Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2009 - XII ZR 77/06

bei uns veröffentlicht am22.07.2009
vorgehend
Landgericht Dortmund, 8 O 188/00, 15.11.2002
Oberlandesgericht Hamm, 29 U 13/03, 28.03.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNIS- UND ENDURTEIL
XII ZR 77/06 Verkündet am:
22. Juli 2009
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Entscheidet das Gericht im Falle objektiver Klagehäufung von Leistungs- und
Feststellungsbegehren dem Grunde nach über die Leistungsanträge, ohne
zugleich durch (Teil-) Endurteil über den Feststellungsantrag zu befinden,
handelt es sich bei der Entscheidung um ein Grund- und Teilurteil. Dieses ist
als Teilurteil unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr einander widersprechender
Entscheidungen verbunden ist (im Anschluss an BGH Urteile vom 30. April
2003 - V ZR 100/02 - NJW 2003, 2380, 2381 und vom 4. Oktober 2000
- VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155).

b) Ein Wunsch des Betreuten läuft nicht bereits dann im Sinne des § 1901
Abs. 3 Satz 1 BGB dessen Wohl zuwider, wenn er dem objektiven Interesse
des Betreuten widerspricht. Vielmehr ist ein Wunsch des Betreuten im
Grundsatz beachtlich, sofern dessen Erfüllung nicht höherrangige Rechtsgüter
des Betreuten gefährden oder seine gesamte Leben- und Versorgungssituation
erheblich verschlechtern würde. Allerdings gilt der Vorrang des Willens
des Betreuten nur für solche Wünsche, die Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts
des Betreuten sind und sich nicht nur als bloße Zweckmäßigkeitserwägungen
darstellen. Beachtlich sind weiter nur solche Wünsche, die
nicht Ausdruck der Erkrankung des Betreuten sind und auf der Grundlage
ausreichender Tatsachenkenntnis gefasst wurden.

c) Es gehört jedenfalls dann nicht zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers
gemäß § 67 FGG, die objektiven Interessen des Betreuten zu ermitteln, wenn
für den Betroffenen bereits ein Betreuer bestellt ist und dessen Aufgabenkreis
den jeweiligen Verfahrensgegenstand umfasst. Der Verfahrenspfleger
hat hier in erster Linie die Pflicht, den Verfahrensgarantien, insbesondere
dem Anspruch des Betreuten auf rechtliches Gehör, Geltung zu verschaffen.
Außerdem hat er den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten
zu erkunden und in das Verfahren einzubringen (Abgrenzung zum Senatsbeschluss
vom 25. Juni 2003 - XII ZB 169/99 - FamRZ 2003, 1275, 1276).
BGH, Versäumnis- und Endurteil vom 22. Juli 2009 - XII ZR 77/06 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und
Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Teilurteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. März 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden ist. Die vom Beklagten zu 1 als Streithelfer des Klägers eingelegte Revision wird zurückgewiesen. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt als Testamentsvollstrecker über das Vermögen des verstorbenen H.-D. H. (im Folgenden: Betreuter) den Beklagten zu 1 als Betreuer und den Beklagten zu 2 als Verfahrenspfleger des Betreuten auf Scha- densersatz in Anspruch, weil beide beim Verkauf von Grundstücken des Betreuten pflichtwidrig gehandelt hätten. Außerdem begehrt der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten zu 1 für etwaige weitere infolge des Verkaufs entstehende Schäden.
2
1997 wurde für den Betreuten infolge einer Tumorerkrankung die Einrichtung einer Betreuung erforderlich. Metastasen hatten sein Gehirn angegriffen und im Februar 1996 zur Erblindung sowie im August 1997 zur Schwerhörigkeit des Betreuten geführt. Zur Regelung der komplexen Vermögensangelegenheiten des Betreuten bestellte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - den Beklagten zu 1 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten". Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet.
3
Der Betreute hatte bereits in den 80-er Jahren begonnen, in großem Umfang Grundstücke zu erwerben und zu bebauen; unter anderem hatte er zwischen 1991 und 1993 unter Einsatz öffentlicher Fördermittel mehrere Grundstücke in H. mit Wohngebäuden bebaut, die aus zahlreichen Mietwohnungen bestanden. Im Zeitpunkt der Betreuerbestellung war der Betreute Eigentümer einer Vielzahl teils unbebauter, teils - insbesondere mit Mietwohnungen - bebauter Grundstücke. Die genannten vom Betreuten in H. bebauten Grundstücke waren erheblich belastet. Außerdem hatte der Betreute im Zeitpunkt der Betreuerbestellung erhebliche Verbindlichkeiten, die insbesondere aus dem Erwerb und der Bebauung seiner Grundstücke resultierten. Gegenüber mehreren Gläubigern standen fällige Forderungen offen. Um dem Vermögen des Betreuten kurzfristig liquide Mittel zuzuführen, entschloss sich der Beklagte zu 1, die genannten Grundstücke in H. zu verkaufen. Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte der Betreute den Wunsch geäußert, nur diese Grundstücke, nicht aber sein Hausgrundstück in Z. (Österreich) zu verkaufen und auch nicht sein in Österreich geführtes Konto zu verwerten.
4
Mit notariellem Vertrag vom 30. Juni 1997 veräußerte der Beklagte zu 1 die Grundstücke in H. - vorbehaltlich der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung - für insgesamt 7,4 Mio. DM. Unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernahm der Käufer die auf den Grundstücken lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 4,6 Mio. DM. In der Folgezeit beantragte der Beklagte zu 1 beim Vormundschaftsgericht die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrages. Das Gericht bestellte den Beklagten zu 2 zum Verfahrenspfleger für den Betreuten mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Betreuten bei dem Abschluss der Kaufverträge …". Zur Begründung verwies das Gericht darauf, die Bestellung eines Verfahrenspflegers sei veranlasst, weil die persönliche Anhörung des Betreuten nicht möglich erscheine. Der Beklagte zu 2 kam in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, die vereinbarten Kaufpreise seien für diese Grundstücke angemessen und - bezogen auf die damaligen Marktverhältnisse - als günstig anzusehen. Daraufhin genehmigte das Vormundschaftsgericht die Erklärungen des Beklagten zu 1 im notariellen Kaufvertrag. Der Betreute verstarb im September 1997 und wurde von seinen fünf Kindern beerbt.
5
Im Jahre 2001 setzten die Stadt H. und das Finanzamt H. gegen den Kläger Gewerbe- und Einkommensteuer für das Jahr 1997 in einer Gesamthöhe von über 1,2 Mio. DM fest; dabei sahen sie die durch den Beklagten zu 1 vorgenommenen Veräußerungen der Grundstücke als gewerblichen Grundstückshandel an. Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage wies das Finanzgericht M. mit Urteil vom 6. April 2005 zurück. Zur Begründung verwies das Finanzgericht darauf, mit dem Vertrag vom 30. Juni 1997 seien neun Objekte mit insgesamt 49 Wohnungen verkauft worden. Da die Gebäude in den Jahren 1991 bis 1993 erstellt worden seien, bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen deren Errichtung und Veräußerung, der - unter Anwendung der "Drei-Objekte-Regel" - den Schluss auf eine von Anfang an vorhandene bedingte Veräußerungsabsicht des Betreuten rechtfertige. Für eine bedingte Veräußerungsabsicht spreche im Übrigen auch das von der Klägerseite beschriebene "Schneeball-System". Danach habe der Betreute über Jahre hinweg den Vermögensbestand aufgebaut und bei größeren Mietausfällen und Leerständen auftretende finanzielle Krisen durch Verwendung von Darlehensmitteln aufgefangen, die zur Finanzierung neuer Bauvorhaben aufgenommen worden seien. Für den Fall, dass weitere Neubauten - wie seit Ende 1996 - nicht mehr in Angriff genommen werden könnten, habe der Betreute immer auch ins Auge fassen müssen, den Immobilienbesitz durch Teilveräußerungen zu sichern.
6
Mit seiner Klage begehrt der Kläger - nunmehr - von beiden Beklagten den Ausgleich einer Differenz zwischen dem Verkehrswert der mit dem Vertrag vom 30. Juni 1997 verkauften Grundstücke in H. und dem für sie erzielten Kaufpreis ; außerdem verlangt er den Ersatz der wegen der Veräußerung dieser Grundstücke bereits gezahlten Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Freistellung von der weitergehenden Steuerschuld. Ferner beantragt der Kläger festzustellen , dass der Beklagte zu 1 für einen weitergehenden, aus dem Verkauf dieser Grundstücke entstandenen Schaden ersatzpflichtig ist.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Teilurteil das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert, die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Berufung gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 zurückgewiesen. Mit seiner insoweit vom Senat zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte zu 1 gegen seine Verurteilung dem Grunde nach. Außerdem ist er dem Rechtsstreit als Streithelfer des Klägers beigetreten und wendet sich insoweit mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat nur insoweit Erfolg, als das Oberlandesgericht die Klage gegen den Beklagten zu 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

A.

Revision gegen die Verurteilung des Beklagten zu 1

I.

9
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe mit dem angefochtenen "Teilurteil" gegen den Beklagten zu 1 lediglich ein Zwischenurteil über den Grund erlassen. Über den mit der Klage geltend gemachten Feststellungsantrag habe es keine Entscheidung getroffen; diese habe es offenbar dem Schlussurteil vorbehalten. Da sowohl der Zahlungsanspruch, über den das Berufungsgericht dem Grunde nach entschieden habe, als auch der Feststellungsantrag aus demselben tatsächlichen Vorgang abgeleitet seien und auf einem einheitlichen Klagegrund beruhten, sei der Erlass des Teilurteils gemäß § 301 ZPO unzulässig. Die Rüge greift durch.
10
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein umfassendes Grundurteil dann nicht ergehen, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadens verbunden hat. Dies folgt bereits daraus, dass über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden kann. Entscheidet ein Gericht in dieser Konstellation nicht zugleich durch (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag, handelt es sich insofern nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil. Dieses ist als Teilurteil dann unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist (BGH Urteile vom 30. April 2003 - V ZR 100/02 - NJW 2003, 2380, 2381 und vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 304 Rdn. 3).
11
2. Danach verstößt das Berufungsurteil gegen § 301 ZPO. Das Oberlandesgericht hat nicht ein Grundurteil hinsichtlich aller Anträge erlassen, sondern mit seinem "Teilurteil" nur über die Zahlungs- und Freistellungsanträge dem Grunde nach befunden. Dies ergibt sich daraus, dass das Oberlandesgericht in den Entscheidungsgründen zur Rechtfertigung des Erlasses eines Grundurteils lediglich ausführt, dass und warum über die Höhe des vom Beklagten zu 1 geschuldeten Schadensersatzes noch nicht abschließend entschieden werden kann. Hingegen enthalten die Entscheidungsgründe keine Ausführungen zum Feststellungsantrag. Auch eine Auslegung dahingehend, dass das Oberlandesgericht zugleich durch stattgebendes Endurteil über den Feststellungsantrag entschieden hat, kommt mangels eines Anhaltspunktes in den Urteilsgründen nicht in Betracht (vgl. hierzu BGH Urteil vom 7. November 1991 - III ZR 118/90 - NJW-RR 1992, 531; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 304 Rdn. 3). Bei dem angefochtenen Urteil handelt es sich folglich nicht nur um ein Grund-, sondern auch um ein Teilurteil. Als Teilurteil ist es unzulässig, weil über die Voraussetzungen der Zahlungs- und Freistellungsansprüche, die Gegenstand des Grundurteils sind, bei der Entscheidung über den Feststellungsantrag nochmals zu befinden sein wird. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht, möglicherweise auch das Rechtsmittelgericht, bei der späteren Entscheidung über den Feststellungsantrag zu einer anderen Erkenntnis gelangt (BGH Urteile vom 30. April 2003 - V ZR 100/02 - NJW 2003, 2380, 2381 und vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155). Aus diesem Grunde darf nach der Recht- sprechung des Bundesgerichtshofs im Falle der objektiven Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsbegehren, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht durch Teilurteil gesondert über einen Anspruch oder nur einen Teil der Ansprüche entschieden werden (BGH Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99 - NJW 2001, 155 m.w.N.).

II.

12
Danach kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben. Das Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
13
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Beklagte zu 1 seine ihm als Betreuer obliegenden Pflichten dadurch verletzt, dass er mit Vertrag vom 30. Juni 1997 die Grundstücke in H. trotz der damit verbundenen nachteiligen steuerlichen Folgen verkauft habe. Die Steuerbelastung sei vermeidbar gewesen. Der Beklagte zu 1 habe erforderliche liquide Mittel zur Tilgung rückständiger Verbindlichkeiten des Betreuten durch die Verwertung anderer Vermögensgegenstände des Betreuten beschaffen können, welche nicht mit steuerlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre. So habe der Beklagte zu 1 unter anderem das Hausgrundstück in Österreich, das Konto in Österreich sowie andere Immobilien verwerten können, für welche die Drei-Objekte-Regel nicht gegolten hätte. Über den Wunsch des Betreuten, nur die Grundstücke in H., nicht aber das Hausgrundstück in Österreich zu verkaufen und auch das Konto in Österreich nicht zu verwerten, habe sich der Beklagte zu 1 hinwegsetzen müssen. Der Betreuer sei zwar gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich an die Wünsche des Betreuten gebunden, müsse aber solche Wünsche nicht befolgen , die dessen Wohl zuwiderliefen. Letzteres sei hier der Fall gewesen. In der angespannten finanziellen Situation des Betreuten habe es keinerlei anzuerkennende Gründe gegeben, von der Verwertung des Vermögens in Österreich abzusehen und stattdessen die Grundstücke in H. zu veräußern, mit der Konsequenz erheblicher steuerlicher Nachteile, welche die angespannte Vermögenssituation des Betroffenen weiter verschärft hätten. Dies gelte umso mehr, als bereits im Frühjahr 1997 abzusehen gewesen sei, der Betreute werde sein Haus in Österreich krankheitsbedingt kaum mehr selbst nutzen können.
14
Diese Ausführungen sind nicht in allen Punkten bedenkenfrei.
15
a) Gemäß § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist.
16
b) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich der Betreuer in Fällen, in denen die Wünsche des Betreuten seinem objektiven Wohl widersprechen, über den Willen des Betreuten hinwegsetzen kann und muss. Lediglich in einer Entscheidung, die die Haftung des Betreuers gegenüber dem Vertragspartner des Betreuten zum Gegenstand hatte, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass sich der Betreuer bei der Bewältigung von Konflikten zwischen den Neigungen und Wünschen des Betreuten einerseits sowie dessen Wohl andererseits allein vom wohlverstandenen Interesse des Betreuten leiten zu lassen habe (BGH Urteil vom 8. Dezember 1994 - III ZR 175/93 - FamRZ 1995, 282, 283). Der Begriff des wohlverstandenen Interesses wird in dieser Entscheidung allerdings nicht näher konkretisiert.
17
Auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur werden unterschiedliche Ansätze zur Lösung des beschriebenen Konflikts vertreten. Ganz überwiegend werden die Wünsche des Betreuten in weitem Umfang respektiert (statt vieler MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14 f. m.w.N.; eher einschränkend allerdings Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1901 Rdn. 10; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1901 Rdn. 10; restriktiv auch Frommann NDV 1992, 2, 4, der den Betreuer nicht den subjektiven Wünschen des Betreuten für verpflichtet hält, sondern vielmehr einer allenfalls empirisch bestimmbaren Normalität Nichtbetreuter). Allerdings wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen das objektive Betreutenwohl gegenüber diesen Wünschen ausnahmsweise Vorrang beansprucht, unterschiedlich beantwortet: Nach einer Auffassung ist darauf abzustellen, wie der Betreute sein Leben selbst gestalten würde, wenn er die dazu notwendigen Fähigkeiten noch hätte (Bienwald Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1901 Rdn. 26; Staudinger /Bienwald BGB (1999) § 1901 Rdn. 24; vgl. weitergehend Wolf Haftung S. 40 f., der ausführt, dass Wünsche des Betreuten, deren Erfüllung voraussichtlich in einen Schaden mündet, dessen Wohl zuwiderlaufen; ihnen dürfe daher vom Betreuer nicht entsprochen werden). Nach anderer Ansicht tritt ein Wunsch des Betreuten nur dann hinter dessen objektivem Wohl zurück, wenn er Ausdruck einer Lebensvorstellung ist, die außerhalb desjenigen Bereiches liegt, der bei Nichtbetreuten (noch) als Wahrnehmung der Selbstbestimmungsrechte im gesellschaftlich vertretbaren Rahmen angesehen würde (Voigt, Betreuerpflichten , S. 80). Nach einer weiteren Meinung ist entscheidend, ob bei Verwirklichung des Wunsches Rechtsgüter des Betreuten gefährdet werden, die im Rang über den mit dem Wunsch verfolgten Interessen stehen (so etwa der Fall bei der Abwägung von Leben, Gesundheit oder sonstigen fundamenta- len Persönlichkeitsrechten einerseits und Freizeitwünschen des Betreuten andererseits ); darüber hinaus sollen nach dieser Auffassung solche Wünsche dem Wohl des Betreuten zuwiderlaufen und zu vernachlässigen sein, deren Erfüllung seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Als Beispiel wird ein wirtschaftlich unvertretbarer Umgang mit dem Vermögen des Betreuten genannt, wenn daraus die Gefahr erwachse, dass künftig der angemessene Unterhalt nicht mehr bestritten werden könne (KG ZMR 2002, 265, 268; OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 42; MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14 f.; Schwab FamRZ 1992, 493, 503; Schulze/Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 5).
18
c) Nach Auffassung des Senats darf der Begriff des Wohles des Betreuten im Sinne des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB nicht losgelöst von seinen subjektiven Vorstellungen und Wünschen bestimmt werden (vgl. auch HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 23). Denn gemäß § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB gehört zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Folglich läuft ein Wunsch nicht bereits dann im Sinne des § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB dem Wohl des Betreuten zuwider, wenn er dessen objektivem Interesse widerspricht. Vielmehr entsteht ein beachtlicher Gegensatz zwischen Wohl und Wille des Betreuten erst dann, wenn die Erfüllung der Wünsche höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde (OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 32; MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14 f.). Entsprechend erfordert es das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Betreuten (vgl. etwa Bienwald , Betreuungsrecht, § 1901 Rdn. 19; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 24), dass der Betreuer einen Wunsch des Betreuten nicht wegen Vermögensge- fährdung ablehnen darf, solange dieser sich von seinen Einkünften und aus seinem Vermögen voraussichtlich bis zu seinem Tod wird unterhalten können (Schulze/Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 5). Selbst wenn durch die Erfüllung der Wünsche des Betreuten dessen Vermögen - den Interessen seiner Erben zuwider - erheblich geschmälert wird, ist der Wunsch in diesem Fall zu respektieren.
19
aa) Für diesen grundsätzlichen Vorrang der Wünsche des Betreuten vor dessen objektiven Interessen, insbesondere auch vor seinen objektiven Vermögensbelangen , spricht zunächst, dass der Betreuer nach allgemeiner Auffassung nicht die Aufgabe hat, das Vermögen des Betreuten zugunsten seiner Erben zu erhalten (BGH Urteil vom 22. Februar 1967 - IV ZR 279/65 - MDR 1967, 473; KG ZMR 2002, 265, 269; BayObLG NJW 1991, 432; Bienwald, Betreuungsrecht , § 1901 Rdn. 22; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 35; Schulze/ Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 5; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1901 Rdn. 4; Damrau/Zimmermann § 1901 Rdn. 4). Zudem könnte das Ziel des Gesetzes, das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten zu stärken und seinem Willen grundsätzlich den Vorrang einzuräumen, nicht erreicht werden , wenn der Betreuer befürchten müsste, nach dem Tod des Betreuten von dessen Erben erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden , weil er die dem objektiven Wohl des Betreuten zuwiderlaufenden Wünsche erfüllt hat (HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 52; vgl. zum entsprechenden gesetzgeberischen Ziel BT-Drucks. 11/4528 S. 67, 133; BayObLG FamRZ 1998, 455, 456; Schwab FamRZ 1992, 493, 503; Staudinger/Bienwald BGB (2006) § 1908 i Rdn. 231). Diese Sichtweise widerspricht auch nicht dem Anliegen des Gesetzgebers, der Betreuer dürfe dem Betreuten nicht die Hand zur Selbstschädigung reichen (BT-Drucks. 11/4528 S. 67, 133; OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; HK-BUR/Bauer § 1901 BGB Rdn. 44; MünchKomm/ Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 16); denn eine Selbstschädigung des Betreu- ten wird regelmäßig nur dann nicht mehr hingenommen werden können, wenn dessen Unterhalt bis zu seinem Tod infolge einer Maßnahme des Betreuers nicht mehr gesichert ist.
20
bb) Ist danach ein Wunsch des Betreuten im Grundsatz beachtlich, sofern dessen Erfüllung nicht die gesamte Lebens- und Versorgungssituation des Betreuten erheblich verschlechtern würde, kann dies freilich nur unter der Voraussetzung gelten, dass der Wunsch nicht Ausdruck der Erkrankung des Betreuten ist (MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1901 Rdn. 14). Dies bedeutet allerdings nicht, dass jeder Wunsch unbeachtlich wäre, den der Betreute ohne Erkrankung nicht hätte oder der als irrational zu bewerten ist (BT-Drucks. 11/4528 S. 67; OLG Schleswig OLG Report 2001, 346, 347; Staudinger /Bienwald BGB (1999) § 1901 Rdn. 28; Voigt, Betreuerpflichten, S. 57, 78 f.). Vielmehr ist ein Wunsch lediglich dann unbeachtlich, wenn der Betreute infolge seiner Erkrankung entweder nicht mehr in der Lage ist, eigene Wünsche und Vorstellungen zu bilden und zur Grundlage und Orientierung seiner Lebensgestaltung zu machen (Erman/Roth BGB 12. Aufl. § 1901 Rdn. 4, 10; Bienwald FamRZ 1992, 1125, 1128; Voigt, Betreuerpflichten, S. 75; vgl. auch Frommann NDV 1992, 2, 4), oder wenn er die der Willensbildung zugrunde liegenden Tatsachen infolge seiner Erkrankung verkennt (vgl. dazu Bienwald, Betreuungsrecht, § 1901 Rdn. 26).
21
cc) Der Vorrang des Willens des Betreuten gilt im übrigen nur für solche Wünsche, die Ausfluss des Selbstbestimmungsrechts des Betreuten sind; sie dürfen sich nicht nur als bloße Zweckmäßigkeitserwägungen erklären lassen, die der Betreute angestellt hat, um über diese Vorstufe sein eigentliches - weitergehendes - Ziel zu erreichen. Der vorliegende Fall verdeutlicht diese Differenzierung :
22
Das Anliegen des Betreuten, das Grundstück in Österreich und das dortige Konto nicht zu verwerten, ist als ein solcher - beachtlicher - Wunsch aufzufassen , wenn man den Vortrag des Beklagten zu 1 als richtig unterstellt, das Grundstück in Österreich sei das Lieblingsobjekt des Betreuten gewesen, dessen Verkauf er auch mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand nicht gewollt habe; das Guthaben auf dem Konto habe nach seinem Willen ausschließlich dem Grundbesitz in Österreich zugute kommen sollen. Dasselbe gilt im Hinblick auf die übrigen privat genutzten Häuser des Betreuten, falls der Vortrag des Beklagten zu 1 zutrifft, dass diese dem Betreuten ans Herz gewachsen waren. Unter demselben Aspekt kann - umgekehrt - auch der vom Beklagten zu 1 geltend gemachte Wunsch des Betreuten beachtlich sein, sich am ehesten von einem Grundstück in der R.-K.-Straße zu trennen, dessen Mieter ständig Ärger bereitet hätten.
23
Dagegen hing der Betreute nach dem eigenen Vortrag des Beklagten zu 1 an keinem der nicht privat genutzten Objekte in besonderer Weise. Der Wille des Betreuten, gerade die (nicht privat genutzten) Grundstücke in H. zu veräußern, beruhte - abgesehen von einem etwaigen beachtlichen Wunsch in Ansehung des Objekts R.-K.-Straße - dementsprechend nur auf Erwägungen des Betreuten zur Frage, welche Grundstücke am besten geeignet seien, um die erforderliche Liquidität zu erzielen. Der Betreute hat insoweit lediglich überlegt , auf welchem Wege sich sein eigentliches Ziel - die Schonung seines Vermögens in Österreich und seiner sonstigen privat genutzten Objekte - am zweckmäßigsten erreichen ließe. Über die hierzu geäußerten (Zweckmäßigkeits -)Vorstellungen des Betreuten konnte und musste der Betreuer sich daher gegebenenfalls hinwegsetzen. Dasselbe gilt im Übrigen in Ansehung der vom Beklagten zu 1 behaupteten Vorgabe des Betreuten über die bei einem Verkauf zu erzielenden Mindesterlöse.
24
dd) Schließlich kann sich der Betreuer nur dann auf einen - dem objektiven Wohl des Betreuten zuwiderlaufenden - Wunsch berufen, wenn dieser Wunsch auf ausreichender tatsächlicher Grundlage gefasst wurde. Insoweit gilt im Grundsatz ähnliches wie im Recht der Anwaltshaftung. Dort entlastet eine Weisung des Mandanten nur, wenn der Anwalt diesen vor Befolgung der Weisung eingehend über die damit verbundenen Risiken belehrt und ihm andere weniger nachteilige oder nicht so riskante Wege zur Erreichung des verfolgten Ziels aufgezeigt hat (vgl. Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts , 7. Aufl. Rdn. 571 m.w.N.). Allerdings sind die bei der Anwaltshaftung entwickelten Grundsätze zum Umfang der geforderten Aufklärung (vgl. etwa Rinsche/Fahrendorf/Terbille aaO Rdn. 510 ff.) nicht ohne weiteres auf die Betreuerhaftung übertragbar. Vielmehr richtet sich der Grad der erforderlichen Aufklärung zum einen nach der Wichtigkeit des Geschäfts und zum anderen danach, was in den Lebenskreisen, denen der Betreuer angehört, billigerweise erwartet werden kann (vgl. zur Differenzierung nach Lebenskreisen Senatsurteil vom 18. September 2003 - XII ZR 13/01 - FamRZ 2003, 1924, 1925; BGH Urteile vom 5. Mai 1983 - III ZR 57/82 - FamRZ 1983, 1220 und vom 15. Januar 1964 - IV ZR 106/63 - FamRZ 1964, 199, 200; KG ZMR 2002, 265, 267; MünchKomm/Wagenitz BGB 5. Aufl. § 1833 Rdn. 4; Soergel/Zimmermann BGB 13. Aufl. § 1833 Rdn. 4; Staudinger/Engler BGB (2004) § 1833 Rdn. 13). Indes kann auch ein geschäftsunerfahrener Betreuer verpflichtet sein, bei einem Geschäft großer Bedeutung fachlichen Rat einzuholen, um den Betreuten umfassend informieren zu können (vgl. BGH Urteil vom 5. Mai 1983 - III ZR 57/82 - FamRZ 1983, 1220, 1221; Staudinger/Engler BGB (2004) § 1833 Rdn. 35; Voigt, Betreuerpflichten, S. 89; Wolf, Haftung, S. 79). Hat der Betreuer den Betreuten nicht ausreichend aufgeklärt, bleibt dem Betreuer gleichwohl die Möglichkeit darzulegen und zu beweisen, dass der Betreute den - vom Betreuer später umgesetzten - Wunsch auch dann geäußert hätte, wenn der Betreuer ihn zuvor im erforderlichen Umfang aufgeklärt hätte.
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d) Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte sich der Beklagte zu 1 gegenüber dem auf Ersatz der Steuernachteile gerichteten Klagbegehren nicht ohne weiteres auf die Wünsche des Betreuten berufen.
26
Nach seinem eigenen Vortrag hat der Beklagte zu 1 die Frage der steuerlichen Konsequenzen mit einem Steuerberater nur allgemein besprochen; hingegen hat er sich nicht über die Höhe möglicher Steuerforderungen informiert. Dementsprechend kann er auch den Betreuten nicht über die Größenordnung möglicher Steuerforderungen belehrt haben. Angesichts der Wichtigkeit des beabsichtigten Rechtsgeschäfts wäre aber eine Aufklärung über die ungefähre Höhe der im ungünstigsten Fall zu erwartenden steuerlichen Belastung erforderlich gewesen. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 1 gerade im Hinblick auf seine Fachkunde als Anwalt zum Betreuer bestellt worden war. Von einem Anwalt als Betreuer kann erwartet werden, dass er sich über die rechtlichen Risiken eines von ihm abzuschließenden Geschäfts vergewissert (Senatsurteil vom 18. September 2003 - XII ZR 13/01 - FamRZ 2003, 1924, 1925).
27
Der Beklagte zu 1 macht indes auch geltend, dass sich der Betreute in derselben Weise verhalten hätte, wenn er über die Höhe der steuerlichen Belastung informiert gewesen wäre. Dieser Einwand ist, wie ausgeführt, erheblich. Dem Beklagten zu 1 wird deshalb Gelegenheit zu geben sein, seinen Vortrag hierzu gegebenenfalls noch weiter zu konkretisieren und Beweis anzubieten.
28
e) Im übrigen dürfte in dem Verkauf der Grundstücke in H. jedenfalls nur dann eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1 zu finden sein, wenn dieser die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels dadurch hätte vermeiden können, dass er - liquiditätssichernd - andere Grundstücke als vom Betreuten gewünscht veräußert hätte. Das Oberlandesgericht verweist insoweit auf mehrere Grundstücke des Betreuten, die dieser mehr als fünf Jahre vor dem Verkauf (1997) erworben und bebaut hatte; im Falle des Verkaufs dieser Häuser hätte - so das Oberlandesgericht - die "Drei-Objekte-Regel" nicht gegolten und der Verkauf folglich nicht zur Annahme eines - die Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht begründenden - gewerblichen Grundstückshandels geführt. Dem kann nicht ohne weiteres gefolgt werden.
29
Allerdings hat der Bundesfinanzhof zur Konkretisierung der Unterscheidung zwischen Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG einerseits und privater Vermögensverwaltung andererseits im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels die so genannte Drei-Objekte-Grenze entwickelt. Danach wird die Grenze privater Vermögensverwaltung überschritten, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang zu Erwerb bzw. Bebauung mehr als drei Objekte veräußert werden. Als enger zeitlicher Zusammenhang wird dabei ein Zeitraum von fünf Jahren angesehen (BFH BB 2007, 250, 252 m.w.N.). Indes kommt der Zahl der Objekte und dem engen zeitlichen Zusammenhang lediglich indizielle Bedeutung für das Vorliegen einer von Anfang an bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht zu. Insbesondere handelt es sich bei der FünfJahres -Grenze nicht um eine starre Zeitgrenze (BFH Beschluss vom 12. August 2008 - X B 46/08 - juris; BFH BB 2007, 250, 252 m.w.N.; BFH/NV 2004, 1089, 1090 m.w.N.). Vielmehr kann im Falle einer Veräußerung nach Ablauf von fünf Jahren die sich mit zunehmender Zeitdauer verringernde Indizwirkung durch zusätzliche für einen gewerblichen Grundstückshandel sprechende Anhaltspunkte ausgeglichen werden (BFH BB 2007, 250, 252; BFH/NV 2004, 1089, 1090 m.w.N.). Lediglich bei Verkäufen außerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Veräußerungen als Ausfluss der privaten Vermögensverwaltung darstellen (BMF BStBl I 2004, 434, 435; BFH/NV 2004, 1089, 1090; zu einer Ausnahme von diesem Grundsatz vgl. BFH/NV 2005, 1794).
30
Die Revision verweist hierzu auf die Feststellungen des Finanzgerichts M. . Danach sei davon auszugehen, dass der Betreute ein SchneeballSystem entwickelt habe, bei dem er zur Sicherung des übrigen Immobilienbestandes immer auch die Veräußerung von Grundbesitz habe in Erwägung ziehen müssen. Das Finanzgericht M. habe (zumindest) auch aus diesem Grund auf eine bereits im Zeitpunkt der Anschaffung/Errichtung der veräußerten Immobilien vorhandene bedingte Veräußerungsabsicht des Betreuten geschlossen. Eine - die Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht begründende - Gewerblichkeit des Grundstückshandels wäre somit auch dann nicht zu verneinen gewesen, wenn der Beklagte zu 1 nur solche Grundstücke des Betreuten veräußert hätte, die dieser bereits mehr als fünf Jahre vor dem Verkauf erworben und bebaut habe.
31
Diesen Einwänden wird das Oberlandesgericht bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung nachzugehen haben. Dabei wird es die Vermeidbarkeit der aus Anlass des vom Beklagten zu 1 vorgenommenen Grundstücksverkaufs festgesetzten Steuern nicht allein mit dem Hinweis darauf begründen können, der Betreute sei 1997 Eigentümer mehrerer Grundstücke gewesen, die er mehr als fünf Jahre vor dem Verkauf (1997) erworben und bebaut habe. Denn die Folgerung, dass ein Verkauf dieser Grundstücke im Jahr 1997 - mangels Anwendbarkeit der Drei-Objekte-Regel - nicht zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels hätte führen können, erscheint - aus den von der Revision aufgezeigten Gründen - keineswegs zwingend. Vielmehr wird das Oberlandesgericht zu erwägen haben, ob im vorliegenden Falle - im Hinblick auf ein vom Betreuten betriebenes Schneeball-System - ein gewerblicher Grundstückshandel auch bei der Veräußerung solcher Grundstücke vorgelegen hätte, deren Erwerb bzw. Bebauung mehr als fünf Jahre zurücklag. Dabei wird es allerdings - auf der anderen Seite - auch zu prüfen haben, ob der Beklagte zu 1 zur Erzielung der notwendigen Liquidität auch Grundstücke des Betreuten hätte veräußern können, die dieser vor mehr als 10 Jahren erworben bzw. bebaut hatte und deren Veräußerung deshalb die Annahme eines gewerbsmäßigen Grundstückshandels von vornherein ausgeschlossen hätte.
32
2. Eine weitere Pflichtverletzung hat das Oberlandesgericht darin gesehen , dass der Beklagte zu 1 die Grundstücke zu Preisen verkauft habe, die um insgesamt 409.000 € unter ihren Verkehrswerten gelegen seien. Der Beklagte zu 1 sei verpflichtet gewesen, Eigentum des Betreuten nur bestmöglich zu verwerten. Dass die vereinbarten Kaufpreise nicht den Verkehrswerten der Grundstücke entsprochen hätten, habe der Beklagte zu 1 bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können. Bei einem Vertrag von derart hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei eine zuverlässige Prüfung der Angemessenheit der Kaufpreise naheliegend und erforderlich gewesen, beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Eine solche Prüfung habe der Beklagte zu 1 aber nicht veranlasst. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1 Preise in Höhe dieser Verkehrswerte nicht habe erzielen können, lägen nicht vor. Ein möglicherweise vom Betreuten erteiltes Einverständnis mit dem Verkauf der drei Grundstücke zu den vereinbarten Preisen könne die Pflichtwidrigkeit nicht ausschließen.
33
a) Gegen diese Würdigung des Oberlandesgerichts dürften - jedenfalls im Ausgangspunkt - keine revisionsrechtlich bedeutsamen Bedenken zu erheben sein. Insbesondere brauchte das Berufungsgericht nicht auf die Frage einzugehen , ob eine etwaige besondere Sachkunde des Betreuten die Pflicht des Beklagten zu 1 entbehrlich werden ließ, vor der Veräußerung ein Sachverständigengutachten einzuholen, einen Makler zu beauftragen oder jedenfalls Alter- nativangebote einzuholen. Denn eine solche besondere Sachkunde des Betreuten ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar mag der Betreute infolge seiner früheren Tätigkeit als Bauherr oder Bauleiter die Gebäude gekannt haben ; auch mag er Erfahrungen mit der Vermietung von Immobilien gehabt haben. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers hatte er jedoch bisher Grundstücke nur an Verwandte veräußert, nicht aber an Außenstehende. Über besondere Erfahrungen hinsichtlich der auf dem Grundstücksmarkt erzielbaren Preise verfügte der Betreute folglich nicht.
34
b) Die Überlegungen, mit denen das Oberlandesgericht den hypothetisch - bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt - erzielbaren Kaufpreis ermittelt hat, sind indes nicht in allen Punkten frei von revisionsrechtlich bedeutsamen Bedenken.
35
aa) Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Oberlandesgericht das Sachwert- und das Ertragswertverfahren kombiniert hat (vgl. dazu BGHZ 160, 8, 12; BGH Urteile vom 12. Januar 2001 - V ZR 420/99 - NJW-RR 2001, 732, 733 und vom 11. März 1993 - III ZR 24/92 - juris).
36
Auch ansonsten hat das Oberlandesgericht die erzielbaren Preise im Grundsatz zutreffend ermittelt.
37
bb) Nicht auseinandergesetzt hat sich das Oberlandesgericht allerdings mit der Frage, inwieweit die finanziell angespannte Situation des Betreuten und der insoweit bestehende Zeitdruck dem Beklagten zu 1 erlaubten, die Chancen des Marktes bei der Preisgestaltung in vollem Umfang auszuschöpfen. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe dieser Frage nachzugehen.

B.

Revision des Beklagten zu 1 als Streithelfer des Klägers

I.

38
Die Revision ist zulässig. Der Beklagte zu 1 ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers wirksam beigetreten. Der Kläger macht gegen beide Beklagte einen Anspruch geltend, der auf den Ersatz desselben Schadens - nämlich auf Ersatz der Wertdifferenz zwischen dem Verkehrswert der vom Beklagten zu 1 verkauften Grundstücke und dem für sie erzielten Kaufpreis sowie auf Ersatz der festgesetzten Einkommen- und Gewerbesteuer - gerichtet ist. Im Falle einer Verurteilung auch des Beklagten zu 2 könnte der Beklagte zu 1 diesen gemäß § 840 BGB analog, § 426 BGB auf Regress in Anspruch nehmen. Diese Möglichkeit begründet - für den Fall der eigenen Verurteilung - ein "rechtliches" Interesse des Beklagten zu 1 im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO am Obsiegen des Klägers auch gegen den Beklagten zu 2. Zwar erschließt sich die Zulässigkeit des Beitritts hier nicht aus einer möglichen Interventionswirkung (§ 68 ZPO). Ebenso wirkte eine etwaige Verurteilung auch des Beklagten zu 2 keine Rechtskraft in einem Rechtsstreit unter den Beklagten über den Regressanspruch des Beklagten zu 1. Dennoch wird mit der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gegenüber dem Beklagten zu 2 eine tatsächliche Vorentscheidung über dessen Verpflichtung zum Gesamtschuldnerausgleich für den Fall getroffen, dass der Beklagte zu 1 zum Schadensersatz verurteilt wird. Diese Vorgreiflichkeit genügt, um das rechtliche Interesse des Beklagten zu 1 am Ausgang des Rechtsstreits gegenüber dem Beklagten zu 2 zu bejahen und ihm den Beitritt als Streithelfer des Klägers zu eröffnen (für den Fall des Beitritts eines Gesamtschuldners auf der Seite des Gläubigers OLG Karlsruhe OLGR 2007, 231; vgl. allgemein: BGHZ 86, 267, 272; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 66 Rdn. 13; Musielak/Weth ZPO 6. Aufl. § 66 Rdn. 7, 9; MünchKomm/Schilken ZPO 3. Aufl. § 66 Rdn. 15). Der wirksame Beitritt berechtigt den Beklagten zu 1 gemäß § 67 2. Halbs. ZPO, als Streithelfer für den Kläger Revision einzulegen.

II.

39
Die Revision hat indes keinen Erfolg.
40
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Beklagte zu 2 seine Pflichten als Verfahrenspfleger nicht verletzt. Der gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 FGG bestellte Verfahrenspfleger habe die Aufgabe, die subjektiven Interessen und Wünsche des Betroffenen zu ermitteln und in das Verfahren einzubringen. Er sei nicht verpflichtet, das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft nach objektiven Kriterien zu überprüfen; die Wahrung des objektiven Interesses des Betreuten obliege vielmehr dem Betreuer und dem Vormundschaftsgericht.
41
2. Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
42
Zwar kommt im Ausgangspunkt eine Haftung des Beklagten zu 2 nach § 1833 BGB in Betracht. Diese Vorschrift ist auf den Verfahrenspfleger entsprechend anwendbar (so auch MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1915 Rdn. 5; Küsgens Vergütungsregelungen, S. 42 f.; vgl. auch Bamberger/Roth/Bettin BGB 2. Aufl. § 1915 Rdn. 1; a.A. Staudinger/Bienwald BGB (2006) Vorb. §§ 1909 - 1921 Rdn. 5; § 1915 Rdn. 1). Die ratio des § 1833 BGB, die der Übernahme des Amtes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des Betroffenen Rechnung trägt (Palandt/Diederichsen BGB 68. Aufl. § 1833 Rdn. 1), trifft auch auf den Verfahrenspfleger zu (Küsgens, Vergütungsregelungen, S. 43). Der Beklagte zu 2 hat jedoch keine Pflichtverletzung im Sinne des § 1833 BGB begangen; denn er war nicht verpflichtet, das zu genehmigende Rechtsgeschäft nach objektiven Kriterien zu überprüfen.
43
a) Allerdings hat der Senat - in anderem Zusammenhang und nicht tragend - die Auffassung vertreten, der nach § 67 FGG bestellte Verfahrenspfleger habe die Interessen des Betreuten nach objektiven Maßstäben wahrzunehmen. Er werde dem Betreuten zur Seite gestellt, damit dessen objektive Interessen auch dann geltend gemacht werden könnten, wenn dieser sie nicht selbst wahrnehme (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2003 - XII ZB 169/99 - FamRZ 2003, 1275, 1276; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 171; OLG Brandenburg FamRZ 2007, 1688, 1689; OLG München OLG-Report 2005, 844; Damrau/ Zimmermann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 67 FGG Rdn. 32; Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 67 Rdn. 54; HK-BUR/Bauer § 67 FGG Rdn. 100, 107; Keidel/ Kuntze/Winkler/Kayser FGG 15. Aufl. § 67 Rdn. 15; Knittel, Betreuungsgesetz, § 67 Rdn. 2). Diese Aufgabenbeschreibung kann indes - jedenfalls - nicht für Verfahren gelten, in denen wie vorliegend bereits ein Betreuer bestellt ist, dessen Aufgabenkreis den jeweiligen Verfahrensgegenstand umfasst.
44
aa) Ein Betreuer ist, wie dargelegt, dem Wohl des Betreuten verpflichtet, das von dessen Wünschen mitbestimmt wird (§ 1901 Abs. 2, 3 BGB). Dabei gehört es zu seinen Aufgaben zu prüfen, ob die Erfüllung etwaiger Wünsche des Betreuten höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährdet oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde. Demgegenüber ist es die Pflicht des Gerichts, die Interessen des Betreuten - auch gegenüber dem Betreuer - fürsorglich zu wahren. Soweit es eine effektive Interessenwahrung gebietet, kann das Gericht für den Betreuten - und zur besseren Kontrolle des Betreuers - einen Gegenbetreuer bestellen.
45
bb) Vor diesem rechtlichen Hintergrund erfährt der Pflichtenkreis des Verfahrenspflegers Inhalt und Grenzen. Der Verfahrenspfleger soll nicht - neben dem Gericht und anstelle eines Gegenbetreuers - die Interessen des Betreuten gegenüber dem Betreuer schützen und über dessen Amtsführung wachen. Seine Aufgabe ist vielmehr darauf beschränkt, die verfahrensmäßigen Rechte des Betreuten zur Geltung zu bringen. Dazu gehört insbesondere der Anspruch des Betreuten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 67 Rdn. 54).
46
Vorrangig hat der Verfahrenspfleger deshalb darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht nicht zu Unrecht von einer offensichtlichen Unfähigkeit des Betreuten ausgeht, seinen Willen kundzutun (vgl. § 68 Abs. 2 FGG). Hat der Verfahrenspfleger nach persönlicher Rücksprache mit dem Betreuten den Eindruck gewonnen, dieser sei entgegen der Einschätzung des Gerichts doch in der Lage, zumindest in beschränktem Umfang seinen Willen zu äußern oder wichtige Informationen zu erteilen, hat er auf eine persönliche Anhörung durch das Gericht hinzuwirken (HK-BUR/Bauer § 67 FGG Rdn. 110; Pohl BtPrax 1992, 19, 24).
47
Sodann gehört es zu den Aufgaben des Verfahrenspflegers, den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten zu erforschen und in das Verfahren einzubringen. Ist der Betreute in der Lage, seine Wünsche zu äußern, hat der Verfahrenspfleger den Betreuten im Gespräch über seine Wünsche und Interessen zu befragen. Dabei hat der Verfahrenspfleger auch ihm bekannte Umstände, die für die Willensbildung des Betreuten von Bedeutung sein könnten (etwa steuerliche Risiken eines beabsichtigten Rechtsgeschäfts), anzusprechen. Über Ablauf und Ergebnis des Gesprächs mit dem Betreuten hat der Verfahrenspfleger das Gericht - in wesentlichen Zügen - zu informieren und gegebenenfalls auch darüber zu berichten, wie der Betreute auf etwaige Hinweise zu Risiken des beabsichtigten Geschäfts reagiert hat. Kann der Betreute dagegen keinen Willen mehr bilden oder seine Wünsche nicht mehr artikulieren, hat der Verfahrenspfleger - in angemessenem Rahmen - Möglichkeiten zu nutzen, den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Betreuten anderweit zu erkunden. Dabei ist etwa an eine Kontaktaufnahme mit Bezugspersonen des Betreuten zu denken, wenn deren Befragung - etwa im Hinblick auf zurückliegende Äußerungen des Betreuten - Aufschlüsse über dessen tatsächlichen oder hypothetischen Willen erwarten lässt (vgl. HK-BUR/Bauer § 67 FGG Rdn. 109). Auch in diesem Fall hat der Betreuer dem Gericht - hier über die Möglichkeiten sowie über Art, Umfang und Ergebnis etwaiger Erkundigungen - zu berichten.
48
Schließlich hat der Verfahrenspfleger auf der Grundlage dieser Gespräche und Erkundigungen für den Betreuten dessen Verfahrensrechte wahrzunehmen , indem er gegebenenfalls zu einzelnen Verfahrensergebnissen Stellung nimmt oder Rechtsmittel einlegt (vgl. OLG München OLG-Report 2005, 844, 845; Bork FamRZ 2002, 65, 71). Hinzu kommt die Aufgabe des Verfahrenspflegers , dem Betreuten - soweit möglich - den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens und das Verfahrensgeschehen zu erläutern (Knittel Betreuungsgesetz § 67 FGG Rdn. 3).
49
cc) Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Aufklärung von Umständen, die für die Würdigung des Betreuerhandelns, insbesondere für die Wirtschaftlichkeit des von ihm beabsichtigten Rechtsgeschäfts, von Bedeutung sein könnten , trifft den Verfahrenspfleger hingegen nicht. Er ist insbesondere nicht verpflichtet , über den dargestellten Rahmen hinaus weitere Umstände zu erforschen , die sich als für die Willensbildung des Betreuten erheblich erweisen könnten; auch hat er nicht zu prüfen, ob sämtliche für das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft relevanten Umstände in die Willensbildung des Betreuers eingeflossen sind.
50
b) Ob und unter welchen Voraussetzungen die hier aufgezeigten Inhalte und Grenzen der Pflichten eines - neben einem Betreuer bestellten - Verfahrenspflegers auch für andere Fälle der Verfahrenspflegschaft gelten, bedarf keiner Entscheidung. So soll nach dem am 1. September 2009 in Kraft tretenden § 158 FamFG dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen ein - nunmehr "Verfahrensbeistand" genannter - Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn dies "zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist". In der Begründung des Regierungsentwurfs wird erläutert, dass dieser Verfahrensbeistand sowohl das subjektive als auch das objektive Interesse des Kindes einzubeziehen habe (BT-Drucks. 16/6308 S. 239; zum bisherigen Streitstand vgl. Jansen FGG 3. Aufl. § 50 Rdn. 47). Die Verfahrenspflegschaft in minderjährige Kinder betreffenden Verfahren kann indes mit der Verfahrenspflegschaft in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Betreuungsrecht, nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Vielmehr ist das Rechtsinstitut der Verfahrenspflegschaft im Hinblick auf die verschiedenen spezifischen Anforderungen der betroffenen Rechtsgebiete jeweils unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 238). Dementsprechend stimmen auch die Pflichtenkreise des Verfahrenspflegers gemäß § 50 FGG (künftig: § 158 FamFG) einerseits und des Verfahrenspflegers gemäß § 67 FGG (künftig: § 276 FamFG) andererseits nicht zwingend überein. Das ergibt sich bereits aus einem Vergleich der Fallgruppen, in denen die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach dem Gesetz in der Regel erforderlich ist: Während der Verfahrenspfleger in Betreuungsverfahren regelmäßig zu bestellen ist, wenn von der persönlichen Anhörung des Betreuten abgesehen werden soll, ist in Kindschaftssachen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht entscheidend, ob und in welchem Umfang das betroffene Kind in der Lage ist, seine Wünsche zu äußern. Im Ergebnis wird sich deshalb der Aufgaben- und Pflichtenkreis eines Verfahrenspflegers nicht übergreifend, sondern vielmehr nach der Art der jeweiligen Verfahrenspflegschaft und nach den für die Bestellung eines solchen Verfahrenspflegers vom Gesetz allgemein vorgeschriebenen Gründen bestimmen lassen.
51
c) Betrifft das Verfahren - wie hier - die gerichtliche Genehmigung von Rechtsgeschäften des Betreuers, wird - wie auch die Gesetzesmaterialien belegen - die Bestellung eines Verfahrenspflegers nur ausnahmsweise erforderlich sein (BT-Drucks. 11/4528 S. 171). Sie wird regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn ohne Bestellung eines Verfahrenspflegers die Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht sichergestellt ist, weil der Betreute seinen Willen nicht mehr in ausreichender Weise kundtun kann (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGG; Bork FamRZ 2002, 65, 72; HK-BUR/Harm § 1821 BGB Rdn. 45; Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 67 Rdn. 13; Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser FGG 15. Aufl. § 67 Rdn. 4; vgl. auch BVerfGE 101, 397, 406). Die Aufgaben des Verfahrenspflegers erschöpfen sich in solchem Falle deshalb - wie dargelegt - darin, die Nachteile des Betreuten, die sich aus dessen fehlender Fähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung ergeben, auszugleichen.
52
Ob danach im vorliegenden Fall überhaupt Anlass zur Bestellung eines Verfahrenspflegers bestand, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen. Auch wenn sich der Betreute noch in ausreichender, der Bedeutung des abzuschließenden Rechtsgeschäfts gerecht werdender Weise zu äußern vermocht haben sollte, kann der Umstand, dass die Pflegerbestellung an sich überflüssig war, keinen Einfluss auf den Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers haben. Entsprechendes gilt für eine missverständliche Beschreibung des Wirkungskreises des Verfahrenspflegers in der Bestallungsurkunde (im vorliegenden Fall: "Vertretung des Betreuten bei dem Abschluss der Kaufverträge …"): Auch sie vermag keine über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Pflichtenstellung des Beklagten zu 2 begründen. Schließlich hat der Beklagte zu 2 auch nicht deshalb die ihm als Verfahrenspfleger obliegenden Pflichten verletzt, weil er sich - wenn auch zurückhaltend - gegenüber dem Gericht zu Bewertungsfragen geäußert hat, die zu beurteilen nicht seines Amtes war. Vielmehr ist es Aufgabe - und Pflicht - des Gerichts, für seine Entscheidung den Ausführungen des Verfahrenpflegers nur insoweit Bedeutung beizumessen, als die Stellungnahme des Verfahrenspflegers von dessen - allein von der Verfahrensordnung bestimmter - Aufgabenstellung gedeckt wird. Die Frage, ob das Gericht dieser Aufgabe gerecht geworden ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
53
d) Danach hat das Oberlandesgericht zu Recht eine Pflichtverletzung weder darin gesehen, dass der Beklagte zu 2 keine sachverständige Ermittlung der Grundstückspreise angeregt, noch darin, dass er eine Überprüfung des Kaufvertrags unter steuerrechtlichen Aspekten unterlassen hat.
54
3. Der Senat vermag in der Sache abschließend zu entscheiden. Infolge der nunmehr rechtskräftigen Abweisung der gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Klage besteht keine Gefahr einander widersprechender Entscheidungen; dies gilt um so mehr, als die Pflichtenkreise beider Beklagten - nach den dargestellten Grundsätzen - nicht deckungsgleich sind. Die angefochtene Entscheidung kann danach insoweit bestehen bleiben, als das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 damit bestätigt hat.
Hahne Wagenitz Vézina Dose Richter am Bundesgerichtshof Dr. Klinkhammer ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 15.11.2002 - 8 O 188/00 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.03.2006 - 29 U 13/03 -

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(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Sch

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 158 Bestellung des Verfahrensbeistands


(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfah

Zivilprozessordnung - ZPO | § 66 Nebenintervention


(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. (2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Re

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 276 Verfahrenspfleger


(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn1.von der persönlichen Anhörung des Betr

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Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mange

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2013 - V ZB 212/12

bei uns veröffentlicht am 26.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 212/12 vom 26. September 2013 in der Zurückschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG § 419 Abs. 1 Satz 1 Verständigungsschwierigkeiten mit dem Betroffenen rechtfertigen eben

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(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 100/02 Verkündet am:
30. April 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die in den Kaufvertrag aufgenommene Erklärung des Verkäufers, ihm sei "vom Vorhandensein
wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", rechtfertigt keine
Abweichung von dem Grundsatz, daß den Käufer die Darlegungs- und Beweislast
dafür trifft, daß der Verkäufer ihn über offenbarungspflichtige Umstände nicht aufgeklärt
hat.
BGH, Urt. v. 30. April 2003 - V ZR 100/02 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 4. März 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war Eigentümerin mehrerer Grundstücke am Ortsrand von I. , die mit einem "ländlichen Wohnhaus" bebaut waren und im übrigen als Weidefläche genutzt wurden. Die Weidefläche war von einem 1,3 m hohen Zaun umgeben; außerdem befanden sich auf dem Gelände zwei Blockhütten , die als Unterstände für die dort vom Vater der Beklagten gehaltenen
Schafe sowie zur Lagerung von Holz und Futtermitteln genutzt wurden. Der Zaun und die Hütten waren ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden.
Ende 1994 bot die Beklagte das Anwesen in einer Zeitungsanzeige mit dem Hinweis zum Kauf an, es handele sich um ein "Liebhaberobjekt", das "geeignet für Tierhaltung (für Pferde)" sei. Auf Grund dieser Anzeige besichtigten die Kläger das Anwesen. Sie kauften die Grundstücke mit notariellem Vertrag vom 9. Februar 1995 von der Beklagten zum Preis von 560.000 DM. In den Kaufvertrag wurde der Ausschluß der "Haftung für Fehler und Mängel" sowie die Erklärung der Beklagten aufgenommen, ihr sei von dem "Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt."
Unter dem 26. Oktober 1998 richtete der zuständige Landkreis eine Abrißverfügung für den Zaun und die beiden Blockhütten an die Kläger. Sie versuchten daraufhin ohne Erfolg, in einem Verwaltungsstreitverfahren die Aufhebung dieses Bescheids und eine Baugenehmigung für den Zaun und die Hütten zu erreichen.
Die Kläger sehen sich von der Beklagten arglistig getäuscht und fordern deren Verurteilung zur Zahlung von noch 691.682,90 DM als Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundbesitzes, die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten sowie die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für weitere Schäden. Der Beklagten sei, so das Vorbringen der Kläger, die formelle und materielle Baurechtswidrigkeit auch des Zauns schon seit 1994 nach einer Ortsbesichtigung durch das Bauordnungsamt bekannt gewesen. Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, vor Vertragsschluß sei auf das
Fehlen einer Baugenehmigung für die Hütten hingewiesen und deren Abriß angeboten worden. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 463 Satz 2 BGB a.F.; denn es sei davon auszugehen, daß die Beklagte die Baurechtswidrigkeit zwar nicht des Zaunes, wohl aber der Hütten arglistig verschwiegen habe. Daß eine Information über die Baurechtswidrigkeit der Hütten erfolgt sei, sei nach den Aussagen der Zeugen, die die Beklagte für die von ihr behauptete Aufklärung benannt habe, nicht erwiesen. Dieses Beweisergebnis wirke sich zu Lasten der Beklagten aus. Zwar sei es grundsätzlich Sache der Kläger, den gesamten Sachverhalt, aus dem Arglist folge, zu beweisen. Hier ergebe sich aber eine "abweichende Regelung" aus dem Inhalt des Kaufvertrages, der die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit begründe. Aus der in den Kaufvertrag aufgenommenen Erklärung der Beklagten, ihr sei "vom Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", könne nur der Schluß gezogen werden, daß über die formelle Baurechtswidrigkeit der Unterstände nicht gesprochen worden sei. Eine über den Vertragsinhalt hinaus erfolgte Aufklärung müsse danach die Beklagte beweisen. Da die
Schadenshöhe noch nicht abschließend geklärt sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber trotz der gegenzurechnenden Nutzungsentschädigung ein Schaden verbleibe, könne zunächst ein Grundurteil ergehen.
Das hält einer revisionrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

II.


1. Das angefochtene Urteil leidet bereits an einem Verfahrensmangel, weil der Erlaß eines Grundurteils in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zulässig ist.

a) Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich nicht nur um ein Grund-, sondern auch um ein Teilurteil. Gegenstand des Berufungsurteils sind nicht alle im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Anträge, vielmehr ist nur über den geltend gemachten Zahlungsanspruch dem Grunde nach entschieden worden. Das ergibt sich daraus, daß das Berufungsgericht lediglich geprüft hat, ob eine Wahrscheinlichkeit für irgendeinen Schaden gegeben ist, nicht hingegen, ob dies auch für eine Schadenshöhe gilt, die über den Zahlungsantrag hinausgeht und damit von dem Feststellungsantrag erfaßt wird. Zudem hätte über den hier geltend gemachten Feststellungsantrag auch nicht durch Grundurteil entschieden werden können (vgl. Senat, Urt. v. 20. Juli 2001, V ZR 170/00, NJW 2002, 302, 303 m.w.N.).

b) Als Teilurteil ist das Berufungsurteil unzulässig, weil mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist. Über die Vor-
aussetzungen des Zahlungsanspruchs, der Gegenstand des Grundurteils ist, wird nämlich bei der Entscheidung über die Feststellungsanträge nochmals zu befinden sein. Insoweit besteht die Gefahr, daß das Gericht bei einem späteren Urteil - sei es auf Grund neuen Vortrags, sei es auf Grund geänderter Rechtsauffassung - abweichend entscheidet (Senat, Urt. v. 28. Januar 2000, V ZR 402/98, NJW 2000, 1405, 1406).

c) Es ist allerdings fraglich, ob dieser Mangel zu einer Aufhebung des Berufungsurteils führen kann. Die Beklagte hat den betreffenden Verfahrensfehler entgegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO nicht gerügt und es kann zumindest bezweifelt werden, daß den Klägern für ihre Gegenrüge die erforderliche Rügebefugnis (vgl. BGH, Urt. v. 10. März 1988, III ZR 267/85, BGHR § 554 Abs. 3 Nr. 3 b Rügebefugnis 1) zukommt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Unzulässigkeit eines Teilurteils - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nur auf entsprechende Verfahrensrüge hin zu berücksichtigen (BGHZ 16, 71, 74; Senat, Urt. v. 22. März 1991, V ZR 16/90, NJW 1991, 2082, 2083; BGH, Urt. v. 17. Mai 2000, VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007). Ob an dieser Auffassung festgehalten werden kann, erscheint zweifelhaft (so auch bereits BGH, Urt. v. 12. Januar 1994, XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381). So steht etwa für das Grundurteil die Prüfung der Zulässigkeit von Amts wegen außer Frage (BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572; Urt. v. 17. Februar 2000, IX ZR 436/98, NJW 2000, 1498, 1499); für eine unterschiedliche Behandlung des Teilurteils gibt es keinen überzeugenden Grund (vgl. MünchKommZPO /Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 557 Rdn. 26; Stein/Jonas/ Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 559 Rdn. 17; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 557 Rdn. 16). Hierüber bedarf es aber im vorliegenden Fall ebensowenig einer
Entscheidung wie über die Frage einer Rügebefugnis der Kläger; denn das Berufungsurteil kann aus Gründen des materiellen Rechts ohnehin keinen Bestand haben.
2. Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß vorliegend ein - vom Gewährleistungsausschluß nicht berührter (§ 467 BGB a.F.) - Schadensersatzanspruch der Kläger wegen eines arglistig verschwiegenen Fehlers (§ 463 Satz 2 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 5 EGBGB) in Betracht kommt. Hierbei ist es den Klägern möglich, den Kaufgegenstand zurückzuweisen und Ersatz des gesamten ihnen durch die Nichterfüllung entstehenden Schadens zu verlangen ("großer Schadensersatz", vgl. Senat, Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332, 1333).

a) Es kann einen Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a.F. begründen , wenn sich auf dem verkauften Grundstück Bauwerke befinden, die ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden sind (vgl. Senat, Urt. v. 7. Dezember 1984, V ZR 141/83, WM 1985, 230, 231 m.w.N.). Liegt in solchen Fällen auch keine rechtsverbindliche behördliche Erklärung vor, die den Käufern Bestandsschutz gewährleistet, so besteht der Sachmangel bereits darin, daß es ihnen an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt auf Dauer für den vertraglich vorausgesetzten Zweck nutzen zu können (vgl. Senat , Urt. v. 7. Dezember 1984, aaO). So liegen die Dinge hier. Die Kläger konnten auf Grund der im Angebot herausgestellten Eignung der Grundstücke und deren Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Besichtigung davon ausgehen, daß ihnen für die beabsichtigte Tierhaltung auch die beiden Blockhütten zur Verfügung standen.

b) Auch eine Aufklärungspflicht der Beklagten, die für die Annahme ei- nes relevanten Verschweigens notwendig ist, hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht. Eine solche Verpflichtung besteht regelmäßig nur bei nicht erkennbaren Umständen, die nach der Lebenserfahrung auf das Entstehen bestimmter Mängel schließen lassen, oder bei verborgenen, wesentlichen Mängeln (Senat, Urt. v. 23. März 1990, V ZR 233/88, NJW-RR 1990, 847, 848). Letzteres trifft für das Fehlen der Baugenehmigung für die beiden Blockhütten zu.

c) Für den Fall unterbliebener Aufklärung geht das Berufungsgericht ferner zu Recht von arglistigem Handeln der Beklagten aus. Arglistig handelt ein Verkäufer, wenn er den Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550; Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332; Urt. v. 22. November 1996, V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt; insbesondere wußte die Beklagte bereits auf Grund des an sie gerichteten Schreibens der Baubehörde vom 8. März 1994, daß für keine der beiden Blockhütten die erforderliche Baugenehmigung erteilt worden war.

d) Schließlich trifft die Ansicht des Berufungsgerichts zu, daß es Sache der Beklagten ist, den Beweis dafür zu führen, daß das arglistige Verschweigen des Fehlers für den Kaufentschluß der Kläger nicht ursächlich gewesen ist (vgl. Senat, Urt. v. 19. September 1980, V ZR 51/78, NJW 1981, 45, 46). Daß
das Berufungsgericht diesen Beweis für nicht erbracht hält, läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
3. Hingegen durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, daß eine Aufklärung der Kläger über die fehlende Baugenehmigung für die beiden Blockhütten unterblieben ist. Die Revision rügt zu Recht, daß dem Berufungsgericht ein Rechtsfehler insoweit unterlaufen ist, als es der Beklagten die Beweislast für die von ihr behauptete Aufklärung über die fehlende Baugenehmigung zugewiesen hat.

a) Nach dem Vorbringen der Beklagten soll der Kläger zu 1 bei der Besichtigung des Anwesens von ihrem Vater, dem Zeugen L. , darauf hingewiesen worden sein, daß für die Blockhütten Baugenehmigungen nicht erteilt seien. Trifft dies zu, so fehlt es auch gegenüber der Klägerin zu 2 an einem arglistigen Verschweigen; denn den Umständen nach war davon auszugehen , daß der Kläger zu 1 diese Information an seine Ehefrau weitergeben wird, weshalb zumindest arglistiges Handeln nicht mehr gegeben wäre.

b) Wie bereits in dem Beschluß des Senats vom 31. Oktober 2002 (WM 2003, 259) über die Zulassung der Revision ausgeführt, hat das Berufungsgericht nicht etwa festgestellt, daß die behauptete Aufklärung unterblieben sei. Es geht - was Rechtsfehler nicht erkennen läßt - vielmehr davon aus, daß die behauptete Unterrichtung über die Baurechtswidrigkeit nicht erwiesen ist. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten getroffen. Hierbei hat es zwar im Ansatz nicht verkannt, daß der Käufer, weil er bei § 463 Satz 2 BGB a.F. die Darlegungs- und Beweislast für den gesamten Arglisttatbestand trägt, auch vorzutragen und nach-
zuweisen hat, daß der Verkäufer ihn nicht gehörig aufklärte (Senat, Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64, 65). Das Berufungsgericht hat jedoch diese Beweislastregel fehlerhaft angewandt. Entgegen seiner Auffassung ist es wegen der in der Kaufvertragsurkunde enthaltenen Erklärung der Beklagten, ihr sei "vom Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", nicht gerechtfertigt, von dem geschilderten Grundsatz abzuweichen und den Verkäufer mit dem Nachweis zu belasten, daß eine Unterrichtung des Käufers über aufklärungsbedürftige Mängel des Kaufobjekts tatsächlich erfolgt ist.
aa) Das Berufungsgericht hält die von der Beklagten behauptete Aufklärung für unvereinbar mit der in der Vertragsurkunde beanspruchten fehlenden Kenntnis von unsichtbaren Mängeln. Ersichtlich läßt es sich von der Überlegung leiten, daß niemand über einen ihm selbst nicht bekannten Umstand unterrichten kann. Hieraus folgert das Berufungsgericht, daß nach dem Inhalt der notariellen Urkunde eine Information der Kläger unterblieben ist. Im Anschluß daran weist es - wegen der für die Urkunde streitenden Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit - der Beklagten die Beweislast für eine gleichwohl erfolgte Aufklärung zu.
bb) Diese Argumentation ist schon im Ansatz verfehlt. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, daß sich die Erklärung mangelnder Kenntnis überhaupt auf den baurechtswidrigen Zustand bezog. Zwingend ist das keineswegs; denn waren - wie von der Beklagten behauptet - die Kläger vor Vertragsschluß bereits informiert, so liegt es doch nahe, daß die Beklagte insoweit nicht länger von einem "unsichtbaren" Mangel ausging. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts auf eine nach dem Inhalt der Urkunde
unterbliebene Aufklärung ist mithin nicht möglich. Aber selbst wenn das fehlerhafte Zwischenergebnis hingenommen wird, durfte das Berufungsgericht zur Begründung der von ihm auf dieser Grundlage angenommenen Beweislastumkehr nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit notarieller Urkunden heranziehen. Sie erstreckt sich nämlich nur auf die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen. Dagegen gilt sie nicht für eine etwa erteilte Information; denn eine solche bedarf nicht der notariellen Beurkundung und nimmt daher an der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde nicht teil (Senat, Urt. v. 1. Februar 1985, V ZR 180/83, WM 1985, 699, 700; Urt. v. 20. Juni 1986, V ZR 158/85, BGHR § 313 Satz 1 BGB Vollständigkeitsvermutung 1). Der Vertragsinhalt hätte in dieser Hinsicht - wäre die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts möglich gewesen - allenfalls eine mehr oder minder große indizielle Bedeutung für die den Klägern obliegende Beweisführung erlangen können (vgl. Senat, Urt. v. 20. Juni 1986, V ZR 158/85, aaO).

c) Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat vermag in der Sache nicht selbst zu entscheiden, weil der Rechtsstreit auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht ist - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - dem Beweisangebot der Kläger auf Vernehmung der Zeugin S. nicht nachgegangen. Die Zeugin ist zu der Behauptung benannt worden, daß bei der von den Zeugen L. und L. -S. geschilderten Unterredung, die am 11. Dezember 1995 stattgefunden habe, nicht über die beiden Blockhütten gesprochen worden sei. Diese Behauptung ist erheblich; denn unter diesen Um-
ständen kann die von der Beklagten vorgetragene und von den beiden Zeugen bestätigte Information über die fehlende Baugenehmigung nicht stattgefunden haben. Die Kläger müssen, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen,
nicht alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten einer Aufklärung ausräumen; es reicht vielmehr aus, daß sie die von der Beklagten vorgetragene konkrete Unterrichtung widerlegen (vgl. Senat, Urt. v. 20. Oktober 2000, aaO). Das Berufungsgericht wird demnach dem Beweisangebot der Kläger nachgehen müssen.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 100/02 Verkündet am:
30. April 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die in den Kaufvertrag aufgenommene Erklärung des Verkäufers, ihm sei "vom Vorhandensein
wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", rechtfertigt keine
Abweichung von dem Grundsatz, daß den Käufer die Darlegungs- und Beweislast
dafür trifft, daß der Verkäufer ihn über offenbarungspflichtige Umstände nicht aufgeklärt
hat.
BGH, Urt. v. 30. April 2003 - V ZR 100/02 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 4. März 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war Eigentümerin mehrerer Grundstücke am Ortsrand von I. , die mit einem "ländlichen Wohnhaus" bebaut waren und im übrigen als Weidefläche genutzt wurden. Die Weidefläche war von einem 1,3 m hohen Zaun umgeben; außerdem befanden sich auf dem Gelände zwei Blockhütten , die als Unterstände für die dort vom Vater der Beklagten gehaltenen
Schafe sowie zur Lagerung von Holz und Futtermitteln genutzt wurden. Der Zaun und die Hütten waren ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden.
Ende 1994 bot die Beklagte das Anwesen in einer Zeitungsanzeige mit dem Hinweis zum Kauf an, es handele sich um ein "Liebhaberobjekt", das "geeignet für Tierhaltung (für Pferde)" sei. Auf Grund dieser Anzeige besichtigten die Kläger das Anwesen. Sie kauften die Grundstücke mit notariellem Vertrag vom 9. Februar 1995 von der Beklagten zum Preis von 560.000 DM. In den Kaufvertrag wurde der Ausschluß der "Haftung für Fehler und Mängel" sowie die Erklärung der Beklagten aufgenommen, ihr sei von dem "Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt."
Unter dem 26. Oktober 1998 richtete der zuständige Landkreis eine Abrißverfügung für den Zaun und die beiden Blockhütten an die Kläger. Sie versuchten daraufhin ohne Erfolg, in einem Verwaltungsstreitverfahren die Aufhebung dieses Bescheids und eine Baugenehmigung für den Zaun und die Hütten zu erreichen.
Die Kläger sehen sich von der Beklagten arglistig getäuscht und fordern deren Verurteilung zur Zahlung von noch 691.682,90 DM als Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückauflassung des Grundbesitzes, die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten sowie die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für weitere Schäden. Der Beklagten sei, so das Vorbringen der Kläger, die formelle und materielle Baurechtswidrigkeit auch des Zauns schon seit 1994 nach einer Ortsbesichtigung durch das Bauordnungsamt bekannt gewesen. Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, vor Vertragsschluß sei auf das
Fehlen einer Baugenehmigung für die Hütten hingewiesen und deren Abriß angeboten worden. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 463 Satz 2 BGB a.F.; denn es sei davon auszugehen, daß die Beklagte die Baurechtswidrigkeit zwar nicht des Zaunes, wohl aber der Hütten arglistig verschwiegen habe. Daß eine Information über die Baurechtswidrigkeit der Hütten erfolgt sei, sei nach den Aussagen der Zeugen, die die Beklagte für die von ihr behauptete Aufklärung benannt habe, nicht erwiesen. Dieses Beweisergebnis wirke sich zu Lasten der Beklagten aus. Zwar sei es grundsätzlich Sache der Kläger, den gesamten Sachverhalt, aus dem Arglist folge, zu beweisen. Hier ergebe sich aber eine "abweichende Regelung" aus dem Inhalt des Kaufvertrages, der die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit begründe. Aus der in den Kaufvertrag aufgenommenen Erklärung der Beklagten, ihr sei "vom Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", könne nur der Schluß gezogen werden, daß über die formelle Baurechtswidrigkeit der Unterstände nicht gesprochen worden sei. Eine über den Vertragsinhalt hinaus erfolgte Aufklärung müsse danach die Beklagte beweisen. Da die
Schadenshöhe noch nicht abschließend geklärt sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber trotz der gegenzurechnenden Nutzungsentschädigung ein Schaden verbleibe, könne zunächst ein Grundurteil ergehen.
Das hält einer revisionrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

II.


1. Das angefochtene Urteil leidet bereits an einem Verfahrensmangel, weil der Erlaß eines Grundurteils in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zulässig ist.

a) Bei der angefochtenen Entscheidung handelt es sich nicht nur um ein Grund-, sondern auch um ein Teilurteil. Gegenstand des Berufungsurteils sind nicht alle im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Anträge, vielmehr ist nur über den geltend gemachten Zahlungsanspruch dem Grunde nach entschieden worden. Das ergibt sich daraus, daß das Berufungsgericht lediglich geprüft hat, ob eine Wahrscheinlichkeit für irgendeinen Schaden gegeben ist, nicht hingegen, ob dies auch für eine Schadenshöhe gilt, die über den Zahlungsantrag hinausgeht und damit von dem Feststellungsantrag erfaßt wird. Zudem hätte über den hier geltend gemachten Feststellungsantrag auch nicht durch Grundurteil entschieden werden können (vgl. Senat, Urt. v. 20. Juli 2001, V ZR 170/00, NJW 2002, 302, 303 m.w.N.).

b) Als Teilurteil ist das Berufungsurteil unzulässig, weil mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist. Über die Vor-
aussetzungen des Zahlungsanspruchs, der Gegenstand des Grundurteils ist, wird nämlich bei der Entscheidung über die Feststellungsanträge nochmals zu befinden sein. Insoweit besteht die Gefahr, daß das Gericht bei einem späteren Urteil - sei es auf Grund neuen Vortrags, sei es auf Grund geänderter Rechtsauffassung - abweichend entscheidet (Senat, Urt. v. 28. Januar 2000, V ZR 402/98, NJW 2000, 1405, 1406).

c) Es ist allerdings fraglich, ob dieser Mangel zu einer Aufhebung des Berufungsurteils führen kann. Die Beklagte hat den betreffenden Verfahrensfehler entgegen § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. b ZPO nicht gerügt und es kann zumindest bezweifelt werden, daß den Klägern für ihre Gegenrüge die erforderliche Rügebefugnis (vgl. BGH, Urt. v. 10. März 1988, III ZR 267/85, BGHR § 554 Abs. 3 Nr. 3 b Rügebefugnis 1) zukommt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Unzulässigkeit eines Teilurteils - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nur auf entsprechende Verfahrensrüge hin zu berücksichtigen (BGHZ 16, 71, 74; Senat, Urt. v. 22. März 1991, V ZR 16/90, NJW 1991, 2082, 2083; BGH, Urt. v. 17. Mai 2000, VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007). Ob an dieser Auffassung festgehalten werden kann, erscheint zweifelhaft (so auch bereits BGH, Urt. v. 12. Januar 1994, XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 381). So steht etwa für das Grundurteil die Prüfung der Zulässigkeit von Amts wegen außer Frage (BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572; Urt. v. 17. Februar 2000, IX ZR 436/98, NJW 2000, 1498, 1499); für eine unterschiedliche Behandlung des Teilurteils gibt es keinen überzeugenden Grund (vgl. MünchKommZPO /Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 557 Rdn. 26; Stein/Jonas/ Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 559 Rdn. 17; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 557 Rdn. 16). Hierüber bedarf es aber im vorliegenden Fall ebensowenig einer
Entscheidung wie über die Frage einer Rügebefugnis der Kläger; denn das Berufungsurteil kann aus Gründen des materiellen Rechts ohnehin keinen Bestand haben.
2. Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß vorliegend ein - vom Gewährleistungsausschluß nicht berührter (§ 467 BGB a.F.) - Schadensersatzanspruch der Kläger wegen eines arglistig verschwiegenen Fehlers (§ 463 Satz 2 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 5 EGBGB) in Betracht kommt. Hierbei ist es den Klägern möglich, den Kaufgegenstand zurückzuweisen und Ersatz des gesamten ihnen durch die Nichterfüllung entstehenden Schadens zu verlangen ("großer Schadensersatz", vgl. Senat, Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332, 1333).

a) Es kann einen Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a.F. begründen , wenn sich auf dem verkauften Grundstück Bauwerke befinden, die ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet worden sind (vgl. Senat, Urt. v. 7. Dezember 1984, V ZR 141/83, WM 1985, 230, 231 m.w.N.). Liegt in solchen Fällen auch keine rechtsverbindliche behördliche Erklärung vor, die den Käufern Bestandsschutz gewährleistet, so besteht der Sachmangel bereits darin, daß es ihnen an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt auf Dauer für den vertraglich vorausgesetzten Zweck nutzen zu können (vgl. Senat , Urt. v. 7. Dezember 1984, aaO). So liegen die Dinge hier. Die Kläger konnten auf Grund der im Angebot herausgestellten Eignung der Grundstücke und deren Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Besichtigung davon ausgehen, daß ihnen für die beabsichtigte Tierhaltung auch die beiden Blockhütten zur Verfügung standen.

b) Auch eine Aufklärungspflicht der Beklagten, die für die Annahme ei- nes relevanten Verschweigens notwendig ist, hat das Berufungsgericht zutreffend bejaht. Eine solche Verpflichtung besteht regelmäßig nur bei nicht erkennbaren Umständen, die nach der Lebenserfahrung auf das Entstehen bestimmter Mängel schließen lassen, oder bei verborgenen, wesentlichen Mängeln (Senat, Urt. v. 23. März 1990, V ZR 233/88, NJW-RR 1990, 847, 848). Letzteres trifft für das Fehlen der Baugenehmigung für die beiden Blockhütten zu.

c) Für den Fall unterbliebener Aufklärung geht das Berufungsgericht ferner zu Recht von arglistigem Handeln der Beklagten aus. Arglistig handelt ein Verkäufer, wenn er den Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (Senat, Urt. v. 3. März 1995, V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550; Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332; Urt. v. 22. November 1996, V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt; insbesondere wußte die Beklagte bereits auf Grund des an sie gerichteten Schreibens der Baubehörde vom 8. März 1994, daß für keine der beiden Blockhütten die erforderliche Baugenehmigung erteilt worden war.

d) Schließlich trifft die Ansicht des Berufungsgerichts zu, daß es Sache der Beklagten ist, den Beweis dafür zu führen, daß das arglistige Verschweigen des Fehlers für den Kaufentschluß der Kläger nicht ursächlich gewesen ist (vgl. Senat, Urt. v. 19. September 1980, V ZR 51/78, NJW 1981, 45, 46). Daß
das Berufungsgericht diesen Beweis für nicht erbracht hält, läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
3. Hingegen durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, daß eine Aufklärung der Kläger über die fehlende Baugenehmigung für die beiden Blockhütten unterblieben ist. Die Revision rügt zu Recht, daß dem Berufungsgericht ein Rechtsfehler insoweit unterlaufen ist, als es der Beklagten die Beweislast für die von ihr behauptete Aufklärung über die fehlende Baugenehmigung zugewiesen hat.

a) Nach dem Vorbringen der Beklagten soll der Kläger zu 1 bei der Besichtigung des Anwesens von ihrem Vater, dem Zeugen L. , darauf hingewiesen worden sein, daß für die Blockhütten Baugenehmigungen nicht erteilt seien. Trifft dies zu, so fehlt es auch gegenüber der Klägerin zu 2 an einem arglistigen Verschweigen; denn den Umständen nach war davon auszugehen , daß der Kläger zu 1 diese Information an seine Ehefrau weitergeben wird, weshalb zumindest arglistiges Handeln nicht mehr gegeben wäre.

b) Wie bereits in dem Beschluß des Senats vom 31. Oktober 2002 (WM 2003, 259) über die Zulassung der Revision ausgeführt, hat das Berufungsgericht nicht etwa festgestellt, daß die behauptete Aufklärung unterblieben sei. Es geht - was Rechtsfehler nicht erkennen läßt - vielmehr davon aus, daß die behauptete Unterrichtung über die Baurechtswidrigkeit nicht erwiesen ist. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten getroffen. Hierbei hat es zwar im Ansatz nicht verkannt, daß der Käufer, weil er bei § 463 Satz 2 BGB a.F. die Darlegungs- und Beweislast für den gesamten Arglisttatbestand trägt, auch vorzutragen und nach-
zuweisen hat, daß der Verkäufer ihn nicht gehörig aufklärte (Senat, Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64, 65). Das Berufungsgericht hat jedoch diese Beweislastregel fehlerhaft angewandt. Entgegen seiner Auffassung ist es wegen der in der Kaufvertragsurkunde enthaltenen Erklärung der Beklagten, ihr sei "vom Vorhandensein wesentlicher unsichtbarer Mängel nichts bekannt", nicht gerechtfertigt, von dem geschilderten Grundsatz abzuweichen und den Verkäufer mit dem Nachweis zu belasten, daß eine Unterrichtung des Käufers über aufklärungsbedürftige Mängel des Kaufobjekts tatsächlich erfolgt ist.
aa) Das Berufungsgericht hält die von der Beklagten behauptete Aufklärung für unvereinbar mit der in der Vertragsurkunde beanspruchten fehlenden Kenntnis von unsichtbaren Mängeln. Ersichtlich läßt es sich von der Überlegung leiten, daß niemand über einen ihm selbst nicht bekannten Umstand unterrichten kann. Hieraus folgert das Berufungsgericht, daß nach dem Inhalt der notariellen Urkunde eine Information der Kläger unterblieben ist. Im Anschluß daran weist es - wegen der für die Urkunde streitenden Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit - der Beklagten die Beweislast für eine gleichwohl erfolgte Aufklärung zu.
bb) Diese Argumentation ist schon im Ansatz verfehlt. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, daß sich die Erklärung mangelnder Kenntnis überhaupt auf den baurechtswidrigen Zustand bezog. Zwingend ist das keineswegs; denn waren - wie von der Beklagten behauptet - die Kläger vor Vertragsschluß bereits informiert, so liegt es doch nahe, daß die Beklagte insoweit nicht länger von einem "unsichtbaren" Mangel ausging. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts auf eine nach dem Inhalt der Urkunde
unterbliebene Aufklärung ist mithin nicht möglich. Aber selbst wenn das fehlerhafte Zwischenergebnis hingenommen wird, durfte das Berufungsgericht zur Begründung der von ihm auf dieser Grundlage angenommenen Beweislastumkehr nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit notarieller Urkunden heranziehen. Sie erstreckt sich nämlich nur auf die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen. Dagegen gilt sie nicht für eine etwa erteilte Information; denn eine solche bedarf nicht der notariellen Beurkundung und nimmt daher an der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der notariellen Urkunde nicht teil (Senat, Urt. v. 1. Februar 1985, V ZR 180/83, WM 1985, 699, 700; Urt. v. 20. Juni 1986, V ZR 158/85, BGHR § 313 Satz 1 BGB Vollständigkeitsvermutung 1). Der Vertragsinhalt hätte in dieser Hinsicht - wäre die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts möglich gewesen - allenfalls eine mehr oder minder große indizielle Bedeutung für die den Klägern obliegende Beweisführung erlangen können (vgl. Senat, Urt. v. 20. Juni 1986, V ZR 158/85, aaO).

c) Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat vermag in der Sache nicht selbst zu entscheiden, weil der Rechtsstreit auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht ist - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - dem Beweisangebot der Kläger auf Vernehmung der Zeugin S. nicht nachgegangen. Die Zeugin ist zu der Behauptung benannt worden, daß bei der von den Zeugen L. und L. -S. geschilderten Unterredung, die am 11. Dezember 1995 stattgefunden habe, nicht über die beiden Blockhütten gesprochen worden sei. Diese Behauptung ist erheblich; denn unter diesen Um-
ständen kann die von der Beklagten vorgetragene und von den beiden Zeugen bestätigte Information über die fehlende Baugenehmigung nicht stattgefunden haben. Die Kläger müssen, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen,
nicht alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten einer Aufklärung ausräumen; es reicht vielmehr aus, daß sie die von der Beklagten vorgetragene konkrete Unterrichtung widerlegen (vgl. Senat, Urt. v. 20. Oktober 2000, aaO). Das Berufungsgericht wird demnach dem Beweisangebot der Kläger nachgehen müssen.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 13/01 Verkündet am:
18. September 2003
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB §§ 1833, 1908 i Abs. 1 Satz 1
Zur Schadensersatzpflicht des Betreuers bei pflichtwidrigem Abschluß eines vom
Vormundschaftsgericht genehmigten Vertrags.
BGH, Urteil vom 18. September 2003 - XII ZR 13/01 - OLG Nürnberg
LG Regensburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. September 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28. November 2000 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 38.346 DM) Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt als Erbin ihrer Mutter von dem Beklagten als deren früherem Betreuer Schadensersatz wegen Verletzung seiner Amtspflichten. Die Mutter der Klägerin, A. H. , war Inhaberin des Baugeschäfts " H. H. -/Tiefbau"; tatsächlich wurde das Baugeschäft von deren Sohn G. H. geführt. Am 22. September 1995 wurde der Beklagte, von Beruf Rechtsanwalt , zum Betreuer der A. H. mit dem Aufgabenkreis "Führung des Handelsgeschäfts Fa. H. - und Tiefbau ... sowie die Vertretung in allen
damit zusammenhängenden gerichtlichen und behördlichen Angelegenheiten einschließlich Postvollmacht" bestellt. Auf eine vom Beklagten als Betreuer im November 1995 erhobene Klage wurde G. H. durch rechtskräftiges Versäumnisurteil verurteilt, eine Aufstellung aller Forderungen und Verbindlichkeiten des Baugeschäfts zu erstellen und herauszugeben. Am 29. November 1995 wurde eine H. Bau GmbH gegründet (Eintragung am 7. Mai 1996) und G. H. zu deren Geschäftsführer bestellt. Am 4. Dezember 1995 schloß der Beklagte als Betreuer der A. H. mit G. H. als Geschäftsführer dieser GmbH einen Vertrag, den das Vormundschaftsgericht am 20. Dezember 1995 genehmigte. In diesem Vertrag übertrug der Beklagte das bewegliche Inventar der Firma H. H. -/Tiefbau auf die GmbH; außerdem wurde bestimmt, daß die GmbH die laufenden Geschäfte der Firma H. H. -/Tiefbau fortführe, in deren Verträge eintrete und deren sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten übernehme. Am 10. März 1996 stellte der Beklagte den Antrag, über das Vermögen der Firma H. H. -/Tiefbau den Konkurs zu eröffnen. Am 29. November 1996 wurde über das Vermögen der H. Bau GmbH auf Antrag eines Drittgläubigers der Konkurs eröffnet; der (GmbH-) Konkursverwalter verwertete das der GmbH von der Firma H. H. -/Tiefbau übertragene Inventar (Maschinenpark sowie Arbeitsund Baumaterial), dessen Wert die Klägerin mit 850.000 DM beziffert. A. H. verstarb am 19. April 1997 und wurde von der Klägerin und G. H. beerbt, der seinen Erbteil im Juni 1997 auf die Klägerin übertrug. Mit der Klage macht die Klägerin einen Teilbetrag des behaupteten Inventarwertes als Schadensersatz geltend. Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revisi-
on der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Beklagte mit dem Abschluß des Vertrags vom 4. Dezember 1995 seine Pflichten als Betreuer der Frau A. H. nicht verletzt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätten gegen die Firma H. H. -/ Tiefbau erhebliche Verbindlichkeiten bestanden, die der Beklagte am 1. Dezember 1995 gegenüber dem Vormundschaftsgericht mit 2.066.196,54 DM angegeben habe und deren genaue Höhe offenbleiben könne. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte über das Bestehen etwaiger Ansprüche der Baufirma gegen Dritte, wie sie von der Klägerin - wenn auch ohne nähere Substantiierung - behauptet und mit 2.496.986,61 DM beziffert würden, informiert gewesen sei. Der Beklagte habe bei Abschluß des Übergabevertrages damit rechnen müssen, daß den Verbindlichkeiten der Firma H. H. -/Tiefbau keine ausreichenden werthaltigen Forderungen gegenübergestanden hätten und das zu übertragende bewegliche Inventar den wesentlichen Vermögensgegenstand ausgemacht hätte. Deshalb sei der Beklagte keinesfalls gehalten gewesen, einen Eigentumsvorbehalt oder Sicherungseigentum zu vereinbaren: Abgesehen davon, daß sich sein Vertragspartner hierauf wohl kaum eingelassen hätte, hätte der Rückbehalt des Eigentums an diesen Ge-
genständen lediglich den Übergang der Verbindlichkeiten der Baufirma auf die GmbH bedeutet. Der Vertragsschluß wäre dann aber wegen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig gewesen und hätte den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung von Gläubigern der GmbH gemäß § 826 BGB begründet. In diesem Fall hätte die GmbH nämlich - jedenfalls nach dem Kenntnisstand des Beklagten - über keine nennenswerten Vermögensgegenstände verfügt, die dem Zugriff von Gläubigern zugänglich gewesen wären. Ein Vertrag jedoch, durch den der Schuldner (hier die GmbH) sein letztes zur Gläubigerbefriedigung taugliches Vermögen einem bestimmten Gläubiger (hier der Betreuten) übertrage, sei regelmäßig sittenwidrig, wenn dadurch gegenwärtige oder künftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht würden und beide Vertragspartner bei dieser Täuschung zusammengewirkt hätten. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Unrichtig ist bereits die Annahme, die GmbH als Schuldnerin habe durch den Vertrag vom 4. Dezember 1995 ihr "letztes zur Gläubigerbefriedigung taugliches Vermögen einem bestimmten Gläubiger (hier die Betreute) übertragen". Zum einen hat das Oberlandesgericht zur Vermögenslage der GmbH im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Feststellungen getroffen. Zum andern hat nicht die GmbH Vermögen auf die Betreute, sondern - gerade umgekehrt - die Betreute, gesetzlich vertreten durch den Beklagten, Vermögen auf die GmbH übertragen. Rechtsirrig ist auch die Auffassung, ein Rückbehalt des Eigentums am Inventar der Firma H. H. -/Tiefbau hätte, wäre er im Vertrag vom 4. Dezember 1995 vereinbart worden, aus der Tatsachensicht des Beklagten "lediglich den Übergang der Verbindlichkeiten der Baufirma auf die GmbH bedeutet"
und - mit den Rechtsfolgen der §§ 138, 826 - den Vorwurf der Gläubigerbe- nachteiligung begründet. Dieser Auffassung liegt offenbar die Annahme zugrunde, daß bereits mit dem Vertrag vom 4. Dezember 1995 die Verbindlichkeiten der Firma H. H. -/Tiefbau auf die H. Bau GmbH übergegangen seien und - insoweit folgerichtig - ein Verbleib des Aktivvermögens bei der Betreuten deren Gläubiger um die Möglichkeit des Zugriffs auf dieses Vermögen gebracht hätte. Auch diese Annahme ist jedoch nicht richtig. Eine Übernahme der Verbindlichkeiten der Firma H. H. -/Tiefbau durch die H. Bau GmbH hätte, worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat, nach § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB einer Genehmigung der Gläubiger dieser Verbindlichkeiten bedurft. Eine solche Genehmigung ist nicht festgestellt; sie hätte, wäre sie erteilt worden, wohl auch den späteren Antrag des Beklagten, über das Vermögen der Firma H. H. -/Tiefbau den Konkurs zu eröffnen, erübrigt. Die einen etwaigen Schadensersatzanspruch nach § 1908i i.V. mit § 1833 BGB begründende Pflichtverletzung des Beklagten liegt - was das Oberlandesgericht verkennt - gerade darin, daß der Beklagte mit dem Vertrag vom 4. Dezember 1995 das Aktivvermögen des Baugeschäfts der von ihm betreuten A. H. auf die GmbH übertragen hat, ohne sicherzustellen, daß durch eine geeignete rechtliche Verknüpfung mit der Übertragung von Inventar der Firma H. H. -/Tiefbau auf die H. Bau GmbH eine wirksame - d.h.: von der Genehmigung des jeweiligen Gläubigers gedeckte - Übernahme von Verbindlichkeiten der Firma H. H. -/Tiefbau durch die H. Bau GmbH einhergeht. Da der Beklagte mit der H. Bau GmbH eine solche Vereinbarung nicht getroffen hat, beschränkte sich deren Gegenleistung für die Übertragung des Inventars durch die Firma H. H. -/Tiefbau auf die bloße - ungesicher te - Verpflichtung, ihrerseits die Firma H. H. -/Tiefbau von deren Verpflichtungen gegenüber deren Gläubigern freizustellen. Die mit dem Konkurs der H. Bau GmbH eingetretene mangelnde Realisierbarkeit dieser Verpflich-
tung begründet einen - vorhersehbaren - Schaden, für den der Beklagte nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 1833 BGB einzustehen hat. Eine etwaige Schadensersatzverpflichtung des Beklagten wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Vormundschaftsgericht den Vertrag vom 4. Dezember 1995 genehmigt hat (vgl. BGH Urteile vom 15. Januar 1964 - IV ZR 106/63 - FamRZ 1964,199 und vom 5. Mai 1983 - III ZR 57/82 - FamRZ 1983, 1220); denn Vormundschaftsgericht und Betreuer haben, wie auch § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB verdeutlicht, jeweils eine selbständige Prüfungspflicht. Zwar kann der Vormund durch eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ausnahmsweise vom Vorwurf pflichtwidrig schuldhaften Verhaltens entlastet werden - so etwa dann, wenn es bei der Genehmigung im wesentlichen um Rechtsfragen geht, dem Vormundschaftsgericht alle für deren Beantwortung maßgebenden Tatsachen bekannt sind und der Betreuer, zumal wenn er juristisch nicht vorgebildet ist, deshalb davon ausgehen darf, beim Abschluß des genehmigten Rechtsgeschäfts pflichtgemäß zu handeln (Palandt/Diederichsen BGB 62. Aufl. § 1833 Rdn. 6; MünchKomm/Wagenitz BGB 4. Aufl. § 1833 Rdn. 10). So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Der Maßstab der von einem Betreuer zu verlangenden Sorgfalt bestimmt sich nach dem Lebenskreis sowie nach der Rechts- und Geschäftserfahrung des Betreuers (für den Vormund: BGH Urteil vom 15. Januar 1964 aaO; Palandt/Diederichsen aaO Rdn. 8; MünchKomm/Wagenitz aaO Rdn. 4). Der Beklagte war gerade im Hinblick auf seine Fachkunde als Anwalt zum Betreuer bestellt worden. Von einem Anwalt als Betreuer kann erwartet werden, daß er sich - erforderlichenfalls unter Zuhilfenahme von Fachliteratur - über die rechtlichen Risiken eines von ihm abzuschließenden Geschäfts vergewissert und im Interesse des Betreuten Vorkehrungen trifft, um erkennbare Risiken auszuschließen oder zu vermindern. Das
gilt namentlich dann, wenn diese Risiken - wie hier - auf der Hand liegen. Die Frage, ob im vorliegenden Fall auch das Vormundschaftsgericht nach dem ihm mitgeteilten Sachverhalt diese Risiken und Abhilfemöglichkeiten erkennen mußte, kann offenbleiben; auch wenn diese Frage zu bejahen wäre, würde dies den Beklagten nicht der Verpflichtung entheben, die von ihm als anwaltlichem Betreuer geschuldete Sorgfalt zu beobachten. Einem Schadensersatzanspruch steht auch eine etwaige, bereits bei Vertragsschluß bestehende Überschuldung der Firma H. H. -/Tiefbau nicht entgegen. Das Oberlandesgericht meint zwar, daß eine solche Überschuldung "offensichtlich" auch tatsächlich vorhanden gewesen sei. Festgestellt hat es eine Überschuldung der Firma H. H. -/Tiefbau zu diesem Zeitpunkt damit jedoch noch nicht, weil es - wie aus den vorausgehenden Erörterungen in den Urteilsgründen folgt - zum einen das Vorhandensein von realisierbaren "etwaigen Ansprüchen" der Baufirma gegen Dritte nicht ausgeschlossen hat, zum anderen auch die Höhe der Verbindlichkeiten der Baufirma hat dahinstehen lassen. Das Berufungsurteil beschränkt sich insoweit vielmehr auf die Feststellung, daß der Beklagte nach seinem damaligen Kenntnisstand mit einer solchen Überschuldung rechnen mußte. Im übrigen würde auch eine bereits bestehende Überschuldung den Eintritt eines Schadens, der durch die Weggabe von Aktiva ohne entsprechenden Gegenwert bewirkt wird und im Anstieg des NegativSaldos begründet läge, nicht hindern (OLG Saarbrücken ZIP 2002, 130, 131; vgl. auch BGHZ 59, 148, 150 und 100, 190, 199). 3. Nach allem kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, weil das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu dem Schaden getroffen hat, welcher der A. H. aus der Pflichtverletzung
des Beklagten entstanden ist. Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Der Beklagte hat geltend gemacht, daß ihm die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts im Vertrag vom 4. Dezember 1995 nicht möglich gewesen sei, weil ein solcher Eigentumsvorbehalt auf die einzelnen beweglichen Wirtschaftsgüter hätte bezogen werden müssen, er - der Beklagte - jedoch keine Kenntnis davon erlangt habe, welche Gegenstände im einzelnen der Firma H. H. -/Tiefbau gehörten. Auch dieser Vortrag könnte, würde er hinsichtlich der vom Beklagten behaupteten Unkenntnis unstreitig gestellt oder bewiesen, eine Schadensersatzpflicht des Beklagten aus zwei Gründen nicht hindern: Zum einen nicht, weil der Beklagte den Vertrag vom 4. Dezember 1995 mit G. H. als Geschäftsführer der neu gegründeten H. Bau GmbH geschlossen hat, G. H. - nach dem eigenen Vortrag des Beklagten - aber das Baugeschäft seiner Mutter A. H. tatsächlich allein geleitet hat und, wie zu folgern ist, deshalb auch in der Lage gewesen wäre, die der Firma H. H. -/Tiefbau gehörenden Vermögensgegenstände, die nach dem beiderseitigen Vertragswillen auf die von ihm vertretene H. Bau GmbH übereignet werden sollten, im gemeinsamen Vertrag mit der vom Beklagten für notwendig erachteten Bestimmtheit zu bezeichnen; zum andern nicht, weil etwaige Zweifel an der Bestimmtheit der dinglichen Erklärungen im Vertrag vom 4. Dezember 1995 geeignet wären, nicht nur die Wirksamkeit eines auf das Inventar bezogenen Eigentumsvorbehalts , sondern auch die erfolgte Übertragung des Eigentums an dem Inventar von der Firma H. H. -/Tiefbau auf die H. Bau GmbH in Frage zu stellen. Wäre aber schon die Übertragung des Inventars der Firma H. H. -/Tiefbau auf die H. Bau GmbH unwirksam, hätte der Beklagte nicht deren Inbesitznahme durch die GmbH, erst recht nicht deren Inanspruchnahme durch den später über das Vermögen der H. Bau GmbH eingesetzten Konkursverwalter
widerspruchslos hinnehmen können, ohne - mit der Rechtsfolge des § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 1833 BGB - seine Pflichten als Betreuer zu verletzen.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

(1)1Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind

1.
Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen.2Dazu gehören auch Einkünfte aus gewerblicher Bodenbewirtschaftung, z. B. aus Bergbauunternehmen und aus Betrieben zur Gewinnung von Torf, Steinen und Erden, soweit sie nicht land- oder forstwirtschaftliche Nebenbetriebe sind;
2.
die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat.2Der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte Gesellschafter steht dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleich; er ist als Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen, an der er mittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine Beteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der Personengesellschaften anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind;
3.
die Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit sie nicht auf Anteile am Grundkapital entfallen, und die Vergütungen, die der persönlich haftende Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat.
2Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt auch für Vergütungen, die als nachträgliche Einkünfte (§ 24 Nummer 2) bezogen werden.3§ 13 Absatz 5 gilt entsprechend, sofern das Grundstück im Veranlagungszeitraum 1986 zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehört hat.

(1a)1In den Fällen des § 4 Absatz 1 Satz 5 ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der gleichen Art und Weise zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile an der Europäischen Gesellschaft oder Europäischen Genossenschaft zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte.2Dies gilt auch, wenn später die Anteile verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt werden, die Europäische Gesellschaft oder Europäische Genossenschaft aufgelöst wird oder wenn ihr Kapital herabgesetzt und zurückgezahlt wird oder wenn Beträge aus dem steuerlichen Einlagenkonto im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes ausgeschüttet oder zurückgezahlt werden.

(2)1Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.2Eine durch die Betätigung verursachte Minderung der Steuern vom Einkommen ist kein Gewinn im Sinne des Satzes 1.3Ein Gewerbebetrieb liegt, wenn seine Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind, auch dann vor, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist.

(3) Als Gewerbebetrieb gilt in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit

1.
einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bezieht.2Dies gilt unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ein Gewinn oder Verlust erzielt wird oder ob die gewerblichen Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 positiv oder negativ sind;
2.
einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft).2Ist eine gewerblich geprägte Personengesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter an einer anderen Personengesellschaft beteiligt, so steht für die Beurteilung, ob die Tätigkeit dieser Personengesellschaft als Gewerbebetrieb gilt, die gewerblich geprägte Personengesellschaft einer Kapitalgesellschaft gleich.

(4)1Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung dürfen weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden.2Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d die Gewinne, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Wirtschaftsjahren aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung erzielt hat oder erzielt; § 10d Absatz 4 gilt entsprechend.3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Verluste aus Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt.4Satz 3 gilt nicht für die Geschäfte, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen oder bei Wertpapierinstituten im Sinne des Wertpapierinstitutsgesetzes gehören oder die der Absicherung von Geschäften des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs dienen.5Satz 4 gilt nicht, wenn es sich um Geschäfte handelt, die der Absicherung von Aktiengeschäften dienen, bei denen der Veräußerungsgewinn nach § 3 Nummer 40 Satz 1 Buchstabe a und b in Verbindung mit § 3c Absatz 2 teilweise steuerfrei ist, oder die nach § 8b Absatz 2 des Körperschaftsteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben.6Verluste aus stillen Gesellschaften, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaften, bei denen der Gesellschafter oder Beteiligte als Mitunternehmer anzusehen ist, dürfen weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden.7Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d die Gewinne, die der Gesellschafter oder Beteiligte in dem unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahr oder in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben stillen Gesellschaft, Unterbeteiligung oder sonstigen Innengesellschaft bezieht; § 10d Absatz 4 gilt entsprechend.8Die Sätze 6 und 7 gelten nicht, soweit der Verlust auf eine natürliche Person als unmittelbar oder mittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 420/99 Verkündet am:
12. Januar 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
ZPO § 286 B; WertV 1988
Die Wertermittlungsverordnung 1988 enthält allgemein anerkannte Grundsätze für
die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken; ihre Anwendbarkeit ist nicht auf
die Wertermittlung durch Gutachterausschüsse (§§ 192, 193 BauGB) beschränkt.
BGH, Urt. v. 12. Januar 2001 - V ZR 420/99 - OLG Naumburg
LG Stendal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. Oktober 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Mutter der Klägerin war Miteigentümerin zu 1/2 der im Zentrum der beklagten Gemeinde liegenden Flurstücke und . Ihr Eigentumsanteil ging aufgrund der Verordnung vom 17. Februar 1952 in Volkseigentum über, nachdem sie am 8. Juni 1953 das Gebiet der DDR ohne Beachtung der polizeilichen Meldevorschriften verlassen hatte. Sie stellte am 9. Juli 1990 einen Rückübertragungsantrag nach §§ 3, 30 VermG. Mit Bescheid vom 9. Juni 1992 ordnete die Oberfinanzdirektion M. der Beklagten, die bereits als Eigentümerin des Flurstücks im Grundbuch eingetragen war, das Flurstück zu. Am 8. Juni 1994 erließ die Beklagte einen Investitionsvorrangbescheid,
in welchem für die beiden Flurstücke ein besonderer Investitionszweck festgestellt wurde, weil auf ihnen zwei Verkaufseinrichtungen und sechs Wohnungen errichtet werden sollten. Die Beklagte verkaufte beide Flurstücke am 30. Juni 1994 für 200.000 DM an einen Herrn N. .
Die Mutter der Klägerin starb am 21. November 1994; die Klägerin ist Alleinerbin.
Mit Teilbescheid des A. kreises S. v om 17. Januar 1996 wurde der Antrag der Klägerin auf Übertragung von Miteigentum an den Flurstücken und abgelehnt. Zugleich wurde ihre Berechtigung nach § 2 VermG und die Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung der Hälfte des Veräußerungserlöses an die Klägerin festgestellt. Diesen Betrag abzüglich eines Hypothekenablösungsbetrages von 1.250 DM bezahlte die Beklagte an die Klägerin.
Mit der Behauptung, die Flurstücke seien wesentlich mehr wert gewesen , es habe zahlreiche Kaufinteressenten gegeben, die weit mehr als 200.000 DM gezahlt hätten, verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung weiterer 100.000 DM. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht hält die Klage nach § 16 Abs. 1 Satz 1 und 3 InVorG für begründet. Es nimmt als Verkehrswert der beiden Flurstücke im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (Juni 1994) einen Betrag von 406.410 DM an. Zu diesem Wert gelangt es aufgrund eines vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens, in dem ein Sachwert von 505.000 DM und ein Ertragswert von 119.000 DM ermittelt wurde. Das Berufungsgericht schätzt den Verkehrswert auf der Grundlage von 20 % des Ertragswerts und 80 % des Sachwerts abzüglich eines im Hinblick auf die damalige Marktlage vorzunehmenden Abschlags von 5 %. Die Miteigentumsanteile bewertet es mit der Hälfte des Verkehrswerts.

II.


Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß die Klägerin gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch nach § 16 Abs. 1 Satz 1 und 3 InVorG hat. Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, dessen Übertragungsanspruch durch den Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids entfallen ist. Das war hier die Mutter der Klägerin, in deren Rechtsposition sie als Alleinerbin eingetreten ist.
2. Mit Erfolg rügt die Revision jedoch die Ermittlung des Verkehrswerts der Miteigentumsanteile. Das vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten , auf das sich das Berufungsgericht stützt, beruht nämlich auf falschen Erwägungen.

a) Zutreffend wendet die Sachverständige allerdings die Vorschriften der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken vom 6. Dezember 1988 (WertV 88, BGBl. I S. 2209) an. Sie gelten nicht nur bei Wertermittlungen in Durchführung des Baugesetzbuches, sondern enthalten für nahezu alle Bereiche anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken (Kleiber/Simon/Weyers, WertV 88, 3. Aufl., § 1 Rdn. 4). Ob sie deswegen auch für alle Sachverständigen verbindlich sind (so Zimmermann, in: Lambert-Lang/Tropf/Frenz, Handbuch der Grundstückspraxis, Anh. II, Rdn. 141), braucht hier nicht entschieden zu werden; denn die Anwendbarkeit der WertV 88 ist jedenfalls nicht auf die Wertermittlung durch Gutachterausschüsse (§§ 192, 193 BauGB) beschränkt (vgl. Senatsurt. v. 17. Mai 1991, V ZR 104/90, NJW 1991, 2698).

b) Zu Unrecht wirft die Revision dem Berufungsgericht auch vor, es habe nicht erkannt, daß der Verkehrswert eines Miteigentumsanteils im allgemeinen geringer sei als der entsprechende Bruchteil des Verkehrswerts des Grundstücks. Zwar ist es denkbar, daß ein rechtlich für sich verkäuflicher Bruchteilsanteil am Eigentum tatsächlich nur schwer zu verkaufen ist, weil der Miteigentümer in seiner Verfügungsmacht über das Grundstück erheblich eingeschränkt und der Kreis möglicher Käufer für solche Miteigentumsanteile sehr begrenzt ist (vgl. VGH München, GuG 1992, 29, 32). Ob aber bereits deswegen generell ein Abschlag von dem rechnerischen Anteil an dem Verkehrswert
des gesamten Grundstücks gerechtfertigt ist, kann hier offen bleiben; denn es wurden nicht etwa Miteigentumsanteile, sondern die gesamten Grundstücke veräußert. In diesem Fall haben die Anteile denselben Wert, wie er dem entsprechenden rechnerischen Bruchteil an dem Verkehrswert der Grundstücke entspricht.

c) Unbegründet ist die Rüge der Revision, die Sachverständige stütze sich bei der Wertermittlung ausschließlich auf das Sachwertverfahren. Denn die Sachverständige hat auch den Ertragswert der Grundstücke ermittelt.
Das Sachwertverfahren bietet sich grundsätzlich zur Wertermittlung von eigengenutzten bebauten Grundstücken an (vgl. BGH, Beschl. v. 11. März 1993, III ZR 24/92, BGHR BauGB § 194 Wertermittlung 4; Urt. v. 6. April 1995, III ZR 27/94, NJW-RR 1995, 911, 913). Das Ertragswertverfahren ist demgegenüber bei der Bewertung von bebauten Grundstücken, die auf laufende Erträge ausgerichtet sind, angebracht (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 1970, VII ZR 189/68, NJW 1970, 2018; Urt. v. 6. April 1995, aaO; Senatsurt. v. 25. Oktober 1996, V ZR 212/95, NJW 1997, 129). Welcher der beiden Methoden der Tatrichter den Vorzug gibt, liegt in seinem Ermessen (Senatsurt. v. 25. Oktober 1996, aaO). Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das gewählte Verfahren nach den Besonderheiten des konkreten Falles geeignet ist, den vollen Gegenwert für den zu bewertenden Gegenstand zu erfassen, ohne das Wertbild zu verzerren (vgl. BGH, Urt. v. 6. April 1995, aaO, 912). Danach ist es hier nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Verkehrswert nicht ausschließlich nach dem Sachwert, sondern zusätzlich auch nach dem Ertragswert ermittelt hat. Die Gewichtung der auf die Ergebnisse der Methoden entfallenden Anteile hält sich im Rahmen des dem Tatrichter durch § 287 ZPO
gewährten Beurteilungsspielraums (vgl. BGH, Beschl. v. 11. März 1993, aaO). Deswegen kommt es auf die weiteren Angriffe der Revision gegen die Anwendung des Sachwertverfahrens nicht an.

d) Zu Unrecht wirft die Revision schließlich der Sachverständigen eine fehlerhafte Ermittlung des Gebäudewerts vor. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WertV sind zur Ermittlung des Herstellungswerts der Gebäude die gewöhnlichen Herstellungskosten je Raum- oder Flächeneinheit mit der Anzahl der entsprechenden Raum-, Flächen- oder sonstigen Bezugseinheiten der Gebäude zu vervielfachen. Dabei kommen als Raum- oder Flächeninhalt u.a. der umbaute Raum nach DIN 277/1950 oder der Rauminhalt bzw. die Bruttogrundfläche nach DIN 277/1973/1987 in Betracht. Der umbaute Raum nach DIN 277/1950 ist auch nach der II. BV maßgebend; die Berechnung des Rauminhalts nach der DIN 277/1973/1987 hat demgegenüber bislang keine Bedeutung erlangt (Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 3. Aufl., § 22 WertV, Rd. 9). Da es dem Sachverständigen grundsätzlich freisteht, auf welche Weise er den Herstellungswert ermittelt (Kleiber/Simon/Weyers, aaO, § 22 WertV, Rdn. 10), war die Gutachterin nicht gehalten, ihren Berechnungen die DIN 277/1987 zugrunde zu legen.

e) Das Berufungsurteil hat jedoch deswegen keinen Bestand, weil die Sachverständige die Besonderheiten des Grundstücksmarkts in der beklagten Gemeinde nicht berücksichtigt hat. Wie aus den Ausführungen im letzten Absatz auf S. 18 des Gutachtens hervorgeht, war sie sich zwar bewußt, daß der Sachwert durch die allgemeine Immobilienlage nach oben oder unten korrigiert werden kann. Ausführungen zur konkreten Marktsituation enthält das Gutachten allerdings nicht. Sie sind aber deswegen erforderlich, weil nach § 7 Abs. 1
Satz 2 WertV die Lage auf dem Grundstücksmarkt zu berücksichtigen ist. Auch enthält der Prozeßvortrag der Beklagten durchaus Anhaltspunkte, die eine Auseinandersetzung mit der konkreten Grundstücksmarktsituation erforderten. Danach wurden die Grundstücke im Wege der öffentlichen Ausschreibung angeboten , ohne daß sich ein Interessent gefunden hätte, der mehr als 200.000 DM bezahlen wollte. Läßt sich aber ein ermittelter Verkehrswert trotz geschäftsüblicher Veräußerungsanstrengungen als Kaufpreis nicht realisieren, kann dies als deutlicher Hinweis auf eine nicht marktgerechte Verkehrswertermittlung verstanden werden (Kleiber/Simon/Weyers, aaO, II Rdn. 19). Daß die Sachverständige dieses Problem nicht erkannt hat, ergibt sich aus ihrer Anhörung vor dem Landgericht; dort unterschied sie zwischen Verkehrswert und Marktwert und meinte, ein Gebäude könne einen hohen Verkehrswert haben, aber völlig unverkäuflich sein. Dies läßt § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV außer acht.

f) Im übrigen läßt sich dem Gutachten nicht sicher entnehmen, ob die Sachverständige bei ihrer Wertermittlung berücksichtigt hat, daß eines der Gebäude unter Denkmalschutz stand. Zwar ist auf Seite 15 bei der Beschreibung eines Nebengebäudes vermerkt "Saalanbau denkmalgeschützt". Aber wie sich dieser Umstand (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 WertV), der entsprechend der Vorgabe des § 194 BauGB bei der Verkehrswertermittlung berücksichtigt werden muß, weil die Denkmaleigenschaft den Verkehrswert des Grundstücks beeinflußt (vgl. Kleiber/Simon/Weyers, aaO, VI Rdn. 137), auf die Wertermittlung ausgewirkt hat, ist nicht erkennbar.

g) Mit Erfolg rügt die Revision auch, daß das Berufungsgericht ohne Darlegung eigener Sachkunde einen Abschlag von 5 % aufgrund der Besonderheiten der Marktlage in den neuen Bundesländern vornimmt. Damit weicht
es von Wertungen der Sachverständigen ab, ohne die für seine eigene Wertung erforderlichen Kenntnisse aufzuzeigen. Fehlen sie, hätten seine Ausführungen nur nach entsprechender Beratung durch Sachverständige erfolgen können (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1997, VI ZR 86/96, NJW 1997, 1446).

III.


Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es erhält damit Gelegenheit, ein weiteres Gutachten einzuholen oder wenigstens eine Ergänzung des vorliegenden Gutachtens anzuordnen (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 1994, IV ZR 126/93, NJWRR 1994, 1112; Urt. v. 29. November 1995, VIII ZR 278/94, NJW 1996, 730, 731).
Wenzel Tropf Krüger Lemke Gaier

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.

(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.

Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 169/99
vom
25. Juni 2003
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FGG § 67
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG kann von dem
Betroffenen nicht angefochten werden.
BGH, Beschluß vom 25. Juni 2003 - XII ZB 169/99 - LG Aachen
AG Aachen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2003 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Gerber, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 30. Dezember 1998 wird zurückgewiesen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

Auf Anregung des Oberbürgermeisters der Stadt A., der mitgeteilt hat, die Betroffene leide an einem hirnorganischen Psychosyndrom und könne ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln, hat das Amtsgericht A. in einem Verfahren auf Einleitung einer Betreuung durch Beschluß vom 6. November 1998 den Beteiligten zu 1 gemäß § 67 FGG für das Betreuungsverfahren zum Verfahrenspfleger der Betroffenen bestellt. Die Beschwerde der Betroffenen gegen diesen Beschluß hat das Landgericht A. durch den angefochtenen Beschluß als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Betroffene sei nicht anfechtungsberechtigt. Gegen den Beschluß des Landgerichts hat die Betroffene weitere Beschwerde eingelegt.
Der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat durch Beschluß vom 5. März 1999 (veröffentlicht FamRZ 2000, 492) die Sache gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Das Oberlandesgericht ist unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (FGPrax 1995, 112) der Ansicht, die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG könne von dem Betroffenen mit der Beschwerde angefochten werden. Es möchte deshalb die Entscheidung des Landgerichts aufheben und die Sache zur weiteren Behandlung an das Landgericht zurückverweisen, sieht sich daran aber gehindert durch Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (z.B. des OLG Hamm, FGPrax 1996, 221 f.) und des Bayrischen Obersten Landesgerichts (BayObLGZ 1993, 157-159 = FamRZ 1993,1106), nach denen eine solche Beschwerde unzulässig ist.

II.

1. Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 FGG zulässig. Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß das vorlegende Oberlandesgericht Köln zu einer anderen als der von ihm beabsichtigten Entscheidung gelangen würde, wenn es sich der abweichenden Ansicht des Bayerischen Obersten Landesgerichts und anderer Oberlandesgerichte anschließen würde, und daß es nach seiner Ansicht für die zu treffende Entscheidung des vorliegenden Falls auf die streitige Rechtsfrage ankommt. An diese Beurteilung ist der Senat - soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Frage steht - gebunden (Senatsbeschluß BGHZ 121, 305, 308). Gemäß § 28 Abs. 3 FGG hat der Senat über die weitere Beschwerde der Betroffenen zu entscheiden.
2. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29 FGG zulässig. Die Berechtigung der Betroffenen, weitere Beschwerde einzulegen, folgt aus der Verwerfung ihrer Erstbeschwerde (Senatsbeschluß vom 25. August 1999 - XII ZB 109/98 - FamRZ 2000, 219 f. m.N.). Die weitere Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat die Erstbeschwerde zu Recht mangels Beschwerdeberechtigung als unzulässig verworfen. 3. Die Oberlandesgerichte (einschließlich des vorlegenden Oberlandesgerichts Köln FGPrax aaO) haben bisher übereinstimmend die Ansicht vertreten , die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG sei für den Betroffenen nicht anfechtbar. Sie stelle keine den Rechtszug abschließende Entscheidung dar und solle lediglich den Fortgang des Verfahrens fördern. Solche vorbereitende Zwischenentscheidungen seien grundsätzlich unanfechtbar (BayObLGZ aaO; BayObLG, DtPrax 1995, 27 f.; KG, FGPrax 1995, 155; OLG Hamm aaO; ebenso Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Aufl. § 67 Rdn. 18 m.w.N.). In der Literatur wird dagegen vereinzelt eine Anfechtbarkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG bejaht (Zimmermann, FamRZ 1994, 286 f.; Bassenge/Herbst/Roth, FGG 9. Aufl. § 67 Rdn. 12; Bumiller/ Winkler, FGG 7. Aufl. § 67 Rdn. 9). Das vorlegende Oberlandesgericht Köln will sich diesen Literaturstimmen anschließen. Es führt aus, es sei zwar richtig, daß eine die Instanz nicht abschließende Zwischenentscheidung regelmäßig nicht anfechtbar sei. Von diesem Grundsatz werde aber eine Ausnahme gemacht, wenn die Maßnahme so in die Rechte des Betroffenen eingreife, daß die selbständige Anfechtbarkeit nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 GG) geboten sei. Eine Pflegerbestellung nach § 67 FGG bedeute eine solche schwerwiegende
Beeinträchtigung des Betroffenen. Der Pfleger sei an dem Verfahren zu beteiligen und habe Anspruch auf rechtliches Gehör. Damit erhalte er auch Kenntnis von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen und auch von dem Inhalt eines etwa eingeholten Sachverständigengutachtens. Eine andere Beurteilung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Bestellung eines Verfahrenspflegers Voraussetzung für den Erlaß von Eilmaßnahmen sein und die Zulassung der Anfechtung der Verfahrenspflegerbestellung solche Eilmaßnahmen unvertretbar verzögern könne. Die Bestellung des Verfahrenspflegers werde unabhängig von einer etwaigen Anfechtbarkeit mit der Mitteilung an den Verfahrenspfleger wirksam (§ 16 Abs. 1 FGG). Eine Beschwerde hiergegen habe keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1 FGG). Probleme, die sich im Falle einer Anfechtung der Verfahrenspflegerbestellung z.B. wegen der dadurch bedingten Aktenversendung an die Rechtsmittelinstanz ergeben könnten, seien unschwer durch das Anlegen einer Kopie der Akte auszuräumen. 4. Das vorlegende Oberlandesgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, daß es sich bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG um eine den Rechtszug nicht - auch nicht teilweise - abschließende Zwischenentscheidung handelt. Zutreffend ist auch, daß solche Zwischenentscheidungen grundsätzlich unanfechtbar sind und mit der Beschwerde nur ausnahmsweise angefochten werden können, wenn sie in so einschneidender Weise in die Rechte des Betroffenen eingreifen, daß ihre selbständige Anfechtbarkeit unbedingt geboten ist (vgl. BayObLG, DtPrax aaO; Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, aaO § 19 Rdn. 9, jeweils m.N.). Zu Unrecht geht das vorlegende Oberlandesgericht aber davon aus, daß die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG mit einem derart schweren Eingriff in die Rechtssphäre des von dem Be-
treuungsverfahren Betroffenen verbunden ist und daß deshalb gegen die Bestellung eine Beschwerde ausnahmsweise zugelassen werden muß.
a) In einem Betreuungsverfahren ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig (§ 66 FGG). Seine Möglichkeiten, sich an dem Betreuungsverfahren zu beteiligen, werden durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG (anders als bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers für eine Partei eines Zivilprozesses, § 53 ZPO) in keiner Weise eingeschränkt. Der Verfahrenspfleger wird lediglich neben dem Betroffenen tätig und hat dessen Interessen nach objektiven Maßstäben wahrzunehmen (Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 67 Rdn. 15). Geben der Betroffene und der Verfahrenspfleger in derselben Instanz sich widersprechende Erklärungen ab, hat das Gericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht allen Anregungen - auch denen des Betroffenen - nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen nachzugehen; ein von dem Betroffenen selbst eingelegtes Rechtsmittel kann der Verfahrenspfleger nur mit Zustimmung des Betroffenen zurücknehmen (Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler aaO § 66 Rdn. 5 m.N.). Der Verfahrenspfleger wird mithin dem Betroffenen nur zur Seite gestellt, damit dessen objektive Interessen auch dann geltend gemacht werden können, wenn er sie nicht selbst wahrnimmt. Das wird auch dadurch deutlich, daß nach § 67 Abs. 1 FGG die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn der Betroffene in der Instanz einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen betraut. Ein erheblicher Eingriff in die persönliche Sphäre des Betroffenen erfolgt schon durch die - unanfechtbare - Einleitung eines Betreuungsverfahrens. Daß ihm, wenn er keinen Rechtsanwalt bestellt hat, nach Einleitung dieses Betreu-
ungsverfahrens ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt wird, ist dann nicht mehr mit einem erheblichen Eingriff in seine Rechte verbunden.
b) Das Oberlandesgericht führt zur Begründung für seine gegenteilige Ansicht an, der Pfleger erhalte durch seine Beteiligung an dem Betreuungsverfahren Einblick in die Verhältnisse des Betroffenen. Dieser Hinweis ist als Argument für die ausnahmsweise Zulassung einer Beschwerde des Betroffenen schon deshalb nicht geeignet, weil die Zulassung einer Beschwerde gegen die Bestellung des Verfahrenspflegers nicht wirksam verhindern könnte, daß dieser Einblick in die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen erhält. Wie das vorlegende Oberlandesgericht an anderer Stelle zutreffend ausführt, hätte eine Beschwerde gegen die Pflegerbestellung nämlich keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1 FGG). Auch wenn eine solche Beschwerde zulässig wäre, müßte der Pfleger unmittelbar nach seiner Bestellung tätig werden und diese Tätigkeit fortsetzen, bis seine Bestellung auf die Beschwerde hin aufgehoben worden wäre. In dieser Zeit hätte er bereits den Einblick in die Verhältnisse des Betroffenen erhalten. Im übrigen kann der Umstand, daß der vom Gericht zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen eingesetzte Verfahrenspfleger - neben den anderen am Verfahren Beteiligten - Kenntnis von den Einzelheiten des Verfahrens erhält, nicht als so schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Betroffenen angesehen werden, daß deshalb ausnahmsweise ein Rechtsmittel gegen die an sich unanfechtbare Zwischenentscheidung zugelassen werden müßte.
c) Gegen die ausnahmsweise Zulassung einer Beschwerde gegen die Pflegerbestellung spricht auch, wie das Bayerische Oberste Landesgericht (DtPrax aaO) zutreffend ausgeführt hat, daß der Gesetzgeber andere vom Gericht im Rahmen eines Betreuungsverfahrens getroffene Maßnahmen, die we-
sentlich einschneidender in die persönliche Sphäre des Betroffenen eingreifen, ausdrücklich für unanfechtbar erklärt hat. Das gilt für eine Vorführung des Betroffenen gegen seinen Willen zur Untersuchung (§ 68 b Abs. 3 FGG) und für die zwangsweise Vorführung zur Unterbringung, um den Betroffenen zur Vorbereitung eines Gutachtens beobachten zu können (§ 68 b Abs. 4 FGG).
d) Auch der Annahme des vorlegenden Oberlandesgerichts, die Zulassung der Beschwerde könne keinen nachteiligen Einfluß auf die Durchführung des Betreuungsverfahrens haben, kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß das Betreuungsverfahren auch nach Einlegung der Beschwerde fortgeführt und daß notwendig werdende Eilmaßnahmen angeordnet werden könnten, weil die Beschwerde - wie dargelegt - keine aufschiebende Wirkung hätte. In nicht seltenen Fällen ist die zügige und energische Mitarbeit des Verfahrenspflegers aber von erheblicher Bedeutung für die Durchführung des Betreuungsverfahrens in angemessener Zeit. Ein Verfahrenspfleger, der weiß, daß gegen seine Bestellung von dem Betroffenen eine zulässige Beschwerde eingelegt worden ist und der nicht weiß, ob seine Bestellung auf diese Beschwerde hin demnächst aufgehoben werden wird, wird sich erfahrungsgemäß bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts eher abwartend verhalten. Die Annahme des vorlegenden Oberlandesgerichts, durch geeignete Maßnahmen - z.B. das Anlegen einer Aktenkopie - könne sichergestellt werden, daß sich das Betreuungsverfahren durch die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen die Bestellung des Verfahrenspflegers und evtl. durch ein anschließendes Verfahren der weiteren Beschwerde nicht unangemessen verzögere , ist eher theoretischer Natur und würde sich in der Praxis kaum bewähren (vgl. hierzu BayObLGZ aaO).
5. Demnach besteht kein Anlaß, von der bisher übereinstimmenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte abzuweichen.
Hahne Gerber Weber-Monecke
Wagenitz Ahlt

(1) Das Gericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen fachlich und persönlich geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand ist so früh wie möglich zu bestellen.

(2) Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(3) Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht,
2.
eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet,
3.
Verfahren die Herausgabe des Kindes zum Gegenstand haben oder
4.
eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Sieht das Gericht in den genannten Fällen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands ab, ist dies in der Endentscheidung zu begründen.

(4) Die Bestellung endet mit der Aufhebung der Bestellung, mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens. Das Gericht hebt die Bestellung auf, wenn

1.
der Verfahrensbeistand dies beantragt und einer Entlassung keine erheblichen Gründe entgegenstehen oder
2.
die Fortführung des Amtes die Interessen des Kindes gefährden würde.

(5) Die Bestellung eines Verfahrensbeistands oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.