Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Okt. 2018 - L 9 EG 11/17

bei uns veröffentlicht am23.10.2018

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. April 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft das Begehren der Klägerin, für Betreuung und Erziehung ihres Sohns N. Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu erhalten.

Die 26-jährige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und mit dem USamerikanischen Staatsbürger L. A. verheiratet (Eheschließung ...2014), der Angehöriger der US-Streitkräfte ist (Stationierung in G-Stadt). Bis einschließlich Juli 2014 war sie Schülerin der N. Fremdsprachenschule gewesen (Ausbildung zur staatlich geprüften Fremdsprachenkorrespondentin). Seit 01.08.2011 hatte sie in einem Minijob (acht Wochenstunden) als Regalauffüllerin gearbeitet. Im Zuge dessen war die Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Am ...2014 wurde der gemeinsame Sohn L. geboren. In der Zeit um die Geburt war die Klägerin bei der DAK familienversichert. Etwa fünf Monate vor L.s Geburt hatte sie die Tätigkeit als Regalauffüllerin aufgrund eines betriebsbedingten Beschäftigungsverbots beendet.

Der Beklagte hatte für L. zunächst die Gewährung von Elterngeld abgelehnt, weil sich aus Art. 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (NATOTrStatZAbk) ein Leistungsausschluss ergebe. Dagegen klagte die Klägerin vor dem Sozialgericht Nürnberg (S 3 EG 44/14). Nachdem der Beklagte kurz nach Klageerhebung von dem Minijob der Klägerin erfahren hatte, erteilte er ein Anerkenntnis, welches die Klägerin annahm. Infolgedessen erhielt die Klägerin Elterngeld für die Lebensmonate eins bis zwölf von L. (bis einschließlich 27.07.2015).

Am ...2016 wurde das zweite gemeinsame Kind der Eheleute A., N. A., geboren. Die Klägerin war zwischen den Geburten keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Am 17.10.2016 beantragte sie Elterngeld für Betreuung und Erziehung von N. für dessen erste zwölf Lebensmonate. Dabei wies sie darauf hin, sie sei bei der DAK freiwillig krankenversichert. Die DAK bestätigte unter dem Datum 11.11.2016 die Versicherteneigenschaft der Klägerin, des Weiteren, dass für N. kein Mutterschaftsgeld gezahlt worden sei.

Mit Bescheid vom 18.11.2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Elterngeld ab, da wegen Art. 13 NATOTrStatZAbk Mitglieder einer in Deutschland stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte, Mitglieder des zivilen Gefolges sowie deren Ehegatten und Lebenspartner grundsätzlich von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit und damit auch von der Anwendung des BEEG ausgeschlossen seien. Dieser Personenkreis solle nach der internationalen Regelung des NATOTrStatZAbk in die Systeme der sozialen Sicherheit der Entsendestaaten eingegliedert sein und bleiben. Das sei bei der Klägerin als Ehefrau eines Mitglieds der NATO-Truppe der Fall. Vorher hatte der Beklagte in einem internen Vermerk festgehalten, für L. sei Elterngeld gewährt worden, weil die Klägerin im damaligen Bemessungszeitraum Einkommen aus Erwerbstätigkeit (Minijob) erzielt habe.

Am 29.11.2016 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.11.2016 ein. Sie betonte, sie als deutsche Staatsangehörige, die seit ihrer Geburt in Deutschland lebe, mit den Kindern bei der DAK kranken- und pflegeversichert sei und von der Familienkasse Kindergeld beziehe, müsse auch einen Anspruch auf Elterngeld für ihr Kind N. haben, so wie es für L. der Fall gewesen sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung schrieb er, Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Elterngeld sei die Anwendbarkeit des BEEG. Nach den Unterlagen sei die Klägerin als Ehefrau eines Mitglieds der NATO-Truppe nach Art. 13 NATOTrStatZAbk von der Anwendbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ausgeschlossen. Die Ausnahme hiervon, dass die Klägerin der Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung unterliege, sei mit der freiwilligen Krankenversicherung bei der DAK nicht gegeben.

Am 10.02.2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Nürnberg Klage erhoben und diese im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten wie im Widerspruchsschreiben begründet. Der Klage hat sie ein Schreiben der DAK vom 06.02.2017 beigefügt, mit dem über den Beitrag für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin ab 01.01.2017 entschieden worden war.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.04.2017 stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld für N. für den ersten bis zehnten Lebensmonat in Höhe von 375 EUR und für den elften und zwölften Lebensmonat in Höhe von 300 EUR zu gewähren. In der Begründung hat es sich ausführlich mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 R befasst. Eine Anwendung der Bestimmungen des BEEG, so das Sozialgericht, sei im streitigen Zeitraum nicht durch Art. 13 NATOTrStatZAbk ausgeschlossen. Am Maßstab des genannten BSG-Urteils sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht nur Beziehungen zum Entsendestaat ihres Ehegatten (USA) habe, sondern durch die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei der DAK in das deutsche Sozialversicherungssystem einbezogen sei. Eine freiwillige Versicherung in der Krankenversicherung reiche aus, um die rechtlich geforderte Einbeziehung in das Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland zu bewirken. Eine solche Einbeziehung habe mit der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vor der Geburt des ersten Kindes bestanden. Es sei kein relevanter Umstand ersichtlich, dass diese Einbindung in das soziale System verloren gegangen sein könnte. Nach der Geburt des ersten Kindes habe die Klägerin Elterngeld bezogen und aus nachvollziehbaren Gründen keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt.

Am 02.05.2017 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er vertritt die Ansicht, das Sozialgericht habe das BSG-Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 R fehlinterpretiert. Unzutreffender Weise habe das Sozialgericht angenommen, es reiche aus, dass die Klägerin irgendwann vor der Geburt des Kindes eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe und durch eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung in das Sozialversicherungssystem eingebunden sei. Indes habe das BSG nur dann einen Anspruch auf Elterngeld gesehen, wenn Erwerbseinkommen erzielt worden sei, dass bei der Berechnung des Elterngelds berücksichtigt werden müsse. Daran fehle es bei der Klägerin.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.04.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen, sind als Streitstoff in das Verfahren eingeführt worden und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Sie ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Der Senat hat mündlich verhandeln und durch Urteil entscheiden können, obwohl weder die Klägerin selbst noch ihr Prozessbevollmächtigter, ihr Vater, im Termin anwesend waren. In der Terminsmitteilung vom 24.07.2018 hat der Senat den Prozessbevollmächtigten darauf hingewiesen, auch im Fall dessen Ausbleibens könne Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden. In seinem letzten Schriftsatz vom 18.10.2018 hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, zum Termin zu erscheinen, hat aber zu erkennen gegeben, er wünsche gleichwohl eine Entscheidung.

Der Streitgegenstand umfasst nicht nur den Anspruch auf Elterngeld dem Grunde nach. Obwohl der Beklagte bereits den Anspruch dem Grunde nach verneint hat, hat sich die Klägerin nicht darauf beschränkt, den Elterngeldanspruch nur dem Grunde nach gerichtlich geltend zu machen; vielmehr hat sie genau bezifferte Leistungen beantragt. Dem hat das Sozialgericht Rechnung getragen, indem es den Beklagten zur Zahlung betragsmäßig festgelegter Leistungen verurteilt hat.

Fragen zur Leistungshöhe stellen sich aber letztlich nicht. Denn der Klägerin steht schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Elterngeld zu.

(a) Allerdings liegen die Voraussetzungen des deutschen Rechts für die Entstehung eines Anspruchs auf Elterngeld vor. Das folgt aus § 1 Abs. 1 BEEG in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer

  • 1.einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,

  • 2.mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,

  • 3.dieses Kind selbst betreut und erzieht und

  • 4.keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Alle diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Sie hatte während des gesamten angestrebten Bezugszeitraums ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit N. in einem Haushalt, betreute und erzog ihn selbst und übte während des angestrebten Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 8 BEEG ist nicht erfüllt, weil das zu versteuernde Einkommen beider Elternteile zusammen im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt deutlich unter 500.000 EUR blieb und das der Klägerin allein ohnehin Null betrug. Ein ordnungsgemäßer Antrag lag vor.

(b) Jedoch scheitert ein Anspruch dem Grunde nach an Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk. Art. 13 NATOTrStatZAbk, der mit „Soziale Sicherheit und Fürsorge“ überschrieben ist, lautet wie folgt:

„(1) Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, werden zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet. Rechte und Pflichten, die diesen Personen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während eines früheren Aufenthaltes im Bundesgebiet erwachsen sind, bleiben jedoch unberührt. Die Zugehörigkeit zu dem genannten Personenkreis schließt ferner die Möglichkeit nicht aus, dass in der deutschen sozialen Kranken- und Rentenversicherung zum Zwecke der freiwilligen Weiterversicherung Beiträge geleistet werden und im Rahmen einer bestehenden Versicherung Rechte entstehen und geltend gemacht werden.

(2) Die Pflichten, die einem Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges oder einem Angehörigen als Arbeitgeber obliegen, werden durch diesen Artikel nicht berührt.“

Bei Art. 13 NATOTrStatZAbk handelt es sich um eine in deutsches Recht transformierte völkerrechtliche Regelung (multilaterales Abkommen), die den Rang eines formellen Bundesgesetzes hat (vgl. näher zur Transformation BSG, Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 R, Rn. 21 des juris-Dokuments).

Die Klägerin ist aufgrund von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk vom deutschen Recht auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und Fürsorge ausgeschlossen, weswegen ihr kein Leistungsanspruch nach dem BEEG zusteht.

(aa) Der im BEEG geregelt Anspruch auf Elterngeld gehört zum Regelungssektor „soziale Sicherheit und Fürsorge“ im Sinn von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk. Der Ausschluss erfasst die Klägerin auch personell, weil diese als Ehefrau eines in Deutschland stationierten US-Soldaten im Sinn von Artikel I Abs. 1 Buchstabe c des NATO-Truppenstatuts Angehörige eines Mitglieds einer Truppe ist.

(bb) Für die Klägerin greift keine Ausnahme von der in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk normierten Nichtanwendung des deutschen Rechts der sozialen Sicherheit und Fürsorge. Zunächst ist nicht „ausdrücklich etwas anderes vorgesehen“, wie Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk es formuliert. Das deutsche Elterngeldrecht enthält keine explizite Bestimmung, wonach das BEEG auch für Angehörige eines Mitglieds einer Truppe gilt.

Der Klägerin hilft auch nicht weiter, dass das BSG Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk in ständiger Rechtsprechung einschränkend auslegt. Denn sie erfüllt gerade nicht die vom BSG gesetzten Kriterien für die Anwendbarkeit des deutschen Rechts der sozialen Sicherheit und Fürsorge.

Der Regelungsgehalt von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk beschränkt sich in der Diktion des BSG darauf, die Gebiets- und gegebenenfalls Personalhoheit der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Sozialrechts nur insoweit zurückzudrängen, wie es der Schutz der internen Organisations- und Wirkbereichs der nach Vereinbarung nach Deutschland entsandten Streitkräfte, dem auch die engsten Familienangehörigen - die Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder - zugeordnet sind, unabweisbar verlangt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.1992 - 4 RA 34/91). Darin spiegelt sich aber nur die allgemeine Ratio für die restriktive Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk wider. Keinesfalls muss und darf der Ausschluss des deutschen Sozialrechts davon abhängig gemacht werden, dass gerade im konkreten Einzelfall Belange der US-Streitkräfte tangiert sind. Insoweit erweist sich Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk in der restriktiven Auslegung durch das BSG vielmehr als typisierende Vorschrift.

Seit jeher vertritt das BSG die Ansicht, eine eng am Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk orientierte Auslegung wäre nicht mit dem aus Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrags zu erschließenden Willen der Vertragsparteien zu vereinbaren (vgl. BSG, Urteile vom 07.09.1977 - 11 RA 42/76 und vom 15.12.1977 - 8 RKg 3/77). Sie würde seiner Meinung nach zu Ergebnissen führen, die weder mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz noch mit dem verfassungsrechtlich zu beachtenden Schutz von Ehe und Familie vereinbar wären (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1977 - 8 RKg 3/77). Die Nichtanwendung der zwischenstaatlichen Abkommen und der im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge müsse sich, so das BSG, vielmehr auf den von der Entsendung als Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges und als Angehöriger erfassten Bereich beschränken (vgl. BSG, a.a.O.). Entgegen dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk soll also der Ausschluss des deutschen Sozialrechts nur bereichsbezogen gelten, und zwar ausschließlich hinsichtlich des von der Entsendung erfassten Bereichs. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk, so das BSG an anderer Stelle, schließe - ausnahmsweise - die Anwendung des deutschen Sozialrechts auf Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges und auf die Angehörigen nur aus, wenn und soweit deutsche Sozialrechtsnormen für die vorgenannten Personen Rechte oder Pflichten allein schon wegen des Umstands begründen würden, dass sie sich im Bundesgebiet tatsächlich aufhielten oder soweit sie in tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen nur zum Entsendestaat und zueinander stünden (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.1992 - 4 RA 34/91). All diese Einschränkungen leitet das BSG mittelbar aus Art. 13 Abs. 1 Satz 3 NATOTrStatZAbk ab (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.1989 - 10 RKg 21/88).

Für die Lösung des vorliegenden Falls erscheinen diese Obersätze nicht unmittelbar operabel, weil zu abstrakt. Sie lassen aber die maßgebliche Fragestellung erkennen, die es zu lösen gilt: Ist der Bereich, den das BEEG betrifft (Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensmonaten) von der Entsendung erfasst, gehört er also zum „internen“ Bereich, oder verlässt er diesen?

Der 10. Senat des BSG hat dazu in dem auch vom Sozialgericht als Grundlage herangezogenen Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 konkretere Hinweise für die Abgrenzung gegeben. Anders als das Sozialgericht meint, lässt deren Rezeption im vorliegenden Fall keinen Raum für die Annahme, für die Klägerin könnte entgegen der Ansicht des Beklagten doch das deutsche Recht der sozialen Sicherheit und Fürsorge, und damit auch das BEEG, anwendbar sein.

Im Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 hat sich das BSG der ständigen Rechtsprechung angeschlossen, wonach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen seinem Wortlaut einschränkend zu interpretieren sei. Diese Vorschrift, so das BSG, enthalte eine Kollisionsregel, die festlege, dass ausnahmsweise deutsches Sozialrecht auf die dem internen Bereich der ausländischen Streitkräfte zugeordneten Personen nicht anzuwenden sei, wenn und solange sie sich im Bundesgebiet aufhielten und nur Beziehungen zum Entsendestaat oder untereinander hätten. Deutsches Sozialrecht könne und müsse dagegen uneingeschränkt angewendet werden, wenn (soweit und solange) diese Personen rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu Dritten, das heißt zu anderen, nicht „entsandten“ Personen (Rechtssubjekten) unterhielten, und diese Beziehungen in dem jeweiligen sozialrechtlichen Zusammenhang relevant seien (vgl. Rn. 31 des juris-Dokuments).

Im vorliegenden Fall existieren hinreichende tatsächliche oder rechtliche Beziehungen zu Dritten in diesem Sinn nicht schon deswegen, weil die Klägerin deutsche Staatsangehörige ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.07.1988 - 4/11a REg 4/87) und offenbar bei ihren Eltern in A-Stadt lebt.

Die Beziehungen zu Deutschland müssen vielmehr einen sozialrechtsspezifischen Gehalt aufweisen, damit die betroffene Person den internen, durch die Entsendung definierten Bereich verlässt. So hat das BSG schon früh entschieden, für Mitglieder der NATO-Streitkräfte und ihre Angehörigen seien innerstaatliche Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge (nur) dann anzuwenden, wenn neben diesem Status bei den betreffenden Personen weitere zusätzliche Umstände einträten oder vorlägen, durch welche rechtliche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt würden (vgl. BSG, Urteile vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91 und vom 25.07.1995 - 10 RKg 17/94). Ein hinreichender Bezug zum Sozialrechtssystem der Bundesrepublik Deutschland kann dagegen nicht schon dadurch hergestellt werden, dass die betroffene Person im privaten Bereich enge Beziehungen zu deutschen Personen oder Institutionen pflegt. Missverständlich erscheint daher das BSG-Urteil vom 25.02.1992 - 4 RA 34/91, wo es das BSG scheinbar für maßgebend gehalten hat, dass die betroffene Ehefrau eines NATO-Truppenangehörigen Beziehungen nur zu diesem und zu dem gemeinsamen Kind unterhalten habe. Auf die private Integration in die deutsche Gesellschaft kommt es nicht an. Die zweifellos enge Beziehung der Klägerin zu ihren Eltern spielt keine maßgebende Rolle.

Im besagten Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 hat das BSG im Wesentlichen zwei Wege aufgezeigt, wie im Bereich des Elterngeldrechts der in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk geregelte Anwendungsausschluss des deutschen Sozialrechts überwunden werden kann (vgl. Rn. 32 des juris-Dokuments):

„Welcher Art und welchen Umfangs die ein Eingreifen des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausschließenden und damit die Anwendbarkeit des deutschen Sozialrechts begründenden Rechtsbeziehungen sein müssen, kann sich nur nach dem (streitigen) Anspruch auf eine Sozialleistung bestimmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG ist dafür keineswegs stets erforderlich, dass der Angehörige des NATO-Truppenmitglieds als abhängig Beschäftigter oder als Selbstständiger in alle Zweige der deutschen Sozialversicherung einbezogen ist oder war (vgl dazu BSG Urteil vom 18.7.1989 - 10 RKg 21/88 - SozR 6180 Art. 13 Nr. 6; Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91 - SozR 3-6180 Art. 13 Nr. 3). Es reicht vielmehr aus, dass für den Anspruch auf die betreffende Sozialleistung ein Tatbestandsmerkmal erfüllt sein muss und erfüllt ist, das außerhalb des „NATO-Bereichs“ liegt (vgl dazu allgemein BSG SozR 6180 Art. 13 Nr. 1; BSG SozR 3-6180 Art. 13 Nr. 5). Das BSG hat nur in den Fällen auf das Erfordernis einer intensiven Beziehung zur deutschen Sozialversicherung abgestellt, in denen es nach den Anspruchsvoraussetzungen selbst an einem Merkmal fehlt, das über den NATO-Bereich hinaus reicht. Beim Elterngeld gibt es jedoch ein solches Merkmal. Auf Angehörige von NATO-Truppenmitgliedern ist der Erste Abschnitt des BEEG über das Elterngeld anwendbar, wenn sie vor der Geburt des betreuten Kindes durch Erwerbstätigkeit Einkommen außerhalb des Bereichs der NATO-Truppen erzielt haben.“

Entgegen der Interpretation des Sozialgerichts bringt diese Passage nicht zum Ausdruck, die Einbeziehung in nur einzelne Zweige der deutschen Sozialversicherung sei im Stande, für in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk genannte Personen einen Elterngeldanspruch dem Grunde nach zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund misst der Senat der vom Sozialgericht in den Mittelpunkt gerückten Frage, ob eine lediglich freiwillige Krankenversicherung (und keine Pflichtversicherung) genügt, keine Bedeutung bei. Vielmehr wollte das BSG klarstellen, die vollständige Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung sei dann nicht erforderlich, wenn ein Tatbestandsmerkmal des Leistungsgesetzes an Umstände anknüpfe, die außerhalb des internen Bereichs lägen. Fehlt es aber an Letzterem, genügt die nur partielle Einbindung in die deutsche Sozialversicherung nicht. Das BSG hat also nicht die vollständige Einbeziehung in die Sozialversicherung zugunsten einer nur teilweisen für verzichtbar erklärt, sondern vielmehr die vollständige Einbeziehung zugunsten des Vorhandenseins relevanter Tatbestandsmerkmale im jeweiligen Leistungsgesetz.

Danach müsste die Klägerin, um mit der Erziehung und Betreuung von N. den internen Bereich verlassen zu können, entweder in allen Zweigen der Sozialversicherung versichert (gewesen) sein (vgl. nur BSG, Urteile vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91 und vom 25.07.1995 - 10 RKg 17/94), oder die für sie relevanten Regelungen des BEEG müssten in ihren Tatbestandsmerkmalen an Sachverhalte anknüpfen, die sich außerhalb des internen Bereichs befinden.

Eine Versicherung in allen Zweigen der Sozialversicherung lag weder während der gewünschten Elterngeldbezugszeit noch unmittelbar vor Eintritt des Mutterschutzes vor. Die Klägerin war lediglich freiwillig krankenversichert und auf dieser Basis versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der geringfügigen Beschäftigung als Regalauffüllerin hatte bereits lange vor L.s Geburt ihr Ende gefunden. Die erforderliche aktuelle Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung kann mit dieser längst abgeschlossenen Beschäftigung nicht bewirkt werden. Zwar mag es sein, dass es für die Erlangung rentenrechtlicher Rechtspositionen, zum Beispiel von Kindererziehungszeiten, schon genügt, dass (irgendwann) vorher ein auf Dauer angelegtes Rentenversicherungsverhältnis begründet worden war (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.1992 - 4 RA 34/91). Für die Anwendbarkeit des deutschen Fürsorgerechts, zu dem auch das BEEG zählt, erscheint das bloße Vorhandensein eines Versicherungskontos bei der gesetzlichen Rentenversicherung dagegen nicht hinreichend. Denn es muss unterschieden werden, ob eine sozialversicherungsrechtliche Position als solche im Streit steht oder aber eine staatliche Fürsorgeleistung wie das Kindergeld, das Erziehungsgeld oder jetzt das Elterngeld, die außerhalb der Sozialversicherung gewährt werden. Die in Art. 13 Abs. 1 NATOTrStatZAbk explizit genannten Ausnahmen vom Ausschluss deutschen Sozialrechts betreffen allesamt die Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts, nicht aber des deutschen Fürsorgerechts. Von daher darf nicht ohne weiteres aus dem Umstand, dass eine Versicherung in der deutschen Sozialversicherung besteht beziehungsweise bestanden hat, geschlossen werden, damit sei auch der Zugang zu deutschen Fürsorgeleistungen eröffnet. Hierzu bedarf es vielmehr der aktuellen Einbeziehung in alle Bereiche der Sozialversicherung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91).

Das BSG-Urteil vom 02.10.1997 - 14/10 RKg 12/96 hat dieses Erfordernis nicht aufgehoben, sondern vielmehr bekräftigt. Dass das BSG seinerzeit keine vollständige Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung gefordert hatte, war allein dem Umstand geschuldet, dass es sich bei dem Betroffenen um einen selbständig Tätigen handelte. Im Hinblick auf abhängig Beschäftigte hat das BSG dagegen keinen Zweifel gelassen, dass eine nur unvollkommene Integration in die deutsche Sozialversicherung insuffizient ist.

Ebenso wenig kommt es im Fall der Klägerin für die Gewährung des Elterngelds auf gesetzliche Tatbestandsmerkmale an, die den internen Bereich verlassen. Die in § 1 BEEG genannten Anspruchsvoraussetzungen beziehungsweise Ausschlussgründe betreffen allesamt nur den internen Bereich. Insbesondere die Betreuung und Erziehung von N. knüpft nicht an rechtliche Beziehungen, die jenseits des Entsendebereichs liegen (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.1992 - 4 RA 34/91). Und anders als die Klägerin im vom BSG entschiedenen Fall B 10 EG 11/09 (vgl. Urteil vom 30.09.2010, Rn. 33 des juris-Dokuments) hatte hier die Klägerin im Elterngeld-Bemessungszeitraum keinerlei leistungsrelevante Einkünfte zu verzeichnen. Damit kommt für sie die Einkommensersatzfunktion des Elterngelds nicht zum Tragen. Für die Klägerin erscheint nur dasjenige Leistungssegment des Elterngelds relevant, das - wie früher das Erziehungsgeld - den Ersatz solcher Aufwendungen bezweckt, die spezifisch mit Betreuung und Erziehung eines Kleinkinds verbunden sind. Diese beiden Leistungskomponenten des Elterngelds unterscheiden sich in ihrem Wesen gravierend voneinander. Angesichts dessen vermag sich die Klägerin nicht darauf zu berufen, es würden „überhaupt“ elterngeldrechtliche Bestimmungen existieren, welche sich auf den externen Bereich bezögen. Es genügt nicht, dass solche Verknüpfungen nur abstrakt bestehen. Vielmehr müsste das über den Binnenbereich hinausreichende Tatbestandsmerkmal - also das Vorhandensein von Einkünften aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum - auch konkret durch die Klägerin erfüllt sein; das geht aus dem BSG-Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 in einer keine Zweifel zulassenden Weise hervor (Rn. 34 des juris-Dokuments). Daran fehlt es aber bei der Klägerin.

Im Urteil vom 18.07.1989 - 10 RKg 21/88 hat das BSG als weitere Fallgruppe einer Abweichung von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk den Bezug von Arbeitslosengeld herausgearbeitet. Wie weit diese Ausnahme reichen soll, vor allem ob sie auf den Bezug jeglicher sozialversicherungsrechtlichen Entgeltersatzleistung auszudehnen ist, aber auch, ob sie überhaupt noch ihre Berechtigung hat, bedarf keiner Überlegungen. Denn jedenfalls ist ein relevanter Bezug von Entgeltersatzleistungen bei der Klägerin nicht zu verzeichnen.

Der Umstand, dass die Klägerin Elterngeld für Betreuung und Erziehung des ersten Sohns L. erhalten hatte, wirkt sich bezüglich des zweiten Kindes N. nicht aus. Die vorhandene BSG-Rechtsprechung verdeutlicht vielmehr, dass grundsätzlich ein einmal erreichtes Verlassen des internen Bereichs nicht perpetuiert wird, sondern wieder verloren gehen kann (vgl. nur BSG, Urteil vom 18.07.1989 - 10 RKg 21/88). Bei L. lag der Sachverhalt anders; seinerzeit nämlich hatte die Klägerin im Bemessungszeitraum Arbeitsentgelt und damit leistungswirksame Einkünfte erzielt.

Das deutsch-amerikanische Abkommen über soziale Sicherheit vom 07.01.1976 führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn es ist von vornherein für das Elterngeld nicht einschlägig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 23. Okt. 2018 - L 9 EG 11/17

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Bundessozialgericht Urteil, 30. Sept. 2010 - B 10 EG 11/09 R

bei uns veröffentlicht am 30.09.2010

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

2

Die 1973 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und seit dem 21.9.2007 mit einem US-amerikanischen Staatsangehörigen verheiratet, der Mitglied einer in Deutschland stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte ist. Beide Ehepartner haben ihren Wohnsitz in Deutschland, die Klägerin seit ihrer Geburt. Am 18.2.2008 gebar die Klägerin ihre Tochter M.

3

Bis zur Geburt der Tochter war die Klägerin als selbstständige Versicherungsmaklerin tätig. Sie beschäftigte keine sozialversicherungspflichtigen Angestellten und war nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Neben der Kindererziehungszeit für das Kind M. ist bei ihr die Zeit vom 1.8.1993 bis 3.7.1996 als Pflichtbeitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gespeichert. Während der Tätigkeit als Maklerin bestand eine freiwillige Unfallversicherung bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Ferner war und ist die Klägerin privat krankenversichert und pflege(pflicht)versichert. Nach dem Bescheid des Finanzamts H. vom 2.3.2007 über Einkommensteuer für das Jahr 2005 hat die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 84 098 Euro erzielt. Seit der Geburt der Tochter ist die Klägerin nicht mehr erwerbstätig.

4

Den von der Klägerin im März 2008 gestellten Antrag auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter lehnte die beklagte Landeskreditbank mit Bescheid vom 28.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2008 ab, weil nach Art 13 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen vom 3.8.1959 (NATOTrStatZAbk) Mitglieder einer in Deutschland stationierten Truppe, Mitglieder des zivilen Gefolges sowie deren Ehepartner und Lebenspartner in das soziale System des Entsendestaates integriert und grundsätzlich von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ausgenommen seien, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Eine derartige Ausnahmeregelung enthalte das BEEG nicht. Zudem sei auch eine Ausnahme auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht möglich.

5

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Elterngeld nach dem BEEG anlässlich der Geburt ihrer Tochter M. zu gewähren (Urteil vom 23.9.2008). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klägerin erfülle zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG. Ihr stehe ein Anspruch auf Elterngeld aber nicht zu, weil sie Angehörige eines Mitglieds der in Deutschland stationierten NATO-Truppen und daher vom Anwendungsbereich des BEEG ausgenommen sei. Dessen Anwendbarkeit stehe Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen. Nach dieser Vorschrift würden im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder der NATO-Truppen und des zivilen Gefolges sowie die jeweiligen Angehörigen nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Der Vorrang der Regelung derartigen zwischenstaatlichen Rechts folge aus § 30 Abs 2 SGB I. Die USA gehöre zu den Vertragsstaaten des NATOTrStatZAbk. Die Klägerin sei mit einem Mitglied der US-amerikanischen Truppen verheiratet und daher Angehörige im Sinne der Regelung. Ihre deutsche Staatsangehörigkeit sei dabei ohne Belang. Zu den Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge zähle auch das Elterngeld.

7

Anders als § 1 Abs 8 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) enthalte das BEEG keine abweichende Bestimmung iS des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk. Die Einfügung einer derartigen Ausnahmeregelung habe der Bundesrat zwar im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen. Dem sei die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung indes entgegengetreten. Der Entwurf des BEEG sei danach ohne die vom Bundesrat angeregte Änderung verabschiedet worden. Es handele sich damit um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, so dass eine analoge Anwendung anderer Vorschriften nicht in Betracht komme. Der Anspruch der Klägerin sei damit grundsätzlich nach Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausgeschlossen. Für die soziale Sicherheit der davon erfassten Personen sollten grundsätzlich die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen verantwortlich sein.

8

Anders sei es dagegen, wenn von diesen Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden seien (vgl Art 13 Abs 1 Satz 2 und 3 und Abs 2 NATOTrStatZAbk). Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe kein Grund, derartige rechtliche Beziehungen nur deshalb zu beschneiden, weil es sich bei den betroffenen Personen um Mitglieder der Streitkräfte, des zivilen Gefolges oder Angehörige handele. Als notwendige rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung habe das BSG verlangt, dass Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Ebenfalls bejaht habe das BSG entsprechende Beziehungen bei einem Selbstständigen, der als Arbeitgeber der Beitragszahlungspflicht für Versicherte unterworfen gewesen sei. Der Fall der Klägerin, die seit Jahren außerhalb der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung stehe, sei dem nicht vergleichbar. Für eine Ausweitung der dargestellten Fallgruppen gebe es keinen Anlass.

9

Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin Kindergeld erhalte, folge nicht deren notwendige Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung. Die Klägerin erhalte Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz als Steuervergütung, weil sie als deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland sei. Dies beruhe auf einer Ausnahmeregelung für NATO-Angehörige (§ 1 Abs 1 Nr 4 Bundeskindergeldgesetz), für die es eine Entsprechung im BEEG nicht gebe. Die Lage der Klägerin sei vergleichbar den Angehörigen des konsularischen Corps, die ebenfalls vom Bezug von Familienleistungen ausgeschlossen seien.

10

Dem in der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, enthaltenen Gemeinschaftsrecht komme ein Vorrang gegenüber den Kollisionsregeln des NATOTrStatZAbk nicht zu. Wortlaut und Auslegung des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk verstießen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Dies habe das BSG sowohl für das Kindergeld als auch für das Bundeserziehungsgeld entschieden. Für das Elterngeld gelte nichts anderes.

11

Mit ihrer gegen dieses Urteil geführten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Rechtsfehlerhaft gehe das LSG davon aus, dass dem Anspruch auf Elterngeld Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk entgegenstehe. Es sei zwar richtig, dass der Bundesrat die Einfügung einer dem § 1 Abs 8 BErzGG vergleichbaren Vorschrift vorgeschlagen habe und die Bundesregierung diesem entgegengetreten sei. Allerdings habe die Gegenäußerung der Bundesregierung einen wesentlichen Gesichtspunkt "außen vor" gelassen. Sie sei davon ausgegangen, dass das internationale Recht, hier das Recht des Entsendestaates, die Angehörigen befriedigend schütze. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Bundesregierung verkenne in ihrer Stellungnahme, dass eine Selbstständige, die keine Arbeitnehmer habe, nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zu Art 13 NATOTrStatZAbk kein Elterngeld erhalte. Dies stelle eine unzulässige Differenzierung dar. Eine Selbstständige könne nicht darauf verwiesen werden, durch Dritte, nämlich über ihre Arbeitnehmer, eine Beziehung zur sozialen Sicherheit und Fürsorge herzustellen, um danach zum Bezug von Elterngeld berechtigt zu sein. Dieses Differenzierungskriterium widerspreche den Vorgaben des Art 3 GG. Die hier vorgenommene Differenzierung bei der Verteilung staatlicher Vergünstigungen sei willkürlich. Die Differenzierung zwischen Selbstständigen mit Arbeitnehmern, die in die fünf Zweige der Sozialversicherung eingebunden seien, und Selbstständigen ohne solche Arbeitnehmer sei ungenau und unsystematisch.

12

Das LSG gehe auch zu Unrecht davon aus, dass ihre Beziehungen zum deutschen Sozialversicherungssystem nicht ausreichend seien. Vor ihrer Selbstständigkeit sei sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen. Als Selbstständige habe sie keine Möglichkeit gehabt, sich in der Arbeitslosenversicherung zu versichern. Sie habe sich zudem privat krankenversichert. Es bestehe eine Pflegepflichtversicherung. Schließlich sei sie freiwillig in der Unfallversicherung versichert. Nach Sinn und Zweck des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk sollten Angehörige nur dann von der Anwendung des deutschen Sozialrechts ausgeschlossen werden, wenn sie nur zum Entsendestaat rechtliche Beziehungen unterhielten. Das sei hier gerade nicht der Fall. Jedenfalls unterliege sie als deutsche Staatsangehörige ausschließlich dem deutschen Steuerrecht. Dies ergebe sich aus Art X Abs 1 und Abs 4 NATOTrStat. Auch stehe ihr ein Anspruch auf Elterngeld nach den Vorschriften der EWG-VO 1408/71 zu.

13

Im Übrigen liege in ihrem Ausschluss von der Anwendung des § 1 BEEG auch ein Verstoß gegen Art 6 GG. Dieses Grundrecht schütze nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie als Gemeinschaft der Eltern mit ihren minderjährigen Kindern. Sie enthalte eine wertentscheidende Grundsatznorm. Eine Differenzierung zwischen Verheirateten und Nichtverheirateten könne nur dann erfolgen, wenn es einleuchtende Sachgründe dafür gebe. Im vorliegenden Falle hätte die Klägerin unstreitig Elterngeld erhalten, wenn sie entweder nicht verheiratet gewesen wäre oder wenn sie eine Selbstständige wäre, die wenigstens einen Angestellten beschäftigt hätte. Sie werde vom Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen, weil sie mit einem NATO-Truppenangehörigen verheiratet sei. Dies könne jedoch eine Einschränkung ihres Grundrechts aus Art 6 GG nicht rechtfertigen.

14

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 zurückzuweisen.

15

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

16

Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.

18

Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebende und Elterngeld zusprechende Urteil des SG zurückzuweisen.

19

Zwar hat das SG die Beklagte zur Gewährung von Elterngeld verurteilt, ohne den Leistungszeitraum im Tenor seines Urteils zu bezeichnen. Es wird jedoch aus seinen Entscheidungsgründen hinreichend deutlich, dass Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate der Tochter der Klägerin zugesprochen worden ist. Damit handelt es sich bei dem Urteil des SG um ein hinreichend bestimmtes Grundurteil iS des § 130 Abs 1 SGG. Auf die Revision der Klägerin ist dieses Urteil wieder herzustellen, denn das SG hat die beklagte Landeskreditbank zutreffend zur Gewährung des Elterngeldes verurteilt. Zum einen ist die Beklagte in Baden-Württemberg für die Ausführung des BEEG zuständig (§ 12 Abs 1 Satz 1 BEEG iVm § 1 Verordnung der Landesregierung, des Ministeriums für Arbeit und Soziales und des Wirtschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg über die Zuständigkeiten nach dem BEEG vom 14.2.2007 - GBl 2007, 139, 140). Zum anderen hat die Klägerin Anspruch auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 18.2.2008 geborenen Tochter M.

20

Die Klägerin wird grundsätzlich vom Anwendungsbereich des BEEG erfasst, denn nach § 30 Abs 1 SGB I gelten die Vorschriften dieses Gesetzbuches, zu denen nach § 68 Nr 15a SGB I der erste Abschnitt des BEEG - über das Elterngeld - gehört, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Nach § 30 Abs 2 SGB I bleiben allerdings die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt.

21

Das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATOTrStat) vom 19.6.1951 (BGBl 1961 II, 1190) und das NATOTrStatZAbk vom 3.8.1959 (BGBl 1961 II, 1218), die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Gesetzes vom 18.8.1961 (BGBl 1961 II, 1183) sowie der Bekanntmachung über das Inkrafttreten des NATOTrStat vom 16.6.1963 (BGBl 1963 II, 745) am 1.7.1963 in Kraft getreten sind und aufgrund verschiedener Notenwechsel der Parteien des Nordatlantikvertrages nach der deutschen Wiedervereinigung auch für das Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin (West) gelten, sind zwar zwischenstaatliches Recht iS des § 30 Abs 2 SGB I. Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten schließt Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk iVm den Vorschriften des NATOTrStat die Anwendung des Ersten Abschnitts des BEEG im Fall der Klägerin jedoch nicht aus.

22

Nach Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk werden zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist.

23

Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ist grundsätzlich auf die Klägerin anwendbar. Die Klägerin ist Angehörige iS der Vorschrift, denn sie ist die Ehefrau eines US-amerikanischen Mitglieds einer Truppe der NATO-Streitkräfte. Als Ehefrau erfüllt sie zweifelsohne die Voraussetzungen des Angehörigenbegriffs nach Art I Abs 1 Buchst c NATOTrStat. Ihr Ehemann ist Angehöriger der US-Armee, die Truppe iS des Art I Abs 1 Buchst a NATOTrStat ist.

24

Überdies gehört das BEEG mit dem darin geregelten Anspruch auf Elterngeld zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge. Der Denkschrift zum NATOTrStat und zu den Zusatzvereinbarungen (BT-Drucks III/2146) ist zu entnehmen, dass die vertragsschließenden Parteien in jener Zeit unter den Begriffen der sozialen Sicherheit und Fürsorge die deutsche Sozialversicherung sowie die deutschen Bestimmungen über die Betreuung von Personen "in Fällen der Not" verstanden haben (s BT-Drucks III/2146 S 234, 235). Unter Berücksichtigung dessen sind alle bisherigen Entscheidungen des BSG zum Bundeserziehungsgeld (BErzg) und zum Kindergeld davon ausgegangen, dass sowohl das BErzGG als auch das BKGG zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge gehören (s stellvertr BSG Urteil vom 12.7.1988 - 4/11a REg 4/87 - SozR 6180 Art 13 Nr 5 S 28). Für das BEEG darf nichts anderes gelten, zumal nach deutscher Verfassungsrechtslage der Begriff der Fürsorge nicht nur für Leistungen des Staates bei Bedürftigkeit bzw Armut gilt. Der auch in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge wird nicht beschränkt auf klassische Sozialleistungen bei Not wie etwa die Sozialhilfe verstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG fallen darunter vielmehr auch Leistungen in Notlagen "anderer Art", für die es nicht wesentlich darauf ankommt, ob die Betroffenen sich selbst helfen können, ebenso Leistungen, für die eine Bedarfslage nur ganz unspezifisch oder typisierend zugrunde gelegt wird, wie etwa das Kindergeld und das BErzg (zu alledem s BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 38 mwN)und damit auch das Elterngeld (BSG, aaO, RdNr 39).

25

Völkerrechtliche Verträge wie das NATOTrStatZAbk sind, wie jeder andere Vertrags- oder Normtext auch, zunächst nach dem Wortlaut, dh dem üblichen Wortsinn, auszulegen (Herdegen, Völkerrecht, 8. Aufl 2009, S 122 RdNr 28; unter Verweis auf Art 31 ff Wiener Vertragsrechtskonvention Graf Vitzthum in Graf Vitzthum - Hrsg - Völkerrecht, 4. Aufl 2007, RdNr 123), wobei die rein sprachliche Erfassung bei meist mehrsprachig verfassten Texten erhöhte Schwierigkeiten bereitet. Spiegelt der Wortlaut die klaren Intentionen der Vertragsparteien nur unzureichend wider, ist auf andere Auslegungsmethoden, insbesondere den historischen Willen der Vertragsparteien, den systematischen Zusammenhang und schließlich den Sinn und Zweck der Vertragsklausel und/oder des gesamten Vertragswerks zurückzugreifen. Hierbei kann besonders die teleologische Auslegung zu einem Vehikel für eine dynamische Vertragsinterpretation werden, die sich vom subjektiven Willen der Parteien bei Vertragsschluss entfernt (Herdegen, aaO). In gleicher Weise kann und sollte der Text eines völkerrechtlichen Vertrages ausgelegt werden, wenn sich ein übereinstimmendes Wortverständnis aller Vertragssprachen nicht feststellen lässt oder sich das Wortverständnis nach dem Vertragsschluss verändert hat. In diesen Fällen muss der Begriff maßgebend mit Blick auf den Sinn und Zweck des Vertrages ausgelegt werden.

26

Während der französische Text des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entsprechend dem deutschen Wortlaut von "matiere de securite sociale et d`assistance sociale" spricht, enthält der englische Text allein den Begriff "social security". Es kann indes im Ergebnis dahinstehen, ob die Parteien des NATOTrStatZAbk bei Vertragsschluss den Begriff der Fürsorge im Sinne von staatlichen Hilfeleistungen bei wirtschaftlicher Not enger verstanden haben. Denn es entspricht Sinn und Zweck seines Art 13 Abs 1, den dort beschriebenen Personenkreis unter den soeben dargelegten Voraussetzungen von der Anwendung des deutschen Systems der Sozialen Sicherheit und Fürsorge auszuschließen. Dies erfordert es geradezu, diejenigen Bereiche des deutschen Sozialrechts als erfasst anzusehen, die nach deutscher Rechtsauffassung zum System der Sozialen Sicherheit und Fürsorge gehören. Demzufolge ist auch die Leistung des Elterngeldes dem Bereich des deutschen Systems der Fürsorge iS des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk zuzuordnen.

27

Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk erfasst nicht sämtliche mögliche Ansprüche des betroffenen Personenkreises aus dem bundesdeutschen System der sozialen Sicherheit und Fürsorge. Er schließt, wie das BSG bereits entschieden hat (grundlegend Urteil vom 25.2.1992 - 4 RA 34/91 - BSGE 70, 138, 143 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2, S 11; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14/10 RKg 12/96 - SozR 3-6180 Art 13 Nr 8, S 41), als Ausnahmevorschrift die genannten Ansprüche der Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges und der Angehörigen dieser Personen nur aus, wenn und soweit deutsche Sozialrechtsnormen für diese Personen Rechte oder Pflichten allein schon wegen des Umstands begründen würden, dass sie sich im Bundesgebiet tatsächlich aufhalten. Denn es wäre unangemessen, für diese Personen allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland und ihren Beziehungen untereinander oder zu der jeweiligen Truppe Rechte und Pflichten durch deutsche Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen. Hingegen findet deutsches Sozialrecht uneingeschränkt Anwendung, wenn und soweit seine Normen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu deutschen Leistungsträgern (§ 12 SGB I) an andere Umstände (zB Beziehungen dieser Personen zu anderen inländischen Rechtssubjekten) anknüpfen, insbesondere wenn von den von Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk erfassten Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden sind (s nur BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 8, S 42).

28

Dieses enge, rein kollisionsrechtliche Verständnis des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stimmt überein mit den Darlegungen der Denkschrift (BT-Drucks III/2146 S 235), wonach es der Stellung der ausländischen Streitkräfte in Deutschland nicht gerecht werden würde, wenn ihre Mitglieder, deren Zugehörigkeit zu den Streitkräften auf die militärische Organisation des Entsendestaates zurückgeht, in die sie eingeordnet sind, mit ihren Angehörigen sozialversicherungsrechtlich so behandelt würden, als ob sie bei einem Arbeitgeber oder Dienstherrn im gewöhnlichen Sinne in der Bundesrepublik Deutschland in abhängiger Beschäftigung tätig würden. Die Streitkräfte, ihre Mitglieder und die Angehörigen befänden sich aufgrund besonderer Abmachungen im Bundesgebiet, die es nicht sinnvoll erscheinen ließen, die Beziehungen des einzelnen Mitglieds zu den Streitkräften als Beschäftigung iS des deutschen Sozialversicherungsrechts anzusehen. Demgemäß sollten die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen für die soziale Sicherheit dieser Personen verantwortlich sein. Ähnliche Überlegungen gälten für die Betreuung dieser Personen in Fällen der Not. Anders sei es, wenn rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften begründet worden seien oder hergestellt würden. Es bestehe kein Grund, diese rechtlichen Beziehungen zu beschneiden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der Streitkräfte oder Angehörige handele.

29

Diese Konzeption kommt deutlich in Art 13 Abs 1 Satz 2 und 3 NATOTrStatZAbk zum Ausdruck, wonach Rechte und Pflichten, die diesen Personen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet erwachsen sind, unberührt bleiben und die Zugehörigkeit zu dem betroffenen Personenkreis ferner nicht die Möglichkeit ausschließt, dass in der deutschen sozialen Kranken- und Rentenversicherung zum Zwecke der freiwilligen Weiterversicherung Beiträge geleistet werden und im Rahmen einer bestehenden Versicherung Rechte entstehen und geltend gemacht werden. Auch darauf hat das BSG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25.2.1992 (BSGE 70, 138, 145 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 S 13) bereits hingewiesen. Auch auf den Inhalt des Art 56 Abs 3 sowie den weiteren Inhalt des Art 13 Abs 2 NATOTrStatZAbk, die diese enge kollisionsrechtliche Auslegung des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stützen, hat das BSG bereits aufmerksam gemacht (BSG aaO).

30

Dieses Verständnis des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entspricht auch der Rechtsauffassung, die die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren des BEEG geäußert hat. Der ursprüngliche, von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vorgelegte, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes (BT-Drucks 16/1889) hatte - anders als etwa § 1 Abs 8 BErzGG - den Personenkreis der Ehegatten oder Lebenspartner von Mitgliedern der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates nicht angesprochen. Demgegenüber hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 7.7.2006 zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 16/2454 S 9) die Ergänzung des § 1 um einen dem § 1 Abs 8 BErzGG gleichen Abs 8 vorgeschlagen, weil die Versagung des Elterngeldes für den betroffenen Personenkreis mit der Zielsetzung des Elterngeldes, insbesondere als Ersatz eines ausfallenden Einkommens, nicht vereinbar sei(BT-Drucks 16/2454 aaO). Dem ist die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 25.8.2006 (BT-Drucks 16/2454) entgegengetreten. Dem Anliegen des Bundesrates könne nicht gefolgt werden. Auch ohne die vorgeschlagene Ergänzung des § 1 BEEG seien Ansprüche von Ehegatten der NATO-Truppenmitglieder bzw der Mitglieder des zivilen Gefolges nicht gänzlich ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BSG hätten Ehegatten, bei denen zusätzliche Umstände vorlägen, durch welche rechtliche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt würden, durchaus einen Anspruch auf deutsche Familienleistungen (BT-Drucks 16/2454 S 12).

31

Nach alledem enthält Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk eine Kollisionsregel, die festlegt, dass deutsches Sozialrecht - ausnahmsweise - auf die dem internen Bereich der ausländischen Streitkräfte zugeordneten Personen nicht anzuwenden ist, wenn und solange sie sich im Bundesgebiet aufhalten und nur Beziehungen zum Entsendestaat oder untereinander haben. Deutsches Sozialrecht kann und muss dagegen uneingeschränkt angewendet werden, wenn (soweit und solange) diese Personen rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu Dritten, dh zu anderen, nicht "entsandten" Personen (Rechtssubjekten) unterhalten, und diese Beziehungen in dem jeweiligen sozialrechtlichen Zusammenhang relevant sind (vgl BSGE 70, 138, 145 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 S 13 f).

32

Welcher Art und welchen Umfangs die ein Eingreifen des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausschließenden und damit die Anwendbarkeit des deutschen Sozialrechts begründenden Rechtsbeziehungen sein müssen, kann sich nur nach dem (streitigen) Anspruch auf eine Sozialleistung bestimmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG ist dafür keineswegs stets erforderlich, dass der Angehörige des NATO-Truppenmitglieds als abhängig Beschäftigter oder als Selbstständiger in alle Zweige der deutschen Sozialversicherung einbezogen ist oder war (vgl dazu BSG Urteil vom 18.7.1989 - 10 RKg 21/88 - SozR 6180 Art 13 Nr 6; Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91 - SozR 3-6180 Art 13 Nr 3). Es reicht vielmehr aus, dass für den Anspruch auf die betreffende Sozialleistung ein Tatbestandsmerkmal erfüllt sein muss und erfüllt ist, das außerhalb des "NATO-Bereichs" liegt (vgl dazu allgemein BSG SozR 6180 Art 13 Nr 1; BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 5). Das BSG hat nur in den Fällen auf das Erfordernis einer intensiven Beziehung zur deutschen Sozialversicherung abgestellt, in denen es nach den Anspruchsvoraussetzungen selbst an einem Merkmal fehlt, das über den NATO-Bereich hinaus reicht. Beim Elterngeld gibt es jedoch ein solches Merkmal. Auf Angehörige von NATO-Truppenmitgliedern ist der Erste Abschnitt des BEEG über das Elterngeld anwendbar, wenn sie vor der Geburt des betreuten Kindes durch Erwerbstätigkeit Einkommen außerhalb des Bereichs der NATO-Truppen erzielt haben.

33

Nach der Konzeption des BEEG steht der Anspruch auf Elterngeld bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG dem Grunde nach zwar allen Personen zu, gleichgültig ob sie vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren oder nicht. Die Höhe der Leistung wird jedoch besonders bemessen, wenn die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes zum Tragen kommt. Wer Einkommen aus nichtselbstständiger oder selbstständiger Arbeit (s § 2 Abs 7 und Abs 8 BEEG) erzielt hat, dem wird gemäß § 2 Abs 1 BEEG Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt. Nach § 2 Abs 2 BEEG ist in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen vor der Geburt geringer als 1000 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent zu erhöhen. Danach erhält eine Person, die nur geringfügige Einkünfte iS des § 8 SGB IV von bis zu 400 Euro monatlich hatte, einen Betrag von 388 Euro als Elterngeld, der oberhalb des sog Grundbetrages in Höhe von mindestens 300 Euro monatlich liegt. Letzterer steht nach § 2 Abs 5 Satz 1 BEEG Personen zu, die vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatten.

34

Hat der anspruchstellende Angehörige eines NATO-Truppenmitglieds vor der Geburt des Kindes in Deutschland außerhalb der NATO-Streitkräfte Einkommen aus abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit erzielt, erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 iVm Abs 7 bis 9 BEEG und damit ein Merkmal, das über den vom NATOTrStatZAbk erfassten Bereich hinausreicht. Dieser Umstand steht einem Durchgreifen des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen und führt zur Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des BEEG. Das ist bei der Klägerin der Fall, denn sie war nach den gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG bis unmittelbar vor der Geburt ihrer Tochter in Deutschland als Versicherungsmaklerin selbstständig erwerbstätig. Zudem hat sie aus dieser Tätigkeit, wie sich aus dem Bescheid des Finanzamtes H. vom 2.3.2007 über Einkommenssteuer für das Jahr 2005 (vgl dazu § 2 Abs 9 BEEG) ergibt, auch Einkommen erzielt.

35

Der Klägerin steht dem Grunde nach Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter M. zu. Anspruch auf Elterngeld hat gemäß § 1 Abs 1 BEEG, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht sowie keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, wobei gemäß § 4 Abs 3 Satz 1 BEEG ein Elternteil Elterngeld mindestens für zwei und höchstens für zwölf Monate beziehen kann. Mutterschaftsgeld für die Zeit ab der Geburt des Kindes wird nach Maßgabe des § 3 Abs 1 BEEG auf das der Mutter zustehende Elterngeld angerechnet. Die Höhe des Elterngeldes bestimmt sich nach § 2 BEEG.

36

Dass die Klägerin die Grundvoraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG im Anspruchszeitraum von zwölf Monaten nach dem Tag der Geburt erfüllt, haben sowohl die Beklagte als auch die Tatsachengerichte angenommen. Auch wenn das LSG nicht zu allen Tatbestandsmerkmalen ausdrückliche tatsächliche Feststellungen getroffen hat, bestehen keine Zweifel an der Erfüllung der genannten Anspruchsvoraussetzungen, zumal auch ein ordnungsgemäßer Antrag (vgl § 7 BEEG) vorliegt. Die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes hat die Beklagte nunmehr durch besonderen Verwaltungsakt festzustellen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

2

Die 1973 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und seit dem 21.9.2007 mit einem US-amerikanischen Staatsangehörigen verheiratet, der Mitglied einer in Deutschland stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte ist. Beide Ehepartner haben ihren Wohnsitz in Deutschland, die Klägerin seit ihrer Geburt. Am 18.2.2008 gebar die Klägerin ihre Tochter M.

3

Bis zur Geburt der Tochter war die Klägerin als selbstständige Versicherungsmaklerin tätig. Sie beschäftigte keine sozialversicherungspflichtigen Angestellten und war nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Neben der Kindererziehungszeit für das Kind M. ist bei ihr die Zeit vom 1.8.1993 bis 3.7.1996 als Pflichtbeitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gespeichert. Während der Tätigkeit als Maklerin bestand eine freiwillige Unfallversicherung bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Ferner war und ist die Klägerin privat krankenversichert und pflege(pflicht)versichert. Nach dem Bescheid des Finanzamts H. vom 2.3.2007 über Einkommensteuer für das Jahr 2005 hat die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 84 098 Euro erzielt. Seit der Geburt der Tochter ist die Klägerin nicht mehr erwerbstätig.

4

Den von der Klägerin im März 2008 gestellten Antrag auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter lehnte die beklagte Landeskreditbank mit Bescheid vom 28.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.6.2008 ab, weil nach Art 13 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen vom 3.8.1959 (NATOTrStatZAbk) Mitglieder einer in Deutschland stationierten Truppe, Mitglieder des zivilen Gefolges sowie deren Ehepartner und Lebenspartner in das soziale System des Entsendestaates integriert und grundsätzlich von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ausgenommen seien, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Eine derartige Ausnahmeregelung enthalte das BEEG nicht. Zudem sei auch eine Ausnahme auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht möglich.

5

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Mannheim (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Elterngeld nach dem BEEG anlässlich der Geburt ihrer Tochter M. zu gewähren (Urteil vom 23.9.2008). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klägerin erfülle zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG. Ihr stehe ein Anspruch auf Elterngeld aber nicht zu, weil sie Angehörige eines Mitglieds der in Deutschland stationierten NATO-Truppen und daher vom Anwendungsbereich des BEEG ausgenommen sei. Dessen Anwendbarkeit stehe Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen. Nach dieser Vorschrift würden im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder der NATO-Truppen und des zivilen Gefolges sowie die jeweiligen Angehörigen nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Der Vorrang der Regelung derartigen zwischenstaatlichen Rechts folge aus § 30 Abs 2 SGB I. Die USA gehöre zu den Vertragsstaaten des NATOTrStatZAbk. Die Klägerin sei mit einem Mitglied der US-amerikanischen Truppen verheiratet und daher Angehörige im Sinne der Regelung. Ihre deutsche Staatsangehörigkeit sei dabei ohne Belang. Zu den Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge zähle auch das Elterngeld.

7

Anders als § 1 Abs 8 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) enthalte das BEEG keine abweichende Bestimmung iS des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk. Die Einfügung einer derartigen Ausnahmeregelung habe der Bundesrat zwar im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen. Dem sei die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung indes entgegengetreten. Der Entwurf des BEEG sei danach ohne die vom Bundesrat angeregte Änderung verabschiedet worden. Es handele sich damit um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, so dass eine analoge Anwendung anderer Vorschriften nicht in Betracht komme. Der Anspruch der Klägerin sei damit grundsätzlich nach Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausgeschlossen. Für die soziale Sicherheit der davon erfassten Personen sollten grundsätzlich die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen verantwortlich sein.

8

Anders sei es dagegen, wenn von diesen Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden seien (vgl Art 13 Abs 1 Satz 2 und 3 und Abs 2 NATOTrStatZAbk). Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe kein Grund, derartige rechtliche Beziehungen nur deshalb zu beschneiden, weil es sich bei den betroffenen Personen um Mitglieder der Streitkräfte, des zivilen Gefolges oder Angehörige handele. Als notwendige rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung habe das BSG verlangt, dass Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. Ebenfalls bejaht habe das BSG entsprechende Beziehungen bei einem Selbstständigen, der als Arbeitgeber der Beitragszahlungspflicht für Versicherte unterworfen gewesen sei. Der Fall der Klägerin, die seit Jahren außerhalb der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung stehe, sei dem nicht vergleichbar. Für eine Ausweitung der dargestellten Fallgruppen gebe es keinen Anlass.

9

Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin Kindergeld erhalte, folge nicht deren notwendige Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung. Die Klägerin erhalte Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz als Steuervergütung, weil sie als deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland sei. Dies beruhe auf einer Ausnahmeregelung für NATO-Angehörige (§ 1 Abs 1 Nr 4 Bundeskindergeldgesetz), für die es eine Entsprechung im BEEG nicht gebe. Die Lage der Klägerin sei vergleichbar den Angehörigen des konsularischen Corps, die ebenfalls vom Bezug von Familienleistungen ausgeschlossen seien.

10

Dem in der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, enthaltenen Gemeinschaftsrecht komme ein Vorrang gegenüber den Kollisionsregeln des NATOTrStatZAbk nicht zu. Wortlaut und Auslegung des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk verstießen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Dies habe das BSG sowohl für das Kindergeld als auch für das Bundeserziehungsgeld entschieden. Für das Elterngeld gelte nichts anderes.

11

Mit ihrer gegen dieses Urteil geführten Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Rechtsfehlerhaft gehe das LSG davon aus, dass dem Anspruch auf Elterngeld Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk entgegenstehe. Es sei zwar richtig, dass der Bundesrat die Einfügung einer dem § 1 Abs 8 BErzGG vergleichbaren Vorschrift vorgeschlagen habe und die Bundesregierung diesem entgegengetreten sei. Allerdings habe die Gegenäußerung der Bundesregierung einen wesentlichen Gesichtspunkt "außen vor" gelassen. Sie sei davon ausgegangen, dass das internationale Recht, hier das Recht des Entsendestaates, die Angehörigen befriedigend schütze. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Bundesregierung verkenne in ihrer Stellungnahme, dass eine Selbstständige, die keine Arbeitnehmer habe, nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zu Art 13 NATOTrStatZAbk kein Elterngeld erhalte. Dies stelle eine unzulässige Differenzierung dar. Eine Selbstständige könne nicht darauf verwiesen werden, durch Dritte, nämlich über ihre Arbeitnehmer, eine Beziehung zur sozialen Sicherheit und Fürsorge herzustellen, um danach zum Bezug von Elterngeld berechtigt zu sein. Dieses Differenzierungskriterium widerspreche den Vorgaben des Art 3 GG. Die hier vorgenommene Differenzierung bei der Verteilung staatlicher Vergünstigungen sei willkürlich. Die Differenzierung zwischen Selbstständigen mit Arbeitnehmern, die in die fünf Zweige der Sozialversicherung eingebunden seien, und Selbstständigen ohne solche Arbeitnehmer sei ungenau und unsystematisch.

12

Das LSG gehe auch zu Unrecht davon aus, dass ihre Beziehungen zum deutschen Sozialversicherungssystem nicht ausreichend seien. Vor ihrer Selbstständigkeit sei sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen. Als Selbstständige habe sie keine Möglichkeit gehabt, sich in der Arbeitslosenversicherung zu versichern. Sie habe sich zudem privat krankenversichert. Es bestehe eine Pflegepflichtversicherung. Schließlich sei sie freiwillig in der Unfallversicherung versichert. Nach Sinn und Zweck des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk sollten Angehörige nur dann von der Anwendung des deutschen Sozialrechts ausgeschlossen werden, wenn sie nur zum Entsendestaat rechtliche Beziehungen unterhielten. Das sei hier gerade nicht der Fall. Jedenfalls unterliege sie als deutsche Staatsangehörige ausschließlich dem deutschen Steuerrecht. Dies ergebe sich aus Art X Abs 1 und Abs 4 NATOTrStat. Auch stehe ihr ein Anspruch auf Elterngeld nach den Vorschriften der EWG-VO 1408/71 zu.

13

Im Übrigen liege in ihrem Ausschluss von der Anwendung des § 1 BEEG auch ein Verstoß gegen Art 6 GG. Dieses Grundrecht schütze nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie als Gemeinschaft der Eltern mit ihren minderjährigen Kindern. Sie enthalte eine wertentscheidende Grundsatznorm. Eine Differenzierung zwischen Verheirateten und Nichtverheirateten könne nur dann erfolgen, wenn es einleuchtende Sachgründe dafür gebe. Im vorliegenden Falle hätte die Klägerin unstreitig Elterngeld erhalten, wenn sie entweder nicht verheiratet gewesen wäre oder wenn sie eine Selbstständige wäre, die wenigstens einen Angestellten beschäftigt hätte. Sie werde vom Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen, weil sie mit einem NATO-Truppenangehörigen verheiratet sei. Dies könne jedoch eine Einschränkung ihres Grundrechts aus Art 6 GG nicht rechtfertigen.

14

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 zurückzuweisen.

15

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

16

Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet.

18

Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebende und Elterngeld zusprechende Urteil des SG zurückzuweisen.

19

Zwar hat das SG die Beklagte zur Gewährung von Elterngeld verurteilt, ohne den Leistungszeitraum im Tenor seines Urteils zu bezeichnen. Es wird jedoch aus seinen Entscheidungsgründen hinreichend deutlich, dass Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate der Tochter der Klägerin zugesprochen worden ist. Damit handelt es sich bei dem Urteil des SG um ein hinreichend bestimmtes Grundurteil iS des § 130 Abs 1 SGG. Auf die Revision der Klägerin ist dieses Urteil wieder herzustellen, denn das SG hat die beklagte Landeskreditbank zutreffend zur Gewährung des Elterngeldes verurteilt. Zum einen ist die Beklagte in Baden-Württemberg für die Ausführung des BEEG zuständig (§ 12 Abs 1 Satz 1 BEEG iVm § 1 Verordnung der Landesregierung, des Ministeriums für Arbeit und Soziales und des Wirtschaftsministeriums des Landes Baden-Württemberg über die Zuständigkeiten nach dem BEEG vom 14.2.2007 - GBl 2007, 139, 140). Zum anderen hat die Klägerin Anspruch auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 18.2.2008 geborenen Tochter M.

20

Die Klägerin wird grundsätzlich vom Anwendungsbereich des BEEG erfasst, denn nach § 30 Abs 1 SGB I gelten die Vorschriften dieses Gesetzbuches, zu denen nach § 68 Nr 15a SGB I der erste Abschnitt des BEEG - über das Elterngeld - gehört, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Nach § 30 Abs 2 SGB I bleiben allerdings die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt.

21

Das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATOTrStat) vom 19.6.1951 (BGBl 1961 II, 1190) und das NATOTrStatZAbk vom 3.8.1959 (BGBl 1961 II, 1218), die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Gesetzes vom 18.8.1961 (BGBl 1961 II, 1183) sowie der Bekanntmachung über das Inkrafttreten des NATOTrStat vom 16.6.1963 (BGBl 1963 II, 745) am 1.7.1963 in Kraft getreten sind und aufgrund verschiedener Notenwechsel der Parteien des Nordatlantikvertrages nach der deutschen Wiedervereinigung auch für das Gebiet der neuen Bundesländer und Berlin (West) gelten, sind zwar zwischenstaatliches Recht iS des § 30 Abs 2 SGB I. Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten schließt Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk iVm den Vorschriften des NATOTrStat die Anwendung des Ersten Abschnitts des BEEG im Fall der Klägerin jedoch nicht aus.

22

Nach Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk werden zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist.

23

Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ist grundsätzlich auf die Klägerin anwendbar. Die Klägerin ist Angehörige iS der Vorschrift, denn sie ist die Ehefrau eines US-amerikanischen Mitglieds einer Truppe der NATO-Streitkräfte. Als Ehefrau erfüllt sie zweifelsohne die Voraussetzungen des Angehörigenbegriffs nach Art I Abs 1 Buchst c NATOTrStat. Ihr Ehemann ist Angehöriger der US-Armee, die Truppe iS des Art I Abs 1 Buchst a NATOTrStat ist.

24

Überdies gehört das BEEG mit dem darin geregelten Anspruch auf Elterngeld zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge. Der Denkschrift zum NATOTrStat und zu den Zusatzvereinbarungen (BT-Drucks III/2146) ist zu entnehmen, dass die vertragsschließenden Parteien in jener Zeit unter den Begriffen der sozialen Sicherheit und Fürsorge die deutsche Sozialversicherung sowie die deutschen Bestimmungen über die Betreuung von Personen "in Fällen der Not" verstanden haben (s BT-Drucks III/2146 S 234, 235). Unter Berücksichtigung dessen sind alle bisherigen Entscheidungen des BSG zum Bundeserziehungsgeld (BErzg) und zum Kindergeld davon ausgegangen, dass sowohl das BErzGG als auch das BKGG zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge gehören (s stellvertr BSG Urteil vom 12.7.1988 - 4/11a REg 4/87 - SozR 6180 Art 13 Nr 5 S 28). Für das BEEG darf nichts anderes gelten, zumal nach deutscher Verfassungsrechtslage der Begriff der Fürsorge nicht nur für Leistungen des Staates bei Bedürftigkeit bzw Armut gilt. Der auch in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge wird nicht beschränkt auf klassische Sozialleistungen bei Not wie etwa die Sozialhilfe verstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG fallen darunter vielmehr auch Leistungen in Notlagen "anderer Art", für die es nicht wesentlich darauf ankommt, ob die Betroffenen sich selbst helfen können, ebenso Leistungen, für die eine Bedarfslage nur ganz unspezifisch oder typisierend zugrunde gelegt wird, wie etwa das Kindergeld und das BErzg (zu alledem s BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 38 mwN)und damit auch das Elterngeld (BSG, aaO, RdNr 39).

25

Völkerrechtliche Verträge wie das NATOTrStatZAbk sind, wie jeder andere Vertrags- oder Normtext auch, zunächst nach dem Wortlaut, dh dem üblichen Wortsinn, auszulegen (Herdegen, Völkerrecht, 8. Aufl 2009, S 122 RdNr 28; unter Verweis auf Art 31 ff Wiener Vertragsrechtskonvention Graf Vitzthum in Graf Vitzthum - Hrsg - Völkerrecht, 4. Aufl 2007, RdNr 123), wobei die rein sprachliche Erfassung bei meist mehrsprachig verfassten Texten erhöhte Schwierigkeiten bereitet. Spiegelt der Wortlaut die klaren Intentionen der Vertragsparteien nur unzureichend wider, ist auf andere Auslegungsmethoden, insbesondere den historischen Willen der Vertragsparteien, den systematischen Zusammenhang und schließlich den Sinn und Zweck der Vertragsklausel und/oder des gesamten Vertragswerks zurückzugreifen. Hierbei kann besonders die teleologische Auslegung zu einem Vehikel für eine dynamische Vertragsinterpretation werden, die sich vom subjektiven Willen der Parteien bei Vertragsschluss entfernt (Herdegen, aaO). In gleicher Weise kann und sollte der Text eines völkerrechtlichen Vertrages ausgelegt werden, wenn sich ein übereinstimmendes Wortverständnis aller Vertragssprachen nicht feststellen lässt oder sich das Wortverständnis nach dem Vertragsschluss verändert hat. In diesen Fällen muss der Begriff maßgebend mit Blick auf den Sinn und Zweck des Vertrages ausgelegt werden.

26

Während der französische Text des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entsprechend dem deutschen Wortlaut von "matiere de securite sociale et d`assistance sociale" spricht, enthält der englische Text allein den Begriff "social security". Es kann indes im Ergebnis dahinstehen, ob die Parteien des NATOTrStatZAbk bei Vertragsschluss den Begriff der Fürsorge im Sinne von staatlichen Hilfeleistungen bei wirtschaftlicher Not enger verstanden haben. Denn es entspricht Sinn und Zweck seines Art 13 Abs 1, den dort beschriebenen Personenkreis unter den soeben dargelegten Voraussetzungen von der Anwendung des deutschen Systems der Sozialen Sicherheit und Fürsorge auszuschließen. Dies erfordert es geradezu, diejenigen Bereiche des deutschen Sozialrechts als erfasst anzusehen, die nach deutscher Rechtsauffassung zum System der Sozialen Sicherheit und Fürsorge gehören. Demzufolge ist auch die Leistung des Elterngeldes dem Bereich des deutschen Systems der Fürsorge iS des Art 13 Abs 1 NATOTrStatZAbk zuzuordnen.

27

Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk erfasst nicht sämtliche mögliche Ansprüche des betroffenen Personenkreises aus dem bundesdeutschen System der sozialen Sicherheit und Fürsorge. Er schließt, wie das BSG bereits entschieden hat (grundlegend Urteil vom 25.2.1992 - 4 RA 34/91 - BSGE 70, 138, 143 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2, S 11; BSG Urteil vom 2.10.1997 - 14/10 RKg 12/96 - SozR 3-6180 Art 13 Nr 8, S 41), als Ausnahmevorschrift die genannten Ansprüche der Mitglieder der Truppe, des zivilen Gefolges und der Angehörigen dieser Personen nur aus, wenn und soweit deutsche Sozialrechtsnormen für diese Personen Rechte oder Pflichten allein schon wegen des Umstands begründen würden, dass sie sich im Bundesgebiet tatsächlich aufhalten. Denn es wäre unangemessen, für diese Personen allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland und ihren Beziehungen untereinander oder zu der jeweiligen Truppe Rechte und Pflichten durch deutsche Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen. Hingegen findet deutsches Sozialrecht uneingeschränkt Anwendung, wenn und soweit seine Normen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu deutschen Leistungsträgern (§ 12 SGB I) an andere Umstände (zB Beziehungen dieser Personen zu anderen inländischen Rechtssubjekten) anknüpfen, insbesondere wenn von den von Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk erfassten Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden sind (s nur BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 8, S 42).

28

Dieses enge, rein kollisionsrechtliche Verständnis des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stimmt überein mit den Darlegungen der Denkschrift (BT-Drucks III/2146 S 235), wonach es der Stellung der ausländischen Streitkräfte in Deutschland nicht gerecht werden würde, wenn ihre Mitglieder, deren Zugehörigkeit zu den Streitkräften auf die militärische Organisation des Entsendestaates zurückgeht, in die sie eingeordnet sind, mit ihren Angehörigen sozialversicherungsrechtlich so behandelt würden, als ob sie bei einem Arbeitgeber oder Dienstherrn im gewöhnlichen Sinne in der Bundesrepublik Deutschland in abhängiger Beschäftigung tätig würden. Die Streitkräfte, ihre Mitglieder und die Angehörigen befänden sich aufgrund besonderer Abmachungen im Bundesgebiet, die es nicht sinnvoll erscheinen ließen, die Beziehungen des einzelnen Mitglieds zu den Streitkräften als Beschäftigung iS des deutschen Sozialversicherungsrechts anzusehen. Demgemäß sollten die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen für die soziale Sicherheit dieser Personen verantwortlich sein. Ähnliche Überlegungen gälten für die Betreuung dieser Personen in Fällen der Not. Anders sei es, wenn rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften begründet worden seien oder hergestellt würden. Es bestehe kein Grund, diese rechtlichen Beziehungen zu beschneiden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der Streitkräfte oder Angehörige handele.

29

Diese Konzeption kommt deutlich in Art 13 Abs 1 Satz 2 und 3 NATOTrStatZAbk zum Ausdruck, wonach Rechte und Pflichten, die diesen Personen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet erwachsen sind, unberührt bleiben und die Zugehörigkeit zu dem betroffenen Personenkreis ferner nicht die Möglichkeit ausschließt, dass in der deutschen sozialen Kranken- und Rentenversicherung zum Zwecke der freiwilligen Weiterversicherung Beiträge geleistet werden und im Rahmen einer bestehenden Versicherung Rechte entstehen und geltend gemacht werden. Auch darauf hat das BSG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25.2.1992 (BSGE 70, 138, 145 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 S 13) bereits hingewiesen. Auch auf den Inhalt des Art 56 Abs 3 sowie den weiteren Inhalt des Art 13 Abs 2 NATOTrStatZAbk, die diese enge kollisionsrechtliche Auslegung des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stützen, hat das BSG bereits aufmerksam gemacht (BSG aaO).

30

Dieses Verständnis des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entspricht auch der Rechtsauffassung, die die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren des BEEG geäußert hat. Der ursprüngliche, von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vorgelegte, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes (BT-Drucks 16/1889) hatte - anders als etwa § 1 Abs 8 BErzGG - den Personenkreis der Ehegatten oder Lebenspartner von Mitgliedern der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates nicht angesprochen. Demgegenüber hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 7.7.2006 zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 16/2454 S 9) die Ergänzung des § 1 um einen dem § 1 Abs 8 BErzGG gleichen Abs 8 vorgeschlagen, weil die Versagung des Elterngeldes für den betroffenen Personenkreis mit der Zielsetzung des Elterngeldes, insbesondere als Ersatz eines ausfallenden Einkommens, nicht vereinbar sei(BT-Drucks 16/2454 aaO). Dem ist die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 25.8.2006 (BT-Drucks 16/2454) entgegengetreten. Dem Anliegen des Bundesrates könne nicht gefolgt werden. Auch ohne die vorgeschlagene Ergänzung des § 1 BEEG seien Ansprüche von Ehegatten der NATO-Truppenmitglieder bzw der Mitglieder des zivilen Gefolges nicht gänzlich ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BSG hätten Ehegatten, bei denen zusätzliche Umstände vorlägen, durch welche rechtliche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt würden, durchaus einen Anspruch auf deutsche Familienleistungen (BT-Drucks 16/2454 S 12).

31

Nach alledem enthält Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk eine Kollisionsregel, die festlegt, dass deutsches Sozialrecht - ausnahmsweise - auf die dem internen Bereich der ausländischen Streitkräfte zugeordneten Personen nicht anzuwenden ist, wenn und solange sie sich im Bundesgebiet aufhalten und nur Beziehungen zum Entsendestaat oder untereinander haben. Deutsches Sozialrecht kann und muss dagegen uneingeschränkt angewendet werden, wenn (soweit und solange) diese Personen rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu Dritten, dh zu anderen, nicht "entsandten" Personen (Rechtssubjekten) unterhalten, und diese Beziehungen in dem jeweiligen sozialrechtlichen Zusammenhang relevant sind (vgl BSGE 70, 138, 145 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 S 13 f).

32

Welcher Art und welchen Umfangs die ein Eingreifen des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausschließenden und damit die Anwendbarkeit des deutschen Sozialrechts begründenden Rechtsbeziehungen sein müssen, kann sich nur nach dem (streitigen) Anspruch auf eine Sozialleistung bestimmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG ist dafür keineswegs stets erforderlich, dass der Angehörige des NATO-Truppenmitglieds als abhängig Beschäftigter oder als Selbstständiger in alle Zweige der deutschen Sozialversicherung einbezogen ist oder war (vgl dazu BSG Urteil vom 18.7.1989 - 10 RKg 21/88 - SozR 6180 Art 13 Nr 6; Urteil vom 15.12.1992 - 10 RKg 22/91 - SozR 3-6180 Art 13 Nr 3). Es reicht vielmehr aus, dass für den Anspruch auf die betreffende Sozialleistung ein Tatbestandsmerkmal erfüllt sein muss und erfüllt ist, das außerhalb des "NATO-Bereichs" liegt (vgl dazu allgemein BSG SozR 6180 Art 13 Nr 1; BSG SozR 3-6180 Art 13 Nr 5). Das BSG hat nur in den Fällen auf das Erfordernis einer intensiven Beziehung zur deutschen Sozialversicherung abgestellt, in denen es nach den Anspruchsvoraussetzungen selbst an einem Merkmal fehlt, das über den NATO-Bereich hinaus reicht. Beim Elterngeld gibt es jedoch ein solches Merkmal. Auf Angehörige von NATO-Truppenmitgliedern ist der Erste Abschnitt des BEEG über das Elterngeld anwendbar, wenn sie vor der Geburt des betreuten Kindes durch Erwerbstätigkeit Einkommen außerhalb des Bereichs der NATO-Truppen erzielt haben.

33

Nach der Konzeption des BEEG steht der Anspruch auf Elterngeld bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG dem Grunde nach zwar allen Personen zu, gleichgültig ob sie vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren oder nicht. Die Höhe der Leistung wird jedoch besonders bemessen, wenn die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes zum Tragen kommt. Wer Einkommen aus nichtselbstständiger oder selbstständiger Arbeit (s § 2 Abs 7 und Abs 8 BEEG) erzielt hat, dem wird gemäß § 2 Abs 1 BEEG Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt. Nach § 2 Abs 2 BEEG ist in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen vor der Geburt geringer als 1000 Euro war, der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent zu erhöhen. Danach erhält eine Person, die nur geringfügige Einkünfte iS des § 8 SGB IV von bis zu 400 Euro monatlich hatte, einen Betrag von 388 Euro als Elterngeld, der oberhalb des sog Grundbetrages in Höhe von mindestens 300 Euro monatlich liegt. Letzterer steht nach § 2 Abs 5 Satz 1 BEEG Personen zu, die vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hatten.

34

Hat der anspruchstellende Angehörige eines NATO-Truppenmitglieds vor der Geburt des Kindes in Deutschland außerhalb der NATO-Streitkräfte Einkommen aus abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit erzielt, erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 1 iVm Abs 7 bis 9 BEEG und damit ein Merkmal, das über den vom NATOTrStatZAbk erfassten Bereich hinausreicht. Dieser Umstand steht einem Durchgreifen des Art 13 Abs 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk entgegen und führt zur Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des BEEG. Das ist bei der Klägerin der Fall, denn sie war nach den gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG bis unmittelbar vor der Geburt ihrer Tochter in Deutschland als Versicherungsmaklerin selbstständig erwerbstätig. Zudem hat sie aus dieser Tätigkeit, wie sich aus dem Bescheid des Finanzamtes H. vom 2.3.2007 über Einkommenssteuer für das Jahr 2005 (vgl dazu § 2 Abs 9 BEEG) ergibt, auch Einkommen erzielt.

35

Der Klägerin steht dem Grunde nach Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter M. zu. Anspruch auf Elterngeld hat gemäß § 1 Abs 1 BEEG, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht sowie keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach § 4 Abs 1 Satz 1 BEEG kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, wobei gemäß § 4 Abs 3 Satz 1 BEEG ein Elternteil Elterngeld mindestens für zwei und höchstens für zwölf Monate beziehen kann. Mutterschaftsgeld für die Zeit ab der Geburt des Kindes wird nach Maßgabe des § 3 Abs 1 BEEG auf das der Mutter zustehende Elterngeld angerechnet. Die Höhe des Elterngeldes bestimmt sich nach § 2 BEEG.

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Dass die Klägerin die Grundvoraussetzungen des § 1 Abs 1 BEEG im Anspruchszeitraum von zwölf Monaten nach dem Tag der Geburt erfüllt, haben sowohl die Beklagte als auch die Tatsachengerichte angenommen. Auch wenn das LSG nicht zu allen Tatbestandsmerkmalen ausdrückliche tatsächliche Feststellungen getroffen hat, bestehen keine Zweifel an der Erfüllung der genannten Anspruchsvoraussetzungen, zumal auch ein ordnungsgemäßer Antrag (vgl § 7 BEEG) vorliegt. Die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes hat die Beklagte nunmehr durch besonderen Verwaltungsakt festzustellen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.