Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2018 - VI ZR 250/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:240418UVIZR250.17.0
bei uns veröffentlicht am24.04.2018
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 14 O 419/15, 14.07.2016
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 4 U 182/16, 19.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 250/17
Verkündet am:
24. April 2018
Olovcic
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Bei § 266 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (im Anschluss an
Senat, Urteile vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, NJW 2012, 3439 Rn. 13; vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09,
BGHZ 185, 378 Rn. 6).
2a. Untreue setzt sowohl in der Variante des Missbrauchs- (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) als auch in derjenigen des
Treubruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht
obliegt und er diese verletzt. Eine solche Pflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell
) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der
Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt (im Anschluss
an BGH, Urteil vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, BGHSt 61, 305 Rn. 33; vgl. Senat, Urteil vom
25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 9).
2b. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus,
und zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten ergeben. In der Regel
wird sich eine Treuepflicht nur aus einem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis ergeben, in welchem der
Verpflichtung des Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt. Bei rechtsgeschäftlicher Grundlage kommt
es im Einzelfall auf die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an (im Anschluss an Senat, Beschluss
vom 1. Juni 2010 - VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 9; Urteil vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09,
BGHZ 185, 378 Rn. 9).
2c. Die Pflicht, Vermögensinteressen eines anderen wahrzunehmen, kann durch ein Rechtsgeschäft zwischen
dem Verpflichteten und einem Dritten begründet werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. März2000
- 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375, 376).
3. Zur Vermögensbetreuungspflicht eines (IATA-)Vertriebsagenten gegenüber einer Fluggesellschaft hinsichtlich
der durch den Agenten eingezogenen Entgelte für die von ihm vertriebenen Flugscheine (vgl. BGH, Urteile
vom 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, NZG 2005, 755 f.; vom 21. Dezember 1973 - IV ZR 158/72, BGHZ 62, 71,
80).
BGH, Urteil vom 24. April 2018 - VI ZR 250/17 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2018:240418UVIZR250.17.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin von Pentz, den Richter Offenloch, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Allgayer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. Mai 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Verstoßes gegen eine Vermögensbetreuungspflicht auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Der Verband International Air Transport Association (IATA) schließt im Namen seiner Mitglieder (Fluggesellschaften) mit Agenten Verträge ab, durch welche diese berechtigt werden, Flugscheine der IATA-Mitglieder zu vertreiben. Verwaltung, Verkauf und Abrechnung erfolgen im Rahmen eines vereinheitlichten Systems (Billing and Settlement Plan [BSP] und IATA Cargo Accounts Settlement System [CASS]).
3
Satzungsmäßiger Zweck des klagenden Vereins ist die Rechtsverfolgung von Ansprüchen seiner Mitglieder (Fluggesellschaften) in eigenem Namen gegen Agenten, die am Verwaltungs-, Verkaufs- und Abrechnungssystem der IATA teilnehmen.
4
Die F. AG vertrieb über ein Reisebuchungsportal im Internet IATAFlugscheine auf Grundlage eines mit der IATA abgeschlossenen Agenturvertrags. Dieser enthält unter anderem folgende Bestimmungen (in deutscher Übersetzung des englischsprachigen Originals): "[…] 3. Verkauf der Leistungen von Fluglinien 3.1 Der Agent ist berechtigt, Transport von Passagieren auf dem Luftweg über die Leistungen der Fluglinie und über die Leistungen sonstiger Fluglinien zu verkaufen, wie von der Fluglinie autorisiert. Der Verkauf des Transports von Passagieren auf dem Luftweg bezeichnet alle Aktivitäten, die erforderlich sind, um dem Passagier einen gültigen Beförderungsvertrag zur Verfügung zu stellen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf die Ausstellung eines gültigen Reisedokuments und die Entgegennahme der Gelder dafür. […] 3.2 Alle Leistungen, die gemäß diesem Vertrag verkauft werden, werden im Namen der Fluglinie und gemäß den Tarifen, Beförderungsbedingungen und schriftlichen Anweisungen der Fluglinie verkauft, die dem Agenten zur Verfügung gestellt werden. […] […] 7.1 Bei Ausstellung eines Reisedokuments im Namen der Fluglinie durch den Agenten oder bei Ausstellung eines eigenen Transportauftrags durch den Agenten, der auf die Fluglinie gezogen wird, ist der Agent, unabhängig davon, ob er einen entsprechenden Betrag erhält, für die Zahlung des für den Transport oder die sonstigen Leistungen fälligen Betrages, auf die sich das Reisedokument oder Transportauftrag bezieht, verantwortlich. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Reisedokument oder der Transportauftrag unter dem Universal Air Travel Plan (UATP) oder einem ähnlichen Kreditprogramm ausgestellt oder der Öffentlichkeit durch die Fluglinie verfüg- bar gemacht wird (ausgenommen in Bezug auf die Anfangssumme, die unter einem solchen Programm zahlbar ist) und der Agent die ordnungsgemäß ausgefüllten Dokumente, die gemäß einem solchen Programm erforderlich sind, beschafft und an die Fluglinie weitergeleitet hat oder wenn das Reisedokument oder der Transportauftrag vom Agenten für eine im Voraus bezahlte Ticketanweisung ausgestellt wurde. In solchen Fällen übernimmt die Fluglinie die Verantwortung für die Eintreibung. 7.2 Ausgenommen wie in Unterabsatz 7.1 dieses Absatzes anderweitig vorgesehen wird der Agent den für den Transport oder die sonstige Leistung zahlbaren Betrag, den er im Namen der Fluglinie verkauft hat, eintreiben. Alle Gelder, die vom Agenten für Transport- und Nebenleistungen, die unter diesem Vertrag verkauft wurden, eingenommen werden, einschließlich geltender Provisionen, auf die der Agent hierunter einen Anspruch hat, sind Eigentum der Fluglinie und werden vom Agenten für oder im Namen der Fluglinie treuhänderisch verwahrt, bis sie der Fluglinie gegenüber zufriedenstellend nachgewiesen und ausgeglichen wurden. […] Wenn von der Fluglinie nicht anderweitig angewiesen ist der Agent berechtigt, die ihm hierunter zustehende, geltende Provision von den Überweisungen abzuziehen. 7.3 Der Agent wird der Fluglinie zu Zeiten und Bedingungen, die die Fluglinie zu Zeit gemäß den Bedingungen der Verkaufsagenturregeln vorgeben kann, Gelder überweisen. 7.4 Ein Reisedokument ist unverzüglich auszustellen, nachdem der Agent für spezifizierten Passagiertransport auf dem Luftweg oder Nebenleistungen, die unter diesem Vertrag verkauft wurden, Geld erhalten hat und der Agent ist für die Überweisung des zu zahlenden Betrags in Bezug auf ein solches Reisedokument auf die Fluglinie verantwortlich […]"
5
Der Agenturvertrag verweist auf eine beigefügte Anlage (Handbuch). Darin heißt es: "14.7.3 Zahlungsmodus, Monatliche Zahlung Die monatliche Zahlung erfolgt am 15. des Folgemonats […]."
6
Der Beklagte war vom 10. Februar 2014 bis zu seiner Amtsniederlegung am 26. Juni 2014 Vorstand der F. AG. Die F. AG wurde Ende Mai 2014 von der Teilnahme am IATA-System gesperrt und stellte später ihren Geschäftsbetrieb ein.
7
Der Kläger erwirkte gegen die F. AG wegen offener Entgelte für 96 im Zeitraum vom 1. bis zum 10. Mai 2014 verkaufte Flugscheine einer Fluggesellschaft ein Urteil, das nicht vollstreckt werden konnte. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten wegen Untreue ab, da es an einer Vermögensbetreuungspflicht gefehlt habe.
8
Der Kläger wirft dem Beklagten insbesondere vor, die durch den Vertrieb der Flugscheine eingezogenen Entgelte nicht ausreichend gesichert zu haben. Er nimmt ihn deshalb auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

9
Nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlt es an einer von der F. AG gegenüber der IATA mit Schutzwirkung für die Fluggesellschaft übernommenen Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB. Zwischen der F. AG und der Fluglinie habe kein Geschäftsbesorgungsverhältnis als Hauptgegenstand des Agenturvertrags bestanden. Der Agenturvertrag sei als Handelsmaklervertrag auszulegen, da der Beförderungsvertrag vom Agenten im Namen der Fluglinie abgeschlossen werde. Sein Hauptgegenstand sei die Befugnis des Agenten, Verträge mit den Fluglinien zu vermitteln. Durch die Berechtigung zur Einziehung des Entgelts und Verpflichtung zur Weiterleitung des eingezogenen Betrages abzüglich Provision an die IATA enthalte der Vertrag zwar ein Geschäftsbesorgungselement , dieses sei jedoch nicht als Vermögensbetreuungspflicht ausgestaltet. Die von den Kunden an die F. AG gezahlten Entgelte gelangten nicht in das Vermögen der Fluglinie. Eine Verpflichtung, den erlangten Betrag getrennt vom sonstigen Vermögen treuhänderisch aufzubewahren, sei nicht vorgesehen. Der Vertrag könne auch nicht so ausgelegt werden, dass die eingenommenen Entgelte ab einem bestimmten Zeitpunkt wie einer krisenhaften Entwicklung oder einer wirtschaftlichen Schieflage vor dem Zugriff anderer Gläubiger geschützt werden müssten.
10
Ob für den Beklagten eine Handlungspflicht zur Sicherung der für Ticketverkäufe ab Mai 2014 eingezogenen Entgelte bestanden habe, könne dahingestellt bleiben. Die Voraussetzungen für eine solche Handlungspflicht seien zudem nicht dargelegt. Dem Kläger stehe gegen den Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Insolvenzantragstellung zu.

II.

11
Die Revision ist begründet. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht verneint werden.
12
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei § 266 Abs. 1 StGB um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, NJW 2012, 3439 Rn. 13; vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 6 jeweils mwN).
13
2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , dass die F. AG keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB hatte.
14
a) Untreue setzt sowohl in der Variante des Missbrauchs- (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) als auch in derjenigen des Treubruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt und er diese verletzt. Eine solche Pflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hinausgehen. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des ihm eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (BGH, Urteil vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, BGHSt 61, 305 Rn. 33 mwN; vgl. Senat, Urteil vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 9).
15
Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen , reichen nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten ergeben. In der Regel wird sich eine Treuepflicht nur aus einem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis ergeben, in welchem der Verpflichtung des Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt. Bei rechtsgeschäftlicher Grundlage kommt es im Einzelfall auf die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an (Senat, Beschluss vom 1. Juni 2010 - VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 9; Urteil vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 9; vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94 Rn. 26; Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182 Rn. 15 ff. jeweils mwN; verfassungsrechtlich unbedenklich: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170 Rn. 108 f.). Die Pflicht, Vermögensinteressen eines anderen wahrzunehmen, kann durch ein Rechtsgeschäft zwischen dem Verpflichteten und einem Dritten begründet werden (BGH, Urteil vom 23. März 2000 - 4 StR 19/00, NStZ 2000, 375, 376 mwN).
16
b) Nach diesen Grundsätzen hatte die F. AG gegenüber der Fluggesellschaft , deren Leistungen (Flugscheine) sie vertrieb, hinsichtlich der von ihr eingezogenen Gegenleistungen (Entgelte) eine Vermögensbetreuungspflicht (vgl. insbesondere BGH, Urteile vom 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, NZG 2005, 755 f.; vom 21. Dezember 1973 - IV ZR 158/72, BGHZ 62, 71, 80; OLG Frankfurt, Urteil vom 6. März 2003 - 3 U 57/97, NJW-RR 2003, 1532; vgl. weiter zu Reisebüros BGH, Urteile vom 12. Dezember 1990 - 3 StR 470/89, wistra 1991, 181; vom 3. Mai 1978 - 3 StR 30/78, BGHSt 28, 20; vom 12. Dezember 1958 - 5 StR 475/58, BGHSt 12, 207; vom 19. Mai 1953 - 2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601; zu Versicherungsmakler mit Inkassovollmacht BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158 f.). Aus dem Agenturvertrag ergibt sich, dass die Verpflichtung der F. AG zur Abführung der von ihr eingezogenen Entgelte eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Fluggesellschaft war.
17
Die Auffassung des Beklagten, dass nach dem Agenturvertrag die von der F. AG eingezogenen Entgelte wirtschaftlich dieser zustanden und diese daher auch insoweit ausschließlich eigene Vermögensinteressen wahrnahm, trifft nicht zu. Aus der Regelung in Ziffer 7.1 Satz 1 des Agenturvertrags ergibt sich nur, dass der Agent bei der Ausstellung sowohl von Reisedokumenten im Namen der Fluggesellschaft als auch von eigenen Transportaufträgen unabhängig vom Erhalt eines entsprechenden Betrags verantwortlich ist. Bei dieser Verantwortlichkeit handelt es sich um eine Bürgschaft oder um eine Garantie (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. März 1982 - I ZR 60/80, MDR 1983, 24; Führich, Reiserecht 7. Aufl., § 28 Rn. 41). Unabhängig vom Bestehen und der Geltendmachung dieser Verantwortlichkeit erfolgt das Eintreiben von zahlbaren Beträgen für im Namen der Fluggesellschaft verkaufte Transporte oder sonstige Leistungen durch den Agenten (Agenturvertrag 7.2 Satz 1). Das Verhältnis dieser Vertragsbestimmungen ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht unklar , da sich die Formulierung "Ausgenommen wie in Unterabsatz 7.1 dieses Absatzes anderweitig vorgesehen" in Ziffer 7.2 Satz 1 des Agenturvertrags ersichtlich auf den letzten Satz "In solchen Fällen übernimmt die Fluglinie die Verantwortung für die Eintreibung" in Ziffer 7.1 Satz 3 des Agenturvertrags bezieht.
18
Der Agenturvertrag begründete daher hinsichtlich der Verpflichtung der F. AG zur Abführung der von ihr eingezogenen Entgelte (Agenturvertrag 7.2 Satz 1) ein fremdnütziges Schuldverhältnis, welchem Geschäftsbesorgungscharakter zukam. Unerheblich ist, dass die F. AG im Übrigen eigene Belange wahrnehmen wollte, indem sie sich wegen der anfallenden Provisionen um möglichst hohe Umsätze durch vermittelte Flugscheine bemühte. Diese fremdnützige Vermögensfürsorge - die gerade auch in der ausdrücklichen Verwahrungspflicht in Ziffer 7.2 Satz 2 des Agenturvertrags zum Ausdruck kommt - stellte wegen ihrer Bedeutung für die Fluggesellschaft sowie der Art und Weise ihrer vertraglichen Ausgestaltung nicht nur eine beiläufige, sondern eine zumindest mitbestimmende Verpflichtung und somit eine Hauptpflicht dar. Über den Umgang mit eingezogenen Entgelten bis zur Abführung konnte die F. AG eigenverantwortlich und selbständig ohne Kontrolle (Steuerung und Überwachung ) entscheiden. Abrechnungen und Zahlungen erfolgten nachträglich. Als Inhalt dieser Vermögensbetreuungspflicht hatte die F. AG sicherzustellen, dass ein dem eingezogenen Entgelt entsprechender Betrag (ggf. abzüglich der Provision gem. Agenturvertrag 7.2 Satz 3) abgeführt wird. Im vorliegenden Zusammenhang kann offen bleiben, durch welches Verhalten (Tun, Unterlassen) gegen diese Vermögensbetreuungspflicht verstoßen würde (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158; vom 2. April 2008 - 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182 Rn. 30; Krehl, NStZ 2014, 159).
19
Abweichendes ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus, dass im Wortlaut von Ziffer 7.2 Satz 2 des Agenturvertrags nicht vorgesehen ist, das erlangte Geld getrennt vom sonstigen Vermögen treuhänderisch aufzubewahren. Voraussetzung für eine Vermögensbetreu- ungspflicht im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB ist die gesetzliche Anordnung oder vertragliche Vereinbarung einer vom sonstigen Vermögen getrennten Aufbewahrung nur, wenn es sich - anders als hier, wo die fremdnützige Vermögensfürsorge Hauptpflicht war - im Übrigen um ein Austauschverhältnis mit allgemeinen schuldrechtlichen Verpflichtungen handelt, das die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. Senat, Urteil vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 10 ff.: Gewährleistungseinbehalt eines Bauauftraggebers ; BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182 Rn. 9 f., 15 ff.: Kaution bei Wohn- und Gewerberaummiete).
20
Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang, ob die F. AG als Handelsvertreter (§ 84 Abs. 1 HGB) oder als Handelsmakler (§ 93 Abs. 1 HGB) tätig wurde (vgl. dazu Führich, Reiserecht 7. Aufl., § 5 Rn. 64 f.; § 27 Rn. 11 ff., § 35 Rn. 11; Palandt/Sprau, BGB 77. Aufl., Einf v § 651a Rn. 6; Schulz, RRa 2010, 164, 165 f.; Evers/Kiene, RRa 2005, 8). Unabhängig davon kam der Tätigkeit der F. AG Geschäftsbesorgungscharakter zu. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob sich aus Ziffer 7.2 Satz 1 des Agenturvertrags eine Einziehungsermächtigung oder eine Inkassozession ergibt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. April 2014 - IX ZR 201/13, NJW 2014, 1963 Rn. 12 ff.; Führich, Reiserecht 7. Aufl., § 28 Rn. 42; Palandt/Grüneberg, BGB 77. Aufl., § 398 Rn. 29 ff.). Entscheidend ist, dass durch Zahlung des Entgelts an die F. AG der Anspruch der Fluggesellschaft erlischt.
21
3. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht über die Voraussetzungen der Vermögensbetreuungspflicht hinaus keine weiteren tragfähigen Feststellungen getroffen hat. Das Berufungsgericht wird Gelegenheit haben, sich insoweit auch mit dem Vorbringen in Revisionsbegründung und -erwiderung zu befassen. Galke von Pentz Offenloch Roloff Allgayer
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.07.2016 - 2-14 O 419/15 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 19.05.2017 - 4 U 182/16 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2018 - VI ZR 250/17

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(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

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(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätig
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 421/18 vom 4. Dezember 2018 in der Strafsache gegen wegen Betrugs u. a. ECLI:DE:BGH:2018:041218B2STR421.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbunde

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

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1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Bestimmungen der § 266 Abs. 1, § 27 StGB Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 192; vom 25. Mai 2010 - VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 Rn. 6, jeweils mwN).
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a) Mit Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass § 266 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen und entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und allgemeiner Meinung im juristischen Schrifttum (RGZ 118, 312, 313; Senatsurteile BGHZ 8, 276, 284; 100, 190, 192 und vom 4. Dezember 1962 - VI ZR 28/62 - NJW 1963, 486; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823, Rn. 369).

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3
Zur Untreue bei behördlichen Entscheidungen im Zusammenhang
mit gesetzlicher Vertretung nach Art. 233 § 2 Abs. 3
EGBGB.
BGH, Urteil vom 9. November 2016 – 5 StR 313/15
LG Leipzig –
ECLI:DE:BGH:2016:091116U5STR313.15.0
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 313/15
vom 9. November 2016 in der Strafsache gegen

1.



2.



3.



4.



wegen Untreue u.a. ECLI:DE:BGH:2016:091116U5STR313.15.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin R. als Verteidigerin der Angeklagten D. , Rechtsanwältin G. als Verteidigerin der Angeklagten H. , Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt W. als Verteidiger der Angeklagten T. , Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 17. Dezember 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit freigesprochen worden sind
a) die Angeklagte D. im Fall 2.5 des ersten Tatkomplexes der Urteilsgründe,
b) die Angeklagten H. und M. in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5 des ersten Tatkomplexes der Urteilsgründe.
Die weitergehenden Revisionen betreffend diese Angeklagten und die Revision betreffend die Angeklagte T. werden verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels betreffend die Angeklagte T. sowie die dieser Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten von Untreue- und Betrugsvorwür1 fen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützten Revisionen. Das die Angeklagte T. betreffende Rechtsmittel bleibt erfolglos; die Revisionen hinsichtlich der Angeklagten D. , H. und M. haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

A.


I. Den Angeklagten liegt Folgendes zur Last:
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1. Den Angeklagten D. , H. und M. wird vorgeworfen,
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gemeinschaftlich handelnd zwischen Juli 2006 und Mai 2009 in insgesamt fünf Fällen als Mitarbeiter des Rechtsamts der Stadt nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB ohne ausreichende Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen und unter billigender Inkaufnahme der Verletzung entsprechender Prüfpflichten gesetzliche Vertreter für vermeintlich unbekannte Grundstückseigentümer bestellt bzw. an deren Bestellung mitgewirkt zu haben und von den bestellten Vertretern vorgenommene Grundstücksveräußerungen genehmigt bzw. an diesen Genehmigungen mitgewirkt zu haben. Der Angeklagten D. wird insoweit ihr Tätigwerden im Rahmen der Fälle 2.4 und 2.5, der Angeklagten H. werden ihre Handlungen bei den Taten 2.1, 2.2, 2.4 sowie 2.5 und dem Angeklagten M. sein Handeln bei den Taten 2.1 bis 2.5 zum Vorwurf gemacht. Der Angeklagten T. als im Fall 2.4 zur gesetzlichen Vertreterin bestellten Rechtsanwältin wird vorgeworfen, die Grundstücksveräußerung vorgenommen zu haben, obwohl ihr ein Miteigentümer des Grundstücks und damit das Fehlen der Vertretungsvoraussetzungen bekannt gewesen seien (Tatkomplex

1).


2. Weiter wird den Angeklagten D. , H. und M. vor4 geworfen, die im Zuge der Grundstücksveräußerungen für (vermeintlich) unbekannte Grundstückseigentümer vereinnahmten und auf städtischen Konten verwahrten Erlöse in insgesamt 43 Fällen entgegen den gesetzlichen Vorschriften ohne die aufgelaufenen Zinsen an die Berechtigten ausgekehrt zu haben. Auch hierbei hätten die Angeklagten die Verletzung ihrer Pflicht zur Zinsauskehr und die Schädigung der Auskehrberechtigten billigend in Kauf genommen. Den Angeklagten D. und M. wird hier zudem vorgeworfen, in jeweils einem Fall zugleich Anspruchsberechtigten gegenüber bewusst wahrheitswidrig eine Verzinsungspflicht in Abrede gestellt und diese dadurch getäuscht zu haben (Tatkomplex 2).
3. Schließlich liegt dem Angeklagten M. zur Last, in 173 Fällen be5 dingt vorsätzlich entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung für die städtische Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit der Bestellung gesetzlicher Vertreter gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB keine Verwaltungsgebühr nach der Tarifstelle 3.3. des kommunalen Kostenverzeichnisses (KommKVz) der Stadt in Höhe von jeweils 125 bis 1.000 Euro festgesetzt zu haben (Tatkomplex

3).


II. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getrof6 fen:
1. In den 1990er und 2000er Jahren ließen sich Grundstückseigentümer
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in den neuen Ländern vielfach nur schwer ermitteln, weil in der DDR zahlreiche Immobilien im Volkseigentum gestanden hatten, Grundbücher nicht oder nur unvollständig geführt worden und zudem Restitutions- und Entschädigungsansprüche zu klären waren. Überdies lagen viele Grundstücke, deren eigentumsrechtliche Zuordnung unklar war, gänzlich brach oder waren mit leerstehenden oder stark sanierungsbedürftigen Gebäuden bebaut; dies führte für die verkehrssicherungspflichtigen Kommunen zu finanziellen und organisatorischen Belastungen. Zu deren Verringerung und um eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zu ermöglichen, in der es eine große Nachfrage nach Immobilien gab, bestand bei der Stadtverwaltung ein erhebliches Interesse an einem funktionierenden städtischen Grundstücksmarkt.
Seit Ende 1993 galt mit Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB eine gesetzliche Re8 gelung, die es Kommunen erlaubte, in Fällen der Nichtfeststellbarkeit eines Grundstückseigentümers oder seines Aufenthalts bei Bestehen eines Bedürfnisses für diesen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen. Die Wirksamkeit der von solchen Vertretern vorgenommenen Grundstücksveräußerungen hing von der Genehmigung durch die Bestellungsbehörde ab.
Im zuständigen Rechtsamt der Stadt nahm die inzwischen ver9 storbene frühere Rechtsamtsleiterin B. bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand Ende Oktober 2006 die Bestellung gesetzlicher Vertreter vor und traf Entscheidungen über Genehmigungsersuchen bestellter Vertreter für von ihnen vorgenommene Grundstücksveräußerungen. Sie hinterließ ihren Nach- folgern „chaotische Verhältnisse“ (UA S. 34) insoweit, als Arbeitsabläufe zum Teil nicht organisiert waren, keine schriftlichen Dienstanweisungen existierten und Akten teilweise gar nicht oder falsch registriert bzw. unvollständig waren oder ihr Ablageort unklar war.
Nachdem der Zeuge L. kurzzeitig das Rechtsamt geleitet hatte, nahm
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seit Februar 2007 die Angeklagte H. übergangsweise die Aufgaben der Rechtsamtsleiterin wahr. Sie hatte in der DDR ein juristisches Studium absolviert und war seit Mitte 1996 stellvertretende Rechtsamtsleiterin. Am 7. Mai 2007 übernahm die Angeklagte D. , eine Volljuristin, die Leitung des Rechtsamts und damit auch die interne Zuständigkeit für die Bestellung von gesetzlichen Vertretern sowie für Genehmigungsentscheidungen. Für die jeweiligen Leiter des Rechtsamts bereitete seit November 2001 der Angeklagte M. , ein Verwaltungsmitarbeiter ohne juristische Ausbildung, die Bestellungs - und Genehmigungsentscheidungen inhaltlich vor.
Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wurde im Rechtsamt der Be11 reich der gesetzlichen Vertretung regulär von nur zwei Mitarbeitern bearbeitet – nämlichdem jeweiligen Rechtsamtsleiter unterstützt durch den Angeklagten M. . Im Zeitpunkt des tatgerichtlichen Urteils waren zur Erfüllung derselben Aufgaben insgesamt neun Verwaltungsangehörige nach einem von Justiziaren erstellten Prüfschema tätig.
2. In insgesamt fünf Fällen (Tatkomplex 1) bestellten die frühere Rechts12 amtsleiterin B. (Fall 2.1), der Zeuge L. als ihr Vertreter (Fälle 2.1 und 2.2), die Angeklagte D. als Rechtsamtsleiterin (Fälle 2.3, 2.4 und 2.5) und die Angeklagte H. als stellvertretende Rechtsamtsleiterin (Fall 2.4) Rechtsanwälte als gesetzliche Vertreter gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB. Die Angeklagte D. genehmigte in zwei Fällen (Fälle 2.3 und 2.4), die Angeklagte H. in vier Fällen (Fälle 2.1, 2.2, 2.4 und 2.5) von gesetzlichen Vertretern vorgenommene Grundstücksveräußerungen.
Die Bestellungen der gesetzlichen Vertreter bereitete jeweils der Ange13 klagte M. inhaltlich vor. In vier Fällen (Fälle 2.1, 2.2, 2.3 und 2.5) führte er
vor der Bestellungsentscheidung keine eigenen Recherchen zur Feststellung des Grundstückseigentümers, seiner Erben oder deren Aufenthalt durch, sondern vertraute auf die Angaben der die gesetzliche Vertretung beantragenden Erwerbsinteressenten, die Grundstückseigentümer seien unbekannt.
In einem Fall (Fall 2.4) wurde dem Angeklagten M. durch eine von
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ihm veranlasste Anfrage bei der Stadtkämmerei der mögliche Mitberechtigte He. bekannt, der angab, Erbe eines Anteils an einer einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück haltenden BGB-Gesellschaft zu sein. Der Angeklagte M. bereitete aber in Abstimmung mit der Angeklagten T. als bereits für andere Berechtigte bestellter gesetzlicher Vertreterin unter Hinweis auf Zweifel an der Rechtsstellung des möglichen Erben auch insoweit eine Vertreterbestellung vor. Das Landgericht hat hier das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB bejaht. Denn da der ermittelte mögliche Mitberechtigte seine Miterbenstellung nicht ausreichend nachgewiesen hatte, insbesondere keinen ihn legitimierenden Erbschein vorgelegt hatte, sei der Grundstückseigentümer hier unbekannt gewesen.
Auch die Genehmigungen der durch die gesetzlichen Vertreter vorge15 nommenen Grundstücksveräußerungen bereitete der Angeklagte M. vor. In einem Fall (Fall 2.1) konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Angeklagte dabei zur Prüfung des Verkaufspreises auf wirtschaftliche Angemessenheit telefonisch beim Amt für Geoinformation und Bodenordnung kundig gemacht hatte. In den übrigen Fällen lagen dem Angeklagten Verkehrswertgutachten vor, die dem später festgelegten Verkaufspreis entsprechende Grundstückswerte auswiesen. In den Fällen 2.1 bis 2.4 führte der Angeklagte M. vor den Genehmigungsentscheidungen keine weiteren Ermittlungen zu den vertretenen Eigentümern durch. Im Fall 2.5 wartete er das Ergebnis nachträglich
veranlasster Ermittlungen nicht ab; diese hatten allerdings keinen konkreten Hinweis auf einen Eigentümer zum Hintergrund.
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Der Angeklagte M. hielt sich für berechtigt, keine (Fälle 2.1, 2.2 und 2.3) bzw. nur in geringem Maße (Fälle 2.4, 2.5) Eigentümer- oder Erbenermittlungen anzustellen. Er wollte entsprechend den Instruktionen durch die frühere Rechtsamtsleiterin B. und seinem Verständnis der Vertretungsregelung des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB als Beschleunigungsnorm möglichst schnell die Bestellung der gesetzlichen Vertreter vorbereiten. Mit einer Schädigung der Berechtigten rechnete er nicht. Auch betreffend die Vorbereitung der Genehmigungsentscheidungen ging er nicht von einer Schädigung der Eigentümer aus, da er entweder durch Verkehrswertgutachten oder in einem Fall nicht ausschließbar infolge von Informationen des Amtes für Geoinformation und Bodenordnung den Verkaufspreis geprüft hatte.
Die Angeklagten D. und H. verließen sich auf die ord17 nungsgemäße und fehlerfreie Zuarbeit des Angeklagten M. und rechneten nicht damit, dass für die vorbereiteten Vertreterbestellungen und Genehmigungserklärungen die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen könnten. Die Angeklagte T. ging davon aus, dass auch hinsichtlich des möglichen Mitberechtigten He. die Voraussetzungen für eine Vertreterbestellung vorlagen, da dieser nur eine Mitberechtigung als Mit-Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft durch Erbfolge vorgetragen und ein entsprechendes Erbrecht nicht nachgewiesen hatte. Eine Schädigung von Berechtigten hielten die genannten Angeklagten nicht für möglich.
Während in den Fällen 2.1 und 2.2 die Veräußerungserlöse seitens des
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Rechtsamts nach Abzug insbesondere der für die Tätigkeit der gesetzlichen Vertreter angefallenen Kosten später an die Berechtigten ausgekehrt wurden, traf dies in den übrigen Fällen nicht zu. Im Fall 2.3 gingen die Berechtigten auf dem Zivilrechtsweg gegen die vorgenommene Grundstücksveräußerung vor und erstritten die Zahlung von Schadensersatz durch die Stadt. Der mögliche Mitberechtigte He. im Fall 2.4 meldete sich nach Vollzug des Kaufvertrags nicht mehr bei der Stadt, weswegen es auch nicht zu einer Auskehrung des Veräußerungserlöses kam. Im Fall 2.5, bei dem irrtümlich nicht für den Eigentümer Z. , sondern für „die Erben nach dem unbekannten Eigentümer Z. “ ein gesetzlicher Vertreter bestellt worden und in deren Namen ein Kaufvertrag geschlossen worden war, erwirkte der Eigentümer auf dem Zivilrechtsweg die Rückübertragung des Grundstücks und die Zahlung von Schadensersatz; eine Belastung mit Vertretungskosten erfolgte nicht.
3. Im Tatkomplex 2 wiesen die insoweit intern zuständigen Angeklagten
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D. , H. und M. in insgesamt 43 Fällen die Auszahlung von Veräußerungserlösen an berechtigte Eigentümer der durch gesetzliche Vertreter im Sinne von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB veräußerten Grundstücke abzüglich entstandener Kosten ohne Auskehrung der erwirtschafteten Zinsen an. In jeweils einem der Fälle teilten die Angeklagten D. (Fall II.44 der Anklageschrift ) und M. (Fall II.45 der Anklageschrift) Bevollmächtigten der Berechtigten schriftlich mit, dass eine Verzinsungspflicht für verwahrte Kaufpreiserlöse nicht bestehe.
Dem war eine rechtliche Auseinandersetzung innerhalb der
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Stadtverwaltung vorausgegangen. Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt hatte in den Jahren 1999 und 2002 die bisherige Verfahrensweise beanstandet und die Auffassung vertreten, dass die der Stadt zugeflossenen Kaufpreiserlöse zu Gunsten der Berechtigten verzinslich anzulegen seien. Demgegenüber hatte die frühere Rechtsamtsleiterin B. unter Verweis auf die Regelungen der Hinterlegungsordnung weiterhin die gegenteilige Rechtsauffassung vertreten und etwa im Jahr 2003 die Angeklagten H. und M. angewiesen, die Kaufpreiserlöse generell ohne Zinsen an die Berechtigten auszuzahlen. Dieser Rechtsauffassung folgend führten die Angeklagten die langjährig geübte Praxis fort.
4. In 173 Fällen (Tatkomplex 3) setzte der Angeklagte M. gegenüber
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den gesetzlich vertretenen früheren Grundstückseigentümern für das Tätigwerden der Stadtverwaltung im Rahmen der gesetzlichen Vertretung lediglich eine Gebühr nach Ziffer 3.1. KommKVz, nicht jedoch eine zweite Gebühr gemäß Ziffer 3.1. KommKVz (nach dem Zusammenhang wohl richtig: 3.3. KommKVz) fest.
Das Kostenverzeichnis sah folgende Tarifstellen vor:
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Ziffer 3.1. KommKVz Genehmigung der Veräußerung des Grundstücks durch den gesetzlichen Vertreter: 150 bis 1.000 € Ziffer 3.2. KommKVz Verwaltung des Kaufpreiserlöses: 1,5 % des verwahrten Geldes, höchstens 2.500 € Ziffer 3.3. KommKVz Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit der Bestellung einer Person zum gesetzlichen Vertre- ter: 125 bis 1.000 €
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Der Angeklagte hatte Anfang der 2000er Jahre an der Überarbeitung dieser Vorschriften mitgewirkt. Er ging bei der Festsetzung der Gebühren davon aus, dass eine Gebühr nach 3.1. KommKVz (nach dem Zusammenhang wohl richtig: 3.3. KommKVz) nicht entstanden sei. Nach seinem Verständnis war dieser Gebührentatbestand nur als Auffangtatbestand geschaffen worden für (hier nicht vorliegende) Fälle, in denen der gesetzliche Vertreter bereits vor Abschluss des Kaufvertrages abberufen wurde. Er war der Ansicht, dass der Stadt Gebühren nach dem genannten Tatbestand nicht zustünden.
III. Das Landgericht hat hinsichtlich eines Tatvorwurfs des ersten Tat25 komplexes (Fall 2.4) und betreffend sämtliche Tatvorwürfe des zweiten Tatkomplexes bereits eine Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Untreue bzw. des Betruges verneint. In diesen Fällen wie auch im Übrigen hat es (jedenfalls ) ein vorsätzliches Handeln der Angeklagten nicht feststellen können.

B.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben nur hinsichtlich der Ange26 klagten D. , H. und M. teilweise Erfolg. Die Revision betreffend die Angeklagte T. bleibt erfolglos.
I. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
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1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet in verfahrensrechtlicher Hinsicht
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die nicht erschöpfende Würdigung von in die Beweisaufnahme eingeführten Urkunden – insbesondere eines Berichts des Rechnungsprüfungsamts der Stadt vom 20. März 2012 – und der Angaben eines als Zeugen vernommenen Staatsanwalts.
Diese Rügen sind unzulässig, da das Revisionsvorbringen den Anforde29 rungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO jeweils nicht gerecht wird. Die Revisions-
führerin hat den Inhalt der in Bezug genommenen Urkunden nur punktuell und damit nicht ausreichend mitgeteilt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14, PharmR 2015, 127, 129; LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 344 Rn. 78, 82 ff.; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 39). Gleiches gilt für die zeugenschaftlichen Angaben, deren Inhalt die Revision nicht vorträgt, sondern insoweit nur auf die Bestätigung von Vorhalten aus dem inhaltlich nicht mitgeteilten Protokoll einer vom Zeugen durchgeführten Vernehmung verweist.
2. Auch die seitens der Staatsanwaltschaft erhobene weitere Inbegriffs30 rüge (§ 261 StPO), das Landgericht habe in seine Beweiswürdigung den „Ver- waltungsvorgang L. Markt “ einbezogen, der in Form der Dokumente der entsprechenden Verwaltungsakte nicht Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen sei, greift nicht durch. Die Verfahrensbeanstandung ist bereits unzu- lässig, da die Beschwerdeführerin lediglich behauptet, die „Urkunden zum L. Markt “ seien auch nicht in anderem Zusammenhang in die Beweisaufnahme eingeführt worden, sie sich aber nicht zu der naheliegenden Möglichkeit verhält, dass im Rahmen von Einlassungen oder Zeugenaussagen entsprechende Beweiserkenntnisse erlangt wurden (KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 58; BeckOK-StPO/Wiedner, § 344 Rn. 50.1, 58, jeweils mwN).
II. Die Freisprüche der Angeklagten D. , H. und M.
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halten nicht in vollem Umfang sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Gegen die Freisprechung der Angeklagten T. ist hingegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
1. Im Tatkomplex 1 hat die Strafkammer zwar im Ergebnis rechtlich zu32 treffend festgestellt, dass sich die Angeklagten in den Fällen 2.3 und 2.4 nicht strafbar gemacht haben, weil insoweit bereits die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen (dazu Buchst. a, b). Sie hat jedoch in den übri-
gen Fällen, in denen es nach den – allerdings zum Teil lückenhaften – Feststellungen des Landgerichts jedenfalls möglich erscheint, dass das Handeln der Angeklagten die objektiven Voraussetzungen der Untreue erfüllt, in subjektiver Hinsicht eine Strafbarkeit der Angeklagten D. in dem ihr zur Last gelegten Fall 2.5 und eine Strafbarkeit der Angeklagten H. und M. in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5 nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen (dazu Buchst. c).

a) Untreue setzt sowohl in der Variante des Missbrauchs- als auch derje33 nigen des Treubruchstatbestands voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt und er diese verletzt. Eine solche Pflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hinausgehen. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des ihm eingeräumten Spielraums abzustellen , sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 – 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12,
BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f.; vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, jeweils mwN).
aa) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob für die Angeklagten
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D. und H. bei der Bestellung gesetzlicher Vertreter eine Vermögensbetreuungspflicht bestand. Denn eine solche traf sie, als sie zeitlich nach der Vertreterbestellung – ggf. auf der Grundlage eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses – Grundstücksveräußerungen genehmigten, die von den bestellten Vertretern vorgenommen worden waren. Die Angeklagte D. genehmigte die Grundstücksveräußerung im Fall 2.3, der ihr indes nicht zur Last gelegt wird, die Angeklagte H. genehmigte die Veräußerungen in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5.
(1) Die Genehmigungsentscheidung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4
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EGBGB, § 16 Abs. 4 VwVfG, § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB stand im pflichtgemäßen Ermessen der jeweils handelnden Angeklagten (vgl. zur Vormundschaft BayObLG, Beschluss vom 16. April 1957 – 1 Z 190/1956; MüKo-BGB/Wagenitz , 6. Aufl., § 1821 Rn. 50). Hier bestand für sie nicht nur die Pflicht zu prüfen, ob das vom Vertreter vorgenommene Veräußerungsgeschäft nach wirtschaftlicher Betrachtung dem Interesse des Vertretenen entsprach (vgl. LKStGB /Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 129; MüKo-BGB/Wagenitz, aaO). Sie hatten vielmehr auch dafür Sorge zu tragen, dass sie Genehmigungen nicht in Fällen erteilten, in denen die Vertretungsvoraussetzungen überhaupt nicht vorlagen , also die Grundstückseigentümer oder deren Erben als Geschäftsherren bekannt oder unschwer ermittelbar waren.
(2) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde diese Pflicht in den
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Fällen 2.1, 2.2, 2.3 und 2.5 verletzt.
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(a) Allerdings bietet die Genehmigung der Veräußerungen zum attestierten – bzw. jedenfalls nicht ausschließbar durch Nachfrage des Angeklagten M. beim Amt für Geoinformation und Bodenordnung schlüssig erscheinenden (Fall 2.1) – Grundstückswert für sich genommen keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer Verletzung der bestehenden Vermögensbetreuungspflicht. Denn der vereinbarte Kaufpreis war nach den den Angeklagten vorliegenden Erkenntnissen marktgerecht, weswegen die Veräußerung zu diesem Preis bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht in einer die Vermögensbetreuungspflicht verletzenden Weise den Vermögensinteressen des Vertretenen zuwiderlief. Dass in zwei Fällen Sachverständige im Rahmen neuer Begutachtungen einen höheren Grundstückswert ermittelten (im Fall 2.3 im Rahmen eines Zivilrechtsstreits und im Fall 2.5 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens im Auftrag der Staatsanwaltschaft ), rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Eingedenk des Charakters der gesetzlichen Vertretungsregelung als Beschleunigungsnorm bestand für die Angeklagten keine Pflicht, über die eingeholten Erkenntnisse hinaus – etwa durch Zweitbegutachtung – den Wert der veräußerten Grundstücke noch weitergehend aufzuklären.
(b) Pflichtwidrig waren die Genehmigungsentscheidungen aber deshalb,
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weil die nach den anzulegenden rechtlichen Maßstäben (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 – 9 C 12/14, juris Rn. 18 ff.) defizitären (Fall 2.5) bzw. gänzlich unterbliebenen (Fälle 2.1, 2.2 und 2.3) Eigentümer- bzw. Erbenermittlungen durch den Angeklagten M. keine tragfähige Grundlage für die nachfolgend getroffenen Genehmigungsentscheidungen bildeten und in diesen Fällen gesetzliche Vertreter bestellt und Genehmigungserklärungen für die von diesen vorgenommenen Grundstücksveräußerungen erteilt wurden, obwohl die Eigentümer nicht unbekannt im Sinne von Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB waren. Denn das Rechtsamt hätte zumindest naheliegende Ermittlungsmöglichkeiten ergrei- fen müssen, nämlich solche, die mit einem vertretbaren Aufwand an Mühe, Zeit und Kosten verbunden sind; insbesondere ein vollständiger Ermittlungsverzicht war nicht rechtmäßig (vgl. BVerwG aaO, juris Rn. 18 ff.).
Eine dem Anklagevorwurf entsprechende mittäterschaftliche Zurechnung
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der Pflichtverletzungen zu der insoweit im Fall 2.5 nicht selbst handelnden Angeklagten D. (Genehmigung durch die Angeklagte H. ) erscheint nicht gänzlich ausgeschlossen, wenngleich weder die Anklageschrift noch die Feststellungen des Landgerichts auf tatsächliche Anhaltspunkte für ein gemeinschaftliches Vorgehen im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB hinweisen. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird ggf. die Prüfung des Vorliegens eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses in den Blick zu nehmen haben.
(c) Im Fall 2.4 verletzten die Angeklagten D. und H.
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durch die Bestellung der gesetzlichen Vertreterin T. und durch die Abgabe der Genehmigungserklärungen hingegen keine ihnen obliegende Pflicht. Gleiches gilt für den Angeklagten M. , der diese Entscheidungen vorbereitete.
Denn die Voraussetzungen für die Bestellung der Angeklagten T.
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zur gesetzlichen Vertreterin lagen vor. Der am Grundstück A. Straße möglicherweise Mitberechtigte He. – dem dies oblegen hätte (vgl. LG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1232; Böhringer, NJ 2015, 492, 494) – hatte trotz mehrfacher Aufforderung durch den Angeklagten M. die behauptete Rechtsstellung in keiner Weise belegt (vgl. BVerwG aaO, juris Rn. 24; Eickmann /Böhringer, Sachenrechtsbereinigung, 23. EL, Art. 233 § 2 Rn. 23 aE). Zudem war er allenfalls Gesellschafter eines unbekannten Gesellschaftsanteils einer einen hälftigen Miteigentumsanteil des Grundstücks haltenden BGBGesellschaft , deren übrige Gesellschafter unbekannt waren (UA S. 97). Durch seine etwaige Namhaftmachung als Gesellschafter war die BGB-Gesellschaft – eine Gesamthandsgemeinschaft (§ 719 BGB) – als Miteigentümerin des Grundstücks keineswegs bekannt im Sinne von Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (vgl. für die Erbengemeinschaft als Gesamthand: BVerwG aaO, juris Rn. 22, 24).
bb) Vor diesem tatsächlichen Hintergrund scheidet im Fall 2.4 auch eine
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Strafbarkeit der Angeklagten T. als in dieser Angelegenheit bereits für andere unbekannte Berechtigte bestellte gesetzliche Vertreterin aus. Zwar war sie nach den oben dargestellten Maßstäben betreuungspflichtig in Bezug auf das Vermögen der von ihr vertretenen Grundstückseigentümer. Sie handelte jedoch nicht pflichtwidrig, als sie in Abstimmung mit dem Angeklagten M. und unter Hinweis auf Zweifel an der Rechtsstellung des möglichen Mitberechtigten He. auf ihre Vertreterbestellung hinwirkte. Denn die in Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB normierten Voraussetzungen lagen vor.
cc) Anders als die Angeklagten D. und H. – die Rechts43 amtsleiterin und ihre Stellvertreterin – traf den Angeklagten M. in den Fällen des Tatkomplexes 1 selbst keine Vermögensbetreuungspflicht. Er war bei der Vertreterbestellung und der Veräußerungsgenehmigung in untergeordneter Stellung tätig, arbeitete den Angeklagten D. und H. lediglich zu und bereitete die von diesen zu treffenden Entscheidungen ohne eigene Entscheidungskompetenz vor; er konnte förmliche Rechtswirkungen selbst nicht auslösen. Schon deswegen war er nicht vermögensbetreuungspflichtig (vgl. BVerfGE 126, 170, 209 mwN; LK-StGB/Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 42 ff.), so dass wegen Fehlens dieses besonderen persönlichen Merkmals (§ 28 Abs. 1 StGB) nur eine Beteiligung als Gehilfe an etwaigen Taten der Angeklagten D. und H. in Betracht käme (vgl. BGH, Urteil vom
26. November 2015 – 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2600 mwN; vgl. MüKoStGB /Dierlamm, 2. Aufl., § 266 Rn. 286).

b) In den Fällen 2.1, 2.2 und 2.5 – nicht jedoch im Fall 2.3 – kommt auf
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der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts auch die Verwirklichung der übrigen Merkmale des objektiven Tatbestands – die durch die Pflichtverletzung hervorgerufene Zufügung eines Vermögensnachteils – in Betracht.
Die Nachteilszufügung ist bei der Untreue als Vermögensdelikt allein
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durch einen Vergleich des Vermögens, das der Betreute ohne die Pflichtverletzung des Täters hätte, mit dem Vermögen festzustellen, über das er infolge der Pflichtverletzung verfügt. Dabei ist jeder Vorteil zu berücksichtigen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist. Zum Vermögen gehört nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise alles, was in Geldwert messbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 1975 – 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234 mwN; vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15).
aa) Daraus folgt, dass in den Fällen 2.1, 2.2 und 2.3, in denen den Ver46 tretenen durch die Genehmigung der Grundstücksveräußerung im Gegenzug für den Verlust des Grundstückseigentums ein dem Verkehrswert entsprechender Kaufpreisanspruch erwuchs, ein Vermögensnachteil nicht ohne Weiteres vorlag. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift hinsichtlich der Fälle 2.1 und 2.2 zutreffend ausgeführt hat, kann der nach dem Untreuetatbestand vorausgesetzte Vermögensnachteil jedoch in dem hier vom Veräußerungserlös vorgenommenen Abzug der Kosten für das Tätigwerden des gesetzlichen Vertreters liegen. Mit Blick auf den nach § 266 Abs. 1 StGB verlangten Ursächlichkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Nachteilsentstehung setzt dies jedoch voraus, dass durch die pflichtwidrig erteilte Genehmigung der Vermögensnachteil entstand oder vertieft wurde.
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Aus dem Urteil ergibt sich für die Fälle 2.1 und 2.2 lediglich die Höhe der vom Veräußerungserlös abgezogenen Beträge, die auch die für die gesetzliche Vertretung angefallenen Kosten umfassen. Jedoch ist bislang nicht festgestellt, nach welchen Kriterien die Vergütung der bestellten gesetzlichen Vertreter tatsächlich erfolgt ist, wie hoch sie war und auf welche Weise sie ggf. vom Veräu- ßerungserlös „abgezogen“ wurde (vgl. auch Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 3 VwVfG). Dies wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht aufzuklären haben.
bb) Demgegenüber kam es im Fall 2.3 nach den Feststellungen des
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Landgerichts nicht zu einer Belastung der Vertretenen mit Kosten für das Tätigwerden des gesetzlichen Vertreters, sodass hier ein Vermögensnachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB nicht vorliegt und insoweit eine Strafbarkeit der Angeklagten ausscheidet.
cc) Im Fall 2.5 hingegen erscheint – jedenfalls in objektiver Hinsicht –
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das Vorliegen eines Vermögensnachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB möglich. Denn hier verlor der Grundstückseigentümer Z. durch die vom gesetzlichen Vertreter der „Erben nach Z. “ vorgenommene Verfü- gung mit Grundbucheintragung des Erwerbers das Grundstückseigentum. Aus dem genehmigten Grundstücksverkauf erwuchs ihm aber nicht unmittelbar ein einen Vermögensnachteil ausschließender Kaufpreisanspruch. Ob mit Blick auf das Vorstellungsbild der Angeklagten ein (bedingter) Vorsatz auch in Bezug auf diesen Vermögensnachteil vorlag, wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu prüfen haben.

c) Hinsichtlich der hiernach im Tatkomplex 1 verbleibenden Fälle 2.1, 2.2
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und 2.5 hält die Beweiswürdigung des Landgerichts dahin, dass die Angeklagten nicht vorsätzlich handelten, revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft. Denn das Landgericht hat für die Vorsatzprüfung bedeutsame Umstände nicht festgestellt und in seine Würdigung einbezogen.
aa) Für die Würdigung, ob die Angeklagten D. und H. mit
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Vorsatz in Bezug auf die Merkmale des objektiven Tatbestands handelten, war mit Blick auf die Feststellungen des Landgerichts zu den Verfahrensabläufen bei den Vertreterbestellungen und Genehmigungen insbesondere von Bedeutung , ob und ggf. inwiefern die jeweiligen Angeklagten Kenntnis von den Abläufen der Antragstellung und davon hatten, dass Ermittlungen zu den Grundstückseigentümern oder ihren Erben entweder defizitär (Fall 2.5) oder gänzlich unterblieben waren (Fälle 2.1, 2.2).
(1) Die Strafkammer hätte hier insbesondere Feststellungen dazu treffen
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müssen, welche Unterlagen den Angeklagten D. und H. bei den Genehmigungsentscheidungen vorlagen. Denn sollte aus den ihnen vorgelegten Unterlagen hervorgegangen sein, dass der Angeklagte M. die rechtlich gebotenen Ermittlungsbemühungen (vgl. hierzu BVerwG aaO, Rn. 18 ff.; Eickmann /Böhringer, Sachenrechtsbereinigung, 23. EL, Art. 233 § 2 EGBGB Rn. 24a) nicht entfaltet hatte, würde dies gegen ein Vorstellungsbild der Angeklagten sprechen, M. habe die Entscheidungen ordnungsgemäß vorbereitet. Auch wäre es in die Beweiswürdigung einzubeziehen gewesen, wenn diese Angeklagten die Vorlagen des Angeklagten M. ohne entsprechenden Ver- waltungsvorgang gleichsam „blind“ unterschrieben hätten. Demgegenüber wür- de eine – bislang nicht in Rede stehende – wahrheitswidrige „Dokumentation“ von tatsächlich nicht vorgenommenen Ermittlungen in den Verwaltungsakten gegen einen Vorsatz der Angeklagten D. und H. im Hinblick auf die Verletzung ihrer Pflichten sprechen. Zu diesen Fragen verhält sich das angefochtene Urteil nicht mit der nötigen Klarheit.
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(2) Das Landgericht hätte hinsichtlich eines möglichen Vorsatzes der Angeklagten im Fall 2.5 zudem erkennbar in seine Würdigung einbeziehen müssen , dass die Angeklagten D. und H. , wie es festgestellt bzw. in anderem Zusammenhang in der Beweiswürdigung ausgeführt hat, jeweils dadurch für ein mögliches Fehlverhalten des Angeklagten M. sensibilisiert waren, dass dieser im Rahmen seines Tätigwerdens im Fall 2.3 nicht die gebotenen Ermittlungen durchgeführt hatte (UA S. 42 f., 87 unten).
bb) Im Rahmen der Prüfung eines (Gehilfen-)Vorsatzes des Angeklagten
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M. hat es die Strafkammer versäumt, dessen Einlassung kritisch zu hinterfragen , er sei davon ausgegangen, keinerlei eigene Ermittlungen zu den Eigentümern bzw. Erben der Grundstücke vornehmen zu müssen. Angesichts der Verpflichtung der Behörde, das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift des Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB zu prüfen, und des mit der Vertreterbestellung und Genehmigung offensichtlich verbundenen erheblichen Eingriffs in die Rechtsposition des Grundstückseigentümers versteht sich die Richtigkeit dieser Einlassung nicht von selbst.
cc) Die Strafkammer hätte ferner in ihre Beweiswürdigung für alle Fälle
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miteinbeziehen müssen, dass der Angeklagte hinsichtlich des Falles 2.3 im Ermittlungsverfahren angegeben hatte, er habe auch deswegen vor der Vertreterbestellung keine eigenen Ermittlungen vorgenommen und auf die Angaben des ihm bekannten Maklers vertraut, weil er zwei bis drei Tage später habe zur Kur fahren und „den ganzen Vorgang vom Tisch haben“ wollen (UA S. 63). Dieser Gesichtspunkt ist erörterungsbedürftig, weil der Angeklagte insoweit selbst angab , (auch) aus sachfremden Erwägungen – und nicht allein infolge seiner (evident unzutreffenden) Rechtsauffassung – keine Eigentümer- bzw. Erbenermitt- lungen durchgeführt zu haben; dies ist auch für die Würdigung seiner Einlassung im Übrigen bedeutsam.
dd) Auch hätte das Landgericht bei Fall 2.5 erkennbar würdigen müssen,
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dass der Angeklagte M. sich im Ermittlungsverfahren dahin eingelassen hatte, ihm sei nach Fall 2.3 (L. straße ) – mithin mehr als ein Jahr vor seinem Tätigwerden im Fall 2.5 – bewusst gewesen, dass die bisher geübte Ermittlungspraxis nicht ausreichend gewesen sei (UA S. 64 f.). Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird andererseits mit Blick auf den Umstand, dass der Angeklagte M. keine juristische Ausbildung durchlaufen hat, jedoch auch die Möglichkeit in ihre Überlegungen miteinbeziehen müssen, dass der Angeklagte infolge der „gerötelten“ Grundbucheintragung tatsächlich davon ausging, der Aufenthalt des Grundstückseigentümers sei unbekannt.
2. Die Freisprüche der Angeklagten D. , H. und M. in
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den Fällen des Tatkomplexes 2 halten im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand. Zwar begegnet die Rechtsansicht des Landgerichts Bedenken, insoweit hätten die Angeklagten jeweils schon nicht den objektiven Tatbestand der Untreue bzw. des Betrugs verwirklicht; jedoch hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands ausgeschlossen.

a) Die vom Landgericht angeführte Wertung, die Angeklagten hätten bei
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kritischer Überprüfung der Verwaltungspraxis zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass die Auszahlung der Veräußerungserlöse ohne Zinsen vertretbar und damit rechtmäßig sei (UA S. 114), trägt die Verneinung des objektiven Tatbestands nicht. Maßgeblich ist allein, dass eine Pflicht zur Verzinsung zu Gunsten der Berechtigten gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 4 Var. 2 VwVfG, § 1915 Abs. 1 Satz 1 und § 1806 BGB bestand. Gegen diese Pflicht haben die für die Anordnung entsprechender Auszahlungen zuständigen und insoweit vermögensbetreuungspflichtigen Angeklagten in objektiver Hinsicht verstoßen bzw. hierzu objektiv unrichtige Angaben gemacht.

b) Jedoch fußt die vom Landgericht hilfsweise angeführte Annahme, die
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Angeklagten D. , H. und M. hätten bei den Fällen des Tatkomplexes 2 nicht vorsätzlich gehandelt, auf einer tragfähigen und lückenlosen Beweiswürdigung. Das Landgericht hat das Vorstellungsbild der Angeklagten zwar nicht ausdrücklich an den Voraussetzungen des § 16 StGB gemessen. Es hat jedoch in der Sache die Voraussetzungen eines Tatbestandsirrtums dargestellt und mit im Ergebnis zutreffenden Erwägungen das Vorliegen von Untreuebzw. Betrugsvorsatz ausgeschlossen.
aa) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht das Vorstellungsbild der Ange60 klagten dahin festgestellt, dass sie bei ihren Auszahlungsentscheidungen bzw. bei den schriftlichen Mitteilungen an Anspruchsteller der langjährig geübten Praxis folgend davon ausgingen, dass die Zinserträge in Anwendung der Hinterlegungsordnung nicht zugunsten der Berechtigten auszuzahlen seien.
Entgegen der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft hat das
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Landgericht die entlastenden Einlassungen der Angeklagten nicht ohne Weiteres als unwiderlegt hingenommen, sondern sie seiner Entscheidung tatsächlich erst nach umfänglicher Würdigung unter Einbeziehung der weiteren Beweiserkenntnisse zugrunde gelegt (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteile vom 21. Dezember 2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 537; vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14, PharmR 2015, 127, 130). Es ist von der Einlassung des Angeklagten M. ausgegangen, dass es im Rechtsamt ständige Übung gewesen sei, die er selbst auch für richtig erachtet habe, in Anwendung der Hinterlegungsordnung keine Zinsen für auf städtischen Konten verwahrte Verkaufserlöse an Berechtigte auszuzahlen. Diese Einlassung hat das Landgericht in Auswertung von Fortbildungsunterlagen und insbesondere der Aussage der Zeugen Su. und Hi. für unwiderlegbar erachtet und im Rahmen dieser Zeugenaussagen auch die Hinweise des Rechnungsprüfungsamts der Stadt in den Jahren 1999 und 2002 in seine Würdigung miteinbezogen.
Es stellt dabei keinen durchgreifenden Mangel der Beweiswürdigung dar,
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dass das Landgericht nicht ausdrücklich darauf eingegangen ist, dass die Angeklagten im Jahr 2011 selbst von einer Pflicht zur Auskehr von Zinserträgen ausgingen (UA S. 106). Denn Rückschlüsse aus einer von ihnen weit nach dem Tatzeitraum als richtig erkannten Rechtsauffassung auf ihr Vorstellungsbild zum Zeitpunkt der Tatbegehung liegen fern.
bb) Bei dem festgestellten Vorstellungsbild der Angeklagten handelt es
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sich um einen Irrtum über Tatumstände im Sinne von § 16 StGB.
Die vom Landgericht festgestellte Fehlbewertung der Angeklagten bezog
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sich darauf, ob eine Pflicht zur Verzinsung und Auskehr aufgelaufener Zinsen an die Berechtigten bestand, mithin auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht (Untreue) und – vorgelagert – namentlich auf das Merkmal der Täuschung (Betrug). Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt die Kenntnis der die objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns begründenden Umstände für die Begründung des Vorsatzes nicht. Der Täter muss zusätzlich die unter das normative Tatbestandsmerkmal zu subsumierenden Sachverhaltselemente in ihrem für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst haben (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 16 Rn. 69 ff.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 25 f.; KK-OWiG/Rengier, 4. Aufl., § 11 Rn. 15, 19).
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Gemessen hieran handelte es sich bei der Fehlbewertung der Angeklagten nicht lediglich um einen den Vorsatz unberührt lassenden Subsumtions-, sondern um einen Tatbestandsirrtum: Sie irrten nicht über den Begriffsinhalt eines Tatbestandsmerkmals der §§ 263, 266 StGB, sondern über den rechtlichen Umstand, dass gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 Satz 4 EGBGB, § 16 Abs. 4 Var. 2 VwVfG, § 1915 Abs. 1 Satz 1 und § 1806 BGB eine Pflicht zur Auskehr der aufgelaufenen Zinserträge bestand. Zwar kannten die Angeklagten die weiteren tatsächlichen Gegebenheiten, namentlich die Verwahrung der Kaufpreiserlöse für die Berechtigten und das Auflaufen von Zinserträgen und die Nichtauszahlung der Zinsen. Jedoch erfassten sie nicht, dass sie mit der Nichtauszahlung gegen ihre Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB verstießen. Hinsichtlich des Betruges erkannten sie wegen ihrer Fehlvorstellung die Unwahrheit ihrer Angaben gegenüber den Berechtigten nicht. Die Einschätzung des Landgerichts, dass die rechtliche Fehlbewertung der Angeklagten (jedenfalls ) den Tatvorsatz entfallen lässt, ist daher von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
3. Das Landgericht hat gleichermaßen tragfähig begründet, warum es ein
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vorsätzliches Handeln des Angeklagten M. in den Fällen des Tatkomplexes 3 nicht hat feststellen können. Es hat auch hier das Vorliegen der Voraussetzungen eines Tatbestandsirrtums im Sinne von § 16 StGB dargestellt und daran anknüpfend im Ergebnis zutreffend den Vorsatz des Angeklagten verneint.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte M.
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im Hinblick auf die Erhebung von Gebühren für das Verwaltungshandeln der Stadt in Anwendung der Vertretungsvorschriften vermögensbetreuungspflichtig nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben (vgl. oben B.II.1.a). Indem er trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Gebührentatbestands Nr. 3.3. KommKVz keine entsprechenden Gebühren festsetzte, verletzte er diese Pflicht.

b) Der Angeklagte handelte nach den Feststellungen jedoch nicht vor68 sätzlich. Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten vor dem Hintergrund der übrigen Beweiserkenntnisse gewürdigt und seine Darstellung für nicht widerlegbar und plausibel erachtet, er sei – im Ergebnis rechtsirrig – davon ausgegangen, eine Gebühr gemäß Nr. 3.3. KommKVz sei in den ihm zum Vorwurf gemachten Fällen nicht entstanden. Er selbst habe den Gebührentatbestand im Jahr 2002 als Auffangregelung entworfen und diesem Verständnis entsprechend eine Gebührenerhebung in den Fällen des Tatkomplexes 3 unterlassen. Das Landgericht hat infolge dieser Fehlvorstellung des Angeklagten M. dessen Vorsatz verneint, die ihn betreffende Vermögensbetreuungspflicht zu verletzen und der Stadt einen Nachteil zuzufügen.
Der Irrtum des Angeklagten M. über das Bestehen eines (weiterge69 henden) Gebührenanspruchs der Stadt stellt eine Fehlvorstellung dar, die ihn den sozialen Bedeutungsgehalt seines Tuns – die pflichtwidrige Nichterhebung angefallener Gebühren – nicht erkennen ließ. Dieser normative Tatbestandselemente betreffende Irrtum schließt den Untreuevorsatz aus (vgl. oben B.II.2.b, bb).
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III. Der Senat regt für den neuen Rechtsgang die Prüfung einer Einstellung des Verfahrens (§§ 153, 153a StPO) an. Hierfür könnte sprechen, dass Gewicht und Umfang des noch in Rede stehenden strafrechtlich bedeutsamen Fehlverhaltens im unteren Bereich liegen, die Taten lange zurückliegen und insbesondere keinem der Angeklagten vorgeworfen wird, sich selbst bereichert zu haben.
Sander Dölp König
Bellay Feilcke
6
a) Mit Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass § 266 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen und entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und allgemeiner Meinung im juristischen Schrifttum (RGZ 118, 312, 313; Senatsurteile BGHZ 8, 276, 284; 100, 190, 192 und vom 4. Dezember 1962 - VI ZR 28/62 - NJW 1963, 486; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823, Rn. 369).
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2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch angenommen, der W. mbH & Co. KG habe gegenüber der S. aufgrund der mit dieser zustande gekommenen vertraglichen Vereinbarungen eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB oblegen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht eine qualifizierte Pflichtenstellung des Betroffenen erfordert, die über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtsnahmepflichten hinausgeht (vgl. BGHSt 1, 186, 188; 33, 244, 251; 54, 148 Rn. 54). Der Betroffene muss innerhalb eines nicht ganz unbedeutenden Pflichtenkreises im Interesse des Vermögensinhabers tätig und zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1988 - 2 StR 133/87 - NJW 1988, 2483; Beschluss vom 3. August 2005 - 2 StR 202/05 - NStZ 2006, 38). Die Verpflichtung muss den wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmachen (vgl. BGHSt 1, 186, 188; 33, 244, 251; 54, 148 Rn. 54). Für die Abgrenzung des Anwendungsgebiets der Vorschrift maßgeblich sind Zweck, Inhalt und Bedeutung der übernommenen vertraglichen Verpflichtung, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen und durch Auslegung nach Treu und Glauben ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1991 - 1 StR 734/90 - wistra 1991, 265). Das Berufungsgericht hat den zwischen der S. und der W. mbH & Co. KG zustande gekommenen Verträgen im Wege der Auslegung entnommen, dass die W. mbH & Co. KG mit der Sanierung und Privatisierung der Werkswohnungen ein Geschäft im Pflichtenkreis der S. auszuführen hatte, im Rahmen dessen sie deren Vermögensinteressen zu wahren hatte. Aus der Rahmenvereinbarung vom 22. Dezember 1992 hat das Berufungsgericht abgeleitet, dass die W. mbH & Co. KG wie ein den Bauherrn betreuender Architekt verpflich- tet war, der S. detaillierte Entscheidungsgrundlagen betreffend die Sanierung und Privatisierung vorzulegen und insbesondere die Bau- und Baunebenkosten zutreffend und entsprechend den damaligen Preisen am Markt zu ermitteln. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat weder Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt noch wesentliche Umstände unbeachtet gelassen (vgl. zur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung individueller Vertragsvereinbarungen , Senatsurteil vom 9. März 2010 - VI ZR 52/09 - z.V.b.; vom 10. Februar 2009 - VI ZR 28/08 - VersR 2009, 558 Rn. 17, m.w.N.).
6
a) Mit Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass § 266 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen und entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und allgemeiner Meinung im juristischen Schrifttum (RGZ 118, 312, 313; Senatsurteile BGHZ 8, 276, 284; 100, 190, 192 und vom 4. Dezember 1962 - VI ZR 28/62 - NJW 1963, 486; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823, Rn. 369).
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Eine solche Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung , ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Es muss hinzukommen, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 208 ff.; BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428 mwN; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN; Urteil vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52). Das Treueverhältnis kann auf Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft beruhen (BGH, Urteil vom 13. April 2010 - 5 StR 428/09, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 47).
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Für die strafrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Untreue kann die Frage der Behandlung einer Kaution im Rahmen eines Gewerberaummietverhältnisses aber letztlich offen bleiben. Selbst wenn sich aus der Kautionsvereinbarung nämlich entsprechende Nebenpflichten ergeben sollten (so zur abgesonderten Anlage der Kaution – OLG Nürnberg MDR 2006, 1100 –; zu deren Verzinsung – BGH NJW 1994, 3287), führt dies nicht zur Annahme einer durch Rechtsgeschäft begründeten Vermögensbetreuungspflicht. Allgemeine schuldrechtliche Pflichten aus einem Vertragsverhältnis genügen für sich genommen nicht (BGHSt 33, 244, 249; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16; vgl. auch Fischer , StGB 55. Aufl. § 266 Rdn. 29). Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn es sich um Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten zugunsten des Vertragspartners handelt (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 266 Rdn. 23; vgl. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 113/03 Verkündet am:
27. Juni 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die deliktische Haftung (hier: § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB) einer
Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH ist es erforderlich, daß der
Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschikke
der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung
hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die
Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich
in die Hand genommen hat (i. Anschl. an Senat, BGHZ 150, 61).
BGH, Urteil vom 27. Juni 2005 - II ZR 113/03 - OLG Frankfurt a. Main
LG Frankfurt a. Main
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 27. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Münke, Prof. Dr. Gehrlein und
Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dieser verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger führt im Auftrag der I. in Deutschland den sog. Banksettlement Plan (BSP) durch; im Rahmen dieses vereinheitlichten Systems zur Vereinfachung von Verkauf, Abrechnung und Verwaltung von Flugpassagen zwischen den der I. angehörenden Luftverkehrsgesellschaften und den Verkaufsagenturen oblag dem Kläger u.a. der turnusmäßig einmal im Monat stattfindende Einzug der von den Agenturen aus den Ticketverkäufen vereinnahmten Gelder. Nach den Agenturverträgen waren sämtliche derartigen Einnahmen
"Eigentum und Besitz der Fluggesellschaft" und "dem Agenten für oder im Namen der Fluggesellschaft solange zur Verwahrung anvertraut, bis über sie eine zufriedenstellende Rechenschaft abgelegt worden ist und eine Abrechnung stattgefunden hat". Die I. hatte einen solchen Agenturvertrag über den Verkauf von Flugtickets auch mit der B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) abgeschlossen. Deren Geschäftsführer und zugleich Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 24,5 % war der Beklagte zu 2; ihre Mehrheitsgesellschafterin mit einem Geschäftsanteil von 51 % war die F. GmbH (nachfolgend: F. GmbH), deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Beklagte zu 1 war.
Im Herbst 1993 geriet die B. GmbH in finanzielle Schwierigkeiten, die dazu führten, daß sie abredewidrig die für die I. und deren Mitglieder vereinnahmten Gelder aus Ticketverkäufen zur Deckung ihrer laufenden - die Einnahmen übersteigenden - Ausgaben verwendete; dies verdeckte sie dadurch, daß sie jeweils im Abrechnungszeitpunkt am 15. des Monats anstelle der verbrauchten Einnahmen der abzurechnenden Periode auf ihrem Konto bereits vereinnahmte Gelder des folgenden Abrechnungszeitraums für die turnusmäßige Abbuchung des Klägers bereitstellte. Nach einem Krisengespräch vom 14. Oktober 1993 zwischen den beiden Beklagten und weiteren Hinweisen des Steuerberaters über die immer prekärer werdende finanzielle Lage der B. GmbH erklärte der Beklagte zu 2 zwar zunächst dem Beklagten zu 1 gegenüber die Niederlegung seines Amtes, wurde jedoch in der Folgezeit weiterhin als Geschäftsführer für die B. GmbH tätig. Trotz einer vom Beklagten zu 1 Ende Dezember 1993 zum Zwecke der Abwendung der Überschuldung abgegebenen Rangrücktrittserklärung für Forderungen gegen die B. GmbH sah sich der Beklagte zu 2 am 21. Januar 1994 gezwungen, für die Gesellschaft Konkursan-
trag zu stellen. Daraufhin stellte die I. unter dem 24. Januar 1994 bei der B. GmbH ihre Tickets sicher und entzog ihr die I.-Verkaufslizenz. Auf Betreiben des Beklagten zu 1 wurde auf einer Gesellschafterversammlung der B. GmbH am 26. Januar 1994 die - später von der Mitgesellschafterin Y. mit Erfolg angefochtene - Abberufung des Beklagten zu 2 als Geschäftsführer und die Bestellung des Beklagten zu 1 zum neuen Geschäftsführer beschlossen. Nachdem der Beklagte zu 1 Ende Januar 1994 die Schließung des Büros der B. GmbH veranlaßt hatte, nahm er am 1. Februar 1994 den Konkursantrag zurück. Am 14. Februar 1994 buchte der Kläger die Forderung aus den Ticketverkäufen für den letzten Abrechnungszeitraum (Januar 1994) in Höhe von 330.295,92 DM vom Konto der B. GmbH ab, jedoch erfolgte bereits eine Woche später die Rückbuchung mangels Deckung des Kontos. Am 21. Februar 1994 wurde schließlich der Beklagte zu 2 wirksam als Geschäftsführer der B. GmbH abberufen und der Beklagte zu 1 zu ihrem neuen Geschäftsführer bestellt.
Der Kläger nimmt wegen der - bislang unbeglichen gebliebenen - Forderung für Januar 1994 beide Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Gesichtspunkt einer - angeblich nebentäterschaftlich begangenen - Untreue gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB auf Schadensersatz in Anspruch; dabei macht er in bezug auf den Beklagten zu 1 geltend, dieser sei als faktischer Geschäftsführer der B. GmbH - neben dem Beklagten zu 2 als ihrem satzungsmäßigen Vertreter - für die Veruntreuung der vereinnahmten Treuhandgelder verantwortlich. Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 2 stattgegeben, sie jedoch hinsichtlich des Beklagten zu 1 abgewiesen, weil die Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführung nicht vorgelegen hätten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zu 2 zurückgewiesen , hingegen auf die Berufung des Klägers auch den Beklagten zu 1 antrags-
gemäß verurteilt und im übrigen die Revision insgesamt nicht zugelassen. Ein dagegen gerichtetes Prozeßkostenhilfegesuch des Beklagten zu 2 hat der Senat - bestandskräftig - zurückgewiesen, während er auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 1 dessen Revision zugelassen hat.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten zu 1 ist begründet und führt - soweit dieser verurteilt worden ist - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat in bezug auf die Verurteilung des Beklagten zu 1 ausgeführt:
Der Beklagte zu 1 hafte dem Kläger gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2 auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung, weil er spätestens seit Oktober 1993 bis zu seiner Bestellung am 21. Februar 1994 als faktischer Geschäftsführer der B. GmbH anzusehen sei und daher als Nebentäter i.S. des § 266 StGB für die Veruntreuung der der Gesellschaft treuhänderisch anvertrauten Einnahmen aus dem Verkauf der I.-Tickets verantwortlich sei. Seine Stellung als faktischer Geschäftsführer ergebe sich daraus, daß er als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der F. GmbH, die als Mehrheitsgesellschafterin die B. GmbH beherrscht habe, selbst dominierenden Einfluß auf die Geschäftsführung der B. GmbH ausgeübt habe; denn er habe "letztlich das Sagen" im Gesamtkonzern gehabt. Faktisch habe er als Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin den Beklagten zu 2 als den satzungsmäßig bestellten Vertreter der B. GmbH entmachtet, weil dieser ihn nach dem Krisengespräch vom 14. Oktober 1993 bei allen wesentlichen Geschäftsmaßnahmen , insbesondere Geldbewegungen über 5.000,00 DM, habe
informieren müssen; darüber hinaus habe der Beklagte zu 1 später sogar eine andere Person als kommissarischen Geschäftsführer in der B. GmbH eingesetzt. Im übrigen habe sich die B.er Gesellschaft bei den zentralen wirtschaftlichen Entscheidungen wie Preiskalkulation, Werbung und Abrechnung nach den Vorgaben der vom Beklagten zu 1 beherrschten F.er Muttergesellschaft richten müssen, die auch Abbuchungsvollmachten für die Konten der B. GmbH gehabt habe und daher ihre Forderungen intern leicht habe durchsetzen können.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die vom Berufungsgericht aufgeführten Einzelheiten bezüglich des Verhaltens und der Stellung des Beklagten zu 1 nicht die Voraussetzungen erfüllen, unter denen von einem "faktischen Organ" gesprochen werden kann.
1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, daß der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGHZ 150, 61, 69 f.; BGHZ 104, 44, 48).
Das hat das Berufungsgericht verkannt. Denn seinen Feststellungen lassen sich lediglich (interne) Einwirkungen und Weisungen des Beklagten zu 1 als Konzernherr "auf" die Geschäftsführung der - von der F. GmbH be-
herrschten - B. GmbH, nicht hingegen ein - darüber hinaus erforderliches - maßgebliches eigenes Handeln des Beklagten zu 1 mit Außenwirkung für die B. GmbH entnehmen.
So stellen die vom Berufungsgericht besonders hervorgehobenen Maßnahmen , wie die dem Beklagten zu 2 auferlegte Pflicht zur Berichterstattung bei wesentlichen Geschäftsmaßnahmen und Geldbewegungen, die angebliche spätere Entmachtung des Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der B. GmbH, ferner die zentrale Steuerung der Werbung, der Preiskalkulation und -festsetzung sowie des Abrechnungssystems der B. GmbH und der weiteren abhängigen Gesellschaften durch die F. GmbH, lediglich gesellschaftsoder konzerninterne Einwirkungen des als Geschäftsführer der Konzernspitze handelnden Beklagten zu 1 dar, die nicht zugleich auch dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer bei der Tochtergesellschaft begründen; das gilt selbst dann, wenn durch die Intensität der Einwirkungen der Beklagte zu 2 als deren satzungsmäßiger Geschäftsleiter zu einem "reinen" Befehlsempfänger "degradiert" worden sein sollte (vgl. Senat, BGHZ 150, 61, 69).
Nichts anderes gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, die F. GmbH habe für die Konten der B. GmbH Abbuchungsvollmachten gehabt und habe daher ihre Forderungen intern leicht durchsetzen können. Auch eine solche Abrechnungsmöglichkeit verdeutlicht schon nach der eigenen Wertung des Berufungsgerichts allenfalls, "daß es sich bei der B. GmbH um eine von der F. GmbH und damit - mittelbar - vom Beklagten zu 1 abhängige Tochterfiliale gehandelt hat". Zwar mag es sein, daß - wie die Revisionserwiderung geltend macht - das Gebrauchmachen von solchen Abbuchungsvollmachten auch bestimmte Außenwirkungen im Verhältnis zur kontoführenden Bank zeitigt; indessen hat das Berufungsgericht nach dem Ergebnis
der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme keine sicheren Feststellungen dazu treffen können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die F. GmbH (ungerechtfertigt) zu Lasten der B. GmbH Abbuchungen von deren Konten vorgenommen hat. Daß etwa gerade der Beklagte zu 1 persönlich derartige Abbuchungen "per Hand" - noch dazu in einem die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans der B.er GmbH nachhaltig prägenden Maße - getätigt hat, steht ebensowenig fest.
2. Da mithin ein täterschaftliches Verhalten des Beklagten zu 1 i.S. des § 266 StGB bereits deshalb ausscheidet, weil er auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kein faktischer Geschäftsführer der B. GmbH war, kommt es für den Erfolg der Revision nicht mehr darauf an, ob zudem - wie der Kläger rügt - eine selbständige Tathandlung oder Unterlassung des Beklagten zu 1 im Sinne des Untreuetatbestandes sowie der für § 266 StGB mindestens erforderliche bedingte Vorsatz nicht hinreichend festgestellt worden sind.
III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht im Endergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 561 ZPO).
Zwar ist nach dem Zusammenhang der bisherigen Feststellungen anstelle einer selbständigen nebentäterschaftlichen Untreuehandlung des Beklagten zu 1 dessen Teilnahme als Anstifter oder Gehilfe an der vom Beklagten zu 2 als satzungsmäßigem Geschäftsführer der B. GmbH täterschaftlich begangenen Untreue und damit seine gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit für den daraus resultierenden Schaden gemäß § 830 BGB ernsthaft zu erwägen. Jedoch fehlen derzeit ausreichende Feststellungen, um die Verurteilung des Beklagten zu 1 aus diesem - offensichtlich weder von den Parteien noch vom Tatrichter in Betracht gezogenen - anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechterhalten zu können.
IV. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter dem Aspekt einer etwaigen Teilnahme des Beklagten zu 1 an der vom Beklagten zu 2 täterschaftlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 830 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB) - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die erforderlichen, evtl. auch die den Einwänden der Revision nachgehenden, weiteren Feststellungen treffen kann.
Goette Kurzwelly Münke
Gehrlein Reichart

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 526/13
vom
3. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Dezember 2013 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 24. Juli 2013

a) im Schuldspruch dahin gehend abgeändert, dass der Angeklagte
der Untreue in vier Fällen schuldig ist,

b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue (§ 266 StGB) in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen des Tatgerichts war der als selbständiger Versicherungsmakler tätige Angeklagte seit mehreren Jahren mit der Durchführung von vier Versicherungsverträgen zwischen der X.
(
) als Versicherer und der F. ( ) als Versicherungsnehmerin betraut. Unter Inanspruchnahme einer ihm von der X. eingeräumten Inkassovollmacht stellte der Angeklagte der F. die jährlichen Versicherungsbeiträge in Rechnung und leitete die auf Geschäftskonten seines Unternehmens eingehenden Zahlungen der Versicherungsnehmerin an die X. weiter. Dabei war der Angeklagte berechtigt, die aus den vier Versicherungsverträgen resultierenden Jahresversicherungsbeiträge gegenüber der F. in jeweils mehrere Teilrechnungen aufzuspalten und gegenüber der F. bzw. von dieser benannten Tochterunternehmen geltend zu machen. Obwohl die Versicherungsprämien im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer jeweils am 1. Januar des entsprechenden Jahres fällig waren (UA S. 17), räumte die X. dem Angeklagten für die Weiterleitung an sie später liegende und für die jeweiligen Versicherungsarten unterschiedliche Fälligkeitstermine ein.
3
Im Jahr 2011 stellte der Angeklagte der F. bzw. deren Tochterunternehmen in insgesamt 20 Einzelrechnungen eine Jahresversicherungsprämie aus allen vier Versicherungsverträgen in Höhe von 1.325.267,32 Euro in Rechnung und erbat die Zahlung auf eines seiner allgemeinen Geschäftskonten. Der genannte Gesamtbetrag ging aufgrund zahlreicher Einzelüberweisungen auch auf diesem Konto ein. Zu einer Weiterleitung an die X. kam es nicht. Das fragliche Konto des Angeklagten wies - wie auch die übrigen Konten - im Jahr 2011 durchgängig ein Negativsaldo auf.

II.


4
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Untreue in sieben Fällen nicht.
5
1. Das Landgericht hat zwar angesichts der Art der Einbindung des Angeklagten in die Durchführung der Versicherungsverträge zutreffend eine gegenüber dem Vermögen der X. bestehende Betreuungspflicht angenommen (zu den Anforderungen vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, NStZ 2013, 407 f. mwN). Die rechtliche Würdigung, das straftatbestandsmäßige Verhalten des Angeklagten bestehe darin, dass er die für die X. zu vereinnahmenden Versicherungsprämien auf ein allgemeines Geschäftskonto seines Unternehmens statt auf ein Anderkonto durch die Versicherungsnehmerin hat zahlen lassen, findet in den Feststellungen jedoch keine Grundlage.
6
a) Eine aus gesetzlichen Vorschriften resultierende Pflicht zur Zuführung anvertrauter Gelder auf ein Anderkonto, wie sie etwa § 54b Abs. 1 BeurkG für Notare begründet (vgl. zur Untreue durch einen Notar etwa BGH, Urteil vom 6. April 1982 - 5 StR 8/82, NStZ 1982, 331 f.), bestand für den Angeklagten nicht. Vertragliche Vereinbarungen zwischen der X. und dem Angeklagten mit dem Inhalt einer Verwahrung der vereinnahmten Versicherungsprämien auf einem Anderkonto hat das Tatgericht nicht ausdrücklich festgestellt. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich eine derartige , vertraglich begründete Pflicht ebenfalls nicht ableiten. Die mitgeteilten tatsächlichen und rechtlichen Umstände der Vertragsbeziehungen zwischen dem Angeklagten und dem Versicherungsunternehmen deuten gerade nicht auf eine solche Pflicht zur Zuführung auf ein gesondertes Konto hin. Die erheblichen Zeitspannen zwischen den für die F. maßgeblichen Zeitpunkten der Fälligkeit (jeweils 1. Januar 2011) der von ihnen zu zahlenden Versicherungsprämien einerseits und den Fälligkeitszeitpunkten der Abführungspflicht des Angeklagten (1. Mai, 15. Juli und 1. August 2011) gegenüber der X. andererseits weisen eher in die gegenteilige Richtung.
7
b) Angesichts dieser konkreten Verhältnisse lässt sich die Pflichtwidrigkeit auch nicht auf obergerichtliche Rechtsprechung stützen, nach der ein Rechtsanwalt, der Gelder für einen Mandanten in Empfang nimmt und nicht einem Anderkonto zuführt, sondern anderweitig verwendet, sich grundsätzlich wegen Untreue - regelmäßig nach dem Treubruchtatbestand (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB) - strafbar macht (siehe nur BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54 f.; KG NJW 2007, 3366 f. jeweils mwN). In den Fallgestaltungen der Veruntreuung von zur Auskehrung an den Mandanten erhaltenen Geldern oder von diesem zur Ausführung des Mandats zur Verfügung gestellten Mitteln (BGH aaO) wird die Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto aus dem Anwaltsvertrag hergeleitet (vgl. KG aaO). Eine entsprechende Pflicht begründet das hier bestehende Vertragsverhältnis aus den genannten Gründen gerade nicht.
8
Fehlt es an einer gesetzlich oder vertraglich begründeten Pflicht einer Zuführung vereinnahmter Gelder auf ein von den sonstigen Konten des Vermögensbetreuungspflichtigen getrenntes Konto, kann eine Pflichtwidrigkeit bereits des Einforderns solcher Gelder auf ein nicht separates Konto weder aus dem Umstand hergeleitet werden, dass es dort zu einer Verrechnung (Kontokorrent) mit Schulden des Treupflichtigen kommt, noch daraus, dass dieser zum Zeitpunkt der Vereinnahmung nicht in der Lage war, die entsprechenden Beträge aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (zu diesem Gesichts- punkt vgl. BGH und KG jeweils aaO; siehe auch BGH, Urteil vom 19. Mai 1953 - 2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601). Eine solche Begründung der Pflichtwidrigkeit , auf die das Tatgericht in der Sache abstellt, wäre bei fehlender sonstiger Pflicht zur Zuführung auf ein Anderkonto mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden sog. Verschleifungs- oder Entgrenzungsverbot (BVerGE 126, 170, 198; BVerfG NJW 2013, 365, 366) nicht zu vereinbaren. Dieses Verbot schließt es aus, Straftatbestandsmerkmale in einer Weise auszulegen, dass sie vollständig in einem anderen Tatbestandsmerkmal aufgehen, also zwangsläufig mit diesem mitverwirklicht werden (BVerfG jeweils aaO). Vorliegend würde die Pflichtwidrigkeit des Einforderns der von der Versicherungsnehmerin geschuldeten Versicherungsprämien auf ein allgemeines Geschäftskonto allein aus dem Fehlen der Fähigkeit des Angeklagten resultieren, die vereinnahmten Gelder aus eigenen flüssigen Mitteln an die X. auszukehren. Die Pflichtwidrigkeit ginge dann aber vollständig in dem Merkmal des Vermögensnachteils auf.
9
c) Von der im Urteil des 2. Strafsenats vom 19. Mai 1953 (2 StR 116/53, NJW 1953, 1600, 1601) vertretenen Rechtsauffassung weicht der Senat nicht ab. Dort wurde die Pflichtwidrigkeit mit der zweckwidrigen Verwendung vereinnahmter Gelder durch den Treupflichtigen begründet. Die dort erfolgte „Vermi- schung“ vereinnahmter Beträge mit eigenem Geld war gerade nicht pflichtwid- rig. Es kann daher offenbleiben, ob die in der genannten Entscheidung vertretene Rechtsauffassung mit den nunmehr maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots in Gestalt des Verschleifungsverbots vereinbar wäre.
10
2. Die vom Tatgericht zur Schuldfrage rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gestatten aber eine Änderung des Schuldspruchs dahingehend, dass der Angeklagte sich wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) in vier Fällen durch das pflichtwidrige Unterbleiben der Abführung der vereinnahmten Versicherungsprämien an die X. zu den genannten Fälligkeitszeitpunkten strafbar gemacht hat. Aus dem mit dem Versicherungsunternehmen geschlossenen Vertrag war der Angeklagte verpflichtet, zum jeweils vereinbarten Termin die auf die vier Versicherungsverträge mit der F. entfallenden, bereits von ihm vereinnahmten Versicherungsprämien an die X. abzuführen. Die Erfüllung dieser Pflicht hat er in Bezug auf sämtliche von der F. bzw. deren Tochterunternehmen gezahlten Prämien für die vier Versicherungsverträge im Jahr 2011 nicht erfüllt. Daraus ist der X. ein Vermögensnachteil entstanden. Da der Angeklagte eine Inkassovollmacht für den Versicherer hatte, hat die Versicherungsnehmerin durch die Überweisung der geschuldeten Prämien auf das vom Angeklagten genannte Konto mit befreiender Wirkung geleistet.
11
Der Verwirklichung des Treubruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) durch Unterlassen in vier Fällen steht die festgestellte fehlende Leistungsfähigkeit des Angeklagten zu den Fälligkeitsterminen der Weiterleistung der vereinnahmten Prämien an die X. nicht entgegen. Angesichts der an den Saldenständen der Konten des Angeklagten ablesbaren Liquiditätsschwierigkeiten war dieser verpflichtet, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Abführungszeitpunkten Sorge zu tragen (Rechtsgedanke der omissio libera in causa; vgl. dazu im Kontext von § 266a StGB BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320 ff. sowie bei § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB BGH, Beschluss vom 30. August 2011 - 2 StR 652/10, NJW 2011, 3733, 3734).
12
§ 265 StPO hindert die Änderung des Schuldspruchs nicht. Der Angeklagte hätte sich nicht anders verteidigen können.

III.


13
Im Hinblick auf die Änderung des Schuldspruchs und die damit einhergehende Verringerung der Anzahl der Einzeltaten bedarf der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung.
14
Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Das Tatgericht hat den Schuldumfang nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Es ist von einem Vermögensnachteil in Höhe von 1.325.267,32 Euro ausgegangen (UA S. 11). Dieser Betrag entsprach der Summe der von derF. im Jahr 2011 aus den vier Versicherungen der X. geschuldeten Versicherungsprämien (UA S. 9). Genau diese Summe hat der Angeklagte der F. und ihren Tochtergesellschaften - aufgeteilt in 20 Einzelrechnungen - in Rechnung gestellt. In den Rechnungsbeträgen entsprechenden Einzelüberweisungen sind seitens dieser auch insgesamt 1.325.267,32 Euro auf das Geschäftskonto des Angeklagten gelangt (Tabelle UA S. 10 und 11). Aus der Beweiswürdigung des Tatgerichts ergibt sich aber, dass der Angeklagte einen Anspruch auf Provision hatte und er verpflichtet war, die eingehenden Versicherungsprä- mien „nach Abzug seiner Provision“ weiter zu leiten (UA S. 16). In welcher Hö- he der Provisionsanspruch des Angeklagten bestand, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Es ist auch nicht zu erkennen, ob die Provision bei der Bestimmung der Höhe des Vermögensnachteils berücksichtigt worden ist. Die im Urteil angenommene Übereinstimmung der Höhe der von der F. gegenüber der X. geschuldeten Versicherungsprämien mit der des bei dem Versi- cherer eingetretenen Vermögensschadens deutet eher auf eine unterbliebene Berücksichtigung.

IV.


15
Der Senat weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 13 Abs. 2 StGB auf die durch Unterlassen verwirklichte Untreue anwendbar ist (BGH, Urteil vom 21. Juli 1989 - 2 StR 214/89, BGHSt 36, 227229 ; weiterer Nachw. bei Fischer, StGB, 60. Aufl., § 266 Rn. 32 a.E.). Bei der danach gebotenen wertenden Gesamtwürdigung der wesentlichen unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 241/11 mwN) wird der neue Tatrichter berücksichtigen können, dass der Kern des Unrechts der Untreue (§ 266 StGB) in dem pflichtwidrigen Umgang mit dem Täter anvertrautem fremden Vermögen besteht.
Raum Wahl Cirener
Radtke Mosbacher
15
Für die strafrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Untreue kann die Frage der Behandlung einer Kaution im Rahmen eines Gewerberaummietverhältnisses aber letztlich offen bleiben. Selbst wenn sich aus der Kautionsvereinbarung nämlich entsprechende Nebenpflichten ergeben sollten (so zur abgesonderten Anlage der Kaution – OLG Nürnberg MDR 2006, 1100 –; zu deren Verzinsung – BGH NJW 1994, 3287), führt dies nicht zur Annahme einer durch Rechtsgeschäft begründeten Vermögensbetreuungspflicht. Allgemeine schuldrechtliche Pflichten aus einem Vertragsverhältnis genügen für sich genommen nicht (BGHSt 33, 244, 249; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16; vgl. auch Fischer , StGB 55. Aufl. § 266 Rdn. 29). Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn es sich um Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten zugunsten des Vertragspartners handelt (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 266 Rdn. 23; vgl. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

6
a) Mit Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass § 266 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen und entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und allgemeiner Meinung im juristischen Schrifttum (RGZ 118, 312, 313; Senatsurteile BGHZ 8, 276, 284; 100, 190, 192 und vom 4. Dezember 1962 - VI ZR 28/62 - NJW 1963, 486; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 823, Rn. 369).
15
Für die strafrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Untreue kann die Frage der Behandlung einer Kaution im Rahmen eines Gewerberaummietverhältnisses aber letztlich offen bleiben. Selbst wenn sich aus der Kautionsvereinbarung nämlich entsprechende Nebenpflichten ergeben sollten (so zur abgesonderten Anlage der Kaution – OLG Nürnberg MDR 2006, 1100 –; zu deren Verzinsung – BGH NJW 1994, 3287), führt dies nicht zur Annahme einer durch Rechtsgeschäft begründeten Vermögensbetreuungspflicht. Allgemeine schuldrechtliche Pflichten aus einem Vertragsverhältnis genügen für sich genommen nicht (BGHSt 33, 244, 249; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16; vgl. auch Fischer , StGB 55. Aufl. § 266 Rdn. 29). Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn es sich um Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten zugunsten des Vertragspartners handelt (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 266 Rdn. 23; vgl. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittlung von Verträgen über Anschaffung oder Veräußerung von Waren oder Wertpapieren, über Versicherungen, Güterbeförderungen, Schiffsmiete oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs übernimmt, hat die Rechte und Pflichten eines Handelsmaklers.

(2) Auf die Vermittlung anderer als der bezeichneten Geschäfte, insbesondere auf die Vermittlung von Geschäften über unbewegliche Sachen, finden, auch wenn die Vermittlung durch einen Handelsmakler erfolgt, die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung.

(3) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsmaklers nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

12
b) Im Streitfall legt bereits der eindeutige Wortlaut der zwischen der Inkassogesellschaft und der Beklagten getroffenen Abrede, derzufolge die Forderung fiduziarisch abgetreten wird, eine treuhänderische Inkassozession nahe. Die Abgrenzung zwischen Inkassozession und Einziehungsermächtigung richtet sich ferner danach, ob nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Geschäfts die Beteiligten die überschießende Außenstellung des Treuhänders mit der Folge einer Inkassozession wollen oder ob die uneingeschränkte Auskehrung des eingezogenen Betrages an den Zedenten und damit eine Einzugsermächtigung das eigentliche Ziel der Abtretung ist (BGH, Urteil vom 15. November 1984 - III ZR 115/83, WM 1985, 613, 614). Da die Inkassogesellschaft zum Abzug ihrer Provision berechtigt sein sollte, war den Vertragspartnern ersichtlich daran gelegen, die Forderung als Vollrecht auf sie zu übertragen. Überdies ist bei einer Einziehungsermächtigung ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einklagung der fremden Forderung im eigenen Namen erforderlich, während der Inkassozessionar als Vollrechtsinhaber berechtigt ist, die abgetretene Forderung ungeachtet eines eigenen schutzwürdigen Interesses in eigener Person einzuklagen (BGH, aaO). Wird - wie hier - ein Inkassounternehmen eingeschaltet , ist zum Zweck der erleichterten prozessualen Durchsetzbarkeit der Forderung regelmäßig von einer Forderungsabtretung auszugehen (Staudinger /Busche, BGB, 2012, Einl zu §§ 398 ff Rn. 125; MünchKomm-BGB/Roth, 6. Aufl., § 398 Rn. 52).