Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2011 - 1 StR 209/11

bei uns veröffentlicht am18.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 209/11
vom
18. Mai 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2011 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 22. Dezember 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: 1. Es kann hier dahinstehen, ob das Anfügen von aus sich heraus schwer verständlichen Tabellen, auf welche die Urteilsgründe Bezug nehmen, den Anforderungen an die Darstellung eines Urteils in Steuerstrafsachen genügen kann (hierzu vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 375/08, wistra 2009, 68; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, wistra 2009, 398). Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann der Senat mit noch ausreichender Klarheit die von der Strafkammer festgestellten Besteuerungsgrundlagen ersehen und hieraus den zutreffenden Betrag hinterzogener Steuern entnehmen. Soweit die von der Strafkammer errechnete Steuer von der tatsächlich geschuldeten Steuer abweicht, kann der Senat in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt ausschließen, dass sich dies auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.
2. Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verjährung der Taten der Steuerhinterziehung , die der Angeklagte durch die Nichtabgabe von Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2002 begangen hat (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), rechtzeitig unterbrochen worden ist. Der hypothetische Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt einen Steuerbescheid erlassen hätte, wenn der Täter fristgemäß eine Steuererklärung abgegeben hätte, ist für die Frage der für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Tatbeendigung ohne Bedeutung. Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch der - ohnehin für Rechtsfragen nicht anzuwendende - Zweifelssatz nicht die Annahme, der Angeklagte wäre als erster veranlagt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138).
3. Die von der Revision vorgebrachten Einwände gegen die mangels konkreter Ermittlungsmöglichkeiten durchgeführte Schätzung des Ausmaßes der Besteuerungsgrundlagen greifen nicht durch. Das Landgericht war insbesondere nicht gehalten, innerhalb eines von einem Sachverständigen angegebenen Bewertungsrahmens (hier zum Bratschwund bei Dönerfleischspießen) von dem für den Angeklagten günstigsten Wert auszugehen. In den Urteilsgründen ist (u.a. anhand einer Vergleichsberechnung zu einer bekannten Menge verbrauchten Fladenbrotes) nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen das Landgericht im konkreten Fall den für den Angeklagten ungünstigsten Wert für zutreffend erachtet hat. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
4. Auch die Strafzumessung ist frei von Rechtsfehlern.

a) Die Annahme der Voraussetzungen der Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB - die hier angesichts eines nur taktischen Teilgeständnisses ohnehin fern liegt - kommt bei Steuerdelikten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Siche- rung des staatlichen Steueranspruchs ist, nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00, NStZ 2001, 200). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB hat die Strafkammer mit zutreffender Begründung verneint.

b) Das Landgericht hat auch nicht § 46 Abs. 3 StGB verletzt. Der Umstand , dass der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Urteilsfeststellungen faktischer Geschäftsführer der Y. GmbH war, begründet zwar seine Verantwortlichkeit für die Abgabe zutreffender Steuererklärungen, besagt aber nichts darüber, ob er tatsächlich Steuern hinterzogen hat oder nicht. Es stellt daher keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht zu Lasten des Angeklag- ten gewürdigt hat, er sei „Initiator und treibende Kraft“ der abgeurteilten Strafta- ten gewesen.
Nack Wahl Graf Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2011 - 1 StR 209/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2011 - 1 StR 209/11

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2011 - 1 StR 209/11 zitiert 4 §§.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 213/14 vom 4. Dezember 2014 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StGB § 46a Nr. 1, § 315b Der vertypte Strafmilderungsgrund des §

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 375/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Regierungsdirektorin
als Vertreterin des Finanzamts für Steuerstrafsachen und
Steuerfahndung Wuppertal,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11. Januar 2008 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen, wegen versuchter Steuerhinterziehung in neun Fällen und wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, von der acht Monate als verbüßt gelten. Der hiergegen gerichteten Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, bleibt der Erfolg versagt.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war faktischer Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand der Betrieb von Spielau- tomaten in eigenen Spielhallen und in fremden Gaststätten war. Darüber hinaus betrieben die Gesellschaften Bistros mit Bewirtung und Spielgeräten.
4
Um die von ihm und den Gesellschaften geschuldeten Steuern zu verkürzen , unterließ es der Angeklagte in den Jahren 1998 bis 2001, die jeweils für die Gesellschaft fälligen Körperschafts- und Gewerbesteuererklärungen und die ihn treffenden Einkommensteuererklärungen abzugeben. Darüber hinaus entnahm der Angeklagte einen erheblichen Teil der Einnahmen der Unternehmen, ohne diese in den Büchern der Gesellschaften zu erfassen. Die Entnahmen verwendete er im Wesentlichen zur Finanzierung seines aufwändigen Lebensstils , teilweise aber auch, um die Löhne für illegal beschäftigte Arbeitnehmer in den Spielhallen zu bezahlen. Daneben stellte der Angeklagte in die Buchführung der Gesellschaften nachgemachte bzw. verfälschte Rechnungen ein, um so unberechtigter Weise für die Unternehmen Vorsteuer geltend machen zu können.
5
2. Das Landgericht hat die in der Buchführung der Gesellschaften nicht erfassten Entnahmen des Angeklagten als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet, soweit sie nicht zur Zahlung von Schwarzlöhnen verwendet wurden. Insgesamt hat das Landgericht eine Hinterziehungssumme in Höhe von 500.556,-- DM errechnet, die aus den vollendeten Taten resultierte. Daneben versuchte der Angeklagte nach den Berechnungen des Landgerichts, weitere Steuern in Höhe von 437.102,-- DM zu hinterziehen.

II.

6
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juli 2008 nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat insoweit:
7
Über den Hilfsbeweisantrag des Angeklagten vom 11. Januar 2008 wurde entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Urteil entschieden. Die unter Beweis gestellte Tatsache wurde als wahr unterstellt (UA S. 10, letzter Absatz). Dass der Antrag nicht ausdrücklich im Urteil beschieden wurde, ist unschädlich , wenn sich die Strafkammer - wie hier (UA S. 12) - mit der als wahr unterstellten Tatsache und somit mit dem Inhalt des Beweisantrages erschöpfend auseinandergesetzt hat (BGH, Urt. vom 3. April 1985 - 2 StR 630/84).

III.

8
Auch die Sachrüge des Angeklagten erweist sich im Ergebnis als unbegründet.
9
1. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Die Nachprüfung des Urteils hat in diesem Zusammenhang keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere ist entgegen den Angriffen der Revision weder die Sachdarstellung im Urteil, noch die tatrichterliche Beweiswürdigung aus Rechtsgründen zu beanstanden. Insoweit kann auf die zutreffenden Gründe der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juli 2008 verwiesen werden.
10
2. Auch der Strafausspruch hat im Ergebnis Bestand. Zwar fehlt es - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - bei der Berechnung der verkürzten Körperschaftssteuerbeträge an einer hinreichenden Darstellung der hier hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttungen im Rahmen des Anrechnungsverfahrens herzustellenden Ausschüttungsbelastung (vgl. § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 KStG aF). Auf diesem Darlegungsmangel beruht das Urteil vorliegend indes nicht.
11
a) Durch die Herstellung der Ausschüttungsbelastung kann sich je nach vorhandenem verwendbaren Eigenkapital bei der Gesellschaft die geschuldete Körperschaftsteuer um den Unterschiedsbetrag zwischen Tarifbelastung und Ausschüttungsbelastung mindern oder erhöhen (§ 27 Abs. 1 KStG aF). Um somit die Höhe der hinterzogenen Körperschaftsteuer zutreffend zu ermitteln und den Schuldumfang fehlerfrei zu bestimmen, ist daher erforderlich, dass das Tatgericht die Herstellung der Ausschüttungsbelastung im Urteil nachvollziehbar darstellt (vgl. BGHR KStG 1977 § 8 Ermittlung 2; verdeckte Gewinnausschüttung 2 bis 4). Nur so wird auch dem Revisionsgericht die Nachprüfung des Urteils ermöglicht.
12
aa) Insoweit ist zunächst darzulegen, welche Auswirkungen die Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung auf das Betriebsergebnis hat. Denn nur, wenn sich danach ein positives zu versteuerndes Einkommen ergibt, führt die verdeckte Gewinnausschüttung zu einer tariflichen Körperschaftsteuer (BGHR KStG 1977 § 8 Ermittlung 2). Bei der Gewinnermittlung (Bilanzierung) ist dabei die sich aus den verschwiegenen verdeckten Gewinnausschüttungen ergebende zusätzlich geschuldete Gewerbesteuer (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG [= § 7 Satz 1 GewStG aF], § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 KStG, § 4 Abs. 4 EStG) als Betriebsausgabe abzuziehen (BGH wistra 2008, 310, 312). Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht.
13
bb) Darüber hinaus ist aber erforderlich, dass in den Urteilsgründen auch eine Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals (vgl. § 30 KStG aF) vorhan- den ist (BGH wistra 2008, 310, 312). Daran fehlt es vorliegend. Im Urteil werden unter der Bezeichnung „Ausschüttungsbelastung“ lediglich einzelne positive oder negative Beträge mitgeteilt, die der Tarifbelastung hinzugerechnet oder aber von dieser abgezogen werden, ohne zu erläutern, wie diese ermittelt wurden.
14
b) Gleichwohl kann der Senat im konkreten Fall ausschließen, dass das Urteil bei rechtsfehlerfreier Darstellung der Berechnung der hinterzogenen Körperschaftssteuer für den Angeklagten günstiger ausgefallen wäre. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass es bei den Gesellschaften in den Veranlagungszeiträumen 1998 bis 2000 nach damaligem Recht kein verwendbares Eigenkapital gab, das auf der Ebene der Gesellschafter zu einer weiteren Steuererstattung geführt hätte (oder hätte führen können). Der Senat kann daher die im Urteil ausgewiesene Ausschüttungsbelastung nach Maßgabe der §§ 27 f. KStG in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung überprüfen. Danach ergibt sich kein Berechnungsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 718/08
vom
12. Mai 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
________________________
Zu den Anforderungen an die Feststellung und die Beweiswürdigung von Besteuerungsgrundlagen
in steuerstrafrechtlichen Urteilen.
BGH, Urt. vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 - LG Gießen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Mai 2009,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Regierungsoberrat
als Vertreter des Finanzamts Wetzlar,
Justizangestellte
- bei der Verhandlung -,
Justizangestellte
- bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 9. September 2008 wird
a) das Verfahren im Fall 1. der Urteilsgründe eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Umsatzsteuerhinterziehung für den Veranlagungszeitraum 1999 verurteilt wurde;
b) die weitergehende Revision mit der Maßgabe verworfen, dass aa) der Angeklagte in den Fällen 15. und 16. der Urteilsgründe schuldig ist des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition und mit Führen eines verbotenen Gegenstandes; bb) für die Fälle 15. und 16. der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten festgesetzt wird. 2. Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen; im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen, wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in zwei Fällen, wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers, mit der er ohne nähere Ausführungen die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat lediglich den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
1. Der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
3
Der Angeklagte ist seit ca. 20 Jahren im Immobiliengeschäft tätig. Er erzielte steuerpflichtige Umsätze durch die Überlassung eigener und angemieteter Wohnungen; die meisten der Wohnungen überließ er Prostituierten zur Ausübung der gewerblichen Prostitution. Im Jahre 1999 gründete der Angeklagte die BH gesellschaft mbH (nachfolgend: BH GmbH), deren Geschäftsführer er seit der Gründung war.
4
Für den Veranlagungszeitraum 1999 unterließ es der Angeklagte für sich persönlich Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Dadurch wurde Umsatzsteuer in Höhe von 55.040,-- DM verkürzt. Darüber hinaus gab er unter dem Datum des 8. Februar 2001 eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 bei dem für ihn zuständigen Finanzamt ab, in der er bewusst wahrheitswidrig zu geringe Einkünfte erklärte, weshalb am 5. April 2001 die von ihm zu zahlende Einkommensteuer um 100.982,-- DM und der Solidaritätszuschlag um 5.505,17,-- DM zu gering festgesetzt wurden. Auf dieser Grundlage setzte das Landgericht wegen Steuerhinterziehung in drei tateinheitlichen Fällen eine Geldstrafe von 270 Tagessätzen fest.
5
Für die Veranlagungszeiträume der Jahre 2000 bis 2004 erklärte der Angeklagte die aus der Überlassung der Wohnungen resultierenden Einkünfte und Umsätze, die er selbst und die BH GmbH erzielte, in den jeweiligen Steuererklärungen nicht vollständig, wodurch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag , Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer in einer Gesamthöhe von etwa 620.000,-- EUR verkürzt wurden.
6
2. Die Verurteilung im Fall 1. der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben , soweit der Angeklagte für den Veranlagungszeitraum 1999 tateinheitlich auch wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt wurde. Ihr steht ein Verfolgungshindernis entgegen, weshalb das Verfahren insoweit einzustellen ist.
7
a) Selbst wenn man wegen der Einschaltung eines Steuerberaters davon ausgeht, dass dem Angeklagten über die gesetzliche Frist nach § 149 Abs. 2 AO (31. Mai 2000) hinaus eine Fristverlängerung eingeräumt war (vgl. die Gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder über Steuererklärungsfristen für das Kalenderjahr 1999, BStBl. 2000 I, 86), war die Tat jedenfalls spätestens am 30. September 2000 beendet (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3). Bis zum Eintritt der Verjährung erfolgte keine geeignete Unterbrechungshandlung. Der Durchsuchungsbeschluss in dem gegen den Angeklagten geführten Verfahren (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB) wurde erst am 24. März 2006 erlassen.
8
b) Das Verfahren ist daher insoweit gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Die Annahme von Tateinheit steht dem nicht entgegen. Zwar bedarf es einer förmlichen Einstellung nicht, wenn sich ein Prozesshindernis nur auf eine tateinheitlich begangene Gesetzesverletzung bezieht (BGHSt 7, 305, 306; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 260 Rdn. 43). Der Bundesgerichtshof hat jedoch andererseits entschieden, dass in Fällen, in denen sich die Annahme von Tateinheit schon aufgrund des der Anklage zu Grunde liegenden Sachverhalts als verfehlt darstellt, ein Teilfreispruch zu erfolgen hat, wenn eine der in Betracht kommenden selbständigen Taten nicht nachzuweisen ist (BGH NJW 1993, 2125, 2126; ebenso Schoreit in KK StPO § 260 Rdn. 20, Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 260 Rdn. 12 m.w.N.).
9
Der vorliegende Fall, in dem die Verurteilung wegen Vorliegens eines Verfolgungshindernisses nicht erfolgen kann, ist diesen Fällen vergleichbar. Auch insoweit ist zur erschöpfenden Erledigung des angeklagten Prozessstoffes eine Teileinstellung auszusprechen, da sich die Annahme von Tateinheit in der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss als verfehlt erweist. Denn durch die pflichtwidrig unterlassene Umsatzsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1999 ist der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt. Demgegenüber verwirklichte der Angeklagte durch Abgabe der unrichtigen Einkommensteuererklärung und die daran anschließende Festsetzung durch die Finanzbehörden den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Liegen aber die Handlungsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und die Unterlassungsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, die sich zudem noch auf unterschiedliche Steuerarten beziehen , stehen die beiden verwirklichten Straftaten in Tatmehrheit (BGH wistra 2005, 30, 31).
10
3. Die Feststellungen hinsichtlich der übrigen Fälle der Steuerhinterziehung tragen demgegenüber den Schuld- und den Strafausspruch. Wenngleich die Sachdarstellung teilweise unvollständig ist und die getroffenen Feststellungen nicht zwischen der Darlegung des Tatgeschehens, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Würdigung unterscheiden, so dass sie sich teilweise auch als unklar und unübersichtlich erweisen, ermöglichen sie dem Senat dennoch eine hinreichende rechtliche Überprüfung des Urteils.
11
a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen , dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4 und 7). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
12
Bei der Steuerhinterziehung kommt hinzu, dass die Blankettnorm des § 370 AO und die sie ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften zusammen die maßgebliche Strafvorschrift bilden (BGH NStZ 2007, 595). Die Strafvorschrift des § 370 AO wird materiellrechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 374, 375; NStZ 2001, 201).
13
Die sachlich-rechtliche Prüfung der rechtlichen Würdigung durch das Revisionsgericht setzt bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus, dass die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sind. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen).
14
b) Bei einer Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen sind daher grundsätzlich folgende Anforderungen zu stellen:
15
aa) Die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist einerseits Erklärungsdelikt. Der Tatbestand wird dadurch verwirklicht, dass gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden. Daher ist festzustellen, wann der Angeklagte welche Steuererklärungen mit welchem Inhalt abgegeben hat (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4).
16
bb) Die Steuerhinterziehung ist darüber hinaus Erfolgsdelikt, da § 370 Abs. 1 AO voraussetzt, dass durch die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt worden sind. Steuern sind dabei namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Insoweit bedarf es einerseits der Feststellung , welche Steuern seitens der Finanzbehörden zu welchem Zeitpunkt festgesetzt wurden (sog. Ist-Steuer). Weiter ist erforderlich, dass zum einen der tatsächliche Sachverhalt festgestellt wird, aus dem die von Gesetzes wegen geschuldete Steuer folgt (sog. Soll-Steuer). Daneben ist die Soll-Steuer als solche festzustellen. Aus der Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Steuer ergibt sich dann die verkürzte Steuer.

17
c) Von der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, also der steuerrechtlich erheblichen Tatsachen, zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Umfang die festgestellten Tatsachen gewürdigt werden müssen (Beweiswürdigung ). Für einen geständigen und zudem verteidigten Angeklagten (vgl. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO) gilt grundsätzlich:
18
Räumt der Angeklagte die Besteuerungsgrundlagen ein und hat sich der Tatrichter erkennbar von der Richtigkeit des Geständnisses überzeugt, dann genügt eine knappe Würdigung der so gefundenen Überzeugung. Jedenfalls, soweit es um das „reine Zahlenwerk“ - etwa den Umsatz, die Betriebseinnahmen oder die Betriebsausgaben - geht, wird regelmäßig davon ausgegangen werden können, dass auch ein steuerrechtlich nicht versierter Angeklagter diese Parameter aus eigener Kenntnis bekunden kann.
19
Der Tatrichter kann seine Überzeugung insoweit auch auf verlässliche Wahrnehmungen von Beamten der Finanzverwaltung zu den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen stützen. Angaben von Beamten der Finanzverwaltung zu tatsächlichen Gegebenheiten können - wie bei sonstigen Zeugen auch - taugliche Grundlage der Überzeugung des Tatgerichts sein.
20
d) Die auf den so festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 9; BGH NStZ 2001, 200, 201). Dieses ist zwar nicht gehalten, den eigentlichen Berechnungsvorgang als Teil der Subsumtion im Urteil darzustellen, sofern dieser vom Revisionsgericht selbst durchgeführt werden kann. Freilich empfiehlt sich eine solche Berechnungsdarstellung bereits deshalb, weil sie die Nachvollziehbarkeit des Urteils erleichtert. Zudem bietet die Berechnungsdarstellung die Möglichkeit zu kontrollieren , ob die steuerlich erheblichen Tatsachen im angefochtenen Urteil festgestellt sind.
21
Den der Berechnungsdarstellung zukommenden Aufgaben kann nicht durch Bezugnahmen auf Betriebs- oder Fahndungsprüfungsberichte entsprochen werden. Das Tatgericht ist aber nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil ihm obliegende Rechtsanwendung - Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. Jäger StraFo 2006, 477, 479 m.w.N.).
22
e) Den vorstehenden Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Auf der teilweise unvollständigen Sachdarstellung beruht das Urteil indes nicht.
23
aa) Ist die sachlich-rechtliche Überprüfung dem Revisionsgericht aufgrund unzureichender Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nicht zuverlässig möglich, so beruht das Urteil grundsätzlich auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO).
24
Ausnahmsweise kann trotz unzureichender Darstellung der Besteuerungsgrundlagen aber ein Beruhen dann ausgeschlossen werden, wenn sich die Darstellungsmängel allein auf die Überprüfbarkeit der Höhe der hinterzogenen Steuern - mithin die Überprüfbarkeit des Schuldumfangs - durch das Revisionsgericht beziehen und auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Steuerberechnung den Angeklagten in Bezug auf den Schuldumfang beschwert.

25
bb) So liegt der Fall hier. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch; auf der Grundlage der im Urteil - wenngleich an unterschiedlichen Stellen - mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen kann der Senat auch ausschließen , dass sich auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Darstellung eine geringere Steuerverkürzung ergeben hätte.
26
Anhand der mitgeteilten Umsätze sowie der festgestellten Aufwendungen , die seitens des Angeklagten bzw. der BH GmbH getätigt wurden, lässt sich die von Gesetzes wegen geschuldete Umsatzsteuer ebenso wie die von Gesetzes wegen geschuldete Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer in ihrer Größenordnung berechnen. Soweit bei der Darstellung der im Veranlagungszeitraum 2000 hinterzogenen Steuern teilweise Feststellungen fehlen, die angesichts der damaligen Geltung des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens (vgl. § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 KStG aF) erforderlich waren, gefährdet dies den Bestand des Urteils im konkreten Fall nicht. Insbesondere kann trotz der fehlenden Feststellungen zum verwendbaren Eigenkapital der BH GmbH (vgl. insoweit Senat, Urt. vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 375/08) die Höhe der hinterzogenen Körperschaftsteuer ermittelt werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass es bei der BH GmbH im Veranlagungszeitraum 2000 nach damaligem Recht kein verwendbares Eigenkapital gab, das auf der Ebene der Gesellschafter zu einer weiteren Steuererstattung geführt hätte oder hätte führen können.
27
Die auf dieser Grundlage erfolgte Überprüfung der vom Landgericht angenommenen Soll-Steuern durch den Senat ergab keine Berechnungsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Dieser hat zudem das Ergebnis der Neuberechnung der Steuern, die auf der Grundlage der von ihm eingestandenen Be- steuerungsgrundlagen in der Hauptverhandlung erfolgte, auch anerkannt. Hierfür war der kaufmännisch versierte und verteidigte Angeklagte auch ausreichend sachkundig.

II.


28
Demgegenüber kann in den Fällen 15. und 16. der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in zwei Fällen keinen Bestand haben.
29
1. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass bei der Durchsuchung des Hauses des Angeklagten am 25. April 2006 eine ihm gehörende Pistole P 38, 9 mm sowie knapp 400 Patronen Munition Kaliber 22 aufgefunden wurden, für die der Angeklagte keine waffenrechtliche Erlaubnis hatte. Daneben führte der Angeklagte bei seiner Festnahme am gleichen Tag im Handschuhfach seines Fahrzeuges einen Schlagring bei sich.
30
2. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erweist sich die Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in zwei Fällen als rechtsfehlerhaft.
31
Das gleichzeitige unerlaubte Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen oder Waffenteile bzw. Munition, auch wenn sie nicht unter dieselbe Strafbestimmung fallen, gilt als nur ein Verstoß gegen das Waffenrecht (st. Rspr., vgl. BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1; BGH NStZ-RR 2003, 124 f.; BGHR WaffG § 52a Abs. 1 Konkurrenzen 1 m.w.N.; BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08 jeweils m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der Täter mehrere Waffen besitzt und lediglich eine davon führt (BGHR WaffG § 53 Abs. 3a Konkurrenzen 2; BGH NStZ 2001, 101). Hieran hält der Senat fest, auch wenn in Fällen, bei denen - wie hier - durch das Führen einer der Waffen eine besonders gefährliche Manifestation des Willens zur Gewaltausübung gegeben ist, eine andere Beurteilung nicht weniger überzeugend erscheint.
32
Der Schuldspruch in diesem Zusammenhang ist daher so wie geschehen zu berichtigen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; der insoweit geständige Angeklagte hätte sich auch im Falle eines Hinweises nicht anders und Erfolg versprechender als geschehen verteidigen können.

III.


33
Im Zusammenhang mit der Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz und wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.

IV.


34
1. Der Wegfall der Verurteilung wegen tateinheitlicher Steuerhinterziehung hinsichtlich der Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 1999 im Fall 1. der Urteilsgründe führt nicht zur Aufhebung der hierfür verhängten - angesichts des verbleibenden Schadens und der einschlägigen Vorstrafe des Angeklagten sehr maßvollen - Einzelstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Einzelstrafe erkannt hätte, weil auch festgestellte, aber verjährte Taten bei der Findung schuldangemessener Strafen berücksichtigt werden können (vgl. Senat, Beschl. vom 27. August 2008 - 1 StR 452/08; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 38b m.w.N.).
35
2. Der Wegfall der in Fall 16. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von vier Monaten führt nicht zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. In Anbetracht der verbleibenden Einzelstrafen und der maßvollen Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten, kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtstrafe als zwei Jahre und fünf Monate erkannt hätte.
36
3. Unabhängig davon weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht die an sich für schuldangemessen erachtete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten um fünf Monate milderte, ohne dass dies rechtlich geboten war.
37
Der Milderung lag zu Grunde, dass der gegen den Angeklagten ergangene Haftbefehl mit der Maßgabe außer Vollzug gesetzt wurde, dass der Aufenthalt des Angeklagten mittels einer elektronischen Fußfessel überwacht wird. Die Auflage wurde für die Dauer von einem Jahr und fünf Monaten vollzogen. Diesem Umstand hat die Strafkammer einerseits „ganz erheblich bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten“ Rechnung getragen (UA S. 28). Darüber hinaus erachtete das Landgericht deswegen aber eine Milderung der tatsächlich für schuldangemessen erachteten Gesamtfreiheitsstrafe für erforderlich.
38
Die Überwachung des Aufenthalts des Angeklagten mittels einer elektronischen Fußfessel stellt indes keine haftgleiche Freiheitsentziehung, sondern vielmehr nur eine Freiheitsbeschränkung dar (vgl. auch Senat NJW 1998, 767; Heghmanns ZRP 1999, 297, 302, siehe auch Fünfsinn in Festschrift für Eisenberg S. 691, 697 m.w.N.). Eine wie auch immer geartete Anrechnung auf die verhängte Strafe ist daher nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich - wie vom Landgericht im Ansatz richtig gesehen - nur um einen allgemeinen Strafzumessungsgrund zu Gunsten des Angeklagten.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
1. Hinterziehung von Vermögensteuer für Besteuerungszeit-
räume bis zum 31. Dezember 1996 bleibt strafbar.
2. Bei Veranlagungssteuern beginnt die Verfolgungsverjährung
einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen
erst, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten
für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen
hat.
BGH, Beschluß v. 7. November 2001 - 5 StR 395/01
LG Mühlhausen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 7. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2001

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 3. Mai 2001 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Mit seiner auf die Verurteilung wegen Hinterziehung von Vermögensteuer in zwei Fällen beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Er macht die Straflosigkeit der abgeurteilten Vermögensteuerhinterziehungen geltend. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen besaß der Angeklagte zum 1. Januar 1993 Vermögenswerte von mehr als 1,7 Millionen DM und zum 1. Januar 1995 von mehr als 2,2 Millionen DM. Obwohl er wußte, daß er – bezogen auf diese Zeitpunkte – beim Finanzamt Vermögensteuererklärungen abzugeben hatte, kam er dieser Pflicht nicht nach, um Vermögensteuern nicht bezahlen zu müssen.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Zu erörtern ist folgendes:

I.

Die Hinterziehung von Vermögensteuer, die bis zum 31. Dezember 1996 entstanden ist, bleibt auch weiterhin strafbar:
1. Das Vermögensteuergesetz vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (BGBl I S. 2467) (VStG) ist auf alle bis zum 31. Dezember 1996 verwirklichten Sachverhalte anzuwenden.
Dem steht nicht entgegen, daû das Bundesverfassungsgericht mit Beschluû vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) das Vermögensteuergesetz partiell für mit der Verfassung unvereinbar erklärt hat. Werden Normen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, hat dies zwar grundsätzlich zur Folge, daû die Normen nicht mehr angewandt werden dürfen (vgl. BVerfGE 92, 53, 73). Die Rechtsfolgen einer Unvereinbarkeitserklärung können aber zu einem Zustand führen, der von der verfassungsmäûigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (BVerfGE aaO); dies veranlaût das Bundesverfassungsgericht vielfach, die Unvereinbarkeitserklärung mit der Anordnung einer befristeten weiteren Anwendbarkeit der verfassungswidrigen Norm zu verbinden, wobei die Frist danach bestimmt wird, wann vom Gesetzgeber die Schaffung eines verfassungsmäûigen Zustandes erwartet werden kann. Hier hat das Bundesverfassungsgericht die Erklärung über die Unvereinbarkeit des § 10 Nr. 1 VStG mit dem Grundgesetz mit der Anordnung verbunden, daû das bisherige Vermögensteuerrecht auf alle bis Ende 1996 verwirklichten Sachverhalte weiter anwendbar bleibt. Würde nämlich das Vermögensteuergesetz ab dem Entscheidungszeitpunkt des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr angewendet werden können, hinge die endgültige steuerliche Belastung vom jeweiligen zufälligen Verfahrensstand zum Zeitpunkt des Ergehens der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ab (vgl. BFH NJW 1997, 2007, 2008). Der Tenor der Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts, der nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft hat (BGBl I 1995, S. 1191), lautet: 1. § 10 Nummer 1 des Vermögensteuergesetzes vom 17. April 1974 (BGBl I S. 949) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. November 1990 (BGBl I S. 2467), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 1994 (BGBl I S. 2325), ist jedenfalls seit dem Veranlagungszeitraum 1983 in allen seinen seitherigen Fassungen mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar, als er den einheitswertgebundenen Grundbesitz, dessen Bewertung der Wertentwicklung seit 1964/74 nicht mehr angepaût worden ist, und das zu Gegenwartswerten erfaûte Vermögen mit demselben Steuersatz belastet. 2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 1996 zu treffen. Längstens bis zu diesem Zeitpunkt ist das bisherige Recht weiterhin anwendbar... Damit wirkt sich die Unvereinbarkeitserklärung nicht ex tunc, sondern nur für die Zukunft aus. Die mit einer Unvereinbarkeitserklärung grundsätzlich verbundene Anwendungssperre entfällt (vgl. BFH BStBl II 2000, 378, 379). Dabei bewirkt die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich angeordnete Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes, daû die Vermögensteuer für die Veranlagungszeiträume vor 1997 auch weiterhin zu erheben ist (vgl. BFH NJW 1997, 2007; 1998, 3592; BVerfG ± 3. Kammer des Ersten Senats ± NJW 1998, 1854) und die Steuerpflichtigen infolgedessen entsprechende Vermögensteuererklärungen abzugeben haben.
2. Aufgrund der ausdrücklich angeordneten Weitergeltung des Vermögensteuergesetzes ist auch eine Hinterziehung von Vermögensteuer weiterhin möglich; sie bleibt strafbar.
Dies steht in Einklang mit der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt wistra 2000, 154; OLG Hamburg wistra 2001, 112; LG Itzehoe wistra 2001, 31; im Hinblick auf die Festsetzung von Hinterziehungszin-
sen: BFH BStBl II 2000, 378; FG Baden-Württemberg EFG 2000, 297; FG Bremen wistra 1999, 199; FG Nürnberg EFG 2000, 602; zu § 169 Abs. 2 Satz 2 AO: FG Düsseldorf EFG 2000, 906; FG Münster NJW 2000, 1136; a. A. LG München II wistra 2000, 74; Niedersächsisches FG DStRE 2000, 940 und EFG 2000, 1227). In der Literatur ist die Frage umstritten (vgl. nur ± bejahend ± Brandenstein NJW 2000, 2326; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 370 AO Rdn. 233b; Meine DStR 1999, 2101; Rolletschke DStZ 2000, 211; Schmidt wistra 1999, 121; Wulf wistra 2001, 41; ± verneinend ± Bornheim StuW 1998, 146; PStR 2000, 75; Degenhard DStR 2001, 1370; Kohlmann/Hilgers-Klautzsch wistra 1998, 161; Plewka/Heerspink BB 1999, 2429; Salditt StraFo 1997, 65; Ulsamer/Müller wistra 1998, 1; Urban DStR 1998, 1995).

a) Der Strafbarkeit der Vermögensteuerhinterziehung steht der Beschluû des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) nicht entgegen. Die Vorschriften des Vermögensteuergesetzes bleiben bezüglich aller bis Ende 1996 verwirklichten Sachverhalte geeignet, die Blankettvorschrift des § 370 AO auszufüllen und zusammen mit dieser einen Straftatbestand der Steuerhinterziehung zu bilden, gegen den nach wie vor verstoûen werden kann.
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22. Juni 1995, mit der die Tarifnorm des § 10 Nr. 1 VStG für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt worden ist, angeordnet, daû die gesetzlichen Regelungen der Vermögensbesteuerung befristet bis zum 31. Dezember 1996 weitergelten sollen. Dieser umfassenden Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts kommt gemäû § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Damit ist das Vermögensteuergesetz für die Besteuerungszeiträume bis zu diesem Stichtag auch als Ausfüllungsnorm des Blankettatbestandes des § 370 AO weiter heranzuziehen. Die befristete weitere Anwendbarkeit des bisherigen Vermögensteuerrechts schafft kein Recht minderer Qua-
lität, das vom Normadressaten ohne das Risiko, mit einer der vorgesehenen Sanktionen überzogen zu werden, ignoriert werden kann (BFH BStBl II 2000, 378, 379; Schmidt wistra 1999, 121, 125).
bb) Es ergibt sich auch nichts anderes daraus, daû das Bundesverfassungsgericht die Weitergeltungsanordnung nicht ausdrücklich auf das Strafrecht ausgedehnt hat (so: Bornheim PStR 2000, 75, 76). Denn nach der Entscheidungsformel des Beschlusses vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121) war bis zum 31. Dezember 1996 “das bisherige Recht weiterhin anwendbar”. Eine Beschränkung in dem Sinne, daû nur noch Steuerfestsetzungen erfolgen dürften, eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung hingegen ausgeschlossen sein solle, ist dem nicht zu entnehmen, sie war ersichtlich auch nicht gewollt. Ohne eine Strafbewehrung der Normen des Vermögensteuergesetzes würde die Steuerbelastung im wesentlichen auf der Erklärungsbereitschaft der Steuerpflichtigen beruhen. Dies würde im Widerspruch dazu stehen, daû das Bundesverfassungsgericht aus dem Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) für Steuern, deren Festsetzung auf Steuererklärungen beruht, die Notwendigkeit abgeleitet hat, die Steuerpflichtigen nicht nur durch ein Steuergesetz rechtlich gleichmäûig zu belasten, sondern auch einen gleichmäûigen Verwaltungsvollzug durch gesetzgeberische Maûnahmen abzustützen (vgl. BVerfGE 84, 239; vgl. auch BFH BStBl II 2000, 378, 380). Eine solche Beschränkung würde darüber hinaus auch dem Sinn und Zweck der verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung widersprechen, wonach “die Erfordernisse verläûlicher Finanz - und Haushaltsplanung und eines gleichmäûigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung” es rechtfertigen, die “Regelungen zur Vermögensbesteuerung für zurückliegende Kalenderjahre wie bisher weiter anzuwenden” (BVerfGE 93, 121, 148). Es würde dann an jeglicher Absicherung des Gesetzesvollzugs fehlen, so daû eine sofortige Anwendungssperre eine neue Ungleichheit bewirken würde,
der nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts im Vergleich zur bestehenden Gleichheitswidrigkeit das gröûere Gewicht zukäme.
cc) § 370 AO ist auch nicht ± wie teilweise vertreten wird (vgl. Kohlmann , Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 68.2; Salditt StraFo 1997, 65, 68) ± restriktiv dahin auszulegen, daû ± ungeachtet einer verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung ± nur materiell mit der Verfassung in Einklang stehende Steuernormen Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit sein können. Ebensowenig kommt es für die Strafbarkeit darauf an, wie hoch die Verkürzungsbeträge bei verfassungsgemäûen Besteuerungsvorschriften gewesen wären. Formell ordnungsgemäû zustande gekommene Gesetze sind nach der Verfassung so lange und so weit für Bürger, Behörden und Gerichte uneingeschränkt verbindlich, als sie nicht vom Bundesverfassungsgericht aufgrund seines Kassationsmonopols (Art. 100 Abs. 1 GG) aufgehoben worden sind. Soweit das Bundesverfassungsgericht für eine als materiell verfassungswidrig erkannte Norm eine befristete Weitergeltung anordnet, hat es diese Vorschrift gerade nicht aufgehoben; das mit der Zuwiderhandlung gegen diese Norm verbundene objektive Unwerturteil bleibt bestehen (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380).
dd) Die Vorschrift des § 79 Abs. 1 BVerfGG, nach der gegen ein rechtskräftiges Urteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Norm beruht, die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen (a.A. LG München II wistra 2000, 74). Diese einfachgesetzliche Vorschrift wird von der vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen und nach § 31 Abs. 2 BVerfGG ebenfalls mit Gesetzeskraft ausgestatteten Weitergeltungsanordnung als neuerer und speziellerer gesetzlicher Vorschrift gleichen Ranges verdrängt (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380; vgl. auch OLG Frankfurt wistra 2000, 154; LG Itzehoe wistra 2001, 31, 32; Brandenstein NJW 2000, 2326), ohne daû es insoweit auf die vom Bundesverfassungsgericht angeführte Begründung für die
Weitergeltungsanordnung ankommt. Entscheidend ist allein, daû danach die gesetzlichen Regelungen der Vermögensbesteuerung befristet bis zum 31. Dezember 1996 ohne Einschränkung weitergelten sollen. Die in § 79 Abs. 1 BVerfGG vorausgesetzte Rechtslage, daû auch eine lediglich mit dem Grundgesetz unvereinbare Norm nicht mehr angewandt werden darf, ist in Fällen der vom Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft ausgesprochenen Weitergeltung der Norm nicht gegeben.
b) Die Strafbarkeit der Hinterziehung von Vermögensteuer ist schlieûlich auch nicht gemäû § 2 Abs. 3 StGB mit Ablauf des 31. Dezember 1996 entfallen.
Zwar hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden Neuregelung des Vermögensteuergesetzes innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist keinen Gebrauch gemacht. Im Verstreichenlassen dieser Frist durch den Gesetzgeber liegt indes keine Aufhebung eines Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB mit der Folge, daû eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung auch für die Vergangenheit nicht mehr in Betracht kommen würde.
Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat geltende Gesetz vor der Entscheidung geändert worden ist. Als milderer Rechtszustand kommt auch der ersatzlose Wegfall eines Gesetzes in Betracht, dem wiederum der Wegfall der Anwendung eines formal fortbestehenden Gesetzes gleichkommt (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380; Ulsamer/Müller wistra 1998, 1, 4). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dabei auch die Änderung der Ausfüllungsnormen von Blankettgesetzen ± wie § 370 AO ± als Rechtsänderung im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB (BGHSt 20, 177).
§ 2 Abs. 3 StGB greift hier allerdings deswegen nicht ein, weil das Vermögensteuergesetz hinsichtlich der Veranlagungszeiträume vor 1997 weiter anzuwenden ist (vgl. BFH BStBl II 2000, 378; Meine DStR 1999, 2101; Schmidt wistra 1999, 121). Anders als es § 2 Abs. 3 StGB voraussetzt, gelten die blankettausfüllenden Normen bezogen auf die maûgeblichen Besteuerungszeiträume wie Zeitgesetze (§ 2 Abs. 4 StGB) fort. Die Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts hat für den früheren Rechtszustand dieselbe Wirkung wie Gesetzesänderungen, die der Steuergesetzgeber mit einer Überleitungsregelung verbindet, wonach der neue Rechtszustand erst auf Zeiträume oder Stichtage ab einem bestimmten Datum anzuwenden ist. Daraus folgt, daû für frühere Zeiträume oder Stichtage das bisherige Recht fortgilt (so auch BFH aaO). Für die Strafnorm des § 370 AO hat die Befristung der Weitergeltungsanordnung lediglich die Wirkung, daû für nach Fristablauf gelegene Veranlagungszeiträume keine weiteren Steueransprüche mehr entstehen können, die wiederum Anknüpfungspunkte für neue Hinterziehungshandlungen sein können. Die Hinterziehung vor Fristablauf entstandener Steuern ist hingegen weiterhin mit Strafe bedroht, weil die Strafnorm des § 370 AO nicht geändert wurde und die in § 370 AO geschilderten Begehungsvarianten für eine Steuerhinterziehung unverändert fortbestehen.

II.


Die Taten des Angeklagten sind nicht verjährt. Zurecht ist das Landgericht davon ausgegangen, daû auch die Verjährung der Steuerhinterziehung , die der Angeklagte durch Nichtabgabe einer Vermögensteuererklärung für den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1993 begangen hat, rechtzeitig unterbrochen worden ist.
1. Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit der Beendigung der Tat.


a) Die Frage, wann bei Veranlagungssteuern eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) beendet ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Veranlagungssteuern eine Tat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erst dann vollendet, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maûgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat. Entscheidend sei für die Frage der Vollendung nämlich der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäûer Abgabe auch der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre. Erst dann sei die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vereitelt und der Verkürzungserfolg eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt liege nur versuchte Steuerhinterziehung vor (vgl. BGHSt 30, 122, 123; 36, 105, 111; 37, 340, 344; BGH wistra 1999, 385). Auch die Beendigung der Unterlassungstat sei damit erst mit Abschluû der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamtes gegeben (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3; so auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 78a Rdn. 6, 9; Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 376 AO Rdn. 40, 43; G. Schäfer in Festschrift für Hanns Dünnebier, 1982, S. 541, 543).
bb) Demgegenüber wird auch die Auffassung vertreten, der Grundsatz ªin dubio pro reoº gebiete, daû zugunsten des säumigen Steuerpflichtigen ein erheblich früherer Tatbeendigungszeitpunkt anzunehmen sei (vgl. OLG Hamm, Beschluû vom 2. August 2001 ± 2 Ws 156/01 ±; Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 376 AO Rdn. 28; Gast-de Haan in Klein, AO 7. Aufl. § 376 Rdn. 19; Joecks, Praxis des Steuerstrafrechts 1998 S. 55; Schmitz wistra 1993, 248; Simon/Vogelberg, Steuerstrafrecht 2000 S. 92 f., 111 f.). Die Annahme des denkbar spätesten Vollendungszeitpunkts sei für einen Angeklagten nur insoweit günstig, als es um die Frage der Erfüllung des Tatbestandes gehe, nicht aber, soweit für die Frage der Verjährung die
Tatbeendigung an den Zeitpunkt der Tatvollendung geknüpft werde. Bei der Verjährung müsse vielmehr zugunsten des Angeklagten darauf abgestellt werden, wann bei einer hypothetischen Veranlagung nach einer rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung frühestens eine Veranlagung erfolgt wäre.
Wann dieser Zeitpunkt vorliegt, wird allerdings von den Vertretern dieser Ansicht unterschiedlich beantwortet (vgl. Joecks aaO und Gast-de Haan aaO: mit Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Steuererklärung; Simon/Vogelberg aaO S. 111: mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist und dazu einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer beim Finanzamt; OLG Hamm aaO, Schmitz aaO S. 251: im Hinblick auf regelmäûige Fristverlängerungen nicht vor 30. September des Jahres, in dem die Steuererklärung abzugeben gewesen wäre; Dietz in Leise/Dietz/Cratz, Steuerverfehlungen 68. Ergänzungslieferung § 376 AO Rdn. 9: mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nur bei dem Finanzamt bekannten Steuerpflichtigen, bei dem Finanzamt unbekannten Steuerpflichtigen erst mit allgemeinem Abschluû der Veranlagungsarbeiten; OLG Hamm aaO, Schmitz aaO S. 250, Simon /Vogelberg aaO S. 93 jeweils unter Hinzurechnung der Postlaufzeit für die Bekanntgabe).

b) Die abweichenden Auffassungen geben dem Senat keinen Anlaû, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben, wonach bei Veranlagungssteuern eine Unterlassungstat im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erst dann beendet ist, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maûgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3).
aa) Die Beendigung einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen setzt voraus, daû der steuerliche Verkürzungserfolg eingetreten ist, weil es sich bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein unechtes Unterlassungsdelikt, d. h. ein Erfolgsdelikt, handelt (vgl. Jähnke in LK aaO § 78a Rdn. 6, 9). Insoweit
besteht kein Unterschied zur Steuerhinterziehung durch aktives Tun (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 78a Rdn. 8; Rudolphi in SK-StGB § 78a Rdn. 7).
Nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sind Steuern bereits dann verkürzt, wenn sie nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Die darin liegende Tatvollendung fällt indes bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen nicht ohne weiteres mit der Tatbeendigung zusammen. Für die Beendigung der Tat und damit für die Frage der Verjährung kommt es nämlich nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem diese Steuern festgesetzt worden wären, wenn der Steuerpflichtige rechtzeitig eine Steuererklärung abgegeben hätte, weil ein dauerhafter Tat-erfolg zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht eingetreten ist. Solange die Veranlagungsarbeiten des Finanzamts noch im Gange sind, ist stets mit der Möglichkeit einer Veranlagung durch Schätzungsbescheid zu rechnen. Die für den Beginn der Verfolgungsverjährung maûgebliche Tatbeendigung ist vielmehr erst dann gegeben, wenn ein Steuerbescheid ergangen ist oder wenn feststeht, daû ein solcher Bescheid nicht mehr ergehen wird. Erst dann liegt eine endgültige Steuerhinterziehung vor und das Tatgeschehen hat über die eigentliche Tatbestandserfüllung hinaus ihren tatsächlichen Abschluû gefunden. Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung besteht auch nach der Vollendung der Tat uneingeschränkt bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 ff. AO) fort.
Nach begangener Steuerhinterziehung kann indes an sich die Festsetzungsverjährung nicht mehr eintreten, weil insoweit eine Ablaufhemmung bis zur strafrechtlichen Verjährung der Steuerhinterziehung besteht (vgl. § 171 Abs. 7 AO). Da es aber nicht vorhersehbar ist, ob nach Abschluû der allgemeinen Veranlagungsarbeiten des Finanzamts noch irgendwann gegen den Täter ein Steuerbescheid erlassen wird, ist die Hinterziehung einer Veranlagungssteuer durch Unterlassen als beendet anzusehen, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk
für den maûgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat (vgl. BGHR AO § 370 Verjährung 3). Erst dann ist regelmäûig nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen.
bb) Eine weitere Vorverlegung der Tatbeendigung nach dem Grundsatz ªin dubio pro reoº auf einen früheren Zeitpunkt kommt nicht in Betracht.
Zwar ist der Grundsatz ªim Zweifel für den Angeklagtenº grundsätzlich auch auf die Frage der Verjährung anzuwenden (vgl. BGHSt 18, 274). Bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt der zum Tatbestand gehörige Erfolg eingetreten ist, so greift der Grundsatz ªin dubio pro reoº ein (vgl. Stree/SternbergLieben in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 78a Rdn. 14). Voraussetzung hierfür ist aber, daû beim Tatrichter Zweifel über tatsächliche Gegebenheiten bestehen, die für die Verjährungsfrage von Bedeutung sind. Weiû das Gericht hingegen, daû kein Steuerbescheid ergangen ist, und kennt es den Zeitpunkt des Abschlusses der Veranlagungsarbeiten durch das Finanzamt, sind ihm die für die Tatbeendigung maûgeblichen Tatsachen bekannt; für die Anwendung des Grundsatzes ªim Zweifel für den Angeklagtenº bleibt dann kein Raum.
Der hypothetische Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt einen Steuerbescheid erlassen hätte, wenn der Täter fristgemäû eine Steuererklärung abgegeben hätte, ist für die Frage der Beendigung ohne Bedeutung, da es insoweit auf die endgültige Nichtfestsetzung der Steuern ankommt; die bloûe Tatbestandsverwirklichung durch Bewirken einer nicht rechtzeitigen Veranlagung reicht für die Tatbeendigung nicht aus.
2. Danach ist die Vermögensteuerhinterziehung des Angeklagten bezogen auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1993 nicht verjährt.
Zurecht hat das Landgericht festgestellt, daû der Lauf der Verjährungsfrist erst nach dem 1. Juni 1995 begonnen hat, weil zu diesem Zeitpunkt erst 94,34 Prozent der Veranlagungsarbeiten im maûgeblichen Ver-
anlagungsbezirk erledigt waren. Die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts Vechta vom 28. April 1999 hat damit die Verjährung gemäû § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB wirksam unterbrochen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

5 StR 399/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2000

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Juni 2000 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 47 Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte als Geschäftsführer zweier portugiesischer Firmen, die – soweit dies hier von Belang ist – ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich von ihrer deutschen Betriebsstätte aus auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausübten, weder Lohnsteueranmeldungen abgegeben noch Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die jeweiligen Einzugsstellen abgeführt. Wie der Angeklagte erkannt hatte , mußte er nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der portugiesischen Republik vom 15. Juli 1980 auch den lohnsteuerlichen Verpflichtungen nicht in Portugal, sondern in Deutschland nachkommen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Ergänzend zum Antrag des Generalbundesanwalts weist der Senat auf folgendes hin: 1. Für die Darstellung einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ist es grundsätzlich erforderlich, daß das Urteil erkennen läßt, welches steuerlich erhebliche Verhalten des Angeklagten im Rahmen welcher Abgabenart und (gegebenenfalls) in welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche innere Einstellung der Angeklagte dazu hatte (BGHR § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 5). Entsprechendes gilt für das Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 1 StGB. Soweit das Landgericht hier lediglich die jeweils verkürzten Lohnsteuern und die nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung pauschal festgestellt hat und auf eine Darstellung der für die Ermittlung des Schuldumfangs maßgeblichen Berechnungsgrundlagen verzichtet hat, gefährdet dies allerdings den Bestand des Urteils im konkreten Fall nicht.
Zwar ist es grundsätzlich rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter die Berechnungsgrundlagen selbst nicht darlegt und sich stattdessen hinsichtlich der Richtigkeit der Berechnung auf die Angaben von als Zeugen vernommenen Ermittlungspersonen wie z. B. von Steuerfahndungsbeamten bezieht (vgl. Harms NStZ-RR 1998, 97, 100 f.). Bei einem derartigen Vorgehen ist es nämlich für das Revisionsgericht nicht überprüfbar, ob der Tatrichter von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den jeweiligen Schuldumfang aufgrund eigener Feststellungen zutreffend ermittelt hat (BGHR aaO – Berechnungsdarstellung 2 – 7, 9). Die Anwendung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt ist ebenso Rechtsanwendung wie die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern bzw. der nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, durch die der jeweilige Schuldumfang der Straftat bestimmt wird. Diese Rechtsanwendung obliegt dem Strafrichter, nicht den als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der Finanzverwal- tung (vgl. BGHR aaO – Berechnungsdarstellung 9; vgl. auch Joecks, Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e. V., 1999, S. 661).
Eine Berechnungsdarstellung ist jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich , wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern bzw. der nicht abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung in der Lage ist, ein Geständnis ablegt (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 – Berechnungsdarstellung 2, 4, 8).
So lag der Sachverhalt hier. Der Angeklagte hat ein Geständnis abgelegt. Dieses erstreckte sich nicht nur darauf, daß die von ihm geleiteten Firmen Betriebstätten im Inland unterhielten, sondern auch auf die Höhe der verkürzten Lohnsteuern und der nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Der Angeklagte, der verantwortlich die Bücher führte und fachlich auch in der Lage war, die zu entrichtenden Abgaben zu berechnen, war hierfür ersichtlich auch sachkundig.
2. Das Landgericht hat auch für die Strafzumessung als Hinterziehungssumme diejenigen Lohnsteuerbeträge zugrunde gelegt, die aus den ausgezahlten Bruttoarbeitslöhnen errechnet wurden und für den Schuldspruch maßgeblich sind. Hierbei hat das Landgericht nicht berücksichtigt, daß bei Lohnsteuerhinterziehung für die Bemessung der Strafe auf den dem Staat dauerhaft entstandenen Schaden abzustellen ist, der sich nach den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitnehmer richtet (vgl. BGHSt 38, 285, 290). Diese waren hier aber weder dem Tatrichter noch dem Angeklagten bei seinem Geständnis bekannt. Ist aber die genaue Berechnung der endgültig geschuldeten Lohnsteuern nicht ohne weiteres möglich, kann der Tatrichter statt der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse von geschätzten, gegebenenfalls niedrigeren Durchschnittssteuersätzen ausgehen (vgl. BGH aaO). Dies hat das Landgericht nicht getan.
Der Senat schließt jedoch aus, daß bei Beachtung der genannten Grundsätze geringere Strafen verhängt worden wären. Das Landgericht hat eine Strafrahmenmilderung nach § 46a, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, ohne daß die Voraussetzungen dafür vorgelegen haben. Der Angeklagte hatte aus seinem privaten Vermögen bereits 800.000 DM an Steuerschulden getilgt und weitere Zahlungen in Aussicht gestellt. Darin hat der Tatrichter eine Schadenswiedergutmachung und ein ernsthaftes Bemühen um einen Täter-Opfer-Ausgleich gesehen.
Die Nachzahlung hinterzogener Steuern stellt indes keine Wiedergutmachung im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB dar. Diese Vorschrift bezieht sich vor allem auf die immateriellen Folgen einer Straftat, die zwar auch bei Vermögensdelikten denkbar sind (BGHR StGB § 46a Nr. 1 – Ausgleich 1; BGH NStZ 2000, 205); erforderlich ist aber jedenfalls ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß (BGH NStZ aaO). Bei Steuerdelikten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs ist (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109; 41, 1, 5), kommt ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht (vgl. BayObLG NJW 1996, 2806 und wistra 1997, 313, 314).
Die getroffenen Feststellungen tragen auch nicht die Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB. Die in § 46a Nr. 2 StGB normierte Fallgruppe verlangt, daß der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert. Die Bestrebungen müssen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Verlangt wird, damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann, daß der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt (BGH wistra 2000, 176, 177; NStZ 2000, 205, 206). Der Senat kann offen lassen, ob die Nachzahlung von Steuern überhaupt ein Fall der Schadenswiedergutmachung im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB sein kann. Keinesfalls ausreichend ist jedenfalls die hier allein vorliegende, mit der Inaussichtstellung weiterer Zahlungen verbundene teilweise geleistete Steuernachzahlung.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Raum

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.