
Kenntnis gehabt hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 198 ff.; 150, 94, 97 ff.; vom 6. Februar 1990 - VI ZR 75/89 - VersR 1990, 539; vom 16. Dezember 1997 - VI ZR 408/96 – aaO S. 380; vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98 - aaO und vom 8. Oktober 2002 – VI ZR 182/01 – VersR 2003, 75, 76). So liegt der Fall jedoch nicht. Zu der vom Berufungsgericht verlangten Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft bestand hier schon deshalb keine Veranlassung, weil der Klägerin auch bei Kenntnis davon, daß es sich um eine Revision des Beklagten handelte , die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen ihn noch nicht zumutbar gewesen wäre. Das Wissen von der Person des Revisionsführers hätte nämlich nur Aufschluß darüber gegeben, daß Anklage erhoben war und zu einer strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten geführt hatte. Damit hätte die Klägerin aber noch keine Kenntnis von dem Umfang der Anklage und der erfolgten Verurteilung gehabt. Eine nähere Kenntnis davon wäre jedoch deswegen erforderlich gewesen, weil S. den Beklagten nicht nur einer, sondern mehrerer Taten beschuldigt hatte und für die Geltendmachung des auf Ersatz von Heilbehandlungskosten gerichteten Regreßanspruchs gegen ihn auch von Bedeutung war, ob und inwieweit eine Ursächlichkeit der ihm zur Last gelegten Taten für die psychische Schädigung der Versicherungsnehmerin der Klägerin anzunehmen war. Eine zuverlässige Beurteilung dieser Frage erforderte nähere Informationen über den Wahrheitsgehalt der erhobenen Beschuldigungen. Diese Kenntnis hat die Klägerin erst am 28. Mai 1996 und damit weniger als drei Jahre vor Klageerhebung erlangt.

III.

Da der Beklagte seine Berufung gegen das der Klage stattgebende erst- instanzliche Urteil ausschließlich auf die - nicht durchgreifende - Einrede der Verjährung gestützt hat, sind weitere Feststellungen weder zum Grund noch zur Höhe des Anspruchs zu treffen. Deshalb kann der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 37/06 Verkündet am:
17. Januar 2007
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein im Voraus vertraglich vereinbarter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung ist mit dem von § 123 BGB bezweckten Schutz der freien Selbstbestimmung
unvereinbar und deshalb unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner
selbst oder von einer Person verübt wird, die nicht Dritter im Sinne
BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - VIII ZR 37/06 - OLG Hamm
LG Bochum
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers
, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Januar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 4. April 2005 zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger war geschäftsführender Alleingesellschafter der DER R. GmbH (im folgenden "R. ") und der D. GmbH (im folgenden "R. S."; zusammen "die Gesellschaften").
2
Anfang des Jahres 2002 verhandelten der Kläger und die Ph. und M. GmbH (im folgenden "Ph. ") über den Er- werb von Geschäftsanteilen an diesen Gesellschaften durch eine noch zu gründende Holding Gesellschaft, die spätere Beklagte. Ph. beauftragte die Streithelferin zu 2) mit der Durchführung einer sich auf die Vermögens-, Finanz - und Ertragslage der Gesellschaften sowie auf steuerliche Risiken beziehenden Sorgfaltsprüfung. Diese erbat daraufhin vom Kläger und dem Steuerberater der Gesellschaften, dem Zeugen S. , neben anderen Informationen mehrfach Auskunft über die Ursache eines auffälligen Umsatzrückgangs bei der R. im Jahre 2001. Mit Datum vom 28. Juni 2002 erstellte sie einen Prüfungsbericht und erarbeitete für die Gesellschaften einen Bewertungsvorschlag , der unter 2.1 und 5.2 zu der R. folgende Aussagen enthält: "2.1 (…) Der zwischenzeitlich gestiegene Materialeinsatz wird durch einen Vertrag mit der Bundesknappschaft erklärt, der unterproportionale Roherträge generierte und daher in 2001 gekündigt wurde. Durch die Kündigung dieses Vertrages nahmen auch die Umsatzerlöse 2001 ab und werden auch in 2002 weiter rückläufig sein. Der Materialeinsatz wird gleichzeitig wieder auf rund 44 % zurückgehen , so dass sich ein Rohgewinn I von rund 56 % errechnen müsste. (…) Nach der Kündigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft wurde einigen Mitarbeitern gekündigt, (…) 5.2 Bei der Bewertung der R. GmbH kommt der Zukunftsplanung wesentliches Gewicht zu, da die bisherigen Strukturen nach der Kündigung des Vertrags mit der Bundesknappschaft nicht mehr aufrecht erhalten werden (…). Insoweit wird der Bewertungsvorschlag vorrangig aus einer Planung auf Basis eines Umsatzes von TDM 1.350, Personalkosten von TDM 421 (…) sowie sonstiger Betriebskosten von TDM 190 abgeleitet. (…). Bei einem Alternativzins von 12% errechnet sich ein Wert für das Gesamtunternehmen von TDM 395, der unter dem Wert der Vergangenheitsanalyse liegt (…). Besondere Synergien aus Sicht des Käufers ergeben sich aus der Adresskartei der Gesellschaft, die für den Vertrieb anderer Produkte der Ph. /Pha. -Gruppe interessant ist, so dass aus Erwerbersicht auch ein höherer Kaufpreis vertretbar ist."
3
Die in dem Prüfbericht der Streithelferin zu 2) enthaltenen Angaben zur Beendigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft waren unzutreffend, weil eine (fristlose) Kündigung des Vertrages erst von Seiten der Bundesknappschaft mit Schreiben vom 23. April 2002 wegen Lieferschwierigkeiten der R. ausgesprochen worden war.
4
Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. September 2002 erwarb die Beklagte vom Kläger je einen 75% Geschäftsanteil an der R. und an der R. S. Der Kaufpreis belief sich auf 385.000,00 € und war in drei Teilbeträgen an den aus der Geschäftsführung ausscheidenden Kläger zu zahlen. Der Kaufvertrag enthält unter VI. folgende Regelung: "In Bezug auf die übertragenen Geschäftsanteile und die Gesellschaften gewährleistet der Verkäufer im Rahmen eines selbständigen Garantieversprechens gegenüber P. [= Bekl.] folgendes: (…) 15. Stellt sich heraus, dass eine der in den vorstehenden Bestimmungen übernommenen Garantien unzutreffend ist, wird der Verkäufer die Käuferin (….) so stellen, wie sie stünde, wenn die betreffende Gewährleistung zutreffend wäre. Sollte die Herstellung des von dem Verkäufer garantierten Zustandes nicht möglich sein oder nicht innerhalb angemessener Frist, spätestens jedoch innerhalb eines Monats ab Zugang eines Verlangens von P. , erfolgt sein, so kann P. statt dessen Schadensersatz verlangen. Ausgeschlossen ist das Recht von P. , Rückgängigmachung des Kaufvertrags zu verlangen. 16. Alle Ansprüche von P. (…) nach Maßgabe dieser Ziffer VI. erjähren am 31. März 2005, soweit der Verkäufer nicht vorsätzlich oder arglistig gehandelt hat."
5
Am 22. Mai 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen beider Gesellschaften eröffnet. Mit Anwaltsschreiben vom 21. Juli 2003 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.
6
Mit seiner Klage verlangt der Kläger - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 92.500 €. Widerklagend begehrt die Beklagte Rückzahlung des von ihr für die Gesellschaften entrichteten Kaufpreisteils von 292.500 € sowie Schadensersatz in Höhe von 143.495,35 € für von ihr nach Erwerb der Geschäftsanteile an die Gesellschaften gewährte Darlehen und Zuschüsse. Sie behauptet, der Kläger habe sie über den wahren Grund der Beendigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft und über die Finanz- und Ertragslage der Gesellschaften getäuscht.
7
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung des restlichen Kaufpreises stattgegeben und die Klage im Übrigen (bezüglich eines nicht in die Revisionsinstanz gelangten Anspruchs) sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers und die - als "Berufung der Streithelferin zu 2) sowie Anschlussberufung der Beklagten" bezeichnete - Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungs- und Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch erheblich - ausgeführt:
10
Der notarielle Kaufvertrag vom 27. September 2002 über die Geschäftsanteile der beiden Gesellschaften sei wirksam. Mögliche Ersatzansprüche der Beklagten auf der Grundlage von Ziffer VI.15 des Kaufvertrages ständen der Verpflichtung der Beklagten zur vollständigen Entrichtung des Kaufpreises nicht entgegen, denn dabei handele es sich nicht um unselbständige Verrechnungsposten , sondern um selbständige Gegenansprüche, die die Beklagte schlüssig vortragen und zur Aufrechnung hätte stellen müssen.
11
Die von der Beklagten erklärte Anfechtung führe nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages. Die Parteien hätten in Ziffer VI. eine Rückabwicklung des Kaufvertrages ausgeschlossen und damit auch die Möglichkeit der Anfechtung abbedungen. Dass sich diese Regelung auch auf arglistiges Handeln beziehe, ergebe sich aus der Verjährungsregelung in VI.16 des Vertrages. Der vertragliche Ausschluss des Anfechtungsrechts sei auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger die behauptete Täuschung selbst verursacht habe. Zwar sei die Anfechtung wegen einer durch den Geschäftspartner selbst verübten Täuschung grundsätzlich unabdingbar, weil der Täuschende anderenfalls einen Vorteil erlange , der dem gesetzlichen Leitbild der vollständigen Rückabwicklung arglistig erlangter Rechtspositionen widerspreche. Für den hier vorliegenden Sonderfall des Kaufs von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werde dieser Grundsatz aber durch das Anmeldeprinzip des § 16 GmbHG und die Rechtsgrundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft überlagert. Die sich daraus ohnehin ergebende Beschränkung werde von der unter VI.15 des Vertrages getroffenen Regelung angemessen aufgegriffen, indem sie den kompliziert abzuwickelnden Rückgewähranspruch in einen Erfüllungsanspruch auf das positive Interesse umwandle und so einen im wohlverstandenen Interesse beider Parteien liegenden Ausgleich bestimme.
12
Die Widerklage sei deshalb auch insoweit unbegründet, als sie sich auf Ersatz der für die Gesellschaften getätigten Aufwendungen richte. Insoweit verlange die Beklagte einen ihr nicht zustehenden Ersatz des negativen Interesses ; eine im Einklang mit der Garantieregelung in Ziffer VI.15 stehende Schadensberechnung und Widerklagebegründung liege nicht vor.

II.

13
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.
14
Nach dem revisionsrechtlich zu Grunde zu legenden Sachverhalt ist die Beklagte durch eine arglistige Täuschung des Klägers zum Abschluss des Kaufvertrages veranlasst worden. Die hierauf gestützte Anfechtung der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juli 2003 führt zum Wegfall des Kaufvertrages (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes steht die in Ziffer VI.15 des Kaufvertrages getroffene Regelung der Anfechtung nicht entgegen.
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1. a) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei von der Regelung unter VI.15 des Kaufvertra- ges nicht umfasst. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist als tatrichterliche Würdigung in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Sie kann nur insoweit nachgeprüft werden, als gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - IX ZR 33/90, WM 1991, 495 unter I 3 a; BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 a). Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das vom Tatrichter gefundene Ergebnis ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 c).
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b) Die Beklagte kann sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht darauf berufen, dass Zweifel bei der Auslegung der vertraglichen Regelung zu Lasten des Klägers gehen, § 305 c Abs. 2 BGB. Abgesehen davon, dass solche Zweifel nach dem oben Ausgeführten bereits nicht aufgezeigt sind, hat das Berufungsgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass es sich bei den im Kaufvertrag vom 27. September 2002 enthaltenen Vereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen trägt derjenige, der sich - wie hier die Beklagte - auf die Schutzvorschriften der §§ 305 ff BGB beruft (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160 unter III 2 a; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2002 - XI ZR 239/01, NJW-RR 2002, 1344, unter III 2). Übergangenen Vortrag der Beklagten dazu zeigt die Revision nicht auf.
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2. Die vom Berufungsgericht demnach rechtsfehlerfrei als vertraglicher Ausschluss des Anfechtungsrechts ausgelegte Regelung in Ziffer VI.15 des Anteilskaufvertrages ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unwirksam.
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a) Ein vertraglicher Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist nach allgemeiner Auffassung unwirksam, wenn die Täuschung - wie es nach der revisionsrechtlich zu unterstellenden Darstellung der Beklagten hier der Fall ist - von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist (Staudinger /Singer/v. Finckenstein, BGB (2004), § 123 Rdnr. 87; MünchKommBGB /Kramer, 5. Aufl., § 123 Rdnr. 28; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl., § 123 Rdnr. 44; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, 3. Aufl., § 19; vgl. auch Lips/Stratz/Rudo in Beck’sches Mandatshandbuch Unternehmenskauf , 2004, § 4 Rdnr. 154). Wird die Anfechtung für den Fall der arglistigen Täuschung im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der Erklärende der Willkür des Vertragspartners aus und gibt seine - durch § 123 BGB geschützte (vgl. Mot. I, § 103) - freie Selbstbestimmung vollständig auf. Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrages befürchten zu müssen. Dafür verdient der arglistig Täuschende nicht den Schutz der Rechtsordnung. Es ist ferner unerheblich, ob der Täuschende - wie hier - im Vertrag Garantien für verschiedene Umstände, die für die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kaufgegenstandes von Bedeutung sein können, übernimmt und auf Herstellung des garantierten Zustandes haftet. Denn der getäuschte Käufer wird jedenfalls auf das Erfüllungsinteresse verwiesen. Er müsste darlegen, inwiefern sich seine wirtschaftliche Situation günstiger dargestellt hätte, wenn die Umstände, über die er arglistig getäuscht worden ist, tatsächlich vorgelegen hätten. Dies würde ihn vor kaum zu überwindende Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten stellen, wie auch die hier behauptete Täuschung über die Ursachen eines Umsatzrückgangs und den Grund der Beendigung des Vertrags mit der Bundesknappschaft zeigt. Der Getäuschte müsste ferner das Risiko der zufälligen Verschlechterung des Kaufgegenstandes tragen. Die weitaus einfachere Möglichkeit der Rückgängigmachung des Kaufvertrages bliebe ihm versperrt.
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b) Für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts anderes. Weder das Anmeldeprinzip des § 16 GmbHG noch die Rechtsgrundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stehen der Anfechtung und Rückabwicklung eines fehlerhaften Anteilserwerbs entgegen (BGH, Urteil vom 22. Januar 1990 - II ZR 25/89, WM 1990, 505 unter 7 zur einer durch Täuschung veranlassten Anteilsübertragung unter Aufgabe seiner früheren Rspr.; Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 409/02, WM 2005, 282 unter II 2). Die Fehlerhaftigkeit des Anteilserwerbs und eine daran anknüpfende Rückwirkungsfolge der Anfechtung ist zwar gemäß § 16 GmbHG auf den Bestand der Gesellschaft und auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ohne Einfluss (BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO). Davon zu unterscheiden sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Gesellschaftsanteils; in diesem Verhältnis greift die Rückwirkung der Anfechtung mit der Folge, dass die Anteilsübertragung, jedenfalls aber das der Anteilsabtretung zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft im Falle einer berechtigten Anfechtung von Anfang an unwirksam ist (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004, aaO).
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Es ist zwar richtig, dass im Verhältnis zur Gesellschaft eine vollständige Rückabwicklung nicht möglich ist. Insoweit bestimmt § 16 Abs. 1 GmbHG, dass die Gesellschaft im eigenen Interesse, aber auch zum Schutz von Veräußerer und Erwerber berechtigt und verpflichtet ist, unabhängig von der wahren Rechtslage jeden, der sich einmal ihr gegenüber als Erwerber ausgewiesen hat, so lange als solchen zu behandeln, bis eine Rechtsänderung bei ihr angemeldet und nachgewiesen ist. Wer einen Geschäftsanteil anfechtbar erworben hat, kann sich der Haftung für die zum Zeitpunkt der Anmeldung rückständigen Leis- tungen auf den Geschäftsanteil nicht durch nachträgliche Anfechtung entziehen. Er haftet ferner für die bis zum Widerruf der Anmeldung bzw. zur Anmeldung des wirklichen Gesellschafters fällig gewordenen Leistungen auf den Geschäftsanteil (BGHZ 84, 47, 49 f.; BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO; Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 16 Rdnr. 22; Rowedder/Pentz, GmbHG, 4. Aufl., § 16 Rdnr. 41; a.A. für zum Zeitpunkt des Widerrufs rückständige Leistungen Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 16 Rdnr. 4, 12; Lutter /Hommelhoff/Bayer, GmbHG 16. Aufl., § 16 Rdnr. 19; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2002, § 16 Rdnr. 61). Es ist ferner richtig, dass die Rückabwicklung eines Anteilskaufs erhebliche Probleme bereiten kann (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2006 - VIII ZR 172/05, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, WM 2006, 1829 unter II 2 a; Ballerstedt in Festschrift für Schilling, 1973, S. 289 ff.; Günther in Münchener Vertragshandbuch, Band 2 Wirtschaftsrecht I, 5. Aufl. 2004, III Anm. Nr. 106; Lips/Stratz/Rudo, aaO, § 4 Rdnr. 174, 175); vergleichbare Schwierigkeiten treten aber auch außerhalb des Gesellschaftsrechts auf, etwa bei der Rückabwicklung einer Unternehmensveräußerung oder des Verkaufs einer freiberuflichen Praxis. Diese Umstände rechtfertigen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Abweichung von den oben zum Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dargestellten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO; Günther, aaO, III 1, 2 Anm. Nr. 98 unter (3)). Bei einer negativen Unternehmensentwicklung dürfte das Risiko der inzwischen eingetretenen nachteiligen Veränderungen im Übrigen in erster Linie den Verkäufer treffen (Günther, aaO, III, 1, 2 Anm. Nr. 106 am Ende; vgl. auch Jedlitschka, Die Rückabwicklung der unwirksamen Übernahme einer GmbH-Anteilsmehrheit, 2004, B II). Es muss daher der Entscheidung des Getäuschten überlassen bleiben, ob er auch angesichts der tatsächlichen Schwierigkeiten der Rückabwicklung und trotz der Rechtsfolgen des § 16 Abs. 1 GmbHG den Anteilserwerb anfechten oder auf die vertragliche Regelung, die für ihn im Einzelfall ebenfalls mit erheblichen Darlegungs- und Beweisproblemen verbunden sein kann, zurückgreifen möchte; für eine Privilegierung des arglistig täuschenden Verkäufers besteht kein Anlass.
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3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ferner, dass der Beklagten auch der mit der Widerklage verfolgte Schadensersatzanspruch wegen der für die Gesellschaft getätigten Aufwendungen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden kann.

III.

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Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen einer arglistigen Täuschung getroffen hat. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ball Wiechers Hermanns
Dr. Milger Dr. Koch
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 04.04.2005 - 3 O 333/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.01.2006 - 27 U 101/05 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.