Bundesgerichtshof Urteil, 17. Jan. 2007 - VIII ZR 37/06

bei uns veröffentlicht am17.01.2007
vorgehend
Landgericht Bochum, 3 O 333/03, 04.04.2005
Oberlandesgericht Hamm, 27 U 101/05, 19.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 37/06 Verkündet am:
17. Januar 2007
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein im Voraus vertraglich vereinbarter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung ist mit dem von § 123 BGB bezweckten Schutz der freien Selbstbestimmung
unvereinbar und deshalb unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner
selbst oder von einer Person verübt wird, die nicht Dritter im Sinne
BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - VIII ZR 37/06 - OLG Hamm
LG Bochum
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers
, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Januar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 4. April 2005 zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger war geschäftsführender Alleingesellschafter der DER R. GmbH (im folgenden "R. ") und der D. GmbH (im folgenden "R. S."; zusammen "die Gesellschaften").
2
Anfang des Jahres 2002 verhandelten der Kläger und die Ph. und M. GmbH (im folgenden "Ph. ") über den Er- werb von Geschäftsanteilen an diesen Gesellschaften durch eine noch zu gründende Holding Gesellschaft, die spätere Beklagte. Ph. beauftragte die Streithelferin zu 2) mit der Durchführung einer sich auf die Vermögens-, Finanz - und Ertragslage der Gesellschaften sowie auf steuerliche Risiken beziehenden Sorgfaltsprüfung. Diese erbat daraufhin vom Kläger und dem Steuerberater der Gesellschaften, dem Zeugen S. , neben anderen Informationen mehrfach Auskunft über die Ursache eines auffälligen Umsatzrückgangs bei der R. im Jahre 2001. Mit Datum vom 28. Juni 2002 erstellte sie einen Prüfungsbericht und erarbeitete für die Gesellschaften einen Bewertungsvorschlag , der unter 2.1 und 5.2 zu der R. folgende Aussagen enthält: "2.1 (…) Der zwischenzeitlich gestiegene Materialeinsatz wird durch einen Vertrag mit der Bundesknappschaft erklärt, der unterproportionale Roherträge generierte und daher in 2001 gekündigt wurde. Durch die Kündigung dieses Vertrages nahmen auch die Umsatzerlöse 2001 ab und werden auch in 2002 weiter rückläufig sein. Der Materialeinsatz wird gleichzeitig wieder auf rund 44 % zurückgehen , so dass sich ein Rohgewinn I von rund 56 % errechnen müsste. (…) Nach der Kündigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft wurde einigen Mitarbeitern gekündigt, (…) 5.2 Bei der Bewertung der R. GmbH kommt der Zukunftsplanung wesentliches Gewicht zu, da die bisherigen Strukturen nach der Kündigung des Vertrags mit der Bundesknappschaft nicht mehr aufrecht erhalten werden (…). Insoweit wird der Bewertungsvorschlag vorrangig aus einer Planung auf Basis eines Umsatzes von TDM 1.350, Personalkosten von TDM 421 (…) sowie sonstiger Betriebskosten von TDM 190 abgeleitet. (…). Bei einem Alternativzins von 12% errechnet sich ein Wert für das Gesamtunternehmen von TDM 395, der unter dem Wert der Vergangenheitsanalyse liegt (…). Besondere Synergien aus Sicht des Käufers ergeben sich aus der Adresskartei der Gesellschaft, die für den Vertrieb anderer Produkte der Ph. /Pha. -Gruppe interessant ist, so dass aus Erwerbersicht auch ein höherer Kaufpreis vertretbar ist."
3
Die in dem Prüfbericht der Streithelferin zu 2) enthaltenen Angaben zur Beendigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft waren unzutreffend, weil eine (fristlose) Kündigung des Vertrages erst von Seiten der Bundesknappschaft mit Schreiben vom 23. April 2002 wegen Lieferschwierigkeiten der R. ausgesprochen worden war.
4
Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. September 2002 erwarb die Beklagte vom Kläger je einen 75% Geschäftsanteil an der R. und an der R. S. Der Kaufpreis belief sich auf 385.000,00 € und war in drei Teilbeträgen an den aus der Geschäftsführung ausscheidenden Kläger zu zahlen. Der Kaufvertrag enthält unter VI. folgende Regelung: "In Bezug auf die übertragenen Geschäftsanteile und die Gesellschaften gewährleistet der Verkäufer im Rahmen eines selbständigen Garantieversprechens gegenüber P. [= Bekl.] folgendes: (…) 15. Stellt sich heraus, dass eine der in den vorstehenden Bestimmungen übernommenen Garantien unzutreffend ist, wird der Verkäufer die Käuferin (….) so stellen, wie sie stünde, wenn die betreffende Gewährleistung zutreffend wäre. Sollte die Herstellung des von dem Verkäufer garantierten Zustandes nicht möglich sein oder nicht innerhalb angemessener Frist, spätestens jedoch innerhalb eines Monats ab Zugang eines Verlangens von P. , erfolgt sein, so kann P. statt dessen Schadensersatz verlangen. Ausgeschlossen ist das Recht von P. , Rückgängigmachung des Kaufvertrags zu verlangen. 16. Alle Ansprüche von P. (…) nach Maßgabe dieser Ziffer VI. erjähren am 31. März 2005, soweit der Verkäufer nicht vorsätzlich oder arglistig gehandelt hat."
5
Am 22. Mai 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen beider Gesellschaften eröffnet. Mit Anwaltsschreiben vom 21. Juli 2003 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.
6
Mit seiner Klage verlangt der Kläger - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 92.500 €. Widerklagend begehrt die Beklagte Rückzahlung des von ihr für die Gesellschaften entrichteten Kaufpreisteils von 292.500 € sowie Schadensersatz in Höhe von 143.495,35 € für von ihr nach Erwerb der Geschäftsanteile an die Gesellschaften gewährte Darlehen und Zuschüsse. Sie behauptet, der Kläger habe sie über den wahren Grund der Beendigung des Vertrages mit der Bundesknappschaft und über die Finanz- und Ertragslage der Gesellschaften getäuscht.
7
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung des restlichen Kaufpreises stattgegeben und die Klage im Übrigen (bezüglich eines nicht in die Revisionsinstanz gelangten Anspruchs) sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers und die - als "Berufung der Streithelferin zu 2) sowie Anschlussberufung der Beklagten" bezeichnete - Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungs- und Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch erheblich - ausgeführt:
10
Der notarielle Kaufvertrag vom 27. September 2002 über die Geschäftsanteile der beiden Gesellschaften sei wirksam. Mögliche Ersatzansprüche der Beklagten auf der Grundlage von Ziffer VI.15 des Kaufvertrages ständen der Verpflichtung der Beklagten zur vollständigen Entrichtung des Kaufpreises nicht entgegen, denn dabei handele es sich nicht um unselbständige Verrechnungsposten , sondern um selbständige Gegenansprüche, die die Beklagte schlüssig vortragen und zur Aufrechnung hätte stellen müssen.
11
Die von der Beklagten erklärte Anfechtung führe nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages. Die Parteien hätten in Ziffer VI. eine Rückabwicklung des Kaufvertrages ausgeschlossen und damit auch die Möglichkeit der Anfechtung abbedungen. Dass sich diese Regelung auch auf arglistiges Handeln beziehe, ergebe sich aus der Verjährungsregelung in VI.16 des Vertrages. Der vertragliche Ausschluss des Anfechtungsrechts sei auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger die behauptete Täuschung selbst verursacht habe. Zwar sei die Anfechtung wegen einer durch den Geschäftspartner selbst verübten Täuschung grundsätzlich unabdingbar, weil der Täuschende anderenfalls einen Vorteil erlange , der dem gesetzlichen Leitbild der vollständigen Rückabwicklung arglistig erlangter Rechtspositionen widerspreche. Für den hier vorliegenden Sonderfall des Kaufs von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werde dieser Grundsatz aber durch das Anmeldeprinzip des § 16 GmbHG und die Rechtsgrundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft überlagert. Die sich daraus ohnehin ergebende Beschränkung werde von der unter VI.15 des Vertrages getroffenen Regelung angemessen aufgegriffen, indem sie den kompliziert abzuwickelnden Rückgewähranspruch in einen Erfüllungsanspruch auf das positive Interesse umwandle und so einen im wohlverstandenen Interesse beider Parteien liegenden Ausgleich bestimme.
12
Die Widerklage sei deshalb auch insoweit unbegründet, als sie sich auf Ersatz der für die Gesellschaften getätigten Aufwendungen richte. Insoweit verlange die Beklagte einen ihr nicht zustehenden Ersatz des negativen Interesses ; eine im Einklang mit der Garantieregelung in Ziffer VI.15 stehende Schadensberechnung und Widerklagebegründung liege nicht vor.

II.

13
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.
14
Nach dem revisionsrechtlich zu Grunde zu legenden Sachverhalt ist die Beklagte durch eine arglistige Täuschung des Klägers zum Abschluss des Kaufvertrages veranlasst worden. Die hierauf gestützte Anfechtung der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juli 2003 führt zum Wegfall des Kaufvertrages (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes steht die in Ziffer VI.15 des Kaufvertrages getroffene Regelung der Anfechtung nicht entgegen.
15
1. a) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei von der Regelung unter VI.15 des Kaufvertra- ges nicht umfasst. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist als tatrichterliche Würdigung in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Sie kann nur insoweit nachgeprüft werden, als gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln , Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - IX ZR 33/90, WM 1991, 495 unter I 3 a; BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 a). Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das vom Tatrichter gefundene Ergebnis ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 3 c).
16
b) Die Beklagte kann sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht darauf berufen, dass Zweifel bei der Auslegung der vertraglichen Regelung zu Lasten des Klägers gehen, § 305 c Abs. 2 BGB. Abgesehen davon, dass solche Zweifel nach dem oben Ausgeführten bereits nicht aufgezeigt sind, hat das Berufungsgericht auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass es sich bei den im Kaufvertrag vom 27. September 2002 enthaltenen Vereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen trägt derjenige, der sich - wie hier die Beklagte - auf die Schutzvorschriften der §§ 305 ff BGB beruft (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 - VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160 unter III 2 a; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Juni 2002 - XI ZR 239/01, NJW-RR 2002, 1344, unter III 2). Übergangenen Vortrag der Beklagten dazu zeigt die Revision nicht auf.
17
2. Die vom Berufungsgericht demnach rechtsfehlerfrei als vertraglicher Ausschluss des Anfechtungsrechts ausgelegte Regelung in Ziffer VI.15 des Anteilskaufvertrages ist jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unwirksam.
18
a) Ein vertraglicher Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist nach allgemeiner Auffassung unwirksam, wenn die Täuschung - wie es nach der revisionsrechtlich zu unterstellenden Darstellung der Beklagten hier der Fall ist - von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist (Staudinger /Singer/v. Finckenstein, BGB (2004), § 123 Rdnr. 87; MünchKommBGB /Kramer, 5. Aufl., § 123 Rdnr. 28; Erman/Palm, BGB, 11. Aufl., § 123 Rdnr. 44; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Band, 3. Aufl., § 19; vgl. auch Lips/Stratz/Rudo in Beck’sches Mandatshandbuch Unternehmenskauf , 2004, § 4 Rdnr. 154). Wird die Anfechtung für den Fall der arglistigen Täuschung im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der Erklärende der Willkür des Vertragspartners aus und gibt seine - durch § 123 BGB geschützte (vgl. Mot. I, § 103) - freie Selbstbestimmung vollständig auf. Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrages befürchten zu müssen. Dafür verdient der arglistig Täuschende nicht den Schutz der Rechtsordnung. Es ist ferner unerheblich, ob der Täuschende - wie hier - im Vertrag Garantien für verschiedene Umstände, die für die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kaufgegenstandes von Bedeutung sein können, übernimmt und auf Herstellung des garantierten Zustandes haftet. Denn der getäuschte Käufer wird jedenfalls auf das Erfüllungsinteresse verwiesen. Er müsste darlegen, inwiefern sich seine wirtschaftliche Situation günstiger dargestellt hätte, wenn die Umstände, über die er arglistig getäuscht worden ist, tatsächlich vorgelegen hätten. Dies würde ihn vor kaum zu überwindende Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten stellen, wie auch die hier behauptete Täuschung über die Ursachen eines Umsatzrückgangs und den Grund der Beendigung des Vertrags mit der Bundesknappschaft zeigt. Der Getäuschte müsste ferner das Risiko der zufälligen Verschlechterung des Kaufgegenstandes tragen. Die weitaus einfachere Möglichkeit der Rückgängigmachung des Kaufvertrages bliebe ihm versperrt.
19
b) Für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts anderes. Weder das Anmeldeprinzip des § 16 GmbHG noch die Rechtsgrundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stehen der Anfechtung und Rückabwicklung eines fehlerhaften Anteilserwerbs entgegen (BGH, Urteil vom 22. Januar 1990 - II ZR 25/89, WM 1990, 505 unter 7 zur einer durch Täuschung veranlassten Anteilsübertragung unter Aufgabe seiner früheren Rspr.; Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 409/02, WM 2005, 282 unter II 2). Die Fehlerhaftigkeit des Anteilserwerbs und eine daran anknüpfende Rückwirkungsfolge der Anfechtung ist zwar gemäß § 16 GmbHG auf den Bestand der Gesellschaft und auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ohne Einfluss (BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO). Davon zu unterscheiden sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Gesellschaftsanteils; in diesem Verhältnis greift die Rückwirkung der Anfechtung mit der Folge, dass die Anteilsübertragung, jedenfalls aber das der Anteilsabtretung zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft im Falle einer berechtigten Anfechtung von Anfang an unwirksam ist (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004, aaO).
20
Es ist zwar richtig, dass im Verhältnis zur Gesellschaft eine vollständige Rückabwicklung nicht möglich ist. Insoweit bestimmt § 16 Abs. 1 GmbHG, dass die Gesellschaft im eigenen Interesse, aber auch zum Schutz von Veräußerer und Erwerber berechtigt und verpflichtet ist, unabhängig von der wahren Rechtslage jeden, der sich einmal ihr gegenüber als Erwerber ausgewiesen hat, so lange als solchen zu behandeln, bis eine Rechtsänderung bei ihr angemeldet und nachgewiesen ist. Wer einen Geschäftsanteil anfechtbar erworben hat, kann sich der Haftung für die zum Zeitpunkt der Anmeldung rückständigen Leis- tungen auf den Geschäftsanteil nicht durch nachträgliche Anfechtung entziehen. Er haftet ferner für die bis zum Widerruf der Anmeldung bzw. zur Anmeldung des wirklichen Gesellschafters fällig gewordenen Leistungen auf den Geschäftsanteil (BGHZ 84, 47, 49 f.; BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO; Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 16 Rdnr. 22; Rowedder/Pentz, GmbHG, 4. Aufl., § 16 Rdnr. 41; a.A. für zum Zeitpunkt des Widerrufs rückständige Leistungen Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 16 Rdnr. 4, 12; Lutter /Hommelhoff/Bayer, GmbHG 16. Aufl., § 16 Rdnr. 19; Michalski/Ebbing, GmbHG, 2002, § 16 Rdnr. 61). Es ist ferner richtig, dass die Rückabwicklung eines Anteilskaufs erhebliche Probleme bereiten kann (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2006 - VIII ZR 172/05, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, WM 2006, 1829 unter II 2 a; Ballerstedt in Festschrift für Schilling, 1973, S. 289 ff.; Günther in Münchener Vertragshandbuch, Band 2 Wirtschaftsrecht I, 5. Aufl. 2004, III Anm. Nr. 106; Lips/Stratz/Rudo, aaO, § 4 Rdnr. 174, 175); vergleichbare Schwierigkeiten treten aber auch außerhalb des Gesellschaftsrechts auf, etwa bei der Rückabwicklung einer Unternehmensveräußerung oder des Verkaufs einer freiberuflichen Praxis. Diese Umstände rechtfertigen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Abweichung von den oben zum Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dargestellten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 22. Januar 1990, aaO; Günther, aaO, III 1, 2 Anm. Nr. 98 unter (3)). Bei einer negativen Unternehmensentwicklung dürfte das Risiko der inzwischen eingetretenen nachteiligen Veränderungen im Übrigen in erster Linie den Verkäufer treffen (Günther, aaO, III, 1, 2 Anm. Nr. 106 am Ende; vgl. auch Jedlitschka, Die Rückabwicklung der unwirksamen Übernahme einer GmbH-Anteilsmehrheit, 2004, B II). Es muss daher der Entscheidung des Getäuschten überlassen bleiben, ob er auch angesichts der tatsächlichen Schwierigkeiten der Rückabwicklung und trotz der Rechtsfolgen des § 16 Abs. 1 GmbHG den Anteilserwerb anfechten oder auf die vertragliche Regelung, die für ihn im Einzelfall ebenfalls mit erheblichen Darlegungs- und Beweisproblemen verbunden sein kann, zurückgreifen möchte; für eine Privilegierung des arglistig täuschenden Verkäufers besteht kein Anlass.
21
3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt ferner, dass der Beklagten auch der mit der Widerklage verfolgte Schadensersatzanspruch wegen der für die Gesellschaft getätigten Aufwendungen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden kann.

III.

22
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen einer arglistigen Täuschung getroffen hat. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ball Wiechers Hermanns
Dr. Milger Dr. Koch
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 04.04.2005 - 3 O 333/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.01.2006 - 27 U 101/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Jan. 2007 - VIII ZR 37/06

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Referenzen

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird.

(2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer.

(3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 239/01 Verkündet am:
25. Juni 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AGB WPGeschäfte (1995) Nr. 1

a) Direktbanken werden im Effektengeschäft in der Regel als Kommissionär tätig.

b) Zur Pflicht von Direktbanken, beim Abschluß von Ausführungsgeschäften
die Interessen ihrer Auftraggeber zu wahren.
BGH, Urteil vom 25. Juni 2002 - XI ZR 239/01 - OLG München
LG München I
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger nehmen die beklagte Direktbank, die Wertpapieraufträge online im Internet, telefonisch und per Telefax entgegennimmt, auf Auszahlung des Gewinns aus Börsentermingeschäften in Anspruch.
Die Kläger, ein Jurastudent und eine Unternehmensberaterin, unterschrieben am 13. Juli 1999 eine Unterrichtungsschrift der Beklagten gemäß § 53 Abs. 2 BörsG und orderten am 1. Oktober 1999 telefonisch bzw. online im "Sekundenhandel" von der S. emittierte Aktienoptions-
scheine. Diese veräußerten sie alsdann am 1. und 4. Oktober 1999 mit einem Gewinn in Höhe von 189.198,43 DM. Die Beklagte stornierte bis zum 5. Oktober 1999 sämtliche Geschäfte und machte geltend, die Emittentin habe die Ausführungsgeschäfte storniert, weil ihr bei der Stellung der Kurse ein Irrtum unterlaufen sei. Hierzu sei die Emittentin aufgrund eines Vertrages, den sie mit ihr am 5./17. August 1999 geschlossen habe, berechtigt gewesen. Der Vertrag enthalte in § 8 folgende Regelungen:
"Mistrades (1) Die Parteien sind verpflichtet, Einwendungen gegen einen Geschäftsabschluß innerhalb von 5 Handelstagen zu erheben. Geschäfte sind bei fristgemäßer Einwendung rückabzuwickeln, wenn der Geschäftsabschluß auf einem Irrtum einer Partei oder eines Kunden der D. beruht oder auf einer Fehlfunktion von T. oder auf einer Fehlfunktion eines der an T. angeschlossenen elektronischen Systems der Parteien beruht. Erscheint für beide Parteien bei einem Irrtum über die Preisstellung eine Abwicklung zum historischen Kurs unter Berücksichtigung der zu dem Zeitpunkt herrschenden Marktbedingungen gleichermaßen vorteilhaft, so ist diese einer Rückabwicklung vorzuziehen. (2) Verspätete Einwendungen können zurückgewiesen werden. Bei verspäteten Einwendungen sind die Parteien allerdings verpflichtet , sich um den Ausgleich der Interessen zu bemühen." Die Klage auf Zahlung von 189.198,43 DM nebst Zinsen hatte in den Vorinstanzen bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Wertpapiergeschäfte mit den Klägern zu stornieren. Da es sich um Festpreisgeschäfte handele, könne die Beklagte sich nicht auf § 8 ihres Vertrages mit der Emittentin berufen. Für die An- und Verkäufe seien feste Preise vereinbart worden. Die Beklagte habe die Kläger nicht darauf hingewiesen, daû sie als Kommissionärin handeln wolle.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Wertpapiergeschäfte der Parteien seien Festpreisgeschäfte, d.h. Kaufverträge, ist rechtsfehlerhaft. Die Parteien haben Kommissionsverträge abgeschlossen, so daû die Klageforderung nicht gemäû § 433 Abs. 2 BGB begründet ist.

1. Die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung unterliegt im Revisionsverfahren nur der eingeschränkten Überprüfung darauf , ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff auûer acht gelassen wurde (BGH, Urteile vom 29. März 2000 - VIII ZR 297/98, WM 2000, 1289, 1291 f. und vom 3. April 2000 - II ZR 194/98, WM 2000, 1195, 1196 m.w.Nachw.). Letzteres ist hier der Fall.
2. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daû die Beklagte den Klägern in den Wertpapierabrechnungen vereinbarungsgemäû nicht nur den Kurswert der Optionsscheine, sondern zusätzlich Provisionen in Rechnung gestellt hat. Dies spricht deutlich gegen Festpreisgeschäfte, die grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn die Parteien eines Wertpapiergeschäfts einen festen, bestimmten Preis vereinbaren und die Bank keine zusätzlichen Gebühren für eine Geschäftsbesorgung in Rechnung stellt (vgl. Nr. 23 der AGB der Beklagten, die Nr. 9 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (WM 1995, 362) entspricht; Jütten, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 7/68). Zudem ist die Ausführung von Aufträgen zum Kauf von Wertpapieren im Wege der Kommission der Regelfall (Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. (8) AGBWPGeschäfte 1 Rdn. 1). Dies muûten die Kläger, die sich seit über 10 Jahren mit Wertpapieren beschäftigen, wissen. Die Beklagte hat die Kläger auch nicht darüber informiert, daû Kaufverträge zustande kommen. Dazu wäre sie bei Abschluû von Festpreisgeschäften nach Nr. 4.3 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel vom 26. Mai 1997 (BAnz 1997, 6586) verpflichtet gewesen.
3. Auch die Darstellung der Wertpapiergeschäfte in der Werbung der Beklagten rechtfertigt die Annahme von Festpreisgeschäften nicht. In ihrer Werbung garantiert die Beklagte im sogenannten Sekunden- oder Echtzeithandel Ausführungskurse, zu denen Kunden binnen fünf Sekunden , nachdem die Beklagte ihnen den Kurs mitgeteilt hat, Geschäfte abschlieûen können. Diese Garantie soll die Kunden lediglich vor für sie negativen Kursbewegungen zwischen der Kursmitteilung und dem Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts schützen und die mit Kosten verbundene Setzung eines Kurslimits entbehrlich machen. Der Abschluû von Festpreisgeschäften, d.h. Kaufverträgen zwischen der Beklagten und ihren Kunden zu einem festen Gesamtpreis, ist zu diesem Zweck nicht erforderlich und nicht beabsichtigt. Dies erhellt insbesondere auch aus der in der Werbung der Beklagten hervorgehobenen Tatsache, daû den Kunden eine Verbesserung des Kurses zwischen der Kursansage und dem Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts zugute kommt und die Kursgarantie nur im Falle der Verschlechterung des Kurses greift. Von der Vereinbarung eines festen Preises kann danach keine Rede sein. Die Verträge zwischen den Parteien sind vielmehr, wie im Effektengeschäft üblich (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. Rdn. 10.27; ders., in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 104 Rdn. 106 f.), Kommissionsverträge.
4. Diese Auslegung kann der erkennende Senat selbst vornehmen, da keine weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen sind (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 194/98 aaO).

III.


Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.).
1. Ein Garantieversprechen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 13. Juni 1996 - IX ZR 172/95, WM 1996, 1467, 1469 und vom 18. Juni 2001 - II ZR 248/99, WM 2001, 1565, 1566; Senat, Urteil vom 16. April 2002 - XI ZR 375/00, WM 2002, 1120, 1122, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt ) der Beklagten kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Die Beklagte hat sich nicht verpflichtet, für den Abschluû von Kaufverträgen zu den von der Emittentin gestellten Kursen einzustehen. Sie hat ihren Kunden - wie dargelegt - durch die Garantie von Ausführungskursen lediglich das Risiko von Kursverschlechterungen zwischen der Kursmitteilung und dem Zustandekommen des Ausführungsgeschäfts abnehmen wollen. Daû das Ausführungsgeschäft wirksam zustande kommt und daû die Emittentin es nicht wegen Willensmängeln rückgängig machen kann, hat die Beklagte den Klägern nicht garantiert.
2. Die Kläger haben gegen die Beklagte nach den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch keinen Anspruch gemäû § 394 Abs. 1 HGB. Die Beklagte hat zwar in Nr. 22 Abs. 8 Satz 1 ihrer AGB die Haftung für die ordnungsgemäûe Erfüllung des Ausführungsgeschäfts durch ihren Vertragspartner übernommen. Ihre Haftung setzt aber gemäû § 394 Abs. 2 Satz 1 HGB eine wirksame Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft voraus. Daran fehlt es nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vortrag der Beklagten.
Die Beklagte hat behauptet, die Emittentin habe die Wertpapiergeschäfte gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 storniert, weil sie die Kurse aufgrund eines Irrtums erkennbar um ein Vielfaches zu niedrig angegeben habe.
§ 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 ist wirksam. Die Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gemäû §§ 9-11 AGBG, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat und die Parteien nicht vorgetragen haben, daû es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Sie verstöût auch nicht wegen ihrer Auswirkungen auf die Kunden der Beklagten gegen die guten Sitten (vgl. zu den Anforderungen an ein sittenwidriges Verhalten von Vertragsparteien gegenüber Dritten: BGHZ 103, 235, 241; 121, 357, 367; BGH, Urteile vom 18. März 1996 - II ZR 10/95, NJW-RR 1996, 869 und vom 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2947; Staudinger/Sack, BGB 13. Bearb. § 138 Rdn. 333 ff.).
3. Die Klage ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht wegen positiver Vertragsverletzung des Kommissionsvertrages zwischen den Parteien begründet. Der mit der Klage geltend gemachte Gewinn, ist den Klägern nicht infolge der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht der Beklagten entgangen.

a) Ein Kommissionär hat allerdings die Interessen seines Auftraggebers wahrzunehmen (Koller, in: Staub, HGB 4. Aufl. § 384 Rdn. 17) und die Kommission für ihn sachgerecht und vorteilhaft auszuführen (Krüger, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB § 384 Rdn. 12). Dazu gehört auch, daû er das Ausführungsgeschäft zu Bedingungen abschlieût, die den Interessen des Auftraggebers angemessen Rechnung tragen. Dem
genügt § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 nicht, weil er eine Rückabwicklung des Ausführungsgeschäfts ermöglicht, ohne eine Schadensersatzpflicht entsprechend § 122 BGB vorzusehen. Den Kunden der Beklagten drohen deshalb erhebliche Vermögensschäden, wenn sie im Daytrading, für das die Kursgarantie der Beklagten im Sekundenhandel insbesondere gilt, Gewinne sofort in neue Geschäfte investieren, dabei verlieren und sodann das erste, gewinnbringende Geschäft als "Mistrade" rückabgewickelt wird. Diese Pflichtverletzung rechtfertigt aber nicht die Klageforderung, weil die Kläger, wenn in dem Ausführungsgeschäft ein dem § 122 BGB entsprechender Schadensersatzanspruch vereinbart worden wäre, nur den Schaden, der ihnen durch ihr Vertrauen auf die Gültigkeit des Ausführungsgeschäfts entstanden ist, nicht aber den Gewinn aus dem Ausführungsgeschäft, der den Gegenstand der Klage bildet , ersetzt verlangen könnten.
Ob bereits die Vereinbarung des Stornierungsrechts gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999, insbesondere die lange Stornierungsfrist von fünf Handelstagen gegen die Pflicht der Beklagten, die Interessen der Kläger zu wahren, verstöût, bedarf keiner Entscheidung. Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns aus dem Ausführungsgeschäft folgt hieraus nicht. Der Sachvortrag der Parteien enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daû der Beklagten bei Erfüllung ihrer Pflicht zur Interessenwahrung der Abschluû des Ausführungsgeschäfts ohne das Stornierungsrecht oder mit einer erheblich kürzeren Stornierungsfrist möglich gewesen wäre.

b) Ein Kommissionär hat seinen Auftraggeber ferner über alle Umstände zu benachrichtigen, die für die Ausführung des Geschäfts wichtig
sind und Anlaû zu Weisungen geben können (Baumbach/Hopt aaO § 384 Rdn. 7; Krüger aaO § 384 Rdn. 16). Ob die Beklagte deshalb im vorliegenden Fall verpflichtet war, die Kläger in unmiûverständlicher und unübersehbarer Form darauf hinzuweisen, daû das Ausführungsgeschäft das Stornierungsrecht der Emittentin und die lange Stornierungsfrist von fünf Handelstagen enthielt, und die Weisung der Kläger einzuholen, ob das Geschäft in dieser Form abgeschlossen werden solle, kann dahinstehen. Eine etwaige Verletzung dieser Pflicht könnte die Klage nur rechtfertigen, wenn die Kläger bei gehöriger Benachrichtigung die Optionsscheine anderweitig ohne das Stornierungsrecht oder mit einer kürzeren , angemessenen Stornierungsfrist, erworben hätten. Dafür enthalten die Feststellungen des Berufungsgerichts und der Sachvortrag der Parteien keinen Anhaltspunkt.
4. Die Kläger berufen sich ohne Erfolg darauf, die Beklagte habe den Gewinn ihrem Girokonto bereits gutgeschrieben und sei zur Stornierung dieser Gutschrift nicht berechtigt gewesen. Da die Kläger keinen Anspruch auf den Gewinn hatten, stand der Beklagten ein Rückzahlungsanspruch gemäû § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB und somit ein Stornierungsrecht gemäû § 8 Abs. 1 Halbs. 1 ihrer AGB zu.

IV.


Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die Kläger bestritten haben, daû die Beklagte mit der Emittentin das Recht zum Rücktritt gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 vereinbart hat und daû diese Vereinbarung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. Sie haben ferner bestritten, daû der Emittentin bei Stellung der Kurse ein Irrtum unterlaufen ist. Hierzu ist, gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag, Beweis zu erheben. Da der Irrtum der Emittentin nach dem Vortrag der Beklagten insbesondere an der starken Abweichung der angegebenen Kurse von den korrekten Kursen deutlich wird, kommt eine Begutachtung durch einen Sachverständigen in Betracht.
2. Sollte die Beweisaufnahme ergeben, daû die Emittentin nicht zum Rücktritt gemäû § 8 des Vertrages vom 5./17. August 1999 berechtigt war, sind Feststellungen zu dem von der Beklagten erhobenen Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu erheben. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, die Kläger hätten die unrichtige Kursstellung bei Auftragserteilung erkannt und deshalb anders als bei früheren Geschäften, bei denen sie nur bis zu 1.000 ? eingesetzt hätten, ihr gesamtes Guthaben in Höhe von 53.810 ? in den Options- scheinen angelegt. In einem Telefonat vom 4. Oktober 1999 habe die Klägerin zu 2) eingeräumt, den Fehler bei der Kursstellung erkannt zu haben.
Damit sind die Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung schlüssig vorgetragen. Ein interner, einseitiger Kalkulationsirrtum berechtigt zwar nicht zur Anfechtung (BGHZ 139, 177, 180). Es kann aber eine unzulässige Rechtsausübung gemäû § 242 BGB darstellen, wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt, obwohl er wuûte
oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzog, daû das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruhte, und wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist (BGHZ 139, 177, 184 f.).
Nobbe Siol Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bungeroth ist wegen Urlaubs gehindert , seine Unterschrift beizufügen. Nobbe
Joeres Mayen

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird.

(2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer.

(3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 409/02 Verkündet am:
13. Dezember 2004
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Vor der Eintragung einer GmbH in das Handelsregister bestehen noch keine
Geschäftsanteile. Ein Gesellschafterwechsel in der Vorgesellschaft ist daher
nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich.

b) Auf einen fehlerhaften Gesellschafterwechsel in der Vorgesellschaft sind die
Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht anwendbar.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 409/02 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Kraemer, Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten und unter Zurückweisung der Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11. Juli 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 22. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin schloß mit der nicht im Handelsregister eingetragenen Z. GmbH einen Subunternehmervertrag, aus dem ihr ein Restwerklohn i.H.v. 34.991,34 € zusteht. Die Z. GmbH war am 15. Juli 1997 von den Gesellschaftern Za., K., A. und M. Kr. gegründet worden. Jeder Gesellschafter sollte einen Geschäftsanteil i.H.v. 12.500,00 DM übernehmen. M. Kr. übertrug ihren Anteil teilweise auf den Mitgesellschaf-
ter Za. und teilweise auf ihren Ehemann B. Kr.. Dieser erklärte sodann seinen Austritt aus der Gesellschaft. Nach zwischenzeitlichem Abschluß des Subunternehmervertrages mit der Klägerin übertrug Za. mit notariellem Vertrag vom 16. Januar 1998 seinen Anteil teilweise, nämlich i.H.v. 10.000,00 DM, auf den Beklagten. Der Anteil von B. Kr. und weitere Teil-Anteile der übrigen Gesellschafter wurden auf einen weiteren Erwerber N. übertragen. Auf diese Weise sollten Za., K., A., der Beklagte und N. mit je 10.000,00 DM an der Gesellschaft beteiligt sein. Noch am 16. Januar 1998 hielten diese Personen eine Gesellschafterversammlung ab.
Auch in der Folgezeit kam es nicht zu der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. Am 9. April 1998 stellte die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit ein. Ein Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt. Mit Schreiben vom 27. Mai 1998 erklärte der Beklagte die Anfechtung seiner Beitrittserklärung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung.
Die Klägerin meint, der Beklagte sei Mitglied der Vorgesellschaft geworden und hafte als solches für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich. Dementsprechend nimmt sie ihn auf Zahlung des Restwerklohns in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr i.H.v. 1/5, nämlich 6.998,27 €, stattgegeben. Dagegen richten sich die in dem angefochtenen Urteil zugelassenen Revisionen beider Parteien.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Rechtsmittel des Beklagten hat dagegen Erfolg und führt zur vollständigen Klageabweisung.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte sei nicht Gesellschafter der Z. GmbH in Gründung geworden, weil in dem Gründungsstadium einer GmbH eine Anteilsübertragung unwirksam sei und ein neuer Gesellschafter nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages aufgenommen werden könne, zu der es hier nicht gekommen sei. Dennoch hafte der Beklagte, weil er sich nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft wie ein Gesellschafter der Vorgesellschaft behandeln lassen müsse. Die Gesellschaft sei werbend tätig gewesen. Auf die Anfechtbarkeit der Beitrittserklärung komme es nicht an, weil die Anfechtung jedenfalls nur für die Zukunft wirksam sein könne. Nach den somit anwendbaren Grundsätzen der Verlustdeckungshaftung der Vorgesellschafter hafte der Beklagte für die Schulden der Vorgesellschaft unbeschränkt, allerdings nur anteilmäßig entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft. Da die Gesellschaft vermögenslos sei, bestehe insoweit eine Außenhaftung im Verhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern.
II. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
1. Zutreffend und von den Revisionen auch nicht beanstandet ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte sei nicht Gesellschafter der Vorgesellschaft geworden. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht vor der Eintragung der GmbH noch kein Geschäftsanteil, der übertragen werden kann. Möglich ist nur die Übertragung des künftigen Geschäftsanteils,
die aber erst mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister wirksam wird. Zuvor ist eine Veränderung des Gesellschafterkreises nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich (BGHZ 29, 300, 303; Sen.Urt. v. 27. Januar 1997 - II ZR 123/94, NJW 1997, 1507, insoweit in BGHZ 134, 333 nicht abgedruckt). Eine solche Vertragsänderung ist hier nicht erfolgt, weil nicht alle Mitglieder der Vorgesellschaft an der notariellen Vereinbarung vom 16. Januar 1998 beteiligt waren. Es fehlte M. Kr., die ihre Mitgliedschaft wiederum nicht wirksam auf den Mitgesellschafter Za. und ihren Ehemann B. Kr. übertragen hatte. Selbst wenn seinerzeit eine Änderung des Gesellschaftsvertrages beabsichtigt gewesen sein sollte, fehlte es für deren Wirksamkeit an der notariellen Beurkundung, wie das Berufungsgericht fehlerfrei festgestellt hat.
2. Unzutreffend ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft wie ein Gesellschafter der Vorgesellschaft zu behandeln.
Für den Fall einer mit einem Rechtsmangel behafteten Übertragung eines GmbH-Anteils hat der Senat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung angenommen, daß die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht anwendbar sind, die Anteilsübertragung also von Anfang an unwirksam ist (Sen.Urt. v. 22. Januar 1990 - II ZR 25/89, NJW 1990, 1915, 1916; v. 27. März 1995 - II ZR 3/94, ZIP 1995, 1085, 1086; anders noch Sen.Urt. v. 13. März 1975 - II ZR 154/73, WM 1975, 512, 514). Die Gesellschaft ist lediglich nach § 16 Abs. 1 GmbHG berechtigt und verpflichtet, denjenigen als Gesellschafter zu behandeln, der als Erwerber des Geschäftsanteils bei ihr angemeldet ist. Damit ist ihrem Schutzbedürfnis in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Eines
zusätzlichen Schutzes durch die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bedarf es nicht.
Das Berufungsgericht hat gemeint, diese Rechtsprechung sei auf die fehlerhafte Anteilsübertragung in einer Vorgesellschaft nicht übertragbar, weil sie auf nur für die eingetragene GmbH geltende Vorschriften abstelle (ebenso für das Personengesellschaftsrecht Hopt in Baumbach/Hopt, HGB 31. Aufl. § 105 Rdn. 94; anders K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. § 6 V 2 b; MünchKommBGB /Ulmer 4. Aufl. § 705 Rdn. 374). Dem ist nicht zu folgen. Auf die Vorgesellschaft sind die für die GmbH geltenden Regeln anzuwenden, soweit sie nicht eine Eintragung im Handelsregister voraussetzen. Diese Ausnahme greift hier nicht ein. Das Erfordernis einer Gesellschaftsvertragsänderung zur Auswechslung eines Gesellschafters setzt gerade voraus, daß die Gesellschaft noch nicht im Handelsregister eingetragen ist.
Danach ist der Beklagte nicht wie ein Gesellschafter der Z. GmbH in Gründung zu behandeln. Als er und der Gesellschafter Za. am 16. Januar 1998 die Anteilsübertragung vereinbarten, bestand die Gesellschaft noch als Vorgesellschaft. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts wurde die Eintragung in das Handelsregister nämlich jedenfalls noch bis zum 30. Januar 1998 betrieben.
3. An dieser Rechtslage hat sich in der Folgezeit nichts geändert. Zwar hat die Vorgesellschaft ihre Absicht, die Gesellschaftsgründung in das Handelsregister eintragen zu lassen, aufgegeben. Damit mag sie zu einer OHG oder GbR geworden sein (vgl. Senat, BGHZ 80, 129, 142 f.; offen gelassen in BGHZ 134, 333, 341). Der Kreis der Gesellschafter hat sich dadurch aber nicht verändert.
4. Nach allem kommt allein eine Haftung des Beklagten nach Rechtsscheinsgrundsätzen in Betracht. Aber auch deren Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob der Beklagte durch die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung vom 16. Januar 1998 oder durch ein späteres Verhalten nach außen den Rechtsschein gesetzt hat, Gesellschafter der Vorgesellschaft zu sein, oder ob es sich dabei nur um interne, allein die Gesellschafter betreffende Vorgänge gehandelt hat. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht auf einen etwaigen Rechtsschein vertraut. Der Subunternehmervertrag, aus dem sie ihren Anspruch herleitet, war schon zuvor geschlossen worden.
Röhricht Kraemer Gehrlein
Strohn Caliebe

(1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird.

(2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer.

(3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden.