Sexualstrafrecht: Zur Förderung sexueller Handlungen an einer minderjährigen Person

bei uns veröffentlicht am28.11.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Der Tatbestand des § 180 I StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter nicht nur
Der BGH hat mit dem Beschluss vom 21.06.05 (Az: 4 StR 28/05) folgendes entschieden:

Verbringt der Täter das Tatopfer unter Anwendung einer List in seinem Fahrzeug zu einem abgelegenen Ort, um dort eine Sexualstraftat zu begehen, so erweist er sich allein dadurch noch nicht als ungeeignet für das Führen von Kraftfahrzeugen i. S. des § 69 I 1 StGB.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des LG Landau in der Pfalz vom 3. 9. 2004 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.


Gründe:

Das LG hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung (Fall II. 18), Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (Fall II. 19), sexueller Nötigung, sowie wegen weiterer Straftaten, insbesondere wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, unter Freisprechung im übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und einem Monat verurteilt. Des weiteren hat es eine Verfallsanordnung getroffen und die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, dass ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.

Die vom Angeklagten gegen das Urteil eingelegte, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet i.S. des § 349 II StPO.

Auch der Schuldspruch wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger gem. § 180 I StGB im Fall II. 19 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung stand.

Nach den Feststellungen des LG begab sich der Angeklagte gemeinsam mit der 15jährigen Geschädigten in die Wohnung des dem Mädchen nur flüchtig bekannten, 42 Jahre alten Nordin S. . Dort entkleideten der Angeklagte und S. gemeinsam die Geschädigte. Nachdem zunächst der Angeklagte sexuelle Handlungen an dem Mädchen vorgenommen hatte, führte Nordin S. nach Aufforderung und möglicherweise in Gegenwart des Angeklagten, der sich nicht augschließbar hierdurch selbst sexuell erregen wollte, den Geschlechtsverkehr mit der 15Jährigen durch (UA 19 und 45).

Die Wertung des LG, dieses Verhalten des Angeklagten erfülle den Tatbestand der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger gem. § 180 I (Nrn. 1 und 2) StGB, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entscheidend ist, dass der Angeklagte durch die Zuführung der 15jährigen Geschädigten zu dem ihr nur oberflächlich bekannten Nordin S. zum Zwecke der Durchführung sexueller Handlungen dessen sexuellen Handlungen an der Minderjährigen Vorschub leistete. In dieser Förderung fremder Sexualität ist nach dem Wortlaut und dem Schutzzweck des Gesetzes - der ungestörten sexuellen Entwicklung von Jugendlichen - die Strafwürdigkeit begründet.

Einer Strafwürdigkeit steht nicht entgegen, dass der Angeklagte über die Förderung fremder sexueller Handlungen hinaus zugleich eigene sexuelle Zwecke verfolgte und seine eigenen Handlungen mit der Jugendlichen im Zweipersonenverhältnis - abgesehen von den Fällen des § 176 StGB und § 182 StGB, die hier nicht vorliegen - straflos wären. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich daraus kein Wertungswiderspruch, der zu einer Eingrenzung des Tatbestandes des § 180 I StGB auf Fallkonstellationen zwingen würde, in denen sich der Täter nicht zugleich selbst straflos an den sexuellen Handlungen mit dem Jugendlichen beteiligt.

§ 180 I StGB i.d.F. des 4. Strafrechtsreformgesetzes bestraft als Nachfolgevorschrift der „Kuppelei“ (nur noch) die Förderung fremder Sexualkontakte mit Personen unter 16 Jahren. In Abgrenzung zu dem eingriffsintensiveren § 182 StGB hat der Gesetzgeber durch die Tathandlung des „Vorschubleistens“ in § 180 I StGB die Beihilfe zu fremden Sexualkontakten mit Jugendlichen zu einem selbständigen Tatbestand erhoben, und zwar unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung des geförderten sexuellen Geschehens für die direkt daran Beteiligten. Anders als bei § 182 StGB kommt es bei § 180 StGB nicht darauf an, dass eine Zwangslage des jugendlichen Opfers (§ 182 I StGB) oder die altersbedingte Unreife von einem älteren Sexualpartner (§ 182 II StGB) ausgenutzt wird. Nach der gesetzlichen Begründung soll durch den Tatbestand des § 180 StGB bereits verhindert werden, dass Jugendliche von Dritten missbräuchlich in sexuelle Handlungen hineingezogen und dadurch der Gefahr einer Fehlentwicklung auf sexuellem Gebiet ausgesetzt werden (Bericht des Sonderausschusses BTDrucks. VI/3521 S. 42; vgl. BRDrucks. 489/70 S. 22). Die Motive des Täters für die Förderung des Sexualkontakts des Dritten sind danach gleichgültig. Für die von der Revision angestrebte Einschränkung des Tatbestandes ist aus Gründen des Jugendschutzes deshalb kein Raum. Sie würde überdies zu dem untragbaren Ergebnis führen, dass der sich auf das „Vorschubleisten“ beschränkende Täter nach § 180 I StGB strafbar wäre, hingegen derjenige Täter, der sich selbst an den sexuellen Handlungen des Dritten mit dem Jugendlichen beteiligt oder das Vorschubleisten zum Zwecke der Befriedigung eigener Sexualität unternommen hätte, straflos wäre.

Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat hingegen keinen Bestand.

Das LG hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe im Fall II. 18 der Urteilsgründe sein Fahrzeug auch dazu benutzt, um mit der Geschädigten an eine abgelegene Stelle zu fahren und diese dort unter Ausnutzung „der besonderen Umstände eines Pkw als eng umgrenztem, umschlossenen Raum“ gewaltsam zum Oralverkehr zu zwingen. Er habe diese Straftat deshalb auch unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen und sich hierdurch zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erwiesen (UA 60).

Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des LG, dass dem Täter die Fahrerlaubnis nach § 69 I Satz 1 StGB wegen in der Tat zutage getretener mangelnder Eignung auch dann zu entziehen ist, wenn kein typisches Verkehrsdelikt vorliegt, sondern wenn die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangene Straftat der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen ist - sog. Zusammenhangstat - (vgl. BGHR StGB § 69 I Entziehung 8, 13). Anders als bei der Begehung einer der in § 69 II StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, dass der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Deshalb verlangt die Rechtsprechung, dass die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. 4. 2005 - GSSt 2/04 - zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Der Tatrichter muss sich die Überzeugung verschaffen, dass der Täter bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Verkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Dies ist anhand konkreter Umstände festzustellen, die sich aus der Tat unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit ergeben. Dabei sind auch Umstände aus dem Vorleben des Täters oder seine Tatvorbereitung in die Beurteilung einzubeziehen, sofern sich daraus tragfähige Schlüsse auf eine mögliche Gefährdung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit der Anlasstat ziehen lassen (BGH aaO).

Diesen Anforderungen genügt die Würdigung, mit der das LG die Annahme der Ungeeignetheit i.S. des § 69 I StGB begründet hat, nicht. Allein der Umstand, dass der Angeklagte seinen Pkw dazu verwendete, die Geschädigte, die den Angeklagten einverständlich im Fahrzeug begleitete, zu einem abgelegenen Feldweg zu verbringen, um dort gegen ihren Willen den Oralverkehr im Pkw zu erzwingen, lässt - unbeschadet der vom Angeklagten angewandten List - weder eine Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer noch, was bei Anordnung der Maßregel bei allen Varianten des § 69 I Satz 1 StGB erforderlich ist, ohne weiteres verkehrssicherheitsrelevante charakterliche Mängel des Angeklagten erkennen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich auf Grund der neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die eine Ungeeignetheitsprognose i.S. des § 69 I StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen können. Insoweit könnte insbesondere von Bedeutung sein, dass der Angeklagte vor Benutzung seines Kraftfahrzeugs möglicherweise Betäubungsmittel konsumiert hatte.

Der Senat war trotz des weitergehenden, auf Entfall der Maßregel gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlusswege wie geschehen zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. 2. 2004 - 4 StR 24/04).


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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Wer sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn Jahren

1.
durch seine Vermittlung oder
2.
durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit
Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 Nr. 2 ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn der Sorgeberechtigte durch das Vorschubleisten seine Erziehungspflicht gröblich verletzt.

(2) Wer eine Person unter achtzehn Jahren bestimmt, sexuelle Handlungen gegen Entgelt an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, oder wer solchen Handlungen durch seine Vermittlung Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Im Fall des Absatzes 2 ist der Versuch strafbar.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 24/04
vom
10. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Februar 2004 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 16. September 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt, daß ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
1. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet
im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
2. Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hat hingegen keinen Bestand.
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe sich durch sein Verhalten, „insbesondere durch den Einsatz seines PKWs und des Fahrzeugs seiner damaligen Freundin“ als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB erwiesen. Der Umstand, daß er die Fahrzeuge gezielt zur Durchführung der Straftaten eingesetzt habe, indiziere im Hinblick auf das Gewicht der Taten und die Bedeutung des Einsatzes der Kraftfahrzeuge bei den Überfällen bereits für sich genommen seine charakterliche Unzuverlässigkeit und damit seine Ungeeignetheit.
Diese Erwägungen tragen die Entscheidung nicht. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, daß § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen im engeren Sinne, sondern auch bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar ist, sofern sie im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen werden und sich daraus die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. Anders als bei der Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten begründet jedoch allein der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine Regelvermutung für seine charakterliche Unzuverlässigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen; deshalb verlangt die Rechtsprechung in diesen Fällen regelmäßig eine nähere Begründung der Ent-
scheidung aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 8; Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2002 - 4 StR 339/02 = NZV 2003, 46 und 5. November 2002 – 4 StR 406/02 = NZV 2003, 199). Dieser Anforderung genügt die pauschale Würdigung , mit der das Landgericht die Annahme der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB begründet hat, nicht, und zwar ungeachtet der weiteren (streitigen) Frage, ob zwischen den einzelnen Taten und der Verkehrssicherheit ein (verkehrsspezifischer) Zusammenhang zu fordern ist (vgl. hierzu den Anfragebeschluß des Senats vom 16. September 2003 – 4 StR 85/03 = DAR 2003, 563 sowie BGH, Beschluß vom 26. September 2003 – 2 StR 161/03 = NStZ 2004, 144).
Dem steht nicht die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluß vom 14. Mai 2003 – 1 StR 113/03, abgedruckt in NStZ 2003, 658) entgegen. Dort hat zwar der 1. Strafsenat die Auffassung vertreten, daß bei bestimmten schweren Straftaten, die unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges begangen werden, in aller Regel die charakterliche Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen verneint werden müsse. Hierzu zähle etwa auch die Nutzung des Kraftfahrzeuges zur Flucht mit der Beute durch den Räuber oder den räuberischen Erpresser. Allerdings hat er weiterhin ausgeführt, daß auch in derartigen Fällen der Umfang der tatrichterlichen Begründungspflicht von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Täterpersönlichkeit und vom Gewicht der Tat abhänge. Angesichts der vom Landgericht angeführten zahlreichen Strafmilderungsgründe (vgl. UA 13 bis 15), die die Persönlichkeit des Angeklagten und seine Beteiligung an den Taten zum Gegenstand haben, hätte auch bei Zugrundelegung dieser
Rechtsauffassung die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen näherer Darlegung bedurft.
3. Die Entziehung der Fahrerlaubnis bedarf daher erneuter tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß sich aufgrund der neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben können, die eine Ungeeignetheitsprognose im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen könnten. Er war trotz des weitergehenden , auf Entfall der Maßregel gerichteten Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlußwege wie geschehen zu entscheiden. Die Befugnis des Revisionsgerichts, nach Urteilsaufhebung die Sache zurückverweisen oder in der Sache selbst zu entscheiden, richtet sich ausschließlich nach § 354 StPO; sie setzt - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Fallvarianten des § 354 Abs. 1 4. Alt. StPO – keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus.
Tepperwien Kuckein Athing