Amtsgericht Wedding Urteil, 1. Feb. 2019 - 8 C 109/18

bei uns veröffentlicht am04.08.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Wedding

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Amtsgericht Wedding

Im Namen des Volkes

Urteil

 

 

In dem Rechtsstreit

 

A-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführerin, 

- Klägerin -

 

Prozessbevollmächtigte·

Rechtsanwältin Tanja Hannawald, Bartholomäusstraße 26, 90489 Nürnberg, 

 

gegen

 

B-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, 

- Beklagte -

 

Prozessbevollmächtigter

Rechtsanwalt Norbert Bierbch, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin,

 

hat das Amtsgericht Wedding durch den Richter Everling aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2019 für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.377,62 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Pro­ zentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1160,25 € seit dem 18.11.2017, aus weiteren 646, 17 € seit dem 15.6.2018, aus weiteren 571,20 € seit dem 16.7.2018 sowie ei­ ne Verzugskostenpauschale von 160,00 € zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Speditionen und streiten über Speditionsvergütungen aus mehreren Transport­ aufträgen. Alle nachfolgenden Transportaufträge erfolgten unter Verwendung der Allgemeinen Ge­schäftsbedingungen der Beklagten, auf deren jeweiligen Wortlaut Bezug genommen wird.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin zunächst mit Transportauftrag vom 01.09.2017 (Anlage K1, BI. 9 ff. d.A) mit der Durchführung dreier Transporte von Waren auf 14 Europaletten, 9 Einwegpa­letten und 7 Einwegpaletten am 01.09.2017 jeweils von Hamburg nach Pforzheim, nach Wallhau­sen und nach Öhringen für eine Frachtvergütung von 850,00 € netto zuzüglich Mehrwertsteuer bei einem Zahlungsziel von 45 Tagen nach Erhalt der Frachtpapiere.

Die Transporte wurden von der Klägerin am 01.09.2017 ordnungsgemäß ausgeführt und der Be­ klagten vereinbarungsgemäß mit Rechnung Nr. ... vom 27.09.2017 (Anlage K2, BI. 11 d.A) mit 1.011,50 € brutto unter Einräumung einer Zahlungsfrist von 45 Tagen ab Belegdatum fakturiert mit dem  Hinweis, dass die Forderung an die C-GmbH abgetreten wurde. Im Rahmen des streitgegenständlichen Transportes tauschte die Klägerin 14 Europaletten nicht.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Transportaufträgen vom 20.09.2017 (Anlagen K3, K4, BI. 12 f. d.A) mit der Durchführung zweier Transporte von Ware auf jeweils 33 Europaletten von Bilstein nach Hamburg am 21./22.09.2017 für eine Frahtvergütung von jeweils 580,00 € netto zu­züglich Mehrwertsteuer bei dem Zahlungsziel von 45 Tagen nach Erhalt der Frachtpapiere.

Die Transporte wurden von der Klägerin am 21.09.2017 ordnungsgemäß ausgeführt und der Be­klagten vereinbarungsgemäß mit Rechnung Nr. ... vom 25.09.2017 (Anlage K5, BI. 15 d.A) und Rechnung Nr. ... vom 29.09.2017  (Anlage K6, BI. 16 d.A) mit insgesamt 1380,40 € brutto unter Einräumung einer Zahlungsfrist von 45 Tagen ab Belegdatum fakturiert mit dem Hin­ weis,  dass  die  Forderungen an die C-GmbH abgetreten sind. Im Rahmen  dieser Transporte tauschte die Klägerin 66 Europaletten nicht.

Die Beklagte berechnete zu den vorgenannten Transporten der Klägerin mit Rechnung vom 09.11.2017 (Anlage K7, BI. 17 d.A) einen Rechnungsbetrag von 1160,25 € und brachte diesen Betrag bei der Bezahlung der Rechnung der Klägerin Nr ... vom 27.09.2017 über 1.011,50 € und Nr. ... vom 19.09.2017 über 690,20 € am 13.11.2017 in Abzug, sie bezahlte daher lediglich 541,45 €.

Die Firma C-GmbH hat die streitgegenständlichen  Forderung mit Rückabtretungsanzeige vom 17.11.2017 an die Klägerin zurück abgetreten.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Transportauftrag vom 13.03.2018 (Anlage K9, BI. 19 ff. d.A) _mit der Durchführung vierer Transporte von Kaffee auf insgesamt 62 Europaletten am 13./14.3.2018 jeweils von Hamburg nach Köln, nach Kerpen, nach Rheinböllen und nach Bingen für eine Frachtvergütung von 860,00 € netto zuzüglich Mehrwertsteuer bei einem Zahlungsziel von 45 Tagen· nach Erhalt der Frachtpapiere.

Die Transporte wurden von der Klägerin am 13./14.3.2018 ordnungsgemäß ausgeführt und der Beklagten vereinbarungsgemäß mit Rechnung Nr. 1...802422 vom 25.04.2018 (Anlage K10, BI. 21 d.A) mit 934,15 € brutto unter Einräumung einer Zahlungsfrist von 45 Tagen ab Belegdatum fak­turiert mit dem Hinweis, dass die Forderung an die C-GmbH abgetreten ist. Im Rah­men des streitgegenständlichen Transportes tauschte die Klägerin 44 Europaletten nicht.

Die Beklagte berechnete zu den vorgenannten Transporten vom 13.03.2018 der Klägerin mit Rechnung vom  11.6.2018 (Anlage K11, BI. 23 d.A) 646, 17 € und brachte diesen Betrag bei Be­zahlung der Rechnung der Klägerin am 17.07.2018 in Abzug. Die Firma C-GmbH trat die streitgegenständlichen Forderung mit Rückabtretungsanzeige vom 10.9.2018 an die Klägerin zurück ab.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Transportauftrag vom 30.04.2018 (Anlage K13, BI. 25 ff. d.A) mit der Durchführung zweier Transporte von Tee auf insgesamt 44 Europaletten am 30.04./ 02.05.2018 jeweils von Buchholz nach Herne und nach Dortmund für eine Frachtvergütung von 480,00 € netto zuzüglich Mehrwertsteuer bei einem Zahlungsziel von 45 Tagen nach Erhalt der Frachtpapiere.

Die Transporte wurden von der Klägerin am 30.04/02.05.2018 ordnungsgemäß ausgeführt und der Beklagten vereinbarungsgemäß mit Rechnung Nr. ... vom 01.06.2018 (Anlage K14, BI. 27 d.A) mit 571,20 € brutto unter Einräumung einer Zahlungsfrist von 45 Tagen ab Belegdatum fakturiert mit dem Hinweis, dass die Forderung an die C-GmbH abgetreten ist. Im Rahmen des streitgegenständlichen. Transports tauschte die Klägerin 44 Europaletten nicht.

Die Beklagte berechnete zu den·vorgenannte.n Transporten vom 30.04/02,05.2008 der Klägerin mit Rechnung vom 14.07.2018 (Anlage K15, BI. 28 d.A) 646,17 € und verrechnete diesen Betra.g mit der Rechnung der Klägerin über 571,20 € brutto. Eine Zahlung erfolgte nicht. Eine Rückabtre­tung der Ansprüche durch die Firma C-GmbH an die Klägerin erfolgte am 24.09.2018.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.377,62 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Pro­zentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.160,25 € seit dem 18.11.2017, aus weiteren 646, 17 € seit dem 15.6.2018, aus weiteren 571,20 € seit dem 16.7.2018 sowie einer Verzugskostenpauschale von 160,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, ihr hätten jeweils Gegenansprüche gegen die Klägerin aus Ziffer 12 ihrer je­ weils Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen des nicht durchgeführten Palettentauschs zugestanden.

Wegen der weiteren  Einzelheiten des Sach- und Streitstandes  wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Zahlungsansprüche  in der aus dem Tenor ersichtlichen Hö­he.

Die Klägerin hat zunächs.t einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 2.377,62 € aus Fracht­verträgen gemäß. § 407 Abs. 2 HGB.

Das Zustandekommen,  die  Durchführung ·der  Frachtverträge sowie die Höhe der vereinbarten Fracht sind zwischen den Parteien unstreitig.

Die   Beklagte   schuldete   der    Klägerin   ausweislich   der   unbestrittenen   Rechnungen   vom 27.09.2017, vom 29.09.2017, vom 25.04.2018 sowie vom 01.06.2018 insgesamt 3.207,05 €.

Dieser Anspruch ist lediglich in Höhe von 829,43 € gemäß § 362 BGB durch Erfüllung erloschen. Der somit verbleibende Anspruch in Höhe von 2.377,62 € ist nicht gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.

Der Beklagten stehen die geltend gemachten Gegenansprüche aus Ziffer 12 der von der Beklag­ten bei den jeweiligen  Frachtverträgen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht zu, da diese Bestimmung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

Der Anwendungsbereich des § 307 BGB ist eröffnet, da es sich um Allgemeine Geschäftsbedin­gungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB handelt, die auch im vorliegenden Fall beim Abschluss der jeweiligen Frachtverträge gemäß § 310 Abs. 1 BGB Vertragsbestandteil wurden.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen un­wirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.  Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung dabei im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grund­gedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die hier relevanten Regelungen des Palettentauschs stehen in einem direkten Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Frachtverträgen (vgl. Koller, Transportrecht, 9. Auflage 2016, § 407 Rri. 56) und sind daher an dem sich aus den §§ 407 ff. HGB ergebenden gesetzlichen Leitbild zu messen.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist Ziffer 12 AGB insbesondere deshalb mit dem gesetzli­chen Leitbild der §§ 407 ff. HGB nicht vereinbar, da diese Regelung keine zureichende Entgeltre­gelung enthält und wegen der unangemessenen  Ersatzpflichten das Tauschrisiko in unzumutbarer Weise der Klägerin aufbürdet.

Es  ist in der  Rechtsprechung  anerkannt,  dass eine Palettentauschvereinbarung  nur dann wirk­ sam sein kann, wenn sie auf vernünftigen wirtschaftlichen  Erwägungen beruht und unter deren Berücksichtigung ausgestaltet wurde (OLG Celle, Urteil vom 11.03.1999, Az.: 11 U 27/98, juris}. Die vorliegende KlauseI genügt diesen Anforderungen nicht.

Nach Ziffer 12 AGB ist der Unternehmer, hier also die Klägerin, verpflichtet, übernommene Lade­ mittel Zug um Zug zu tauschen oder binnen 14 Tagen zum Versender zurückzuführen. Erfolgt weder ein Tausch noch eine fristgerechte Rückforderung fallen u.a. für jede Europalette 12,00 € an.

Zunächst ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Klausel selbst keine Entgeltzahlungsverpflich­tung für den Fall der Rückführung enthält. Eine Klausel, die eine Rückführungsverpflichtung statu­iert, ohne ein angemessenes  Entgelt vorzusehen ist jedoch nach zutreffender Ansicht als unan­gemessene Benachteiligung unwirksam (vgl. LG Potsdam, Urteil vom 12.11.2014, Az.: 52 s 1/14, NJW-RR 2015, 490).· Dabei ist es vorliegend unerheblich, dass in den vorliegenden Transportauf­trägen jeweils ein Entgelt von 2,00 € pro Europalette als „Tauschgebühr" enthalten ist.

Hierbei ist es schon fraglich, inwieweit diese „Tauschgebühr" der Rückführungsverpflichtung zu­ geordnet werden kann. Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, dass diese Gebühr - selbst wenn sie vollständig für die Rückführung anzusetzen wäre - angemessen ist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist nämlich insbesondere die strenge Haftung des § 425 HGB in die Abwägung einzustellen, die eine Pauschalgebühr von 2 € als zu gering erscheinen lässt.

Maßgeblich ist jedoch vor allem, dass diese vermeintliche Entgeltregelung gerade kein Teil der AGB der Beklagten ist und damit grundsätzlich für die Betrachtung der Wirksamkeit der einzelnen Klausel nicht von Bedeutung ist, da die Frage der Wirksamkeit einer Klausel allein aus dem Kon­text des Klauselwerks selbst zu beurteilen ist. Dies folgt bereits aus dem Gebot der objektiven Auslegung von AGB gemäß § 305c BGB (vgl. Basedow in MüKoBGB, 8. Auflage 2019, § 305c Rn. 33 ff. m.w.N.).

Im Lichte dieser für sich genommen schon unzureichenden  Entgeltregelung erscheinen die dro­henden Ersatzansprüche in Höhe von 12,00 € je Europalette angesichts des Tauschrisikos unan­gemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Frachtführer nicht beeinflussen kann, ob der Empfänger in ausreichender Weise mitwirkt, um die eingegangene Tauschverpflichtung zu erfüllen. Es stellt keine ausreichende Absicherung des Unternehmers dar, dass dieser sich auf eine Tauschvereinbarung mit dem Empfänger der Sendung berufen könne, da die entsprechende Be­stimmung, dass ein Tausch „hiermit auch beim Empfänger als vereinbart" gilt, lediglich deklarato­rischen Charakter haben und keine tatsächliche Bindung des Empfängers hervorrufen kann.

Auch die pauschalisierte Höhe des vermeintlichen Anspruchs von 12,00 € pro nicht getauschter bzw. zurückgeführter Palette lässt die Regelung insgesamt als unwirksam erscheinen, da so Ansprüche des Auftraggebers entstehen würden, die nahezu die Höhe des Frachtlohnes erreichen könnten und somit dem eigentlichen Vertragszweck zuwiderliefen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die jeweiligen Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Darüber hinaus hat die Klägerin zusätzlich Anspruch auf Verzugskostenpauschalen in Höhe von insgesamt 160 € aus § 288 Abs. 5 BGB. Nach dieser Norm kann der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, der kein Verbraucher ist, zusätzlich zum Zinsanspruch die Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 € verlangen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Klägerin mit Forderungen aus insgesamt vier Rechnungen in Verzug geraten ist. Bei derartigen Forderungsmehrheiten ist auch die mehrfache Geltendmachung der Pauschale möglich (vgl. . Ernst in Mü­ KoBGB, 8. Auflage 2019, § 288 Rn. 34 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Voll­ streckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.

 

Everling

Richter

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Wedding Urteil, 1. Feb. 2019 - 8 C 109/18

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