Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 15. Dez. 2014 - 7 Ta 60/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.02.2014 in der Fassung des Nicht-Abhilfe-Beschlusses vom 14.03.2014 wird zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2Die zulässige Streitwertbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.02.2014 in der Fassung des Nicht-Abhilfe-Beschlusses vom 14.03.2014 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert für das Beschlussverfahren 10 BV 235/13 auf insgesamt 13.500,- € festgesetzt. Wie sich dieser Betrag zusammensetzt, ergibt sich aus dem Beschluss selbst. Die Streitwertfestsetzung auf 13.500,00 € ist nicht zu beanstanden.
3Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass die Streitwertfestsetzung seitens des Arbeitsgerichts von Ziffer 13.7 des sogenannten Streitwertkataloges für die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 09.07.2014 abweicht. Sie meint, es müsse berücksichtigt werden, dass beim Arbeitsgericht Köln weitere Beschlussverfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern nach § 99 BetrVG anhängig waren oder sind, die personelle Einzelmaßnahmen zum Gegenstand hätten, welche auf derselben unternehmerischen Entscheidung beruhten, wie auch die im vorliegenden Beschlussverfahren erfassten Fälle. Es müsse dementsprechend – nach Maßgabe von Ziffer 13.7 des Streitwertkataloges – ein „Mengenrabatt“ vorgenommen werden.
4Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden:
5Dass das Arbeitsgericht sich im vorliegenden Fall bei der Streitwertfestsetzung nicht am sogenannten Streitwertkatalog orientiert hat, sondern der herrschenden Bezirksrechtsprechung des LAG Köln gefolgt ist, kann nicht zur Aufhebung des Streitwertbeschlusses führen. Der Streitwertkatalog versteht sich selbst nur „als Angebot auf dem Weg zu einer möglichst einheitlichen Wertrechtsprechung in Deutschland“, besitzt jedoch anerkanntermaßen keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Da die Einzelvorschläge des Streitwertkataloges dort nicht dogmatisch begründet werden und überdies vielfach Kompromisscharakter besitzen, ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen nicht möglich.
6Der Annahme, bei der Streitwertfestsetzung für das vorliegende gerichtliche Beschlussverfahren müssten auch die Streitgegenstände anderer selbständiger arbeitsgerichtlicher Beschlussverfahren mit einbezogen werden, kann nicht gefolgt werden. Bei den im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren auszutragenden Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG handelt es sich um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten. Das wichtigste Kriterium für die Bemessung des Streitwerts einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit ist die Bedeutung des Streitgegenstands für den oder die antragstellende Beteiligte. Die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers A hat aber für sich betrachtet regelmäßig keine andere Bedeutung für die Antragstellerin, als die Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers B, des Arbeitnehmers C usw. Mit dem Hauptkriterium der Bedeutung der Angelegenheit kann eine unterschiedliche Streitwertbemessung der Einzelfälle somit von vornherein nicht gerechtfertigt werden.
7In die Wertbemessung bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten fließen aber neben dem Hauptkriterium der Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller ergänzend noch weitere Kriterien ein wie die rechtliche Schwierigkeit und die tatsächliche Komplexität des Streitgegenstandes und der dadurch hervorgerufene Arbeitsaufwand für die Beteiligten, ihre Anwälte und das Gericht. Nur aufgrund dieser Hilfskriterien der Streitwertbemessung lässt sich innerhalb ein und desselben einheitlichen Gerichtsverfahrens ein sogenannter Mengenrabatt rechtfertigen. Ergibt nämlich eine erste Überprüfung des Sach- und Streitstandes, dass die in einem einheitlichen Gerichtsverfahren zusammengefassten Einzelfälle tatsächlich und rechtlich keine individuellen Besonderheiten aufweisen, so kann im weiteren Verlauf des Verfahrens auch die rechtliche und tatsächliche Beurteilung einheitlich erfolgen, sofern sich keine nachträglichen Änderungen ergeben. Nur dies rechtfertigt die Annahme, dass der Streitwert eines solchen Gerichtsverfahrens, in dem mehrere identische Einzelfälle zusammengefasst behandelt werden, zwar höher ausfällt als wenn nur ein einziger Einzelfall Streitgegenstand wäre, aber nicht so hoch wie das entsprechende Vielfache des isoliert bewerteten Einzelfalls.
8Genauso ist das Arbeitsgericht bei der Bewertung des vorliegenden Beschlussverfahrens korrekterweise vorgegangen.
9Dabei ist in dogmatischer Hinsicht darauf hinzuweisen, dass die Aufteilung des Streitwertes in einen Ausgangswert (hier 7.500,00 €) und Zuschläge für die weiteren Einzelfälle (hier 1.500,00 €) nur eine quasi virtuelle Berechnungsmodalität darstellt, aber nichts damit zu tun hat, dass etwa der Streitgegenstand der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Arbeitnehmers Rustarnov einen anderen, höheren Streitwert hätte als der Streitgegenstand der Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers Arici usw.. Die Annahme, der Einzelfall Rustarnov ließe sich– wesentlich (7.500,00 € zu 1.500,00 €) – anders und höher bewerten als der Einzelfall Arici, ist dogmatisch nicht begründbar.
10Schon deshalb verbietet es sich, in die Streitwertbetrachtung vermeintlich oder wirklich gleichgelagerte andere Fälle mit einzubeziehen, die in anderen selbständigen Gerichtsverfahren Streitgegenstand sind. Werden nämlich die Einzelfälle in getrennten Einzelverfahren behandelt, so individualisiert sich auch die Streitwertfestsetzung auf den Fall eines bestimmten Arbeitnehmers. Würde z. B. der Einzelfall des in einem Einzelverfahren behandelten Arbeitnehmers A im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführerin als „Ausgangsfall“ definiert, so käme dem Fall des Arbeitnehmers A ein wesentlich höherer Streitwert zu als den Einzelfällen aller anderen Arbeitnehmer.
11Die das einzelne selbständige Gerichtsverfahren übergreifende Zusammenfassung verschiedener selbständig ablaufender Verfahren zum Zwecke einer einheitlichen Streitwertfestsetzung widerspricht aber auch Sinn und Zweck der sogenannten Mengenrabatt-Rechtsprechung, wie gerade die vorliegende Konstellation sinnfällig verdeutlicht: Macht der Antragsteller verschiedene wirklich oder vermeintlich gleichgelagerte Fälle in mehreren Einzelverfahren gerichtsanhängig, so hat dies regelmäßig zur Folge, dass unterschiedliche Kammern des Gerichts mit den Einzelfällen befasst werden. Jede Kammer muss dann für sich aufs Neue den bei ihr anhängigen Einzelfall prüfen und beurteilen. Eine Arbeitsersparnis für das Gericht, die eine Verminderung des Streitwerts eventuell mit rechtfertigen könnte, wäre nicht gegeben.
12Auf Seiten der Beteiligten könnten diese z. B. beschließen, sich in einzelnen Fällen selbst zu vertreten, in anderen Fällen einen Anwalt als Prozessbevollmächtigten heranzuziehen. In verschiedenen selbständigen Verfahren könnten auch verschiede Anwälte für die einzelnen Beteiligten tätig werden. Auch dies verdeutlicht, dass die unterschiedliche Bewertung selbständiger Einzelverfahren unter dem Gesichtspunkt des Mengenrabattes nahezu willkürlich erscheinen müsste.
13Hinzu kommt, dass die Auffassung, die eine die Einzelverfahren übergreifende Streitwertfestsetzung für richtig hält, auch keine rechtssichere Handhabung gewährleistet; denn wie z. B. der Nicht-Abhilfe-Beschluss der10. Kammer des Arbeitsgerichts Köln im vorliegenden Verfahren zeigt, ist überhaupt nicht zu gewährleisten, dass jede mit einem Einzelfall befasste Kammer einen vollständigen Gesamtüberblick über alle denkbaren, nach Meinung der Beschwerdeführerin „zusammengehörenden“ Einzelfälle besitzt. Zudem bleibt unklar, auf welchen Gesamtzeitraum für die Zusammenfassung selbständiger Einzelverfahren abzustellen wäre.
14Ebenso wenig taugt das Kriterium der „einheitlichen Unternehmerentscheidung“ dazu, eine rechtssichere Klammer für alle „streitwertmäßig zusammengehörenden“ Einzelverfahren zu bilden. Auch dies verdeutlicht wiederum der vorliegende Fall; denn die Beschwerdeführerin sieht die Einheitlichkeit darin, dass die jeweiligen nach § 99 BetrVG zum Streitgegenstand zu machenden Einzelfälle auf einer einheitlichen Stellenausschreibung beruhten. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Beschwerdegegners besteht die unternehmerische Entscheidung, die einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG wegen der Einstellung von Arbeitnehmern zugrundeliegt, jedoch nicht in der Entscheidung, eine Stelle auszuschreiben, sondern in der Entscheidung, einen bestimmten Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt auf eine bestimmte Stelle einzustellen.
15Aus den genannten Gründen war der Beschwerde nicht zu folgen, sondern an der herrschenden Bezirksrechtsprechung des LAG Köln festzuhalten. Auf die in dem Nicht-Abhilfe-Beschluss der 10. Kammer des Arbeitsgerichts zitierten Fundstellen der Bezirksrechtsprechung wird ergänzend Bezug genommen.
16Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.
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(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
- 1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde, - 2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde, - 3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten, - 4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist, - 5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder - 6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.
(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.
(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.