Lenkzeitverstoß: Urteil muss genaue Angaben machen

bei uns veröffentlicht am04.12.2012

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für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
ansonsten ist eine Verurteilung nicht nachvollziehbar-OLG Koblen
Lenkdauerverstöße sind nur dann rechtsfehlerfrei festgestellt, wenn festgestellt ist, welche Zeit der Fahrer jeweils zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit das Fahrzeug gelenkt hat, und dass diese Zeitabstände keine Fahrtunterbrechung enthalten.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz und hob damit die Verurteilung eines Kraftfahrers durch das Amtsgericht auf. Der Senat machte deutlich, dass der Tatrichter im Einzelnen angeben müsse, wann der Betroffene seine Fahrt an dem jeweiligen Tag begonnen und wann er sie beendet hat, und ob und gegebenenfalls wann es zur Unterbrechung der Fahrt gekommen ist. Nur so sei eine Verurteilung nachvollziehbar. Die Sache muss nun vor dem Amtsgericht neu verhandelt werden (OLG Koblenz, 2 SsBs 94/12).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

OLG Koblenz Beschluss vom 10.10.2012 (Az: 2 SsBs 94/12)

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 25. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Koblenz zurückverwiesen.


Gründe:

Das Amtsgericht Koblenz hat den als Berufskraftfahrer tätigen Betroffenen am 25. Mai 2012 wegen vierfacher tateinheitlicher fahrlässiger Überschreitung der Doppelwochenlenkzeit in Tateinheit mit vorsätzlicher Überschreitung der Doppelwochenlenkzeit in Tateinheit mit siebenfacher tateinheitlicher vorsätzlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit zweifacher tateinheitlicher fahrlässiger verspäteter Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit fünffacher vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung in Tateinheit mit fahrlässiger Tageslenkzeitüberschreitung in Tateinheit mit fünffacher vorsätzlicher Tagesruhezeitverkürzung in Tateinheit mit dreifacher fahrlässiger Tagesruhezeitverkürzung zu einer Geldbuße in Höhe von 1.454 € verurteilt. Gegen das Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.

Die Rechtsbeschwerde hat im Hinblick auf die Lückenhaftigkeit der Urteilsgründe einen jedenfalls vorläufigen Erfolg. Für das Rechtsbeschwerdegericht sind Lenkdauerverstöße nur nachvollziehbar, wenn festgestellt ist, welche Zeit der Fahrer jeweils zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit das Fahrzeug gelenkt hat und dass diese Zeitabstände keine Fahrtunterbrechung enthalten. Der Tatrichter hat daher im Einzelnen anzugeben, wann der Betroffene seine Fahrt an dem jeweiligen Tag begonnen und wann er sie beendet hat, und ob und gegebenenfalls wann es zur Unterbrechung der Fahrt gekommen ist. Um einen Verstoß gegen die tägliche Ruhezeit nachvollziehen zu können, bedarf es der Feststellung, wann die letzte Fahrt vor der Ruhepause beendet und wann die nächste Fahrt nach der Ruhepause begonnen wurde. Die dazu notwendigen Feststellungen enthält das angefochtene Urteil nicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 14. September 2012 wie folgt Stellung genommen:

„Dem zulässigen und form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsmittel dürfte ein zumindest vorläufiger Erfolg in der Sache nicht zu versagen sein.

Nach Art. 6 Abs. 1 der VO (EWG 561/2006) darf die Tageslenkzeit zwischen 2 täglichen Ruhezeiten und einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit von 9 Stunden nicht überschreiten und darf nur zweimal in der Woche auf 10 Stunden verlängert werden. Unter Tageslenkzeit ist die summierende Gesamtlenkzeit zwischen dem Ende einer täglichen Ruhezeit und dem Beginn der darauf folgenden täglichen bzw. wöchentlichen Ruhezeit zu verstehen (Art. 4 k VO (EWG 561/2006).

Nach Art. 8 Abs. 2 VO (EWG Nr. 561/2006) muss der Fahrer innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine neue tägliche Ruhezeit genommen haben. Unter täglicher Ruhezeit ist der tägliche Zeitraum zu verstehen, dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann, und die ein regelmäßige tägliche Ruhezeit und eine reduzierte tägliche Ruhezeit umfasst. Eine regelmäßige tägliche Ruhezeit bezeichnet eine Ruhephase von mindestens 11 Stunden. Sie kann auch in 2 Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen unterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss. Unter einer reduzierten täglichen Ruhezeit ist eine Ruhepause von mindestens 9 Stunden, aber weniger als 11 Stunden zu verstehen (Art. 4g VO (EWG 516/2006).

Nach einer Lenkdauer von 4,5 Stunden hat der Fahrer eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen, wobei die Unterbrechung durch eine Unterbrechung von mindestens 15 Minuten gefolgt von einer Unterbrechung von mindestens 30 Minuten ersetzt werden kann (Art. 7 VO EWG 516/2006).

Für das Rechtsbeschwerdegericht sind Lenkdauerverstöße mithin nur nachvollziehbar, wenn festgestellt ist, welche Zeit der Fahrer jeweils zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit das Fahrzeug gelenkt hat, und das diese Zeitabstände keine Fahrtunterbrechung enthalten. Der Tatrichter hat daher im Einzelnen anzugeben, wann der Betroffene seine Fahrt an dem jeweiligen Tat begonnen und wann er sie beendet hat, und ob und gegebenenfalls wann es zur Unterbrechung der Fahrt gekommen ist.

Um ein Verstoß gegen die tägliche Ruhezeit nachvollziehen zu können, bedarf es der Feststellung, wann die letzte Fahrt vor der Ruhepause beendet wurde und wann die nächste Fahrt nach der Ruhepause begonnen wurde.

Die entsprechenden Feststellungen enthält das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 25.05.2012 indes nicht.

Das Amtsgericht bezeichnet in seinem Urteil Zeiträume, in denen zulässige Lenkdauer überschritten wurde. Aus dem mathematischen Vergleich der angegebenen Zeiträume, mit der zulässigen Lenkdauer sowie der angegebenen Überschreitungsdauer ergibt sich, dass der jeweilige Beginn bzw. das Ende des bezeichneten Zeitraums nicht die Zeitpunkte bezeichnen kann, an denen der Betroffene begann das Fahrzeug zu lenken bis zum den Zeitpunkten an dem er eine Ruhezeit oder Fahrtunterbrechung eingelegt hat bzw. eine Ruhezeit begann und seine Fahrt fortsetzte. Die angegebenen Zeiträume überschreiten im Hinblick auf ihrer zeitlichen Dauer der Zeiträume, die sich aus der Summe der von dem Amtsgericht angenommene Höchstlenkzeiten zuzüglich der angenommenen Zeitdauer der Überschreitung ergibt. Dies lässt jedoch nur den Umkehrschluss zu, dass das Amtsgericht offensichtlich nicht den gesamten Zeitraum als Lenkdauer betrachtet hat. Insoweit hätte es jedoch der Feststellung bedurft, wann der Betroffene jeweils seine Fahrt nach der letzten Ruhezeit bzw. Unterbrechung begonnen hat, wann es zur nächsten Unterbrechung der Fahrt gekommen und wann die Fahrt hiernach wieder fortgesetzt worden ist. Ohne diese Angaben wird das Rechtsbeschwerdegericht nicht in der Lage versetzt zu prüfen, ob der vom Amtsgericht vorgenommene Ansatz der jeweiligen Lenkdauer in dem bezeichneten Tatzeiträumen zutreffend berechnet und das Tatgericht zu Recht ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften angenommen hat.

Gleiches gilt insoweit für die angenommenen Unterschreitungen der Ruhezeit. Das tatrichterliche Urteil bezeichnet Ruhezeitunterschreitungen in Zeiträumen von 24 Stunden, ohne das sich hinreichend deutlich erschließt, wann die Ruhezeit begann und wann diese beendet wurde. Auch unter Berücksichtigung der im Urteil wiedergegebenen Zeiträume zu den Lenkzeiten ist ein Rückschluss auf die vorgenommene Berechnung der Ruhezeiten nicht möglich.

Der Darlegungsmangel erfasst auch die vom Tatgericht festgestellten Doppelwochenverstöße. Gemäß Art. 6 Abs. 2 VO (EWG 561/2006) darf die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen 90 Stunden nicht überschreiten. Die Darlegungen des Tatgerichts im Urteil vom 25.05.2012 erschöpfen sich in der jeweiligen Wiedergabe einer Summe der Lenkzeiten in einer nach den Kalendertagen bezeichneten Doppelwoche. Den Urteilsgründen ist indes nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, welche einzelnen Lenkzeiten das Tatgericht in den jeweiligen Doppelwochen zu der im Urteil wiedergegebenen Gesamtlenkzeit summiert hat und auf welcher Tatsachengrundlage das Tatgericht die einzelnen Lenkzeiten festgestellt hat. Ohne diese Darlegungen wird das Rechtsbeschwerdegericht jedoch nicht in die Lage versetzt zu prüfen, ob das Amtsgericht die Lenkzeiten und im Folgenden die Gesamtlenkzeit zutreffend festgestellt und zu Recht von einen Verstoß ausgegangen ist. Die Ausführungen des Amtsgerichts erweisen sich mithin als lückenhaft.“

Den zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.

Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG hat er die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Koblenz zurückverwiesen.




Gesetze

Gesetze

1 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

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(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.