Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Juli 2015 - L 16 AS 381/15 B ER

bei uns veröffentlicht am08.07.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 07.05.2015 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind nicht zu erstatten.

III.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt M. W., K-Straße 59, F-Stadt beigeordnet.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den mit Bescheid des Beklagten vom 23.04.2015 festgestellten vollständigen Wegfall seines Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.05.2015 bis 31.07.2015.

Der 1960 geborene Antragsteller ist gelernter Konditor und seit Jahren als freiberuflicher Informationsbroker selbstständig tätig, erzielt hieraus aber keine anrechenbaren Einkünfte. Er erhält Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Antragsgegner.

Er leidet unter gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere einer chronischen Herzerkrankung. Nach dem von der Deutschen Rentenversicherung Schwaben auf Veranlassung des Antragsgegners eingeholten Gutachten von Frau Dr. M. vom 20.05.2013 sind dem Antragsteller Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt ohne Stress, Druck und Nachtarbeit vollschichtig zumutbar.

Zuletzt sind gegenüber dem Antragsteller folgende Sanktionsentscheidungen ergangen:

Mit Bescheid vom 01.09.2014 wurde das Arbeitslosengeld II des Antragstellers für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 31.12.2014 um 30% des Regelbedarfs gemindert, weil der Antragsteller entgegen der entsprechenden Festlegung im Eingliederungsverwaltungsakt (EGV) vom 06.05.2014 für die Zeit bis zum 27.06.2014 keine Eigenbemühungen vorgelegt hatte. Dieser Bescheid ist nach Zurückweisung des Widerspruchs vom 26.09.2014 durch Widerspruchsbescheid vom 09.10.2014 bestandskräftig geworden.

Mit Bescheid vom 01.12.2014 wurde das Arbeitslosengeld II des Antragstellers für die Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.03.2015 um nunmehr 60% des Regelbedarfs gemindert, weil der Antragsteller entgegen der entsprechenden Festlegung im EGV vom 02.09.2014 bis zum 31.10.2014 keine Eigenbemühungen vorgelegt hatte. Auch dieser Bescheid ist nach Zurückweisung des Widerspruchs vom 17.12.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2015 bestandskräftig geworden.

In den zugrunde liegenden EGV vom 06.05.2014 und 02.09.2014 ist der Kläger jeweils verpflichtet worden, sich mindestens einmal pro Woche (EGV vom 02.09.2014) bzw. zweimal pro Woche (EGV vom 06.05.2014) um eine versicherungspflichtige Beschäftigung, auch bei Zeitarbeitsfirmen zu bewerben und die Bewerbungsbemühungen zu im Einzelnen aufgeführten Terminen vorzulegen.

Für die Zeit vom 02.02.2015 bis zum 01.08.2015 erließ der Antragsgegner am 02.02.2015 erneut einen EGV.

Unter Ziffer 2 wird der Antragsteller darin verpflichtet, sich mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme mindestens einmal pro Woche um eine versicherungspflichtige Beschäftigung, auch bei Zeitarbeitsfirmen zu bewerben und die Bewerbungsbemühungen in dem als Muster beigefügten Nachweisblatt zu dokumentieren. Die Nachweise seien zu folgenden Terminen (Posteingang) vorzulegen:

am 03.03.2015 für den Zeitraum 13.02.2015 bis 27.02.2015

am 17.03.2015 für den Zeitraum 02.03.2015 bis 13.03.2015

am 31.03.2015 für den Zeitraum 16.03.2015 bis 27.03.2015 und fortlaufend

(weitere Daten im Einzelnen aufgelistet).

Als Unterstützungsleistungen des Antragsgegners (Ziffer 1) werden die Übersendung von Vermittlungsvorschlägen und die Unterstützung zielführender Bewerbungsbemühungen durch finanzielle Leistungen nach vorherigem Antrag genannt (zum Beispiel Fahrtkosten zur Vorstellungsterminen in der Region und die Erstattung von Kosten für schriftliche Bewerbungen in Höhe von 3 € je nachgewiesener Bewerbung in der Region bis zu einem Betrag von 260 € im Jahr).

In der Rechtsbehelfsbelehrung wird zunächst (Abs. 1 und 2) auf die Regelungen in §§ 31-31b SGB II und das abgestufte Sanktionsmodell verwiesen. Anschließend (Abs. 3) folgt folgender Text:

„Ihr Arbeitslosengeld II wurde zuletzt wegen eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag von 60% des maßgebenden Regelbedarfs gemindert (vgl. Bescheid vom 01.12.2014). Jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß (Verstoß gegen die unter Nr. 2 festgelegten Eingliederungsbemühungen) wird daher den vollständigen Wegfall des ihnen zustehenden Arbeitslosengeldes II zur Folge haben.“

Zuvor war dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung identischen Inhalts ausgehändigt worden, deren Unterzeichnung der Antragsteller ablehnte. Am 30.01.2015 legte er einen eigenen Entwurf mit Datum 29.01.2015 vor, der im Wesentlichen eine umfangreiche Unterstützung seiner selbstständigen Tätigkeit hatte, darüber hinaus aber keine Angaben zu Bemühungen um Aufnahme einer Beschäftigung.

Gegen den EGV legte der Antragsteller keinen Widerspruch ein, beantragte aber mit Schreiben vom 04.06.2015 dessen Überprüfung gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Nachdem der Antragsteller in der Folgezeit die geforderten Nachweise nicht vorlegte, hörte ihn der Antragsgegner mit Schreiben vom 02.04.2015 zum Wegfall des Auszahlungsanspruchs an. Ergänzende Sachleistungen oder geldwerten Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - würden zusätzlich gewährt. Aufgrund des vollständigen Wegfalls könne er grundsätzlich ergänzende Sachleistungen in Höhe von 196 € erhalten. Der Umfang der zu gewährenden Sachleistungen oder geldwerte Leistungen hänge davon ab, inwieweit ihm anderweitige Mittel wie zum Beispiel anrechnungsfreie Einnahmen oder Vermögen zur Verfügung stünden. Für den Zeitraum der Gewährung von Sachleistungen würden weiterhin Beiträge zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes abgeführt.

Der Antragsteller äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 17.04.2015, indem er darauf hinwies, dass man Angebote nicht annehmen müsse, Sanktionsdrohungen gegen das Schikaneverbot aus § 226 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstoßen würden und Zwangsarbeit verboten sei. Die Verhandlungen über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung seien noch nicht abgeschlossen gewesen, vielmehr sei diese aus guten Gründen nicht zu Stande gekommen. Es handele sich um Nötigung und Erpressung.

Unter dem 22.04.2015 erfolgte für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis 31.10.2015 eine Leistungsbewilligung in Höhe von 820,84 € monatlich.

Mit Bescheid vom 23.04.2015 stellte daraufhin der Antragsgegner den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II des Antragstellers vom 01.05.2015 bis zum 31.07.2015 fest. Der Antragsteller sei den in der Eingliederungsvereinbarung vom 02.02.2015 festgelegten Eigenbemühungen nicht nachgekommen. Aufgrund der früheren Pflichtverletzungen vom 01.07.2014 und 04.11.2014 falle das Arbeitslosengeld II vollständig weg. Eine Minderung auf 60% sei nicht gerechtfertigt, weil der Antragsteller sich nicht bereit erklärt habe, zukünftig seinen Pflichten nachzukommen. Hinsichtlich des Anspruchs auf ergänzende Sachleistungen werde auf das Schreiben vom 02.04.2015 verwiesen. Ein entsprechender Antrag sei bisher nicht gestellt worden, aber weiterhin möglich.

Mit Änderungsbescheid vom 24.04.2015 hob der Antragsgegner den „Bescheid vom 23.04.2015“ auf und änderte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum Mai 2015 bis Oktober 2015 dahingehend ab, dass dem Antragsteller für die Zeit vom 01.05.2015 bis 31.10.2015 Leistungen nur noch für die Monate August 2015 bis Oktober 2015 bewilligt wurden. Zur Begründung wurde auf die Leistungsabsenkung verwiesen.

Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 28.04.2015 Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 23.04.2015, nicht aber gegen den Änderungsbescheid vom 24.04.2015 ein. Zugleich beantragte er die Überprüfung aller bereits bestandskräftigen Sanktionsbescheide gemäß § 44 SGB X. Die Verfassungskonformität von Sanktionen stehe grundsätzlich infrage. Die Vereinbarung sei zu Unrecht als Verwaltungsakt ergangen, da er sich nicht grundsätzlich geweigert habe eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, sondern vielmehr rechtlich zulässig einen Gegenvorschlag gemacht habe. Dies dürfe nicht als Weigerung verstanden werden.

Ebenfalls am 28.04.2015 beantragte er beim Sozialgericht Augsburg die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Bereits seit 01.10.2014 würden ihm 30% des Regelsatzes vorenthalten, obwohl die Eingliederungsvereinbarung nicht ausgehandelt worden sei und er aufgrund seiner Herzerkrankung nicht leistungsfähig sei. Ohne diese Leistung könne er nicht existieren. Er verfüge derzeit über keine finanziellen Mittel. Er könne seinen Lebensunterhalt nicht decken und seine Miete nicht bezahlen, so dass auch der Verlust der Wohnung drohe.

Mit Beschluss vom 07.05.2015 lehnte das Sozialgericht Augsburg den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Das Gericht gehe davon aus, dass der Sanktionsbescheid vom 22.04.2015 und der diesen umsetzende Änderungsbescheid vom 24.04.2015 hinsichtlich des Wegfalls der Leistungen für die Monate Mai bis Juli 2015 eine Einheit bildeten. Damit komme dem Widerspruch des Antragstellers nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung zu und es liege ein Fall des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGG vor, ohne dass für eine Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG noch Raum bleibe. Der Bescheid vom 23.04.2015 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die zuvor verhängten Sanktionen wegen fehlender Bewerbungsbemühungen (Bescheide vom 01.09.2014 und 01.12.2014) seien soweit ersichtlich bestandskräftig geworden. Das gelte auch für die zugrunde liegenden Eingliederungsvereinbarungen einschließlich der Eingliederungsvereinbarung vom 02.02.2015 und ungeachtet eines etwaigen Überprüfungsantrags. Der Antragsteller sei danach verpflichtet gewesen, sich wöchentlich zu bewerben und dies abschnittsweise auch gegenüber dem Antragsgegner nachzuweisen, was er nicht getan habe. Die Bewerbungsbemühungen seien dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen zumutbar gewesen. Die Eingliederungsvereinbarung habe als Verwaltungsakt erlassen werden dürfen. Dass dem Antragsteller damit die Existenzgrundlage für drei Monate entzogen werde, sei Inhalt der Sanktionsmöglichkeit nach § 31a Abs. 1 SGB II und begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Die Folgen des vollständigen Wegfalls könne der Antragsteller mildern, indem er sich bereit erkläre, zukünftig seinen Pflichten nachzukommen. Ergänzende Sachleistungen seien in Aussicht gestellt worden. Für die Bereitstellung der lebensnotwendigen Herzmedikamente sei die Krankenkasse und nicht der Antragsgegner zuständig. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 11.05.2015 zugestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2015 wies der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 23.04.2015 zurück. Hiergegen wurde am 01.06.2015 Klage erhoben (S 8 AS 569/15).

Am 08.06.2015 hat er über seinen Bevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 01.05.2015 bis 31.07.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 820,84 € auszubezahlen,

hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und seiner Klage gegen den Bescheid vom 23.05.2015 anzuordnen.

Er beantragt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Da der Antragsgegner mit dem weiteren Bescheid vom 24.04.2015 dem Antragsteller für den Zeitraum 01.05.2015 bis 31.10.2015 Leistungen bewilligt und den in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheid vom 23.04.2015 wieder aufgehoben habe, sei für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis zum 31.07.2015 wieder auf den Bescheid vom 22.04.2015 abzustellen. Unabhängig davon wäre aber auch die Sanktionsentscheidung bereits deshalb rechtswidrig, weil die zugrunde liegende Eingliederungsvereinbarung rechtswidrig sei. Dabei sei nicht erst die Entscheidung über den Überprüfungsantrag abzuwarten, sondern diese inzident zu überprüfen. Der EGV sei ohne vorherige Verhandlungen über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zu Stande gekommen. Der Verpflichtung des Antragstellers stünden keine konkreten Leistungen des Antragsgegners gegenüber, die nicht vorher beantragt werden müssten und nicht von einer weiteren Ermessensentscheidung abhingen. Schließlich sei auch die Rechtsfolgenbelehrung widersprüchlich, da danach nur eine Minderung um 30% des Regelsatzes angedroht worden sei. Der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes II sei mit dem Grundrecht auf Deckung des soziokulturellen Existenzminimums nicht vereinbar.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18.06.2015 zur Beschwerde Stellung genommen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist einerseits der Sanktionsbescheid vom 23.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.05.2015, andererseits der die Sanktion umsetzende Änderungsbescheid vom 24.04.2015.

In Rechtsprechung und Kommentierung war für die seit dem 01.04.2011 geltende Rechtslage umstritten, ob ein Sanktionsbescheid isoliert mit Widerspruch und (Anfechtungs-) klage angefochten werden kann (so Urteil des erkennenden Senats vom 18.06.2014, L 16 AS 297/13) oder ob diesem nur feststellende Bedeutung zukommt und es (zusätzlich) eines die Leistungsbewilligung aufhebenden Änderungsbescheids gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bedarf (für diese Auffassung zuletzt Hessisches LSG, Urteil vom 24.04.2015, L 9 AS 828/14 mit umfassender Rechtsprechungsübersicht). Mit Urteil vom 29.04.2015 (B 14 AS 19/14 R - Terminbericht) hat das BSG inzwischen entschieden, dass seit dem 01.04.2011 gegen einen Sanktionsbescheid eine isolierte Anfechtungsklage zulässig ist und dass er entgegen der früheren Rechtsprechung auch nicht als Einheit mit dem Verwaltungsakt anzusehen ist, durch den diese Minderung umgesetzt wird. Unabhängig von der rechtlichen Beurteilung des Verhältnisses der Bescheide vom 23.04.2015 und 24.04.2014 zueinander ergibt sich aber keine für den Antragsteller günstigere Entscheidung.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedenfalls unbegründet, weil der Antragsteller aus dem Bewilligungsbescheid vom 22.04.2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24.04.2014 für die Monate Mai bis einschließlich Juli 2015 keinen Leistungsanspruch herleiten kann. Denn mit dem Änderungsbescheid vom 24.04.2015 hat der Antragsgegner, ungeachtet der Frage, welcher Bescheid damit aufgehoben werden sollte, die Bewilligung für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis zum 31.10.2015 dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Leistungen nur noch im Zeitraum August 2015 bis Oktober 2015 bewilligt werden, nicht aber auch für die Monate Mai 2015 bis Juli 2015. Auch soweit der Antragsteller sich auf dessen Bestandskraft bezieht, kann er also aus diesem Bescheid für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Auszahlungsanspruch herleiten.

2. Statthafter Rechtsbehelf hinsichtlich des Sanktionsbescheids vom 23.04.2015 ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, da der Sanktionsbescheid gemäß § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbar ist. In Verfahren nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG entscheidet das Gericht über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt der Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell den Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn dafür überwiegende Interessen des Antragstellers sprechen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn besondere private Interessen überwiegen. (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 12c).

Davon geht der Senat nicht aus. Die Überprüfung der Sanktionsentscheidung ergibt, dass dieser voraussichtlich der gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren standhalten wird.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Sanktionsbescheid vom 23.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.05.2015 ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil der Antragsteller gegen den Änderungsbescheid vom 24.04.2015 keinen Widerspruch eingelegt hat und dieser damit gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden ist. Schließlich wäre auch im Falle seiner Bestandskraft der Änderungsbescheid vom 24.04.2015 noch einer Überprüfung gemäß § 44 SGB X zugänglich und gegebenenfalls auch von Amts wegen aufzuheben, wenn sich herausstellen sollte, dass die Sanktionsentscheidung rechtswidrig ergangen ist.

Andererseits ist der Sanktionsbescheid vom 23.04.2015 noch existent und wirksam, insbesondere ist er nicht durch den Änderungsbescheid vom 24.04.2015 aufgehoben worden. Soweit der Änderungsbescheid vom 24.04.2015 verfügt, dass der „bisher in diesem Zusammenhang ergangene Bescheid vom 23.04.2015 ... insoweit aufgehoben“ wird, handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl. § 38 SGB X und BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R) und durch die auch die Bestimmtheit des Verwaltungsakts nicht infrage gestellt ist. Die vom Antragsteller gewünschte Lesart lässt sich nämlich mit den weiteren Verfügungen des Bescheids nicht in Einklang bringen, wonach dem Antragsteller für die Zeit vom 01.05.2015 bis 31.10.2015 Leistungen nur noch für die Monate August 2015 bis Oktober 2015 bewilligt wurden. Auch die Begründung nimmt ausdrücklich auf die Leistungsabsenkung und den hierüber gesondert ergangenen Bescheid Bezug.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23.04.2015 bestehen nicht.

Der Antragsteller hat nach der im Eilverfahren möglichen vorläufigen Beurteilung eine Pflichtverletzung gemäß § 31 Abs. 1 S. Nr. 1 SGB II begangen, indem er sich geweigert hat, die in dem EGV vom 02.02.2015 festgelegte Verpflichtung zum Unternehmen und dem Nachweis von Eigenbemühungen zu erfüllen.

Der Antragsteller ist erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II, weil er nach ärztlicher Feststellung der Rentenversicherung in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Er ist damit verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen. Dazu gehört, dass er aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirkt und seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensunterhalts einsetzt (§ 2 SGB II). Gemäß § 10 Abs. 1 SGB II ist ihm grundsätzlich jede Arbeit zumutbar, zu der er körperlich, geistig und seelisch in der Lage ist. Eine Konkretisierung dieser Verpflichtung ist vorliegend mit Ziffer 2 des EGV vom 02.02.2015 erfolgt, wonach der Antragsteller in der Zeit vom 02.02.2015 bis zum 01.08.2015 eine Bewerbung wöchentlich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu unternehmen und nachzuweisen hat. Der Senat teilt weder die vom Antragsteller geäußerten Bedenken an der grundsätzlichen Zumutbarkeit von Arbeitsbemühungen noch die Bedenken bezüglich Inhalt und Zustandekommens des EGV vom 02.02.2015. Insbesondere hat der Antragsteller keinen Anspruch darauf, sich auf die weitere Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit zu konzentrieren (vgl. LSG München vom 26.03.2015, L 7 AS 849/14).

Nachdem der Antragsteller nicht bereit war, den am 27.01.2015 ausgehändigten und besprochenen Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben und er bereits in der Vergangenheit mehrfach seine Überzeugung geäußert hat, sich nicht um eine Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit bemühen zu müssen (vgl. Verbis Vermerk vom 22.12.2014), ist eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen und der Antragsgegner war berechtigt, die Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II als Verwaltungsakt zu erlassen.

Der EGV vom 02.02.2015 begegnet auch keinen inhaltlichen oder formalen Bedenken, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gebieten würden. Die festgelegte Gültigkeitsdauer von sechs Monaten entspricht der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Die durch den Antragsgegner zu erbringenden Leistungen sind unter Ziffer 1 mit der Übernahme von Fahrtkosten, der Erstattung von Bewerbungskosten und dem Übersenden von Vermittlungsvorschlägen grundsätzlich ausreichend umschrieben. Eine weitere Konkretisierung ist nicht möglich, da es sich um Leistungen handelt, die grundsätzlich im Ermessen des Leistungsträgers stehen und einer Prüfung im Einzelfall bedürfen. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch darauf, in der Weiterführung seiner nicht zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit beitragenden selbstständigen Tätigkeit unterstützt zu werden.

Die Rechtsfolgenbelehrung erscheint ebenfalls als ausreichend. Dass es sich bei den ersten beiden Absätzen um eine Wiedergabe der gesetzlichen Regelung handelt, ist für den Antragsteller offensichtlich erkennbar, zumal er hierauf auch in seinem Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung vom 29.01.2015 Bezug genommen hat. Klar und unzweideutig wird er aber im Anschluss daran im dritten Absatz darauf hingewiesen, dass in seinem Falle das Arbeitslosengeld II mit Bescheid vom 01.12.2014 zuletzt wegen eines ersten wiederholten Pflichtverstoßes um einen Betrag in Höhe von 60% des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden sei und eine weitere Pflichtverletzung (Verstoß gegen die unter Nr. 2 festgelegten Eingliederungsbemühungen) daher den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II zur Folge haben werde. Durch die direkte Ansprache („Ihr“) wird für den Antragsteller im Einzelfall noch ausreichend konkret, richtig und vollständig erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des von ihm geforderten Verhaltens für ihn ergeben (Warnfunktion, vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, etwa im Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R).

Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hat der Antragsteller nicht genannt. Auf die gesundheitlichen Einschränkungen des inzwischen 55 -jährigen Antragstellers hat der Antragsgegner bereits dadurch erkennbar und ausreichend Rücksicht genommen, dass er von ihm nur noch eine Bewerbung wöchentlich verlangt.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet die Verfassung nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (BVerfG, Urteil vom 07. 07.2010, 1 BvR 2556/09). Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus, das durchweg einen gewissen finanziellen Spielraum zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben gewährleistet (Berlit in LPK-SGB II; 5. Auflage 2013, § 31, Rn. 13). Die vom Sozialgericht Gotha im Beschluss vom 26.05.2015 (S 15 AS 5157/14) geäußerten Bedenken hinsichtlich der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen des SGB II werden vom erkennenden Senat nicht geteilt (vgl. Urteil vom 19.03.2014, L 16 AS 383/11, zur Vorgängerregelung des § 31 SGB II).

Der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes beruht auf § 31a Abs. 1 Satz 3-5 SGB II, da es sich nach den vorangegangenen Absenkungen mit den Bescheiden vom 01.09.2014 und 01.12.2014 innerhalb eines Jahres um die dritte und damit eine weitere wiederholte Pflichtverletzung gehandelt hat. Der Minderungszeitraum ergibt sich aus § 31b Abs. 1 SGB II. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Herabsetzung der Sanktion auf einen Betrag von 60% des maßgebenden Regelbedarfs gemäß § 31a Abs. 1 Satz 6 SGB II liegen nicht vor, da der Antragsteller weiterhin nicht bereit ist, sich um eine Beschäftigung zu bemühen und damit seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen gemäß § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II wurden dem Antragsteller angeboten und in Form von Lebensmittelgutscheinen auch bereit gestellt, wenngleich der Antragsteller hiervon noch keinen Gebrauch gemacht hat.

Vor diesem Hintergrund sind derzeit keine Anhaltspunkte erkennbar, die der Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zum Erfolg verhelfen könnten. Überwiegende Interessen des Antragstellers sind ebenfalls nicht gegeben. Dem Anspruch des Antragstellers auf Sicherung seines Existenzminimums ist durch die Ausgabe der Lebensmittelgutscheine Genüge getan. Dadurch ist ungeachtet der Regelung in § 16 Abs. 3a Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) auch sein Krankenversicherungsschutz weiterhin gesichert. Sofern Mietschulden entstehen, hat der Antragsteller die Möglichkeit gemäß § 22 Abs. 8 SGB II unter den darin genannten Voraussetzungen eine Schuldübernahme, die in der Regel als Darlehen erfolgt, zu beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und erfolgt im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller und vor dem Hintergrund der zahlreichen vom Senat zu prüfenden Rechtsfragen. Der Antragsteller kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31 Pflichtverletzungen


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis1.sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,2.sich weigern, eine zu

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 2 Grundsatz des Forderns


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mu

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 15 Potenzialanalyse und Kooperationsplan


(1) Die Agentur für Arbeit soll unverzüglich zusammen mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit erforderlichen persönlichen Merkmale, die beruflichen Fähigkeiten und die Eignung feststel

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 39 Sofortige Vollziehbarkeit


Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,1.der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsans

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 10 Zumutbarkeit


(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass1.sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,2.die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen übe

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31a Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen


(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebe

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 226 Schikaneverbot


Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31b Beginn und Dauer der Minderung


(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tri

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 38 Offenbare Unrichtigkeiten im Verwaltungsakt


Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokumentes z

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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landess

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Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

Tenor

I.

Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und der Bescheid vom 29. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2013 aufgehoben.

II.

Der Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und hilfsweise die Wirksamkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012.

Die mit ihrem Ehemann in Bedarfsgemeinschaft lebende Klägerin bezieht vom Beklagten laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie hat Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung bei der M. S. Gebäudemanagement GmbH. Nachdem mit Bescheid vom 20.11.2012 Leistungen für Dezember 2012 bis Mai 2013 zunächst vorläufig bewilligt worden waren, erfolgte die endgültige Bewilligung der Leistungen für diesen Zeitraum mit Bescheid vom 13.06.2013.

Durch einen Datenabgleich wurde dem Beklagten bekannt, dass die Klägerin weiteres Einkommen aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der K. Grundstückstreuhand GmbH & Co KG (A) hat. Nachdem sie vom Beklagten mit Schreiben vom 15.11.2012 aufgefordert worden war, eine von A ausgefüllte Arbeitsbescheinigung vorzulegen, erteilte A die Auskunft am 27.11.2012. Die Klägerin sei seit Mai 2001 mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 2,5 Stunden beschäftigt und erhalte im Jahr 2012 monatlich 115 €. Es handele sich um einen Mini-Job mit 30 v. H. pauschalen Abgaben an die Bundesknappschaft. Die Klägerin habe noch eine weitere Putzstelle, komme aber insgesamt nicht über die Mini-Job-Grenze.

Die Klägerin kündigte mit einem an A gerichteten Schreiben vom 30.11.2012 ihren Anstellungsvertrag fristgerecht zum 15.12.2012.

Der Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2013 auf die beabsichtigte Feststellung einer Absenkung des Regelsatzes um 30 v. H. hin, weil sie am 30.11.2012 den Anstellungsvertrag mit A zum 15.12.2012 gekündigt habe. Einen wichtigen Grund, der dieses Verhalten rechtfertigen würde, habe sie bisher nicht mitgeteilt. Es werde davon ausgegangen, dass die Fortführung der Tätigkeit unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und Leistungsfähigkeit zumutbar gewesen wäre. Der Hergang der Ereignisse sei zu ermitteln. Es bestehe Gelegenheit zur Äußerung. Die Klägerin wurde aufgefordert mitzuteilen, warum sie bei A gekündigt habe. Sie reagierte mit Schreiben vom 23.01.2013. Es bestünde in der Tat noch Klärungsbedarf. Es lägen noch nicht alle Fakten vor. Wenn diese vorliegen würden, werde sortiert und geprüft und eine Stellungnahme erfolgen. Bis dahin werde um Geduld gebeten. Zuvor hatte der Ehemann der Klägerin in einem Telefongespräch am 18.12.2012 bekundet, dass man ihm damals gesagt habe, dass A die Meldung an das Jobcenter machen werde. Das sei wohl bis heute nicht passiert. Der Lohn sei wohl auf das Konto des Hausmeisters und ein Konto der Freundin der Klägerin gegangen.

Mit Bescheid vom 29.01.2013 stellte der Beklagte die Minderung des der Klägerin gewährten Arbeitslosengelds II im Zeitraum vom 01.03.2013 bis zum 31.05.2013 um 30 v. H. des maßgeblichen Regelbedarfs (345 €) in Höhe von monatlich 103,50 € fest. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Danach würden erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten verletzen, wenn sie sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit oder eine mit Beschäftigungszuschuss geförderte Arbeit aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten zu verhindern. Das gelte nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen würden. Sie, die Klägerin, habe am 30.11.2012 ihren Anstellungsvertrag mit A gekündigt. Hierin sei eine Weigerung, die Arbeit fortzuführen, zu sehen. Einen wichtigen Grund, der dieses Verhalten rechtfertigen würde, habe sie nicht mitgeteilt. In der Eingliederungsvereinbarung sei sie über die eintretenden Rechtsfolgen bei einem solchen Verstoß hingewiesen worden. Die Beschäftigung sei unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen. Die Argumentation im Schreiben vom 23.01.2013 könne nicht als wichtiger Grund im Sinn des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anerkannt werden.

Ziel der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 war die „Aufnahme einer SV-Arbeit“. Die Klägerin verpflichtete sich unter 2., pro Monat zwei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und jegliche Veränderung der wirtschaftlichen und privaten Verhältnisse umgehend dem Jobcenter zu melden. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt eine darauf bezogene Rechtsfolgenbelehrung:

„Die §§ 31 und 31b SGB II sehen bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten Leistungsminderungen vor. Das Arbeitslosengeld II kann danach - auch mehrfach nacheinander - gemindert werden oder vollständig entfallen.

Wenn Sie erstmals gegen die mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2. Bemühungen des Kunden), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 Prozent des für Sie maßgebenden Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II gemindert.“

Die Klägerin hatte diese Eingliederungsvereinbarung (Geltungsdauer bis 17.06.2013) am 18.07.2012 „unter Vorbehalt“ unterschrieben. Der Beklagte hat die Eingliederungsvereinbarung in Reaktion auf die Beanstandungen der Klägerin zwischenzeitlich „für hinfällig erklärt“ (Schreiben an die Klägerin vom 14.03.2014).

Am 04.02.2013 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.01.2013 ein und brachte vor, dass die Rechtsbelehrung nicht den Erfordernissen des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.02.2010) genüge. Die Leistungskürzung sei bereits aus diesem Grund unzulässig. Entgegen den Anforderungen des Bundessozialgerichts seien hier lediglich allgemeine Rechtsbelehrungen verwendet worden. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte für einen Vorsatz. Die Klägerin sei auch noch nicht gehört worden. Sie habe sich bisher noch nicht geäußert. Eine Entscheidung nach § 31 SGB II sei derzeit nicht begründet. Die Eingliederungsvereinbarung sei nichtig, weil die Klägerin sie unter Vorbehalt unterzeichnet habe. Damit liege ein Dissens, ein Einigungsmangel, vor. Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens wurde vorgebracht, dass die Klägerin wegen Mobbings gekündigt habe. Der Hausmeister und A hätten widersprüchliche Anweisungen gegeben.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2013 zurückgewiesen. Die Klägerin habe mit dem Ausspruch ihrer Eigenkündigung vom 30.11.2012 den Tatbestand der Pflichtverletzung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II erfüllt. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II müsse eine Rechtsfolgenbelehrung stattgefunden haben bzw. positiv festgestellt werden, dass die leistungsberechtigte Person hinreichende Kenntnis über die Rechtsfolgen hatte. Die mit der Klägerin geschlossene Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 habe eine ausführliche Rechtsfolgenbelehrung enthalten. Die Klägerin habe eindeutig erkennen können, welche konkreten Rechtsfolgen eintreten, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommt. Im Übrigen könne vorliegend unterstellt werden, dass die Klägerin auch die erforderliche Kenntnis hinsichtlich der Rechtsfolgen gehabt habe (§ 31 Abs. 1 Satz 1 AltSGB IIB II). Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Es sei der Klägerin zumutbar gewesen, das Anstellungsverhältnis mit A fortzuführen. Zumutbarkeitsausschlussgründe gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 SGB II würden nicht vorliegen. Die von der Klägerin zwischenzeitlich vorgebrachten Gründe für die Eigenkündigung könnten das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grunds nicht erfüllen. Es sei zumutbar gewesen, die dargestellten Unstimmigkeiten mit A auf anderem Weg als durch eine Kündigung zu klären. Eine derartige Aufgabe des Arbeitsplatzes erscheine leichtfertig. Die Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum der Sanktion (01.03.2013 bis 31.05.2013) sei nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Höhe von monatlich 103,50 € aufzuheben.

Vertreten durch ihren Ehemann hat die Klägerin am 19.02.2013 Klage erhoben und beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 15.02.2013 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, ob die Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 als Vertrag zustande kam (Einigungsmangel) und ob der Bescheid vom 29.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2013 wegen der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung rechtswidrig ist.

Ebenfalls am 19.02.2013 erhob die Klägerin gegen A Klage zum Arbeitsgericht K. „wegen Sanktionierung gemäß § 31 SGB II“ mit dem Antrag festzustellen, dass der Anstellungsvertrag vom 01.05.2001 zwischen beiden Parteien zum 15.12.2012 wegen Mobbings und Belästigung zu Recht von der Klägerin gekündigt wurde. Nach dem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich hatte A „allein aus prozessökonomischen Gründen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ 50 € an die Klägerin zu zahlen.

Nach mündlicher Verhandlung am 27.03.2013, in der eine Mitarbeiterin des A als Zeugin vernommen worden ist, hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zutreffend eine Pflichtverletzung festgestellt. Die Kammer folge nicht der Auffassung der Klägerin, dass sie einen wichtigen Grund gehabt habe. Ein zu einer Eigenkündigung berechtigendes Mobbing habe nicht stattgefunden. Es könne dahinstehen, ob der Hausmeister die Rechte der Klägerin tatsächlich durch Mobbing verletzt habe. Jedenfalls wäre es Sache der Klägerin gewesen, ein derartiges Verhalten eines Kollegen an ihren Arbeitgeber zu kommunizieren und Abhilfe zu verlangen, bevor sie die Stelle selbst kündigt. Auch könne die Einkommensanrechnung nach dem SGB II nicht als wichtiger Grund für die Aufgabe einer Beschäftigung angesehen werden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die ausgeübte Tätigkeit für die Klägerin unzumutbar im Sinn des § 10 SGB II gewesen sein könnte. Die Klägerin könne sich nicht auf eine unterbliebene Rechtsfolgenbelehrung berufen, da sie die entsprechende ausdrückliche Belehrung durch das Verschweigen des Beschäftigungsverhältnisses selbst vereitelt habe. Bezüglich des Hilfsantrags sei bereits das Feststellungsinteresse fraglich. Jedenfalls sei die Feststellungsklage unbegründet. Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall liege hier ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vor, bei dem die Vertragspartner nicht daran gehindert seien, eine Abweichung von der Regellaufzeit von sechs Monaten zu vereinbaren. Soweit vorgetragen werde, aus der Unterschrift unter Vorbehalt ergebe sich ein offener Dissens im Sinn einer aufschiebenden Bedingung, könne dem die Kammer nicht folgen. Im Übrigen sei es treuwidrig, sich erst nach über der Hälfte der Laufzeit der Eingliederungsvereinbarung auf deren Unwirksamkeit zu berufen. Dem Urteil ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, derzufolge die Berufung zulässig ist. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 10.05.2013 zugestellt worden.

Dagegen hat die Klägerin am 13.05.2013 Berufung eingelegt, hilfsweise Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung.

Sie beantragt sinngemäß,

- das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. März 2013 aufzuheben,

- den Bescheid vom 29. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2013 aufzuheben,

- hilfsweise festzustellen, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 18. Juli 2012 unwirksam bzw. nichtig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil des Sozialgerichts Augsburg Bezug genommen. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat er außerdem geltend gemacht, dass der Feststellungsantrag im Hinblick auf das Schreiben vom 14.03.2014 als erledigt angesehen werde. Die Berufung sei unzulässig, weil der Rechtsmittelstreitwert unter dem maßgeblichen Wert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liege. Das klägerische Begehren sei ausschließlich auf die Aufhebung der Minderungsentscheidung des Beklagten gerichtet. Der maßgebliche Wert sei identisch mit dem Wert des Hauptantrags, nämlich 310,50 €. Selbst bei Annahme der Möglichkeit der Addition der Streitwerte der jeweiligen Anträge wäre der Rechtsmittelstreitwert nicht erreicht.

In der mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 hat sich der für die Klägerin als deren Prozessbevollmächtigter erschienene Ehemann aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gesehen zu verhandeln. Nach Vertagung des Rechtsstreits haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Beklagten und des Arbeitsgerichts K. sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Gründe

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere auch statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Entsprechend der zutreffenden Belehrung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Augsburg ist die Berufung ohne Zulassung statthaft. Zwar wäre gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG die Zulassung der Berufung erforderlich gewesen, wenn es nur auf den Hauptantrag der Klägerin ankommen würde. Beim Begehren Aufhebung des Sanktionsbescheids vom 29.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2013 geht es nämlich um 310,50 € (Absenkung der Leistungen für drei Monate um jeweils 103,50 €), so dass allein damit die Berufungssumme von 750 € nicht erreicht wird. Die Berufung ist aber gleichwohl ohne Zulassung statthaft, weil der Hilfsantrag der Klägerin auf Feststellung, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 nicht wirksam zustande gekommen bzw. nichtig ist, hinzuzurechnen ist und dieser Antrag nicht beziffert werden kann, so dass es bei der Grundregel der zulassungsfreien Berufung (§ 143 SGG) verbleibt.

Das Gericht entscheidet über die von der Klägerin erhobenen Ansprüche (§ 123 SGG). Schon mit Erhebung der Klage im Februar 2013 hat die Klägerin zwei Ansprüche verfolgt, nämlich die Aufhebung der mit den streitgegenständlichen Bescheiden verhängten Sanktion sowie hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012. Über diese beiden Ansprüche hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil entschieden. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beide Ansprüche weiterverfolgt. Sowohl die Klage- als auch die Berufungsbegründung lassen hieran keinen Zweifel.

Bei der Feststellung der Berufungsfähigkeit sind Haupt- und Hilfsantrag zusammenzurechnen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 17). Der Anfechtungsantrag auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide und der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 sind weder prozessual noch wirtschaftlich auf dasselbe Ziel gerichtet. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin - unter Verkennung der prozessrechtlichen Abhängigkeit eines Hilfsantrags vom Hauptantrag - mit dem Hilfsantrag in erster Linie dem Hauptantrag zum Erfolg verhelfen will, folgt daraus keine wirtschaftliche Identität von Haupt- und Hilfsantrag, die ausnahmsweise einer Addition entgegenstehen würde (vgl. Leitherer a. a. O. Rn. 18).

Das auf die Feststellung der Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 gerichtete Begehren bleibt davon unberührt, dass der Beklagte diese Eingliederungsvereinbarung zwischenzeitlich für „hinfällig erklärt“ hat.

Die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG lassen sich nicht feststellen, weil der Wert des Feststellungsbegehrens nicht beziffert werden kann. In der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 war als Ziel die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit formuliert. Die Klägerin wurde verpflichtet, pro Monat zwei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und jegliche Veränderung der wirtschaftlichen und privaten Verhältnisse umgehend dem Jobcenter zu melden. Hierfür lässt sich ein (Beschwerde-) Wert nicht ausweisen. Die vom Beklagten zuletzt vertretene Auffassung, dass das Feststellungsbegehren der Klägerin mit einem Betrag von 310,50 € zu bewerten sei, weil es auch bei diesem Antrag ausschließlich um die Aufhebung der Minderungsentscheidung des Beklagten gehe, kann sich der Senat nicht anschließen. Richtig ist zwar, dass der Beklagte zur Begründung der streitgegenständlichen Bescheide auf die in der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 enthaltene Rechtsfolgenbelehrung Bezug nahm und insoweit ein nicht unwesentlicher Zusammenhang zwischen der Sanktion und dieser Eingliederungsvereinbarung besteht. Gleichwohl kann dem auf die Nichtigerklärung der gesamten Eingliederungsvereinbarung gerichteten Feststellungsbegehren eine über die Anfechtung der Sanktionsentscheidung hinausgehende eigenständige Bedeutung nicht abgesprochen werden.

Die Berufung ist begründet, da der Hauptantrag Erfolg hat. Die Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 29.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2013 ist zulässig und begründet. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es bei einem Erfolg des Hauptantrags nicht.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 29.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2013, mit dem der Beklagte den Auszahlungsanspruch aus den vorher bewilligten Leistungen nach dem SGB II für die Monate März bis Mai 2013 minderte. Anders als nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der bis 31.03.2011 geltenden Regelung des § 31 SGB II (a. F.), wonach ein Sanktionsbescheid ein nicht abtrennbarer Streitgegenstand ist (dazu etwa BSG, Urteil vom 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R, Rn. 13), geht der Senat für die hier anzuwendenden Regelungen gemäß §§ 31 bis 31b SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung davon aus, dass der streitgegenständliche Sanktionsbescheid vom 29.01.2013 isoliert anfechtbar ist (ebenso Bayer. LSG, Urteil vom 30.01.2014, L 7 AS 84/13, mit ausführlicher Begründung). Er stützt sich dabei in erster Linie auf den Wortlaut des § 31b SGB II, der auf die Minderung des Auszahlungsanspruchs, einen im Vergleich zum alten Recht (vgl. § 31 Abs. 6 SGB II a. F.) neuen Begriff, abstellt.

Die durch Bescheid vom 29.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2013 verfügte Minderung des Auszahlungsanspruchs wird aufgehoben, weil sie rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sanktion liegen nicht vor. Zwar ist das Sozialgericht Augsburg zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin wegen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit A den Vorwurf einer auch subjektiv vorwerfbaren Pflichtverletzung gefallen lassen muss. Sie hat sich geweigert, eine zumutbare Arbeit fortzuführen und damit den Tatbestand gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verwirklicht, ohne sich auf einen wichtigen Grund gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II berufen zu können, wie vom Sozialgericht Augsburg zutreffend dargelegt worden ist. Dennoch ist der Sanktionsbescheid rechtswidrig. Pflichtverletzungen können gemäß § 31 Abs. 1 SGB II nur sanktioniert werden, wenn Leistungsberechtigte ihre Pflichten trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis verletzen. Weder ist hier eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erfolgt noch kann der Klägerin Kenntnis von den Rechtsfolgen nachgewiesen werden.

Eine Rechtsfolgenbelehrung, die geeignet gewesen wäre, vor der hier verwirklichten Pflichtverletzung zu warnen, hat es nicht gegeben. Damit ist die Anforderung, dass die Belehrung des Leistungsberechtigten über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig sein muss (h.M., vgl. etwa BSG, Urteil vom 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R, Rn. 24), nicht erfüllt. Die Sanktion ist verhängt worden, weil die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit A gekündigt, d. h. eine zumutbare Arbeit nicht fortgeführt hat. Eine auf eine derartige Pflichtverletzung zugeschnittene Rechtsfolgenbelehrung ist nicht erfolgt. Sämtliche in § 31 Abs.1 Satz 1 SGB II aufgeführten Sanktionstatbestände setzen eine Rechtsfolgenbelehrung voraus. Auch in den Fällen, in denen eine konkrete Rechtsfolgenbelehrung nicht erfolgen konnte, weil ein bestimmtes Beschäftigungsverhältnis verschwiegen wurde, kann nicht auf die gesetzliche Voraussetzung Rechtsfolgenbelehrung oder Kenntnis der Rechtsfolgen verzichtet werden. Im Hinblick auf die gravierenden Folgen der §§ 31 ff. SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen ist es für den Senat unvertretbar darauf abzustellen, das sich die Klägerin nicht auf das Unterbleiben der Rechtsfolgenbelehrung berufen kann, wenn sie diese selbst vereitelt hat.

Nicht tragfähig ist die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass die Klägerin nach der Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 habe erkennen können, welche konkreten Rechtsfolgen eintreten, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommt. Die Konkretheit der Rechtsfolgenbelehrung muss sich nämlich nicht nur auf die Rechtsfolgen beziehen, sondern gerade auch auf die Pflichtverletzung, die zur Sanktion führen kann. Die Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung bezog sich nur auf die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten und ist für Pflichten, die in der Eingliederungsvereinbarung nicht aufgeführt sind, ohne rechtliche Relevanz. Die Rechtsfolgenbelehrung dieser Eingliederungsvereinbarung ist für die hier verhängte Sanktion auch dann nicht ausreichend, wenn man sie so verstehen würde, dass sie sich auf das ausdrücklich benannte Gebot erstreckt, jegliche Veränderung der wirtschaftlichen und privaten Verhältnisse umgehend dem Jobcenter zu melden. Denn nicht die unterlassene Meldung ist hier sanktioniert worden, sondern die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Bei diesen Gegebenheiten erübrigen sich Ausführungen zur Frage, ob die Eingliederungsvereinbarung vom 18.07.2012 überhaupt wirksam zustande gekommen ist.

Allgemeine Hinweise in den Bewilligungsbescheiden, etwa im Bescheid vom 20.11.2012 unter „ergänzende Erläuterungen“ dahingehend, dass Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Erwerbstätigkeit zumutbar ist, sind ebenso wenig geeignet, die Warnfunktion einer gemäß § 31 Abs. 1 SGB II erforderlichen konkreten Rechtsfolgenbelehrung zu erfüllen wie Hinweise zu den Pflichten und den Folgen von Pflichtverletzungen in den Merkblättern zum SGB II, die Leistungsberechtigte regelmäßig im Antragsverfahren erhalten.

Nach Maßgabe des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung reicht die Kenntnis des Leistungsberechtigten über die Rechtsfolgen aus. Eine entsprechende Kenntnis ist zur Überzeugung des Senats nicht bewiesen. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende positive Kenntnis der Klägerin. Die Beweislast für den Nachweis der Kenntnis trägt der Beklagte.

Das die gegenteilige Auffassung vertretende Sozialgericht kann sich nicht auf entsprechende Tatsachen stützen. Zwar mag es sein, dass die Klägerin aufgrund des langjährigen Leistungsbezugs und der Hinweise in den jeweiligen Bewilligungsbescheiden ihre Pflicht kannte, eine ausgeübte Beschäftigung nicht aufzugeben. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass sie wusste, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit A sanktionsbewehrt gemäß § 31 SGB II ist. Der Senat hält es für möglich, dass der Klägerin nach Bekanntwerden des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses mit A rechtliche Konsequenzen in Form eines auf die vergangenen Jahre bezogenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids bewusst waren, aber nicht unbedingt die Möglichkeit einer Sanktion bei Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses.

Als Rechtsgrundlage für die Sanktion vom 29.01.2013 kommen auch nicht § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II oder § 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Betracht. Danach ist eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auch anzunehmen, wenn sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen (Nr. 1) oder wenn sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen (Nr. 2). § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II greift nicht, weil nur eine unmittelbar zur Vermögensverminderung führende Handlung ausreichen würde (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 20/09 R, Rn. 23). Bei der hier vorliegenden Kündigung eines (geringfügigen) Beschäftigungsverhältnisses liegt eine nur indirekte Handlung vor. Der Tatbestand gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) ist ebenfalls nicht gegeben, weil das abverlangte Verhalten bereits in § 31 Abs. 1 SGB II geregelt ist und eine Beziehung der Klägerin zum Rechtskreis des SGB III nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 20/09 R, Rn. 18, 25 f.).

Der Beklagte wird wegen der Aufhebung des Bescheids vom 29.01.2013 den die Leistungen der Bedarfsgemeinschaft endgültig festsetzenden Bescheid vom 13.06.2013 auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X anzupassen haben. Die den streitgegenständlichen Zeitraum betreffenden Leistungsbewilligungsbescheide des Beklagten sind bei der hier vorliegenden isolierten Anfechtung des Bescheids vom 29.01.2013 nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Weiter wird der Beklagte zu prüfen haben, ob ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II besteht, weil die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit A ohne wichtigen Grund gekündigt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage des Streitgegenstands bei Sanktionen liegt nicht vor, weil diese Rechtsprechung zu dem bis 31.03.2011 geltenden und hier nicht anwendbaren Recht ergangen ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 167/12, L 16 AS 199/12, L 16 AS 389/12 - geändert. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Februar 2012 - S 11 AS 1294/11 - wird zurückgewiesen, soweit dieses den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2012 - W 366/11 - aufgehoben hat.

Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2012 - S 11 AS 114/12 - wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 und der Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2012 aufgehoben.

Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Mai 2012 - S 11 AS 209/12 - wird geändert und der Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2012 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist nur noch die Rechtmäßigkeit von sieben Bescheiden über Meldeversäumnisse und Minderungen von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld II (Alg II) in sich teilweise überschneidenden Zeiträumen.

2

Die im Jahr 1981 geborene Klägerin, die mit ihrem Ehemann zusammenlebt, bezieht vom beklagten Jobcenter seit dem Jahr 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Im Laufe der Zeit war die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zwischen den Beteiligten umstritten, und die Klägerin übersandte einen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 17.7.2009, in dem abgelehnt wurde, einen Grad der Behinderung (GdB) festzustellen; eine seitens des Beklagten beabsichtigte ärztliche Untersuchung der Klägerin kam nicht zustande. Im Laufe des Jahres 2011 erfolgten wiederholte Absenkungen der Leistungen wegen Meldeversäumnissen der Klägerin. Zuletzt bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann Leistungen vom 1.9.2011 bis zum 29.2.2012 in nicht geminderter Höhe, aber unter zeitweiser Berücksichtigung eines Einkommens (Bescheid vom 21.7.2011, Änderungsbescheid vom 16.9.2011).

3

Nachdem die Klägerin zu einem Termin am 10.10.2011 bei dem Beklagten nicht gekommen war, lud der Beklagte sie durch ein Schreiben mit Rechtsfolgenbelehrung für den 24.10.2011 erneut zu einer Besprechung ihres "Bewerberangebots bzw ihrer beruflichen Situation" in seine Dienststelle. Aufgrund des Nichterscheinens der Klägerin hörte der Beklagte sie an und stellte ein Meldeversäumnis sowie eine Minderung ihres Alg II-Anspruchs um 10 vH ihres Regelbedarfs vom 1.12.2011 bis zum 29.2.2012 nach §§ 32, 31b Abs 1 SGB II mit Bescheid fest. In sechs weiteren solchen Schreiben wurde die Klägerin zu sechs weiteren Terminen vom 4.11. bis zum 12.12.2011 eingeladen, denen sie nicht nachkam. Anschließend erfolgten jeweils eine Anhörung sowie ein Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und eine Minderung des Alg II-Anspruchs für Zeiträume vom 1.12.2011 bis zum 30.4.2012. Gegen alle Bescheide wurden Widersprüche eingelegt und nach deren Zurückweisung wurden Klagen erhoben, die vom Sozialgericht (SG) zu drei Verfahren verbunden wurden, in denen zum Teil noch weitere Punkte umstritten waren und der Ehemann der Klägerin beteiligt war (Meldetermin vom 24.10.2011, Bescheid vom 17.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 7.12.2011, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 4.11.2011, Bescheid vom 29.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 2.1.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 32/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 11.11.2011, Bescheid vom 9.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012 - W 365/11, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 53/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 21.11.2011, Bescheid vom 14.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 26.1.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 209/12; Meldetermin vom 25.11.2011, Bescheid vom 15.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.1.2012 - W 366/11, SG-Verfahren ebenfalls mit dem Aktenzeichen S 11 AS 53/12, verbunden zu S 11 AS 1294/11; Meldetermin vom 7.12.2011, Bescheid vom 2.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 7.2.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 114/12; Meldetermin vom 12.12.2011, Bescheid vom 3.1.2012, Widerspruchsbescheid vom 9.2.2012, SG-Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 122/12, verbunden zu S 11 AS 114/12).

4

In dem Verfahren S 11 AS 1294/11 hat das SG durch Urteil vom 13.2.2012 die Bescheide vom 29.11.2011, 9.12.2011 und 15.12.2011 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides aufgehoben und im Übrigen wegen des Bescheides vom 17.11.2011 die Klage abgewiesen, weil die Klägerin hinsichtlich der aufgehobenen Bescheide vor dem jeweiligen Meldetermin nicht den erforderlichen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung erhalten habe. In den beiden anderen Verfahren hat das SG durch Urteile vom 27.2.2012 - S 11 AS 114/12 - und vom 9.5.2012 - S 11 AS 209/12 - die Klagen der Klägerin abgewiesen, weil die Klägerin vor dem jeweiligen Meldetermin den erforderlichen Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung erhalten habe.

5

Auf die Berufungen der Klägerin gegen alle drei Urteile und der des Beklagten gegen das Urteil vom 13.2.2012 hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteile vom 24.10.2012 - L 16 AS 167/12, L 16 AS 199/12, L 16 AS 389/12 - die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 13.2.2012 geändert und die Klagen insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die angeführten Bescheide über die Feststellung von Meldeversäumnissen und Minderungen seien rechtmäßig. Die Klägerin sei zu allen Terminen ordnungsgemäß eingeladen worden, aber ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Die Meldetermine hätten einen zulässigen Zweck gehabt, und die "Einladungsdichte" sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Die Addition von Minderungen aufgrund von Meldeversäumnissen sehe § 32 SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung ausdrücklich vor. Nach dieser Rechtslage müsse vor Eintritt eines zweiten Meldeversäumnisses kein erstes Meldeversäumnis durch Bescheid festgestellt worden sein. Wegen der Höhe der Minderungen habe der Beklagte die Klägerin auf die Möglichkeit hingewiesen, ergänzende sach- oder geldwerte Leistungen zu beantragen.

6

In ihren vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen und zu einem Verfahren verbundenen Revisionen rügt die Klägerin eine Verletzung von §§ 31b, 32 SGB II. Nach wie vor setze eine zweite Sanktion innerhalb eines Sanktionszeitraums voraus, dass die erste Sanktion bereits vor dem zweiten Meldeversäumnis durch Bescheid festgestellt worden sei.

7

Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 167/12 - zu ändern, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Februar 2012 - S 11 AS 1294/11 - zurückzuweisen, dieses Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2011 aufzuheben,
2. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 199/12 - und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 2012 - S 11 AS 114/12 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2012 und den Bescheid vom 3. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2012 aufzuheben,
3. das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 2012 - L 16 AS 389/12 - und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Mai 2012 - S 11 AS 209/12 - zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2012 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er meint, § 32 SGB II schreibe beim Vorliegen seiner Voraussetzungen die Verhängung einer Sanktion zwingend vor, zudem führe nun jedes Meldeversäumnis zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs, sodass eine Addition während überlappender Zeiten erfolge.

Entscheidungsgründe

10

1. Die zulässige Revision der Klägerin ist zum Teil begründet (§ 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz), und die Urteile des LSG vom 24.10.2012 sind zu ändern. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 13.2.2012 ist zurückzuweisen, soweit dieses den Bescheid des Beklagten vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 - W 366/11 - wegen des Meldetermins am 25.11.2011 aufgehoben hat. Auf die Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG vom 27.2.2012 zu ändern und sind der Bescheid des Beklagten vom 2.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.2.2012 wegen des Meldetermins am 7.12.2011 und der Bescheid des Beklagten vom 3.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.2.2012 wegen des Meldetermins am 12.12.2011 aufzuheben. Auf die weitere Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG vom 9.5.2012 zu ändern und der Bescheid des Beklagten vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2012 wegen des Meldetermins am 21.11.2011 aufzuheben.

11

Im Übrigen ist die Revision unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG zu Recht das Urteil des SG vom 13.2.2012 geändert und die Klagen gegen den Bescheid des Beklagten vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.1.2012 wegen des Meldetermins vom 4.11.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 9.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2012 - W 365/11 - wegen des Meldetermins am 11.11.2011 abgewiesen sowie die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Klageabweisung hinsichtlich des Bescheides vom 17.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.12.2011 wegen des Meldetermins am 24.10.2011 gewandt hat.

12

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des LSG und SG nur noch hinsichtlich der genannten Bescheide in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides, soweit der Beklagte in ihnen jeweils ein Meldeversäumnis der Klägerin und (allgemein) den Eintritt einer Minderung ihres Alg II-Anspruchs um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate, die sich zum Teil überlappen, nach §§ 32, 31b Abs 1 Satz 1, 3 SGB II idF der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850) festgestellt hat, nicht aber mangels einer entsprechenden Regelung des Beklagten in den genannten Bescheiden (dazu sogleich unter 3.) die konkrete Höhe des Alg II-Anspruchs der Klägerin für die strittige Zeit vom 1.12.2011 bis zum 30.4.2012.

13

3. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Berufungen der Beteiligten sind zulässig gewesen (§§ 143 f SGG), weil das SG sie in den Urteilen vom 13.2.2012 und 27.2.2012 zugelassen hat und die Berufung gegen das Urteil vom 9.5.2012 die Berufungssumme erreichte, da ursprünglich nicht nur die Feststellung der Meldeversäumnisse und der Minderung umstritten war (vgl zum Zeitpunkt für die Beurteilung der Statthaftigkeit der Berufung § 202 Satz 1 SGG iVm § 4 Abs 1 Zivilprozessordnung). Richtige Klageart ist die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGG.

14

a) Regelungsgegenstand der streitbefangenen Bescheide ist allein die Feststellung von Meldeversäumnissen und der sich daraus ergebenden prozentualen Alg II-Minderungen, nicht aber die Höhe des Leistungsanspruchs für Zeiten, für die der Klägerin bereits existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zuerkannt worden waren. Aufgegriffen mit der Formulierung "Sie sind trotz Kenntnis ... zu dem Meldetermin am … ohne wichtigen Grund nicht erschienen" und "für die Zeit vom … bis … wird eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs … festgestellt" ist allein der Wortlaut des § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II, mit dem nach der Begründung des Gesetzentwurfs(BT-Drucks 17/3404 S 112) "klargestellt" werden soll, "dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert". In der Sache beinhaltet das die Feststellungen, dass ein Meldeversäumnis vorliegt und dieses eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin in Höhe von 10 vH für eine bestimmte Zeit nach sich zieht.

15

Nicht bestimmt ist hierdurch indes die Höhe des von der Klägerin im betroffenen Zeitraum konkret zu beanspruchenden Alg II. Schon im Ansatz ist das nicht möglich für die Zeit, die über den hier streitbefangenen Bewilligungsabschnitt vom 1.9.2011 bis 29.2.2012 hinausreicht. Ändernde Wirkungen entfalten die Feststellungsbescheide aber auch nicht im Hinblick auf die mit Bescheid vom 21.7.2011 sowie Änderungsbescheid vom 16.9.2011 zuerkannten Leistungen für diesen Bewilligungsabschnitt selbst. Solche Wirkungen kamen entsprechenden Bescheiden schon zur alten Rechtslage nicht zu (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14 zu § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Hieran hat sich weiterhin nichts geändert. Soweit nunmehr gilt "Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt" (§ 31b Abs 1 Satz 1 iVm § 32 Abs 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.4.2011 geltenden Fassung) berührt das die Geltung bereits erlassener Bewilligungen nicht unmittelbar. Wie bis dahin ist damit vielmehr nur zum Ausdruck gebracht, ab welchem Zeitpunkt und um welchen Minderungsbetrag der Anspruch auf Leistungen ua bei Meldeversäumnissen abgesenkt ist. Nicht bestimmt ist hierdurch aber, dass es zu ihrer Umsetzung abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) einer förmlichen Änderung bereits ergangener Bewilligungen nicht bedarf.

16

Daran ändert nichts, dass durch die Regelung nach den Materialien "klargestellt" werden soll, "dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindert" (BT-Drucks 17/3404 S 112). Soweit dadurch zum Ausdruck gebracht sein sollte, dass die Durchbrechung der Bindungswirkung bereits ergangener Bewilligungen (vgl § 77 SGG) ausnahmsweise nicht eine förmliche Änderungsentscheidung nach § 48 SGB X, erfordert, sondern unmittelbar durch Gesetz angeordnet ist, findet das in dem Gesetzeswortlaut(vgl zur bis dahin geltenden Rechtslage BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14) keine Stütze. Mindert sich kraft Gesetzes der "Auszahlungsanspruch" einer zuerkannten Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt, so bedeutet das nicht, dass die zugrunde liegende Bewilligung selbst abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X ohne ausdrückliche (Teil-)Aufhebung partiell ihre Regelungswirkung verlieren könnte. Solche Wirkungen könnten nur einer Vorschrift beigemessen werden, die die Geltung von § 48 SGB X, ungeachtet des erheblichen Interesses insbesondere leistungsberechtigter Personen, "einfach"(vgl § 9 SGB X) erkennen zu können, in welcher Höhe (noch) Ansprüche nach dem SGB II zuerkannt sind, ausdrücklich ausschließt und die Absenkung zuerkannter Ansprüche nach dem SGB II einem abweichenden Sonderregime (vgl § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil) unterstellt, woran es hier fehlt (ebenso Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31b RdNr 7 f mwN; Valgolio in: Hauck/Noftz, Stand: März 2015, K § 31b SGB II, RdNr 13; Treichel, SGb 2014, 664 ff; aA Groth in Groth/Luik/Siebel-Huffmann, Das neue Grundsicherungsrecht, 2011, § 13 RdNr 421; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, K § 31b SGB II RdNr 2; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31b RdNr 4).

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b) Hat der Beklagte in unzutreffender Einschätzung dieser Rechtslage oder aus anderem Grund von einer formellen Umsetzung der Feststellungsbescheide über die Minderung abgesehen, kann sich die Klägerin ohne Verstoß gegen Rechtsprechung des BSG hiergegen mit der isolierten Anfechtungsklage wenden (zur prozessualen Lage bei jeweils am gleichen Tag erlassenem Feststellungs- und Änderungsbescheid vgl dagegen BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9).

18

Dies folgt aus dem Wortlaut und der darin deutlich werdenden Regelungskonzeption des SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung, nach dessen § 31b Abs 1 Satz 1 ausdrücklich von einem eigenständigen Verwaltungsakt ausgegangen wird, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung feststellt, sowie § 39 Nr 1 SGB II, der die sofortige Vollziehbarkeit dieses Verwaltungsaktes anordnet(in diesem Sinne auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 114 zu § 39). Entsprechend kommt den in den angefochtenen Bescheiden gebrauchten Wendungen "für die Zeit vom … bis … wird eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II monatlich um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs … festgestellt" und "Sie sind trotz Kenntnis ... zu dem Meldetermin am … ohne wichtigen Grund nicht erschienen" durch gesonderte Verwaltungsakte iS des § 31 SGB X die Feststellung zu, dass ein Meldeversäumnis vorliegt und dieses eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin in bestimmter Höhe für eine bestimmte Zeit nach sich zieht.

19

Jedenfalls solange es an der Umsetzung dieser Verwaltungsakte durch Änderung vorher ergangener Bewilligungen nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X im dargelegten Sinne oder durch Berücksichtigung bei der Bewilligung für einen neuen Bewilligungsabschnitt fehlt, steht ihrer isolierten Anfechtung die zur vorherigen Rechtslage ergangenen Aussage des Senats nicht entgegen, ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II aF stelle keinen abtrennbaren Streitgegenstand dar, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden könne(BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 13; ähnlich der 4. Senat des BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 14 f). Bereits zur Feststellung von Meldeversäumnissen mit dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) hat das BSG es als gerechtfertigt angesehen, die Überprüfung auf die Minderung als solche zu beschränken, wenn eine solche Beschränkung vom Kläger ausdrücklich gewollt ist und keinerlei Zweifel an einer Klagebeschränkung oder Klagerücknahme bestehen (BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 8; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 44/06 R - RdNr 12). Umso mehr muss diese Möglichkeit offenstehen, wenn ein Jobcenter ausschließlich über das Meldeversäumnis und den Eintritt der Minderung entscheidet und nicht zugleich oder in engem zeitlichen Zusammenhang damit auch über die Änderung einer zuvor ergangenen Leistungsbewilligung (zur prozessualen Lage in einer solchen Konstellation vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 68/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 4 RdNr 9).

20

Ergeht der vom SGB II nun vorgesehene eigenständige Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung sowie der Umsetzungsverwaltungsakt in getrennten Bescheiden - was nicht zwingend ist - und wird ggf nur der zeitlich spätere Umsetzungsverwaltungsakt angefochten, während der zeitlich frühere Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung bestandskräftig wird, ist zu beachten, dass für einen möglichen Antrag nach § 44 SGB X hinsichtlich dieses Feststellungsverwaltungsakts mangels Streit um die rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen die Rückwirkungsregelung in dessen Abs 4 unbeachtlich ist(vgl BSG Urteil vom 21.3.2002 - B 7 AL 44/01 R - SozR 3-4100 § 119 Nr 23 S 119). Wird umgekehrt nur die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung angefochten und nicht ein nachfolgender Umsetzungsbescheid, so steht dessen nachträglicher Korrektur bei einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X die Zeitgrenze des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 44 Abs 4 SGB X sowie § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Feststellung der Obliegenheitsverletzung und die Änderung der Leistungsbewilligung sind materiell so aufeinander bezogen, dass die rechtzeitige Anfechtung des Minderungsbescheides ein Aufhebungsbegehren im Hinblick auf den Umsetzungsverwaltungsakt einschließt, um einer effektiven Rechtsschutzgewährung im Lichte des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) Rechnung zu tragen (vgl insoweit zur Rechtslage nach dem SGB III: BSG Urteil vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 9; BSG Urteil vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 5 ff).

21

4. Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind § 32 SGB II über Meldeversäumnisse sowie § 31a Abs 3 und § 31b SGB II über Rechtsfolgen, Beginn und Dauer der Minderung, die gemäß § 32 Abs 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten.

22

Keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die angefochtenen Bescheide ist vorliegend § 48 SGB X iVm § 40 Abs 1 SGB II, auf die das LSG ua abgestellt hat, weil die angefochtenen Bescheide nur die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung enthalten, nicht hingegen Regelungen über Änderungen der erfolgten Bewilligungsbescheide hinsichtlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerin(zur Unterscheidung zwischen dem Verwaltungsakt über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung sowie dem Umsetzungsverwaltungsakt hinsichtlich ggf notwendiger Änderungen einer schon erfolgten Bewilligung und der Herabsetzung des Alg II-Anspruches siehe zuvor unter 3.).

23

Die Voraussetzungen für die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, insbesondere das Vorliegen einer Anhörung nach § 24 SGB X, sind erfüllt.

24

Die materielle Rechtmäßigkeit ist nur hinsichtlich der Bescheide vom 17.11.2011, 29.11.2011 und 9.12.2011 erfüllt, denen die Meldeversäumnisse vom 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 zugrunde lagen, nicht aber hinsichtlich der Bescheide vom 14.12.2011, 15.12.2011, 2.1.2012 und 3.1.2012, die sich auf die Meldeversäumnisse vom 21.11.2011, 25.11.2011, 7.12.2011 und 12.12.2011 bezogen.

25

Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses sind zumindest hinsichtlich der Meldetermine am 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 gegeben (dazu 5.), nicht jedoch angesichts der Abfolge der zugrunde liegenden sieben Meldeaufforderungen innerhalb von acht Wochen für den vierten und die weiteren Meldetermine (dazu 6.). Soweit der Beklagte rechtmäßigerweise ein Meldeversäumnis festgestellt hat, führt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 32 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 2, § 31b Abs 1 Satz 1, 3 SGB II jeweils als Rechtsfolge zu einer Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate kraft Gesetzes(so auch die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 17/3404 S 112). Eine Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge Minderung oder gar die "Verhängung einer Sanktion" ähnlich dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht seitens des zuständigen Jobcenters sieht das Gesetz nicht vor. Einer Erörterung des im Wortlaut des § 31b SGB II verwandten Begriffs "Auszahlungsanspruch" bedarf es nicht, weil durch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Minderung der Anspruch selbst ua auf Alg II sich entsprechend verringert(vgl zum Begriff "Anspruch" nur § 194 Abs 1 BGB). Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Minderungen bestehen nicht (dazu 7.).

26

5. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Meldeversäumnisses nach § 32 Abs 1 SGB II sind: Eine leistungsberechtigte Person muss eine Aufforderung des zuständigen Jobcenters, sich bei ihm zu melden oder bei einem Untersuchungstermin zu erscheinen, erhalten haben (Meldeaufforderung), mit der ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde(§ 59 SGB II, § 309 Abs 2 SGB III); die Person muss eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erhalten oder von diesen Kenntnis haben und ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen sein.

27

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), hinsichtlich deren insbesondere die Klägerin keine Rügen erhoben hat, sind für die Bescheide vom 17.11.2011, 29.11.2011 und 9.12.2011 wegen der Meldetermine am 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 diese aufgeführten Voraussetzungen, einschließlich einer rechtmäßigen Meldeaufforderung (dazu a) und des Fehlens eines wichtigen Grundes (dazu b), erfüllt. Die Klägerin war eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II, wie sich aus ihrem Alter von 29 bzw 30 Jahren in der strittigen Zeit, ihrer Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit sowie gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und dem Fehlen von Ausschlusstatbeständen(vgl zB § 7 Abs 4 SGB II)ergibt. Ihre Erwerbsfähigkeit war im Laufe des Leistungsbezugs zwar zwischen den Beteiligten strittig, aufgrund der Feststellungen des LSG ist aber von der Erwerbsfähigkeit der Klägerin auszugehen, wie sich insbesondere aus dem vorgelegten Bescheid über die Ablehnung der Feststellung eines GdB und dem Fehlen anderer Feststellung hinsichtlich gesundheitlicher Einschränkungen sowie entsprechender Rügen der Klägerin ergibt. Die Klägerin hat jeweils eine Meldeaufforderung mit Datum und Uhrzeit und Ort erhalten, die mit einer schriftlichen und ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war und der sie ohne wichtigen Grund schuldhaft nicht nachgekommen ist.

28

Zudem muss der Verwaltungsakt über die Feststellung des Meldeversäumnisses und der Minderung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt des Meldeversäumnisses ergangen sein (§ 32 Abs 2 iVm § 31b Abs 1 Satz 5 SGB II). Die Wahrung dieser Fristen folgt aus den mitgeteilten Daten. Keine Voraussetzung aufgrund der neuen Rechtslage ist, dass ein Verwaltungsakt über die erste Feststellung eines Meldeversäumnisses und der eingetretenen Minderung ergangen ist, ehe ein zweites Meldeversäumnis eintreten konnte (dazu c).

29

a) Die Meldeaufforderungen zum 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 waren im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten Meldezwecke (dazu aa) und die erforderliche Ermessensausübung (dazu bb) rechtmäßig.

30

Eine Meldeaufforderung ist nach weitgehend einhelliger Meinung ein Verwaltungsakt (vgl nur BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 14 AS 146/11 B - juris - mit zahlreichen weiteren Nachweisen) und die Verfügung einer solchen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten (vgl nur Siefert in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand: Januar 2015, § 309 RdNr 18; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 309 RdNr 27; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, § 309 SGB III RdNr 25), wie sich zudem aus der Entstehungsgeschichte und dem heutigen Zweck der Meldepflicht ergibt (BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 11 AL 8/13 R - SozR 4-4300 § 309 Nr 2 RdNr 21 f; Winkler, aaO, RdNr 1, 4 ff). Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl zur Sperrzeit nach § 159 SGB III: Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 159 RdNr 372; zu § 31 SGB II aF: BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 25 f).

31

aa) Den Meldeaufforderungen lagen rechtmäßige Meldezwecke zugrunde, die auch in ihnen zutreffend benannt wurden.

32

Dass eine rechtmäßige Meldeaufforderung einen Meldezweck voraussetzt, folgt aus § 59 SGB II, der ua die Vorschrift über die allgemeine Meldepflicht in § 309 SGB III für entsprechend anwendbar erklärt. Nach dessen Absatz 2 kann die Aufforderung zur Meldung "zum Zwecke der 1. Berufsberatung, 2. Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit, 3. Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen, 4. Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und 5. Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch erfolgen". Diese Aufzählung der Meldezwecke ist abschließend und orientiert sich an den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zur aktiven Arbeitsförderung in §§ 29 ff SGB III. Mit jedem der Zwecke verbinden sich zahlreiche Beratungsgegenstände (vgl nur die Darstellung von Siefert in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand: Januar 2015, § 309 RdNr 24 ff; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, Stand: März 2015, K § 309 RdNr 28 ff; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, § 309 SGB III RdNr 14 ff). Wie konkret der Meldezweck benannt werden muss, kann nicht für alle Einzelfälle generell festgelegt werden, weil dafür die jeweilige Beratungssituation maßgebend ist; eine stichwortartige Konkretisierung ist aber im Regelfall ausreichend (vgl Siefert, aaO, RdNr 20; Winkler, aaO, RdNr 12). Dementsprechend ist die Angabe "Gespräch über das Bewerberangebot/die berufliche Situation" eine grundsätzlich zulässige und ausreichende Konkretisierung des Meldezwecks (ebenso BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 25).

33

Dem wird der vorliegend als Meldezweck seitens des Beklagten in den Meldeaufforderungen jeweils angegebene Grund "Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation" bezogen auf die einzelnen Meldeaufforderungen gerecht, zumal es keine weiteren Feststellungen des LSG oder Rügen der Klägerin gibt, die Zweifel an einer ausreichenden Konkretisierung wecken.

34

bb) Die als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Meldeaufforderungen zum 24.10.2011, 4.11.2011 und 11.11.2011 notwendige Ermessensausübung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.

35

Zu deren Überprüfung ist von Folgendem auszugehen: Soweit ein Leistungsträger ermächtigt ist, nach seinem Ermessen zu handeln, ist sein Handeln nur rechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grundlagen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck des Ermessens nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG sowie § 39 Abs 1 Satz 1 SGB I zu Ermessensleistungen). Umgekehrt hat der Versicherte Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I), nicht hingegen einen Rechtsanspruch auf einen bestimmten Betrag zB bei einem Leistungsbegehren, sofern nicht eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Abgesehen von einer solchen Ermessensreduzierung auf Null hat der Gesetzgeber dem Leistungsträger mit der Einräumung von Ermessen eine Auswahlbefugnis hinsichtlich mehrerer gleichermaßen rechtmäßiger Entscheidungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite eröffnet. Zur Sicherung der Funktionentrennung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) und der Entscheidungsfreiheit des Leistungsträgers über die Zweckmäßigkeit seines Handelns ist die Überprüfung seiner Ermessensentscheidung durch die Gerichte auf die Rechtmäßigkeitsprüfung begrenzt ("Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle"). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Träger sein Ermessen überhaupt ausgeübt, er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG; vgl auch zum Nachfolgenden jeweils mwN nur: BSG Urteil vom 18.3.2008 - B 2 U 1/07 R - BSGE 100, 124 = SozR 4-2700 § 101 Nr 1, RdNr 13 ff und BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 2 U 10/10 R - SozR 4-2700 § 76 Nr 2 RdNr 12 ff).

36

Ein Ermessensnichtgebrauch, bei dem überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt werden und so gehandelt wird, als ob eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, ist nicht festzustellen, weil der Beklagte nach den Feststellungen des LSG die Meldeaufforderung ausgesprochen hatte, um die berufliche Situation der Klägerin mit ihr zu erörtern, was angesichts der Länge ihres Leistungsbezugs naheliegend war. Eine Ermessensüberschreitung, bei der eine Rechtsfolge gesetzt wird, die in der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist, scheidet aus. Denn die vom Beklagten ausgesprochene Meldeaufforderung ist ein vom Gesetz vorgesehenes Ergebnis seiner Ermessensausübung.

37

Die Voraussetzungen für eine Ermessensunterschreitung oder einen Ermessensmangel, bei denen zwar Ermessenserwägungen angestellt werden, diese indes unzureichend sind, weil sie zB nur aus formelhaften Wendungen bestehen oder relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt werden, oder für einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmissbrauch, bei denen sachfremde Erwägungen angestellt werden, sind für die drei ersten Meldeaufforderungen ebenfalls nicht erfüllt. Denn ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten über ihre Bewerbungssituation bzw berufliche Situation war angesichts ihrer Arbeitslosigkeit praktisch geboten. Zudem waren nach den Feststellungen des LSG Vermittlungshemmnisse und gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin zu besprechen und zu klären, welche Tätigkeiten sie noch ausüben konnte und ob zunächst Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung durchzuführen waren. Ob es geboten war, diese weiteren Zwecke ausdrücklich zu benennen, zB zur Klärung der gesundheitlichen Situation der Klägerin, die zwischen den Beteiligten zumindest zeitweise umstritten war, kann angesichts der genannten zulässigen Zwecke - bezogen auf die einzelne Meldeaufforderung - dahingestellt bleiben. Die in den Meldeaufforderungen genannten Zwecke dienten dem zentralen Ziel des SGB II, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und im Zusammenwirken mit ihr Wege zu entwickeln und ihr aufzuzeigen, wie sie eine solche Erwerbstätigkeit erlangen kann (vgl § 1 Abs 2 SGB II).

38

Dass der Beklagte sich von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen, hat das LSG nicht festgestellt, die Klägerin hat insofern keine Rügen erhoben und bezogen auf die drei Meldeaufforderungen ist Derartiges aus den vom LSG festgestellten Tatsachen auch nicht ableitbar.

39

b) Umstände, die für einen wichtigen Grund bei nur einem der drei Meldeversäumnisse sprechen, so zB dass die Klägerin krankheitsbedingt verhindert war, einen der Termine wahrzunehmen, sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen.

40

c) Entgegen der Ansicht des SG musste die Klägerin nicht vor einem weiteren Meldeversäumnis einen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung als Warnung erhalten, damit der zweite Bescheid über dieses weitere Meldeversäumnis und die Minderung in rechtmäßiger Weise ergehen durfte.

41

Die dahingehende frühere Rechtsprechung (zB BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 22 f)ist durch die Neufassung der §§ 31 ff SGB II ab 1.4.2011, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, überholt. § 32 SGB II über Meldeversäumnisse verweist in seinem Absatz 2 lediglich auf die Vorschriften des § 31a Abs 3 und § 31b SGB II. Die Vorschrift des § 31a Abs 1 Satz 4 SGB II, nach der eine wiederholte Pflichtverletzung nur "vorliegt", wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde, ist ausdrücklich nicht in Bezug genommen. Stattdessen heißt es in § 32 Abs 1 Satz 1 SGB II, dass sich das Alg II jeweils um 10 vH des maßgebenden Regelbedarfs mindert. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber einerseits entsprechend dem genannten Urteil vom 9.11.2010 das Erfordernis der vorherigen bescheidmäßigen Feststellung der vorangegangenen Pflichtverletzung vor dem Eintritt der nächsten Pflichtverletzung in das Gesetz übernommen. Andererseits hat er durch seine differenzierende Verweisungsvorschrift zum Ausdruck gebracht, dass dies nicht bei Meldeversäumnissen gelten soll. Er hat damit die Möglichkeit nebeneinander stehender Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung für identische Zeiträume, die im Ergebnis zu einer Addition der Minderungsbeträge führen, geschaffen, ohne dass es eines ersten Bescheides über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung bedarf (vgl dazu Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drucks 17/3404 S 112 zu § 32; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 32 RdNr 11; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 32 RdNr 30; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 32 RdNr 46).

42

6. Aufgrund der Abfolge der den Meldeversäumnissen zugrunde liegenden sieben Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II, § 309 SGB III innerhalb von acht Wochen sind die Bescheide vom 14.12.2011, 15.12.2011, 2.1.2012 und 3.1.2012 rechtswidrig, die auf der vierten und den weiteren Meldeaufforderungen und den Meldeversäumnissen am 21.11.2011, 25.11.2011, 7.12.2011 und 12.12.2011 beruhen.

43

Die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide folgt nicht aus der "Einladungsdichte" als solche (dazu a), sondern aus der als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu prüfenden (vgl dazu 5. a) und vorliegend fehlerhaften Ermessensausübung des Beklagten in der Abfolge und Ausgestaltung der Meldeaufforderungen (dazu b).

44

a) Die "Einladungsdichte" selbst von nahezu einer Meldeaufforderung pro Woche ist nicht zu beanstanden, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, weil es Gründe für einen solchen engmaschigen Kontakt zwischen der leistungsberechtigten Person und dem Jobcenter geben kann und eine Meldeaufforderung ferner - die meldepflichtige Person begünstigend - zu einem Anspruch auf Übernahme der Reisekosten (vgl § 59 SGB II, § 309 Abs 4 SGB III) und zu Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zum und vom Jobcenter (§ 2 Abs 1 Nr 14a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung) führt.

45

b) Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken in nahezu wöchentlichem Abstand an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind (zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Überprüfung von Ermessen vgl 5. a) bb).

46

Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

47

Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des "Förderns und Forderns" im SGB II und nach § 1 Abs 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift "Sanktionen" vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen "verhängt" werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung zB einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf.

48

Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken "Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation" drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf (vgl § 309 Abs 2 Nr 4, 5 SGB III). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II).

49

In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen.

50

7. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin nach §§ 32, 31a Abs 3, § 31b SGB II bestehen nicht. Obwohl der Senat sich der mit einer Minderung des Alg II-Anspruchs einhergehenden Auswirkungen, bei einer Minderung um 10 vH waren es damals 33,70 Euro pro Monat, bewusst ist, kann er sich die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen nicht bilden (vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur zB Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88 RdNr 90 f mwN).

51

a) Das durch Art 1 Abs 1 GG begründete und nach dem Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG auf Konkretisierung durch den Gesetzgeber angelegte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verpflichtet den Staat dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen zur Verfügung stehen, wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 134). Das bedingt jedoch nicht, dass diese Mittel voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten (ebenso zur Berücksichtigung von Einkommen BVerfG Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33 = BVerfGK 17, 375 RdNr 13; Berlit, Sanktionen im SGB II - nur problematisch oder verfassungswidrig?, info also 2013, 195, 200 ff; Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584 ff). Bei der Konkretisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist dem Gesetzgeber vielmehr ein Gestaltungsspielraum zugewiesen, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, aaO, RdNr 138 ff).

52

Dass der Gesetzgeber dabei von Verfassungs wegen schlechterdings gehindert wäre, die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II an (Mitwirkungs-)Obliegenheiten zu knüpfen und bei deren Verletzung leistungsrechtliche Minderungen vorzusehen, vermag der Senat nicht zu erkennen (so aber Neskovic/Erdem, Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV, SGb 2012, 134 ff; ähnlich Drohsel, Sanktionen nach dem SGB II und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, NZS 2014, 96 ff; wie hier dagegen etwa: Berlit, Sanktionen im SGB II - nur problematisch oder verfassungswidrig?, info also 2013, 195 ff; ders in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31 RdNr 13 f; Burkiczak, Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV, SGb 2012, 324 ff; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31 RdNr 7; Lauterbach, Verfassungsrechtliche Probleme der Sanktionen im Grundsicherungsrecht, ZFSH/SGB 2011, 584 ff; ders in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Dezember 2014, K § 31 SGB II RdNr 2; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, 2. Aufl, Stand: März 2015, § 31 RdNr 39; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Sanktionen im Arbeitsförderungsrecht: BVerfG Beschluss vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Zudem ist zu bedenken, dass es sich bei den sog "Sanktionen" grundrechtsdogmatisch nicht um einen Eingriff, sondern um eine abgesenkte Form der Leistungsgewährung handelt (vgl Berlit, info also 2013, 195 ff; Burkiczak, SGb 2012, 324 ff).

53

Eine andere Auslegung würde mittels des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums die Grundsicherung für Arbeitsuchende in Richtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen weiterentwickeln (vgl dazu zB Eicker-Wolf, Money for nothing? - Das bedingungslose Grundeinkommen, SF 2013, 172 ff; Opielka, Grundeinkommensversicherung, SF 2004, 114 ff); eine solche Entscheidung muss jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

54

Hat der Gesetzgeber von einer solchen Wertung abgesehen, darf er sich bei der Ausgestaltung der Leistungen nach dem SGB II vor diesem Hintergrund von der Erwartung leiten lassen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 SGB II) und demzufolge die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel womöglich ua durch zumutbare Erwerbsarbeit selbst erwirtschaften (ebenso Berlit, info also 2013, 195, 201 ff). Soweit der Gesetzgeber als Folge dessen negative Konsequenzen an die fehlende Bereitschaft knüpft, mit den für die Leistungsgewährung zuständigen Stellen (auch nur) in Gespräche über Möglichkeiten zur Überwindung von Erwerbslosigkeit einzutreten, ist ihm das verfassungsrechtlich jedenfalls solange nicht verwehrt, wie sichergestellt ist, dass den Betroffenen die auch in dieser Lage unerlässlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (vgl Schmidt-De Caluwe in Estelmann, SGB II, Stand: Dezember 2014, § 31 RdNr 15).

55

b) Dass diese Grenze nicht eingehalten ist, vermag der Senat jedenfalls vorliegend nicht zu erkennen.

56

Überschreitet die Minderung infolge mehrerer Meldeversäumnisse den Wert von 30 vH, hat das Jobcenter gemäß § 32 Abs 2 Satz 2 iVm § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob und inwieweit in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind(vgl dazu Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 31a RdNr 36 ff; Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 31a RdNr 40 ff). Soweit auf dieser Grundlage Sachleistungen erbracht werden, genügt das den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedenfalls grundsätzlich (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), ohne dass über Voraussetzungen und etwaige Grenzen eines solchen Ausgleichs im Einzelnen hier abschließend zu entscheiden wäre.

57

Erreicht die Minderung diesen Wert nicht, ist ausgehend von den in die Ermittlung des Regelbedarfs gemäß § 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz eingeflossenen Abteilungen der Verbrauchsausgaben zu beachten, dass nicht dem physischen Existenzminimum, sondern der sozialen Teilhabe zuzuordnen sind etwa die Abteilungen 7(Verkehr mit 22,78 Euro), 8 (Nachrichtenübermittlung mit 31,96 Euro), 9 (Freizeit usw mit 39,96 Euro) und 11 (Beherbergung ua 7,16 Euro). Zudem beziehen sich die Abteilungen 3 (Bekleidung, Schuhe mit 30,40 Euro) oder 5 (Innenausstattung usw mit 27,41 Euro) auf Bedarfe, die aktuell nicht jeden Monat anfallen, sondern von der sog Anschaffungsrücklage nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II umfasst sind(vgl Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 12 RdNr 34; Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 73). Die im Regelbedarf enthaltenen Beträge für soziokulturelle Bedarfe sind zwar - obwohl dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Grundrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, soweit es um Art und Umfang der Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 152; BVerfG Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 67) - keine freiverfügbare Ausgleichsmasse (BVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 11 BvR 1691/13 - NJW 2014, 3425, RdNr 117 f). Deshalb mag nicht auszuschließen sein, dass sich der Verweis auf Einsparungen in diesem Bereich in besonders gelagerten Fällen als verfassungsrechtlich bedenklich erweist. Eine solche Lage ist indes zumindest hier nicht erkennbar.

58

Dabei ist zunächst zu beachten, dass wegen Deckungslücken im Bereich einmaliger, nicht dauerhafter bzw laufender Bedarfe die Erbringung von Leistungen als Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II in Betracht kommt(vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 23 zur Vorläuferbestimmung; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R - RdNr 17). Soweit darüber hinaus weitere, von Verfassungs wegen nicht hinnehmbare Deckungslücken bestünden, müsste das nicht notwendig die Minderungsbestimmung des § 32 Abs 1 Satz 1 SGB II selbst betreffen. Zu fragen wäre aufgrund der gesetzlichen Konzeption von Minderungsregel und Ausgleichsmechanismus nach § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II vielmehr zuerst, ob der uneingeschränkte Ausschluss von Sachleistungen bei Minderungsbeträgen von bis zu 30 vH des Regelbedarfs ohne Ausnahme bei besonderen Härtefällen verfassungsrechtlich unbedenklich ist(vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 6 RdNr 34 f). Zu einer solchen Prüfung besteht indes hier kein Anlass, weil weder erkennbar noch von der Klägerin im Rahmen einer Rüge vorgetragen worden ist, dass sie sich erfolglos um die Gewährung von Sachleistungen bemüht habe.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Die Behörde ist berechtigt, die Vorlage des Dokumentes zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Landessozialgerichts vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeit-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen Zeitraum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 8.4.2005) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die Zeit vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den Bewilligungsabschnitt vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die Zeit vom 1.11.2006 bis 30.4.2007 mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der Klägerin im Jahr 2005 mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von 9693,48 Euro aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9.2005 bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der Aufhebungsbeträge getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2008 zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen Zeitraum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen Zeitraum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 23.6.2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2008 aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008 sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des Regelungsgegenstands nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des Aufhebungszeitraums und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten Zeiträume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Beklagten (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden Leistungsbescheide (Änderungsbescheide), sodass das LSG insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem SGB II vom 1.6. bis 31.7.2005 und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

12

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das LSG im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

13

a) Der Beklagte hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom 8.4.2005, 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 SGB X stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das LSG nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 SGB X kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 SGB X, der weitergehenden Vertrauensschutz bietet(vgl § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R).

14

Das LSG hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw Vermögenserwerbs) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche Leistungsbewilligungen gemäß § 48 SGB X aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die Leistungszeiträume ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von 9693,48 Euro im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 SGB X hätte erfolgen dürfen. Erst im Anschluss an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 SGB X gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 SGB X haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist(vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 36 RdNr 17 mwN).

15

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das LSG die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl BSG Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 17; Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 144/10 R).

16

b) Die vom LSG angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der Empfängerhorizont, für die Beteiligten muss sich aus dem Verfügungssatz vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. Unschädlich ist es dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 36/02 R - SozR 4-2600 § 149 Nr 1 RdNr 14 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2600 § 149 Nr 6 S 14 sowie BSG vom 29.4.1997 - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

17

Der Aufhebungsverwaltungsakt des Beklagten genügt den dargelegten Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der Beklagte als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete Leistungsbescheide, die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die Aufhebungsverfügungen sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so LSG Rheinland-Pfalz vom 30.3.2010 - L 3 AS 138/08 - Juris RdNr 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 SGB X bereits Urteil des Senats vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

18

Auch die Tatsache, dass der Beklagte im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 SGB X). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden Leistungszeiträume relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

19

3. Der Erstattungsverwaltungsakt ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der Beklagte vorliegend hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom 8.4.2005 bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der Beklagte aber ab dem 1.7.2005 aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom 22.6.2005. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden Änderungsbescheide sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom 22.6.2005 und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 8.4.2005 und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom 1.2.2006 bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X scheidet aus.

20

Wegen des Erstattungsverwaltungsakts im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den Erstattungsverwaltungsakt gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Ggf ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne Leistungszeiträume neu zu bestimmen.

21

Das LSG wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere einen Kooperationsplan abschließen. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

Gründe

Rechtskräftig: unbekannt

Spruchkörper: Senat

Hauptschlagwort: aufstockende Leistung Eingliederungsverwaltungsakt selbstständige Tätigkeit

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Proz.-Bev.: A., A-Straße, A-Stadt

gegen

Jobcenter ..., vertreten durch den Geschäftsführer, ...

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Der 7. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München am 26. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Mayer, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Thanner und die Richterin am Bayer. Landessozialgericht Herz sowie die ehrenamtlichen Richter W. und T. für Recht erkannt:

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. August 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1959 geborene Klägerin wendet sich gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 13.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2014, mit dem ihr aufgegeben wurde, sich mindestens zweimal pro Woche um eine versicherungspflichtige Beschäftigung zu bemühen.

Die Klägerin bezieht vom Beklagten seit 01.12.2012 Leistungen nach dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 1959 geborenen Ehemann. Der Ehemann ist selbstständig und betreibt eine Gärtnerei. Die Klägerin selbst hat eine geringfügige Tätigkeit im Umfang von vier Arbeitsstunden an zwei Tagen in der Woche in einem Drogeriemarkt. Daneben unterstützt sie ihren Ehemann unentgeltlich in dessen Gärtnerei und im Verkauf. Die aufstockenden, zunächst vorläufig bewilligten Leistungen des Beklagten an die Bedarfsgemeinschaft lagen im mit Bescheid vom 01.08.2014 endgültig festgesetzten Zeitraum vom 01.12.2013 bis 31.05.2014 zwischen 721,82 Euro (Februar 2014) und 865,05 Euro (Januar 2014).

Nachdem die KIägerin an dieser Konstellation festhalten wollte, erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt vom 13.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2014. Mit der von der Klägerin und ihrem Ehemann beharrlich verteidigten Konstellation der wenig ertragreichen Selbstständigkeit und dem Zuverdienst der Klägerin aus der geringfügigen Beschäftigung sei auf absehbare Zeit Hilfebedürftigkeit nicht zu beseitigen. Vielmehr habe die Klägerin sich ernsthaft um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bewerben.

Hiergegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage zum Sozialgericht Augsburg. Sie müsse unentgeltlich zur Entlastung ihres Ehemannes in der Gärtnerei und im Verkauf mitarbeiten, um die Gärtnerei am Leben zu erhalten. Daneben arbeite sie montags und donnerstags je vier Arbeitsstunden in einem Drogeriemarkt. Dies funktioniere nur, weil diese Arbeitstage nicht an Wochenmarkttagen lägen und die Arbeitsstätte sich in unmittelbarer Nähe der Gärtnerei bzw. des Wochenmarktstandes befinde. Dies sei aber bereits jetzt terminmäßig kompliziert genug, wenn Feiertage oder Marktverlegungen vorlägen. Außerdem müsse auch während der Marktverkaufszeiten in der Gärtnerei gelüftet bzw. die Gasheizung abgestellt werden. Schon deshalb sei sie als zweite Arbeitskraft im Betrieb notwendig. Dies sei dem Beklagten in vielen Gesprächen und in mehreren Schreiben mitgeteilt und im Detail erklärt worden. Aus diesem Grund würde sie - wie immer wieder dargelegt - ihren sicheren Minijob nicht aufgeben und ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis beginnen. Ihr Ehemann arbeite nunmehr seit 45 Jahren etwa 100 Stunden in der Woche an so gut wie 50 Wochen im Jahr. Jahrzehntelang hätten sie keinen richtigen Urlaub gemacht. Fehlzeiten wegen Krankheiten könnten sich selbstständige kleinere Gärtnereien sowieso nicht leisten, weil sonst innerhalb weniger Wochen das Geschäftskonto dermaßen im Soll wäre, dass es nicht mehr ausgeglichen werden könne. Nur wenn der Geschäftsbetrieb so weiter laufe wie jahrzehntelang praktiziert, sei es möglich, die Jahre bis zu einer Minimalrente noch einigermaßen zu überbrücken. Die Klägerin werde keine Einladung vom Jobcenter mehr annehmen und sich um kein anderes Arbeitsverhältnis kümmern.

Mit Urteil vom 7. August 2014 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage als unbegründet ab.

Der Eingliederungsverwaltungsakt habe nur eine Gültigkeit bis zum 12.07.2014 gehabt, so dass der Bescheid zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg durch Zeitablauf erledigt gewesen sei. Damit sei die Anfechtungsklage unzulässig geworden. Als Feststellungsklage nach § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Klage unbegründet.

Der Beklagte sei aufgrund der beharrlichen Weigerung der Klägerin, ihre aktuelle berufliche Situation zu ändern, nicht gehalten gewesen, mit der Klägerin vorrangig über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung in weitere Verhandlungen einzutreten. Es sei im Januar 2014 offenkundig gewesen, dass die Klägerin hierzu nicht bereit sei. Dies habe die Klägerin nicht zuletzt mit ihrem Schreiben vom 12.10.2013 zum Ausdruck gebracht. Damit habe der Beklagte einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen dürfen.

Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 13.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2014 sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Das Eingliederungsziel, die Klägerin in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln, die sie und ggf. auch ihren Ehemann von Leistungen nach dem SGB II unabhängig machen, stünde es nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Ehegatten neben ihrer geringfügigen Tätigkeit in nicht unerheblichem Umfang bei dessen selbstständiger Tätigkeit unentgeltlich unterstütze. Vielmehr käme es darauf an, dass die Tätigkeit künftig auch die Hilfebedürftigkeit beenden könne. Hierfür lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Selbst unter Anrechnung der bei der Klägerin und ihrem Ehemann vorhandenen Einkommen verbleibe seit Jahren ein offener Hilfebedarf in erheblichem Umfang. Es sei nicht ersichtlich, dass sich dies in naher Zukunft ändern könne. Es sei nicht Aufgabe des SGB II, wirtschaftlich nicht tragfähige Selbstständigkeit von Leistungsbeziehern zu fördern.

Andere inhaltliche Bedenken gegen den Eingliederungsverwaltungsakt bestünden auch nicht. Die Laufzeit und die festgelegten Obliegenheiten ließen keine rechtswidrigen Belastungen erkennen. Die Pflicht zur zweimaligen Bewerbung pro Woche halte sich im Rahmen von angemessenen Eigenbemühungen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Eine Begründung ist bislang nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 13.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2014 rechtswidrig war und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. August 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Eingliederungsverwaltungsakt sei zu Recht ergangen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Anders als das Sozialgericht meint, handelt es sich um eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (BSG Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R Rz. 16) und nicht um eine Feststellungsklage nach § 55 SGG.

Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird die Berufung insoweit aus den Gründen der Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg zurückgewiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Begehren erfolglos blieb.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheids für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2006 und die Höhe der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für diesen Zeitraum.

2

Der im Jahre 1969 geborene Kläger arbeitete nach seinen eigenen Angaben zunächst als Fernsehredakteur. Er lebt mit seinem im Dezember 2003 geborenen Sohn in einem Haushalt. Seit 2005 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 29.3.2006 (Änderungsbescheid vom 7.4.2006) Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2006, dabei für die Monate September und Oktober 2006 in Höhe von 966 Euro, wobei der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro (100 vH) monatlich bezog. Der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten überreichte dem Kläger am 6.7.2006 im Rahmen eines "ausführlichen Beratungsgesprächs" zwei Vermittlungsvorschläge, darunter einen für eine Vollzeittätigkeit bei der Zukunftswerkstatt K Nach Angaben des Klägers wurde laut Stellenbeschreibung ein Erzieher zur Anleitung anderer ABM-Helfer mit viel Erfahrung in sozialen und organisatorischen Bereichen sowie in der Betreuung an Grundschulen gesucht. Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit. Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger nicht. Auf ein Anhörungsschreiben des Beklagten hin antwortete der Kläger am 21.7.2006, dass er den Vermittlungsvorschlag in seinen Unterlagen abgelegt und dort vergessen habe.

3

Der Beklagte erließ am 26.7.2006 einen Bescheid zur Absenkung des Arbeitslosengelds II (Alg II) gemäß § 31 SGB II. Darin hieß es wörtlich: "Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird unter Wegfall des eventuell zustehenden Zuschlages nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1.9.2006 bis 30.11.2006 monatlich um 30 % der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus ergibt sich eine Absenkung in Höhe von maximal 104,00 Euro monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 1.9.2006 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben." Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die ihm am 6.7.2006 angebotene, zumutbare Arbeit als Erzieher bei der Firma Zukunftswerkstatt K trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht angenommen, indem er sich nicht beworben habe.

4

Mit Bescheid vom 1.11.2006 (Änderungsbescheid vom 24.11.2006) bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum vom 1.11.2006 bis April 2007. Ausweislich der Berechnungsbögen wurde dabei durch den Änderungsbescheid vom 24.11.2006 für den Monat November 2006 von einem Minderungsbetrag von 104 Euro ausgegangen. Bewilligt wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von 841,40 Euro.

5

Bereits am 17.8.2006 hatte der Kläger Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 eingelegt. Diesen wies der Beklagte durch Bescheid vom 24.11.2006 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz eines zuvor geführten intensiven Gesprächs hinsichtlich der Bewerbungsstrategie und einer Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger sich nicht bei der Zukunftswerkstatt beworben. Er habe hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er die Aufnahme der angebotenen Tätigkeit verweigere. Einen wichtigen Grund hierfür habe er nicht nachgewiesen. Die Tätigkeit sei angesichts seiner beruflichen Laufbahn auch angemessen und zumutbar gewesen. Die Voraussetzungen für die Absenkung des Alg II um 30 % der maßgebenden Regelleistung seien daher erfüllt. Für den Kläger betrage die Regelleistung 345 Euro, woraus sich ein Absenkungsbetrag in Höhe von gerundet 104 Euro ergebe. Die Sanktion umfasse die Kalendermonate September bis November 2006. Für diesen Zeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung teilweise aufzuheben gewesen.

6

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt gewesen. Es müsse aus dem Sanktionsbescheid von vornherein klar werden, in welcher Höhe eine Absenkung erfolgen werde. Der Umfang der Kürzung müsse deshalb konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen sein. Durch die Formulierung in dem Bescheid vom 26.7.2006 "30 % höchstens in Höhe des zustehenden Auszahlungsbetrages und Absenkung von maximal 104,00 Euro monatlich" sei dem Kläger lediglich eine Obergrenze mitgeteilt worden. Es fehle an einem konkreten und unmissverständlichen Minderungsbetrag. Die mangelnde Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes könne auch nicht nach § 41 SGB X geheilt werden, denn es handele sich hierbei nicht um einen Formmangel. Eine hinreichende Bestimmtheit sei vorliegend auch nicht durch andere Bescheide hergestellt worden. Allein aus der durch den Änderungsbescheid vom 21.8.2006 festgesetzten Änderung für den Monat Oktober 2006 habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, dass der Minderungsbetrag 104 Euro betrage. Es könne dahinstehen, inwieweit nicht die Wertung des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II für eine Unzumutbarkeit der angebotenen Vollzeittätigkeit spreche. Aus dieser Vorschrift folge, dass ein Hilfebedürftiger, der ein unter dreijähriges Kind betreue und erziehe, nicht zur Aufnahme einer Arbeit verpflichtet werden könne.

7

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid vom 22.1.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Ausgangsbescheid wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls sei diese mangelnde Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren durch den Erlass des Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X geheilt worden. Des Weiteren liege auch ein Sachverhalt vor, der den Eintritt einer Sanktion zur Folge habe. Der Kläger sei durch den Vermittlungsvorschlag über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung ausreichend belehrt gewesen. Er habe sich auch geweigert, eine Arbeit aufzunehmen. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die angebotene Arbeit für den Kläger unzumutbar gewesen wäre. Gemäß § 10 Abs 1 SGB II sei dem Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Auch der Umstand, dass der Kläger allein seinen damals noch nicht dreijährigen Sohn erzogen habe, führe nicht zur Unzumutbarkeit der angebotenen Stelle. Die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet habe, sei in der Regel nicht gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege sichergestellt sei. Vorliegend sei eine solche Gefährdung der Kindeserziehung nicht ersichtlich. Der Kläger selbst habe diesen Einwand erstmals im Klageverfahren vorgebracht. Dies überzeuge bereits deshalb nicht, weil der Kläger in seinen früheren Stellungnahmen und Widersprüchen besonders betont habe, wie sehr er sich um eine Arbeit bemühe, ohne seine angeblich eingeschränkte Vermittelbarkeit auch nur anzudeuten. Auch die vom Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung enthalte keinerlei einschränkende Bedingungen.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision. Er rügt eine Verletzung der §§ 33, 41 SGB X und des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c, § 31 Abs 6, § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er geht zunächst mit dem SG davon aus, dass der Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 nicht hinreichend inhaltlich bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X gewesen sei. Die mangelnde Bestimmtheit des Sanktionsbescheids sei auch nicht durch andere oder spätere Bescheide geheilt worden. Er habe sich auch nicht geweigert, eine ihm angebotene Arbeit anzunehmen. Er habe lediglich die Arbeitsangebote in seine Mappe gelegt und dort vergessen. Die angebotene Tätigkeit als voll ausgebildeter Erzieher sei ihm nicht zumutbar gewesen, zumal dieses Angebot seine Eingliederung nicht gefördert hätte. Zwar spreche das Vermittlungsangebot nur von einem Erzieher. Da dieser jedoch Andere anleiten habe sollen, habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um einen ausgebildeten Erzieher handeln sollte. Das LSG überspanne die Anforderungen an die Hilfebedürftigen, wenn es trotzdem verlange, dass er sich zunächst einmal auf die angebotene Stelle als Erzieher hätte bewerben müssen. Schließlich sei auch die Erziehung seines unter dreijährigen Kindes gefährdet gewesen. Das LSG habe an dieser Stelle den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, denn es sei die Betreuung seines Sohnes nur für maximal sechs Stunden täglich sichergestellt gewesen. Bei der angebotenen Stelle habe es sich zudem um eine Vollzeitstelle in K gehandelt. Von seinem Wohnort aus in R benötige er mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eineinhalb Stunden für eine Fahrtstrecke bis nach K Darüber hinaus habe der Sanktionszeitraum auch nicht auf den November 2006 ausgedehnt werden dürfen, weil zum Zeitpunkt der Festsetzung des Sanktionszeitraums eine Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum noch nicht vorgelegen habe.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2008 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich bereits aus dem Ausgangsbescheid vom 26.7.2006 hinreichend bestimmt die ausgesprochene Rechtsfolge ergebe.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Absenkung der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 zu Recht erfolgt ist (hierzu unter 3.), bzw ob dem Kläger aus anderen Gründen für diesen Zeitraum höhere Leistungen zustanden (sodann unter 4.). Zu Recht hat das LSG allerdings entschieden, dass der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 nicht wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit gemäß § 33 Abs 1 SGB X aufzuheben war(siehe unter 2.).

13

1.a) Streitgegenstand sind die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006. Das BSG hat insofern bereits entschieden, dass ein Sanktionsereignis bzw ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann(BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, jeweils RdNr 12). Ob dem Kläger für den streitigen Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2006 höhere als die abgesenkten Leistungen zustanden, kann nicht abschließend entschieden werden. Zum einen kann nicht beurteilt werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006) den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG insbesondere an das Vorliegen einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung genügte (sogleich unter 3.). Zum anderen könnte selbst bei einer Rechtmäßigkeit der hier bislang ausschließlich geprüften Sanktionsbescheide die Revision des Klägers dennoch begründet sein, wenn ihm aus einem anderen Grund höhere Leistungen als die abgesenkten für den streitigen Zeitraum zustanden (siehe unter 4.).

14

b) Die Anfechtungsklage des Klägers gemäß § 54 Abs 1 SGG(hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - RdNr 12) richtet sich darauf, für den streitigen Zeitraum ungekürzte bzw nicht abgesenkte Leistungen zu erhalten. Hierbei ist hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wegen der vorherigen Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2006 zwischen diesen beiden Monaten einerseits und dem Monat November 2006 andererseits zu unterscheiden.

15

Hinsichtlich der Monate September und Oktober 2006 hatte der Beklagte dem Kläger mit den Bescheiden vom 29.3.2006 /Änderungsbescheid vom 7.4.2006 bereits Leistungen in Höhe von zuletzt 966 Euro monatlich bewilligt. Insofern zutreffend hat der Beklagte die vom Kläger ausschließlich angefochtenen Bescheide vom 26.7.2006 und 24.11.2006, mit denen er die bewilligte Leistung absenkte, auf § 48 SGB X gestützt. Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, wenn die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 SGB II für eine Absenkung des Alg II vorgelegen haben.

16

Für den Zeitraum ab 1.11. bis 30.11.2006 hatte der Beklagte Leistungen lediglich unter Berücksichtigung einer um 104 Euro gekürzten Regelleistung bewilligt (Bescheid vom 1.11.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.11.2006). Für den Monat November 2006 stehen dem Kläger die Leistungen ohne Kürzung eines Betrags von 104 Euro zu, wenn er dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 7, 19 SGB II für einen Anspruch auf Alg II erfüllt hat und die Regelleistung nicht nach § 31 Abs 1 SGB II abgesenkt ist. Damit der Kläger dieses Ziel erreichen kann, müssten (im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG) die Bescheide vom 1.11. bzw 24.11.2006 insofern geändert werden, was das SG unterlassen hat. Auch hierüber wird das LSG abschließend zu befinden haben.

17

Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im Urteil des LSG kann noch mit hinreichender Klarheit entnommen werden, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II erfüllt.

18

2. Entgegen der Rechtsansicht des SG war bereits der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Es kommt mithin nicht darauf an, ob dieser Bescheid noch durch den Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006 "geheilt" worden ist, wovon das LSG ausgegangen ist. Das BSG hat bereits entschieden, dass Sanktionsbescheide mit dem hier angefochtenen Inhalt den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs 1 SGB X genügen(vgl insbesondere Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 ff). Das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (BSG Urteil vom 15.5.2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384). Unbestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwzN). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9). Nach diesen Maßstäben lässt sich hier die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides vom 26.7.2006 nicht feststellen. Zwar verfügte der Beklagte in diesem Bescheid, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom 1.9.2006 bis zum 30.11.2006 auf 30 % der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 104 Euro ergeben würden. Damit hat der Beklagte zunächst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dem Kläger ab dem 1.9.2006 Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Allerdings ist angesichts der teilweise umfangreichen Bewilligungsbescheide nicht in jedem Falle (so etwa, wenn Nebeneinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen ist) unschwer ersichtlich, um welchen Betrag das Alg II abgesenkt werden soll. Hier lag hingegen ein unproblematischer Fall vor, weil der Kläger eine Regelleistung in Höhe von 100vH (damals 345 Euro) erhielt und sonst kein Nebeneinkommen vorlag. Insofern konnte der Kläger dem Verfügungssatz des Absenkungsbescheides unter Hinzuziehung seines Bewilligungsbescheids durch einfache Rechenoperation auch ohne weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Jedenfalls für den Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1.9.2006 erfolgen sollten. Schließlich machte der angefochtene Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 insofern auch deutlich, dass die ursprünglichen Bewilligungsbescheide insoweit gemäß § 48 SGB X aufgehoben würden (vgl hierzu BSG Urteile vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 - und - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3). Da bereits der Ausgangsbescheid mithin nicht wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig war, kommt es auf die weitere Frage, ob eine eventuell fehlende Bestimmtheit im Widerspruchsverfahren bzw durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids in entsprechender Anwendung des § 41 SGB X heilbar wäre, nicht mehr an.

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3. Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 gemäß § 31 SGB II rechtmäßig war und damit gemäß § 48 Abs 1 SGB X die ursprünglichen Bewilligungsbescheide vom 29.3.2006/7.4.2006 gemäß § 48 Abs 1 SGB X geändert werden bzw bei dem anschließenden Bewilligungszeitraum ab 1.11.2006 eine um 104 Euro gekürzte Regelleistung zu Grunde gelegt werden durfte (Bescheide vom 1.11.2006/24.11.2006).

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Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II wird das Arbeitslosengeld unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vH der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgeblichen Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die von ihm selbst aufgestellten Anforderungen an eine Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II im vorliegenden Fall erfüllt wurden (vgl grundlegend Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5).

21

a) Es bestehen aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG zunächst keine rechtlichen Zweifel daran, dass der Kläger sich geweigert hat, eine Arbeit anzunehmen. Weigern in diesem Sinne bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme einer Tätigkeit kann mithin auch durch konkludentes Verhalten verweigert werden (statt vieler Berlit in Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 35 mwN). Insofern zutreffend hat das LSG aus den Angaben des Klägers, er habe das Angebot schlichtweg vergessen, den Schluss gezogen, er habe die konkrete Arbeit nicht antreten bzw ausführen wollen.

22

b) Das LSG wird allerdings nach der Zurückverweisung der Sache nochmals darüber zu entscheiden haben, ob die Arbeit dem Kläger tatsächlich zumutbar iS des § 10 SGB II iVm § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1c SGB II war. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist die Ausübung der Arbeit auch dann zumutbar, wenn die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes nicht gefährdet ist. Dies ist dann der Fall, soweit dessen Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Insofern ist rechtlicher Maßstab für die Zumutbarkeit einer Arbeit ausschließlich, ob die Erziehung eines Kindes tatsächlich iS des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II sichergestellt ist. Mit der vom LSG angestellten Hilfserwägung, der Kläger habe erst im Klageverfahren auf die fehlende Sicherstellung der Betreuung seines Kindes hingewiesen, zuvor aber stets sein Bemühen um Erlangung einer Arbeitsstelle betont, kann das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung nicht nachgewiesen werden. Maßgeblich ist insofern ausschließlich die objektive Betreuungssituation, die von Amts wegen zu ermitteln ist (§ 20 SGB X iVm § 103 SGG). Eine Präklusion von Vorbringen, wovon das LSG offenbar ausgeht, ist insoweit nur in den engen Grenzen des § 106a SGG möglich, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit der Kläger darüber hinaus im Rahmen der Zumutbarkeit vorgetragen hat, eine Arbeitsstelle als Erzieher sei ihm als vormaligem Fernsehredakteur generell unzumutbar, verkennt er die Tragweite des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB II, wonach dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist.

23

c) Letztlich kann dies aber dahinstehen, solange nicht ausreichend festgestellt ist, welche Rechtsfolgenbelehrung dem Kläger wann überreicht worden ist. Das LSG hat insofern lediglich festgestellt: "Der Vermittlungsvorschlag enthielt auch eine Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Nichtaufnahme der angebotenen Arbeit". Aufgrund dieser Feststellung gelangt das LSG zur Subsumtion: "Der Kläger ist über die Rechtsfolgen einer Arbeitsverweigerung durch den Vermittlungsvorschlag ausreichend belehrt gewesen". Der erkennende Senat ist zu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung der rechtlichen Grundlagen dieser Wertung nicht in der Lage, zumal der Vermittlungsvorschlag auch nicht Gegenstand der in Bezug genommenen Akten ist. Auch in den Sanktionsbescheiden des Beklagten findet sich keine inhaltliche Beschreibung bzw Wiedergabe der dem Kläger am 6.7.2006 erteilten Rechtsfolgenbelehrung. Das angefochtene Urteil lässt nicht erkennen, welche Anforderungen das LSG seiner rechtlichen Würdigung der Rechtsfolgenbelehrung zugrunde gelegt hat. Es hätte festgestellt werden müssen, welchen konkreten Inhalt die Rechtsfolgenbelehrung hatte, die dem Kläger am 6.7.2006 ausgehändigt bzw mündlich übermittelt worden ist. Der Inhalt dieser Rechtsfolgenbelehrung ist auch nicht aus den Akten ersichtlich.

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Der erkennende Senat hat hierzu im Anschluss an die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4 und Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 19) durch Urteil vom 18.2.2010 (B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 17 ff) im Einzelnen dargelegt, dass die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB II voraussetzt, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an. Sämtliche in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Diese in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und in der sozialrechtlichen Literatur weitgehend geteilte Auffassung (vgl die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr 5 RdNr 19) ist insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich dabei an den vom BSG zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen. Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf verweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen. Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG auch den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung zu warnen (vgl BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 87 mwN). Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Dies leitet der Senat nicht zuletzt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) ab, in der das BVerfG betont hat, dass das SGB II insgesamt der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums iS des Art 1 Abs 1 iVm Art 210 Abs 1 Grundgesetz (GG) diene. Entsprechende Feststellungen zum Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung und eine nachfolgende Subsumtion wird das LSG noch vorzunehmen haben.

25

d) Schließlich wird das LSG auch zu überprüfen haben, wann der Sanktionsbescheid vom 26.7.2006 dem Kläger bekannt gegeben worden ist. Gemäß § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II treten Absenkungen und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Gemäß § 39 Abs 1 SGB X iVm § 37 Abs 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wurde. Nach § 37 Abs 2 SGB II gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Da der 26.7.2006 ein Mittwoch war, besteht zumindest Veranlassung zu überprüfen, ob der Bescheid nicht bereits im Juli 2006 bekannt gegeben wurde. Nach der zwingenden Rechtsfolge des § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II hätten möglicherweise Absenkung und Wegfall mit Wirkung des Kalendermonats eintreten müssen, der auf das Wirksamwerden folgte, was hier der August 2006 gewesen wäre. Da der Bescheid nach § 31 Abs 6 Satz 1 SGB II für das Eintreten der Sanktion konstitutiv ist, könnte sich hieraus ergeben, dass jedenfalls die dann für den Monat August 2006 zwingend erforderliche Sanktion nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann, ggf könnte auch eine Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Sanktionszeitraums insgesamt zu erwägen sein.

26

4. Ergeben die Ermittlungen und weiteren rechtlichen Würdigungen des LSG, dass der Absenkungsbescheid vom 26.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2006 rechtmäßig war und dass insofern das LSG auf die Berufung des Beklagten hin die Klage zu Recht abgewiesen hat, so wird im Einzelnen noch zu prüfen sein, ob dem Kläger nicht aus anderen Gründen eine höhere Regelleistung zustand. Insofern wären sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19, 22 SGB II zu überprüfen und auch zu ermitteln, inwieweit die dem Kläger bewilligten Kosten der Unterkunft und ggf auch die Leistungen für den minderjährigen Sohn des Klägers richtig berechnet worden sind. Da der Kläger insofern gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat, ist unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen, ob der Kläger sein Klageziel - ungekürzte Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe - nicht auf andere Weise erreichen kann.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Leistungsabsenkungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 80 v. H. der Regelleistung für die Monate Juni bis August 2010, um 90 v. H. der Regelleistung für die Monate Juli bis September 2010 und um 100 v. H. der Regelleistung für die Monate August bis Oktober 2010 streitig.

Der 1960 geborene Kläger erhält seit dem 16.06.2005 laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten.

Im streitigen Zeitraum wurden dem Kläger mit Bescheid vom 19.05.2010 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 bewilligt. Aufgrund von Sanktionen erhielt der Kläger für die Monate Juni bis August 2010 Leistungen in Höhe von 206,80 EUR (Kürzung um 80 v. H. mit Bescheid vom 07.05.2010) und für die Monate September bis November 2010 in Höhe von 494 EUR (ungekürzte Leistungen: Regelleistung 359 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 135 EUR). Der Kläger zahlt monatlich 135 EUR Miete.

Am 18.01.2010 nahm der Kläger einen Meldetermin nicht wahr. Der Beklagte minderte mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Monate März bis Mai 2010 um 70 v. H. der Regelleistung. Der Bescheid wurde am 08.02.2010 zur Post gegeben.

Mit Schreiben vom 16.02.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 23.02.2010 um 9:30 Uhr in der Außenstelle A-Stadt des Beklagten vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 80 v. H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 05.02.2010 um 70 v. H. gekürzt worden.

Am 23.02.2010 erschien der Kläger um 9:50 Uhr am Empfang des Beklagten und teilte mit, dass er zu dem Termin nur unter Zeugen erscheinen werde und übergab ein Widerspruchsschreiben. Sein persönlicher Ansprechpartner sei am 23.02.2010 um 9:30 Uhr nicht bereit gewesen mit ihm unter Zeugen zu sprechen. Mit Schreiben vom 23.02.2010 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Sanktion nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört, da er zu dem Termin nicht beim Ansprechpartner erschienen sei und auch keine Eigenbemühungen nachgewiesen habe.

Mit Bescheid vom 07.05.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.06.2010 bis zum 31.08.2010 um 80 v. H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II in der für Sanktionstatbestände bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung (a. F.). Die bisherige Bewilligungsentscheidung würde insoweit aufgehoben. Der Kläger sei am 23.02.2010 nicht beim zuständigen Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit erschienen. Ein wichtiger Grund für das Meldeversäumnis liege nicht vor, auf das Anhörungsschreiben vom 23.02.2010 habe der Kläger nicht geantwortet.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Widerspruchsführer sei auch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Er habe zwar am 23.02.2010 in der Eingangszone am Empfang vorgesprochen, sei jedoch nicht bei seinem Arbeitsvermittler erschienen. Das Einladungsschreiben habe unmissverständlich angegeben, in welchem Zimmer und um welche Uhrzeit er vorsprechen solle. Der Meldezweck sei auch rechtmäßig. Der Vortrag des Klägers, er sei nur unter Zeugen bereit, bei seinem Arbeitsvermittler vorzusprechen, sei unbeachtlich, da es andernfalls in seinem Belieben stünde, sich mit der Behauptung er habe keinen Zeugen finden können, Vorspracheterminen zu entziehen.

Am 12.08.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut, das die Klage mit Urteil vom 17.08.2011 abwies. Der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen. Allein das Erscheinen am Empfang, ohne ein Gespräch über die berufliche Situation beziehungsweise über die Bewerbersituation zu führen, erfülle den Meldezweck nicht. Daher liege keine ordnungsgemäße Wahrnehmung des Meldetermins vor. Voraussetzung hierfür sei, dass auch der Meldezweck erreicht werden könne.

Mit Schreiben vom 11.05.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 19.05.2010 in der Außenstelle A-Stadt vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 90 v. H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 07.05.2010 um 80 v. H. gekürzt worden. Mit Anhörungsschreiben vom 19.05.2010 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten Sanktion nach § 24 SGB X angehört, da er zu dem Termin nicht beim Ansprechpartner erschienen sei. Nachdem eine Äußerung des Klägers nicht erfolgte, minderte der Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2010, am 15.06.2010 zur Post gegeben, das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.07.2010 bis zum 31.09.2010 um 90 v. H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II.

Zur Begründung des eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, dass er zu dem Termin nicht habe kommen können, weil sein Autotank leer gewesen sei, er starke Rückenschmerzen gehabt habe und ein Besuch beim Arzt nicht möglich gewesen sei. Am Nachmittag seien seine Schmerzen nach Medikamenteneinnahme erträglicher geworden und er habe eine kostenlose Fahrgelegenheit (Anhalter) gehabt. Aber dann habe der Beklagte bereits geschlossen gehabt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Widerspruchsführer sei seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Ein wichtiger Grund habe nicht vorgelegen. Zwar gebe er an, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen zu sein zu erscheinen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei jedoch nicht vorgelegt worden. Auch der Vortrag, dass er wegen der Sanktion nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt habe, um den Meldetermin wahrzunehmen, sei unbeachtlich, da der Kläger eine Fahrtkostenerstattung erhalten könne.

Am 12.08.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut, das die Klage mit Urteil vom 17.08.2011 abwies. Der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen. Der Sanktionsbescheid sei nicht zu beanstanden.

Mit Schreiben vom 21.06.2010 wurde der Kläger aufgefordert, am 28.06.2010 in der Außenstelle A-Stadt vorzusprechen. Es solle ein Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation des Klägers geführt werden. Dem Schreiben war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, mit der der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass das Arbeitslosengeld II nochmals um 100 v. H. der Regelleistung für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werde, wenn er ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leiste. Seine Leistungen seien bereits mit Bescheid vom 14.06.2010 für die Monate Juli bis September 2010 um 90 v. H. gekürzt worden.

Mit Schreiben vom 28.06.2010 wurde der Kläger nach § 24 SGB X zu einer beabsichtigten Sanktion angehört, da er der Einladung zu dem Termin am 28.06.2010 nicht ausreichend nachgekommen sei. Er sei zwar erschienen, sei aber dem Einladungszweck nicht nachgekommen, da er ohne Worte das Einladungsschreiben auf den Schreibtisch des Sachbearbeiters gelegt habe und das Zimmer wieder verlassen habe. Nachdem eine Äußerung des Klägers nicht erfolgte, minderte der Beklagte mit Bescheid vom 16.07.2010 das Arbeitslosengeld II des Klägers vom 01.08.2010 bis zum 31.10.2010 um 100 v. H. der Regelleistung nach § 31 Abs. 2, Abs.3 S. 3 und Abs. 4 SGB II. Hieraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von monatlich 359 EUR. Die bisherige Bewilligungsentscheidung würde insoweit aufgehoben.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 26.07.2010 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.07.2010 ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf § 31 Abs. 2, Abs. 3 S. 3 SGB II. Diese Vorschrift bestimme, dass bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 (Meldeversäumnis) das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Dies gelte nur dann nicht, wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten des Widerspruchsführers vorliege. Der Kläger mache zwar geltend, dass die Vorschrift verfassungswidrig sei, der Beklagte sei jedoch an die Gültigkeit der Norm gebunden, da das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt habe, dass eine Verfassungswidrigkeit der Norm vorliege. Der Widerspruchsführer sei auch seiner Meldepflicht nicht nachgekommen. Er sei zwar am 28.06.2010 beim Arbeitsvermittler erschienen, der Meldezweck habe durch das Erscheinen aber nicht erreicht werden können, weil er das Zimmer nach wenigen Sekunden wortlos wieder verlassen habe. Der Meldezweck der Meldeaufforderung sei auch rechtmäßig gewesen. Ein wichtiger Grund des Widerspruchsführers sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit vorgetragen werde, dass die Sanktionsentscheidung bereits deshalb rechtswidrig sei, weil nicht zugleich über die Gewährung von Lebensmittelgutscheinen entschieden worden sei, sei dies rechtlich nicht zutreffend. Die Entscheidung über die Gewährung von Sachleistungen könne getrennt erfolgen.

Am 05.10.2010 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut und beantragte den Sanktionsbescheid aufzuheben und sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu berücksichtigen. Er sei seiner Meldepflicht nachgekommen, da er zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort erschienen wäre.

Mit Urteil vom 18.04.2011 wies das Sozialgericht Landshut die Klage ab. Der Sanktionsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger sei einer Meldeaufforderung nicht nachgekommen. Allein die physische Präsenz für einen sehr kurzen Zeitraum ohne jede weitere Mitwirkung seitens des Hilfebedürftigen führe nicht dazu, dass die Meldepflicht in ausreichendem Umfang erfüllt werde. Neben der tatsächlichen Meldung sei Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Meldung, dass auch der Meldezweck erreicht werde. Der Meldezweck (Gespräch über das Bewerberangebot beziehungsweise über die berufliche Situation) sei durch das Verhalten des Klägers vereitelt worden. Der Kläger sei über die Rechtsfolgen auch konkret, individuell, verständlich und richtig belehrt worden. Einen wichtigen Grund im Sinne von § 31 Abs. 2 SGB II habe der Kläger nicht nachgewiesen. Auch der Umfang der Absenkung sei nicht zu beanstanden. Die Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen andererseits seien eigenständige Verwaltungsentscheidungen und nicht miteinander verknüpft. Der Beklagte habe Beginn und Dauer des Sanktionszeitraums zutreffend festgestellt.

Der Kläger hat gegen die Urteile des Sozialgerichts Landshut Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben und insbesondere die Verletzung seines Existenzminimums geltend gemacht. § 31 SGB II a. F. stehe nicht im Einklang mit dem Grundgesetz, er verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot, insbesondere wenn die Leistungskürzungen die Kosten der Unterkunft umfassen würden, außerdem sei er seiner Meldepflicht nachgekommen, da er erschienen sei. Er sei im Übrigen erwerbsunfähig.

Über den Gesundheitszustand und die Frage der Steuerungsfähigkeit des Klägers hat der Senat ein Gutachten der Psychiaterin Frau Dr. D. eingeholt, das diese am 29.08.2013 erstattet hat. Frau Dr. D. hat bei dem Kläger eine paranoide Persönlichkeitsstörung, einen Zustand nach metastasierendem Melanom sowie Funktionsstörungen und Schmerzen des rechten Armes und der Schulter festgestellt. Der Kläger könne mehr als 3 Stunden täglich leichte Arbeiten ohne besondere fachliche Anforderungen verrichten und sei durch diese Gesundheitsstörungen nicht daran gehindert, einen Meldetermin beim Beklagten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Er sei insbesondere dazu in der Lage sein Verhalten willentlich zu steuern. Dies begründe sich in der Tatsache, dass sich der Kläger bei der jetzigen Begutachtungssituation kooperativ und situationsadäquat verhalten habe.

In der mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 hat der Kläger erklärt, dass er immer pünktlich zu Vorspracheterminen erschienen sei. Er könne sich nicht erklären, warum sich aus den Akten der Beklagten eine 20-minütige Verspätung ergebe. Er könne sich allerdings daran erinnern, dass er ohne Zeugen nicht zur Vorsprache habe kommen wollen.

Der Kläger hat beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.08.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 07.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2010 und das Urteil des Sozialgerichts vom 17.08.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2010, sowie das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18.04.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 16.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2010 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Verfahrensakte L 6 R 643/08 des Bayerischen Landessozialgerichts, die Akten des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Gründe

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren.

Die frist- und formgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), jedoch unbegründet.

Streitgegenstand ist die Höhe der vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.10.2010.

Streitgegenstand der Klagen des Klägers ist, die Leistungen nach dem SGB II ungekürzt bzw. nicht abgesenkt zu erhalten. Ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Perspektiven für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungshemmnissen - Jobperspektive vom 10.10.2007 - BGBl I 2327 (a. F.) stellt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keinen abtrennbaren Streitgegenstand dar, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann (BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, Rn. 12).

Der Beklagte hat die Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 19.05.2010 für die Monate Juni bis November 2010 bewilligt. In den Monaten Juni bis April 2010 berücksichtigte der Beklagte die Absenkung der Regelleistung um 70 v. H., die mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 ausgesprochen wurde. Dieser Bescheid ist im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu überprüfen, da er für die Beteiligten nach § 77 SGG bindend ist.

1. Die mit Bescheid vom 07.05.2010 verfügte Sanktion beruht auf § 31 SGB II a. F.

Der Sanktionsbescheid vom 07.05.2010 und der Bewilligungsbescheid vom 19.05.2010 bilden eine rechtliche Einheit hinsichtlich der Leistungsbewilligung für die Monate Juni bis August 2010 (vgl. BSG, Urteil vom 22.02.2010, B 4 AS 68/09 R, juris, Rn. 9). Der Bewilligungsbescheid war insoweit auch vom Widerspruchsbescheid erfasst. Um das Klageziel, die Gewährung ungekürzter Leistungen nach dem SGB II zu erreichen, ist die richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Eine solche hat der Kläger nicht ausdrücklich erhoben, der Senat legt jedoch seinen Antrag im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes entsprechend aus, da er im gesamten Berufungsverfahren ausreichend deutlich gemacht hat, dass es ihm um eine ungekürzte Auszahlung der vollen Leistungen nach dem SGB II gehe.

Anzuwenden sind vorliegend die leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (§ 77 Abs. 12 SGB II). Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 v. H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist (§ 31 Abs. 2 SGB II). Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 2 wird das Arbeitslosengeld II um den Vomhundertsatz gemindert, der sich aus der Summe des in Abs. 2 genannten Vomhundertsatzes und dem der jeweils vorangegangenen Absenkung nach Abs. 2 zugrunde liegenden Vomhundertsatz ergibt (§ 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II i.d.F des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 - BGBl I 1706).

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II, das den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 19 Abs. 1 SGB II). Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II. An seiner Erwerbsfähigkeit i. S. d. § 8 Abs. 1 SGB II bestehen, nach Einholung des Gutachtens von Frau Dr. D. und nach Durchführung des Rentenverfahren vor dem 6. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts keine Zweifel. Er ist hilfebedürftig i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. §§ 9, 11, 12 SGB II. Der alleinstehende Kläger verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über kein eigenes Einkommen oder berücksichtigungsfähiges Vermögen.

1.1. Mit Schreiben vom 16.02.2010 wurde der Kläger unter Angabe des Meldezwecks zu einem Gespräch über das Bewerberangebot/seine berufliche Situation zu einer Vorsprache beim Beklagten aufgefordert. Dieses Schreiben stellt eine wirksame Meldeaufforderung dar, von der der Kläger Kenntnis hatte und die ihm verdeutlichte, welches Verhalten von ihm gefordert wurde (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 31 Rn. 26, bzw. S.Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 32 Rn. 12, m. w. N.).

Die Meldeaufforderung enthielt den Zweck, den Zeitpunkt und den Ort der Meldung. Es wurde hinreichend bestimmt dargelegt, welches Verhalten vom Kläger erwartet wird, nämlich ein Gespräch über seine persönliche Bewerbungssituation mit seinem Arbeitsvermittler zu führen, um ihn wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

1.2. Die Meldeaufforderung war auch mit ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung versehen. Die Rechtsfolgenbelehrung muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes konkret, richtig und vollständig sein und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgen (vgl. die Nachweise in dem Urteil des BSG vom 18.2.2010 - B 14 AS 53/08 R - BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr. 5 Rn. 19). Sie soll dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens ergeben, wenn er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten geltend machen kann. Hintergrund dieser strengen Anforderungen ist, dass nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung den hinter den Sanktionen stehenden Zweck, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen kann (BSG, Urteil vom 09.11.2010, B 4 AS 27/10 R, juris, Rn. 26). In der dem Kläger erteilten Rechtsfolgenbelehrung war nicht die konkrete Höhe der Minderung des Leistungsanspruchs angeführt. Sie enthielt lediglich die Angabe eines Prozentsatzes, um den die ihm zustehende Regelleistung abgesenkt werde. Der Senat sieht diese Angabe als ausreichend an, um den Kläger die unmittelbaren und konkreten Auswirkungen der Sanktion zu verdeutlichen. Es nicht notwendig, dass dem Kläger der konkrete, verbleibende Auszahlungsbetrag oder der einzubehaltende Betrag ausdrücklich genannt wird. Dem Kläger ist es zumutbar eine einfache Rechenoperation durchzuführen und die konkrete Höhe der verbleibenden Leistungen aus den Angaben des Beklagten zu entnehmen.

1.3. Bei der Verpflichtung, einen Meldetermin wahrzunehmen, handelt es sich um eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten, die zum einen an die allgemeine Obliegenheit zum persönlichen Erscheinen und zu Untersuchungen (§§ 61f SGB I - Sozialgesetzbuch Erstes Buch) anknüpft, zum anderen an die allgemeine Meldepflicht in § 309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), dessen entsprechende Anwendung der Gesetzgeber in § 59 SGB II angeordnet hat und die sich als Ausformung der umfassenden Mitwirkungsobliegenheit des § 2 SGB II über die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten hinaus auch auf Sozialgeldbezieher bezieht. Diese Obliegenheit besteht nur dann, wenn sie für die Entscheidung über die Leistungsgewährung oder über erforderliche Maßnahmen angezeigt beziehungsweise erforderlich ist. (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar (LPK) - SGB II, § 32, Rn. 5).

Der Kläger hat gegen diese Obliegenheit verstoßen, da er nicht ordnungsgemäß zum Meldetermin erschienen ist. Ein Meldeversäumnis liegt vor, wenn der Hilfeempfänger sich nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort meldet, der in der Aufforderung genannt ist. Vorliegend sollte sich der Kläger beim Arbeitsvermittler um 9:30 Uhr in einem bestimmten Raum melden. Eine 20-minütige verspätete Vorsprache im Eingangsbereich des Beklagten stellt keine ordnungsgemäße Wahrnehmung des Meldetermins dar, wenn es anschließend nicht zu einer Nachholung des Termins beim Arbeitsvermittler kommt. Hierzu war der Kläger nicht bereit, da er den Termin nicht ohne Zeugen wahrnehmen wollte.

1.4. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist wegen der strukturellen Ähnlichkeit des § 31 SGB II a. F. zum Sperrzeittatbestand des § 144 Abs. 1 S. 2 SGB III auch im Rahmen des § 31 Abs. 2 SGB II a. F. die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu prüfen (BSG, a. a. O., m. w. N.) Der Verstoß gegen die Meldeaufforderung ist dem Kläger subjektiv vorwerfbar. Insbesondere kann er sich nicht auf gesundheitliche Gründe berufen, wonach er nicht dazu in der Lage war, einen Meldetermin ordnungsgemäß wahrzunehmen und sich den Anforderungen an einen normalen zwischenmenschlichen Umgang entsprechend zu verhalten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Psychiaterin Frau Dr. D ... Der Kläger ist trotz seiner Persönlichkeitsstörung dazu in der Lage, einen Vorsprachetermin ordnungsgemäß wahrzunehmen und sein Verhalten entsprechend zu steuern. Er ist nicht krankheitsbedingt daran gehindert, einen Meldetermin und den damit verbundenen Anforderungen gerecht zu werden. Damit hat der Kläger pflichtwidrig gegen seine Obliegenheit zur Meldung beziehungsweise zum Erscheinen beim Arbeitsvermittler verstoßen.

1.5. Einen wichtigen Grund für das Meldeversäumnis hat der Kläger nicht geltend gemacht. Die Angabe, dass er den Termin nur unter Anwesenheit eines Zeugen wahrnehmen wolle, stellt keinen wichtigen Grund dar. Der Kläger war nicht daran gehindert mit einem Zeugen zu dem Termin zu erscheinen. Aus § 13 Abs. 4 SGB X ergibt sich, dass er jederzeit berechtigt ist, zu einem Vorsprachetermin einen Beistand mitzubringen. Tut er dies nicht, obwohl er rechtzeitig von dem Termin wusste, kann er nicht mit dem Argument gehört werden, den Termin nur mit einem Zeugen wahrzunehmen.

1.6. Die Absenkung der Regelleistung um 80 v.H setzt voraus, dass zuvor eine vorangegangene Pflichtverletzung jeweils mit einem Absenkungsbescheid der niedrigeren Stufe sanktioniert wurde und dieser dem Hilfebedürftigen bekannt gegeben d. h. zugestellt worden ist (BSG, a. a. O., Rn. 19). Dies ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, aber aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung. § 31 SGB II a. F. differenziert danach, ob es sich um eine erstmalige, eine erste wiederholte oder eine weitere wiederholte Pflichtverletzung handelt. Eine Sanktionierung durch Festlegung eines erhöhten Absenkungsbetrages soll nach dem Willen des Gesetzgebers erst dann zur Anwendung kommen, wenn dem Hilfebedürftigen in einem vorangegangenen Absenkungsbescheid die Konsequenzen seines Handelns vor Augen geführt wurde (BSG a. a. O., Rn. 20, Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 31 Rn. 86). In der ab dem 01.04.2011 geltenden Neuregelung der Meldeversäumnisse ist nunmehr in § 31a Abs. 1 SGB II ausdrücklich geregelt, dass eine wiederholte Pflichtverletzung nur vorliegt, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Diese gesetzliche Regelung stellt nach der amtlichen Begründung keine Rechtsänderung dar, sondern will Rechtsklarheit schaffen (vgl. BT-Drs. 17/3404, Seite 111).

Vorliegend wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.02.2010 ein Meldeversäumnis vom 18.01.2010 festgestellt und die Regelleistung des Klägers um 70 v. H. abgesenkt. Diesen Bescheid hat der Kläger spätestens am 09.02.2010 erhalten. Somit stellt das Meldeversäumnis vom 23.02.2010 eine weitere wiederholte Pflichtverletzung dar und führt zu einer Absenkung der Regelleistung um 80 v. H.

Somit hat der Beklagte die Regelleistung mit Bescheid vom 19.05.2010 ordnungsgemäß festgesetzt. Auch einen höheren Anspruch auf Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II als die vom Beklagten übernommenen 135 EUR hat der Kläger nicht geltend gemacht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, das weitere Kosten angefallen sind. Ebenso wenig sind Ansprüche nach § 23 SGB II a. F. ersichtlich.

2. Die angefochtenen Bescheide vom 14.06.2010 und 16.07.2010 haben ihre Rechtsgrundlage in § 48 SGB X, § 31 Abs. 6 SGB II a. F.

Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Eintritt vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung ist (mit Wirkung für die Zukunft) eingetreten, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 und 3 SGB II a. F. für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II vorgelegen haben.

2.1. Die Meldeaufforderung vom 11.05.2010 stellt eine wirksame Meldeaufforderung dar, die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war (vgl. oben).

Der Kläger erschien zum Meldetermin nicht und machte nachträglich gesundheitliche Gründe für das Nichterscheinen geltend. Einen Nachweis für seine Krankheit, die zur Unfähigkeit zu dem Meldetermin zu erscheinen geführt haben soll, hat er nicht vorgelegt, obwohl er aufgefordert wurde, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Es ist zwar nicht zwingend notwendig, das krankheitsbedingte Nichterscheinen durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzuweisen (vgl. BSG a. a. O. Rn. 32), da auch andere Nachweismöglichkeiten denkbar sind. Der Kläger hat den geltend gemachten wichtigen Grund jedoch auch in anderer Form nicht nachgewiesen; die bloße Behauptung ist nicht ausreichend. Dem Senat war es auch nicht möglich, weitere Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen, da der Kläger nach eigenen Angaben keinen Arzt aufgesucht hat. Der Kläger hatte von dem Meldetermin Kenntnis und hätte sich im Vorfeld um eine rechtzeitige Transportmöglichkeit kümmern müssen. Weder der leere Pkw-Tank, noch die Mitfahrgelegenheit erst am Nachmittag können die Annahme eines wichtigen Grundes i. S.v. § 31 SGB II rechtfertigen.

Auch dieses Meldeversäumnis stellt eine wiederholte weitere Pflichtverletzung dar und führt somit zu einer Absenkung der Regelleistung um 90 v.H, da bereits zuvor mit Bescheid vom 07.05.2010 eine Absenkung um 80 v.H der Regelleistung festgestellt worden ist.

2.2. Auch die Meldeaufforderung vom 28.06.2010 stellt eine wirksame Meldeaufforderung dar, die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war (vgl. oben).

Der Kläger erschien zum Meldetermin, verhinderte jedoch durch sein Verhalten, dass der Arbeitsvermittler mit ihm über sein Bewerberangebot und seine berufliche Situation sprechen konnte. Er ist zwar erschienen, legte jedoch lediglich das Einladungsschreiben auf den Schreibtisch des Arbeitsvermittlers und verließ anschließend den Raum ohne ein Gespräch zuzulassen. Der mit der Meldung verfolgte Zweck wurde durch das Verhalten des Klägers nicht erreicht. Dieses vom Kläger bewusst herbeigeführte Nicht-Erreichen des Meldezwecks steht einem nicht wahrgenommenen Meldetermin gleich, da ein Meldetermin nur dann ordnungsgemäß wahrgenommen wird, wenn dessen Zweck erfüllt wird. Der Kläger kann für sein Verhalten keinen wichtigen Grund geltend machen, da er nach den Feststellungen der Psychiaterin Dr. D. dazu in der Lage war den Meldezweck zu erkennen, zu verstehen und sein Verhalten ausreichend zu steuern. Dies wurde durch den persönlichen Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf den Senat gemacht hat, bestätigt.

Auch dieses Meldeversäumnis stellt eine wiederholte weitere Pflichtverletzung dar und führt somit zu einer Absenkung der Regelleistung um 100 v.H, da bereits zuvor mit Bescheid vom 14.06.2010 eine Absenkung um 90 v.H der Regelleistung festgestellt worden war.

3. Die Sanktionsbescheide sind nicht deshalb rechtswidrig, weil nicht zugleich mit der Entscheidung über die Sanktionen eine Entscheidung über die Bewilligung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II a. F. getroffen wurde. Die Leistungserbringung nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II steht im Ermessen des Beklagten. Sie erfordert stets eine Einzelfallbetrachtung, da es möglich ist, dass ein Hilfebedürftiger seinen Bedarf im Sanktionszeitraum auf andere Weise decken kann. Mit dem Hinweis in dem Bescheid, dass auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von Lebensmittel Gutscheinen - gewährt werden, wurde dem Gesetzeszweck des § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II ausreichend Rechnung getragen. Es besteht keine Verpflichtung des Beklagten, zeitgleich mit dem Erlass des Sanktionsbescheides auch über die Erbringung ergänzender Sachleistungen zu entscheiden (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 21.06.2012, L 7 AS 4298/11, Rn. 40, m. w. N.).

4. Der Beklagte hat auch verhältnismäßig gehandelt. Die Entscheidung nach § 31 SGB II a. F., den Kläger zu sanktionieren stellt eine gebundene Verwaltungsentscheidung dar. Bei einem Meldeversäumnis ist zwingende Rechtsfolge die Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 10 v. H. Eine Ausnahme von dieser Rechtsfolge gilt nur, wenn der Leistungsberechtigte für sein Verhalten einen "wichtigen Grund" geltend machen kann. Das SGB II stellt den Grundsatz des "Förderns und Forderns" in den Vordergrund (§§ 2, 14 SGB II). Der Beklagte soll die Leistungsempfänger in Arbeit vermitteln und sie entsprechend fördern. Hieraus ergibt sich, dass es, solange ein Gespräch mit dem Arbeitsvermittler nicht zu Stande gekommen ist, nicht unverhältnismäßig ist, wenn der Kläger immer wieder aufgefordert wird, an einem Vermittlungsgespräch mitzuwirken, um das Ziel, den Kläger in Arbeit zu vermitteln, zu erreichen. Der Senat kann noch keine unverhältnismäßig hohe Einladungsdichte erkennen.

5. Der Senat hat außerdem keine verfassungsrechtlichen Bedenken dahingehend, dass § 31 SGB II a. F. gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) hergeleitet wird, verstößt. Diese ergeben sich auch nicht mit Rücksicht auf die Ausführungen des BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 zum grundrechtlich gewährleisteten Existenzminimum (BVerfGE 125, 175). Dem Grundgesetz ist nämlich kein Normbefehl auf Gewährung von voraussetzungslosen steuerfinanzierten Staatsleistungen zu entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 1 BvR 2556/09, SozR 4-4200 § 11 Nr. 33, S.Knickrehm/Hahn, Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31 Rn. 7). Auch steht das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum einem abgestuften Sanktionssystem mit Leistungsabsenkung bei bestimmten Pflichtverletzungen nicht entgegen. Durch den Verweis auf den alternativen Bezug von ergänzenden Sachleistungen bleibt das verfassungsrechtlich verbürgte physische Existenzminimum gewahrt (so Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II K § 31, Rn. 39). Gesichert muss lediglich sein, dass die grundgesetzlich geschützten Grundbedürfnisse befriedigt werden können. Wohnungslosigkeit, mangelnde Gesundheitsvorsorge und soziale Isolierung müssen verhindert werden.

Dem Kläger wurden im streitigen Zeitraum stets ergänzende Sachleistungen gewährt. Dem Gesetzgeber steht es frei, in welcher Art und Weise er das Existenzminimum sichert. Dies kann durch das Bereitstellen von Geldleistungen geschehen, es ist aber auch möglich, Sachleistungen in Form von Gutscheinen wie im Fall des Klägers während der Sanktionen geschehen, zu erbringen. Das Existenzminimum wird dann durch eine Kombination von Sach- und Geldleistungen gesichert. Nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II a. F. steht es im Ermessen des Beklagten, bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 v. H. in angemessenem Umfang ergänzend Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen (BT-Drs. 15/1516, S. 61). Wie hoch im konkreten Einzelfall diese ergänzenden Sachleistungen sind, hängt vom Umfang und Dauer der Sanktionen ab. Je höher die Sanktion ist und je länger sie andauert, desto bedeutender wird auch die Gewährung von Sachleistungen in Form von Gutscheinen sein. Der Beklagte muss bei weitreichenden Sanktionen wie vorliegend stets berücksichtigen, dass er verpflichtet ist, dem Kläger ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Dies kann er vor dem Hintergrund des Grundrechtes auf Gewährung des menschenwürdigen Existenzminimums nur erreichen, indem er bei weitreichenden Sanktionen besonders sorgfältig prüft, in welcher Höhe und in welcher Form die ergänzenden Sachleistungen nach § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II a. F. zu gewähren sind. Hierbei wird er sich nicht auf die Gewährung von Lebensmittelgutscheinen beschränken können, sondern wird entsprechend seiner Pflicht, das menschenwürdige Existenzminimum zu sichern, gegebenenfalls weitere Sachleistungen gewähren. Ob die vom Beklagten gewährten Sachleistungen in ausreichender Höhe ausgereicht wurden, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

Da der Kläger im streitigen Zeitraum stets Sachleistungen erhalten hat, war auch sein Kranken- und Pflegeversicherungsschutz gewährleistet.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die Sanktionen auch die Leistungen für die Kosten der Unterkunft betroffen haben, ist dies nicht zutreffend.

Aus diesen Gründen sind die Berufungen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor, da die maßgeblichen Rechtsvorschriften zwischenzeitlich aufgehoben wurden.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis

1.
sich weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen,
2.
sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern,
3.
eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben.
Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn

1.
sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Bürgergeldes nach § 19 Absatz 1 Satz 1 herbeizuführen,
2.
sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,
3.
ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, oder
4.
sie die im Dritten Buch genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Der Auszahlungsanspruch mindert sich mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. In den Fällen des § 31 Absatz 2 Nummer 3 tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit oder mit dem Erlöschen des Anspruchs nach dem Dritten Buch ein. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig.

(2) Der Minderungszeitraum beträgt

1.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 1 einen Monat,
2.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 2 zwei Monate und
3.
in den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 3 jeweils drei Monate.
In den Fällen des § 31a Absatz 1 Satz 6 ist die Minderung ab dem Zeitpunkt der Pflichterfüllung oder der Erklärung der Bereitschaft zur Pflichterfüllung aufzuheben, soweit der Minderungszeitraum mindestens einen Monat betragen hat, andernfalls nach Ablauf dieses Monats.

(3) Während der Minderung des Auszahlungsanspruchs besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches.

(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.