Nachunternehmer: Verweigerung des Werklohns durch den Hauptunternehmer

published on 09/11/2012 12:07
Nachunternehmer: Verweigerung des Werklohns durch den Hauptunternehmer
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Hauptunternehmer kann die Zahlung nicht so lange verweigern bis ein Rechtsstreit zwischen ihm und seinem Auftraggeber geklärt ist-BGH vom 06.09.12-Az:VII ZR 72/10
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Nachunternehmer im Vertragsverhältnis zum Hauptunternehmer gestärkt.

Die Richter entschieden, dass der Hauptunternehmer nicht berechtigt sei, die Zahlung des dem Nachunternehmer zustehenden Werklohns so lange zu verweigern, bis in einem Rechtsstreit zwischen ihm und seinem Auftraggeber geklärt ist, ob der Auftraggeber gegen den Werklohnanspruch des Hauptunternehmers zu Recht mit einer von diesem bestrittenen Vertragsstrafe aufrechnet, die der Auftraggeber wegen einer Verzögerung der Nachunternehmerleistung geltend macht (BGH, VII ZR 72/10).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:


BGH Urteil vom 06.09.2012 (Az: VII ZR 72/10)

Ein Hauptunternehmer ist nicht berechtigt, die Zahlung des dem Nachunternehmer zustehenden Werklohns so lange zu verweigern, bis in einem Rechtsstreit zwischen ihm und seinem Auftraggeber geklärt ist, ob der Auftraggeber gegen den Werklohnanspruch des Hauptunternehmers zu Recht mit einer von diesem bestrittenen Vertragsstrafe aufrechnet, die der Auftraggeber wegen einer Verzögerung der Nachunternehmerleistung geltend macht.

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Februar 2009 in Höhe von 189.977,41 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung über den Hilfswiderklageantrag der Beklagten und die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn. Sie war als Nachunternehmerin der Beklagten, die für die ARGE W./HBM (künftig nur HBM) die Haustechnik auszuführen hatte, bei der Errichtung einer Sportarena tätig. Die Beklagte beauftragte die Klägerin auf der Grundlage der VOB/B (Ausgabe 2002) mit Vertrag vom 28. Juni/7. Juli 2004 mit Leistungen zur Fernmeldetechnik einschließlich Brand- und Einbruchsmeldung. Die für den 12. August 2005 vereinbarte Gesamtfertigstellung durch die Klägerin erfolgte erst am 19. Oktober 2005.

Die Beklagte beruft sich gegenüber dem Werklohnverlangen der Klägerin auf ein Zurückbehaltungsrecht, weil sie wegen der von der Klägerin zu vertretenden Verzögerung von der HBM auf eine den Werklohnanspruch der Klägerin übersteigende Vertragsstrafe in Anspruch genommen werde. Die HBM verweigere deshalb die Zahlung des der Beklagten zustehenden Werklohns. Die Beklagte führt über ihren Werklohnanspruch gegen die HBM einen Rechtsstreit, in dem sie die Aufrechnung mit dem Vertragsstrafenanspruch als unberechtigt zurückweist. Sie macht u.a. geltend, die Vertragsstrafe sei nicht wirksam vereinbart. Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie dürfe den Werklohn der Klägerin bis zur Klärung des Vertragsstrafenanspruchs der HBM zurückhalten.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 201.754,55 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Widerklage der Beklagten, mit der diese eine eigene Vertragsstrafe und Schadensersatz geltend gemacht hat, hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Außerdem hat es festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten jeden Schaden mit Ausnahme eines entgangenen Gewinns zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass die Klägerin die zum 12. August 2005 vereinbarte Vertragsfrist schuldhaft überschritten hat. Über den Hilfsantrag, die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 601.945,61 € nebst Zinsen zu zahlen, hat das Berufungsgericht nicht entschieden, weil dieser Antrag nur für den Fall gestellt worden sei, dass eine Verurteilung auf die Klage erfolge oder der auf die Fertigstellung am 12. August 2005 bezogene Feststellungsantrag der Widerklage keinen Erfolg haben werde.

Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision möchte die Klägerin ihren Klageantrag in Höhe von 189.977,41 € nebst Zinsen weiterverfolgen.


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

Das Berufungsgericht hält die Klage in Höhe des noch im Streit stehenden Betrages von 189.977,41 € für zur Zeit unbegründet.

Es hat angenommen, dass die Klägerin der Beklagten nach § 5 Nr. 4 VOB/B i.V.m. § 6 Nr. 6 Satz 1 VOB/B zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil die Klägerin am 13. August 2005 in Fertigstellungsverzug geraten sei. Teil des der Beklagten aus der Verzögerung zu ersetzenden Schadens sei die Vorenthaltung eines Liquiditätszuflusses von Seiten der HBM, der im Wege der Naturalherstellung zumindest teilweise ausgeglichen werde, wenn die Beklagte ihrerseits bis zur Klärung der Anspruchsberechtigung der HBM keine Zahlung an die Klägerin erbringe. Die Fristüberschreitung der Klägerin sei für den Einbehalt der HBM adäquat ursächlich gewesen. Die der Klägerin nachteilige Zurechnung des Einbehalts der HBM sei auch vom Schutzzweck des zu leistenden Schadensersatzes wegen Fertigstellungsverzugs gedeckt. Denn durch die verspätete Fertigstellung im Nachunternehmerverhältnis habe die Klägerin die Gefahr für die Beklagte erhöht, von ihrer Auftraggeberin - wenn auch möglicherweise zu Unrecht - in Anspruch genommen zu werden.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Klage in der von der Revision angegriffenen Höhe von 189.977,41 € nebst Zinsen als zur Zeit unbegründet abgewiesen.

Es kann dahin stehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, bereits die von der Klägerin verursachte Verzögerung des Liquiditätszuflusses von Seiten der HBM stelle einen grundsätzlich ersetzbaren Schaden dar, oder ob erst aus der Verzögerung resultierende Nachteile, wie beispielsweise Zinsverluste oder notwendige Zinsaufwendungen, solche Schäden wären.

Jedenfalls rechtsirrig ist die Ansicht, der Ausgleich des hier geltend gemachten Verzögerungsschadens durch Gewährung eines Zurückbehaltungsrechts gegenüber der Werklohnforderung der Klägerin sei auch vom Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm, nämlich der weitgehend mit der gesetzlichen Regelung übereinstimmenden vertraglichen Vereinbarung der Ersatzpflicht für verzugsbedingte Schäden nach § 5 Nr. 4 VOB/B i.V.m. § 6 Nr. 6 Satz 1 VOB/B (Ausgabe 2002), umfasst.

Es entspricht ganz überwiegender Auffassung und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Das kann auch der Fall sein, wenn der Schaden durch eine vertragswidrige Handlung eines Dritten entsteht. Ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt dagegen nicht. Insbesondere ist Zweck vertraglicher Haftung nicht, den Geschädigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten.

Hiernach ist es nicht gerechtfertigt, die eingetretene Verzögerung bei der Durchsetzung des Werklohnanspruchs der Beklagten gegen die HBM der Fertigstellungsverzögerung der Klägerin zuzurechnen und sie hierfür haften zu lassen. Die fristgerechte Erstellung des Werkes eines Nachunternehmers soll dem Hauptnehmer allerdings ermöglichen, seine gegenüber seinem Besteller bestehenden Vertragspflichten ordnungsgemäß, insbesondere ebenfalls fristgerecht zu erfüllen. Damit dienen die entsprechenden vertraglichen Pflichten des Nachunternehmers auch dem Zweck zu vermeiden, dass der Besteller den Hauptunternehmer wegen einer Verzögerung in Anspruch nehmen kann, etwa auf Zahlung einer Vertragsstrafe.

Nach dem Vortrag der Beklagten besteht der von der HBM reklamierte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe jedoch nicht, so dass ihr Werklohnanspruch nicht wirksam durch Aufrechnung vermindert worden ist und noch durchgesetzt werden kann. Ein Risiko, Ansprüche gegen den Besteller erst mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen zu können, trifft prinzipiell jeden Unternehmer. Es ist grundsätzlich seinem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. Daran ändert sich nichts, wenn das Verhalten des Bestellers erst oder auch durch eine Pflichtverletzung des Nachunternehmers hervorgerufen worden ist. Denn Grundlage des Streits um die unberechtigte Verweigerung der Zahlung des Werklohns ist immer das Vertragsverhältnis zwischen dem Hauptunternehmer und seinem Besteller, hier also zwischen der Beklagten und der HBM. Belastungen, die sich aus Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis ergeben, sind von den jeweils betroffenen Vertragspartnern zu tragen. Es ist nicht gerechtfertigt, sie auf den Nachunternehmer, hier die Klägerin, abzuwälzen.

Der Rechtsstreit ist nur teilweise zur Endentscheidung reif, § 563 Abs. 3 ZPO. Im Umfang der Aufhebung sind keine weiteren Feststellungen zu erwarten, so dass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat.

Danach ist der Werklohnklage im Umfang der Anfechtung stattzugeben. Über eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der Beklagten aus der Inanspruchnahme durch die HBM ist nicht zu befinden, weil die Beklagte diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Berufung ausdrücklich fallen gelassen und sich lediglich auf ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Erledigung ihrer Werklohnklage gegen die HBM gestützt hat.

Ausweislich des Berufungsurteils hat die Beklagte für diesen Fall ihrer Verurteilung auf die Klage einen weiteren Hilfswiderklageantrag auf Zahlung gestellt, über den das Berufungsgericht folgerichtig bisher nicht entschieden hat, was nunmehr noch geschehen muss.


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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.