Bankrecht: Zur Falschberatung bei Lehmann-Anleihen
Zur Frage der Haftung für die fehlerhafte Angabe in einer bei einer Anlageberatung verwendeten Werbebroschüre, die Emittentin der Anlage sei die Investmentbank L. B. Inc., eine Tochtergesellschaft der Konzernmutter L. B.H. Inc., und nicht lediglich eine - keinen Bankenstatus besitzende - Enkelgesellschaft der Holding-Gesellschaft.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Mai 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landgerichts München I (weiter) abgeändert.
Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1 wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung und der Verwendung einer fehlerhaften Broschüre im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Anleihe der (inzwischen insolventen) L. B. T. Co. B.V.
Die Klägerin zeichnete am 15. November 2006 nach einem Gespräch mit einem für die Beklagte zu 1 tätigen Berater eine "F."-Anleihe der L. B. T. Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin) zum Nominalwert von 31.000 € zuzüglich eines Aufschlags von 5 %. Die Anleihe bot einen Kapitalschutz zu 100 % bei Fälligkeit am Ende der 10-jährigen Laufzeit.
Die Klägerin stützt ihre Schadensersatzforderung gegenüber der Beklagten zu 1 auf Pflichtverletzungen aus einem Anlageberatungsvertrag. Sie macht verschiedene Beratungsmängel geltend. Die schriftlichen Produktunterlagen, die dem Beratungsgespräch zugrunde gelegen hätten (insbesondere Prospektbroschüre und Marketingbroschüre), seien aus mehreren Gründen falsch. Sie vermittelten durch Verschweigen des Totalverlustrisikos und die Verharmlosung des Kapitalverlustrisikos einen unzutreffenden Eindruck vom Risiko der Anlage. Die Bezeichnung der Emittentin als bonitätsstarke Bank in der Produktbroschüre sei unrichtig: Zum einen deshalb, weil diese keine Bank, sondern eine reine Emissionsgesellschaft gewesen sei, zum anderen, weil das einzige Asset der Emittentin eine Konzernforderung gewesen sei. Sie habe auch über kein Rating verfügt; nur für ihre Produkte seien Ratingnoten vergeben worden. Soweit sich die Beklagten auf eine seitens der Konzernmutter L. B. H. Inc. gegebene Garantie beriefen, werde der Bestand dieser Garantie bestritten.
Wegen der angeblich fehlerhaften Produktbeschreibung in der Broschüre, die die Klägerin als Prospekt ansieht, nimmt sie die Beklagte zu 2 aus Prospekthaftung in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten den Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 wegen fehlerhafter Auskünfte bei der Vermittlung oder fehlerhafter Anlageberatung begründet sei. Falsch sei die Beratung beziehungsweise Auskunftserteilung durch die Beklagte zu 1 gewesen, weil in den verwendeten schriftlichen Unterlagen betreffend der empfohlenen Anlage die Emittentin als "Bank", nämlich als die US-amerikanische Investmentbank L. B.Inc., bezeichnet worden sei, obwohl sie als auch die Garantiegeberin von der Investmentbank zu unterscheiden seien. In Wahrheit habe es sich bei der Emittentin um die Enkelgesellschaft der L. B. H. Inc., der Garantiegeberin, gehandelt. Die Investment Bank habe vielmehr unter L. B. Inc. firmiert und sei ihrerseits eine Tochtergesellschaft der L. B. H.Inc. gewesen. Die über die Vertragspartner bei Anleihezeichnung gemachten Angaben seien daher grundlegend falsch. Die Abweichung zwischen erteilter Mitteilung des Vertragspartners und dem wahren Sachverhalt betreffe auch eine für die Anlageentscheidung wesentliche Information. Ob der Vertragspartner einen Bankenstatus - hier den einer US-amerikanischen Investmentbank - einnehme, sei unter dem Gesichtspunkt der Risiko-trächtigkeit des Anlageprodukts für den Anlageentschluss wegen der mit dem Status verbundenen Regulierung und Institutsbeaufsichtigung in der Regel von wesentlicher Bedeutung. Das gelte auch vorliegend. Zwar sei auf Holdingebene eine Aufsichtsmöglichkeit durch die US-amerikanische Börsenaufsicht etabliert gewesen, der sich die L. B. H. Inc. unterworfen gehabt habe. Damit sei aber ein Sicherheitsstandard, der demjenigen einer der Einzelaufsicht unterliegenden Investmentbank vergleichbar gewesen wäre, nicht erreicht worden.
Der Schadensersatzanspruch sei auch gegen die Beklagte zu 2 begründet. Die vorgelegte Broschüre sei als Prospekt anzusehen und die Beklagte als Prospektverantwortliche zu qualifizieren. Prospekt im Sinne der zur Prospekthaftung im engeren Sinne ergangenen Rechtsprechung sei eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthalte oder den Anschein eines solchen Inhalts erwecke. Sie müsse dabei tatsächlich zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Alle diese Voraussetzungen erfülle die 19-seitige Broschüre. Dass in der Broschüre vermerkt sei, dass sie kein Prospekt im Sinne des deutschen Wertpapierprospektgesetzes sei, sei ohne rechtliche Bedeutung. Die Beklagte zu 2 werde auf Seite 18 des Prospektes als die mit dem Vertrieb der Anlage beauftragte Bank beschrieben. Sie sei auch Herausgeberin der vorgelegten Broschüre. Dem Disclaimer, wonach die Beklagte zu 2 für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Anlagen keine Gewähr übernehme, komme keine Bedeutung zu. Der Prospekt müsse einem Anlageinteressenten ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln. Deshalb habe der Prospekt über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufzuklären. Diesem Grundsatz werde die Broschüre nicht gerecht. Sie erweise sich vielmehr in einem wesentlichen Punkt als falsch, weil sie den Vertragspartner, nämlich die Emittentin der Anlage, unzutreffend als die US-amerikanische Investmentbank bezeichne, obwohl diese Angabe weder auf die Emittentin noch auf die Garantiegeberin der Anlage zugetroffen habe.
Das Urteil des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht 0 stand.
Das Berufungsgericht begründet die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1 damit, dass in der bei der Beratung verwendeten Produktbroschüre die Emittentin als Bank bezeichnet worden sei, obwohl diese als auch die Garantiegeberin nicht personenidentisch mit der - wenn auch ebenfalls zum L. - B. -Konzernverbund gehörenden - US-amerikanischen Investmentbank L. B.Inc. gewesen seien. Allein hierauf kann ein Pflichtenverstoß der Beklagten zu 1 aus einem Anlageberatungs- oder Auskunftsvertrag nicht gestützt werden.
Der Anlageberater ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarkts sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben könnten. Weitergehende Pflichten ergäben sich für die Beklagte zu 1 auch dann nicht, wenn zwischen ihr und der Klägerin nur ein Auskunftsvertrag zustande gekommen wäre.
Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dazu, ob - was die Klägerin bestritten hat - die L. B. H. Inc. für die Zahlungsverpflichtungen der Emittentin eine wirksame Garantie abgegeben hat. Bei der revisionsrechtlichen Überprüfung ist zu unterstellen, dass eine derartige Garantie bestanden hat.
Ausgehend hiervon kommt im vorliegenden Fall im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts dem Umstand, dass es sich sowohl bei der Emittentin als auch bei der Garantiegeberin nicht um eine Bank gehandelt hat, keine wesentliche Bedeutung für die Entscheidung über die Anlage zu. Das Berufungsgericht begründet diese allein damit, dass der Bankenstatus des Vertragspartners - hier der einer US-amerikanischen Investmentbank - unter dem Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts für den Anlageentschluss wegen der mit dem Status verbundenen Regulierung und Institutsbeaufsichtigung in der Regel von wesentlicher Bedeutung sei.
Was den Inhalt und den Umfang der Pflichten angeht, die einen Anlageberater bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Anleihe getroffen haben, sind zwei Urteile des XI. Senats des Bundesgerichtshofs vom 27. September 2011 zu berücksichtigen, die den Erwerb von Zertifikaten betrafen, die auch von der L. B. T. Co. B.V. ausgegeben worden waren, und bei denen - wie vorliegend zu unterstellen ist - ebenfalls die L. B.H. Inc. die Garantie für die Rückzahlung der Zertifikate übernommen hatte. Der XI. Zivilsenat hat entschieden, dass eine (deutsche) Bank, die diese Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts an ihre Kunden veräußerte, diese nicht zusätzlich auf das Nichteingreifen des (deutschen) Einlagensicherungssystems hinweisen musste, wenn die Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko erfolgt oder eine dahingehende Aufklärungspflicht ausnahmsweise entfallen war. Diesem Umstand komme dann keine eigenständige Bedeutung für die Anlageentscheidung mehr zu, wenn der Kunde bereits über das von ihm zu tragende Insolvenzrisiko der Emittentin aufgeklärt worden sei. Denn für den Anleger sei es in einem solchen Fall unerheblich, ob das eingezahlte Kapital (nur) wegen einer - von ihm bewusst in Kauf genommenen - möglichen Zahlungsunfähigkeit des Emittenten verlustig gehe, oder weil dieses Risiko nicht zusätzlich durch Einlagensicherungssysteme gedeckt sei. Weiß der Kunde um die Möglichkeit eines Totalverlustes, könne er nicht gleichzeitig auf das Eingreifen einer Einlagensicherung vertrauen. Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist hier aufgrund des Vortrags der Beklagten revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die Klägerin über das Totalverlustrisiko und auch das allgemeine Emittentenrisiko hinreichend aufgeklärt wurde.
Hinsichtlich der Risikobeurteilung der Zertifikate und der damit zusammenhängenden Frage, welche Anforderungen an die Risikoaufklärung zu stellen sind, hat der XI. Zivilsenat weiter bemerkt, dass insoweit die Bonität der "konkreten Emittentin beziehungsweise Garantiegeberin" von maßgeblicher Bedeutung sei, und weiter ausgeführt, dass angesichts der Bonitätsbewertungen (Ratings) der Garantiegeberin, die seinerzeit (das heißt: im Herbst 2007) so positiv gewesen seien, dass Zweifel an der Zahlungsfähigkeit nicht aufkommen mussten, nicht über ein konkret bestehendes Insolvenzrisiko der Emittentin oder der Garantiegeberin hätte aufgeklärt werden müssen.
Hieraus folgt ohne Weiteres, dass es für die Beurteilung der Sicherheit der Anlage maßgeblich auf die Bonität der Konzernmutter ankam und es für die Anlageentscheidung ohne Belang war, ob diese das betreffende Zertifikat oder die in Rede stehende Anleihe selbst emittierte oder aber - wie hier - eine konzernangehörige Gesellschaft, für die die Konzernmutter als Garantiegeberin aufgetreten ist.
Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil es sich bei der - werbemäßig besonders herausgestellten - "zu den weltweit führenden" Instituten gehörenden Investmentbank beziehungsweise bei der "bonitätsstarken Bank" weder um die emittierende Enkelgesellschaft noch um die garantiegebende Holdinggesellschaft, sondern um deren Tochtergesellschaft, die L. B. Inc., handelte. Denn es liegt auf der Hand, dass bei der hier anzutreffenden - nach dem Vorbringen der Beklagten üblichen und auch bei anderen US-amerikanischen Investmentbanken vorzufindenden - Konzernstruktur die Bonität der Konzernmutter als bloßer Holdinggesellschaft entscheidend von der Bonität der Investmentbank abhing und die positive Bewertung (Ratings) der Holdinggesellschaft maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass die "bonitätsstarke Investmentbank" dem Konzern angehörte. Wenn und soweit also nach damaligem Erkenntnisstand das bestehende Insolvenzrisiko als eher theoretisch einzustufen war, so galt dies gleichermaßen für die Konzernmutter (die Holding) als auch für die zum Konzern gehörenden Tochter- (also vor allem für die Investmentbank) und Enkelgesellschaften, zu denen unter anderem die Emittentin gehörte.
Dem Umstand, dass es sich bei Emittentin nicht um eine US-amerikanische Investmentbank handelte und diese deshalb weder einer Bankenaufsicht nach US-amerikanischem Recht unterworfen war noch über eine diesem Status entsprechende Eigenkapitalausstattung verfügen musste, kommt demgegenüber keine wesentliche Bedeutung für die Anlageentscheidung zu. Im Vordergrund steht wirtschaftlich gesehen vielmehr, wie ausgeführt, die Werthaltigkeit der Garantie durch die Holdinggesellschaft, die maßgeblich die Bonität der Emittentin bestimmte. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer höheren Eigenkapitalquote bleiben im Übrigen abstrakt.
Zusammenfassend rechtfertigt vorliegend allein der Umstand, dass es sich bei der Emittentin der Anleihe - entgegen der Darstellung in der bei der Anlageberatung beziehungsweise Auskunftserteilung verwendeten Broschüre - nicht um eine Bank handelte, die der (US-amerikanischen) Bankenaufsicht unterlag, nicht den Vorwurf einer schadensersatzbegründenden Falschberatung.
Einer rechtlichen Nachprüfung hält auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht stand, die Beklagte zu 2 sei nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne zum Ersatz des Zeichnungsschadens verpflichtet.
Nicht tragfähig ist bereits die Annahme des Berufungsgerichts, bei der vorgelegten Produktbroschüre handele es sich um einen Prospekt entsprechend der zur Prospekthaftung im engeren Sinne ergangenen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft dem ausdrücklichen und ausführlichen Hinweis darauf, dass die Broschüre keinen Prospekt im Sinne des Wert- papierprospektgesetzes darstelle und diesen nicht ersetze, die wesentlichen Informationen über die Anlage sich aus dem Prospekt ergäben - verbunden mit der Angabe, wie man sich den Prospekt beschaffen könne -, nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen. Mit diesem Hinweis ist dem Anleger hinreichend deutlich gemacht worden, dass es sich um eine bloße, den Anforderungen des § 15 Abs. 2, 3 des Wertpapierprospektgesetzes genügende Werbeschrift handelt. Diese 19-seitige Schrift hat nach Inhalt und Darstellung - was der Senat selbst feststellen kann - erkennbar werblichen und weniger informativen Charakter und ist einem Prospekt nicht vergleichbar; sie ist im Übrigen auch nicht zusammen mit dem eigentlichen Prospekt als "Gesamtpaket" zur Gewinnung von Anlegern eingesetzt worden. Daher ist die vorliegende Konstellation, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht mit der dem Senatsurteil vom 17. November 2011 zugrunde liegenden Fallgestaltung vergleichbar.
Da der Produktbroschüre keine Prospektqualität zukommt, kann das Vorliegen eines Prospektfehlers dahinstehen. Weiter kann offen blieben, ob wegen des in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG a. F., § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG speziell geregelten, zeitlich eng limitierten Rückabwicklungsanspruchs gegen die Prospektverantwortlichen vorliegend die Grundsätze der (bürgerlich- rechtlichen) Prospekthaftung überhaupt anwendbar sind.
Das Urteil war daher aufzuheben.
Bezüglich der Beklagten zu 2 ist die Sache im Sinne einer vollständigen Abweisung der Klage entscheidungsreif.
Dies gilt nicht hinsichtlich der Beklagten zu 1. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Landgerichts München I (weiter) abgeändert.
Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1 wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung und der Verwendung einer fehlerhaften Broschüre im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Anleihe der (inzwischen insolventen) L. B. T. Co. B.V.
- 2
- Die Klägerin zeichnete am 15. November 2006 nach einem Gespräch mit einem für die Beklagte zu 1 tätigen Berater eine "F. "-Anleihe der L. B. T. Co. B.V. (nachfolgend: Emittentin) zum Nominalwert von 31.000 € zuzüglich eines Aufschlags von 5 %. Die Anleihe bot einen Kapitalschutz zu 100 % bei Fälligkeit am Ende der 10-jährigen Laufzeit.
- 3
- Die Klägerin stützt ihre Schadensersatzforderung gegenüber der Beklagten zu 1 auf Pflichtverletzungen aus einem Anlageberatungsvertrag. Sie macht verschiedene Beratungsmängel geltend. Die schriftlichen Produktunterlagen, die dem Beratungsgespräch zugrunde gelegen hätten (insbesondere Prospektbroschüre und Marketingbroschüre), seien aus mehreren Gründen falsch. Sie vermittelten durch Verschweigen des Totalverlustrisikos und die Verharmlosung des Kapitalverlustrisikos einen unzutreffenden Eindruck vom Risiko der Anlage. Die Bezeichnung der Emittentin als bonitätsstarke Bank in der Produktbroschüre sei unrichtig: Zum einen deshalb, weil diese keine Bank, sondern eine reine Emissionsgesellschaft gewesen sei, zum anderen, weil das einzige Asset der Emittentin eine Konzernforderung gewesen sei. Sie habe auch über kein Rating verfügt; nur für ihre Produkte seien Ratingnoten vergeben worden. Soweit sich die Beklagten auf eine seitens der Konzernmutter L. B. H. Inc. gegebene Garantie beriefen, werde der Bestand dieser Garantie bestritten.
- 4
- Wegen der angeblich fehlerhaften Produktbeschreibung in der Broschüre , die die Klägerin als Prospekt ansieht, nimmt sie die Beklagte zu 2 aus Prospekthaftung in Anspruch.
- 5
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben.
- 6
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten den Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 7
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 wegen fehlerhafter Auskünfte bei der Vermittlung oder fehlerhafter Anlageberatung begründet sei. Falsch sei die Beratung beziehungsweise Auskunftserteilung durch die Beklagte zu 1 gewesen, weil in den verwendeten schriftlichen Unterlagen betreffend der empfohlenen Anlage die Emittentin als "Bank", nämlich als die US-amerikanische Investmentbank L. B. Inc., bezeichnet worden sei, obwohl sie als auch die Garantiegeberin von der Investmentbank zu unterscheiden seien. In Wahrheit habe es sich bei der Emittentin um die Enkelgesellschaft der L. B. H. Inc., der Garantiegeberin, gehandelt. Die Investment Bank habe vielmehr unter L. B. Inc. firmiert und sei ihrerseits eine Tochtergesellschaft der L. B. H. Inc. gewesen. Die über die Vertragspartner bei Anleihezeichnung gemachten Angaben seien daher grundlegend falsch. Die Abweichung zwischen erteilter Mitteilung des Vertragspartners und dem wahren Sachverhalt betreffe auch eine für die Anlageentscheidung wesentliche Information. Ob der Vertragspartner einen Bankenstatus - hier den einer US-amerikanischen Investmentbank - einnehme, sei unter dem Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts für den Anlageentschluss wegen der mit dem Status verbundenen Regulierung und Institutsbeaufsichtigung in der Regel von wesentlicher Bedeutung. Das gelte auch vorliegend. Zwar sei auf Holdingebene eine Aufsichtsmöglichkeit durch die US-amerikanische Börsenaufsicht etabliert gewesen, der sich die L. B. H. Inc. unterworfen gehabt habe. Damit sei aber ein Sicherheitsstandard, der demjenigen einer der Einzelaufsicht unterliegenden Investmentbank vergleichbar gewesen wäre, nicht erreicht worden.
- 9
- Der Schadensersatzanspruch sei auch gegen die Beklagte zu 2 begründet. Die vorgelegte Broschüre sei als Prospekt anzusehen und die Beklagte als Prospektverantwortliche zu qualifizieren. Prospekt im Sinne der zur Prospekthaftung im engeren Sinne ergangenen Rechtsprechung sei eine marktbezogene schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage erhebliche Angaben enthalte oder den Anschein eines solchen Inhalts erwecke. Sie müsse dabei tatsächlich zumindest dem von ihr vermittelten Eindruck nach den Anspruch erheben, eine das Publikum umfassend informierende Beschreibung der Anlage zu sein. Alle diese Voraussetzungen erfülle die 19-seitige Broschüre. Dass in der Broschüre vermerkt sei, dass sie kein Prospekt im Sinne des deutschen Wertpapierprospektgesetzes sei, sei ohne rechtliche Bedeutung. Die Beklagte zu 2 werde auf Seite 18 des Prospektes als die mit dem Vertrieb der Anlage beauftragte Bank beschrieben. Sie sei auch Herausgeberin der vorgelegten Broschüre. Dem Disclaimer, wonach die Beklagte zu 2 für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Anlagen keine Gewähr übernehme, komme keine Bedeutung zu. Der Prospekt müsse einem Anlageinteressenten ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln. Deshalb habe der Prospekt über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, verständlich und vollständig aufzuklären. Diesem Grundsatz werde die Broschüre nicht gerecht. Sie erweise sich vielmehr in einem wesentlichen Punkt als falsch, weil sie den Vertragspartner, nämlich die Emittentin der Anlage, unzutreffend als die US-amerikanische Investmentbank bezeichne, obwohl diese Angabe weder auf die Emittentin noch auf die Garantiegeberin der Anlage zugetroffen habe.
II.
- 10
- Das Urteil des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht
- 0
- stand.
- 11
- 1. Das Berufungsgericht begründet die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1 damit, dass in der bei der Beratung verwendeten Produktbroschüre die Emittentin als Bank bezeichnet worden sei, obwohl diese als auch die Garantiegeberin nicht personenidentisch mit der - wenn auch ebenfalls zum L. - B. -Konzernverbund gehörenden - US-amerikanischen Investmentbank L. B. Inc. gewesen seien. Allein hierauf kann ein Pflichtenverstoß der Beklagten zu 1 aus einem Anlageberatungs- oder Auskunftsvertrag nicht gestützt werden.
- 12
- a) Der Anlageberater ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarkts sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben könnten (Senatsurteil vom 1. Dezember 2011 - III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Rn. 9 f; BGH, Urteil vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10, NJW-RR 2012, 43 Rn. 23 jeweils mwN). Weitergehende Pflichten ergäben sich für die Beklagte zu 1 auch dann nicht, wenn zwischen ihr und der Klägerin nur ein Auskunftsvertrag zustande gekommen wäre.
- 13
- b) Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dazu, ob - was die Klägerin bestritten hat - die L. B. H. Inc. für die Zahlungsverpflichtungen der Emittentin eine wirksame Garantie abgegeben hat. Bei der revisionsrechtlichen Überprüfung ist zu unterstellen, dass eine derartige Garantie bestanden hat.
- 14
- Ausgehend hiervon kommt im vorliegenden Fall im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts dem Umstand, dass es sich sowohl bei der Emittentin als auch bei der Garantiegeberin nicht um eine Bank gehandelt hat, keine wesentliche Bedeutung für die Entscheidung über die Anlage zu. Das Be- rufungsgericht begründet diese allein damit, dass der Bankenstatus des Vertragspartners - hier der einer US-amerikanischen Investmentbank - unter dem Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des Anlageprodukts für den Anlageentschluss wegen der mit dem Status verbundenen Regulierung und Institutsbeaufsichtigung in der Regel von wesentlicher Bedeutung sei.
- 15
- aa) Was den Inhalt und den Umfang der Pflichten angeht, die einen Anlageberater bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Anleihe getroffen haben, sind zwei Urteile des XI. Senats des Bundesgerichtshofs vom 27. September 2011 zu berücksichtigen, die den Erwerb von Zertifikaten betrafen,die auch von der L. B. T. Co. B.V. ausgegeben worden waren, und bei denen - wie vorliegend zu unterstellen ist - ebenfalls die L. B. H. Inc. die Garantie für die Rückzahlung der Zertifikate übernommen hatte (XI ZR 178/10, NJW-RR 2012, 43 und XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119). Der XI. Zivilsenat hat entschieden, dass eine (deutsche) Bank, die diese Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts an ihre Kunden veräußerte, diese nicht zusätzlich auf das Nichteingreifen des (deutschen) Einlagensicherungssystems hinweisen musste, wenn die Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko erfolgt oder eine dahingehende Aufklärungspflicht ausnahmsweise entfallen war. Diesem Umstand komme dann keine eigenständige Bedeutung für die Anlageentscheidung mehr zu, wenn der Kunde bereits über das von ihm zu tragende Insolvenzrisiko der Emittentin aufgeklärt worden sei. Denn für den Anleger sei es in einem solchen Fall unerheblich, ob das eingezahlte Kapital (nur) wegen einer - von ihm bewusst in Kauf genommenen - möglichen Zahlungsunfähigkeit des Emittenten verlustig gehe, oder weil dieses Risiko nicht zusätzlich durch Einlagensicherungssysteme gedeckt sei. Weiß der Kunde um die Mög- lichkeit eines Totalverlustes, könne er nicht gleichzeitig auf das Eingreifen einer Einlagensicherung vertrauen (XI ZR 178/10 aaO Rn. 33 ff und XI ZR 182/10 aaO Rn. 30 ff). Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist hier aufgrund des Vortrags der Beklagten revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die Klägerin über das Totalverlustrisiko und auch das allgemeine Emittentenrisiko hinreichend aufgeklärt wurde.
- 16
- Hinsichtlich der Risikobeurteilung der Zertifikate und der damit zusammenhängenden Frage, welche Anforderungen an die Risikoaufklärung zu stellen sind, hat der XI. Zivilsenat weiter bemerkt, dass insoweit die Bonität der "konkreten Emittentin beziehungsweise Garantiegeberin" von maßgeblicher Bedeutung sei, und weiter ausgeführt, dass angesichts der Bonitätsbewertungen (Ratings) der Garantiegeberin, die seinerzeit (das heißt: im Herbst 2007) so positiv gewesen seien, dass Zweifel an der Zahlungsfähigkeit nicht aufkommen mussten, nicht über ein konkret bestehendes Insolvenzrisiko der Emittentin oder der Garantiegeberin hätte aufgeklärt werden müssen (XI ZR 178/10 aaO Rn. 24 f und XI ZR 182/10 aaO Rn. 23 f).
- 17
- bb) Hieraus folgt ohne Weiteres, dass es für die Beurteilung der Sicherheit der Anlage maßgeblich auf die Bonität der Konzernmutter ankam und es für die Anlageentscheidung ohne Belang war, ob diese das betreffende Zertifikat oder die in Rede stehende Anleihe selbst emittierte oder aber - wie hier - eine konzernangehörige Gesellschaft, für die die Konzernmutter als Garantiegeberin aufgetreten ist.
- 18
- Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil es sich bei der - werbemäßig besonders herausgestellten - "zu den weltweit führenden" Instituten gehörenden Investmentbank beziehungsweise bei der "bonitätsstarken Bank" weder um die emittierende Enkelgesellschaft noch um die garantiegebende Holdinggesellschaft , sondern um deren Tochtergesellschaft, die L. B. Inc., handelte. Denn es liegt auf der Hand, dass bei der hier anzutreffenden - nach dem Vorbringen der Beklagten üblichen und auch bei anderen USamerikanischen Investmentbanken vorzufindenden - Konzernstruktur die Bonität der Konzernmutter als bloßer Holdinggesellschaft entscheidend von der Bonität der Investmentbank abhing und die positive Bewertung (Ratings) der Holdinggesellschaft maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass die "bonitätsstarke Investmentbank" dem Konzern angehörte. Wenn und soweit also nach damaligem Erkenntnisstand das bestehende Insolvenzrisiko als eher theoretisch einzustufen war, so galt dies gleichermaßen für die Konzernmutter (die Holding) als auch für die zum Konzern gehörenden Tochter- (also vor allem für die Investmentbank ) und Enkelgesellschaften, zu denen unter anderem die Emittentin gehörte (in diesem Sinne auch OLG Koblenz, Urteil vom 10. Juni 2011 - 3 U 861/10, unveröffentlicht; die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluss vom 16. Mai 2012 - III ZR 181/11 zurückgewiesen ).
- 19
- cc) Dem Umstand, dass es sich bei Emittentin nicht um eine US-amerikanische Investmentbank handelte und diese deshalb weder einer Bankenaufsicht nach US-amerikanischem Recht unterworfen war noch über eine diesem Status entsprechende Eigenkapitalausstattung verfügen musste, kommt demgegenüber keine wesentliche Bedeutung für die Anlageentscheidung zu. Im Vordergrund steht wirtschaftlich gesehen vielmehr, wie ausgeführt, die Werthaltigkeit der Garantie durch die Holdinggesellschaft (vgl. OLG Bamberg, ZIP 2010, 1225, 1228; OLG Koblenz, Urteil vom 10. Juni 2011 aaO), die maßgeblich die Bonität der Emittentin bestimmte (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10 aaO Rn. 25 und XI ZR 182/10 aaO Rn. 24 f). Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer höheren Eigenkapitalquote bleiben im Übrigen abstrakt.
- 20
- Zusammenfassend rechtfertigt vorliegend allein der Umstand, dass es sich bei der Emittentin der Anleihe - entgegen der Darstellung in der bei der Anlageberatung beziehungsweise Auskunftserteilung verwendeten Broschüre - nicht um eine Bank handelte, die der (US-amerikanischen) Bankenaufsicht unterlag , nicht den Vorwurf einer schadensersatzbegründenden Falschberatung.
- 21
- 2. Einer rechtlichen Nachprüfung hält auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht stand, die Beklagte zu 2 sei nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne zum Ersatz des Zeichnungsschadens verpflichtet.
- 22
- a) Nicht tragfähig ist bereits die Annahme des Berufungsgerichts, bei der vorgelegten Produktbroschüre handele es sich um einen Prospekt entsprechend der zur Prospekthaftung im engeren Sinne ergangenen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft dem ausdrücklichen und ausführlichen Hinweis darauf, dass die Broschüre keinen Prospekt im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes darstelle und diesen nicht ersetze, die wesentlichen Informationen über die Anlage sich aus dem Prospekt ergäben - verbunden mit der Angabe, wie man sich den Prospekt beschaffen könne -, nicht die erforder- liche Bedeutung beigemessen. Mit diesem Hinweis ist dem Anleger hinreichend deutlich gemacht worden, dass es sich um eine bloße, den Anforderungen des § 15 Abs. 2, 3 des Wertpapierprospektgesetzes genügende Werbeschrift handelt. Diese 19-seitige Schrift hat nach Inhalt und Darstellung - was der Senat selbst feststellen kann - erkennbar werblichen und weniger informativen Charakter und ist einem Prospekt nicht vergleichbar; sie ist im Übrigen auch nicht zusammen mit dem eigentlichen Prospekt als "Gesamtpaket" zur Gewinnung von Anlegern eingesetzt worden. Daher ist die vorliegende Konstellation, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht mit der dem Senatsurteil vom 17. November 2011 (III ZR 103/10, BGHZ 191, 310) zugrunde liegenden Fallgestaltung vergleichbar (dort handelte es sich im Übrigen um eine 80-seitige Produktinformation, die allein schon vom Umfang her für den durchschnittlichen Anleger die Gefahr der Verwechslung mit einem vollständigen Anlageprospekt barg; vgl. Senat aaO Rn. 25).
- 23
- b) Da der Produktbroschüre keine Prospektqualität zukommt, kann das Vorliegen eines Prospektfehlers dahinstehen. Weiter kann offen blieben, ob wegen des in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG a. F., § 13 Abs. 1 Nr. 1VerkProspG speziell geregelten, zeitlich eng limitierten Rückabwicklungsanspruchs gegen die Prospektverantwortlichen vorliegend die Grundsätze der (bürgerlichrechtlichen ) Prospekthaftung überhaupt anwendbar sind (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2013 - III ZR 139/12 Rn. 13, zur Veröffentlichung vorgesehen).
- 24
- 3. Das Urteil war daher aufzuheben.
- 25
- Bezüglich der Beklagten zu 2 ist die Sache im Sinne einer vollständigen Abweisung der Klage entscheidungsreif.
- 26
- Dies gilt nicht hinsichtlich der Beklagten zu 1. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Seiters Remmert
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 03.03.2011 - 22 O 1310/10 -
OLG München, Entscheidung vom 22.05.2012 - 5 U 1725/11 -
(1) Ist ein Wertpapier-Informationsblatt entgegen § 4 Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2 nicht veröffentlicht worden, kann der Erwerber von Wertpapieren von dem Emittenten und dem Anbieter als Gesamtschuldnern die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises, soweit dieser den ersten Erwerbspreis nicht überschreitet, und der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, sofern das Erwerbsgeschäft vor Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatts und während der Dauer des öffentlichen Angebots, spätestens jedoch innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot der Wertpapiere im Inland abgeschlossen wurde.
(2) Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Wertpapiere, so kann er die Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen dem Erwerbspreis, soweit dieser den ersten Erwerbspreis nicht überschreitet, und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere sowie der mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen. Absatz 1 gilt entsprechend.
(3) Werden Wertpapiere eines Emittenten mit Sitz im Ausland auch im Ausland öffentlich angeboten, besteht ein Anspruch nach Absatz 1 oder Absatz 2 nur, sofern die Wertpapiere auf Grund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts oder einer ganz oder teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden.
(4) Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 besteht nicht, sofern der Erwerber die Pflicht, ein Wertpapier-Informationsblatt zu veröffentlichen, beim Erwerb kannte.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.