Baurecht: Untergang von Grundeigentum infolge eines Umlegungsverfahrens
Der BGH hat mit dem Versäumnisurteil vom 20.01.2012 (Az: V ZR 95/11) folgendes entschieden:
Geht Grundeigentum infolge eines Umlegungsverfahrens unter, richtet sich ein zuvor entstandener, auf Herausgabe des Eigentums gerichteter bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht auf die Herausgabe der Ersatzgrundstücke, sondern auf Wertersatz.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Eine Mandantin der Klägerin (Streitverkündete) hat gegen den Beklagten einen mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 8. Februar 2007 titulierten Anspruch auf Herausgabe zweier Grundstücke. Infolge eines unanfechtbaren Umlegungsplans sind an die Stelle der beiden Grundstücke im Jahr 2008 andere Grundstücke getreten. Diesen Herausgabeanspruch und daraus resultierende Ersatzansprüche ließ die Klägerin mit Beschluss vom 28. April 2010 pfänden; zugleich wurde ihr die Forderung zur Einziehung überwiesen. Der Pfändung liegt eine Forderung der Klägerin gegen die Streitverkündete in Höhe von 15.496,78 € nebst Zinsen aus einem vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde. Die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht meint, die Rechte des Beklagten setzten sich nach der Umlegung an den Ersatzgrundstücken fort. Es ergebe sich aus § 63 BauGB und § 818 Abs. 1 BGB, dass sich die Herausgabepflicht auf die neu zugewiesenen Grundstücke erstrecke. Aus diesem Grund sei an die Stelle des Herausgabeanspruchs kein Wertersatzanspruch gemäß § 818 Abs. 2 BGB getreten, so dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ins Leere gehe. Die Vollstreckung habe durch Herausgabe der Grundstücke an einen Sequester zu erfolgen.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erschienen ist, ist durch Versäumnisurteil aufgrund einer Sachprüfung zu entscheiden.
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Pfändung ist wirksam. Insbesondere ist die gepfändete Forderung hinreichend bestimmt bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Revisionsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als gerichtlichen Hoheitsakt selbst auszulegen; er muss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Diesen Anforderungen genügt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, weil der Herausgabeanspruch aufgrund der Nennung der Titel mit Gericht, Datum und Aktenzeichen genau bezeichnet ist. Auch die Pfändung von daraus resultierenden Ersatzansprüchen genügt dem Bestimmtheitserfordernis. Nachdem der Anspruch an die Klägerin zur Einziehung überwiesen worden ist (§ 835 Abs. 1 ZPO), ist sie berechtigt, die Forderung gerichtlich geltend zu machen (§ 836 Abs. 1 ZPO).
Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die Pfändung gehe ins Leere, weil sich der Anspruch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf Herausgabe der infolge des Umlegungsverfahrens entstandenen Ersatzgrundstücke richte.
Bei der gepfändeten Forderung handelte es sich um einen Anspruch des Vertragserben auf Herausgabe einer Schenkung, der sich gemäß § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818 ff. BGB zunächst auf Herausgabe der beiden erlangten Grundstücke richtete. Der Umstand, dass sich die Eigentumsverhältnisse gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB an den neu zugeteilten Grundstücken fortsetzen, ändert nichts daran, dass die erlangten Grundstücke infolge des Umlegungsverfahrens nicht mehr existieren und ihre Herausgabe nicht möglich ist.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus § 818 Abs. 1 BGB nicht, dass sich die Herausgabeverpflichtung auf die neu zugewiesenen Grundstücke erstreckt. Nach dieser Vorschrift ist ein Surrogat nur im Fall der Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes herauszugeben. Die Umlegung fällt nicht darunter. Bereits in dem von dem Berufungsgericht genannten Urteil vom 16. November 2007 hat der Senat entschieden, dass sie keine "Entziehung" im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB darstellt, weil das Umlegungsverfahren kein Fall der Enteignung ist.
§ 818 Abs. 1 BGB ist auch nicht - wie das Berufungsgericht möglicherweise meint - im Hinblick auf § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB entsprechend anzuwenden. Dies scheidet schon deshalb aus, weil diese Vorschrift einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Eigentums nicht erfasst. Sie sieht zwar vor, dass sich die Rechtsverhältnisse, die die alten Grundstücke betreffen und die nicht aufgehoben werden, an den zugeteilten Grundstücken fortsetzen. Dies bezieht sich aber nur auf die in § 61 Abs. 1 BauGB geregelten Rechtsverhältnisse, die der Gestaltungsbefugnis der Umlegungsstelle unterliegen und deren Aufhebung, Änderung oder Neubegründung durch den Umlegungsplan erfolgen kann. Soweit zu diesen Rechtsverhältnissen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch persönliche Rechte zählen, "die zum Erwerb (…) eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks berechtigen", sind nur vertragliche Ansprüche gemeint. Dazu gehören Forderungen aus Kaufverträgen sowie schuldrechtlich vereinbarte Wieder kaufs-, Vorkaufs- und Ankaufsrechte. Sonstige, auf Eigentumsverschaffung gerichtete schuldrechtliche Herausgabeansprüche sind nicht erfasst; sie wären einer Regelung durch den Umlegungsplan auch nicht zugänglich.
Weil § 818 Abs. 1 BGB unanwendbar ist, ist der Beklagte "aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande" im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB und schuldet Wertersatz.
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Höhe des Anspruchs getroffen. Daher ist das Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Den Parteien muss Gelegenheit gegeben werden, zu dem Wert der Grundstücke Stellung zu nehmen; dieser Gesichtspunkt hat in dem Verfahren bislang keine Rolle gespielt. Sollten sie darüber streiten, ob der Wert der Grundstücke die der Pfändung zugrunde liegende Forderung der Klägerin gegen die Streitverkündete übersteigt, käme es auf den objektiven Verkehrswert am Tag der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 BauGB an, und es wäre dem Beweisantritt der Klägerin nachzugehen.
Geht Grundeigentum infolge eines Umlegungsverfahrens unter, richtet sich ein zuvor entstandener, auf Herausgabe des Eigentums gerichteter bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht auf die Herausgabe der Ersatzgrundstücke, sondern auf Wertersatz.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Eine Mandantin der Klägerin (Streitverkündete) hat gegen den Beklagten einen mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 8. Februar 2007 titulierten Anspruch auf Herausgabe zweier Grundstücke. Infolge eines unanfechtbaren Umlegungsplans sind an die Stelle der beiden Grundstücke im Jahr 2008 andere Grundstücke getreten. Diesen Herausgabeanspruch und daraus resultierende Ersatzansprüche ließ die Klägerin mit Beschluss vom 28. April 2010 pfänden; zugleich wurde ihr die Forderung zur Einziehung überwiesen. Der Pfändung liegt eine Forderung der Klägerin gegen die Streitverkündete in Höhe von 15.496,78 € nebst Zinsen aus einem vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde. Die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht meint, die Rechte des Beklagten setzten sich nach der Umlegung an den Ersatzgrundstücken fort. Es ergebe sich aus § 63 BauGB und § 818 Abs. 1 BGB, dass sich die Herausgabepflicht auf die neu zugewiesenen Grundstücke erstrecke. Aus diesem Grund sei an die Stelle des Herausgabeanspruchs kein Wertersatzanspruch gemäß § 818 Abs. 2 BGB getreten, so dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ins Leere gehe. Die Vollstreckung habe durch Herausgabe der Grundstücke an einen Sequester zu erfolgen.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erschienen ist, ist durch Versäumnisurteil aufgrund einer Sachprüfung zu entscheiden.
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Pfändung ist wirksam. Insbesondere ist die gepfändete Forderung hinreichend bestimmt bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Revisionsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als gerichtlichen Hoheitsakt selbst auszulegen; er muss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Diesen Anforderungen genügt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, weil der Herausgabeanspruch aufgrund der Nennung der Titel mit Gericht, Datum und Aktenzeichen genau bezeichnet ist. Auch die Pfändung von daraus resultierenden Ersatzansprüchen genügt dem Bestimmtheitserfordernis. Nachdem der Anspruch an die Klägerin zur Einziehung überwiesen worden ist (§ 835 Abs. 1 ZPO), ist sie berechtigt, die Forderung gerichtlich geltend zu machen (§ 836 Abs. 1 ZPO).
Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die Pfändung gehe ins Leere, weil sich der Anspruch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf Herausgabe der infolge des Umlegungsverfahrens entstandenen Ersatzgrundstücke richte.
Bei der gepfändeten Forderung handelte es sich um einen Anspruch des Vertragserben auf Herausgabe einer Schenkung, der sich gemäß § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818 ff. BGB zunächst auf Herausgabe der beiden erlangten Grundstücke richtete. Der Umstand, dass sich die Eigentumsverhältnisse gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB an den neu zugeteilten Grundstücken fortsetzen, ändert nichts daran, dass die erlangten Grundstücke infolge des Umlegungsverfahrens nicht mehr existieren und ihre Herausgabe nicht möglich ist.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus § 818 Abs. 1 BGB nicht, dass sich die Herausgabeverpflichtung auf die neu zugewiesenen Grundstücke erstreckt. Nach dieser Vorschrift ist ein Surrogat nur im Fall der Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes herauszugeben. Die Umlegung fällt nicht darunter. Bereits in dem von dem Berufungsgericht genannten Urteil vom 16. November 2007 hat der Senat entschieden, dass sie keine "Entziehung" im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB darstellt, weil das Umlegungsverfahren kein Fall der Enteignung ist.
§ 818 Abs. 1 BGB ist auch nicht - wie das Berufungsgericht möglicherweise meint - im Hinblick auf § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB entsprechend anzuwenden. Dies scheidet schon deshalb aus, weil diese Vorschrift einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Eigentums nicht erfasst. Sie sieht zwar vor, dass sich die Rechtsverhältnisse, die die alten Grundstücke betreffen und die nicht aufgehoben werden, an den zugeteilten Grundstücken fortsetzen. Dies bezieht sich aber nur auf die in § 61 Abs. 1 BauGB geregelten Rechtsverhältnisse, die der Gestaltungsbefugnis der Umlegungsstelle unterliegen und deren Aufhebung, Änderung oder Neubegründung durch den Umlegungsplan erfolgen kann. Soweit zu diesen Rechtsverhältnissen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch persönliche Rechte zählen, "die zum Erwerb (…) eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks berechtigen", sind nur vertragliche Ansprüche gemeint. Dazu gehören Forderungen aus Kaufverträgen sowie schuldrechtlich vereinbarte Wieder kaufs-, Vorkaufs- und Ankaufsrechte. Sonstige, auf Eigentumsverschaffung gerichtete schuldrechtliche Herausgabeansprüche sind nicht erfasst; sie wären einer Regelung durch den Umlegungsplan auch nicht zugänglich.
Weil § 818 Abs. 1 BGB unanwendbar ist, ist der Beklagte "aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande" im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB und schuldet Wertersatz.
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Höhe des Anspruchs getroffen. Daher ist das Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Den Parteien muss Gelegenheit gegeben werden, zu dem Wert der Grundstücke Stellung zu nehmen; dieser Gesichtspunkt hat in dem Verfahren bislang keine Rolle gespielt. Sollten sie darüber streiten, ob der Wert der Grundstücke die der Pfändung zugrunde liegende Forderung der Klägerin gegen die Streitverkündete übersteigt, käme es auf den objektiven Verkehrswert am Tag der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 BauGB an, und es wäre dem Beweisantritt der Klägerin nachzugehen.

Gesetze
Gesetze
10 Gesetze werden in diesem Text zitiert
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 818 Umfang des Bereicherungsanspruchs
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt
Zivilprozessordnung - ZPO | § 836 Wirkung der Überweisung
(1) Die Überweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen des Schuldners, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist.
(2) Der Überweisungsbeschluss gilt, auch wenn er mit Unrech
Artikel zu passenden Rechtsgebieten
Artikel zu Sonstiges
Bauordnungsrecht: Aufschüttungen müssen in bestimmten Grenzen geduldet werden
21.06.2012
dies gilt jedoch nicht, wenn die Aufschüttung zulasten des Eigentümers rücksichtslos erfolgt-VG Koblenz, 1 K 931/11.KO
Zweckentfremdungsverbot: Abriss von Wohnraum ist nicht immer eine verbotene Zweckentfremdung
27.11.2015
Der Abriss von Mietwohnraum verstößt nicht gegen das Verbot der Zweckentfremdung, wenn auf demselben Grundstück Eigentumswohnungen entstehen sollen.
Baurecht: Vermietung an eine studentische Wohngemeinschaft ist auch im reinen Wohngebiet zulässig
07.03.2017
Auch in einem reinen Wohngebiet mit vorwiegend Einfamilienhäusern ist es gebietsverträglich, wenn ein Nachbarhaus von bis zu 12 Studenten genutzt wird.
Baurecht: Zum Gebot der Herstellung von Brandwänden
21.06.2016
Das Gebot zur Herstellung von Brandwänden gilt nicht nur für die erstmalige Errichtung einer Wand als Abschlusswand eines Gebäudes, sondern auch für nachträgliche Änderungen bestehender Gebäude.
Baurecht: Zur Vollstreckbarkeit der Anordnung einer Ersatzanpflanzung
21.07.2016
Um die Anordnung einer Ersatzpflanzung nach § 34 III FlurbG auf dem Grundstück eines Dritten vollstrecken zu können, muss dieser zugestimmt haben oder gegen ihn eine Duldungsverfügung ergangen sein.