Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 8. Feb. 2018 - VG 8 K 661.16 A

bei uns veröffentlicht am06.05.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Verwaltungsgericht Berlin

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Verwaltungsgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil
 

In der Verwaltungsstreitsache

 

des Herrn A

Klägers,

 

Verfahrensbevollmächtigte(r): BSP Rechtsanwälte,

Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin,

 

gegen

 

die Bundesrepublik Deutschland,

vertreten durch das Bundesministerium des Innern, dieses vertreten durch das Bundesamt

für Migration und Flüchtlinge - Außenstelle Berlin -, Badensche Straße 23, 10715 Berlin,

Beklagte,

 

hat das Verwaltungsgericht  Berlin, 8. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2018 durch den Vorsitzenden  Richter am Verwaltungsgericht  Samel als Einzelrichter

 

für Recht erkannt:

 

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. September 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 11O % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 11O % des jeweils zu vollstreckenden Be­trages leistet.

 

Tatbestand

Der 25-jährige Kläger ist syrische Staatsangehörigkeit muslimisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit; er stammt aus Damaskus. Er begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte.

Nach seiner Einreise im Herbst 2015 stellte er am 30. November 2015 einen Asylantrag. In seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 1. Juli 2016 gab er an, seine Heimat bereits 2012 mit einem Besuchsvisum nach Saudi­ Arabien verlassen zu haben. Er sei wegen des Krieges und der drohenden Einberufung zum Militärdienst ausgereist. In Saudi-Arabien habe er nicht bleiben können und sei daher mit dem Flugzeug in die Türkei und von dort weiter nach Europa und Deutschland gereist.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13. September 2016 erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab.

Mit seiner am 22. September 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Unter Vorlage einer auszugsweise übersetzten Kopie seines Wehrbuchs macht er geltend, vor Ablauf der darin aufgeführten ersten Einberufungsfrist nach Saudi-Arabien ausgereist zu sein. In Syrien werde er als Sunnit von den Alewiten bedroht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. September 2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Januar 2018 auf den Berichter­ statter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinen Fluchtgründen angehört worden. Für das Ergebnis der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Asylakte und die beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin geführte Ausländerakte sowie die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel zur Arabische Republik Syrien verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung berufene Einzelrichter konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten entscheiden, weil die Beteiligten mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die Klage hat Erfolg. Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und begründet. Der Kläger hat in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz -:- AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).  Der dem entgegenstehende Bescheid des Bundesamtes vom 13. September 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten.

Dem Kläger droht zur Überzeugung des Einzelrichters (§ 108 Abs." 1 VwGO) im Falle seiner Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung i.S.\/. § 3 Abs. 1 AsylG durch den syrischen Staat.

I.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit  zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland)  befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Dabei ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse. oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren (Nr. 3), sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Als Verfolgungshandlungen gelten nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegen­ de Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBI. 1952 II S. 685, 953) - EMRK - keine Abweichung zulässig ist. Eine Verfolgungshandlung kann nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, ein­ schließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher, wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die dort im Einzelnen aufgeführten Handlungen gelten, insbesondere die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1) und unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung  oder Bestrafung (Nr. 3). Außerdem kann danach die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbre­chen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, eine Verfolgungshandlung darstellen (Nr. 5).

Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht (vgl. § 3e AsylG).

Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 des § 3a AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Ob die erforderliche Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen einerseits und den erlittenen oder bevorstehenden Rechtsgutsverletzungen bzw. dem fehlenden Schutz vor solchen Handlungen andererseits besteht, ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit festzustellen (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 -, juris Rn.22). Die Verknüpfung ist also anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 – 10 C 11.08 -, juris Rn. 13). Es kommt demzufolge nicht auf die ohnehin kaum feststellbaren (künftigen) subjektiven Vorstellungen der jeweils für den Akteur im Sinne des § 3c AsylG handelnden Person(en) an (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 a.a.O.).

Eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn dem Kläger bei verständiger (objektiver) Würdigung der gesamten Umstände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren.  Die „verständige Würdigung aller Umstände" hat eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe zum Inhalt und bezieht sich vorliegend auf den Fall einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr, die aufgrund des subsidiären Schutzstatus nicht in Aussicht steht. Im Rahmen dieser Prognose ist eine "qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es ist maßgebend, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klägers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne begründete Furcht vor einem Ereignis kann deshalb auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer "quantitativen" Betrachtungsweise weniger als 50 v.H. Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der im Rahmen der Prognose vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Klägers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen.

Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage vom 7. Februar 2008 - 1O  C 33.07 -, juris Rn. 37 und zu Art. 16a GG Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118/90 -, juris Rn. 17).

II.  

Anhaltspunkte, die auf eine Vorverfolgung des Klägers hindeuten und zu einer Beweiserleichterung führen könnten (Art. 4 Abs. 4 Qualifikations-RL; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 23), sind nach dem Vortrag des Klägers, der Syrien im Jahre 2012 legal nach Saudi-Arabien verlassen konnte, nicht ersichtlich. Aufgrund der vom Kläger geschilderten Situation und der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse ist aber die Annahme von Nachfluchtgründen (§ 28 Abs. 1a AsylG) gerechtfertigt. Gemessen an den oben genannten Maßstäben hält sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung (siehe 1.) wegen einer ihm seitens des syrischen Staates zumindest zugeschriebenen politischen Überzeugung (siehe 2.) außerhalb seines Heimatlandes Syrien auf. Im Fall seiner hypothetischen Rückehr muss der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit menschenverachtender Behandlung, Misshandlungen oder Folter bei Verhören durch syrische Regierungsbeamte rechnen, weil er sich durch die Ausreise ins westliche Ausland seinem Wehrdienst (bzw. Militärdienst) entzogen und damit aus Sicht des syrischen Staates eine oppositionelle Haltung zum Ausdruck gebracht hat (so auch VGH Baden­ Württemberg, Urteil vom 14. Juni 2017 - A 11 S 511/17 -, juris Rn. 34 ff.; Hessischer VGH, Urteil vom 6. Juni 2017 - 3 A 3040/16.A -, juris Rn. 51 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30372 -, juris Rn. 23 ff.; in Kombination von Wehrdienstentziehung und Aufenthalt mit Asylantragstellung im westlichen Ausland VG Berlin, Urteil vom 16. Mai 2017 4 K 452.16 A -, juris Rn. 29 ff.; Urteile vom 28. September 2017 - VG 8 K 696.16 A, VG 8 K 885.16 A -, beide juris; a.A. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Juni 2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 72 ff. bestätigt Beschluss vom 8. Februar 2018 - 2 LA 1784.17 „ juris; OVG Saarland, Urteil vom 6. Juni 2017 - 2 A 283/17 -, juris Rn. 28 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Mai 2017 - 14 A 2023/16.A -, juris Rn. 37 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rn. 133 ff.).

Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des OVG Berlin­ Brandenburg (Urteil vom 22. November 2017 - OVG 3 B 12.17 - juris) Schutzsuchenden, die unverfolgt aus Syrien ausreist sind, bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Ausreise, Asylantragstellung sowie eines längeren Aufenthalts im westlichen Ausland eine Verfolgung droht.

1.

Einem wehrdienstpflichtigen Mann wie dem 25-jährigen Kläger, der nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Saudi-Arabien nicht in sein Heimatland zurückgekehrt ist und sich so dem zeitnah bevorstehenden Wehrdienst entzogen hat, drohen bei hypothetisch anzunehmender Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Verletzungen von grundlegenden Menschenrechten im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Insbesondere hat der Kläger die Anwendung physischer und psychischer Gewalt gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG zu befürchten.

Die Wehrdienstpflicht betrifft alle syrischen Männer zwischen 18 und 42 Jahren, wo­ bei nach einigen Quellen sowohl für Minderjährige als auch für ältere Männer über 50 Jahren eine Einberufung beziehungsweise Zwangsrekrutierung nicht mehr aus­ geschlossen sein soll (zusammenfassend Schweizer Flüchtlingshilfe vom 23. März 2017, Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertation, S. 4 ff.; Auswärtiges Amt - Auskunft der Botschaft Beirut an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2016, S. 2 - bis zum 52. Lebensjahr; Finish Immigration Service vom 23. August 2016, Syria: Military Service, S. 5 - bis zum 54. Lebensjahr).

Es existiert keine Möglichkeit, den Wehrdienst' - beispielsweise aus Gewissensgrün­ den - zu verweigern oder als Ersatzdienst abzuleisten (UNHCR von April 2017, Relevante Herkunftsinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR­ Länderleitfadens für Syrien, S. 23). Alternativ zum Wehrdienst in der syrischen Armee kommt eine Verpflichtung bei den Assad treuen und lokal verankerten National Defense Forces in Betracht (Schweizer Flüchtlingshilfe vom 28. März 2015, Mobilisierung in die syrische Armee, S. 6 f.; Finish Immigration Service vom 23. August 2016, a.a.O., S. 14 ff.). Während aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder im Falle von Einzelkindern die Freistellung vom Wehrdienst prinzipiell in Betracht kommt, besteht für Hochschulstudenten und Auszubildende zumindest die Möglichkeit, den Wehrdienst für die Dauer des Studiums beziehungsweise der Ausbildung aufzuschieben (Schweizer Flüchtlingshilfe vom 30. Juli 2014, Rekrutierung durch die Syrische Armee, S. 2; Finish Immigration Service vom 23. August 2016, a.a.O., S. 9 f.).

Der Kläger hat sich jedenfalls mit seiner Reise nach Deutschland dem Wehrdienst entzogen. Zwar hat er Syrien im Jahr 2012 noch mit einer Ausreisegenehmigung nach Saudi-Arabien verlassen und auch von dort eine Verlängerung seines zahlungspflichtigen Wehrdienstaufschubs bis zum 15. November 2015 erreicht. Nach Ablauf des letzten Wehrdienstaufschubs ist der Kläger jedoch nicht nach Syrien zu­ rückkehrt. Zuvor hatte er sich den dazu notwendigen Reisepass über einen Rechtsanwalt verschafft. Nach zweimaligem zahlungspflichtigem Aufschub und Zahlung einer Geldstrafe konnte er die Einberufung zum Wehrdienst nicht länger hinauszögern. Dies ergibt sich auch aus dem auszugsweise übersetzt vorgelegten Wehrbuch des Klägers.

Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien besteht für den Kläger eine hohe Wahrscheinlichkeit, bereits bei seiner Einreise von den syrischen Sicherheitsbehörden als Wehrdienstentzieher festgestellt zu werden.  Eine der legalen Einreisemöglichkeiten führt über die internationalen Flughäfen Damaskus und Latakia. Beide Flughäfen; aber auch die übrigen vom syrischen Staat beherrschten Grenzübergänge, wie vor allem diejenigen zum L.ibanon oder auch Jordanien, werden von Geheim- und anderen Sicherheitsdiensten  kontrolliert (Schweizer Flüchtlingshilfe vom 21. März 2017, Rückkehr, S. 5 f.). Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen überprüfen die syrischen Sicherheitsbehörden erkennbar junge  und daher mutmaßlich wehrdienstpflichtige Männer bei der Einreise auch daraufhin, ob sie ihren Wehrdienst geleistet ha­ ben. Mit Hilfe von Listen und Datenbanken können sie dies ohne Weiteres feststellen (zu den Rückkehrkontrollen siehe UNHCR von April 2017, a.a.O., S. 5 f.; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 21. März 2017, a.a.O., S. 7 f.; Immigration and Refugee Board of Canada vom 19. Januar 2016, Nr. 5). Selbst wenn es Rückkehrern gelingen sollte, auf illegalen Wegen nach Syrien einzureisen, besteht gleichwohl ein hohes Entdeckungsrisiko. Die syrische Staatsmacht unterhält ein weit verzweigtes System von festen und mobilen Checkpoints, welches im Landesinneren ein unbemerktes Reisen verhindert und auch der Kontrolle der Wehrdienstpflicht dient. Die Checkpoints sind hierbei Bestandteil von verschiedenen Maßnahmen, um den hohen Mobilisierungsbedarf der syrischen Armee abzudecken (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich vom 5. Januar 2017, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Syrien, S. 23 ff.; UNHCR von April 2017,  a.a.O., S. 24 f.; Finish Immigration Service vom 23. August 2016,  a.a.O., S. 5 ff.). Bereits seit einigen Jahren herrscht in der Syrischen Armee aufgrund von Wehrdienstentziehungen,  Desertation und Verlusten ein erheblicher Personalmangel,  der sowohl hinsichtlich der erstmalig Wehrpflichtigen  als auch der Reservisten zu intensivierten Rekrutierungsbemühungen führte (Schweizer Flüchtlingshilfe vom 23. März 2017, a.a.O., S. 2 ff., Reduktion von 300.000  auf kn'app 100.000 Militärangehörige; UNHCR vom 30. November 2016, Syrien: Militärdienst, S. 2 ff.; so auch schon Danish Immigration Service von Sep­ tember 2015, Syria - Update on Military Service, S. 9 ff.. Als Wehrdienstentzieher drohen dem Kläger strafrechtliche Konsequenzen, da er sich nach dem syrischen Militärstrafgesetzbuch strafbar gemacht hat. Ob das Geld und Freiheitsstrafen, die hiernach in Aussicht stehen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017 - zu 5 K 7480/16 A, siehe 3 j., k.; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 23. März 2017, a.a.O., S. 8 ff.), unverhältnismäßig  beziehungsweise diskriminierend sind (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG), bedarf ebenso wenig einer Entscheidung wie die Frage, ob sich die Strafverfolgung wegen Wehrdienstverweigerung auf den Militärdienst in einem Konflikt bezieht, der Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG). Denn als Wehrdienstentzieher droht dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Misshandlung mittels physischer und psychischer Gewalt gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG. Der Einzelrichter schließt sich insoweit der Rechtsprechung der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteile vom 28. September 2017 - VG 8 K 696.16 A, VG 8 K 885.16 A -, beide juris) an.

Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen müssen Wehrdienstentzieher mit einer schwerwiegenden  menschenrechtswidrigen  Behandlung  rechnen.  In ihnen wird von kurzfristigen Fronteinsätzen, Haft, Folter, anderen Misshandlungen, Verschwinden­ lassen bis gar zur Todesstrafe als möglichen Sanktionen berichtet (vgl. auch Danish Immigration Service von September 2015, a.a.O., S. 18).

So führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft der Botschaft Beirut an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2016, 1., aus:

„{„ . ) Allerdings sind Fälle bekannt, bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden sind. Dies steht überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten (beispielsweise Journalisten oder Menschenrechtsverteidigern) oder in Zusammenhang  mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst. Dies entspricht auch den Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen, mit denen das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft Beirut zusammenarbeitet."

Der Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an das OVG Schleswig-Holstein zum Beschluss 3 LB 17/16, 12 A 222/16, S. 2, ist zu entnehmen:

„ („ . ) Diente die Ausreise unter anderem dem Zweck, sich dem Wehrdienst zu entziehen (z.B. durch Flucht oder Bestechung eines direkten Vorgesetzten), so hat dies eine harte Bestrafung, bis hin Todesstrafe, aber oft auch Folter, zur Folge. („.)"

Der UNHCR antwortete dem Hessischen VGH am 30. Mai 2017, S. 2 f.: „( ...) Anstatt die gesetzlich im Militärstrafgesetzbuch  vorgesehenen  Strafen (Haft) anzuwenden, werden Wehrdienstentzieher  Berichten zufolge Tage oder Wochen nach ihrer Festnahme an die Front geschickt, oft nur mit einer mini­ malen Ausbildung.  Bei Festnahme und während der Inhaftierung droht den Betroffenen Folter oder andere Misshandlung; es wird berichtet, dass diese Praktiken in Syrien endemisch sind."

Dass Wehrdienstentzieher mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Misshandlungen ausgesetzt sind, beruht zudem maßgeblich auf dem Umstand, dass ihnen bei der Einreise eine Kontrolle und Verhaftung durch die syrischen Geheim- und Sicherheitsdienste droht. Diese agieren bei ihren Kontrollen der Einreisenden in einem nahezu rechtsfreieri Raum und sind mit umfassenden Handlungsvollmachten im Sinne einer „carte blanche" ausgestattet.  Für die Betroffenen existieren diesbezüglich keinerlei Rechtsbehelfe (vgl. Auswärtiges Amt an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017 - zu 5 K 7221/16 A, siehe 1) a) bb.; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 21. März 2017, a.a.O., S. 8 ff.; Immigration and Refugee Board of Canada vom 19. Januar 2016, Nr. 2). Wer wie Wehrdienstentzieher  erst einmal unter Oppositionsverdacht steht (siehe 2.) und sich im Verantwortungsbereich  der Geheim- und Sicherheitsdienste in Haft befindet, dem droht eine auch in ihrer Dauer schwer zu prognostizierende Behandlung, beste­ hend aus Haft, Verhören,  Folter, Misshandlungen bis hin zu extralegalen Tötungen. Die syrischen Sicherheitsdienste sind auf die Bekämpfung von oppositionellen Be­ strebungen seit Jahren ausgerichtet  und haben ihre bereits gängigen menschenverachtenden und rücksichtslosen Praktiken systematisch ausgeweitet, um die in Bedrängnis geratene Regierung Assads zu stabilisieren (vgl. Amnesty  International vom 17. Februar 2017, Human Slaughterhouse - Mass Hangings and Extermination at Saydnaya Prisen, Syria; Amnesty International von August 2016, lt breaks the human - torture, disease and death in syria's prisons; Human Rights Watch vom 16. Dezember 2015, lf the Dead could speak - Mass Deaths and Torture in Syria's De­ tention Facilities; US Departmerit of State von 2017, Country Reports an Human Rights Practices for 2016: Syria; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 26. Oktober 2015, Syrien: Geheimdienst).

2.

Die dem Kläger im Fall einer potenziellen Rückkehr drohende Verfolgung knüpft auch an eine zumindest unterstellte oppositionelle politische Überzeugung an (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG).

Allerdings lassen sich den offiziellen Auskünften des Auswärtigen Amts keine ein­ deutigen Hinweise darauf entnehmen, dass Wehrdienstentziehern  eine oppositionelle politische Überzeugung zugeschrieben wird. Ohne den Rückschluss auf eine solche Überzeugung zu ziehen, berichtet es von den strafrechtlichen Konsequenzen einer Wehrdienstentziehung (Auswärtiges Amt an VG Düsseldorf vom 2. Januar 2017 - zu 5 K 7480/16 A, siehe 3 j., k.), aber auch von Fällen zeitweiliger Inhaftierung und dauerhaften Verschwindens (Auswärtiges Amt - Auskunft der Botschaft Beirut an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2016, siehe 1.). Dabei wird die Möglichkeit einer Verknüpfung zwischen der Bestrafung oder dem Verschwindenlassen und einer unterstellten politischen Überzeugung nicht ausgeschlossen.

Der Einzelrichter ist jedoch aufgrund der weiteren zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass einem als Wehrdienstentzieher festgestellten Mann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle Haltung zugeschrieben wird.

Der UNHCR beispielsweise kommt im April 2017, a.a.O., S. 23, zu der Einschätzung:

„Die Regierung betrachtet, wie Berichten zu entnehmen ist, Wehrdienstentziehung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen. Es wird berichtet, dass Wehrdienstentzieher  in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert werden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssen. Aus Berichten geht hervor, dass sie während der Haft dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind."

Die Professorin für Kulturanthropologie an der Georgetown Universität Rochelle Davis schlussfolgert:

(...) auf der Grundlage von Interviews, die ich durchgeführt habe sowie aufgrund von Zeugenaussagen,  die ich geprüft habe, kann ich guten Gewissens sagen, dass Wehrdienstentziehung  von der Regierung als regierungsfeindliche Aktivität angesehen wird. („.)" (Auszug aus einer Email an den UNHCR vom 22. Mai 2017, zitiert nach UNHCR vom 30. Mai 2017, Antwort an Hessischen VGH, S.6).

Joshua Landis, Direktor des Center for Middle East Studies und Associate Professor an der Oklahoma Universität bewertet den Zusammenhang folgendermaßen:

„Syrische Beamte sehen Wehrdienstentzieher und jene, die nicht bereit sind im Militär zu dienen, oftmals als Zeichen von Opposition und Subversion." (Auszug aus einer Email an den UNHCR vom 22. Mai 2017, zitiert nach UN­ HCR vom 30. Mai 2017, Antwort an Hessischen VGH, S. 6).

Diese Einschätzungen werden von den Erkenntnissen zu den Gesamtumständen, unter denen Wehrdienstentzieher kontrolliert, inhaftiert und zum Teil menschenverachtend behandelt werden, untermauert.

Bereits die besondere Intensität der Wehrdienstentziehern  drohenden Misshandlungen indiziert, dass diese Behandlung auf ein flüchtlingsrelevantes  Merkmal gerichtet ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juni 2017 - A 11 S 511/17 -, juris Rn. 62; zu diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 29. April 2009 - 2 BvR 78/08-, juris Rn. 18). Besondere Gründe, die es erlauben solche Eingriffe ausnahmsweise nicht als Verfolgung anzusehen, etwa weil es sich um a1,.1ch in vergleichbaren Fällen ohne jeden politischen Bezug eingesetzte und damit insoweit nicht auf asylerhebli­che Merkmale zielende Maßnahmen handelt, sind nicht ersichtlich (zur Widerlegung BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 - BverwG 9 C 28.99 -, juris Rn. 15).

Angesichts des seit Jahren andauernden Bürgerkriegs in Syrien ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der syrische Staat auf ein ausgeprägtes Freund-Feind­ Denken abstellt, um Anhänger von Oppositionellen zu trennen. In dieser Zuspitzung ist ein neutraler Standpunkt nicht denkbar, weshalb jede Verweigerung - insbesondere Wehrdienst zu leisten - zwangsläufig  als Verrat an der eigenen Sache angesehen wird (zum Freund-Feind-Schema vgl. Deutsches Orient-Institut vom 22. Februar 2017 - Auskunft an den VGH Baden-Württemberg zum Beschluss A 11 S 2334/16; vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 6. Juni 2017 - 3 A 3040/16A -, juris Rn. 38). Auch wenn danach die Zuschreibungskriterien  für eine oppositionelle Gesinnung sehr weit sein mögen, bleibt die syrische Staatsmacht gleichwohl darum bemüht, Dissidenten zu identifizieren (vgl. UNHCR von April 2017, a.a.O.; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 21. März 2017, a.a.0.)

Wer sich nachweisbar oppositionell engagiert hat oder vermeintlich oppositionellen Kreisen nahesteht, wird von Assads Regierung brutal unterdrückt und gnadenlos verfolgt, wie unter anderem der UNHCR im April 2017, a.a.O., S. 7 ff. ausführt:

„Es liegen schon seit längerem Berichte darüber vor, dass die syrische Regierung politischen Dissens durch Einschüchterung,· Überwachung und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten,  Schriftstellern und Intellektuellen unterdrückt. [„.] Es wurde berichtet, dass zahlreiche Protestteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher,  Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet, in incommunicado  Haft genommen, gefoltert oder anderen Misshandlungen ausgesetzt, oder Opfer von extralegalen oder Massenhinrichtungen wurden."

Davon können auch Regierungsmitarbeiter  betroffen sein, die nicht mehr zur Arbeit erscheinen (Schweizer Flüchtlingshilfe vom 12. März 2015 zur Arbeitsverweigerung).

Vor diesem Hintergrund drängt sich angesichts der bedrohlichen Personallage in der Syrischen Armee die Zuschreibung einer oppositionellen Einstellung bei Wehrdienstentziehern geradezu auf. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der um den· Machterhalt ringende syrische Staat ein solches Verhalten als Ablehnung und damit als feindliche Gesinnung einordnen wird. Die syrische Regierung muss aufgrund von Verlusten, aber auch vor allem aufgrund von Deserteuren und Wehrdienstentziehern  erhebliche Mobilisierungsbemühungen  unternehmen,  um die Handlungsfähigkeit der Armee aufrechtzuerhalten  (Schweizer  Flüchtlingshilfe vom 23. März 2017, a.a.O„ S. 2 ff.; UNHCR vom 30. November 2016, a.a.O„ S. 2 ff.; Danish Immigration Service von September 2015, a.a.O„ S. 9 ff.). In diesem Zusammenhang sind auch die Ausreisebeschränkungen von wehrdienstpflichtigen Männern zu sehen (UNHCR von April 2017, a.a.O„ S. 4; Schweizer Flüchtlingshilfe vom 23. März 2017, a.a.O„ S. 13 f.).  Wer in Ansehung dessen Syrien verlässt und sich dem Wehrdienst entzieht, schädigt die Syrische ·Armee und setzt sie dem Risiko einer militärischen Niederlage aus.

III.   

Schließlich steht dem Kläger keine inländische Fluchtalternative im Sinne von § 3e AsylG offen. Nach aktuellen Erkenntnissen ist es schon äußerst zweifelhaft, ob in Syrien derzeit überhaupt sichere und verfolgungsfreie Landesteile existieren. Je­ denfalls sind aufgrund ständig wechselnder Frontverläufe und der hohen Kontrolldichte mittels Checkpoints weder die Einreise nach Syrien selbst, noch eine anschließende  Fortbewegung  im Landesinnern zumutbar.

Der Antwort des Auswärtigen Amts an das VG Dresden vom 2. Januar 2017, zu 4 K 689/16.A, unter e ist zu entnehmen:

„Es gibt in Syrien keine Möglichkeit, sich dem Militärdienst durch sicher zu er­ reichende inländische Fluchtalternativen, d. h. verfolgungsfreie  Teile Syriens, zu entziehen. Bei dem Versuch, sich dem Militärdienst durch Flucht in andere Landesteile, die nicht unter Kontrolle des Regimes stehen, zu entziehen, müssten Wehrpflichtige zahlreiche  militärische und paramilitärische  Kontrollstellen passieren, mit dem Risiko einer zwangsweisen  Einziehung entweder durch die syrischen Streitkräfte oder durch regimetreue Milizen."

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1und 2 ZPO.

Samel

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 8. Feb. 2018 - VG 8 K 661.16 A

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 8. Feb. 2018 - VG 8 K 661.16 A