Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Jan. 2019 - M 16 K 17.2157
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 25. April 2017 in der Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 30. Mai 2017 rechtswidrig gewesen ist.
III. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen. Im Übrigen tragen der Beklagte und der Beigeladene die Kosten des Verfahrens je zu Hälfte.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
nachts: 22 - 6 Uhr 45 dB(A) tagsüber (innerhalb der Ruhezeiten und an Sonn- und Feiertagen): 6 - 8 Uhr und 20 bis 22 Uhr 55 dB(A) tagsüber (außerhalb der Ruhezeiten): 60 dB(A).
Der Bescheid vom 25. April 2017 über die Erlaubnis für die Durchführung einer öffentlichen Vergnügung und der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs einer Schank- und Speisewirtschaft wird aufgehoben.
festzustellen, dass der Bescheid v. 25. April 2017 über die Erlaubnis für die Durchführung einer öffentlichen Vergnügung und der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs einer Schank- und Speisewirtschaft rechtswidrig war.
hilfsweise durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass bei diesen Veranstaltungen die Lärmbelästigung an den in der beigefügten Nordansicht des Wohnhauses des Klägers ( … … ) mit einem roten „...“ gekennzeichneten Fenstern in der Zeit von 6:00 - 8:00 Uhr und 20:00 - 22:00 Uhr an Werktagen sowie an Sonn- und Feiertagen 55 dB(A), nachts von 22:00 - 6:00 Uhr an Werktatgen sowie von 22:00 - 7:00 Uhr an Sonn- und Feiertagen 45 dB(A), im Übrigen tagsüber 60 dB(A) nicht übersteigt und dem Kläger eine ungehinderte und sichere Zufahrt zu seinem Grundstück zu gewährleisten.
die Klage abzuweisen.
festzustellen, dass der Bescheid vom 25. April 2017, in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 30. Mai 2017, über die Erlaubnis für die Durchführung einer öffentlichen Vergnügung und der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs einer Schank- und Speisewirtschaft rechtswidrig war.
Gründe
I.
II.
III.
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(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 22 B 15.620
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 22. Juli 2015
(VG Ansbach, Urteil vom 26. August 2014, Az.: AN 4 K 14.386)
22. Senat
Sachgebietsschlüssel: 421
Hauptpunkte: Zulassung zu einem Jahrmarkt; Erschöpfung des Kontingents für eine bestimmte Betriebsart; Auswahlverfahren bei Bewerberüberhang; Verpflichtung des kommunalen Veranstalters zu Neubescheidung; Zulässigkeit der Bescheidungsklage ohne gleichzeitige Anfechtung der Zulassung zumindest eines Konkurrenten; Übergang von der Bescheidungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache
...
gegen
Stadt F.,
vertreten durch den Oberbürgermeister, Rechtsamt, S.-Str. ..., F.,
- Beklagte -
wegen Zulassung zu einem Jahrmarkt;
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Demling, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Dietz aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Juli 2015 am 22. Juli 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet war, den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Michaelis-Kirchweih 2014 mit seinem Ausschankbetrieb „F.“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Nachts: 22.00 - 06.00 Uhr 45 dB(A)
tagsüber
(innerhalb der Ruhezeiten und an Sonn- und Feiertagen):
06.00 - 08.00 Uhr und 20.00 bis 22.00 Uhr 55 dB(A)
tagsüber (außerhalb der Ruhezeiten): 60 dB(A).
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. Mai 2017 gegen den Bescheid vom 25. April 2017 über die Erlaubnis für die Durchführung einer öffentlichen Vergnügung und der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebs einer Schank- und Speisewirtschaft wird wiederhergestellt.
den Antrag abzulehnen.
II.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2017 rechtswidrig gewesen ist.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft M. vom 10. März 2017 wird aufgehoben.
die Klage abzuweisen.
festzustellen, dass der Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft M. vom 10. März 2017 rechtswidrig gewesen ist.
Gründe
(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn
- 1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird, - 2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder - 2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde, - 3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt, - 4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.
(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
- a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und - b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze
- 1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, - 2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder - 3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn
- 1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird, - 2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder - 2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde, - 3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt, - 4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.
(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
- a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und - b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze
- 1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit, - 2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder - 3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
Tenor
Die Verordnung der Stadt Heidelberg über die Verlängerung der Sperrzeit in der Altstadt vom 20. Dezember 2016 ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe
(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über
- 1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen, - 2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist, - 3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen, - 4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen, - 5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten, - 6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.
(1b) Abweichend von Absatz 1a
- 1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
- 2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(2) (weggefallen)
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 - 11 K 2502/11 - geändert.
Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
Die Kostenentscheidung wird wie folgt neu gefasst: Die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 6 tragen jeweils ein Fünftel, die Kläger zu 4 und zu 5 als Gesamtschuldner ebenfalls ein Fünftel der Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens beim Verwaltungsgericht, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Wer ein Gaststättengewerbe betreiben will, bedarf der Erlaubnis. Die Erlaubnis kann auch nichtrechtsfähigen Vereinen erteilt werden.
(2) Der Erlaubnis bedarf nicht, wer
- 1.
alkoholfreie Getränke, - 2.
unentgeltliche Kostproben, - 3.
zubereitete Speisen oder - 4.
in Verbindung mit einem Beherbergungsbetrieb Getränke und zubereitete Speisen an Hausgäste
(3) (weggefallen)
(4) (weggefallen)
Gründe
-
I
- 1
-
Der Kläger wendet sich gegen Geräuschimmissionen, die von einem benachbarten, als öffentliche Einrichtung gewidmeten Kultur- und Gemeindezentrum auf sein Wohngrundstück einwirken. Die Baugenehmigung für das Kultur- und Gemeindezentrum, gegen die der Kläger erfolglos geklagt hat, sieht u.a. Lärmschutzauflagen vor. Das Verwaltungsgericht gab der Unterlassungsklage statt und verurteilte die beklagte Gemeinde dafür zu sorgen, dass die Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums unter Einhaltung der tenorierten Lärmschutzauflagen erfolgt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Auflagen zur Klarstellung neu gefasst und für seltene Veranstaltungen höhere Beurteilungspegel vorgesehen; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
-
II
- 2
-
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 3
-
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das trifft auf die von der Beschwerde formulierten Grundsatzfragen - ungeachtet dessen, ob die Begründung den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt - sämtlich nicht zu.
- 4
-
a) Die Frage,
-
Gilt für Gemeindezentren die Freizeitlärm-Richtlinie oder die TA Lärm?
-
würde sich - auch ungeachtet einer Bindungswirkung des im vorangegangenen gegen die Baugenehmigung gerichteten Baunachbarstreit ergangenen Urteils - in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es - solange für die Ermittlung und Bewertung der auf Wohngrundstücke einwirkenden Geräusche rechtlich keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren sowie Lärmwerte vorgegeben sind - der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten bleibt, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihres Schallpegels und ihrer Eigenart (Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Lärmbelästigung zu beurteilen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. In diesem Zusammenhang können als Orientierungshilfe zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen auch technische Regelwerke herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Zu den Regelwerken, die als Orientierungshilfe in Betracht kommen, gehören auch die vom Länderausschuss für Immissionsschutz - nunmehr Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) - verabschiedeten und mehrfach fortgeschriebenen "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" (Freizeitlärm-Richtlinie, Stand 6. März 2015; vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 4 B 55.03 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 = juris Rn. 8 m.w.N.).
- 5
-
Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat - ebenso wie das von der Beklagten im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Schallschutzgutachten von Dipl.-Ing. R. vom 8. November 2010 - die Freizeitlärm-Richtlinie herangezogen, weil das mit den im Kultur- und Gemeindezentrum stattfindenden Veranstaltungen verbundene Lärmpotenzial dem Emissionscharakter der in der Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten Freizeitanlagen ähnlicher sei als dem der von der TA Lärm erfassten gewerblichen Anlagen. Gegen diese tatrichterliche Würdigung kann die Beklagte sich nicht mit einer Grundsatzrüge wenden. Abgesehen davon legt sie weder dar noch ist sonst ersichtlich, warum die im Wesentlichen auf (technischen) Anlagenlärm zugeschnittene TA Lärm als Orientierungshilfe geeigneter sein sollte. Vom Anwendungsbereich der TA Lärm sind nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen ausdrücklich ausgenommen (Nr. 1 Buchst. b).
- 6
-
b) Auch die Frage,
-
Sind seltene Ereignisse nur solche im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 2 LImSchG Rheinland-Pfalz?
-
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat in Ziffer 5 des Tenors und in den hierauf bezogenen Urteilsgründen (UA S. 15) unter Hinweis auf die Regelung Nr. 4.4 der Freizeitlärm-Richtlinie ausdrücklich auf seltene Ereignisse abgestellt und dabei auf § 4 Abs. 5 Satz 2 des Landes-Immissionsschutzgesetzes (LImSchG) vom 20. Dezember 2000 (GVBl. S. 578, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. August 2014, GVBl. S. 194) Bezug genommen; soweit es § 5 LImSchG zitiert hat, handelt es sich dabei offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung. Die Ausfüllung des Begriffs des seltenen Ereignisses im Sinne der Freizeitlärm-Richtlinie, die keine Rechtsquelle darstellt, ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 - BRS 71 Nr. 168 Rn. 4). Ob eine Veranstaltung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 5 LImSchG erfüllt, namentlich für ihre Durchführung ein öffentliches Bedürfnis besteht, betrifft ebenfalls die Anwendung und Auslegung nicht revisiblen Landesrechts. Auf die Auslegung von Nr. 6.3 der TA Lärm kommt es in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung der Beschwerde schon deshalb nicht an, weil das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Einzelfallwürdigung die TA Lärm nicht herangezogen hat.
- 7
-
c) Aus diesem Grund wäre die Frage,
-
Ist Nr. 6.7 der TA Lärm in Fällen des § 34 Abs. 1 BauGB anwendbar?
-
in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Ausführungen zur Gemengelage nicht auf Nr. 6.7 der TA Lärm. Der Verweis der Beschwerde auf die unter Nr. 3 der Freizeitlärm-Richtlinie vorgesehene subsidiäre Geltung der TA Lärm führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Nr. 3 betrifft nur den zulässigen Rückgriff auf die allgemein anerkannten akustischen Grundregeln, wie sie in der TA Lärm und der Sportanlagenlärmschutzverordnung festgelegt sind. Die vom Oberverwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen behandelten und in den tenorierten Auflagen Nr. 4 und 5 vorgesehenen Beurteilungspegel orientieren sich dagegen offenkundig an den in Nr. 4.1 Buchst. c und d sowie Nr. 4.4.2 Buchst. a, b und e der Freizeitlärm-Richtlinie vorgesehenen Werten. Das belegt schon die Verwendung des Begriffs "Ruhezeit", den die TA Lärm so nicht kennt (vgl. Nr. 6.5 der TA Lärm "Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit"). Ungeachtet dessen hat das Oberverwaltungsgericht - wie schon das Verwaltungsgericht - in den tenorierten Auflagen ohnehin nicht auf den errechneten Mittelwert von 43 dB(A), sondern - dem Antrag des Klägers entsprechend - auf den für die Beklagte günstigeren Nachtwert von 45 dB(A) für Kern-, Dorf- und Mischgebiete abgestellt.
- 8
-
d) Die Frage,
-
Sind nachbarschützende Genehmigungsauflagen Anspruchsgrundlagen?
-
würde sich so formuliert nicht stellen, weil das Oberverwaltungsgericht den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nicht auf die Schallschutzauflagen in der Baugenehmigung, sondern auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. eine analoge Anwendung der §§ 1004, 906 BGB gestützt hat. Sofern sie in Wahrheit darauf zielt, ob der Nachbar in solchen Fällen nur einen Anspruch gegen die Genehmigungsbehörde auf bauaufsichtliches Einschreiten hat, lässt sie sich verneinen, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
- 9
-
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es einem lärmbetroffenen Nachbarn unbenommen ist, sein Rechtsschutzziel (Schutz vor Lärmimmissionen) sowohl mittels Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Einrichtung als auch im Wege einer Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Bauaufsichtsbehörde zu verfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 4 B 55.03 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 = juris Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92 - BGHZ 122, 1 LS). Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen der Unterlassungsanspruch gegen den privaten Betreiber auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden muss, sondern auch dann, wenn für die Unterlassungsklage der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, weil es sich - wie hier - um eine von der Gemeinde betriebene öffentlich-rechtliche Einrichtung handelt.
- 10
-
e) Schließlich wäre auch die auf das im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Schallschutzgutachten von Dipl.-Ing. R. vom 8. November 2010 zielende Frage,
-
in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Schallschutzgutachten ist Bestandteil der Baugenehmigung vom 10. November 2010; nach deren Inhalt sind insbesondere die in Abschnitt 7 des Gutachtens beschriebenen Schallschutzmaßnahmen zu beachten und einzuhalten (S. 2). Die vom Oberverwaltungsgericht gemäß §§ 133, 157 BGB vorgenommene Auslegung (UA S. 13 f.) betrifft folglich den Inhalt der Baugenehmigung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde macht es insoweit keinen Unterschied, ob die Genehmigungsbehörde das Schallschutzgutachten oder Teile davon in die Baugenehmigung "einrückt" oder sich dessen Inhalt im Wege der Bezugnahme zu eigen macht. Dass die bundesrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB auf öffentlich-rechtliche Erklärungen, d.h. u.a. auf Verwaltungsakte, entsprechend anzuwenden sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 27 m.w.N.).
- 11
-
2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
- 12
-
a) Mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil es ohne vorherige Ankündigung erst im Urteil von seinem Schreiben vom 30. Dezember 2016 abgerückt sei und so eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen habe, dringt die Beklagte nicht durch.
- 13
-
Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verbietet es, dass das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretenen Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -
juris Rn. 16, 18 und vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 38 jeweils m.w.N.). Die Garantie des rechtlichen Gehörs kann deshalb auch dann verletzt sein, wenn das Gericht im Laufe des Verfahrens seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs in hinreichend eindeutiger Weise zu erkennen gegeben hat und dann - ohne vorherigen Hinweis - von dieser wieder abrückt, so dass dem Prozessbeteiligten ein Vortrag zur geänderten Auffassung nicht mehr möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 7 B 26.15 - AbfallR 2016, 250 = juris Rn. 11 m.w.N.).
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-
Daran gemessen ist eine Überraschungsentscheidung hier nicht dargetan. Das Oberverwaltungsgericht war nicht gehalten, in der mündlichen Verhandlung im Dezember 2017 ausdrücklich vom Inhalt seines Schreibens vom 30. Dezember 2016 abzurücken. Dieses Schreiben lässt nicht erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Frage nach dem vollstreckungsfähigen Inhalt der Begriffe "lärmintensive Veranstaltungen" bzw. "lärmintensive Nutzungen" oder der Anwendbarkeit der TA Lärm bereits im Sinne der Beklagten festgelegt sei. Es dient lediglich zur Erläuterung des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 über die Zulassung der Berufung und betont ausdrücklich, dass mit der Zulassung keine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung verbunden sei. Als Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer rechtlichen Bewertung scheidet es daher aus.
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-
b) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es das von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Schallgutachten des Ingenieurbüros G. vom 28. August 2016 nicht gewürdigt hat.
- 16
-
Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass es auf dieses Gutachten entscheidungserheblich ankommt. Es verhält sich dazu, ob die Auflage unter Nr. 7.3 des Schallschutzgutachtens von Dipl.-Ing. R. vom 8. November 2010, wonach die Außenbauteile lärmintensiv genutzter Räume nachts ständig geschlossen zu halten sind, aus schalltechnischer Sicht für die gesamte Veranstaltungszeit einschließlich Pausen gilt (S. 1). Diese Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil die Baugenehmigung einschließlich des zu ihrem Bestandteil erklärten Schallschutzgutachtens von Dipl.-Ing. R. bestandskräftig geworden ist. Eine nachträgliche Auslegung der Schallschutzauflagen durch einen Drittgutachter, die der Sache nach auf eine formlose Änderung der Auflagen hinaus liefe, scheidet daher aus.
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c) Ein Aufklärungsmangel liegt auch nicht darin, dass das Oberverwaltungsgericht keine Tatsachenfeststellungen zu den tatsächlichen Lärmbelastungen getroffen, sondern nur festgestellt hat, dass die Fenster und Oberlichter des Kultur- und Gemeindezentrums zur Nachtzeit geöffnet waren.
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-
Die Beschwerde übersieht, dass der Unterlassungsanspruch des Klägers nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht davon abhängt, ob der Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrum nachweislich zu unzumutbaren Lärmbelästigungen geführt hat. Über die in den Schallschutzauflagen der Baugenehmigung festgesetzten Verhaltensanordnungen wird ein abstrakter Gefährdungstatbestand normiert, der den Schutz des Nachbarn vorverlagert. Das Verhaltensgebot gegenüber der Beklagten, die Außenbauteile lärmintensiv genutzter Räume nachts ständig geschlossen zu halten, wird seinem Zweck nur gerecht, wenn seine Durchsetzung unabhängig von den Auswirkungen im jeweiligen Einzelfall gewährleistet ist. Der Kläger muss daher nicht nachweisen, dass ein Verstoß gegen die gerade auch seinen Schutz bezweckenden Auflagen ihn konkret beeinträchtigt oder solche Beeinträchtigungen unmittelbar bevorstehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1996 - V ZR 335/95 - DVBl. 1997, 424 = juris Rn. 10). Vielmehr reicht aus, dass - wie das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts festgestellt hat - die Beklagte die Lärmschutzauflagen in der Vergangenheit nachweislich wiederholt nicht beachtet hat.
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-
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
- 2
Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
- 3
Es folgt die Luftbildaufnahme
- 4
Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
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Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
- 6
Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
- 7
Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
- 8
Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
- 9
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 10
Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
- 11
Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
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„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
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2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
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3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
- 15
4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
- 16
Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
- 17
Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
- 18
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
- 19
Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
- 20
Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
- 21
Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
- 22
Die Klägerin beantragt,
- 23
festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 26
Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 28
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
- 30
1. Die Klage ist zulässig.
- 31
1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
- 32
1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
- 33
Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
- 34
1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
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2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
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Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
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2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
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2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
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2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
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2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
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2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
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2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
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2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
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Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
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Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
- 46
2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 47
2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
- 48
2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
- 49
2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
- 50
„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
- 51
a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
- 52
b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
- 55
e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
- 56
Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
- 57
In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
- 59
2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
- 60
2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
- 61
Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 63
Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
- 64
Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
- 65
Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
- 66
Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
- 67
Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
- 68
Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
- 69
Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
- 70
2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
- 71
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
- 74
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
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In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
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Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
- 78
Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
- 79
Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
- 80
Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
- 81
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
- 82
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Beschluss
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 - 11 K 2502/11 - geändert.
Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
Die Kostenentscheidung wird wie folgt neu gefasst: Die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 6 tragen jeweils ein Fünftel, die Kläger zu 4 und zu 5 als Gesamtschuldner ebenfalls ein Fünftel der Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens beim Verwaltungsgericht, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz wird vom 13. April 2016 – 3 K 1377/15.MZ – wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. dafür Sorge zu tragen, dass zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr bei einer lärmintensiven Nutzung (Veranstaltungen, die mit Musikdarbietungen, einem Abspielen von Musik oder der Verwendung einer Lautsprecheranlage verbunden sind) in dem Kultur- und Gemeindezentrum (Dr.-F...-W...-Platz) alle zu öffnenden Außenbauteile (Oberlichter, Fenster) in dem Gebäude ständig geschlossen gehalten werden,
2. dafür Sorge zu tragen, dass zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr bei der Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums die Türen des Haupteingangs nur kurzdauernd zum Durchgehen geöffnet werden und der vom Gutachter W... R... in der Anlage 1 seines Gutachtens vom 8. Oktober 2010 eingetragene Raucherbereich im Freien nicht genutzt wird,
3. dafür Sorge zu tragen, dass tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie tags an Sonn- und Feiertagen während lärmintensiver Nutzungen des Saals (Veranstaltungen, die mit Musikdarbietungen, einem Abspielen von Musik oder der Verwendung einer Lautsprecheranlage verbunden sind) die Oberlichter geschlossen bleiben,
4. dafür Sorge zu tragen, dass durch die Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) am Haus des Klägers (gemessen nach den Vorgaben des Anhangs zur 18. BImschV) nicht überschritten wird.
5. Abweichend von Ziffer 4) ist es der Beklagten gestattet, für seltene Veranstaltungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 LImSchG diesen Wert zu überschreiten, sofern für die Zeit von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr ein Beurteilungspegel vom 70 dB(A) und für die Zeit von 24.00 Uhr bis 6.00 Uhr ein Beurteilungspegel von 55 dB(A) sowie eine Geräuschspitze von 65 dB(A) eingehalten und dem Kläger 14 Tage vor dem jeweiligen Termin der Veranstaltung davon Mitteilung gemacht wird.
6. Im Übrigen wird die Klage angewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrags abwenden, nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen Lärmimmissionen, die durch den Betrieb des von der Beklagten als öffentliche Einrichtung gewidmeten und von ihr betrieben Kultur- und Gemeindezentrums ausgehen.
- 2
Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung M..., Flur 2, Parzelle Nr. Flurstück ..., das mit einem von ihm und seiner Familie genutzten Wohnhaus bebaut ist. Diesem Grundstück liegen – durch die Teichstraße getrennt – die im Eigentum der Beklagten stehenden Parzellen Flur ... Parzellen Nr. ..., .../..., .../..., ..., .../..., ... und .../... gegenüber. Auf diesen Flurstücken, die ebenso wie das im Miteigentum des Klägers stehende Grundstück im unbeplanten Innenbereich liegen, wurde aufgrund der Baugenehmigung vom 10. November 2010 ein Kultur- und Gemeindezentrum errichtet. Bestandteil der Baugenehmigung in Gestalt einer Auflage ist u.a. ein schalltechnisches Gutachten des Ingenieurbüros für Schall- und Wärmeschutz W... R... vom 8. November 2010, das im Einzelnen näher bezeichnete Lärmminderungsmaßnahmen vorsieht. Vor dem Gebäude – zur T...straße hin ausgerichtet – wurde ferner ein befestigter Platz mit Sitzgelegenheiten sowie einer Bouleanlage geschaffen, der nicht Gegenstand der Baugenehmigung war.
- 3
Die gegen die Baugenehmigung gerichtete Klage des Klägers wies das Verwaltungsgericht Mainz mit Urteil vom 29. August 2012 – 3 K 47/12. MZ – ab. Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung lehnt der erkennende Senat mit Beschluss vom 11. Dezember 2012 – 1 A 11081/12.OVG – ab. Im Rahmen dieser Verfahren wurde die nähere Umgebung, in der sowohl das Kultur- und Gemeindezentrum als auch das Wohnhaus des Klägers liegen, als Gemengelage zwischen einem allgemeinen Wohngebiet und einem Mischgebiet eingestuft, für die hinsichtlich der vom Kultur- und Gemeindezentrums zu erwartenden Lärmimmissionen ein oberhalb des arithmetischen Mittels anzusiedelnder Mittelwert zwischen den in der Freizeit-Lärmrichtlinie angegebenen Immissionsrichtwerten für allgemeine Wohngebiete und Dorf-/Mischgebiete zu bilden sei. Bei Beachtung der in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen sei die erteilte Baugenehmigung rechtmäßig, insbesondere seien bei Einhaltung der Auflagen unzumutbare Lärmimmissionen auf das Grundstück des Klägers ausgeschlossen.
- 4
Nach Errichtung und Inbetriebnahme des Kultur- und Gemeindezentrums wandte sich der Kläger mehrfach unter Vorlage von Lichtbildaufnahmen an die Beklagte mit dem Vorbringen, dass die Auflagen der Baugenehmigung zur Verminderung der Schallemissionen nicht eingehalten würden und die Beklagte gehalten sei, die Auflagen zu beachten und bei Vermietung der Räumlichkeiten gegenüber den Mietern durchzusetzen.
- 5
Am 13. Januar 2015 hat der Kläger beim Landgericht Mainz Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Sicherstellung der Einhaltung der als Auflage zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Lärmminderungsmaßnahmen in dem schalltechnischen Gutachten sowie der Einhaltung einen Beurteilungspegels von 45 dB(A) in der Nachtzeit (Anträge 1 bis 3 und 5), zur Verhinderung des Befahrens und Beparkens des Dr.-F...-W...-Platzes mit Kraftfahrzeugen (Antrag 4) sowie zur Sicherstellung der Benutzung der ausgewiesenen Besucherparkplätze (Antrag 6) zu verurteilen.
- 6
Zur Begründung seiner vom Landgericht an das Verwaltungsgericht Mainz verwiesenen Klage trug der Kläger vor, bei der Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums würden die Schallschutzauflagen in dem zur Auflage in der Baugenehmigung gemachten schalltechnischen Gutachten nicht eingehalten. So seien regelmäßig bei Veranstaltungen, vornehmlich bei privaten Feiern, die Oberlichter geöffnet; ferner stünden nach 22.00 Uhr immer wieder die Türen zu dem auf der Rückseite des Gebäudes befindlichen Balkon sowie die Eingangstüren offen. Ferner sei der Bereich vor den Eingangstüren wiederholt nach 22.00 Uhr als Raucherbereich von den Besuchern des Kultur- und Gemeindezentrums genutzt worden. Des Weiteren werde entgegen den Vorgaben des schalltechnischen Gutachtens der Platz vor dem Kultur- und Gemeindezentrum von Fahrzeugen befahren und als Parkplatz genutzt. Das Kultur- und Gemeindezentrum selbst dürfe nach dem schalltechnischen Gutachten in der Nachtzeit nur betrieben werden, wenn sichergestellt sei, dass ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) an seinem Wohnhaus nicht überschritten werde. Um die Einhaltung dieses Immissionswertes kümmere sich die Beklagte nicht. Es werde bei den Veranstaltungen im Kultur- und Gemeinschaftszentrum hinsichtlich der zulässigen Immissionswerte nicht zwischen Tag- und Nachtzeit unterschieden mit der Folge, dass in den vergangenen Jahren wiederholt die für die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr einzuhaltenden Immissionsrichtwerte überschritten worden seien.
- 7
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger seine Klage hinsichtlich der schriftsätzlich angekündigten Klageanträge zu 4) und 6) zurückgenommen und beantragt,
- 8
die Beklagte zu verurteilen,
- 9
1. dafür Sorge zu tragen, dass zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr während lärmintensiver Nutzungen des Kultur- und Gemeindezentrum (Dr.-F...-W...-Platz), die mit Musikdarbietungen alle zu öffnenden Außenteile (Oberlichter, Fenster) in dem Gebäude ständig geschlossen gehalten werden,
- 10
2. dafür Sorge zu tragen, dass zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr bei der Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums die Türen des Haupteingangs nur kurz dauernd zum Durchgehen geöffnet werden und der vom Gutachter W... R... in der Anlage 1 seines Gutachtens vom 8. Oktober 2010 eingetragene Raucherbereich im Freien nicht genutzt wird,
- 11
3. dafür Sorge zu tragen, dass tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeiten sowie tags an Sonn- und Feiertagen während lärmintensiver Nutzungen des Saals die Oberlichter geschlossen bleiben,
- 12
4. dafür Sorge zu tragen, dass im Zusammenhang mit der Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr an seinem Anwesen ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) nicht überschritten wird.
- 13
Die Beklagte hat beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen
- 15
und vorgetragen, der Kläger habe nicht belegen können, dass es sich bei den von ihm beanstandeten Veranstaltungen im Kultur- und Gemeindezentrum um lärmintensive Veranstaltungen im Sinne des schalltechnischen Gutachtens gehandelt und die Auflagen der Baugenehmigung nicht eingehalten worden seien. Überdies könne sie in dem vorliegenden Verfahren nicht verpflichtet werden, die Auflagen einzuhalten, weil diese ihr gegenüber nur von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde durchgesetzt werden könnten.
- 16
Mit Urteil vom 13. April 2016 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat und die Beklagte im Übrigen gemäß dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers verurteilt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, das Begehren des Klägers finde seine erforderliche Rechtsgrundlage in einem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der sich aus dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art 2 Abs. 2 und Art 14 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB herleite und auf die Abwehr einer Beeinträchtigung gerichtet sei, die sich als Folge eines schlicht hoheitlichen Handelns der Verwaltung als unzumutbar darstelle. Die Voraussetzungen eines solchen Unterlassungsanspruchs seien vorliegend gegeben, weil der Kläger zur Überzeugung der Kammer im Einzelnen nachgewiesen habe, dass die sich aus der Baugenehmigung und dem dort in Bezug genommenen schalltechnischen Gutachten ergebenden Auflagen zur Lärmreduzierung mehrfach bei verschiedenen Veranstaltungen, die in dem Kultur- und Gemeindezentrum stattgefunden hätten, nicht eingehalten worden seien. Zur Vermeidung unzumutbarer Lärmimmissionen auf das Grundstück des Klägers sei indessen, wie aus dem schalltechnischen Gutachten R... folge, die Beachtung der Schallminderungsauflagen erforderlich, so dass die Beklagte zur Gewährleistung der sich aus diesen Auflagen ergebenden Verpflichtungen zu verurteilen sei. Darüber hinaus könne der Kläger auch verlangen, dass die Beklagte dafür Sorge trage, dass im Zusammenhang mit der Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr an seinem Anwesen ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) nicht überschritten werde. Zwar sei die Einhaltung eines bestimmten Beurteilungspegels nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 10. November 2010. Der Kläger könne die Einhaltung dieses Beurteilungspegels aber gleichwohl beanspruchen, weil dieser unterhalb des Pegels liege, den die Kammer – und ihr folgend auch der erkennende Senat - ihrem rechtkräftigen Urteil vom 29. August 2012 bezüglich der Baugenehmigung vom 10. November 2010 zugrunde gelegt habe und insoweit auch eine Rechtsverletzung des Klägers in der Vergangenheit erfolgt sei.
- 17
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht sei rechtsfehlerhaft von einem, dem Kläger ihr gegenüberzustehenden Anspruch auf Einhaltung der Auflagen der Baugenehmigung ausgegangen. Ein solcher Anspruch könne aber allenfalls gegenüber dem Träger der Bauaufsichtsbehörde geltend gemacht werden. Das Begehren des Klägers könne auch nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gestützt werden, weil sie, die Beklagte, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in der Vergangenheit die Auflagen der Baugenehmigung eingehalten habe. Ungeachtet dessen sei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch deshalb fehlerhaft, weil der Urteilstenor zu unbestimmt und damit nicht vollstreckbar sei. Schließlich habe das Verwaltungsgericht bezüglich der Verurteilung bezüglich der Einhaltung eines Beurteilungspegels von 45 dB(A) für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr fehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass nach den einschlägigen Regelwerken für sogenannte seltene Ereignisse dem Kläger auch ein höherer Beurteilungspegel zumutbar sei.
- 18
Die Beklagte beantragt,
- 19
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 13. April 2016 die Klage abzuweisen.
- 20
Der Kläger beantragt,
- 21
die Berufung zurückzuweisen.
- 22
Hilfsweise beantragt er sinngemäß,
- 23
die Beklagte wie in erster Instanz zu verurteilen, jedoch mit der Einschränkung, dass Lärmimmissionen bei seltenen Ereignissen im Umfang und im Rahmen des § 5 Abs.2 Satz2 LImSchG zulässig sind.
- 24
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und hebt nochmals hervor, dass die Beklagte in der Vergangenheit die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Auflagen zur Lärmminderung bei eigenen Veranstaltungen wiederholt nicht eingehalten und bei Veranstaltungen der Mieter des Kultur- und Gemeindezentrums nicht gewährleistet habe, die Auflagen zu beachten. Hieraus ergebe sich der mit der Klage geltend gemachte und vom Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Urteil zugesprochene Unterlassungsanspruch.
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Die Beklagte tritt dem Hilfsantrag entgegen und beantragt,
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die dahingehende Klageänderung nicht zuzulassen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Ferner wird auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (6 Ordner), die das Kultur- und Gemeindezentrum betreffenden Bauakten (1 Heftung), sowie die Gerichtsakten 3 L 1615/10.MZ, 3 K 47/12.MZ, 3 K 701/15.MZ und 6 K 1/14.MZ Bezug genommen. Die genannten Vorgänge lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang führt sie teilweise zum Erfolg.
- 29
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Hilfsantrag des Klägers ist zulässig, jedoch entbehrlich. Diesen Antrag versteht der Senat dahin, dass der Kläger seinen Klageantrag zu 4. aus der ersten Instanz mit dem Ziel ergänzt, dass hilfsweise von einer Verurteilung der Beklagten zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 45 dB(A) in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr abgesehen werden soll, soweit nach § 5 Abs. 5 Satz 2 LImschG Ausnahmen für seltene Ereignisse vorgeschrieben sind. Diese Modifizierung des Antrags stellt keine Klageänderung dar, die nur unter den sich aus § 91 VwGO ergebenden Einschränkungen zulässig wäre. Da der Kläger mit seinem Hauptantrag sein Begehren uneingeschränkt weiterverfolgt und sein „Hilfsantrag“ nicht auf ein Aliud, sondern auf ein Minus im Verhältnis zum Hauptantrag ausgerichtet ist, wird der Streitgegenstand nicht verändert. Nach § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2. ZPO liegt keine Änderung der Klage vor, wenn, wie hier, ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag beschränkt wird. Der Senat wäre daher auch ohne den Hilfsantrag befugt, das damit beantragte Urteil zu erlassen.
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Die danach zulässige Klage ist auch zum überwiegenden Teil begründet.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte wegen unzumutbarer, von dem Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrums ausgehender und auf sein Grundstück einwirkender Geräuschemissionen ein mit der allgemeinen Leistungsklage verfolgbarer öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht.
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In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich ein Betroffener mit einem öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, der seine Grundlage in dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB findet, gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzen kann, die von einer öffentlichen Einrichtung ausgehen, die die Gesundheit schädigen, schwer und unerträglich in das Eigentum eingreifen oder nach den für die Beurteilung der Zumutbarkeit heranzuziehenden immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nicht mehr hinnehmbar sind. (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 1988 - 7 C 33.87 und vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –; OVG RP, Urteil vom 31. Mai 1992 – 7 A 11904/91.OVG – sowie vom 16. Mai 2012 – 8 A 10042/12.OVG –; jeweils zitiert nach juris). Für die Beantwortung der Frage, ob eine Geräuschimmission die Benutzung des Nachbargrundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt, ist § 22 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – heranzuziehen, der auch für die hier vorliegende öffentliche Einrichtung und deren Betrieb gilt. Geräuschimmissionen sind danach dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne der genannten Bestimmungen verursachen. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen sind, d.h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) ist dabei – sofern vorhanden – anhand einschlägiger technischer Regelwerke zu beurteilen. Sofern für die Ermittlung und Bewertung der auf die Nachbarschaft einwirkenden Geräusche keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren oder Lärmwerte rechtlich verbindlich vorgegeben sind, sind die Umstände des konkreten Einzelfalles maßgeblich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B55/03 –, juris, m.w.N.).
- 33
Vorliegend sind, wie das Verwaltungsgericht bereits in dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 29. August 2012 – 3 K 47/12.MZ – verbindlich entschieden hat, zur Beurteilung der durch den Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrums ausgehenden Geräuschimmissionen die „Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche – Freizeitlärm-Richtlinie –“ (hier in der Fassung des Rundschreibens des Ministeriums für Umwelt Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015) heranzuziehen, weil das Lärmpotential, das mit den in dem Gebäude stattfindenden Veranstaltungen verbunden ist, mehr dem Emissionscharakter der in der Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten Freizeitanlagen ähnlich ist als dem der von der TA-Lärm erfassten gewerblichen Anlagen (ebenso: Beschluss des Senats vom 11. Dezember 2012 – 1 A 11081/12.OVG –, mit dem der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil abgelehnt worden ist). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich das Gebiet, in dem sowohl das Wohnhaus des Klägers als auch das benachbarte Kultur- und Gemeindezentrum der Beklagten liegen, keinem nach der Baunutzungsverordnung vorgesehen Gebietstypus eindeutig zuordnen lässt, der maßgebliche Gebietsbereich vielmehr eine Gemengelage aufweist, ist bezüglich der Zumutbarkeit des von dem Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrums ausgehenden Lärms grundsätzlich von einem als Immissionsrichtwert einzuhaltenden Mittelwert oberhalb des arithmetischen Mittels zwischen den in der Freizeitlärm-Richtlinie angegebene Immissionsrichtwerten für allgemeine Wohngebiete [tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 55 dB(A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen 50 dB(A) sowie nachts 40 dB(A)] und denen für Kern-, Dorf- bzw. Mischgebiete [tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit 60 dB(A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen 55 dB(A) sowie nachts 45 dB(A)] auszugehen (vgl. den genannten Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2012 a.a.O.).
- 34
Dies zugrunde gelegt, hält der Senat in Ansehung der örtlichen Gegebenheiten Lärmimmissionen, die von dem Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrums auf das Grundstück des Klägers ausgehen, für diesen grundsätzlich dann nicht mehr für zumutbar, wenn sie werktags außerhalb der Ruhezeit einen Beurteilungspegel von etwa 58 dB(A), werktags innerhalb der Ruhezeit sowie an Sonn- und Feiertagen von etwa 53 dB(A) und nachts von etwa 43 dB(A) überschreiten. Wie sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten R... vom 8. November 2010 ergibt, können die von dem Betreib der streitigen Halle ausgehenden Richtwerte für ein M i s c h g e b i e t nur dann eingehalten werden, wenn bei lärmintensiver Nutzung „nachts“ die Außenbauteile lärmintensiv genutzter Räume ständig geschlossen, die Türen des Haupteingangs nur kurzdauernd zum Durchgehen geöffnet und der näher bezeichnete Raucherbereich im Freien nicht genutzt wird. Die Einhaltung der entsprechenden Richtwerte für Sonn- und Feiertage (tags) sowie für Werktage innerhalb der Ruhezeit setzt nach den Ausführungen des Gutachters voraus, dass während lärmintensiver Nutzung des Saals die Oberlichter ständig geschlossen bleiben. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, hat die Beklagte diese Lärmminderungsmaßnahmen nicht beachtet. Auf diese Darlegungen, die von der Beklagten nicht mit der erforderlichen Substantiierung angegriffen werden, nimmt der Senat Bezug. Ist danach davon auszugehen, dass durch die Nichtbeachtung der in dem Gutachten R... vorgegeben Lärmminderungsmaßnahmen die zulässigen Immissionsrichtwerte für Mischgebiete überschritten wurden, so gilt dies erst recht für eine Überschreitung der hier relevanten niedrigeren Werte für die Gemengelage, in der sowohl das Kultur- und Gemeindezentrum als auch das Hausgrundstück des Klägers liegen.
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Angesichts der festgestellten mehrfachen Verstöße gegen die als Auflagen zur Baugenehmigung verfügten Lärmminderungsmaßnahmen und der daraus resultierenden Wiederholungsgefahr ist der Senat deshalb mit dem Verwaltungsgericht der Überzeugung, dass der Kläger einen gegen die Beklagten gerichteten Anspruch auf Unterlassung vom Lärmimmissionen durch den Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrums hat, soweit sie die oben genannten Beurteilungspegel während der angegeben Zeiten überschreiten.
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Da der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch auf die Abwehr von Störungen und unzumutbaren Belästigungen, nicht aber auf ein Gebot eines bestimmten Verhaltens gerichtet ist, bleibt es grundsätzlich dem die Störung verursachenden Träger der öffentlichen Verwaltung überlassen, welche Mittel er einsetzt, um den Anspruch zu erfüllen (vgl. BVerfG Beschluss vom 6. Oktober 2009 –2 BvR 693/09 –, NJW 2010, 220). Etwas Anderes kann aber dann gelten, wenn lediglich eine konkrete Handlung oder Unterlassung geeignet ist, das störende Verhalten abzustellen oder wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (vgl. BVerfG a.a.O. und BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 – V ZR 98/03 –, NJW 2004, 1035). Hier wäre zwar theoretisch denkbar, dass die Beklagte die Durchführung von Veranstaltungen während der Nacht- und Ruhezeiten gänzlich unterlässt, dies erscheint aber lebensfremd. Andere in gleicher Weise zur Verhinderung unzumutbarer Lärmimmissionen für den Kläger geeignete Maßnahmen hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Der Kläger kann daher die Beachtung der angesprochenen Lärmminderungsmaßnahmen verlangen.
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Hinzu kommt, dass die Beklagte durch die Baugenehmigung vom 10. November 2010, deren Rechtmäßigkeit durch das Urteil des VG Mainz vom 29. August 2012 – 3 K 47/12.MZ – und den Beschluss des Senats vom 11. Dezember 2012 – 1 A 11081/12.OVG – rechtskräftig festgestellt wurde, verpflichtet ist, die Halle nur unter Beachtung der sich aus dem in der Baugenehmigung in Bezug genommenen schalltechnischen Gutachten R... vom 8. November 2010, insbesondere aus Abschnitt 7 ergebenden Schallschutzmaßnahmen betreiben darf. Zwar vermitteln diese (nachbarschützenden) Auflagen der Baugenehmigung dem Kläger zunächst keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Beklagte auf deren Einhaltung, sondern nur einen Anspruch gegen den Träger der Bauaufsichtsbehörde auf bauordnungsrechtliches Einschreiten. Da aber danach für die Beklagte verbindlich feststeht, dass sie das Kultur- und Gemeindezentrum nur unter Beachtung der Lärmminderungsmaßnahmen betreiben darf, ist der Betrieb der Halle ohne die Beachtung dieser Lärmschutzmaßnahmen nicht von der Genehmigung gedeckt und daher illegal. Wollte man grundsätzlich von einem Ermessensspielraum der Beklagten bei der Auswahl der Maßnahmen zur Vermeidung unzumutbarer Lärmimmissionen auf das Grundstück des Klägers ausgehen, so wäre dieser jedenfalls durch die Baugenehmigung vom 10. November 2010 dahingehend eingeschränkt, dass der Kläger vorliegend die Einhaltung der Auflagen der Baugenehmigung zum Lärmschutz verlangen kann (vgl. auch zur Durchsetzung der nachbarschützenden Auflage einer Baugenehmigung betreffend das Schließen der Fenster während der Übungsstunden einer Ballettschule im Wege eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs im Zivilrecht BGH, Urteil vom 26. Februar 1993 – V ZR 74/92 –, juris).
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Soweit die Beklagte vorträgt, dem vom Kläger mit seinen Klageanträgen zu 1. bis 3 geltend gemachten Anspruch stehe jedenfalls entgegen, dass die entsprechenden Auflagen in der Baugenehmigung nicht hinreichend bestimmt und damit nicht vollstreckbar seien, vermag ihr der Senat darin nicht zu folgen.
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Die mit dem gerichtlichen Hinweis vom 30. Dezember 2016 ausgesprochenen diesbezüglichen Bedenken hält der Senat nicht mehr aufrecht. Auf der Grundlage einer Auslegung des Baugenehmigungsbescheides vom 10. November 2010 ist davon auszugehen, dass dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot Genüge getan ist. Für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Hier muss bei der Auslegung des in der Baugenehmigung als Auflage in Bezug genommenen Gutachtens R... insbesondere beachtet werden, dass die Wortfolge „lärmintensive Nutzung“ nicht isoliert verwendet wird. Vielmehr ist von einer „ …lärmintensive(n) Nutzung…im Rahmen geselliger Veranstaltungen ( Musikveranstaltungen, Feiern, Jubiläen u.ä)… die Rede, zu deren Beurteilung die „ …VDI-Richtlinie 3726 zum Innengeräusch von Gaststätten herangezogen…“ werde. Zudem wird in dem in Bezug genommenen Gutachten auf Seite 8 ausgeführt, es sei davon auszugehen, „… dass eine eventuelle Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft vorrangig durch Musikdarbietungen – live, ggf. elektroakustisch verstärkt, bzw. durch den Betrieb einer Beschallungsanlage – … verursacht wird…“. Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass mit „lärmintensiven Veranstaltungen, diejenigen Ereignisse, Feste, Events, Versammlungen, Sitzungen, Konzerte etc. gemeint sind, bei denen durch die bloße Zahl der anwesenden Personen, durch Bands, Orchester, Musikgruppen, Chöre, Einzelunterhalter mit oder ohne elektroakustische Verstärkung Lärm entsteht.
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Auch die Bedeutung der Bezeichnung „lärmintensiv genutzte Räume“ ist für den Adressaten des Verwaltungsaktes hinreichend eindeutig. Darunter werden erkennbar die Räume verstanden, die für die vorstehend bezeichneten lärmintensiven Veranstaltungen genutzt werden.
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Hiernach ergibt sich bei einer sachgerechten Auslegung der genannten Auflage 7.3 nach Auffassung des Senats mit hinreichender Deutlichkeit, dass sich die dort geforderten Beschränkungen des Betriebs für „lärmintensive Nutzungen“ (Geschlossenhalten von Fenstern und Oberlichtern) auf Veranstaltungen beziehen, die mit Musikdarbietungen, einem Abspielen von Musik oder der Verwendung einer Beschallungsanlage verbunden sind.
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Soweit die Beklagte weiter geltend macht, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass während lärmintensiver Veranstaltungen zwischen nach 22.00 Uhr und 6.00 Uhr die Türen des Haupteingangs nur kurzdauernd zum Durchgehen geöffnet werden und der Raucherbereich nicht genutzt wird, finde in dem Gutachten R... keine Stütze, kann der Senat diese Auffassung nicht teilen. Vielmehr hat der Gutachter unter 6.2.1 (Seite 24) ausdrücklich ausgeführt, dass (ohne Einschränkung nach Art der Veranstaltung) die Türen des Haupteingangs nur kurzdauernd zum Durchgehen geöffnet werden dürfen und der in der Anlage 1 eingetragene Raucherbereich im Freien während der Nachtzeit, das heißt zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr, nicht genutzt werden darf.
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Soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte verurteilt hat, dafür Sorge zu tragen, dass im Zusammenhang mit der Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr an dem Anwesen des Klägers ein Beurteilungspegel von 45 dB(A) nicht überschritten wird, ist die Berufung teilweise begründet. Dies ergibt sich daraus, dass das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen hat, dass diese Vorgabe, die von der Beklagten im Grundsatz nicht angegriffen wird, nur für den „Normalbetrieb“ Geltung beanspruchen kann. In Sonderfällen, bei sogenannten seltenen Ereignissen, wie sie in § 5 Abs. 2 Satz 2 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – näher umschrieben werden (vgl. dazu auch den einen weiteren Rechtstreit der Beteiligten betreffenden Beschuss des Senats vom 9. Dezember 2016 – 1 A 10417/16.OVG – sowie OVG RP Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04. OVG –, juris), sieht indessen die Regelung 4.4 der Freizeitlärmrichtlinie vielmehr ausdrücklich vor, dass an bis zu 18 Tagen tagsüber und für den Zeitraum von 22.00 Uhr bis 24.00 Uhr ein Beurteilungspegel von bis zu 70 dB(A) und im Zeitraum von 24.00 Uhr bis 6.00 Uhr ein Pegel von 55 dB(A) zumutbar ist, wobei allerdings in dem letztgenannten Zeitraum Geräuschspitzen von 65 dB(A) nicht überschritten werden dürfen und die Beklagte in Anknüpfung an Ziffer 4.4.2 der Freizeitlärmrichtlinie gehalten ist, den Kläger 14 Tage vorher über Art, Dauer und Ende der jeweiligen Veranstaltung zu unterrichten. In diesem Sinn ist der vom Kläger geltend gemachte, vom Verwaltungsgericht in vollem Umfang zugesprochene Unterlassungsanspruch beschränkt, so dass die Berufung der Beklagten insoweit zum Erfolg führen muss.
- 44
Aus Gründen der Klarstellung erscheint es dem Senat geboten, den Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils neu zu fassen und im Hinblick auf die erforderliche Bestimmtheit des Ausspruchs im Hinblick auf eine Vollstreckung festzustellen, dass der von der Beklagten zu beachtende Immissionsrichtwert am Haus des Klägers gemäß Nr. 3 der Freizeitlärm-Richtlinie nach den Bestimmungen des Anhangs (Nrn. 1.2 i. V.m. 3.2.2.1) der 18. BImschV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) zu messen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.
- 46
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.v.m. §§ 708 ff ZPO.
- 47
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
Beschluss
- 48
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 12.000,- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).
Gründe
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I
- 1
-
Der Kläger wendet sich gegen Geräuschimmissionen, die von einem benachbarten, als öffentliche Einrichtung gewidmeten Kultur- und Gemeindezentrum auf sein Wohngrundstück einwirken. Die Baugenehmigung für das Kultur- und Gemeindezentrum, gegen die der Kläger erfolglos geklagt hat, sieht u.a. Lärmschutzauflagen vor. Das Verwaltungsgericht gab der Unterlassungsklage statt und verurteilte die beklagte Gemeinde dafür zu sorgen, dass die Nutzung des Kultur- und Gemeindezentrums unter Einhaltung der tenorierten Lärmschutzauflagen erfolgt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Auflagen zur Klarstellung neu gefasst und für seltene Veranstaltungen höhere Beurteilungspegel vorgesehen; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
-
II
- 2
-
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 3
-
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das trifft auf die von der Beschwerde formulierten Grundsatzfragen - ungeachtet dessen, ob die Begründung den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt - sämtlich nicht zu.
- 4
-
a) Die Frage,
-
Gilt für Gemeindezentren die Freizeitlärm-Richtlinie oder die TA Lärm?
-
würde sich - auch ungeachtet einer Bindungswirkung des im vorangegangenen gegen die Baugenehmigung gerichteten Baunachbarstreit ergangenen Urteils - in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es - solange für die Ermittlung und Bewertung der auf Wohngrundstücke einwirkenden Geräusche rechtlich keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren sowie Lärmwerte vorgegeben sind - der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten bleibt, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihres Schallpegels und ihrer Eigenart (Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit der Lärmbelästigung zu beurteilen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. In diesem Zusammenhang können als Orientierungshilfe zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen auch technische Regelwerke herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Zu den Regelwerken, die als Orientierungshilfe in Betracht kommen, gehören auch die vom Länderausschuss für Immissionsschutz - nunmehr Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) - verabschiedeten und mehrfach fortgeschriebenen "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" (Freizeitlärm-Richtlinie, Stand 6. März 2015; vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 4 B 55.03 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 = juris Rn. 8 m.w.N.).
- 5
-
Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat - ebenso wie das von der Beklagten im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Schallschutzgutachten von Dipl.-Ing. R. vom 8. November 2010 - die Freizeitlärm-Richtlinie herangezogen, weil das mit den im Kultur- und Gemeindezentrum stattfindenden Veranstaltungen verbundene Lärmpotenzial dem Emissionscharakter der in der Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten Freizeitanlagen ähnlicher sei als dem der von der TA Lärm erfassten gewerblichen Anlagen. Gegen diese tatrichterliche Würdigung kann die Beklagte sich nicht mit einer Grundsatzrüge wenden. Abgesehen davon legt sie weder dar noch ist sonst ersichtlich, warum die im Wesentlichen auf (technischen) Anlagenlärm zugeschnittene TA Lärm als Orientierungshilfe geeigneter sein sollte. Vom Anwendungsbereich der TA Lärm sind nicht genehmigungsbedürftige Freizeitanlagen ausdrücklich ausgenommen (Nr. 1 Buchst. b).
- 6
-
b) Auch die Frage,
-
Sind seltene Ereignisse nur solche im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 2 LImSchG Rheinland-Pfalz?
-
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat in Ziffer 5 des Tenors und in den hierauf bezogenen Urteilsgründen (UA S. 15) unter Hinweis auf die Regelung Nr. 4.4 der Freizeitlärm-Richtlinie ausdrücklich auf seltene Ereignisse abgestellt und dabei auf § 4 Abs. 5 Satz 2 des Landes-Immissionsschutzgesetzes (LImSchG) vom 20. Dezember 2000 (GVBl. S. 578, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. August 2014, GVBl. S. 194) Bezug genommen; soweit es § 5 LImSchG zitiert hat, handelt es sich dabei offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung. Die Ausfüllung des Begriffs des seltenen Ereignisses im Sinne der Freizeitlärm-Richtlinie, die keine Rechtsquelle darstellt, ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 - BRS 71 Nr. 168 Rn. 4). Ob eine Veranstaltung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 5 LImSchG erfüllt, namentlich für ihre Durchführung ein öffentliches Bedürfnis besteht, betrifft ebenfalls die Anwendung und Auslegung nicht revisiblen Landesrechts. Auf die Auslegung von Nr. 6.3 der TA Lärm kommt es in diesem Zusammenhang entgegen der Auffassung der Beschwerde schon deshalb nicht an, weil das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Einzelfallwürdigung die TA Lärm nicht herangezogen hat.
- 7
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c) Aus diesem Grund wäre die Frage,
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Ist Nr. 6.7 der TA Lärm in Fällen des § 34 Abs. 1 BauGB anwendbar?
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in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Ausführungen zur Gemengelage nicht auf Nr. 6.7 der TA Lärm. Der Verweis der Beschwerde auf die unter Nr. 3 der Freizeitlärm-Richtlinie vorgesehene subsidiäre Geltung der TA Lärm führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Nr. 3 betrifft nur den zulässigen Rückgriff auf die allgemein anerkannten akustischen Grundregeln, wie sie in der TA Lärm und der Sportanlagenlärmschutzverordnung festgelegt sind. Die vom Oberverwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen behandelten und in den tenorierten Auflagen Nr. 4 und 5 vorgesehenen Beurteilungspegel orientieren sich dagegen offenkundig an den in Nr. 4.1 Buchst. c und d sowie Nr. 4.4.2 Buchst. a, b und e der Freizeitlärm-Richtlinie vorgesehenen Werten. Das belegt schon die Verwendung des Begriffs "Ruhezeit", den die TA Lärm so nicht kennt (vgl. Nr. 6.5 der TA Lärm "Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit"). Ungeachtet dessen hat das Oberverwaltungsgericht - wie schon das Verwaltungsgericht - in den tenorierten Auflagen ohnehin nicht auf den errechneten Mittelwert von 43 dB(A), sondern - dem Antrag des Klägers entsprechend - auf den für die Beklagte günstigeren Nachtwert von 45 dB(A) für Kern-, Dorf- und Mischgebiete abgestellt.
- 8
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d) Die Frage,
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Sind nachbarschützende Genehmigungsauflagen Anspruchsgrundlagen?
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würde sich so formuliert nicht stellen, weil das Oberverwaltungsgericht den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nicht auf die Schallschutzauflagen in der Baugenehmigung, sondern auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. eine analoge Anwendung der §§ 1004, 906 BGB gestützt hat. Sofern sie in Wahrheit darauf zielt, ob der Nachbar in solchen Fällen nur einen Anspruch gegen die Genehmigungsbehörde auf bauaufsichtliches Einschreiten hat, lässt sie sich verneinen, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
- 9
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In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es einem lärmbetroffenen Nachbarn unbenommen ist, sein Rechtsschutzziel (Schutz vor Lärmimmissionen) sowohl mittels Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Einrichtung als auch im Wege einer Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Bauaufsichtsbehörde zu verfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 4 B 55.03 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 = juris Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92 - BGHZ 122, 1 LS). Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen der Unterlassungsanspruch gegen den privaten Betreiber auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden muss, sondern auch dann, wenn für die Unterlassungsklage der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, weil es sich - wie hier - um eine von der Gemeinde betriebene öffentlich-rechtliche Einrichtung handelt.
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e) Schließlich wäre auch die auf das im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Schallschutzgutachten von Dipl.-Ing. R. vom 8. November 2010 zielende Frage,
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in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Schallschutzgutachten ist Bestandteil der Baugenehmigung vom 10. November 2010; nach deren Inhalt sind insbesondere die in Abschnitt 7 des Gutachtens beschriebenen Schallschutzmaßnahmen zu beachten und einzuhalten (S. 2). Die vom Oberverwaltungsgericht gemäß §§ 133, 157 BGB vorgenommene Auslegung (UA S. 13 f.) betrifft folglich den Inhalt der Baugenehmigung. Entgegen der Auffassung der Beschwerde macht es insoweit keinen Unterschied, ob die Genehmigungsbehörde das Schallschutzgutachten oder Teile davon in die Baugenehmigung "einrückt" oder sich dessen Inhalt im Wege der Bezugnahme zu eigen macht. Dass die bundesrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB auf öffentlich-rechtliche Erklärungen, d.h. u.a. auf Verwaltungsakte, entsprechend anzuwenden sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 27 m.w.N.).
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2. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
- 12
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a) Mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil es ohne vorherige Ankündigung erst im Urteil von seinem Schreiben vom 30. Dezember 2016 abgerückt sei und so eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen habe, dringt die Beklagte nicht durch.
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Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verbietet es, dass das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretenen Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 -
juris Rn. 16, 18 und vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 38 jeweils m.w.N.). Die Garantie des rechtlichen Gehörs kann deshalb auch dann verletzt sein, wenn das Gericht im Laufe des Verfahrens seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs in hinreichend eindeutiger Weise zu erkennen gegeben hat und dann - ohne vorherigen Hinweis - von dieser wieder abrückt, so dass dem Prozessbeteiligten ein Vortrag zur geänderten Auffassung nicht mehr möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2016 - 7 B 26.15 - AbfallR 2016, 250 = juris Rn. 11 m.w.N.).
- 14
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Daran gemessen ist eine Überraschungsentscheidung hier nicht dargetan. Das Oberverwaltungsgericht war nicht gehalten, in der mündlichen Verhandlung im Dezember 2017 ausdrücklich vom Inhalt seines Schreibens vom 30. Dezember 2016 abzurücken. Dieses Schreiben lässt nicht erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Frage nach dem vollstreckungsfähigen Inhalt der Begriffe "lärmintensive Veranstaltungen" bzw. "lärmintensive Nutzungen" oder der Anwendbarkeit der TA Lärm bereits im Sinne der Beklagten festgelegt sei. Es dient lediglich zur Erläuterung des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 über die Zulassung der Berufung und betont ausdrücklich, dass mit der Zulassung keine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung verbunden sei. Als Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer rechtlichen Bewertung scheidet es daher aus.
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b) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es das von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Schallgutachten des Ingenieurbüros G. vom 28. August 2016 nicht gewürdigt hat.
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Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass es auf dieses Gutachten entscheidungserheblich ankommt. Es verhält sich dazu, ob die Auflage unter Nr. 7.3 des Schallschutzgutachtens von Dipl.-Ing. R. vom 8. November 2010, wonach die Außenbauteile lärmintensiv genutzter Räume nachts ständig geschlossen zu halten sind, aus schalltechnischer Sicht für die gesamte Veranstaltungszeit einschließlich Pausen gilt (S. 1). Diese Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil die Baugenehmigung einschließlich des zu ihrem Bestandteil erklärten Schallschutzgutachtens von Dipl.-Ing. R. bestandskräftig geworden ist. Eine nachträgliche Auslegung der Schallschutzauflagen durch einen Drittgutachter, die der Sache nach auf eine formlose Änderung der Auflagen hinaus liefe, scheidet daher aus.
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c) Ein Aufklärungsmangel liegt auch nicht darin, dass das Oberverwaltungsgericht keine Tatsachenfeststellungen zu den tatsächlichen Lärmbelastungen getroffen, sondern nur festgestellt hat, dass die Fenster und Oberlichter des Kultur- und Gemeindezentrums zur Nachtzeit geöffnet waren.
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Die Beschwerde übersieht, dass der Unterlassungsanspruch des Klägers nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht davon abhängt, ob der Betrieb des Kultur- und Gemeindezentrum nachweislich zu unzumutbaren Lärmbelästigungen geführt hat. Über die in den Schallschutzauflagen der Baugenehmigung festgesetzten Verhaltensanordnungen wird ein abstrakter Gefährdungstatbestand normiert, der den Schutz des Nachbarn vorverlagert. Das Verhaltensgebot gegenüber der Beklagten, die Außenbauteile lärmintensiv genutzter Räume nachts ständig geschlossen zu halten, wird seinem Zweck nur gerecht, wenn seine Durchsetzung unabhängig von den Auswirkungen im jeweiligen Einzelfall gewährleistet ist. Der Kläger muss daher nicht nachweisen, dass ein Verstoß gegen die gerade auch seinen Schutz bezweckenden Auflagen ihn konkret beeinträchtigt oder solche Beeinträchtigungen unmittelbar bevorstehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1996 - V ZR 335/95 - DVBl. 1997, 424 = juris Rn. 10). Vielmehr reicht aus, dass - wie das Oberverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts festgestellt hat - die Beklagte die Lärmschutzauflagen in der Vergangenheit nachweislich wiederholt nicht beachtet hat.
- 19
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg
III.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen eine gastronomisch-musikalische Freiluftveranstaltung, die an vier zusammenhängenden Tagen jeweils im August auf dem Marktplatz der Beklagten stattfindet. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung J. , das mit dem Wohn- und Geschäftshaus X. Straße 2 bebaut ist. Hierbei handelt es sich um ein viergeschossiges Objekt, welches zudem über einen Dachgarten verfügt. Die Klägerin bewohnt die oberste Etage; die zu ihrer Wohnung gehörenden Schlafräume sind den Angaben der Klägerin zufolge nach Norden ausgerichtet. Die X. Straße, die etwa 20 m westlich des Grundstücks der Klägerin am Alten S.------platz beginnt, verläuft im Wesentlichen in ostwärtiger Richtung. Etwa 35 m ostwärts des Grundstücks X. Straße 2 zweigt die Von-T1. -Straße nach Norden ab. Diese trifft nach etwa 40 m auf die ebenfalls von Westen nach Osten verlaufende X1.-----straße . Diese mündet etwa 20 m weiter ostwärts auf den N3.----platz . Die Straßen sind allesamt als Fußgängerzone ausgebaut, die für Lieferverkehr lediglich zwischen 4:00 Uhr und 11:00 Uhr sowie 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr zugänglich ist. Unter dem N3.----platz befindet sich eine Tiefgarage, die von der nördlich hiervon verlaufenden Straße Am U. aus angefahren wird. Nördlich des N3.----platzes befindet sich ein fünfgeschossiges Gebäude mit Flachdach, in welchem sich eine Altenwohnanlage befindet. Die geringste Entfernung (Luftlinie) zwischen dem Grundstück der Klägerin und der südwestlichen Ecke des N3.----platzes beträgt etwa 75 m; die östliche Seite des Platzes ist etwa 155 m entfernt. Zur Veranschaulichung der geschilderten örtlichen Gegebenheiten wird auf den folgenden Kartenausschnitt (Quelle: Bezirksregierung Köln, Abteilung Geobasis) verwiesen.
3 4Mit einer auf § 12 des Gaststättengesetzes (GastG) gestützten Gestattung vom 19. März 2015 erteilte die Beklagte dem Empfänger „Live Projektveranstaltungs GbR/Stadtmarketing J. “ die Erlaubnis zum vorübergehenden Gaststättenbetrieb auf dem N3.----platz der Beklagten in der Zeit vom 6. August 2015 bis zum 9. August 2015, wobei der Betrieb am 6. August 2015 bis 24.00 Uhr, am 7. und am 8. August 2015 jeweils bis 1:00 Uhr und am 9. August 2015 bis 21:00 Uhr stattfinden sollte. Die Veranstaltung wurde als „Genuss Pur 2015“ bezeichnet. Unter dem 8. Juli 2015 traf die Beklagte gegenüber dem Empfänger „Stadtmarketing J. “ eine als Ordnungsverfügung bezeichnete Entscheidung zur Durchführung der Veranstaltung Genuss Pur. Diese Verfügung enthält Regelungen über die Betriebszeiten, die mit den Angaben in der gaststättenrechtlichen Gestattung übereinstimmen. Unter Nummer 6. enthält die Verfügung Auflagen zum Immissionsschutz. Darin nimmt die Beklagte Bezug auf den „Leitfaden zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen“, wonach der Immissionsrichtwert im Außenbereich bis 24.00 Uhr 85 dB(A) und von 24.00 Uhr bis 1.00 Uhr 70 dB(A) betrage. Das Herabsetzen der Immissionswerte werde ‑ so die Beklagte ‑ dadurch erreicht, dass das Bühnenprogramm um 24.00 Uhr beendet werde und anschließend etwa sogenannte Walking Acts die Besucher unterhalten könnten. Außerhalb der genannten Zeit seien Immissionsrichtwerte einschlägig, wie sie im Erlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für seltene Ereignisse geregelt seien. Die Adressatin der Ordnungsverfügung wird aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die vorgegebenen Immissionsrichtwerte nicht überschritten würden.
5Unter dem 22. Juli 2015 legte die Live-Projekt GbR ein Sicherheitskonzept vor, welches sich unter Nummer 6. auch mit einem Feuerwerk befasste, das am Samstag (8. August 2015) vom Dach des am Nordrand des N3.----platzes gelegenen Altersheims aus abgefeuert werden sollte.
6An den fraglichen Tagen im August wurde die Veranstaltung wie geplant durchgeführt. Hierüber wurde in der örtlichen Presse ausführlich und mit positiver Tendenz berichtet. In einem Kommentar vom 10. August 2015 heißt es etwa: Genuss Pur habe sich im Kalender der Stadt mehr als etabliert. Dieses Ereignis müsse sich vor vergleichbaren Veranstaltungen in anderen Städten wahrlich nicht verstecken. Der Autor des Kommentars freue sich jedenfalls schon auf das nächste Jahr.
7Unmittelbar im Anschluss an die Veranstaltung bewerteten Bedienstete der Beklagten deren Ablauf unter dem Gesichtspunkt der Immissionssituation. In einer E-Mail vom 9. August 2015 heißt es insoweit: Alles in allem sei die Veranstaltung überaus ruhig verlaufen. Zu keiner Zeit hätten die Werte nur annähernd den Maximalwert von 85 dB(A) erreicht. Vor 24.00 Uhr habe eine Messung an allen Tagen maximal die nach 0:00 Uhr geforderten Werte von 70 dB(A) ergeben. Am Sonntag habe man lediglich im Rahmen einer Streife stichprobenartige Kontrollen ohne Messung vorgenommen. Auch dabei sei alles sehr ruhig gewesen. Lediglich ein Bewohner des Grundstücks X. Straße 24 habe am Freitag um 0.05 Uhr telefonisch Beschwerde geführt. Daraufhin habe der Veranstalter die Musik selbstständig abgestellt. Dem Beschwerdeführer sei mitgeteilt worden, dass die Werte „absolut in der Toleranzgrenze seien“. In den Akten der Beklagten findet sich im Anschluss an diese E-Mail eine Tabelle über Lärmmessungen an den Tagen vom 6. August 2015 (Donnerstag) bis 8. August 2015 (Samstag). Die darin ausgeworfenen Durchschnittswerte bewegen sich durchweg unterhalb von 70 dB(A).
8Am 7. November 2015 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der Meinung: Die Verfügung der Beklagten vom 8. Juli 2015 sei rechtswidrig gewesen und habe ihre Rechte verletzt. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, zumal Wiederholungsgefahr bestehe; die Beklagte sei der Auffassung, bei „Genuss Pur“ handele es sich um eine Traditionsveranstaltung, die auch künftig mit den gleichen unzulänglichen Auflagen zum Immissionsschutz gestattet werde. Die Beklagte habe zu Unrecht Ausnahmen von den Verboten der §§ 9, 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG) zugelassen. Nach diesen Vorschriften seien von den darin enthaltenen Regelungen Ausnahmen nur im öffentlichen Interesse möglich. Ein öffentliches Interesse bestehe bei Volksfesten nur dann, wenn im Einzelfall sachliche Gründe mit erheblichem Gewicht die Erstreckung der Veranstaltung gerade auf die Nachtzeit sowie den Einsatz von lautverstärkenden Hilfsmitteln erfordere. Die positive Außendarstellung der Stadt und der Gastronomie sowie des Einzelhandels seien keine hinreichenden Gründe, die Veranstaltung gerade in der Nachtzeit zuzulassen. Zwar sei die Traditionspflege grundsätzlich ein wichtiges Allgemeingut. Bei „Genuss Pur“ handele es sich jedoch nicht um eine Traditionsveranstaltung, weil sie erst seit wenigen Jahren stattfinde. Es sei auch kein traditionelles Fest. Es könnten nicht Veranstaltungen, die erst seit einigen Jahren durchgeführt würden, als Tradition ausgewiesen werden, um den Schutzzweck der §§ 9, 10 LImSchG aufzuheben. Auf dem N3.----platz und dem Alten S.------platz fänden an 53 Tagen des Jahres Musikveranstaltungen mit Bühne und lauter Musik statt. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sommernächte“ vom 1. August 2015 bis zum 22. August 2015 seien an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden Veranstaltungen auf dem N3.----platz durchgeführt worden. Neben „Genuss Pur“ habe es sich um die „Modenacht“, die „Summerjam“ und schließlich die „Rosenlust“ gehandelt. Es seien 48 Bands und Solokünstler aufgetreten, und es habe 9 Straßentheaterproduktionen sowie dreimal Feuerwerk gegeben. Im Übrigen habe es in der J.---Innenstadt zwischen dem 18. Juni 2015 und Weihnachten eine Reihe von Veranstaltungen mit lauter Musik unter Verwendung schallverstärkender Mittel gegeben. Angesichts dessen könne die Veranstaltung „Genuss Pur“ nicht als singuläres Ereignis angesehen werden. Sie habe in ihren Räumen bei geschlossenen Fenstern eine Geräuschimmission von 70-75 dB(A) gemessen. Danach seien die Feststellungen der Beklagten zur Immissionsbelastung nicht haltbar. Die Einhaltung der Lärmgrenzwerte werde auch nicht von der Beklagten selbst überwacht; die von dem Veranstalter festgestellten Werte seien zweifelhaft. Die Zahl der Veranstaltungen steige von Jahr zu Jahr; sie ‑ die Klägerin ‑ sei nicht mehr bereit, eine Verletzung ihrer Rechte hinzunehmen. Durch das Feuerwerk habe sie bereits Tinnitus, Schwindel und Störung des Gleichgewichtsorgans erfahren. Deshalb habe sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
9Die Klägerin beantragt,
10festzustellen, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 8. Juli 2015 betreffend die Veranstaltung „Genuss Pur“ rechtswidrig war und sie ‑ die Klägerin ‑ dadurch in ihren Rechten verletzt wurde.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie macht geltend: Sie bemühe sich um eine Entzerrung der Veranstaltungen, indem auch andere Flächen in Anspruch genommen würden. Diese fänden etwa auf dem T2.-------platz und auf dem Alten S.------platz statt. Zudem seien eine Vielzahl dieser anderen Ereignisse unter dem Gesichtspunkt der Immissionsbelastungen nicht mit „Genuss Pur“ vergleichbar. Dieses Ereignis besitze im Iserlohner Veranstaltungskalender eine singuläre und herausragende Stellung; vergleichbare Veranstaltungen würden weder durchgeführt noch ständen sie an. Angesichts dessen sei die sinngemäße Darstellung der Klägerin unzutreffend, wonach sie den ganzen Sommer über von innerstädtischen Musikdarbietungen in den Abendstunden unzumutbar belästigt werde. Die von ihr ‑ der Beklagten ‑ festgelegten Lärmgrenzwerte würden kontrolliert und gegebenenfalls auch durchgesetzt. Insoweit sei es statthaft, den jeweiligen Veranstalter zu einer fortlaufenden Dokumentation der Immissionen zu verpflichten. Im Übrigen führe auch sie ‑ die Beklagte ‑ selbst Messungen der Lärmbelastungen durch. Die Klägerin sei nicht mit dem Begehren an die Beklagte herangetreten, Messungen unmittelbar in ihren Wohnräumen durchzuführen. Sie ‑ die Beklagte ‑ habe die in Rede stehende Veranstaltung nach der Freizeitlärmrichtlinie, dem Leitfaden des Ministeriums und der einschlägigen Rechtsprechung rechtsfehlerfrei zugelassen. Danach könnten bei innerstädtischen Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, bei denen die Immissionsrichtwerte der Freizeitlärmrichtlinie nicht eingehalten werden könnten, Überschreitungen für seltene Ereignisse zugelassen werden, wenn die Abwägung der öffentlichen gegen die privaten Interessen zu Gunsten der Veranstaltung ausfalle. Dies sei hier geschehen, so dass ihre Entscheidung rechtens gewesen sei.
14Am 26. April 2016 hat der Berichterstatter die Streitsache in J. erörtert und sich hierbei auch mit den örtlichen Verhältnissen vertraut gemacht. Auf die über diesen Termin gefertigten Niederschrift (Blätter 31 bis 34 der Gerichtsakte) wird verwiesen.
15Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Hiernach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser Akt vorher, also vor der gerichtlichen Entscheidung, erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Über den eigentlichen Wortlaut der Bestimmung hinaus kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch in Betracht, wenn sich ein Verwaltungsakt ‑ wie hier ‑ bereits vor Klageerhebung erledigt hat. Allerdings kann in dieser Situation das Feststellungsinteresse nicht auf die Erwägung gestützt werden, es sei beabsichtigt, wegen des rechtswidrig gewesenen Verwaltungsakts Amtshaftungsansprüche geltend zu machen,
18vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juli 1996‑ 1 B 121.96 ‑, zitiert nach „Juris“, daselbst bei Rn. 7.
19Im vorliegenden Fall hat sich die behördliche Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit die Klägerin festgestellt sehen will, mit dem Ende der Veranstaltung (9. August 2015 21.00 Uhr) erledigt. Die Klägerin beabsichtigt nicht, die Beklagte mit einem Amtshaftungsanspruch zu überziehen. Vielmehr begründet sie ihr Feststellungsinteresse mit der Wiederholungsgefahr. Diese ist ohne weiteres gegeben: Die Vertreter der Beklagten haben im Erörterungstermin und erneut in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass auch im August 2016, also in wenigen Tagen, das viertägige Ereignis auf dem N3.----platz stattfinden wird.
20Die Klage wurde am 7. November 2015 auch rechtzeitig erhoben. Die Ordnungsverfügung wurde der Klägerin nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt, so dass sie der Klägerin gegenüber bis zu ihrer Erledigung nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Hat sich allerdings ein Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft erledigt, so ist eine Klage, die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden; die Möglichkeit einer Verwirkung des Klagerechts bleibt freilich unberührt
21vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7.98 ‑ zitiert nach „Juris“.
22Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, die Klägerin sei angesichts der beträchtlichen Entfernung zwischen ihrem Hause und dem N3.----platz gar nicht im Rechtssinne betroffen, so dass sie sich auf eine etwaige Verletzung der §§ 9, 10 LImSchG nicht berufen könne. Zwar vermag die bloße Behauptung, durch eine emittierende Anlage oder ein emittierendes Ereignis gestört zu sein, einen immissionsschutzrechtlichen Abwehranspruch nicht zu begründen. Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch anders: Die Beklagte hat selbst Messungen der Geräuschsituation unter anderem vor dem Grundstück der Klägerin durchgeführt (Blätter 72 a ff. der BA II), wobei die dort festgestellten Lärmwerte immerhin ein Ausmaß erreichten, die eine „Betroffenheit“ der Klägerin begründen können. Ob die Klägerin nach den Vorschriften des materiellen Rechts verpflichtet ist, diese Betroffenheit hinzunehmen, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage.
23In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings keinen Erfolg. Denn die als Ordnungsverfügung bezeichnete Maßnahme der Beklagten, bei der es sich materiell um die immissionsschutzrechtliche Zulassung einer Ausnahme von gesetzlichen Verboten handelt, verletzte die Klägerin nicht rechtswidrig in ihren Rechten. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 ImSchG kann die zuständige Behörde Ausnahmen von dem Verbot, die Nachtruhe zu stören, zulassen, wenn die Ausübung der störenden Tätigkeit während der Nachtzeit im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 ImSchG kann die Behörde von den in § 10 Absätze 1 und 2 ImSchG enthaltenen Regelungen betreffend die Verwendung von Tongeräten im Einzelfall Ausnahmen zulassen, wenn ein öffentliches oder ein überwiegendes privates Interesse hieran besteht. Das „öffentliche Interesse“, von dem diese Vorschriften sprechen, ist im Falle des Ereignisses „Genuss Pur“ ohne weiteres erfüllt: Ausweislich der zahlreichen Presseberichte über „Genuss Pur“ trifft diese Veranstaltung auf ein äußerst lebhaftes öffentliches Interesse. Dieses wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass einzelne Menschen wie möglicherweise die Klägerin derartige Belustigungen grundsätzlich ablehnen.
24Wenn danach jeweils der Tatbestand der Ausnahmevorschrift erfüllt ist, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß sie Ausnahmen zulässt. Einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist ihre Ermessensentscheidung nur nach Maßgabe von § 114 VwGO. Danach hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob die Behörde die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat, sind auch sogenannte ermessenslenkende Verwaltungsrichtlinien (Verwaltungsvorschriften) zu berücksichtigen. Diese entheben die Behörde allerdings nicht von der Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Ermessensentscheidung unter Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte des konkreten Falles,
25vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Auflage (2015) § 114 Rd.-Nr. 10a mit weiteren Nachweisen.
26Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bei ihrer Ermessensbetätigung zum einen den Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 23. Oktober 2006 „Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen“ und den vom selben Ministerium unter dem 17. Dezember 2009 veröffentlichten „Leitfaden zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten und ähnlichen Traditionsveranstaltungen“ in den Blick genommen. Beide Regelwerke betreffen Volksfeste und ähnliche Traditionsveranstaltungen, so dass dem Einwand der Klägerin nachzugehen ist, wonach es sich bei „Genuss Pur“ gar nicht um eine Traditionsveranstaltung handele, sondern lediglich um ein zusätzliches gastronomisches Angebot in der Innenstadt von J. . Insoweit ist der Klägerin allerdings zuzugestehen, dass „Genuss Pur“ ganz augenscheinlich eine neuzeitliche Form des Stadtmarketing darstellt, wie sie in anderen Städten des Gerichtsbezirks („N4. à la carte“ „B. kulinarisch“) in ähnlicher Weise praktiziert wird. Mit „Tradition“ im Sinne einer Jahrzehnte langen Übung, auf welche etwa die Schützenfeste des Sauerlandes und die Soester Kirmes zurückblicken können, hat dies an sich nichts zu tun. Dieser Befund steht der Anwendung der zitierten Regelwerke indessen nicht von vornherein entgegen. Die Kammer schließt sich dem
27Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26. September 2003– V ZR 41/03 ‑, Baurechtssammlung (BRS) Band 66 Nr. 175,
28an, der zur Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen seitens einer Veranstaltung, die (noch) keine Tradition aufweisen kann, folgende Auffassung vertritt:
29Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen sei, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrundeliege. Zwar könne dem Traditionscharakter einer Veranstaltung in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt stehe der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung jedoch nicht entgegen, dass eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfinde. Andernfalls wären die Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen, wo Traditionsveranstaltungen fehlten, oder die Abläufe bei Festen zu ändern, die auf eine langjährige Übung zurückgingen. Demgemäß könnten auch die mit Gemeinde ‑ und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik ‑ und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangten sie hierbei im Einzelfall überregionale Bedeutung, nehme ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, soweit die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt sei und von ihr angenommen werde.
30Diese Überlegungen des Bundesgerichtshofs sind auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung. Zwar behandelt der BGH die Frage, ob Lärmimmissionen unwesentlich sind im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, so dass der Eigentümer eines Grundstücks diese Einwirkungen nicht verbieten kann. Genau diese Frage, ob nämlich die von „Genuss Pur“ ausgehenden Geräusche von der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks X. Straße 2 hingenommen werden müssen, stellt sich auch im vorliegenden Verwaltungsstreit. Auch im Immissionsschutzrecht muss eine Gemeinde die Möglichkeit haben, neuartige Ereignisse zuzulassen und hierbei von den Ausnahmevorschriften nach §§ 9, 10 LImSchG Gebrauch zu machen. Danach finden auf die in Rede stehende Veranstaltung, die in J. regelmäßig ‑ wenngleich erst seit etwa 10 Jahren ‑ stattfindet, die zuvor bezeichneten ministeriellen Verlautbarungen Anwendung.
31Bei „Genuss Pur“ handelt es sich schließlich um ein „seltenes Ereignis“ im Sinne der hier interessierenden Regelwerke. Nr. 3.2 des Erlasses in der hier im August 2015 noch geltenden Fassung enthält mittelbar eine Definition des seltenen Ereignisses, indem dort von „seltenen Fällen“ bzw. einer begrenzten Zeitdauer von nicht mehr als 10 Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als zwei Wochenenden hintereinander die Rede ist. Ausgehend hiervon folgt die Kammer der Auffassung der Beklagten, wonach sich die in Rede stehende Veranstaltung auf die Privilegierung für seltene Ereignisse berufen kann. Die zahllosen Veranstaltungen, welche die Klägerin insoweit anführt, sind ganz überwiegend im vorliegenden Zusammenhang überhaupt nicht von Belang. Insoweit ist es nämlich nicht sachgerecht, die Gesamtzahl der öffentlichen Ereignisse in J. in den Blick zu nehmen und festzustellen, dass hieran gemessen „Genuss Pur“ eben kein seltenes Ereignis sei. Bei der Bestimmung des Merkmals „selten“ sind ausschließlich solche Gegebenheiten in den Blick zu nehmen, die sowohl hinsichtlich des jeweiligen Austragungsorts als auch im Hinblick auf die Immissionsbelastungen, die von ihnen ausgehen, Ähnlichkeiten aufweisen. Angesichts dessen muss etwa das J.---Schützenfest, auf welches die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. Juli 2016 abstellen, von vornherein ausscheiden, weil die B1. (Parkhalle) von dem Gebäude X. Straße 2 rund 750 m entfernt liegt. Auch der G. -L1. -Platz, der deutlich mehr als 200 m südlich vom Grundstück der Klägerin entfernt liegt und von diesem durch mehrere Straßen und eine geschlossene Bebauung abgeschirmt wird, gehört nicht zur näheren Umgebung des Alten S.---platzes und des N3.---platzes, so dass das „Friedensfest“, das dort im Juni 2015 stattgefunden hat, keineswegs die „Seltenheit“ von „Genuss Pur“ in Frage stellt. Dass „Jesus liebt Dich“ der Stadtmission, eine Caritas-Veranstaltung, ein Büchereifest und ein Friedensfest unter dem Gesichtspunkt der Immissionsbelastung Ähnlichkeiten mit „Genuss Pur“ aufweist, ist ausgehend von den Inhalten dieser Veranstaltungen, die sich in ihren Bezeichnungen widerspiegeln eher unwahrscheinlich; jedenfalls trägt die Klägerin hierzu nicht substantiiert vor. Angesichts dessen ist die Kammer davon überzeugt, dass Genuss Pur „selten“ ist im Sinne der einschlägigen Erlasslage.
32Die Entscheidung der Beklagten, von den in Nr. 3.2 des Erlasses für „seltene Ereignisse“ festgelegten Immissionsrichtwerten Ausnahmen zuzulassen, erweist sich im konkreten Fall als ermessensfehlerfrei. Hierzu heißt es in Nr. 3.4 des Erlasses in der Fassung seiner Änderung vom 16. September 2009: (Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen S.450):
33„Insbesondere bei Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen können häufig auch unter Nutzung aller zumutbaren Lärmschutzmaßnahmen die Immissionsrichtwerte der Nr. 3.1 und 3.2 nicht eingehalten werden. Jedoch besteht gerade hier oftmals ein öffentliches Interesse an der Durchführung einer solchen Veranstaltung innerhalb oder in unmittelbarer Nähe zu einer Wohnnutzung.
34Diese Immissionsrichtwerte sind jedoch nicht abschließend. Gemäß der §§ 9 und 10 LImSchG können bei einem öffentlichen oder einem überwiegenden privaten Interesse Ausnahmen zugelassen werden, ggf. mit entsprechenden Auflagen zum Schutz der Anwohner. Im Rahmen dieser Ausnahmen kommen auch Überschreitungen der unter Nr. 3.2 benannten Werte für seltene Ereignisse oder einer Verschiebung der Nachtzeit in Betracht. Bei der Ausnahmeerteilung sind die öffentlichen bzw. privaten Interessen und die Interessen der vom Lärm betroffenen Personen gegeneinander abzuwägen. Voraussetzung für die Erteilung derartiger Ausnahmegenehmigungen ist es, dass die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm getroffen werden. Dabei ist gegebenenfalls auch zu prüfen, ob geeignete alternative Standorte vorhanden sind.“
35Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist die Entscheidung der Beklagten, die weiter oben im Tatbestand mitgeteilten Immissionsrichtwerte zuzulassen, nach dem Maßstab des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Sowohl der N3.----platz als auch das Grundstück der Klägerin befinden sich im Zentrum einer Großen kreisangehörigen Stadt, wobei es sich bauplanungsrechtlich um ein klassisches Kerngebiet handelt. Hier bieten sich Festivitäten wie die in Rede stehende Veranstaltung geradezu an, und sie müssen von den Anwohnern auch hingenommen werden. Wer sich in der Innenstadt niederlässt, seine Schlafräume zu einem N3.----platz hin ausrichtet und auf seinem mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus einen Dachgarten angelegt, kann nicht erwarten, dort Verhältnisse wie in einem allgemeinen oder gar reinen Wohngebiet anzutreffen. Dass es hier in den Abend- und auch Nachtstunden ‑ gerade im Sommer und nicht zuletzt ausgelöst durch die Sommerzeit ‑ zu Geräuschbelastungen beträchtlichen Ausmaß kommen wird, muss den Anwohnern von vornherein klar sein. Wenn die Beklagte in dieser örtlichen Situation eine mehrtägige Veranstaltung zulässt, die dem in jüngerer Zeit aufkommenden Bedürfnis nach lautstarker Beschallung Rechnung trägt, haben die Anwohner dies hinzunehmen, auch wenn sie diese neuartigen Erscheinungsformen der Geselligkeit grundsätzlich ablehnen.
36Soweit die Klägerin im Übrigen geltend macht, die Beklagte habe die Einhaltung der von ihr verfügten Immissionsgrenzwerte nicht selbst überwacht, trifft dies zum einen nicht zu. Die Messprotokolle in Verbindung mit den zugehörigen Plan (Blätter 72 a ff. der BA II) stammen aus den Untersuchungen der Beklagten und nicht etwa des Veranstalters. Im Übrigen kommt es auf diesen Gesichtspunkt auch gar nicht entscheidend an: Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist die Ordnungsverfügung als solche und nicht die Frage, auf welche Weise die Veranstaltung tatsächlich abgewickelt worden ist.
37Soweit schließlich die Klägerin persönliche Empfindlichkeiten anführt und darauf hinweist, durch das Feuerwerk einen Tinnitus-Schaden erlitten zu haben, handelt es sich um eine bedauerliche Auswirkung eines grundsätzlich rechtmäßigen Ereignisses. Für die Frage, ob dem Eigentümer eines Grundstücks oder einem Anwohner ein immissionsschutzrechtlicher Abwehranspruch gegen eine Veranstaltung zusteht, kommt es indessen allein auf die objektiven Gegebenheiten an.
38Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
39Das Gericht sieht davon ab, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Kammer weicht auch nicht von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte ab.
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Beigeladene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
I.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in dem zu erlassenden „Auflagenbescheid“ nach Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG folgende Regelungen zum Lärmschutz aufzunehmen:
1. Der von den Veranstaltungen der ...-Festspiele ausgehende Lärm darf am Anwesen ...-straße ... in ..., folgende Immissionsrichtwerte „Außen“ nicht überschreiten:
tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit (8:00 bis 20:00 Uhr) 55 dB(A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit (6:00 bis 8:00 Uhr und von 20:00 bis 22:00) und an Sonn- und Feiertagen 50 dB(A),
nachts (von 22:00 bis 6:00 Uhr) 40 dB(A).
Einzelne Geräuschspitzen dürfen die vg. Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 30 dB(A) sowie nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
Die Nachtzeit wird am 10., 11., 18., 25. und 27. Juni, am 2., 9., 11., 23. und 30. Juli sowie am
2. Die Messergebnisse der bei den ersten Veranstaltungen der Sparte A (Musical „Hair“) und Sparte C (Sonderveranstaltungen) sowie Sparte B („Schillers Räuber“, Familienmusical „Peter Pan“ und Eigenproduktion „Jesus Mohammed“) durchgeführten Schallimmissionsmessungen dürfen von den Antragstellern eingesehen werden.
II.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
III.
Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen haben die Antragsteller als Gesamtschuldner 2/3, die Antragsgegnerin und der Beigeladene je 1/6 zu tragen.
IV.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Festlegung von Regelungen des Lärmschutzes für die Veranstaltung der diesjährigen ...-Festspiele des Beigeladenen.
1.
Der Beigeladene betreibt seit 22 Jahren auf der Freilichtbühne der Ruine ... in der Stadt Klingenberg a. Main Festspiele, die jährlich von ca. 30.000 bis 40.000 Gästen besucht werden. Das jährliche Programm gliedert sich in ein Musical und ein Kinderstück (jeweils ca. 15.000 Besucher) sowie in ein Jugendstück (ca. 1.000 Besucher) und Gastspiele (ca. 800 Besucher pro Gastspiel). Im Jahr 2016 sollen im Zeitraum vom 10. Juni bis 2. August an 22 Abenden das Musical „Hair“, an acht Abenden das Schauspiel „Schillers Räuber“, an 26 Nachmittagen das Familienmusical „Peter Pan“, an drei Tagen die Eigenproduktion „Jesus Mohammed“ und an drei Abenden Gastspiele (sog. Rockevents) aufgeführt werden.
Das Wohnhaus der Antragsteller befindet sich ca. 200 m (Luftlinie) nördlich des Veranstaltungsortes auf dem gegenüberliegenden Berghang, von diesem durch ein Tal getrennt, in einem durch den qualifizierten Bebauungsplan „...-straße“ der Stadt Klingenberg a. Main ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet.
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom
2.
Daraufhin ließen die Antragsteller am
1. Die Durchführung von Rockkonzerten, Musicals und musikalischen Events jeder Art werden untersagt.
2. Die Probezeiten mit Beschallung durch eingeschaltete Lautsprecher werden auf den Zeitraum von fünf Tagen vor der Premiere begrenzt. Bei den übrigen Probeterminen sind die Lautsprecher auszuschalten.
3. Sämtliche Veranstaltungen der ... Festspiele müssen zwingend spätestens um 22:00 Uhr beendet sein.
4. Die Beigeladene wird verpflichtet, die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte nach der LAI-Freizeitlärm-Richtlinie durch Messungen, die von einem qualifizierten Ingenieurbüro durchzuführen sind, nachzuweisen. Die Messungen haben jeweils bei der ersten Aufführung der unterschiedlichen Veranstaltungen zu erfolgen. Die Messergebnisse sind bekannt zu geben.
5. Die Dauer der Festspiele darf sechs Wochen nicht überschreiten.
Zur Begründung ließen die Antragsteller vortragen, dass sie eine ständige Ausdehnung der Festspielzeit von ursprünglich vier Wochen auf nun acht Wochen beobachtet hätten. Außerdem liege der Schwerpunkt der Aufführung mittlerweile bei musikalischen Darbietungen, insbesondere bei Musicals, die zu einem großen Anteil aus sehr lauten Gesangseinlagen bestünden. Hinzu kämen in diesem Jahr drei extrem lautstarke Rockevents. Bei den Abendveranstaltungen, die um 20:00 Uhr beginnen würden, sei nicht vor 23:30 Uhr mit Ruhe zu rechnen. Insbesondere in der Woche vom 23. bis zum 26. Juni sei mit extremster Lärmbelästigung zu rechnen, da an diesen Tagen mittags das Familienmusical und abends das Musical „Hair“ gespielt würden. Es schließe sich dann noch ein Rockevent an. Die das Gymnasium besuchenden beiden Söhne der Antragsteller müssten an den folgenden Tagen Klausuren schreiben und wüssten schon heute, dass sie nach der Dauerbeschallung völlig unkonzentriert diese Prüfungen ablegen müssten. Beide Antragsteller hätten anstrengende Berufe. Die fehlenden Ruhezeiten am Abend und in der Nacht führten zu gesundheitlichen Problemen. Die musikalischen Veranstaltungen überschritten ständig die Grenzwerte der LAI-Freizeitlärm-Richtlinie. Die Voraussetzungen für ein seltenes Störereignis seien hier ersichtlich nicht gegeben. Besonders störend sei die Dauerbeschallung durch Familienmusical und Abendmusical.
Der Anspruch auf die Anordnung der beantragten Auflagen ergebe sich unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Überschreitung der zulässigen Lärmwerte sei gesundheitsgefährdend. Im Übrigen sei nach Art. 19 Abs. 4 LStVG eine Veranstaltung zu versagen, wenn dies zur Verhütung von Gefahren für die Gesundheit oder zum Schutz vor erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft erforderlich sei. Darüber hinaus seien im vorliegenden Fall die beantragten Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft im Sinne von Art. 19 Abs. 5 LStVG dringend geboten. Zum Schutz der Anwohner sei es außerdem erforderlich, dass nachhaltige schalltechnische Untersuchungen durch ein qualifiziertes Ingenieurbüro durchgeführt und die Lärmwerte veröffentlicht würden. Die Beigeladene habe den Nachweis zu führen, dass die nach den gesetzlichen Bestimmungen zulässigen Grenzwerte nicht überschritten würden. Den Antragstellern könne in diesem Jahr nicht erneut zugemutet werden, nahezu acht Wochen permanent mit lauten Musikveranstaltungen beschallt zu werden. Bei den diesjährigen Veranstaltungen seien dringlich die Messwerte exakt zu ermitteln, damit künftig effektive Maßnahmen zur Lärmminderung durchgesetzt werden könnten. Die angesetzten Rockkonzerte seien auf Dauer zu untersagen, weil insoweit auch nicht ansatzweise die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden könnten. Die einstweilige Anordnung sei auch die statthafte Rechtsschutzform, denn im Hauptsacheverfahren wäre die Verpflichtungsklage die richtige Klageart. Trotz intensiver Bemühungen seitens der Antragsteller habe eine außergerichtliche Lösung nicht gefunden werden können.
Das vorgelegte Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass die maßgeblichen Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie durch die Musicals und Rockkonzerte nicht eingehalten werden könnten. So werde der Richtwert für die Nachtzeit um 16 dB(A) und der für die Ruhezeit um 3 dB(A) überschritten. Durch den zu erwartenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) für Rockkonzerte werde die Vorgabe der Freizeitlärm-Richtlinie nicht ansatzweise eingehalten. Es sei auch in keiner Weise ersichtlich, wie die Immissionsrichtwerte bei Rockkonzerten und Musicals eingehalten werden könnten. Es könne nicht davon die Rede sein, dass für Rockveranstaltungen und Musicals eine hohe Standortgebundenheit mit örtlichem oder regionalem Bezug gegeben sei. Ein Sonderfall im Sinne der Freizeitlärm-Richtlinie, um die Nachtzeit auf 23:00 Uhr zu verschieben, sei nicht gegeben. Dass hierdurch das halbe Theaterfestival als seltene Veranstaltung qualifiziert werde, entspreche nicht dem Sinn und Zweck der Nr. 4.4.2 der Freizeitlärm-Richtlinie. Die Immissionen, die durch Rockkonzerte und Musicals verursacht würden, seien auch unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs in keiner Weise zumutbar, zumal die Antragsgegnerin gegenüber der ... vor Jahrzehnten ein allgemeines Wohngebiet ausgewiesen habe, das es nun zu schützen gelte. Schließlich sei der Antragsgegnerin aufzugeben, die Schallimmissionsmessungen durch ein qualifiziertes Ingenieurbüro durchführen zu lassen, die Messergebnisse bekannt zu geben und der Beigeladenen aufzugeben, dass auch bei allen Proben die zulässigen Grenzwerte in einem allgemeinen Wohngebiet nicht überschritten würden.
3.
Die Antragsgegnerin ließ mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgebracht: Die Antragsteller schienen grundsätzlich die Rechtsgrundlage zu verkennen, denn eine Genehmigung der Veranstaltungen sei gemäß Art. 19 LStVG nicht erforderlich, insbesondere seien nicht mehr als 1.000 Besucher zu erwarten. Die erforderliche Anzeige nach Art. 19 Abs. 1 LStVG habe eine Woche vor Beginn der Veranstaltung zu erfolgen; dies sei zwischenzeitlich geschehen. Darüber hinaus werde von Antragstellerseite verkannt, dass der Erlass entsprechender Auflagen gemäß Art. 19 Abs. 5 LStVG im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin stehe. Den im vergangenen Jahr durchgeführten Schallmessungen lasse sich entnehmen, dass durch die Veranstaltungen Schauspiel, Kinderstück und Jugendstück in keiner Weise die Werte der Freizeitlärm-Richtlinie überschritten würden. Darüber hinaus habe das Institut ... in der Stellungnahme vom 15. September 2015 Maßnahmen zur Schallausbreitungsreduzierung ermittelt und vorgeschlagen. In einem entsprechenden Auflagenbescheid werde die Auflage aufgenommen, diese Empfehlungen umzusetzen und die Wirksamkeit der empfohlenen Schutzmaßnahmen durch eine Messung bei der ersten Aufführung nachzuweisen. Für den Fall, dass die empfohlenen Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg brächten, habe sich die Antragsgegnerin weitergehende Auflagen vorbehalten. Es liege hier eine Gemengelage vor, so dass sich der Schutzanspruch im vorliegenden Fall gemäß Ziffer 4.1.c der Freizeitlärm-Richtlinie aus den für Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete zugrunde zu legenden Werten ergebe. Nach den Feststellungen des Instituts ... seien diese Grenzwerte deutlich unterschritten, die für Wohngebiete jedenfalls eingehalten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Veranstalter die Anfangszeiten von 20:30 Uhr auf 20:00 Uhr vorverlegt habe. Für die drei Sonderveranstaltungen nehme die Betreiberin die Sonderfallregelung unter Ziffer 4.4 der Freizeitlärm-Richtlinie in Anspruch. Auch die weiteren Voraussetzungen der Freizeitlärm-Richtlinie seien eingehalten, eine Überschreitung des Beurteilungspegels von 55 dB(A) nach 24:00 Uhr ausgeschlossen. Der Antrag der Beigeladenen auf Verschiebung der Nachtzeit für das Musical „Hair“ sei nur hinsichtlich der Samstage, also an insgesamt sieben Tagen um eine Stunde bewilligt worden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Veranstalterin weitere umfangreiche Maßnahmen vorgenommen habe, wie die Verlegung der Premiere auf einen Freitag (also ein Wochenende), die Unterbindung von Musikdarbietungen nach der Premiere, die Änderung der Pausenfanfare, den Wegfall des Feuerwerks, den Wegfall der Pausen an Wochenenden, die Durchführung umfangreicher Messungen, die Installation von Schutzwänden sowie die Beauftragung von Nachmessungen während der Festspiele. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Untersagung der begehrten Sonderveranstaltungen und Musicals das Ende der ...-Festspiele und die Insolvenz des Beigeladenen bedeuten würde. Da hinsichtlich der Proben die jeweils zulässigen Lärmwerte eingehalten würden, sei auch der Antrag zu 2) unbegründet. Gleiches gelte für den Antrag zu 3), da ein Verbot von Aufführungen nach 22:00 Uhr nur dann verlangt werden könne, wenn die entsprechenden Grenzwerte überschritten würden, was nicht zu erwarten sei. Der Antrag zu 4) entbehre einer Grundlage, denn die Veranstaltungen seien genehmigungsfrei. Die Antragsgegnerin erkläre sich aber - ohne dass eine rechtliche Verpflichtung gesehen werde - bereit, nach Eingang der entsprechenden Messergebnisse diese unaufgefordert den Antragstellern zur Verfügung zu stellen.
4.
Der Beigeladene ließ durch seine Bevollmächtigte beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgebracht: Der Antrag zu 1) könne von den Antragstellern nicht verlangt werden. Allenfalls könne die Einhaltung der Grenzwerte nach der Freizeitlärm-Richtlinie beantragt werden. Das gleiche gelte für den Antrag zu 2). Die Festspiele wiesen eine hohe Standortgebundenheit auf. Alleine wegen der malerischen Ruine könnten diese Festspiele an keinem anderen Ort aufgeführt werden. Eine Befragung der gesamten betroffenen Nachbarschaft habe ergeben, dass sich alleine die Antragsteller durch die Festspiele belästigt und gestört fühlten. Die hohe Zahl von ehrenamtlichen Mitgliedern und weiteren mithelfenden Personen aus der Stadt Klingenberg zeige, dass die Veranstaltung eine hohe soziale Adäquanz und Akzeptanz genieße. Der Beigeladene sei auf das Musical dringend angewiesen, da dies der Besuchermagnet sei. Die vom Büro ... vorgeschlagenen Maßnahmen zur Lärmreduzierung seien bereits umgesetzt worden. So seien die Spielzeiten des Musicals auf maximal 120 Minuten gekürzt, auf Pausen verzichtet und Anfangszeiten vorverlegt worden. Nach der Anbringung einer Schallschutzwand und der Regulierung der elektroakustischen Verstärkeranlage um 2-3 dB(A) werde die Schallimmission von 50 dB(A) nicht überschritten. Eine weitere Schallreduzierung sei aus technischer Sicht nicht mehr möglich. Zur Überprüfung, dass die zulässigen Werte eingehalten würden, solle schon am Tag der Premiere ein Geräuschpegel gemessen und dokumentiert werden. Dem Gutachten der Firma ... sei zu entnehmen, dass die Werte bei den Rockkonzerten deutlich überschritten würden. Es handele sich um drei Gastspiele, die für das finanzielle Überleben des Vereins notwendig seien. Bei dem Kinderstück, dem Schauspiel und dem Jugendstück würden die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten. Auch bei dem Musical werde der Grenzwert von 50 dB(A) nicht überschritten, es werde lediglich darum gebeten, an fünf Freitagen und sieben Samstagen die Nachtzeit um eine Stunde zu verlängern. Auch bei den Proben würden die Grenzwerte nicht überschritten.
5.
Bereits mit Schreiben vom
In der vorgelegten Behördenakte befindet sich der Entwurf eines Bescheids mit Datum
„Hinsichtlich des Lärmschutzes wird auf die Freizeitlärm-Richtlinie der LAI v.
Bei der Positionierung der Lautsprecher dürfen diese nicht zu hoch angebracht werden. Die auf der Burgmauer befindlichen Schirmwände dürfen durch keinen Teil der Lautsprecher überragt werden.
Zu den jeweiligen Sparten werden weiter folgende Auflagen getroffen:
10.1 Sparte A „Musical Hair“ und Sparte C Sonderveranstaltungen:
Gemäß Ziffer 4.4.2 Freizeitlärm-Richtlinie wird an Samstagen (siehe Anlage 1) der Beginn der Nachtzeit auf 23:00 Uhr verschoben. Gleiches gilt für die Tage mit Sonderveranstaltungen am 27.06., 11.07. und 02.08.2016 sowie die Premiere der ...-Festspiele am 10.06.2016.
Dem Veranstalter wird aufgegeben bei der ersten Veranstaltung der Sparte A am
Sollten nach Auswertung der Messungen weitere Auflagen notwendig werden, so behält sich die Stadt Klingenberg a. Main vor diese nachträglich noch anzuordnen.
10.2 Sparte B = Schillers Räuber, Familienmusical „Peter Pan“ und die Eigenproduktionen „Jesus Mohammed“:
Dem Veranstalter wird aufgegeben bei der ersten Veranstaltung der Sparte B am
Sollten nach Auswertung der Messung weitere Auflagen notwendig werden, so behält sich die Stadt Klingenberg a. Main vor diese nachträglich noch anzuordnen.“
Des Weiteren enthält die Behördenakte den Entwurf eines Bescheids zur Erteilung einer gaststättenrechtlichen Genehmigung mit Datum
6.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen, auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO war im tenorierten Umfang stattzugeben. Im Übrigen war der Antrag bereits teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abzulehnen.
1.
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist hinsichtlich der Sätze 1 und 2 der Ziffer 4 des gestellten Antrags mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig.
Denn die Antragsgegnerin hat im Entwurf ihres Bescheides vom
2.
Der wörtlich gestellte Antrag, die „Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, im diesjährigen Erlaubnisbescheid zur Veranstaltung der...-Festspiele (dem Beigeladenen) folgende Auflagen zu erteilen“, ist selbst als nach sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) dahin zu verstehender Antrag, dass die von den Antragstellern verlangten Regelungen zum Lärmschutz in eine Anordnung nach Art. 19 Abs. 5 LStVG aufgenommen werden sollen, nicht begründet. Er ist vielmehr lediglich in dem tenorierten Umfang begründet.
Das Gericht der Hauptsache kann nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen zwar nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, aber hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Welche Anforderungen an die Erfolgsaussichten zu stellen sind, hängt maßgeblich von der Schwere der dem Antragsteller drohenden Nachteile und ihrer Irreversibilität, aber auch davon ab, inwieweit durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Wird durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache insgesamt endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden. Dieser besonders strenge Maßstab ist hingegen abzumildern, wenn die begehrte Rechtsposition nur für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eingeräumt werden soll, weil sie faktisch nicht mehr rückgängig zu machen ist, während über diesen Zeitpunkt hinaus keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden und die Rechtsstellung insoweit nur vorläufig gewährt wird. In diesem Fall können schon überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügen und die befürchteten wesentlichen Nachteile müssen nicht als schlechterdings unzumutbar eingestuft werden. Ist eine überwiegende Erfolgsaussicht hingegen nicht feststellbar, kann eine Regelungsanordnung nur ergehen, wenn dem Betroffenen andernfalls schwere und irreversible Nachteile, insbesondere existentielle Gefahren für Leben und Gesundheit drohen (vgl. zum Ganzen: VGH Mannheim, B. v. 5.2.2015 - 10 S 2471/14 - NVwZ-RR 2015, 650 und
Das Gericht hat beim Erlass einer einstweiligen Anordnung einen weiten Ermessensspielraum (§ 123 Abs. 3 i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO). Dies bedeutet jedenfalls, dass es an die Fassung des Antrags nicht gebunden ist (§ 88 VwGO entsprechend; vgl. Happ in Eyermann, VwGO 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 33, 64; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 123 Rn. 28). Im Hinblick darauf, dass aufgrund der Bezugnahme auf § 938 Abs. 1 ZPO maßgeblich ist, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind, kann das Gericht nicht nur hinter dem Antrag zurückbleiben, sondern auch eine geeignete andere Regelung treffen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 123 Rn. 28).
2.1.
Vorliegend haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil die ...-Festspiele mit den einzelnen Veranstaltungen und hier insb. den Musicals und Rockevents unmittelbar bevorstehen und daher der Ausgang eines Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stünde insoweit auch nicht entgegen, dass dadurch die Hauptsacheentscheidung vorweggenommen würde, da andernfalls die Veranstaltung bereits vorbei wäre.
2.2.
Problematisch ist vorliegend aber die Frage der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Ein solcher ist nur im tenorierten Umfang gegeben, nicht aber hinsichtlich des gestellten Antrags bzw. hinsichtlich der geforderten konkreten Regelungen. Im Einzelnen:
2.2.1.
Soweit die Antragsteller begehren, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, im diesjährigen Erlaubnisbescheid zur Veranstaltung der...-Festspiele des Beigeladenen im Einzelnen bestimmte Auflagen festzulegen, geht ihr Antrag ins Leere.
Denn ein „Erlaubnisbescheid“ zur Veranstaltung der ...-Festspiele nach Art. 19 Abs. 3 LStVG wird mangels Erlaubnisbedürftigkeit nicht ergehen. Zwar hat die Antragsgegnerin im vergangenen Jahr einen solchen erteilt. Sie hat aber erkannt, wie sich den in der vorgelegten Behördenakte enthaltenen Entwürfen eines gaststättenrechtlichen Bescheids und eines „Auflagenbescheids“ nach Art. 19 Abs. 5 LStVG entnehmen lässt, dass jedenfalls für die diesjährige Veranstaltung eine Genehmigung der „...-Festspiele“ im vg. Sinne nicht erforderlich ist (Dafür, ob eine Genehmigung nach anderen Vorschriften, insbesondere des Bauordnungsrechts erforderlich ist, sind im Rahmen der hier nur durchzuführenden summarischen Prüfung nicht genügend Anhaltspunkte vorhanden). Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1-3 LStVG ist die Erlaubnisbedürftigkeit nur dann zu bejahen, wenn die nach Art. 19 Abs. 1 LStVG erforderliche Anzeige nicht fristgemäß erstattet wird (Nr. 1), es sich um eine motorsportliche Veranstaltung (Nr. 2) oder um eine Veranstaltung handelt, die außerhalb dafür bestimmter Anlagen stattfinden soll und zu der mehr als 1.000 Besucher gleichzeitig zugelassen werden sollen.
Zwar handelt es sich bei der Veranstaltung der ...-Festspiele um eine anzeigepflichtige öffentliche Vergnügung i. S. d. Art. 19 Abs. 1 LStVG, jedoch weder um eine motorsportliche Veranstaltung i. S. d. Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LStVG noch um eine Veranstaltung im Freien, zu der mehr als 1.000 Besucher zugleich zugelassen werden sollen (Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LStVG). Denn nach den übereinstimmenden Angaben der Antragsgegnerin und des Beigeladenen, die auch von Antragstellerseite nicht bestritten wurden, sollen pro Veranstaltung max. 800 Besucher teilnehmen. Auch hat der Beigeladene die Veranstaltung fristgemäß mehr als eine Woche vorher bei der Antragsgegnerin angezeigt, da die Anzeige laut Eingangsstempel am 17. Mai 2016 bei dieser einging, so dass sich eine Erlaubnispflicht auch nicht aus Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LStVG ergibt.
2.2.2.
Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Untersagung von Rockkonzerten, Musicals und musikalischen Events jeder Art (Ziffer 1 des Antrags), auf Begrenzung der Zahl der Probetermine unter Beschallung von Lautsprechern (Ziffer 2 des Antrags), auf Beendigung der Veranstaltungen der ...-Festspiele um 22:00 Uhr (Ziffer 3 des Antrags) und auch nicht auf Beschränkung der Dauer der Festspiele auf sechs Wochen (Ziffer 5 des Antrags) durch die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung.
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist hier Art. 19 Abs. 5 LStVG. Nach dessen Satz 1 können die Gemeinden zum Schutz der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG bezeichneten Rechtsgüter, d. h. zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft oder vor erheblichen Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft, Anordnungen für den Einzelfall für die Veranstaltung öffentlicher Vergnügungen und sonstiger Vergnügungen treffen. Reichen Anordnungen nach Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG nicht aus, so kann die Veranstaltung untersagt werden (Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG).
Ein Rechtsanspruch eines Dritten auf Erlass einer Untersagung besteht dabei grundsätzlich nicht. Der Dritte hat bei der Entscheidung über den Erlass einer Untersagung - soweit seine Interessen i. S. d. Art. 19 Abs. 4 LStVG durch die Veranstaltung berührt sein können - vielmehr lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung durch die Gemeinde, d. h. der Dritte hat nur dann einen Anspruch auf Untersagung der fraglichen Veranstaltung, wenn diese gegen (auch) zu seinem Schutz bestehende Vorschriften verstößt und wenn zudem Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sich das der Gemeinde durch Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG eröffnete Eingriffsermessen auf Null reduziert. Gleiches hat auch hinsichtlich der Anordnungen für den Einzelfall i. S. v. Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG zu gelten. Diese Regelung räumt der Behörde Ermessen ein. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Entschließungsermessens, also der Entscheidung, ob die Behörde regelnd tätig wird. Das der Behörde eingeräumte Ermessen betrifft aber auch das sog. Auswahlermessen, das die Behörde im Rahmen des Art. 8 LStVG bei der Auswahl der Mittel, mit denen sie den prognostizierten Gefahren begegnen will, hat. So steht der Sicherheitsbehörde bei der Auswahl des Mittels, dessen sie sich zur Abwehr der drohenden erheblichen Nachteile für die Nachbarn bedienen will, ein im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich beschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu (vgl. BayVGH, U. v. 7.8.2013 - 10 B 13.1234 - juris; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 19 Rn. 136).
Für eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Antragsteller in dem Sinn, dass nur die von ihnen begehrten Regelungen die einzig richtigen Maßnahmen darstellen würden, dass nur durch diese Maßnahmen ihre Rechte als Nachbarn gewahrt würden, ist hier aber weder etwas vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Insbesondere können die Rechte der Antragsteller durch andere Regelungen wie die Festlegung von Immissionsrichtwerten und andere von der Antragsgegnerin angeordnete Maßnahmen gewahrt werden (siehe hierzu unten 2.2.3. bis 2.2.6.). Bereits aus diesem Grund können die Antragsteller konkrete Regelungen, wie von ihnen verlangt, nicht im Wege einer Verpflichtungsklage und schon gar nicht im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgreich geltend machen.
2.2.3.
Den Antragstellern steht aber nach summarischer Prüfung ein Anspruch auf Festsetzung ihnen zumutbarer Immissionsrichtwerte nach der Freizeitlärm-Richtlinie - wie tenoriert - zu.
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist auch hier Art. 19 Abs. 5 Satz 1 LStVG. Hauptanwendungsfall der erheblichen Belästigungen i. S. d. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG sind Immissionen. Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit des von der geplanten Veranstaltung ausgehenden Lärms ist mithin § 22 Abs. 1 BImSchG. Danach sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, worunter auch die Veranstaltung von Freilichttheater-Festspielen (mit Musicals und Rockevents) fällt, so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), verhindert werden, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die Frage der Erheblichkeit wird dabei entscheidend durch die bebauungsrechtliche Situation bestimmt, in der sich die störende oder gestörte Nutzung befindet. Darüber hinaus sind für die Beurteilung der belästigenden Wirkung von Geräuschen aber nicht nur physikalische Eigenschaften wie Schalldruck und Frequenz, sondern auch wertende Elemente wie Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und der allgemeinen Akzeptanz in der Bevölkerung zu berücksichtigen (BayVGH, B. v. 17.10.1996 - 24 CS 96.3145 - NJW 1997, 1181;
Anders als die Antragstellerseite wohl meint („verpflichtet, die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte nach der Freizeitlärm-Richtlinie“ nachzuweisen und „die musikalischen Veranstaltungen überschreiten diese Grenzwerte ständig“), kann die Beurteilung, wann Freizeitlärm zu erheblichen Belästigungen für die Nachbarschaft führt, nicht anhand allgemein gültiger Grenzwerte vorgenommen werden. Denn derzeit liegen rechtsverbindliche Vorschriften oder auch nur normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften darüber, ab welcher Erheblichkeitsgrenze Freizeitlärm zu einem erheblichen Nachteil bzw. einer erheblichen Belästigung für den Nachbarn führt, nicht vor (vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 19 Rn. 113). Die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) empfohlene „Freizeitlärm-Richtlinie“, die in der überarbeiteten Version unter dem Stand 6. März 2015 vorliegt (abrufbar im Internet unter www.lai-immissionsschutz.de/servlet/is/20170/Freizeitl%C3%A4rmrichtline%20final. pdf?command=downloadContent&filename=Freizeitl%E4rmrichtline%20final.pdf), hat ebenfalls keinen normativen oder quasi-normativen Charakter und kann deshalb keine Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen (vgl. Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dez. 2015, Nr. 1 TA Lärm, Rn. 10; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 19 Rn.113).
Bei der gerichtlichen Beurteilung der Zumutbarkeit von Lichtimmissionen im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme kann die LAI-Freizeitlärm-Richtlinie aber als sachverständige Beurteilungshilfe, als Orientierungshilfe herangezogen werden (vgl. BayVGH, B. v. 26.7.2006 - 1 CE 06.1937 - juris; B. v. 12.5.2004 - NVwZ 2005, 719). Die Freizeitlärm-Richtlinie des LAI - in der überarbeiteten Version des Jahres 2015 - findet Anwendung bei der Beurteilung der Wirkung von Lärmimmissionen auf Menschen durch Freizeitanlagen. Dies sind Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 oder 3 BImSchG, die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genützt zu werden. Hierzu zählen auch Freilichtbühnen (s. Freizeitlärm-Richtlinie, Nr. 1 Absatz 2, Spiegelstrich 4). Die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung hängt nicht nur von der Lautstärke der Geräusche ab, sondern auch wesentlich von der Nutzung des Gebiets, auf das sie einwirken, von der Art der Geräusche und der Geräuschquellen sowie dem Zeitpunkt (Tageszeit) oder der Zeitdauer der Einwirkungen. Bei der Beurteilung ist nicht auf eine mehr oder weniger empfindliche individuelle Person, sondern auf die Einstellung eines verständigen, durchschnittlich empfindlichen Mitbürgers abzustellen. Von Bedeutung für die Beurteilung der Geräusche von Freizeitanlagen ist die Schutzbedürftigkeit der Nutzungen in den diesen Anlagen benachbarten Gebieten, wobei grundsätzlich vom Bebauungsplan auszugehen ist. Liegen aufgrund baulicher Entwicklungen in der Vergangenheit Wohngebiet und Freizeitanlagen eng zusammen, kann eine besondere Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme bestehen. Sofern an störenden Anlagen alle verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt sind, kann diese Pflicht dazu führen, dass die Bewohner mehr an Geräuschen hinzunehmen haben als die Bewohner von gleichartig genutzten Gebieten, die fernab derartiger Gebiete liegen (s. Freizeitlärm-Richtlinie, Nr. 2).
Nummer 4 der Freizeitlärm-Richtlinie markiert die Schwelle des für erforderlich gehaltenen Lärmschutzniveaus differenzierend nach dem Gebietscharakter nach Tages-, Nacht- und Ruhezeiten sowie Sonn- und Feiertagen (Nr. 4.1) durch die Festlegung bestimmter Immissionsrichtwerte für die hierin genannten Immissionsorte. Diese gebietsbezogenen Werte sind Ausdruck einer typisierenden Betrachtungsweise des Hinweisgebers. Immissionsrichtwerte unterscheiden sich von Immissionsgrenzwerten durch ihre fehlende Verbindlichkeit. Während Grenzwerte absolute Beurteilungsschwellen darstellen, die unter keinen Umständen über- oder unterschritten werden dürfen, dienen Richtwerte nur als Orientierungshilfe für den Regelfall (Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 der 18. BImschV Rn. 17).
Die Freizeitlärm-Richtlinie legt für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden („Außen“) in allgemeinen Wohngebieten tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit (8:00 bis 20:00 Uhr) einen Immissionsrichtwert von 55 dB(A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit (6:00 bis 8:00 Uhr und von 20:00 bis 22:00) Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A), sowie nachts (von 22:00 bis 6:00 Uhr) von 40 dB(A) fest (vgl. Nr. 4.1 Buchst. d) i. V. m. Nr. 3.4). Der Immissionsrichtwert für Kern-, Dorf- oder Mischgebiete liegt um jeweils 5 dB(A) höher (vgl. Nr. 4.1 Buchst. c)). Einzelne Geräuschspitzen sollen die vg. Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 30 dB(A) sowie nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten (vgl. Nr. 4.3 Satz 1). Die Freizeitlärm-Richtlinie sieht unter Nr. 4.4.2 hinsichtlich der Zumutbarkeit bei seltenen Ereignissen Folgendes vor: a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen. b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein. d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten. e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten. Des Weiteren macht die Freizeitlärm-Richtlinie unter Nr. 3 konkrete Vorgaben für die Ermittlung des Beurteilungspegels (wie etwa Berücksichtigung von Impulshaftigkeit, auffälligen Pegeländerungen, Ton- und Informationshaltigkeit, Abstellen auf die ungünstigste volle Stunde usw.).
Die zuständige Behörde kann erhebliche Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft i. S. d. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 LStVG auf verschiedene Weise verhüten. Nicht ausreichend ist die abstrakte Wiedergabe der für die bestimmten Gebietsarten einzuhaltenden Werte, ohne konkrete Benennung des Gebietscharakters der Nachbarbebauung (VGH Mannheim, U. v. 29.1.2008 - 8 S 2748/06 - BauR 2008, 1573; Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 19 Rn. 116). Bei der Lösung einer Immissions-Konfliktlage reicht es in der Regel aus, wenn die Behörde bei der Erlaubniserteilung durch Nebenbestimmungen oder sonst durch Einzelfallanordnungen die einzuhaltenden Grenzwerte festsetzt bzw. dem Emittenten aufgibt, näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 19 Rn. 116; siehe bereits BVerwG, U. v. 5.11.1968 - I C 29.67
2.2.4.
Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Grundsätze und unter Berücksichtigung des von der Antragsgegnerin verbindlich zugesagten „Auflagenbescheids“ und unter Berücksichtigung der im Tenor dieser Entscheidung getroffenen Verpflichtung der Antragsgegnerin erweisen sich nach summarischer Prüfung die von dem Vorhaben des Beigeladenen ausgehenden Lärmimmissionen für die Antragsteller nicht als unzumutbar i. S. d. Art. 19 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 LStVG.
Ausreichend, aber auch erforderlich, um die vorliegende Immissions-Konfliktlage zu lösen, ist die Festsetzung der im Tenor festgelegten, einzuhaltenden Immissionsrichtwerte. Denn einerseits lässt sich aus den vorgelegten Gutachten des Büros ..., ..., entnehmen, dass hierdurch der Schutz der Nachbarschaft, insbesondere der Antragsteller, sichergestellt werden kann. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass eine solche Forderung realistischer Weise nicht eingehalten werden kann. Andererseits muss die Behörde dem Veranstalter konkrete Immissionsrichtwerte vorgeben, die dieser einzuhalten hat. Nicht ausreichend ist - wie bereits dargelegt - die abstrakte Wiedergabe der für bestimmte Gebietsarten einzuhaltenden Werte, ohne dass das Gebiet genau bezeichnet würde. Ein bloßer Verweis auf die „Freizeitlärm-Richtlinie der LAI v. 06.03.2015“ - wie in Ziffer 10 Satz 1 der „Auflagen“ des Bescheidentwurfs vom 17. Mai 2016 - erfüllt nämlich nicht die Anforderungen, die entsprechend Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG an die hinreichende Bestimmtheit einer Regelung zu stellen sind. Denn es ist weder für den Adressaten des Bescheids noch für den Nachbarn erkennbar, welche gebietsbezogenen Werte nach Nr. 4.1 Buchst. a) bis f) im konkreten Fall zugrunde zu legen sind.
Das Büro ... hat am
In der Folge hat das Büro ... eine Schallimmissionsprognose erstellt und Maßnahmen zur Lärmminderung erarbeitet (Bericht Schallimmissionsprognose und Maßnahmen zur Minderung vom
Dabei wurden von Gutachterseite folgende Empfehlungen gegeben: Da es aus fachtechnischer Sicht nicht realistisch erscheine, die nächtlichen Richtwerte bei der Durchführung der Musicals einhalten zu können, sei sicherzustellen, dass die Veranstaltungen auf der ... vollständig in der Tagzeit/Ruhezeit durchgeführt würden, wofür eine Vorverlegung des Veranstaltungsbeginns bzw. eine Verschiebung des Beginns der Nachtzeit in Betracht komme. Es sei festgestellt worden, dass der bei der Musical-Veranstaltung ermittelte Beurteilungspegel um 6 dB(A) verringert werden müsse, um die Richtwerte der Freizeitlärm-Richtlinie zur Ruhezeit einzuhalten. Dabei dürfte aus fachtechnischer Sicht eine Minderung der Schallemission um 5 dB ausreichen, um den Beurteilungspegel von 50 dB(A) zur Ruhezeit einzuhalten. Hierfür werde es notwendig sein, die „Schallleistung der elektroakustischen Verstärkungsanlage um 2 … 3 dB zu reduzieren.“ Die vorhandenen Schirmwände müssten erweitert werden, so dass diese im Bereich der nordwestlichen und nordöstlichen Burgmauern möglichst lückenlos aneinander anschließen würden. Empfehlenswert sei, die Schirmwand auf dem niedrigen Mauerabschnitt so hoch zu planen, dass die Oberkante ebenso hoch wie die der vorhandenen Wände sei. Lücken zwischen den Wandelementen seien möglichst zu vermeiden. Insgesamt könne damit eine Minderung um 2,5 dB erwartet werden. Bezüglich der Rockkonzerte hätten die Berechnungen ergeben, dass diese auch bei der bestehenden Ausführung der Schirmwände als seltene Ereignisse durchführbar seien. Zur Tagzeit könne dabei maximal ein Schallleistungspegel von 124 dB(A) emittiert werden, um den Beurteilungspegel von 70 dB(A) am maßgebenden Immissionsort einzuhalten. Zur Nachtzeit müsse die Verstärkung auf einen Schallleistungspegel von 118 dB(A) reduziert werden. Bei der Positionierung der Lautsprecher müsse zusätzlich darauf geachtet werden, dass diese nicht zu hoch angebracht würden. Die Schirmwände dürften durch keinen Teil der Lautsprecher überragt werden.
Der Bescheidsentwurf mit Datum
2.2.5.
Nach summarischer Prüfung spricht einiges gegen die von Seiten der Antragsgegnerin erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebrachte Auffassung, wonach hier nicht die Immissionsrichtwerte der Ziffer 4.1 Buchst d) für allgemeine Wohngebiete, sondern die der Ziffer 4.1 Buchst c) für Kern-, Dorf- und Mischgebiete zugrunde zu legen seien. Denn ausweislich Absatz 3 der Ziffer 2 der Freizeitlärm-Richtlinie ist für die Beurteilung der Geräusche von Freizeitanlagen die Schutzbedürftigkeit der Nutzungen in den diesen Anlagen benachbarten Gebieten von Bedeutung. Hierbei ist für die Zuordnung der für die Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwerte (nach Nr. 4.1 Buchst a) - f)) zu den Gebieten im Einwirkungsbereich der Anlage grundsätzlich vom Bebauungsplan auszugehen. Dies ist hier der qualifizierte Bebauungsplan „Bergstraße“ der Stadt Klingenberg a. Main, in Kraft getreten am 23. April 1971, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet festsetzt und in dessen Geltungsbereich sich das Anwesen der Antragsteller befindet. Eine besondere Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme kann gemäß Absatz 3 der Ziffer 2 der Freizeitlärm-Richtlinie zwar dann bestehen, wie der Bevollmächtigte der Antragstellerin ausgeführt hat, wenn aufgrund baulicher Entwicklungen in der Vergangenheit Wohngebiet und Freizeitanlagen eng zusammen liegen. Unter der Voraussetzung, dass an störenden Anlagen alle verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt sind, kann dann die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dazu führen, dass die Bewohner mehr an Geräuschen hinnehmen müssen als die Bewohner von gleichartig genutzten Gebieten, die fernab derartiger Anlagen liegen. Hierbei sollen die zu duldenden Geräuscheinwirkungen die Immissionsrichtwerte unterschreiten, die die für die Gebietsart mit dem nächst niedrigeren Schutzanspruch gelten. Allerdings ist hier angesichts des Umstands, dass zwischen der Freilichtbühne und dem Wohnhaus der Antragsteller ein Abstand von 200 m besteht, schon fraglich und nicht im Rahmen der summarischen Prüfung abschließend zu entscheiden, ob hier der Anwendungsbereich dieser Regelung überhaupt eröffnet ist, ob davon die Rede sein kann, dass Wohngebiete und Freizeitanlagen „eng zusammen“ liegen.
Darüber hinaus dürfte auch einiges dafür sprechen, die gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten des Beigeladenen und der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht über den Weg einer generellen Abstufung der Schutzwürdigkeit des Anwesens der Antragsteller durch die Festlegung einer Gebietsart mit niedrigerem Schutzanspruch (Ziffer 2 Absatz 4 der Freizeitlärm-Richtlinie) zu lösen, sondern durch eine Sonderfallbeurteilung bei seltenen Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz (gemäß Ziffer 4.4 der Freizeitlärm-Richtlinie). Danach können Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten, die die unter Ziffer 4.1 bis 4.3. genannten Immissionsrichtwerte trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht einhalten, gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (vgl. Ziffer 4.4.1 der Freizeitlärm-Richtlinie).
Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Mit dem Begriff der „Sozialadäquanz“ werden die Verhaltensweisen oder Zustände beschrieben, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und sich möglicherweise für den Einzelnen sogar nachteilig auswirken, jedoch von der Bevölkerung insgesamt hingenommen werden, weil sich die Verhaltensweisen noch in den Grenzen des sozial Üblichen und damit Tolerierbaren halten (Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG Art. 19 Rn. 114). Die vom Beigeladenen seit über 20 Jahren durchgeführten Freilichtspiele auf der ... mit Musicals und Sonderveranstaltungen stellen sich aus Sicht der Kammer als sozial adäquat in diesem Sinne dar. Der Beigeladene hat im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten insbesondere eindrucksvoll aufgezeigt, welche Akzeptanz die ...-Festspiele in der einheimischen Bevölkerung genießen.
Die Kammer kommt nach einer summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass sich die zu erwartenden Lärmimmissionen als unvermeidbar und zumutbar i. S. d. Ziffer 4.4.2 der Freizeitlärm-Richtlinie darstellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt hat (wie die Vorverlegung des Beginns der Aufführungen auf 20:00 Uhr, den teilweisen Wegfall der Pausen, die Installation von Schutzwänden, usw.), dass aber trotz aller verhältnismäßigen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen eine Überschreitung der Werte nach Ziffer 4.1 Buchst. d) der Freizeitlärm-Richtlinie aufgrund der Umgebungsbedingungen und der Mindestversorgungspegel unvermeidbar ist, wie sich auch der Schallimmissionsprognose des Büros ... entnehmen lässt.
Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit i. S. d. Ziffer 4.4.2 der Freizeitlärm-Richtlinie auch, dass die Antragsgegnerin die Verschiebung der Nachtzeit in Ziffer 10.1 Absatz 1 des Bescheidentwurfs vom 17. Mai 2016 (aus Gründen der Rechtsklarheit nochmals aufgenommen in Ziffer I.1 letzter Absatz des Tenors dieser Entscheidung) für insgesamt 11 Veranstaltungen um lediglich eine Stunde vorgenommen hat. Nach Ziffer 4.4.2 der Freizeitlärm-Richtlinie ist eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zulässig, wobei die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten soll. Eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts (vgl. Ziffer 4.4.2 der Freizeitlärm-Richtlinie) können nach den Gutachten des Büros ... ausgeschlossen werden. Die Kammer verkennt bei ihrer Entscheidung auch nicht, dass die Verschiebung des Beginns der Nachtzeit in drei Fällen (Sonderveranstaltungen) nicht auf Abende vor Samstagen, sowie Sonn- und Feiertagen beschränkt wurde und sich die Veranstaltungen auch über mehrere Wochenenden erstrecken (vgl. Ziffer 4.4.3 Spiegelstriche 2 und 3 der Freizeitlärm-Richtlinie), hält dies aber insbesondere angesichts des Umstands, dass die Verschiebung nur um eine Stunde erfolgt, im konkreten Fall noch für zumutbar.
Nach allem begegnet die Entscheidung, für insgesamt elf Veranstaltungen die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Ereignisse heranzuziehen und die Nachtzeit jeweils um eine Stunde zu verschieben, nach summarischer Prüfung keinen Bedenken.
2.2.6.
Der Anspruch der Antragsteller auf Einsichtnahme in die Ergebnisse der gemäß „Auflage“ Ziffer 10.1 und 10.2 des Bescheidentwurfs durchgeführten Messungen durch ein qualifiziertes Ingenieurbüro ergibt sich bereits daraus, dass der betroffene Nachbar ansonsten keine Möglichkeit hätte zu prüfen, ob er in seinen Rechten verletzt wird. Ein solcher Anspruch wäre deshalb bereits aus Art. 19 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 LStVG herzuleiten. Denn mit der Nennung der Nachbarschaft in Abs. 4 Satz 1 räumt die Vorschrift dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz ein, der Nachbar kann eine Verletzung eigener Rechte durch die Veranstaltung rügen und gegen diese Veranstaltung auch im Verwaltungsrechtsweg vorgehen (vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 19 Rn. 105). Darüber hinaus ergibt sich ein Anspruch auch aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Der Regelstreitwert von 5.000,00 EUR, der hiernach zugrunde zu legen war, war nach Satz 1 der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für das Eilverfahren zu halbieren, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
- 2
Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
- 3
Es folgt die Luftbildaufnahme
- 4
Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
- 5
Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
- 6
Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
- 7
Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
- 8
Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
- 9
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 10
Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
- 11
Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
- 12
„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
- 13
2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
- 14
3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
- 15
4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
- 16
Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
- 17
Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
- 18
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
- 19
Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
- 20
Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
- 21
Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
- 22
Die Klägerin beantragt,
- 23
festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Klage abzuweisen.
- 26
Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
- 27
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 28
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
- 30
1. Die Klage ist zulässig.
- 31
1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
- 32
1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
- 33
Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
- 34
1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
- 35
2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
- 36
Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
- 37
2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
- 38
2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
- 39
2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
- 40
2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
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2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
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2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
- 43
2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
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Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
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Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
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2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
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2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
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2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
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2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
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„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
- 51
a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
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b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
- 55
e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
- 56
Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
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In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
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2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
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2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
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Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 63
Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
- 64
Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
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Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
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Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
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Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
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Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
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Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
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2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
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Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
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„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
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In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
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Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
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Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
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Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
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Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
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Beschluss
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 23.5.2016 geändert:
Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 3 K 2431/16 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.5.2016 sowie des hiergegen vorsorglich eingelegten Widerspruchs wird unter den folgenden Auflagen nur insoweit wiederhergestellt, als die Genehmigung die Durchführung der Jugendtanzveranstaltung am Mittwoch/Donnerstag, den 25./26.5.2016, für die Zeit ab dem 26.5.2016, 2:00 Uhr, betrifft:
a) Soweit es möglich ist, ist am 26.5.2016 ab 0:00 Uhr durch Reduzierung der Lautstärke an der Musikanlage sicherzustellen, dass ein Beurteilungspegel von 55 dB(A) – ermittelt nach den Vorgaben der Freizeitlärmrichtlinie der LAI vom 6.3.2015 – vor dem Wohnhaus der Antragsteller nicht überschritten wird; sofern hierfür erforderlich, ist der Verstärker so einzustellen, dass in einem Abstand von drei Metern vor den Lautsprechern ein äquivalenter Dauerschallpegel auch unter 80 dB(A) erzeugt wird.
b) Die musikalischen Darbietungen sind ab 1:45 Uhr einzustellen, damit die Veranstaltung um 2:00 Uhr beendet werden kann.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsteller als Gesamtschuldner, die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen jeweils ein Drittel der Kosten des nicht durch Vergleich erledigten Teils des Verfahrens erster Instanz einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner und die Antragsgegnerin je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind im Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
2Die nach §§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 3 VwGO erforderliche Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der allein noch streitgegenständlichen Gestattung der Jugendtanzveranstaltung am 25./26.5.2016 überwiegt, sofern über die Einhaltung der der Gestattung vom 13.5.2016 beigefügten Auflagen hinaus während der Veranstaltung im Zuge der ohnehin vorgesehenen Lärmmessungen darauf geachtet wird, dass ab Mitternacht der Beurteilungspegel vor dem Haus der Antragsteller 55 dB(A) möglichst nicht übersteigt. Hierauf haben auch die eingesetzten Mitarbeiter der Ordnungsbehörde zu achten.
3Zwar spricht nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage viel dafür, dass der Bescheid vom 13.5.2016 hinsichtlich der für den 25./26.5.2016 vorgesehenen Jugendtanzveranstaltung für die Zeit ab 26.5.2016, 0:00 Uhr, die Lärmproblematik nur unzureichend regelt. Allerdings ist eine Heilung im Laufe eines Hauptsacheverfahrens grundsätzlich denkbar. Mit Blick hierauf, mit Rücksicht auf die besondere Eilbedürftigkeit und wegen der außergewöhnlichen Bedeutung gerade der Jugendtanzveranstaltung im Rahmen des jährlichen örtlichen Schützenfests für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft hält der Senat ausnahmsweise eine allgemeine Interessenabwägung für sachgerecht, bei der er unter Inanspruchnahme seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO durch zusätzliche Auflagen einer möglichen Heilung vorgreift.
4Nach summarischer Prüfung teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass es vor Erteilung der streitgegenständlichen Gestattung nach § 12 Abs. 1 GastG einer Lärmprognose bedurft hätte, um die von der Jugendtanzveranstaltung hervorgerufenen Lärmwirkungen verlässlich abschätzen und Nutzungskonflikte mit den benachbarten Wohngrundstücken einschließlich desjenigen der Antragsteller bewältigen zu können.
5Vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Beschluss vom 3.11.2015 – 4 B 652/15 –, NWVBl. 2016, 206 = juris, Rn. 12 f., m. w. N.
6Die in § 12 Abs. 1 GastG eröffnete Möglichkeit, aus besonderem Anlass den Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes „unter erleichterten Voraussetzungen“ vorübergehend auf Widerruf zu gestatten, bewirkt keine Freistellung von dem sowohl gaststättenrechtlich (§§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) als auch immissionsschutzrechtlich (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) verankerten Gebot des Schutzes der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG. Insoweit kommt in den „erleichterten“ Gestattungsvoraussetzungen allerdings zum Ausdruck, dass bei der Bestimmung der Schwelle der „erheblichen“ Nachteile und Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG der besondere Anlass und der nur vorübergehende Charakter des zu gestattenden Gaststättenbetriebs zu berücksichtigen sind.
7Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 17; Bay. VGH, Beschluss vom 17.9.2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485 = juris, Rn. 8; siehe zu § 12 GastG auch BVerwG, Urteil vom 4.7.1989 – 1 C 11.88 –, BVerwGE 82, 189 = juris, Rn. 12 ff.
8Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen, nach denen sich die in § 3 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzte Erheblichkeit immissionsbedingter Beeinträchtigungen danach bemisst, ob sie das den Betroffenen in der jeweiligen Situation zumutbare Maß überschreiten. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit sind insbesondere Art, Ausmaß und Dauer der fraglichen Immissionen, ihre soziale Adäquanz sowie die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des davon betroffenen Gebiets von Bedeutung.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.4.1991 – 7 C 12.90 –, BVerwGE 88, 143 = juris, Rn. 14; Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 3 Rn. 47, 52 ff., m. w. N.
10Fehlt es, wie hier, an einer normativen Konkretisierung der Erheblichkeitsschwelle, bedarf es einer Beurteilung der Zumutbarkeit anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Für diese Beurteilung kann vorliegend die Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 6.3.2015 (im Folgenden: Freizeitlärmrichtlinie) als Orientierungshilfe herangezogen werden. Sie gilt nach ihrer Ziff. 1 für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Diskothekenveranstaltungen, Lifemusik-Darbietungen, Rockmusikdarbietungen, Platzkonzerte, regelmäßige Feuerwerke, Volksfeste o. a. stattfinden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die von Sachverständigen ausgearbeitete Freizeitlärmrichtlinie den Gerichten als Entscheidungshilfe dienen kann.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.5.2001 – 7 C 16.00 –, NVwZ 2001, 1167 = juris, Rn. 12; BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 9.
12Die Freizeitlärmrichtlinie sieht Immissionsrichtwerte vor, oberhalb derer in der Regel mit erheblichen Belästigungen zu rechnen ist (Ziff. 4.1 bis 4.3). Für seltene Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist vorgesehen, dass diese trotz Überschreitung der allgemeinen Immissionsrichtwerte auf der Grundlage einer Sonderfallbeurteilung zulässig sein können (Ziff. 4.4). Dabei ist bei zu erwartenden Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts deren Zumutbarkeit explizit zu begründen, sollen Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24:00 Uhr vermieden werden, Geräuschspitzen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten und die Anzahl der Tage mit seltenen Veranstaltungen 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten (Ziff. 4.4.2). Schon die Freizeitlärmrichtlinie selbst lässt dabei Raum für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Dazu gehören insbesondere die Anzahl der Störereignisse sowie ihr Anlass, der unter dem Gesichtspunkt der sozialen Adäquanz für die Beurteilung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen von Bedeutung ist. Danach können bei sehr seltenen Veranstaltungen von herausragender Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft selbst Lärmwirkungen noch als unerheblich zu bewerten sein, welche die in der Freizeitlärmrichtlinie für seltene Veranstaltungen vorgesehenen Richtwerte überschreiten.
13Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 16; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 14.9.2004 – 6 A 10949/04 –, GewArch 2004, 494 = juris, Rn. 17 f., m. w. N.
14Um eine solche Veranstaltung geht es hier. Die Jugendtanzveranstaltung ist Bestandteil des von dem Beigeladenen veranstalteten, nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfindenden Schützenfests, das ein traditioneller, allgemein akzeptierter Ausdruck des Gemeindelebens ist. Schützenfeste stärken Identität und Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft und besitzen deshalb für viele Bewohner einen hohen Stellenwert. Damit einhergehende Geräusche sind daher aus der insoweit maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittsbetrachters in höherem Umfang zumutbar als andere Immissionen. An der kommunalen Bedeutung des Schützenfests nimmt die hier in Rede stehende Jugendtanzveranstaltung unabhängig davon teil, dass sie erst im Jahr 2004 erstmalig durchgeführt wurde. Ebenso wie die kommunalen Festivitäten selbst sind auch damit untrennbar verbundene Musik- und Tanzveranstaltungen nicht auf einen bestimmten, historisch überkommenen Bestand festgelegt, sondern können Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren.
15Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 14 f.
16Ausgehend von der konkreten örtlichen Lage, in der das Schützenhaus mit dem daneben liegenden traditionellen Festplatz in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung liegt, sind beide Nutzungen mit einer von vornherein gegebenen Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme belastet. Dies bedeutet, dass die Wohnnutzung auf das nachvollziehbare Bedürfnis nach einem einmal jährlich stattfindenden Schützenfest Rücksicht zu nehmen hat, während umgekehrt bei dessen Planung und Durchführung nachbarliche Ruhebedürfnisse weitergehend berücksichtigt werden müssen als bei einer Feier abseits von Wohnbebauung.
17Vgl. zum Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme BVerwG, Urteil vom 24.4.1991 – 7 C 12.90 –, BVerwGE 88, 143 = juris, Rn. 15.
18Selbst wenn danach, soweit dies für eine sachgerechte Durchführung des Festes erforderlich ist, auch eine deutliche Überschreitung der in der Freizeitlärmrichtlinie für seltene Veranstaltungen vorgesehenen Richtwerte zulässig sein kann, so geht der Senat doch im Anschluss an Nr. 4.4.2 Buchst. b) Freizeitlärmrichtlinie und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass dies grundsätzlich nur bis Mitternacht angenommen werden kann. Mit Rücksicht auf den Schutz der Nachtruhe der Anwohner lässt sich eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte auch bei kommunal bedeutsamen Veranstaltungen für die unmittelbare Nachbarschaft in aller Regel nicht mehr als unwesentlich qualifizieren.
19Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 18.
20Danach ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der angegriffene Bescheid die Lärmproblematik für die Zeit nach Mitternacht in einer die Rechte der Antragsteller verletzenden Weise unzureichend regelt. Denn er geht davon aus, dass am 26.5.2016 der in Ziff. 4.4.2 Buchst. a) und b) der Freizeitlärmrichtlinie bestimmte Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschritten wird und stellt nicht hinreichend sicher, dass dieser Pegel nach Möglichkeit zumindest ab 0:00 Uhr auf dem Wohngrundstück der Antragsteller eingehalten wird. Die dem Bescheid unter Ziff. 6 beigefügten Lärmschutzauflagen sind nicht an diesem Richtwert orientiert. Sie sind inhaltlich unbestimmt, soweit dem Beigeladenen aufgegeben wird, um 22:00 Uhr die Musik „in ihrer Lautstärke so zu reduzieren (Bässe herausnehmen), dass die Bevölkerung nicht erheblich in der Nachtruhe gestört wird“, und ab 1:00 Uhr „die Lautstärke nochmals zu reduzieren, so dass die Nachbarschaft von der Musik nicht gestört wird.“ Soweit darüber hinaus u. a. eine Begrenzung des äquivalenten Dauerschallpegels auf 90 dB(A) in einem Abstand von drei Metern vor den Lautsprechern, eine bestimmte Ausrichtung der Lautsprecher sowie eine seitliche Abschirmung des Veranstaltungsorts angeordnet worden sind, lässt sich nach den gegebenen Umständen nicht mit dem notwendigen Grad an Gewissheit abschätzen, ob sich allein schon hiermit erhebliche Lärmwirkungen auf dem ca. 100 m von dem Festzelt entfernten Grundstück der Antragsteller verhindern lassen.
21Wegen der nach summarischer Prüfung bestehenden teilweisen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids hält es der Senat im Rahmen der nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO anzustellenden Abwägung der gegenläufigen Interessen für gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung der Klage und des vorsorglich eingelegten Widerspruchs mit Einschränkungen für die Zeit ab Mitternacht wiederherzustellen. Ausschlaggebend dafür sind zum einen der hohe Stellenwert des Schützenfestes für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft und zum anderen der Umstand, dass der dem Bescheid anhaftende Mangel von der Antragsgegnerin im Laufe eines Hauptsacheverfahrens durch nachträgliche Ergänzung weiterer Lärmschutzauflagen behoben werden könnte. Hinzu kommt, dass die Durchführung des Festes wegen der kurzen verbleibenden Zeit bei uneingeschränkter Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung für die Zeit ab Mitternacht insgesamt gefährdet wäre.
22Der Senat hält es deshalb ausnahmsweise für sachgerecht, unter Inanspruchnahme seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO durch Anordnung zusätzlicher Auflagen einer möglichen Behebung des dem Bescheid anhaftenden Mangels durch die Antragsgegnerin in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise vorzugreifen. Dabei geht er davon aus, dass es aufgrund der ohnehin bereits vorgesehenen veranstaltungsbegleitenden Lärmmessungen möglich sein wird, dass die anwesenden Mitarbeiter der Antragsgegnerin gemeinsam mit dem Beigeladenen darauf hinwirken, dass ab Mitternacht der Beurteilungspegel vor dem Wohnhaus der Antragsteller 55 dB(A) möglichst nicht übersteigt. Unter Berücksichtigung des Abstands zwischen Wohnhaus und Festzelt sowie der von der Antragsgegnerin bereits verfügten Lärmschutzauflagen könnte dieses Lärmschutzziel erforderlichenfalls durch eine weitere Reduzierung der Lautstärke an der Musikanlage zu erreichen sein.
23Zur Kompensation der – auch aufgrund von Messungenauigkeiten – verbleibenden Unsicherheiten hält es der Senat zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner jedoch für angezeigt, dass die musikalischen Darbietungen ab 1:45 Uhr eingestellt werden, damit die Veranstaltung um 2:00 Uhr beendet werden kann. Hierzu besteht unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Rücksichtnahme vor allem auch deshalb Anlass, weil im Interesse der Nähe der Zeltdisco zum Schützenhaus davon abgesehen worden ist, diese abseits der Wohnbebauung zu veranstalten. Auch wenn diese Standortwahl wegen der vorhandenen Infrastruktur neben dem Schützenhaus und zur Erhaltung des bisherigen Charakters des Schützenfests nachvollziehbar sein dürfte, erhöht sich das Ausmaß der gebotenen Rücksichtnahme in der besonders schutzbedürftigen Nachtzeit, wenn geeignete Ausweichstandorte für besonders lärmintensive Festivitäten zur Verfügung stehen. Dies hält der Senat nach dem Vorbringen der Antragsteller für denkbar. Im Übrigen wächst die Gefahr eines unfriedlichen Verlaufs, wie er gerade bei der Jugenddisco in den früheren Jahren beklagt wurde, erfahrungsgemäß mit zunehmender Alkoholisierung in den frühen Morgenstunden.
24Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, außergerichtliche Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, soweit er einen Antrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
25Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht in ihrer Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts für den ersten Rechtszug.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
27.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
- 2
Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
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Es folgt die Luftbildaufnahme
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Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
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Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
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Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
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Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
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Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
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„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
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Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
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„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
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2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
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3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
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4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
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Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
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Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
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Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
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Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
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Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
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1. Die Klage ist zulässig.
- 31
1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
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1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
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Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
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1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
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2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
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Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
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2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
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2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
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2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
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2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
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2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
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2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
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2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
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Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
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Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
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2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
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2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
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2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
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2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
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„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
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a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
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b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
- 55
e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
- 56
Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
- 57
In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
- 59
2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
- 60
2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
- 61
Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 63
Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
- 64
Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
- 65
Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
- 66
Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
- 67
Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
- 68
Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
- 69
Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
- 70
2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
- 71
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
- 74
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 75
Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
- 76
In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
- 77
Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
- 78
Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
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Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
- 80
Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
- 81
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
- 82
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Beschluss
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen eine gastronomisch-musikalische Freiluftveranstaltung, die an vier zusammenhängenden Tagen jeweils im August auf dem Marktplatz der Beklagten stattfindet. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung J. , das mit dem Wohn- und Geschäftshaus X. Straße 2 bebaut ist. Hierbei handelt es sich um ein viergeschossiges Objekt, welches zudem über einen Dachgarten verfügt. Die Klägerin bewohnt die oberste Etage; die zu ihrer Wohnung gehörenden Schlafräume sind den Angaben der Klägerin zufolge nach Norden ausgerichtet. Die X. Straße, die etwa 20 m westlich des Grundstücks der Klägerin am Alten S.------platz beginnt, verläuft im Wesentlichen in ostwärtiger Richtung. Etwa 35 m ostwärts des Grundstücks X. Straße 2 zweigt die Von-T1. -Straße nach Norden ab. Diese trifft nach etwa 40 m auf die ebenfalls von Westen nach Osten verlaufende X1.-----straße . Diese mündet etwa 20 m weiter ostwärts auf den N3.----platz . Die Straßen sind allesamt als Fußgängerzone ausgebaut, die für Lieferverkehr lediglich zwischen 4:00 Uhr und 11:00 Uhr sowie 18:00 Uhr bis 19:30 Uhr zugänglich ist. Unter dem N3.----platz befindet sich eine Tiefgarage, die von der nördlich hiervon verlaufenden Straße Am U. aus angefahren wird. Nördlich des N3.----platzes befindet sich ein fünfgeschossiges Gebäude mit Flachdach, in welchem sich eine Altenwohnanlage befindet. Die geringste Entfernung (Luftlinie) zwischen dem Grundstück der Klägerin und der südwestlichen Ecke des N3.----platzes beträgt etwa 75 m; die östliche Seite des Platzes ist etwa 155 m entfernt. Zur Veranschaulichung der geschilderten örtlichen Gegebenheiten wird auf den folgenden Kartenausschnitt (Quelle: Bezirksregierung Köln, Abteilung Geobasis) verwiesen.
3 4Mit einer auf § 12 des Gaststättengesetzes (GastG) gestützten Gestattung vom 19. März 2015 erteilte die Beklagte dem Empfänger „Live Projektveranstaltungs GbR/Stadtmarketing J. “ die Erlaubnis zum vorübergehenden Gaststättenbetrieb auf dem N3.----platz der Beklagten in der Zeit vom 6. August 2015 bis zum 9. August 2015, wobei der Betrieb am 6. August 2015 bis 24.00 Uhr, am 7. und am 8. August 2015 jeweils bis 1:00 Uhr und am 9. August 2015 bis 21:00 Uhr stattfinden sollte. Die Veranstaltung wurde als „Genuss Pur 2015“ bezeichnet. Unter dem 8. Juli 2015 traf die Beklagte gegenüber dem Empfänger „Stadtmarketing J. “ eine als Ordnungsverfügung bezeichnete Entscheidung zur Durchführung der Veranstaltung Genuss Pur. Diese Verfügung enthält Regelungen über die Betriebszeiten, die mit den Angaben in der gaststättenrechtlichen Gestattung übereinstimmen. Unter Nummer 6. enthält die Verfügung Auflagen zum Immissionsschutz. Darin nimmt die Beklagte Bezug auf den „Leitfaden zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen“, wonach der Immissionsrichtwert im Außenbereich bis 24.00 Uhr 85 dB(A) und von 24.00 Uhr bis 1.00 Uhr 70 dB(A) betrage. Das Herabsetzen der Immissionswerte werde ‑ so die Beklagte ‑ dadurch erreicht, dass das Bühnenprogramm um 24.00 Uhr beendet werde und anschließend etwa sogenannte Walking Acts die Besucher unterhalten könnten. Außerhalb der genannten Zeit seien Immissionsrichtwerte einschlägig, wie sie im Erlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für seltene Ereignisse geregelt seien. Die Adressatin der Ordnungsverfügung wird aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die vorgegebenen Immissionsrichtwerte nicht überschritten würden.
5Unter dem 22. Juli 2015 legte die Live-Projekt GbR ein Sicherheitskonzept vor, welches sich unter Nummer 6. auch mit einem Feuerwerk befasste, das am Samstag (8. August 2015) vom Dach des am Nordrand des N3.----platzes gelegenen Altersheims aus abgefeuert werden sollte.
6An den fraglichen Tagen im August wurde die Veranstaltung wie geplant durchgeführt. Hierüber wurde in der örtlichen Presse ausführlich und mit positiver Tendenz berichtet. In einem Kommentar vom 10. August 2015 heißt es etwa: Genuss Pur habe sich im Kalender der Stadt mehr als etabliert. Dieses Ereignis müsse sich vor vergleichbaren Veranstaltungen in anderen Städten wahrlich nicht verstecken. Der Autor des Kommentars freue sich jedenfalls schon auf das nächste Jahr.
7Unmittelbar im Anschluss an die Veranstaltung bewerteten Bedienstete der Beklagten deren Ablauf unter dem Gesichtspunkt der Immissionssituation. In einer E-Mail vom 9. August 2015 heißt es insoweit: Alles in allem sei die Veranstaltung überaus ruhig verlaufen. Zu keiner Zeit hätten die Werte nur annähernd den Maximalwert von 85 dB(A) erreicht. Vor 24.00 Uhr habe eine Messung an allen Tagen maximal die nach 0:00 Uhr geforderten Werte von 70 dB(A) ergeben. Am Sonntag habe man lediglich im Rahmen einer Streife stichprobenartige Kontrollen ohne Messung vorgenommen. Auch dabei sei alles sehr ruhig gewesen. Lediglich ein Bewohner des Grundstücks X. Straße 24 habe am Freitag um 0.05 Uhr telefonisch Beschwerde geführt. Daraufhin habe der Veranstalter die Musik selbstständig abgestellt. Dem Beschwerdeführer sei mitgeteilt worden, dass die Werte „absolut in der Toleranzgrenze seien“. In den Akten der Beklagten findet sich im Anschluss an diese E-Mail eine Tabelle über Lärmmessungen an den Tagen vom 6. August 2015 (Donnerstag) bis 8. August 2015 (Samstag). Die darin ausgeworfenen Durchschnittswerte bewegen sich durchweg unterhalb von 70 dB(A).
8Am 7. November 2015 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie ist der Meinung: Die Verfügung der Beklagten vom 8. Juli 2015 sei rechtswidrig gewesen und habe ihre Rechte verletzt. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, zumal Wiederholungsgefahr bestehe; die Beklagte sei der Auffassung, bei „Genuss Pur“ handele es sich um eine Traditionsveranstaltung, die auch künftig mit den gleichen unzulänglichen Auflagen zum Immissionsschutz gestattet werde. Die Beklagte habe zu Unrecht Ausnahmen von den Verboten der §§ 9, 10 des Landesimmissionsschutzgesetzes (LImSchG) zugelassen. Nach diesen Vorschriften seien von den darin enthaltenen Regelungen Ausnahmen nur im öffentlichen Interesse möglich. Ein öffentliches Interesse bestehe bei Volksfesten nur dann, wenn im Einzelfall sachliche Gründe mit erheblichem Gewicht die Erstreckung der Veranstaltung gerade auf die Nachtzeit sowie den Einsatz von lautverstärkenden Hilfsmitteln erfordere. Die positive Außendarstellung der Stadt und der Gastronomie sowie des Einzelhandels seien keine hinreichenden Gründe, die Veranstaltung gerade in der Nachtzeit zuzulassen. Zwar sei die Traditionspflege grundsätzlich ein wichtiges Allgemeingut. Bei „Genuss Pur“ handele es sich jedoch nicht um eine Traditionsveranstaltung, weil sie erst seit wenigen Jahren stattfinde. Es sei auch kein traditionelles Fest. Es könnten nicht Veranstaltungen, die erst seit einigen Jahren durchgeführt würden, als Tradition ausgewiesen werden, um den Schutzzweck der §§ 9, 10 LImSchG aufzuheben. Auf dem N3.----platz und dem Alten S.------platz fänden an 53 Tagen des Jahres Musikveranstaltungen mit Bühne und lauter Musik statt. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sommernächte“ vom 1. August 2015 bis zum 22. August 2015 seien an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden Veranstaltungen auf dem N3.----platz durchgeführt worden. Neben „Genuss Pur“ habe es sich um die „Modenacht“, die „Summerjam“ und schließlich die „Rosenlust“ gehandelt. Es seien 48 Bands und Solokünstler aufgetreten, und es habe 9 Straßentheaterproduktionen sowie dreimal Feuerwerk gegeben. Im Übrigen habe es in der J.---Innenstadt zwischen dem 18. Juni 2015 und Weihnachten eine Reihe von Veranstaltungen mit lauter Musik unter Verwendung schallverstärkender Mittel gegeben. Angesichts dessen könne die Veranstaltung „Genuss Pur“ nicht als singuläres Ereignis angesehen werden. Sie habe in ihren Räumen bei geschlossenen Fenstern eine Geräuschimmission von 70-75 dB(A) gemessen. Danach seien die Feststellungen der Beklagten zur Immissionsbelastung nicht haltbar. Die Einhaltung der Lärmgrenzwerte werde auch nicht von der Beklagten selbst überwacht; die von dem Veranstalter festgestellten Werte seien zweifelhaft. Die Zahl der Veranstaltungen steige von Jahr zu Jahr; sie ‑ die Klägerin ‑ sei nicht mehr bereit, eine Verletzung ihrer Rechte hinzunehmen. Durch das Feuerwerk habe sie bereits Tinnitus, Schwindel und Störung des Gleichgewichtsorgans erfahren. Deshalb habe sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
9Die Klägerin beantragt,
10festzustellen, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 8. Juli 2015 betreffend die Veranstaltung „Genuss Pur“ rechtswidrig war und sie ‑ die Klägerin ‑ dadurch in ihren Rechten verletzt wurde.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie macht geltend: Sie bemühe sich um eine Entzerrung der Veranstaltungen, indem auch andere Flächen in Anspruch genommen würden. Diese fänden etwa auf dem T2.-------platz und auf dem Alten S.------platz statt. Zudem seien eine Vielzahl dieser anderen Ereignisse unter dem Gesichtspunkt der Immissionsbelastungen nicht mit „Genuss Pur“ vergleichbar. Dieses Ereignis besitze im Iserlohner Veranstaltungskalender eine singuläre und herausragende Stellung; vergleichbare Veranstaltungen würden weder durchgeführt noch ständen sie an. Angesichts dessen sei die sinngemäße Darstellung der Klägerin unzutreffend, wonach sie den ganzen Sommer über von innerstädtischen Musikdarbietungen in den Abendstunden unzumutbar belästigt werde. Die von ihr ‑ der Beklagten ‑ festgelegten Lärmgrenzwerte würden kontrolliert und gegebenenfalls auch durchgesetzt. Insoweit sei es statthaft, den jeweiligen Veranstalter zu einer fortlaufenden Dokumentation der Immissionen zu verpflichten. Im Übrigen führe auch sie ‑ die Beklagte ‑ selbst Messungen der Lärmbelastungen durch. Die Klägerin sei nicht mit dem Begehren an die Beklagte herangetreten, Messungen unmittelbar in ihren Wohnräumen durchzuführen. Sie ‑ die Beklagte ‑ habe die in Rede stehende Veranstaltung nach der Freizeitlärmrichtlinie, dem Leitfaden des Ministeriums und der einschlägigen Rechtsprechung rechtsfehlerfrei zugelassen. Danach könnten bei innerstädtischen Festveranstaltungen von kommunaler Bedeutung, bei denen die Immissionsrichtwerte der Freizeitlärmrichtlinie nicht eingehalten werden könnten, Überschreitungen für seltene Ereignisse zugelassen werden, wenn die Abwägung der öffentlichen gegen die privaten Interessen zu Gunsten der Veranstaltung ausfalle. Dies sei hier geschehen, so dass ihre Entscheidung rechtens gewesen sei.
14Am 26. April 2016 hat der Berichterstatter die Streitsache in J. erörtert und sich hierbei auch mit den örtlichen Verhältnissen vertraut gemacht. Auf die über diesen Termin gefertigten Niederschrift (Blätter 31 bis 34 der Gerichtsakte) wird verwiesen.
15Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Hiernach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser Akt vorher, also vor der gerichtlichen Entscheidung, erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Über den eigentlichen Wortlaut der Bestimmung hinaus kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch in Betracht, wenn sich ein Verwaltungsakt ‑ wie hier ‑ bereits vor Klageerhebung erledigt hat. Allerdings kann in dieser Situation das Feststellungsinteresse nicht auf die Erwägung gestützt werden, es sei beabsichtigt, wegen des rechtswidrig gewesenen Verwaltungsakts Amtshaftungsansprüche geltend zu machen,
18vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juli 1996‑ 1 B 121.96 ‑, zitiert nach „Juris“, daselbst bei Rn. 7.
19Im vorliegenden Fall hat sich die behördliche Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit die Klägerin festgestellt sehen will, mit dem Ende der Veranstaltung (9. August 2015 21.00 Uhr) erledigt. Die Klägerin beabsichtigt nicht, die Beklagte mit einem Amtshaftungsanspruch zu überziehen. Vielmehr begründet sie ihr Feststellungsinteresse mit der Wiederholungsgefahr. Diese ist ohne weiteres gegeben: Die Vertreter der Beklagten haben im Erörterungstermin und erneut in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass auch im August 2016, also in wenigen Tagen, das viertägige Ereignis auf dem N3.----platz stattfinden wird.
20Die Klage wurde am 7. November 2015 auch rechtzeitig erhoben. Die Ordnungsverfügung wurde der Klägerin nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt, so dass sie der Klägerin gegenüber bis zu ihrer Erledigung nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Hat sich allerdings ein Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft erledigt, so ist eine Klage, die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO gebunden; die Möglichkeit einer Verwirkung des Klagerechts bleibt freilich unberührt
21vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7.98 ‑ zitiert nach „Juris“.
22Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, die Klägerin sei angesichts der beträchtlichen Entfernung zwischen ihrem Hause und dem N3.----platz gar nicht im Rechtssinne betroffen, so dass sie sich auf eine etwaige Verletzung der §§ 9, 10 LImSchG nicht berufen könne. Zwar vermag die bloße Behauptung, durch eine emittierende Anlage oder ein emittierendes Ereignis gestört zu sein, einen immissionsschutzrechtlichen Abwehranspruch nicht zu begründen. Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch anders: Die Beklagte hat selbst Messungen der Geräuschsituation unter anderem vor dem Grundstück der Klägerin durchgeführt (Blätter 72 a ff. der BA II), wobei die dort festgestellten Lärmwerte immerhin ein Ausmaß erreichten, die eine „Betroffenheit“ der Klägerin begründen können. Ob die Klägerin nach den Vorschriften des materiellen Rechts verpflichtet ist, diese Betroffenheit hinzunehmen, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage.
23In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings keinen Erfolg. Denn die als Ordnungsverfügung bezeichnete Maßnahme der Beklagten, bei der es sich materiell um die immissionsschutzrechtliche Zulassung einer Ausnahme von gesetzlichen Verboten handelt, verletzte die Klägerin nicht rechtswidrig in ihren Rechten. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 ImSchG kann die zuständige Behörde Ausnahmen von dem Verbot, die Nachtruhe zu stören, zulassen, wenn die Ausübung der störenden Tätigkeit während der Nachtzeit im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 ImSchG kann die Behörde von den in § 10 Absätze 1 und 2 ImSchG enthaltenen Regelungen betreffend die Verwendung von Tongeräten im Einzelfall Ausnahmen zulassen, wenn ein öffentliches oder ein überwiegendes privates Interesse hieran besteht. Das „öffentliche Interesse“, von dem diese Vorschriften sprechen, ist im Falle des Ereignisses „Genuss Pur“ ohne weiteres erfüllt: Ausweislich der zahlreichen Presseberichte über „Genuss Pur“ trifft diese Veranstaltung auf ein äußerst lebhaftes öffentliches Interesse. Dieses wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass einzelne Menschen wie möglicherweise die Klägerin derartige Belustigungen grundsätzlich ablehnen.
24Wenn danach jeweils der Tatbestand der Ausnahmevorschrift erfüllt ist, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß sie Ausnahmen zulässt. Einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist ihre Ermessensentscheidung nur nach Maßgabe von § 114 VwGO. Danach hat das Gericht lediglich zu prüfen, ob die Behörde die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat, sind auch sogenannte ermessenslenkende Verwaltungsrichtlinien (Verwaltungsvorschriften) zu berücksichtigen. Diese entheben die Behörde allerdings nicht von der Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Ermessensentscheidung unter Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte des konkreten Falles,
25vgl. nur Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 21. Auflage (2015) § 114 Rd.-Nr. 10a mit weiteren Nachweisen.
26Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bei ihrer Ermessensbetätigung zum einen den Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 23. Oktober 2006 „Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen“ und den vom selben Ministerium unter dem 17. Dezember 2009 veröffentlichten „Leitfaden zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten und ähnlichen Traditionsveranstaltungen“ in den Blick genommen. Beide Regelwerke betreffen Volksfeste und ähnliche Traditionsveranstaltungen, so dass dem Einwand der Klägerin nachzugehen ist, wonach es sich bei „Genuss Pur“ gar nicht um eine Traditionsveranstaltung handele, sondern lediglich um ein zusätzliches gastronomisches Angebot in der Innenstadt von J. . Insoweit ist der Klägerin allerdings zuzugestehen, dass „Genuss Pur“ ganz augenscheinlich eine neuzeitliche Form des Stadtmarketing darstellt, wie sie in anderen Städten des Gerichtsbezirks („N4. à la carte“ „B. kulinarisch“) in ähnlicher Weise praktiziert wird. Mit „Tradition“ im Sinne einer Jahrzehnte langen Übung, auf welche etwa die Schützenfeste des Sauerlandes und die Soester Kirmes zurückblicken können, hat dies an sich nichts zu tun. Dieser Befund steht der Anwendung der zitierten Regelwerke indessen nicht von vornherein entgegen. Die Kammer schließt sich dem
27Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26. September 2003– V ZR 41/03 ‑, Baurechtssammlung (BRS) Band 66 Nr. 175,
28an, der zur Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen seitens einer Veranstaltung, die (noch) keine Tradition aufweisen kann, folgende Auffassung vertritt:
29Unerheblich für die Frage der Wesentlichkeit der Immissionen sei, ob der Nutzung eines Grundstücks als Festplatz eine langjährige Übung zugrundeliege. Zwar könne dem Traditionscharakter einer Veranstaltung in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht zukommen. Umgekehrt stehe der Annahme einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung jedoch nicht entgegen, dass eine Veranstaltung erst seit kurzer Zeit stattfinde. Andernfalls wären die Gemeinden gehindert, eine kommunale Festivität zu begründen, wo Traditionsveranstaltungen fehlten, oder die Abläufe bei Festen zu ändern, die auf eine langjährige Übung zurückgingen. Demgemäß könnten auch die mit Gemeinde ‑ und Vereinsfesten untrennbar verbundenen Musik ‑ und Tanzveranstaltungen Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren. Erlangten sie hierbei im Einzelfall überregionale Bedeutung, nehme ihnen das die kommunale Bedeutung nicht, soweit die jeweilige Veranstaltung weiterhin auch für die örtliche Bevölkerung bestimmt sei und von ihr angenommen werde.
30Diese Überlegungen des Bundesgerichtshofs sind auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung. Zwar behandelt der BGH die Frage, ob Lärmimmissionen unwesentlich sind im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, so dass der Eigentümer eines Grundstücks diese Einwirkungen nicht verbieten kann. Genau diese Frage, ob nämlich die von „Genuss Pur“ ausgehenden Geräusche von der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks X. Straße 2 hingenommen werden müssen, stellt sich auch im vorliegenden Verwaltungsstreit. Auch im Immissionsschutzrecht muss eine Gemeinde die Möglichkeit haben, neuartige Ereignisse zuzulassen und hierbei von den Ausnahmevorschriften nach §§ 9, 10 LImSchG Gebrauch zu machen. Danach finden auf die in Rede stehende Veranstaltung, die in J. regelmäßig ‑ wenngleich erst seit etwa 10 Jahren ‑ stattfindet, die zuvor bezeichneten ministeriellen Verlautbarungen Anwendung.
31Bei „Genuss Pur“ handelt es sich schließlich um ein „seltenes Ereignis“ im Sinne der hier interessierenden Regelwerke. Nr. 3.2 des Erlasses in der hier im August 2015 noch geltenden Fassung enthält mittelbar eine Definition des seltenen Ereignisses, indem dort von „seltenen Fällen“ bzw. einer begrenzten Zeitdauer von nicht mehr als 10 Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als zwei Wochenenden hintereinander die Rede ist. Ausgehend hiervon folgt die Kammer der Auffassung der Beklagten, wonach sich die in Rede stehende Veranstaltung auf die Privilegierung für seltene Ereignisse berufen kann. Die zahllosen Veranstaltungen, welche die Klägerin insoweit anführt, sind ganz überwiegend im vorliegenden Zusammenhang überhaupt nicht von Belang. Insoweit ist es nämlich nicht sachgerecht, die Gesamtzahl der öffentlichen Ereignisse in J. in den Blick zu nehmen und festzustellen, dass hieran gemessen „Genuss Pur“ eben kein seltenes Ereignis sei. Bei der Bestimmung des Merkmals „selten“ sind ausschließlich solche Gegebenheiten in den Blick zu nehmen, die sowohl hinsichtlich des jeweiligen Austragungsorts als auch im Hinblick auf die Immissionsbelastungen, die von ihnen ausgehen, Ähnlichkeiten aufweisen. Angesichts dessen muss etwa das J.---Schützenfest, auf welches die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11. Juli 2016 abstellen, von vornherein ausscheiden, weil die B1. (Parkhalle) von dem Gebäude X. Straße 2 rund 750 m entfernt liegt. Auch der G. -L1. -Platz, der deutlich mehr als 200 m südlich vom Grundstück der Klägerin entfernt liegt und von diesem durch mehrere Straßen und eine geschlossene Bebauung abgeschirmt wird, gehört nicht zur näheren Umgebung des Alten S.---platzes und des N3.---platzes, so dass das „Friedensfest“, das dort im Juni 2015 stattgefunden hat, keineswegs die „Seltenheit“ von „Genuss Pur“ in Frage stellt. Dass „Jesus liebt Dich“ der Stadtmission, eine Caritas-Veranstaltung, ein Büchereifest und ein Friedensfest unter dem Gesichtspunkt der Immissionsbelastung Ähnlichkeiten mit „Genuss Pur“ aufweist, ist ausgehend von den Inhalten dieser Veranstaltungen, die sich in ihren Bezeichnungen widerspiegeln eher unwahrscheinlich; jedenfalls trägt die Klägerin hierzu nicht substantiiert vor. Angesichts dessen ist die Kammer davon überzeugt, dass Genuss Pur „selten“ ist im Sinne der einschlägigen Erlasslage.
32Die Entscheidung der Beklagten, von den in Nr. 3.2 des Erlasses für „seltene Ereignisse“ festgelegten Immissionsrichtwerten Ausnahmen zuzulassen, erweist sich im konkreten Fall als ermessensfehlerfrei. Hierzu heißt es in Nr. 3.4 des Erlasses in der Fassung seiner Änderung vom 16. September 2009: (Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen S.450):
33„Insbesondere bei Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen können häufig auch unter Nutzung aller zumutbaren Lärmschutzmaßnahmen die Immissionsrichtwerte der Nr. 3.1 und 3.2 nicht eingehalten werden. Jedoch besteht gerade hier oftmals ein öffentliches Interesse an der Durchführung einer solchen Veranstaltung innerhalb oder in unmittelbarer Nähe zu einer Wohnnutzung.
34Diese Immissionsrichtwerte sind jedoch nicht abschließend. Gemäß der §§ 9 und 10 LImSchG können bei einem öffentlichen oder einem überwiegenden privaten Interesse Ausnahmen zugelassen werden, ggf. mit entsprechenden Auflagen zum Schutz der Anwohner. Im Rahmen dieser Ausnahmen kommen auch Überschreitungen der unter Nr. 3.2 benannten Werte für seltene Ereignisse oder einer Verschiebung der Nachtzeit in Betracht. Bei der Ausnahmeerteilung sind die öffentlichen bzw. privaten Interessen und die Interessen der vom Lärm betroffenen Personen gegeneinander abzuwägen. Voraussetzung für die Erteilung derartiger Ausnahmegenehmigungen ist es, dass die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm getroffen werden. Dabei ist gegebenenfalls auch zu prüfen, ob geeignete alternative Standorte vorhanden sind.“
35Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist die Entscheidung der Beklagten, die weiter oben im Tatbestand mitgeteilten Immissionsrichtwerte zuzulassen, nach dem Maßstab des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Sowohl der N3.----platz als auch das Grundstück der Klägerin befinden sich im Zentrum einer Großen kreisangehörigen Stadt, wobei es sich bauplanungsrechtlich um ein klassisches Kerngebiet handelt. Hier bieten sich Festivitäten wie die in Rede stehende Veranstaltung geradezu an, und sie müssen von den Anwohnern auch hingenommen werden. Wer sich in der Innenstadt niederlässt, seine Schlafräume zu einem N3.----platz hin ausrichtet und auf seinem mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus einen Dachgarten angelegt, kann nicht erwarten, dort Verhältnisse wie in einem allgemeinen oder gar reinen Wohngebiet anzutreffen. Dass es hier in den Abend- und auch Nachtstunden ‑ gerade im Sommer und nicht zuletzt ausgelöst durch die Sommerzeit ‑ zu Geräuschbelastungen beträchtlichen Ausmaß kommen wird, muss den Anwohnern von vornherein klar sein. Wenn die Beklagte in dieser örtlichen Situation eine mehrtägige Veranstaltung zulässt, die dem in jüngerer Zeit aufkommenden Bedürfnis nach lautstarker Beschallung Rechnung trägt, haben die Anwohner dies hinzunehmen, auch wenn sie diese neuartigen Erscheinungsformen der Geselligkeit grundsätzlich ablehnen.
36Soweit die Klägerin im Übrigen geltend macht, die Beklagte habe die Einhaltung der von ihr verfügten Immissionsgrenzwerte nicht selbst überwacht, trifft dies zum einen nicht zu. Die Messprotokolle in Verbindung mit den zugehörigen Plan (Blätter 72 a ff. der BA II) stammen aus den Untersuchungen der Beklagten und nicht etwa des Veranstalters. Im Übrigen kommt es auf diesen Gesichtspunkt auch gar nicht entscheidend an: Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist die Ordnungsverfügung als solche und nicht die Frage, auf welche Weise die Veranstaltung tatsächlich abgewickelt worden ist.
37Soweit schließlich die Klägerin persönliche Empfindlichkeiten anführt und darauf hinweist, durch das Feuerwerk einen Tinnitus-Schaden erlitten zu haben, handelt es sich um eine bedauerliche Auswirkung eines grundsätzlich rechtmäßigen Ereignisses. Für die Frage, ob dem Eigentümer eines Grundstücks oder einem Anwohner ein immissionsschutzrechtlicher Abwehranspruch gegen eine Veranstaltung zusteht, kommt es indessen allein auf die objektiven Gegebenheiten an.
38Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
39Das Gericht sieht davon ab, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Kammer weicht auch nicht von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte ab.
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 - 11 K 2502/11 - geändert.
Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
Die Kostenentscheidung wird wie folgt neu gefasst: Die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 6 tragen jeweils ein Fünftel, die Kläger zu 4 und zu 5 als Gesamtschuldner ebenfalls ein Fünftel der Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens beim Verwaltungsgericht, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
- 2
Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
- 3
Es folgt die Luftbildaufnahme
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Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
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Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
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Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
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Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
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Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
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„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
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Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
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„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
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2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
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3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
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4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
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Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
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Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
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Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
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Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
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Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
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1. Die Klage ist zulässig.
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1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
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1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
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Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
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1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
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2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
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Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
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2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
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2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
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2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
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2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
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2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
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2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
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2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
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Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
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Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
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2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
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2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
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2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
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2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
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„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
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a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
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b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
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e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
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Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
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In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
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2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
- 60
2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
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Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
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Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
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Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
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Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
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Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
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Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
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Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
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Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
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2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
- 71
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
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„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
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Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
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In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
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Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
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Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
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Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
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Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
- 81
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
- 82
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Beschluss
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 23.5.2016 geändert:
Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 3 K 2431/16 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.5.2016 sowie des hiergegen vorsorglich eingelegten Widerspruchs wird unter den folgenden Auflagen nur insoweit wiederhergestellt, als die Genehmigung die Durchführung der Jugendtanzveranstaltung am Mittwoch/Donnerstag, den 25./26.5.2016, für die Zeit ab dem 26.5.2016, 2:00 Uhr, betrifft:
a) Soweit es möglich ist, ist am 26.5.2016 ab 0:00 Uhr durch Reduzierung der Lautstärke an der Musikanlage sicherzustellen, dass ein Beurteilungspegel von 55 dB(A) – ermittelt nach den Vorgaben der Freizeitlärmrichtlinie der LAI vom 6.3.2015 – vor dem Wohnhaus der Antragsteller nicht überschritten wird; sofern hierfür erforderlich, ist der Verstärker so einzustellen, dass in einem Abstand von drei Metern vor den Lautsprechern ein äquivalenter Dauerschallpegel auch unter 80 dB(A) erzeugt wird.
b) Die musikalischen Darbietungen sind ab 1:45 Uhr einzustellen, damit die Veranstaltung um 2:00 Uhr beendet werden kann.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsteller als Gesamtschuldner, die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen jeweils ein Drittel der Kosten des nicht durch Vergleich erledigten Teils des Verfahrens erster Instanz einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner und die Antragsgegnerin je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind im Beschwerdeverfahren nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.
2Die nach §§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 3 VwGO erforderliche Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der allein noch streitgegenständlichen Gestattung der Jugendtanzveranstaltung am 25./26.5.2016 überwiegt, sofern über die Einhaltung der der Gestattung vom 13.5.2016 beigefügten Auflagen hinaus während der Veranstaltung im Zuge der ohnehin vorgesehenen Lärmmessungen darauf geachtet wird, dass ab Mitternacht der Beurteilungspegel vor dem Haus der Antragsteller 55 dB(A) möglichst nicht übersteigt. Hierauf haben auch die eingesetzten Mitarbeiter der Ordnungsbehörde zu achten.
3Zwar spricht nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage viel dafür, dass der Bescheid vom 13.5.2016 hinsichtlich der für den 25./26.5.2016 vorgesehenen Jugendtanzveranstaltung für die Zeit ab 26.5.2016, 0:00 Uhr, die Lärmproblematik nur unzureichend regelt. Allerdings ist eine Heilung im Laufe eines Hauptsacheverfahrens grundsätzlich denkbar. Mit Blick hierauf, mit Rücksicht auf die besondere Eilbedürftigkeit und wegen der außergewöhnlichen Bedeutung gerade der Jugendtanzveranstaltung im Rahmen des jährlichen örtlichen Schützenfests für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft hält der Senat ausnahmsweise eine allgemeine Interessenabwägung für sachgerecht, bei der er unter Inanspruchnahme seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO durch zusätzliche Auflagen einer möglichen Heilung vorgreift.
4Nach summarischer Prüfung teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass es vor Erteilung der streitgegenständlichen Gestattung nach § 12 Abs. 1 GastG einer Lärmprognose bedurft hätte, um die von der Jugendtanzveranstaltung hervorgerufenen Lärmwirkungen verlässlich abschätzen und Nutzungskonflikte mit den benachbarten Wohngrundstücken einschließlich desjenigen der Antragsteller bewältigen zu können.
5Vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Beschluss vom 3.11.2015 – 4 B 652/15 –, NWVBl. 2016, 206 = juris, Rn. 12 f., m. w. N.
6Die in § 12 Abs. 1 GastG eröffnete Möglichkeit, aus besonderem Anlass den Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes „unter erleichterten Voraussetzungen“ vorübergehend auf Widerruf zu gestatten, bewirkt keine Freistellung von dem sowohl gaststättenrechtlich (§§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) als auch immissionsschutzrechtlich (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) verankerten Gebot des Schutzes der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG. Insoweit kommt in den „erleichterten“ Gestattungsvoraussetzungen allerdings zum Ausdruck, dass bei der Bestimmung der Schwelle der „erheblichen“ Nachteile und Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG der besondere Anlass und der nur vorübergehende Charakter des zu gestattenden Gaststättenbetriebs zu berücksichtigen sind.
7Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 17; Bay. VGH, Beschluss vom 17.9.2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485 = juris, Rn. 8; siehe zu § 12 GastG auch BVerwG, Urteil vom 4.7.1989 – 1 C 11.88 –, BVerwGE 82, 189 = juris, Rn. 12 ff.
8Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen, nach denen sich die in § 3 Abs. 1 BImSchG vorausgesetzte Erheblichkeit immissionsbedingter Beeinträchtigungen danach bemisst, ob sie das den Betroffenen in der jeweiligen Situation zumutbare Maß überschreiten. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit sind insbesondere Art, Ausmaß und Dauer der fraglichen Immissionen, ihre soziale Adäquanz sowie die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des davon betroffenen Gebiets von Bedeutung.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.4.1991 – 7 C 12.90 –, BVerwGE 88, 143 = juris, Rn. 14; Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 3 Rn. 47, 52 ff., m. w. N.
10Fehlt es, wie hier, an einer normativen Konkretisierung der Erheblichkeitsschwelle, bedarf es einer Beurteilung der Zumutbarkeit anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Für diese Beurteilung kann vorliegend die Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 6.3.2015 (im Folgenden: Freizeitlärmrichtlinie) als Orientierungshilfe herangezogen werden. Sie gilt nach ihrer Ziff. 1 für Freizeitanlagen, und zwar insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Diskothekenveranstaltungen, Lifemusik-Darbietungen, Rockmusikdarbietungen, Platzkonzerte, regelmäßige Feuerwerke, Volksfeste o. a. stattfinden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die von Sachverständigen ausgearbeitete Freizeitlärmrichtlinie den Gerichten als Entscheidungshilfe dienen kann.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.5.2001 – 7 C 16.00 –, NVwZ 2001, 1167 = juris, Rn. 12; BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 9.
12Die Freizeitlärmrichtlinie sieht Immissionsrichtwerte vor, oberhalb derer in der Regel mit erheblichen Belästigungen zu rechnen ist (Ziff. 4.1 bis 4.3). Für seltene Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist vorgesehen, dass diese trotz Überschreitung der allgemeinen Immissionsrichtwerte auf der Grundlage einer Sonderfallbeurteilung zulässig sein können (Ziff. 4.4). Dabei ist bei zu erwartenden Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts deren Zumutbarkeit explizit zu begründen, sollen Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24:00 Uhr vermieden werden, Geräuschspitzen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten und die Anzahl der Tage mit seltenen Veranstaltungen 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten (Ziff. 4.4.2). Schon die Freizeitlärmrichtlinie selbst lässt dabei Raum für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Dazu gehören insbesondere die Anzahl der Störereignisse sowie ihr Anlass, der unter dem Gesichtspunkt der sozialen Adäquanz für die Beurteilung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen von Bedeutung ist. Danach können bei sehr seltenen Veranstaltungen von herausragender Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft selbst Lärmwirkungen noch als unerheblich zu bewerten sein, welche die in der Freizeitlärmrichtlinie für seltene Veranstaltungen vorgesehenen Richtwerte überschreiten.
13Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 16; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 14.9.2004 – 6 A 10949/04 –, GewArch 2004, 494 = juris, Rn. 17 f., m. w. N.
14Um eine solche Veranstaltung geht es hier. Die Jugendtanzveranstaltung ist Bestandteil des von dem Beigeladenen veranstalteten, nur einmal im Jahr für wenige Tage stattfindenden Schützenfests, das ein traditioneller, allgemein akzeptierter Ausdruck des Gemeindelebens ist. Schützenfeste stärken Identität und Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft und besitzen deshalb für viele Bewohner einen hohen Stellenwert. Damit einhergehende Geräusche sind daher aus der insoweit maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittsbetrachters in höherem Umfang zumutbar als andere Immissionen. An der kommunalen Bedeutung des Schützenfests nimmt die hier in Rede stehende Jugendtanzveranstaltung unabhängig davon teil, dass sie erst im Jahr 2004 erstmalig durchgeführt wurde. Ebenso wie die kommunalen Festivitäten selbst sind auch damit untrennbar verbundene Musik- und Tanzveranstaltungen nicht auf einen bestimmten, historisch überkommenen Bestand festgelegt, sondern können Änderungen in Art und Ausrichtung erfahren.
15Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 14 f.
16Ausgehend von der konkreten örtlichen Lage, in der das Schützenhaus mit dem daneben liegenden traditionellen Festplatz in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung liegt, sind beide Nutzungen mit einer von vornherein gegebenen Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme belastet. Dies bedeutet, dass die Wohnnutzung auf das nachvollziehbare Bedürfnis nach einem einmal jährlich stattfindenden Schützenfest Rücksicht zu nehmen hat, während umgekehrt bei dessen Planung und Durchführung nachbarliche Ruhebedürfnisse weitergehend berücksichtigt werden müssen als bei einer Feier abseits von Wohnbebauung.
17Vgl. zum Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme BVerwG, Urteil vom 24.4.1991 – 7 C 12.90 –, BVerwGE 88, 143 = juris, Rn. 15.
18Selbst wenn danach, soweit dies für eine sachgerechte Durchführung des Festes erforderlich ist, auch eine deutliche Überschreitung der in der Freizeitlärmrichtlinie für seltene Veranstaltungen vorgesehenen Richtwerte zulässig sein kann, so geht der Senat doch im Anschluss an Nr. 4.4.2 Buchst. b) Freizeitlärmrichtlinie und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass dies grundsätzlich nur bis Mitternacht angenommen werden kann. Mit Rücksicht auf den Schutz der Nachtruhe der Anwohner lässt sich eine über Mitternacht hinausgehende erhebliche Überschreitung der Richtwerte auch bei kommunal bedeutsamen Veranstaltungen für die unmittelbare Nachbarschaft in aller Regel nicht mehr als unwesentlich qualifizieren.
19Vgl. BGH, Urteil vom 26.9.2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699 = juris, Rn. 18.
20Danach ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der angegriffene Bescheid die Lärmproblematik für die Zeit nach Mitternacht in einer die Rechte der Antragsteller verletzenden Weise unzureichend regelt. Denn er geht davon aus, dass am 26.5.2016 der in Ziff. 4.4.2 Buchst. a) und b) der Freizeitlärmrichtlinie bestimmte Beurteilungspegel von 55 dB(A) überschritten wird und stellt nicht hinreichend sicher, dass dieser Pegel nach Möglichkeit zumindest ab 0:00 Uhr auf dem Wohngrundstück der Antragsteller eingehalten wird. Die dem Bescheid unter Ziff. 6 beigefügten Lärmschutzauflagen sind nicht an diesem Richtwert orientiert. Sie sind inhaltlich unbestimmt, soweit dem Beigeladenen aufgegeben wird, um 22:00 Uhr die Musik „in ihrer Lautstärke so zu reduzieren (Bässe herausnehmen), dass die Bevölkerung nicht erheblich in der Nachtruhe gestört wird“, und ab 1:00 Uhr „die Lautstärke nochmals zu reduzieren, so dass die Nachbarschaft von der Musik nicht gestört wird.“ Soweit darüber hinaus u. a. eine Begrenzung des äquivalenten Dauerschallpegels auf 90 dB(A) in einem Abstand von drei Metern vor den Lautsprechern, eine bestimmte Ausrichtung der Lautsprecher sowie eine seitliche Abschirmung des Veranstaltungsorts angeordnet worden sind, lässt sich nach den gegebenen Umständen nicht mit dem notwendigen Grad an Gewissheit abschätzen, ob sich allein schon hiermit erhebliche Lärmwirkungen auf dem ca. 100 m von dem Festzelt entfernten Grundstück der Antragsteller verhindern lassen.
21Wegen der nach summarischer Prüfung bestehenden teilweisen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids hält es der Senat im Rahmen der nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO anzustellenden Abwägung der gegenläufigen Interessen für gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung der Klage und des vorsorglich eingelegten Widerspruchs mit Einschränkungen für die Zeit ab Mitternacht wiederherzustellen. Ausschlaggebend dafür sind zum einen der hohe Stellenwert des Schützenfestes für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft und zum anderen der Umstand, dass der dem Bescheid anhaftende Mangel von der Antragsgegnerin im Laufe eines Hauptsacheverfahrens durch nachträgliche Ergänzung weiterer Lärmschutzauflagen behoben werden könnte. Hinzu kommt, dass die Durchführung des Festes wegen der kurzen verbleibenden Zeit bei uneingeschränkter Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung für die Zeit ab Mitternacht insgesamt gefährdet wäre.
22Der Senat hält es deshalb ausnahmsweise für sachgerecht, unter Inanspruchnahme seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO durch Anordnung zusätzlicher Auflagen einer möglichen Behebung des dem Bescheid anhaftenden Mangels durch die Antragsgegnerin in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise vorzugreifen. Dabei geht er davon aus, dass es aufgrund der ohnehin bereits vorgesehenen veranstaltungsbegleitenden Lärmmessungen möglich sein wird, dass die anwesenden Mitarbeiter der Antragsgegnerin gemeinsam mit dem Beigeladenen darauf hinwirken, dass ab Mitternacht der Beurteilungspegel vor dem Wohnhaus der Antragsteller 55 dB(A) möglichst nicht übersteigt. Unter Berücksichtigung des Abstands zwischen Wohnhaus und Festzelt sowie der von der Antragsgegnerin bereits verfügten Lärmschutzauflagen könnte dieses Lärmschutzziel erforderlichenfalls durch eine weitere Reduzierung der Lautstärke an der Musikanlage zu erreichen sein.
23Zur Kompensation der – auch aufgrund von Messungenauigkeiten – verbleibenden Unsicherheiten hält es der Senat zum Schutz der Nachtruhe der Anwohner jedoch für angezeigt, dass die musikalischen Darbietungen ab 1:45 Uhr eingestellt werden, damit die Veranstaltung um 2:00 Uhr beendet werden kann. Hierzu besteht unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Rücksichtnahme vor allem auch deshalb Anlass, weil im Interesse der Nähe der Zeltdisco zum Schützenhaus davon abgesehen worden ist, diese abseits der Wohnbebauung zu veranstalten. Auch wenn diese Standortwahl wegen der vorhandenen Infrastruktur neben dem Schützenhaus und zur Erhaltung des bisherigen Charakters des Schützenfests nachvollziehbar sein dürfte, erhöht sich das Ausmaß der gebotenen Rücksichtnahme in der besonders schutzbedürftigen Nachtzeit, wenn geeignete Ausweichstandorte für besonders lärmintensive Festivitäten zur Verfügung stehen. Dies hält der Senat nach dem Vorbringen der Antragsteller für denkbar. Im Übrigen wächst die Gefahr eines unfriedlichen Verlaufs, wie er gerade bei der Jugenddisco in den früheren Jahren beklagt wurde, erfahrungsgemäß mit zunehmender Alkoholisierung in den frühen Morgenstunden.
24Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, außergerichtliche Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, soweit er einen Antrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
25Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht in ihrer Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts für den ersten Rechtszug.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
27.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2017 rechtswidrig gewesen ist.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft M. vom 10. März 2017 wird aufgehoben.
die Klage abzuweisen.
festzustellen, dass der Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft M. vom 10. März 2017 rechtswidrig gewesen ist.
Gründe
Tenor
I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird festgestellt, dass (auch) die Beschränkung Nr. 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „… sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen … untersagt sind … die Parolen ‚Wir sind wieder da!‘“ rechtswidrig war.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Beigeladene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Die Erlaubnis ist für eine bestimmte Betriebsart und für bestimmte Räume zu erteilen. Die Betriebsart ist in der Erlaubnisurkunde zu bezeichnen; sie bestimmt sich nach der Art und Weise der Betriebsgestaltung, insbesondere nach den Betriebszeiten und der Art der Getränke, der zubereiteten Speisen, der Beherbergung oder der Darbietungen.
(2) Die Erlaubnis darf auf Zeit erteilt werden, soweit dieses Gesetz es zuläßt oder der Antragsteller es beantragt.
(3) (weggefallen)
(1) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn
- 1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird, - 2.
die zum Betrieb des Gewerbes oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmten Räume wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb nicht geeignet sind, insbesondere den notwendigen Anforderungen zum Schutze der Gäste und der Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder den sonst zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung notwendigen Anforderungen nicht genügen oder - 2a.
die zum Betrieb des Gewerbes für Gäste bestimmten Räume von behinderten Menschen nicht barrierefrei genutzt werden können, soweit diese Räume in einem Gebäude liegen, für das nach dem 1. November 2002 eine Baugenehmigung für die erstmalige Errichtung, für einen wesentlichen Umbau oder eine wesentliche Erweiterung erteilt wurde oder das, für den Fall, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, nach dem 1. Mai 2002 fertig gestellt oder wesentlich umgebaut oder erweitert wurde, - 3.
der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten läßt, - 4.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, daß er oder sein Stellvertreter (§ 9) über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse unterrichtet worden ist und mit ihnen als vertraut gelten kann.
(2) Wird bei juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Vereinen nach Erteilung der Erlaubnis eine andere Person zur Vertretung nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufen, so ist dies unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen.
(3) Die Landesregierungen können zur Durchführung des Absatzes 1 Nr. 2 durch Rechtsverordnung die Mindestanforderungen bestimmen, die an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume im Hinblick auf die jeweilige Betriebsart und Art der zugelassenen Getränke oder Speisen zu stellen sind. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung
- a)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2a Mindestanforderungen bestimmen, die mit dem Ziel der Herstellung von Barrierefreiheit an die Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung der Räume zu stellen sind, und - b)
zur Durchführung des Absatzes 1 Satz 2 die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit festlegen.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.