Revision gescheitert – Cum‑Ex‑Rechtsprechung wird zementiert (BGH, 1 StR 364/24)


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Was hat der BGH entschieden?
Die Revisionen – gestützt auf Sach‑ und Verfahrensrügen – blieben ohne Erfolg; das Urteil des LG Bonn ist rechtskräftig. Der Sachverhalt ist klassisch Cum‑Ex: „Geltendmachung nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer“ zur Anrechnung/Erstattung durch unrichtige Angaben – ein Muster, das der BGH bereits 2021 als Steuerhinterziehung bestätigt hat (1 StR 519/20).
Eine ausführlichere Besprechung des ersten Urteils (1 StR 519/20) und eine Darstellung der umstrittenen „Cum-Ex-Aktiengeschäften“ von Rechtsanwalt Dirk Streifler finden Sie hier: BGH: Cum-Ex-Aktiengeschäfte sind strafbar
Besonderheiten des Falls
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Rolle der Manager: Die Angeklagten gaben als vetoberechtigte Partner „grünes Licht“, organisierten Anlegergelder, Kredite und Umsetzung – ein Täterschaftsbild jenseits der bloßen Randbeteiligung.
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Sanktionsrahmen: Freiheitsstrafen von 4 Jahren und 10 Monaten bzw. 3 Jahren und 6 Mmonaten; Einziehung des Tatlohns; außerdem Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung (1:1) – ein Hinweis auf grenzüberschreitendeErmittlungs‑/Vollstreckungsrealitäten.
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Berichterstattung/Einordnung: Die Entscheidung wird in der Fach‑ und Tagespresse als Bestätigung der Cum‑Ex‑Grundsatzlinie gewertet.
Dogmatische Linien
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Straftatbestand (§ 370 AO) – fortgeschriebene Linie aus BGH 1 StR 519/20: Die (Schein‑)Geltendmachung nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer ist eine unrichtige Angabe mit ungerechtfertigtem Steuervorteil.
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Einziehung (§§ 73 ff. StGB) – Tatlohn ist „für“ die Tat erlangt (Alt. 2), Vorkasse‑Konstellationen und tatsächliche Zahlungsflüsse sind sauber zuzuordnen.
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Prozessuale Standards – Revisionsverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO (implizit): Kein Rechtsfehler im Schuld‑/Rechtsfolgenausspruch; Verfahrensrügen tragen nicht. (Rechtskraftvermerk: vgl. BGH‑PM.)
Praxis‑To‑dos
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Asset‑/Fondsmanager: Produkt‑/Transaktionsfreigaben schriftlich hinterlegen; Tax‑Truthfulness (richtige Tatsachenangaben ggü. Finanzverwaltung) als Compliance‑Kernpflicht; Bonus/Tatlohn‑ähnlicheVergütungsbausteine risikoorientiert prüfen.
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Institute/Depotbanken: Prüfroutinen zu KESt‑Anrechnungen, Sperrlogiken bei Dividendenstichtagen, Forensic‑Trigger (Short‑Selling‑Muster, Settlement‑Abweichungen) schärfen.
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Verteidigung: Bei historischen Fällen Einziehungsdogmatik gezielt prüfen (Alt. 1/Alt. 2; Überkompensation; Anrechnung); Auslandshaft frühzeitig aktenkundig dokumentieren.
Fazit
Die Entscheidung zementiert die seit 2021 bestehende BGH‑Linie: Cum‑Ex‑Strukturen sind Steuerhinterziehung; Einziehung trifft Täternutzen und Tatlohn gleichermaßen – auch in Managerrollen.


Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, - 2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder - 3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht, - 3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, - 4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder - 6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.
(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.