Landgericht Berlin Urteil, 9. Apr. 2021 - 66 O 161/19
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwältin A,
als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der B-GmbH,
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Ludolph, Hoher Weg 3, 06120 Halle,
gegen
C,
- Beklagter -
Prozessbevollmächtigte·
Rechtsanwälte Streifler & Kollegen, Wilhelmstraße 46, 10117 Berlin,
hat das Landgericht Berlin - Zivilkammer 66 - durch den Richter am Landgericht Thul als Einzel richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2021 für Recht erkannt:
1. Das Versäumnisurteil vom 20.11.2020 bleibt aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 20.11.2020 darf nur nach Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Gegenstand der Klage sind Rückgewähransprüche nach § 143 Abs. 1 Satz 1 lnsO wegen an fechtbarer Rechtshandlungen der Schuldnerin sowie Ansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG auf Ersatz der nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Halle vom 12.9.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH(künftig: Schuldnerin) eröffnet und die Klägerin zur lnsolvenzverwalterin bestellt (Anlage K1).
Der Beklagte ist Gründungsgesellschafter der Schuldnerin und hält 100 % der Geschäftsanteile. Er ist seit Gründung der Schuldnerin zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt.
Die Geschäftstätigkeit der Schuldnerin wurde Mitte des Jahres 2014 eingestellt. Bereits zum 29.12.2013 befand sich die Schuldnerin mit der Begleichung fälliger und ernsthaft eingeforderte Forderungen in Höhe von 64.979,09 € im Rückstand, welche bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen wurden (Anlage K2). Der Beklagte stellte am 8.7.2014 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Für die Schuldnerin wurden bei der Commerzbank AG Dessau-Roßlau und bei der Berliner Volksbank Konten debitorisch geführt.
Mit der Berliner Volksbank hatte die Schuldnerin unter dem 1.3.2013 einen „Kreditvertrag für Kontokorrentkredite" abgeschlossen, für welchen der Beklagte eine Sicherheit in Form einer selbst schuldnerischen Bürgschaft in Höhe von 60.000,00 € stellt (Anlage K3).
Mit der Commerzbank AG hatte die Schuldnerin unter dem 29 9. 2011 „Kreditverträge" von insgesamt 110.000,00 € abgeschlossen, für die der Beklagte Sicherheit durch selbstschuldnerische Höchstbetrags-Bürgschaft von insgesamt 110.000,00 € stellte (Anlage K4).
In der Zeit vom 17. Februar bis zum 7.5.2014 leistete der Beklagte auf das bei der Commerzbank AG debitorisch geführte Konto insgesamt Zahlungen in Höhe von 139.100,00 € mit dem Verwendungszweck 11 Darlehensrückzahlung".
Auf das bei der Berliner Volksbank debitorisch geführte Konto leistete der Beklagte im Zeitraum vom 30. Mai bis zum 19.6.2014 Zahlungen in Höhe von insgesamt 48.900,00 € mit dem Verwendungszweck 11Darlehensrückzahlung" bzw. 11Tilgung Darlehen", wobei unter dem 12.6.2014 von diesem Konto eine 11 Rückzahlung" in Höhe von 25.046,00 € an den Beklagten erfolgte.
Darüber hinaus waren auf Veranlassung des Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin „Gutschriften" durch die Drittschuldner der Schuldnerin auf die zu diesem Zeitpunkt debitorisch geführten Konto in Höhe von 50.216,67 € und 70.104,37 € vorgenommen worden.
Durch die vom Beklagten veranlassten Zahlungen auf die debitorisch geführten Konten der Schuldnerin wurde der jeweilige Soll-Saldo entsprechend zurückgeführt, sodass hiermit die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber den Banken beglichen wurden.
Mit Schreiben vom 30.11.2017 forderte die Klägerin den Beklagten zur Rückzahlung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Beträge in Höhe von insgesamt 284.055,40 € auf.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 15.12.2017 (Anlage K7) und Rhein 20.3.2018 (Anlage K8) erklärte der Beklagte den Verzicht auf die Einrede der Verjährung für jeweils 3 Monate.
Unter der 25.4.2018 begehrte die Klägerin gegenüber dem Landgericht Dessau-Roßlau Prozesskostenhilfe bezüglich einer beabsichtigten Klage auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages.
Nach Verweisung an das Landgericht Berlin wurde der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin mit Beschluss vom 24.4.2019, welcher ihr am 10.5.2019 zugestellt wurde, zurückgewiesen (Anlage K 11).
Die vorliegende Klage ging am 8.11.2019 beim Landgericht Berlin ein.
Unter dem zweien 20.11.2019 wurde das Gericht von der Klägerin um unverzügliche Anforderung des einzuzahlen Gerichtskostenvorschusses ersucht. Unter dem 6. 12. 2019, 10.12.2019, 20.12.2019, 7.1.2020 und 17.1.2020 erfolgten weitere Aufforderungen durch die Klägerin an das Gericht.
Am 22.1.2020 ging die Vorschussrechnung bezüglich des Gerichtskostenvorschusses bei der Klägerin ein; die entsprechende Vorschusszahlung ging am 27 .1.2020 bei Gericht ein.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie zu 284.055,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2020 ist dem Beklagten niemand erschienen, sodass dieser durch Versäumnisurteil vom selben Tag auf Antrag der Klägerin zu einer dem Klageantrag entsprechenden Zahlung verurteilt worden ist.
Gegen das ihm am 24.11.2020 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit anwaltlichen Schriftsatz vom 8.12.2020, welche am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
das Versäumnisurteil vom 20.11.2020 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 20.11.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch des Beklagten ist statthaft und auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, § 341 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Er hat in der Sache jedoch kein Erfolg, da die Klage zulässig und begründet und der Anspruch der Klägerin auch nicht verjährt ist.
Die Klägerin hat einen Rückgewähranspruch gemäß §§ 143 Abs. 3 Satz 1,135 Abs. 2 lnsO sowie einen Ersatzanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG jeweils in der geltend gemachten Höhe.
Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die zutreffenden und vom Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen in der Klageschrift Bezug genommen.
Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt.
Der Ersatzanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG verjährt gemäß § 64 Satz 4 in Verbindung mit 43 Abs. 4 GmbHG in 5 Jahren. Verjährungsbeginn ist gemäß § 200 BGB der Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs und somit der Zeitpunkt der jeweiligen angegriffenen Zahlungen des Beklagten. Diese erfolgten sämtlichst im Jahr 2014, sodass Verjährung jeweils zu den einzelnen Zeitpunkten im Jahr 2019 eingetreten wäre.
Die Verjährung wurde jedoch gemäß § 204 Abs. 1 Nummer 14 BGB durch den im Jahr 2018 beim Landgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gehemmt. Gemäß § 104 Abs. 2 BGB endet diese Hemmung 6 Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Bewilligung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. .
Der Beschluss, mit welchen der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zurückgewiesen wurde, wurde zum 10.6.2019 rechtskräftig, sodass die Verjährung noch bis zum 10.12.2019 gehemmt war. Vor Ablauf dieser Hemmung erfolgte jedoch die erneute Klageeinreichung zum 8.11.2019.
Zwar ist die Klage letztlich der Beklagten erst am 13.3.2020 zugestellt worden, gemäß § 167 ZPO ist jedoch eine erneute Hemmung der Verjährung bereits mit Anhängigkeit der Klage eingetreten.
Zwar ist die Zustellung nicht „demnächst" erfolgt, die eingetretene Verzögerung ist jedoch nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern lag allein in der Verantwortung des Gerichts. Die Klägerin hat insoweit auch alles getan, insbesondere mehrfach bezüglich der Vorschussrechnung für den Gerichtskostenvorschuss nachgefragt, um eine alsbaldige Zustellung der Klage zu erreichen.
Eine Verjährung des Ersatzanspruchs gemäß § 64 Satz 1 GmbHG ist somit nicht eingetreten, weshalb die Einrede der Verjährung des Beklagten ins Leere geht.
Auch der Rückgewähranspruch der Klägerin aufgrund Insolvenzanfechtung ist nicht verjährt.
Die Ansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB, wobei maßgeblich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 12.9.2014 ist, sodass eine Verjährung grundsätzlich am 31.12.2017 eingetreten wäre, § 199 BGB.
Aufgrund der zweimaligen Verzichtserklärung des Beklagten wurde dieser Zeitpunkt jedoch zum 30.6.2018 hinausgeschoben. Eine Verjährung zum 30.6.2018 ist jedoch nicht eingetreten im Hinblick auf die oben beschriebene Hemmung der Verjährung durch Einreichung des Prozesskostenhilfeantrages vor dem Landgericht Dessau-Roßlau sowie die nachfolgende Einreichung der vorliegenden Klage vor dem Landgericht Berlin. Auf die obigen Ausführungen kann insoweit Bezug genommen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1-3 ZPO.
Thul
Richter am Landgericht