Amtsgericht Pankow Urteil, 7. Apr. 2021 - 7 C 288/20

bei uns veröffentlicht am31.05.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Pankow

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Amtsgericht Pankow

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 

A,

- Kläger -


Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Daniel Schwarz, Potsdamer Straße 86, 10785 Berlin, 

 

gegen

 

B-GmbH (Tenniscenter),

 - Beklagte -

 

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Dr. Benedikt Mick, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin, 

 

hat das Amtsgericht  Pankow/Weißensee durch die Richterin am Amtsgericht Kucment aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021 für Recht erkannt:

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das  Urteil  ist vorläufig  vollstreckbar.  Der Kläger kann die Vollstreckung  der  Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Be­trags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung  Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist die Betreiberin einer öffentlichen Sportanlage unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Unter anderem stellt sie dort auch Tennisanlagen zur einzelnen Anmietung und für die Ausrichtung von Verbandsspielen zur Verfügung. Die Anlage ist grundsätzlich für jedermann nutzbar. Jedermann darf über die Buchungshotline Tennisplätze, Badmintonplätze oder das sonstige Angebot der Beklagten buchen.

Der Kläger spielt Tennis im oberen Amateurbereich und nimmt an Verbandsspielen teil. Er ist auf der Deutschen Rangliste auf Platz .. gelistet. Als Mitglied des Betriebssportgesellschaft e.V. spielte er wöchentlich in den Räumen der Beklagten Tennis und gab vereinzelt Tennisunterricht. Am 15.05.2019 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber ein Hausverbot aus, ohne dies zu begründen. Am 14.02.2019 sprach die Beklagte dem Kläger ein weiteres Hausverbot aus, welches sie mit Schreiben vom 19.02.2020 bestätigte. Hierin begründete die Beklagte das Hausverbot. Bezüglich des Inhalts der Begründung sei auf Blatt 16-18 der Akte Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte das Hausverbot vom 15.05.2019 und vom 14.02.2020 willkürlich und ohne sachlichen Grund erteilt habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das am 15.05.2019 und am 14.02.2020 ausgesprochene Hausverbot zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass der Kläger durch sein Verhalten Veranlassung zur Erteilung des Hausverbots gegeben habe. Er habe durch sein Verhalten den Betriebsablauf der Beklagten gestört. Ferner habe es Vorfälle mit anderen Tennistrainern in Bezug auf die Zuteilung der Trainingsplätze, die Verteilung von Tennisschülern und die Beschädigung von Trainingsmaterial gegeben. Zudem habe der Kläger die Anlage der Beklagten wiederholt außerhalb der Geschäftszeiten betreten, obwohl ihm dies mehrfach untersagt worden sei und die Hausordnung ein Betreten außerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten ausschließen.

Entscheidungsgründe
 

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rücknahme des Hausverbots vom 15.05.2019 und vom 14.02.2020 besteht nicht. Ob das Verhalten des Klägers einen sachlichen Grund für die Erteilung des Hausverbotes darstellt, kann vorliegend dahinstehen, denn die Befugnis der Beklagten zur Erteilung eines Hausverbots liegt nicht vom Vorliegen eines solchen sachlichen Grundes ab.

Als Betreiberin der Sportanlage ist die Beklagte aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich befugt, gegenüber Besuchern ein Hausverbot auszusprechen. Dieses Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es dem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er Zutritt gestattet. Es ist Ausfluss der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und bringt die Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 S. 1 BGB). Es ist ebenfalls Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, welche die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt. Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche Willenserklärungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; dies gilt in gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang andern der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird (BGH, Urteil vom 29. Mai 2020 - V ZR 275/18, Rn. 5 m.w.N.).

Eine Einschränkung des Hausrechts der Beklagten dahingehend, dass ein von ihr ausgesprochenes Hausverbot eines sachlichen Grundes bedarf, ergibt sich auch nicht aus den mittelbar in das Zivilecht einwirkenden Grundrechten, weil sowohl das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dem nicht entgegenstehen. Grundsätzlich ist bei der Erteilung eines Hausverbotes in einer Örtlichkeit, welche der Hausrechtsinhaber für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) des Hausrechtsinhabers mit den Grundrechten des Betroffenen, namentlich des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 G(3, in Ausgleich zu bringen. Es folgt jedoch aus Art. 3 Abs. 1 GG und dessen mittelbarer Drittwirkung kein allgemeines Verfassungsprinzip, wonach Rechtsbeziehungen zwischen Privaten gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Es gehört grundsätzlich zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen Bedingungen Verträge abschließen will. Dieser Grundsatz findet lediglich dann eine Einschränkung dahingehend, dass der Ausschluss bestimmter Personen eines sachlichen Grundes bedarf, wenn die Örtlichkeit dem allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person geöffnet ist und der Ausschluss der Person von der Örtlichkeit für den Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entscheidet.

Nach diesen Grundsätzen bedarf die Erteilung eines Hausrechts nicht schon dann eines sachlichen Grundes, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person öffnet, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Verweigerung des Zutritts für den Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen. Leben entscheidet. In einem solchen Fall greift Art. 3 Abs. 1 GG zwischen dem Betreiber und den potentiellen Besuchern und stellt die Ausübung des Hausrechts in einen Zusammenhang mit dem Recht des Einzelnen auf Teilhabe am kulturellen Leben. Dem Betreiber. einer Einrichtung, die erhebliche Bedeutung für das gesellschaftliche und kulturelle Leben hat, wird eine besondere rechtliche Verantwortung zugewiesen, die es ihm verbietet, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund auszuschließen.

Welche Bedeutung der Zugang zu einer Einrichtung für die Teilhabe am gesllschaftlichen Leben hat, ist nicht aus der Perspektive des einzelnen Besuchers zu beurteilen, sondern es ist aus objektivierter Sicht desjenigen, der die Einrichtung dem allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, zu fragen, welche Funktion die von ihm willentlich eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat. Anderenfalls entstünde eine bedenkliche Rechtsunsicherheit für den Betreiber einer dem allgemeinen Publikumsverkehr geöffneten Einrichtung. Dieser könnte, wenn es nicht auf den objektiven Charakter der Einrichtung, sondern auf die - ihm regelmäßig nicht bekannten - Bedürfnisse der einzelnen Nutzer ankäme, vor der Erteilung eines Hausverbots nicht erkennen, ob er dieses frei oder nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes aussprechen darf.

Der Besuch der von der Beklagten betriebenen Sportanlage entscheidet bei objektiviert-typisier­ ter Betrachtung nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben; die Beklagte bedarf daher für die Erteilung des Hausverbots gegenüber dem Kläger keines sachlichen Grundes.

Es handelt sich bei der Sportanlage zunächst um eine Einrichtung, die aufgrund der Entscheidung der Beklagten einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet wird. Das Angebot der Beklagten zur Nutzung der Sportanlage richtet sich an einen grundsätzlich uneingeschränkten Personenkreis. Die Anlage ist für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet. Die Beklagte behält sich nicht in jedem Einzelfall eine individuelle Entscheidung darüber vor, ob sie demjenigen, der die Anlage nutzen will, Einlass gewährt, sondern macht den Zutritt allein davon abhängig, dass sich derjenige an die für die Nutzung der Sportanlage aufgestellten Regeln hält.

Der Identität der Nutzer kommt regelmäßig keine Bedeutung zu.

Die Sportanlage der Beklagten ist jedoch keine Einrichtung, die für die von einem Hausverbot Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet.

Aus der objektivierten Sicht der Beklagten als Betreiberin der Sportanlage ist diese eine Einrichtung, die bei typisierender Betrach.tung für die Nutzer zur Erholung sowie der Förderung der körperlichen Gesundheit dient. Es handelt sich bei typisierender Betrachtung bei der Anlage der Beklagten um eine Örtlichkeit, die für die Nutzer ein Ort ist, an dem unterschiedliche Sportarten aus­geübt werden können und an der man Energie für den Alltag gewinnt. Für den Nutzer einer bestimmten Tennisanlage kommt es prinzipiell nicht darauf an, eine besondere Anlage aufsuchen

zu können, denn das Leistungsangebot einer solchen Tennisanlage - die Bereitstellung von Trainingsplätzen - ist beliebig austauschbar. Die Beklagte hat keine Monopolstellung, aus der sich gleichheitsrechtliche Anforderungen ergeben könnten, Der Klager kann seinen Tennissport unproblematisch auch an einer der vielen anderen Sport- und Tennisanlagen in Berlin betreiben.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger durch das Hausverbot daran gehindert ist, an den auch in der Anlage der Beklagten ausgerichteten Verbandsspielen teilzunehmen. Denn obwohl die Verbandsspiele aufeinander aufbauen und der Kläger infolge des Hausverbots nicht mehr an den in der Halle der Beklagten ausgerichteten Spielen teilnehmen kann, geben diese Verbandsspiele der Anlage nicht ihr Gepräge. Den Schwerpunkt des Leistungsangebots bildet weiterhin das Angebot von Trainingsplätzen und Tennisstunden. Für die Beurteilung, ob eine Einrichtung erhebliche Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kommt es nicht auf etwaige besondere Veranstaltungen oder besondere Bedürfnisse des einzelnen Besuchers an, sondern darauf, für welche Art der Nutzung der Betreiber seine Einrichtung aus objektivierter Sicht willentlich geöffnet hat. Die vereinzelte Ausrichtung von Verbandsspielen, an deren Teilnahme der Kläger durch das Hausverbot gehindert wird, vermag daher den Gesamtcharakter der Anlage nicht zu ändern. Die Anwendung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG und die damit verbundene Einschränkung des Hausrechts auf das Privatrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten kann nicht dadurch erwachsen, dass die Einrichtung für dessen gesellschaftliches Leben subjektiv eine größere Bedeutung hat als bei der Einrichtung objektiv-typisierend in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zu vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Kucment

Richterin am Amtsgericht

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