Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 22. Aug. 2016 - L 5 KR 274/16 B ER
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg
II.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
III.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für beide Rechtszüge ab Antragstellung bewilligt und Frau Rechtsanwältin B., B-Straße, B-Stadt beigeordnet.
Gründe
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 22. Aug. 2016 - L 5 KR 274/16 B ER zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen
- 1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, - 2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn - a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, - b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder - c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
- 3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193, - 4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
Tenor
-
1. Der Beschluss des Landessozialgerichts für das Saarland vom 5. Mai 2015 - L 3 KA 1/14 ER - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht für das Saarland zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Landessozialgerichts für das Saarland vom 20. Juli 2015 - L 3 KA 1/15 RG - gegenstandslos.
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2. Das Saarland hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
-
3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 15.000 € (in Worten: fünfzehntausend Euro) festgesetzt.
Gründe
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine sozialgerichtliche Eilentscheidung auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts sowie die dazugehörige Entscheidung über eine Gehörsrüge.
- 2
-
1. Die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) sind als Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beschwerdeführer zu 1) bis 3) haben sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Berufsausübungsgemeinschaft, der Beschwerdeführerin zu 5), zusammengeschlossen und betreiben in N. ein Dialysezentrum. Der Beschwerdeführer zu 4) ist ebenfalls als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie tätig und will sich der Berufsausübungsgemeinschaft anschließen.
- 3
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Das am Ausgangsverfahren beteiligte Medizinische Versorgungszentrum (im Folgenden: MVZ) betreibt in N. eine Nebenbetriebsstätte, in der Leistungen der zentralisierten Heimdialyse erbracht werden. Für die Nebenbetriebsstätte wurde nach Inkrafttreten der Anlage 9.1 des Bundesmantelvertrags für Ärzte (BMV-Ä) nach Abs. 3 Satz 3 des Anhangs 9.1.5 zur Anlage 9.1 BMV-Ä eine Übergangsgenehmigung für die Dauer von 10 Jahren erteilt. Die Genehmigung endete zum 30. Juni 2012.
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2. Auf Antrag des MVZ verlängerte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Genehmigung zum Betrieb der Nebenbetriebsstätte mit Bescheid vom 12. Juli 2011 um weitere 10 Jahre. Neben der Nebenbetriebsstätte in N. betrifft der Bescheid noch eine weitere, in S. gelegene, Nebenbetriebsstätte. Nachdem gegen die Verlängerung der Genehmigung für die Nebenbetriebsstätte in S. Widerspruch eingelegt worden war, ordnete die Kassenärztliche Vereinigung mit Bescheid vom 9. Juli 2012 unter dem Betreff "Nebenbetriebsstätte … S." die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 12. Juli 2011 an.
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Im September 2012 legten die Beschwerdeführer Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Juli 2011 ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2013 zurückgewiesen wurde. Die dagegen von den Beschwerdeführern zum Sozialgericht erhobene Klage hatte Erfolg. Gegen das Urteil des Sozialgerichts legte das MVZ Berufung ein, über welche noch nicht entschieden worden ist.
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Im April 2014 stellten die Beschwerdeführer beim Landessozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und beantragten, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen. Hilfsweise beantragten sie, die Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen formeller Fehler aufzuheben. Zur Begründung ihres Hilfsantrags führten die Beschwerdeführer insbesondere aus, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig sei, weil sich die Begründung nur auf die Nebenbetriebsstätte in S. und nicht auch auf die Nebenbetriebsstätte in N. beziehe.
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Mit angegriffenem Beschluss vom 5. Mai 2015 lehnte das Landessozialgericht den Antrag der Beschwerdeführer ab. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass von einem offenen Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache auszugehen sei. Die durchzuführende Folgenabwägung gehe zulasten der Beschwerdeführer aus. Die Zurückweisung des hilfsweise gestellten Antrags, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, begründete das Landessozialgericht damit, dass der Antrag nicht statthaft sei.
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Gegen den Beschluss des Landessozialgerichts erhoben die Beschwerdeführer Anhörungsrüge und wandten unter anderem ein, dass das Landessozialgericht ihren Vortrag zu den formellen Fehlern der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht berücksichtigt habe. Das Landessozialgericht hätte den Vortrag zum (unstatthaften) Hilfsantrag in eine weitere Begründung des Hauptantrags umdeuten und sich mit den Ausführungen zur behördlichen Begründung der Vollziehungsanordnung inhaltlich auseinandersetzen müssen.
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Mit Beschluss vom 20. Juli 2015 wies das Landessozialgericht die Anhörungsrüge der Beschwerdeführer als unbegründet zurück. Soweit die Beschwerdeführer meinten, der Senat hätte den Hilfsantrag nicht als unstatthaft zurückweisen dürfen beziehungsweise in eine weitere Begründung zum Hauptantrag umdeuten müssen, werde dem Senat nur eine falsche Rechtsanwendung, nicht aber eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorgeworfen.
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II.
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1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, bezüglich der Beschwerdeführerin zu 5) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. Zur Begründung tragen sie insbesondere vor, dass der angegriffene Beschluss bewusst die Ausführungen der Beschwerdeführer zur formellen Rechtswidrigkeit der behördlichen Sofortvollzugsanordnung übergehe. Die Ausführungen hätten sich in der Begründung des Hilfsantrags befunden, der als Minus zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf die bloße Aufhebung der behördlichen Sofortvollzugsanordnung gerichtet gewesen sei. Es sei zwar vertretbar, diesen Hilfsantrag als unstatthaft zurückzuweisen. Das Gericht hätte aber den Vortrag zur formellen Rechtswidrigkeit der behördlichen Sofortvollzugsanordnung im Rahmen des Hauptantrags berücksichtigen müssen. Selbst auf die Anhörungsrüge hin habe das Gericht die gebotene Umdeutung verweigert. Die Entscheidung beruhe auch auf dieser Missachtung des Vortrags der Beschwerdeführer, weil eine andere Entscheidung anderenfalls wahrscheinlich gewesen wäre.
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2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Der Regierung des Saarlandes, dem Präsidenten des Bundessozialgerichts, der Ärztekammer des Saarlandes, der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V., der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Anwaltverein e.V. sowie den Beteiligten des Ausgangsverfahrens wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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III.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführer aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.
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1. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführer in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, bezüglich der Beschwerdeführerin zu 5) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.
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a) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 84, 188 <190> m.w.N.). Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 60, 175 <210>; 86, 133 <144>; stRspr). Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befassten Richter zudem, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 21, 191 <194>; 96, 205 <216>; stRspr). Bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbringen der Beteiligten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dies geschehen ist. Hierbei ist das Gericht nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt (vgl. BVerfGE 69, 145 <148 f.>; 70, 288 <294>; 96, 205 <216>). Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl. BVerfGE 64, 1 <12>).
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Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen liegt hiernach dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 <295 f.>; 70, 288 <293>; 86, 133 <145 f.>; stRspr). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>; 86, 133 <146>), sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des erkennenden Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 86, 133 <146>).
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b) Gemessen daran hat das Landessozialgericht den Gehörsanspruch der Beschwerdeführer aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
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aa) Die Beschwerdeführer haben im Rahmen ihrer Antragsschrift beim Landessozialgericht zu formellen Fehlern der Anordnung der sofortigen Vollziehung vorgetragen. Insbesondere haben sie hierzu im Rahmen der Begründung des ersten Hilfsantrags ausgeführt, dass die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung mangelhaft sei. Denn sie setze sich nicht mit der Nebenbetriebsstätte in N. auseinander, sondern beziehe sich nur auf die Nebenbetriebsstätte in S.
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bb) Ob die Anordnung des Sofortvollzugs an formellen Fehlern leidet, ist im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz eine Frage von zentraler Bedeutung. Im Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hat das Gericht die behördliche Anordnung stets formell und materiell zu prüfen (vgl. BVerfGK 16, 320 <324>). An die behördliche Begründung des Sofortvollzugs werden hohe Anforderungen gestellt; sie kann nach herrschender Meinung nicht mit heilender Wirkung nachgeholt werden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86a Rn. 21b f.). Eine fehlende oder unzureichende Begründung des Sofortvollzugs führt zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zur Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs (str.; vgl. zum Meinungsstand Keller, a.a.O., § 86a Rn. 21b).
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Vorliegend steht der Erheblichkeit des Vortrags der Beschwerdeführer nicht entgegen, dass die Ausführungen im Rahmen der Begründung des Hilfsantrags gemacht wurden. Das Gericht muss grundsätzlich das gesamte Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis nehmen. Anderes gilt nur dann, wenn das Prozessrecht ausnahmsweise die Nichtberücksichtigung des Vorbringens zulässt. Vorliegend durfte das Landessozialgericht zwar die Begründetheit des Hilfsantrags ungeprüft lassen, weil es (vertretbar) von dessen Unstatthaftigkeit ausgegangen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gericht auch den Vortrag zur Begründung des Hilfsantrags unberücksichtigt lassen durfte. Ist der Vortrag zum Hilfsantrag - wie hier - auch für den statthaften Hauptantrag erheblich, muss das Gericht ihn in seine Erwägungen zum Hauptantrag mit einbeziehen. Dies gilt jedenfalls in den vom Grundsatz der Amtsermittlung und Fürsorgepflichten geprägten Verfahren vor den Sozialgerichten.
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cc) Unter Berücksichtigung dessen verstößt die angegriffene Entscheidung des Landessozialgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar begründet nach den oben (unter a) dargestellten Maßstäben das bloße Schweigen des Gerichts zu einem bestimmten Vorbringen der Beteiligten für sich betrachtet noch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht sämtlichen Vortrag berücksichtigt und erwogen hat, auch wenn es hierauf im Einzelnen nicht ausdrücklich in den Entscheidungsgründen eingeht. Vorliegend lassen jedoch besondere Umstände den Schluss zu, dass das Landessozialgericht die Ausführungen der Beschwerdeführer zur fehlenden Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Bezug auf die Nebenbetriebsstätte in N. nicht zur Kenntnis genommen oder aber jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat. Denn trotz der zentralen Bedeutung der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage lassen sich der Entscheidung keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich das Landessozialgericht mit dem Vortrag der Beschwerdeführer befasst hat. Bereits dies lässt auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen.
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Dass das Gericht den Vortrag der Beschwerdeführer zur formellen Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht erwogen hat, wird zudem aufgrund der Ausführungen des Gerichts im Beschluss über die Anhörungsrüge deutlich. Anders lassen sich die Ausführungen des Gerichts nicht erklären. Die Rüge der Beschwerdeführer, ihr Vortrag zu formellen Fehlern hätte als Vortrag zum Hauptantrag umgedeutet werden müssen, wird mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich um den Vorwurf falscher Rechtsanwendung und nicht um eine Gehörsrüge. Damit gibt das Gericht zu erkennen, dass es sich inhaltlich nicht mit dem Vortrag der Beschwerdeführer befasst hat, was wiederum auf die Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens schließen lässt.
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2. Die Entscheidung des Landessozialgerichts beruht auch auf dem Gehörsverstoß (vgl. hierzu BVerfGE 7, 239 <241>; 13, 132 <145>; 52, 131 <152 f.>; 89, 381 <392 f.>). Hätte das Landessozialgericht den Vortrag der Beschwerdeführer beachtet, ist nicht auszuschließen, dass es zu einem anderen, für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Denn nach dem Vortrag der Beschwerdeführer leidet die Anordnung der sofortigen Vollziehung an erheblichen Mängeln, weil die Begründung keine Erwägungen zur betroffenen Nebenbetriebsstätte in N. enthält. Der Beschluss über die Anhörungsrüge beruht ebenfalls auf dem Gehörsverstoß, weil er den Gehörsverstoß perpetuiert.
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3. Angesichts der festgestellten Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, bezüglich der Beschwerdeführerin zu 5) in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, bedürfen die weiteren von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen keiner Entscheidung.
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IV.
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1. Der Beschluss des Landessozialgerichts vom 5. Mai 2015 ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landessozialgericht zurückzuverweisen. Der die Anhörungsrüge zurückweisende Beschluss des Landessozialgerichts wird damit gegenstandslos.
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2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.
(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben
- 1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben, - 2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung), - 3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben, - 4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.
(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.
(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.
(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.