Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12

bei uns veröffentlicht am07.08.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 314/12
vom
7. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2012 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 9. Februar 2012 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt , soweit der Angeklagte wegen vier tatmehrheitlich begangener Vergehen des Betrugs verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Entziehung Minderjähriger, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung , zweifacher Vergewaltigung und Nötigung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Entziehung Minderjähriger, Betrugs in vier Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie - jeweils tateinheitlich begangener - Freiheitsberaubung, zweifacher Vergewaltigung und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren in den Fällen II Taten 2 bis 5 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt wurde, gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 28. Juni 2012 ausgeführt: „Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs verstößt gegen den Spezialitätsgrundsatz, normiert in Artikel 27 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten - 2002/584/JI - (RbEUHb). Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Der Lebenssachverhalt der von ihm begangenen Betrugstaten war weder Gegenstand des Europäischen Haftbefehls vom 9. November 2009 (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 220ff), noch des Internationalen Haftbefehls vom 30. Oktober 2009 (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 84ff). Ein entsprechendes Nachtragsersuchen wurde nicht gestellt. Nach Aktenlage hat der Angeklagte auch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet. Seine ausdrückliche Zustimmung zur Übergabe wegen der im Europäischen Haftbefehl genannten Taten (vgl. Verfahrensakten Bd. I, Bl. 312,313) kann man- gels anderweitiger Anhaltspunkte nicht zugleich als „ausdrücklicher Verzicht“ auch auf den Grundsatz der Spezialität nach Art. 13 Abs. 1 RbEUHb interpretiert werden (vgl. BGH 1. Strafsenat, Urteil vom 08.08.1989 - 1 StR 296/89 -, Fundstelle juris Rdnr. 2 m.w.N. zu Art. 14 EuALÜbK). Ein Entfallen der Spezialität nach Art. 27 Abs. 3 b) RbEUHb ist ebenfalls nicht gegeben.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich bei einer Auslieferung aufgrund Europäischen Haftbefehls aus einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08 [Leymann und Pustovarov], NStZ 2010, 35 mit Anm. Dr. Heine; konkludent zustimmend : BGH 1. Strafsenat, Beschluss vom 09.02.2012 - 1 StR 152/11 -, Fundstelle juris Rdn. 20). Gleichwohl erscheint im vorliegenden Fall - auch aus Gründen der gebotenen Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen - kein Innehalten zur Stellung eines Nachtragsersuchens veranlasst, sondern die beantragte Teileinstellung des Verfahrens opportun.“
3
Dem tritt der Senat bei.
4
Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe bleibt von der teilweisen Einstellung des Verfahrens unberührt. Der Senat schließt im Hinblick auf die Einsatzstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und die übrigen in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Einzelstrafen von vier Jahren sowie zwei Jahren und acht Monaten aus, dass sich der Wegfall der Verurteilungen im Fall II. mit zweimal drei Monaten sowie vier und sieben Monaten Freiheitsstrafe auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hätte.
5
Im Hinblick auf den lediglich geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels erscheint es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den verbliebenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). RiBGH Rothfuß ist urlaubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Hebenstreit Graf Cirener

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2012 - 1 StR 152/11

bei uns veröffentlicht am 09.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 152/11 vom 9. Februar 2012 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2012 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des La
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2012 - 1 StR 314/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 3 StR 400/15

bei uns veröffentlicht am 10.11.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 400/15 vom 10. November 2015 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2014 - 1 StR 218/14

bei uns veröffentlicht am 25.06.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 1 8 / 1 4 vom 25. Juni 2014 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision der Angeklagten

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 152/11
vom
9. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Wuppertal vom 29. Juli 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 30 Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision, mit der er gleichzeitig ein Verfahrenshindernis geltend macht. Die Revision ist unbegründet. Der Senat entscheidet auf den Antrag des Generalbundesanwalts vom 20. Oktober 2011 durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:

I.

3
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
4
1. Der Eröffnungsbeschluss genügt den an ihn zu stellenden inhaltlichen Anforderungen.

5
Die Anklageschrift, an die der Eröffnungsbeschluss anknüpft, erfüllt noch ihre Funktion, die hier angeklagten Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer ausreichend zu umschreiben (vgl. zu den Anforderungen an die Darstellung in der Anklageschrift beim Vorwurf der Steuerhinterziehung BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 665/08, NStZ-RR 2009, 340; siehe auch Weyand in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 385 AO Rn. 19 ff.).
6
a) Eine Anklage ist dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel dazu führen, dass die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion nicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN). Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (vgl. u.a. BGH, Urteile vom 24. Januar 2012 - 1 StR 412/11 und vom 2. März 2011 - 2 StR 524/10; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - 4 StR 481/07, jeweils mwN); insoweit können Fehler auch noch in der Hauptverhandlung durch Hinweise entsprechend § 265 StPO geheilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09, NJW 2010, 308 mwN).
7
Genügt der Anklagesatz den Anforderungen an die Wahrung der Umgrenzungsfunktion für sich allein nicht, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Verdeutlichung und ergänzenden Erläuterung des Anklagesatzes herangezogen werden (BGHSt 46, 130, 134; BGH NStZ 2001, 656, 657; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Schneider in KK-StPO, 6. Aufl., § 200 StPO Rn. 30). Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass sich aus dem Anklagesatz zumindest die Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben. Fehlende Angaben im Anklagesatz können dann aus dem we- sentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnommen werden, wenn sie dort eindeutig benannt sind und daraus deutlich wird, dass sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft hierauf erstreckt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09, NJW 2010, 308 mwN).
8
b) Ausgehend von diesen Maßstäben genügt die Anklageschrift den Anforderungen an die Umgrenzungsfunktion, wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 3. Mai 2011 zutreffend dargelegt wird. Es waren auch sämtliche abgeurteilten Taten von der Anklage und vom Eröffnungsbeschluss erfasst (zur Reichweite der prozessualen Tat in Fällen der Hinterziehung von Umsatzsteuer vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221 Rn. 28 ff.).
9
2. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Spezialität besteht kein Verfahrenshindernis.
10
a) Allerdings bestand zum Zeitpunkt der Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht wegen des Grundsatzes der Spezialität hinsichtlich einzelner von der Verurteilung erfasster Delikte ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfolgungsverbot (Verfahrenshindernis) aus Art. 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk), denn der Angeklagte war nicht wegen dieser Delikte von der Schweiz nach Deutschland ausgeliefert worden und hatte auch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet.
11
aa) Der Angeklagte wurde zur Durchführung des Strafverfahrens aus der Schweiz ausgeliefert. Dieser Auslieferung lag ein Haftbefehl vom 8. Mai 2009 zugrunde (der unzutreffend unter dem 8. Mai 2008 datiert). Dieser Haft- befehl erfasste jedoch - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. Mai 2011 zutreffend dargelegt hat - die Lebenssachverhalte nicht, die der Verurteilung in den Fällen 41 bis 50, 53 bis 69 und 74 bis 79 der Urteilsgründe zugrunde liegen.
12
Die Zustimmung des Angeklagten zur vereinfachten Auslieferung ließ den Grundsatz der Spezialität nicht entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 1989 - 1 StR 296/89, NStE Nr. 5 zu Art. 14 EuAlÜbk). Auch die irre- führende Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung, er habe „auf den Spezialitätsgrundsatz“ verzichtet (vgl. die dienstlichen Äußerungen der Berufs- richter der Strafkammer), kann das Fehlen dieser formalen Voraussetzung nicht ersetzen.
13
(1) Aus dem Grundsatz der Spezialität ergibt sich für den ersuchenden Staat eine Beschränkung seiner Hoheitsrechte (vgl. dazu Schomburg/ Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, Einl. 74). Ihr Umfang bestimmt sich hier nach den Regelungen des EuAlÜbk in Verbindung mit der Auslieferungsbewilligung der Schweiz. Aus Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk ergibt sich, dass der Ausgelieferte „wegen einer anderen , vor der Übergabe begangenen Handlung als derjenigen, die der Auslieferung zugrunde liegt, nur … verfolgt, abgeurteilt, zur Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Sicherung oder Besserung in Haft gehalten oder einer sonstigen Beschränkung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden“ darf, wenn der Staat, der ihn ausgeliefert hat, zustimmt (Art. 14 Abs. 1 Buchst. a EuAlÜbk) oder wenn nach Verstreichen der Schonfrist des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Danach durfte der Angeklagte nur wegen solcher vor der Auslieferung begangener Taten bestraft werden, für die die Auslieferung bewilligt wurde (vgl.
BGH, Urteil vom 20. Dezember 1968 - 1 StR 508/67, BGHSt 22, 307; BGH, Urteil vom 11. März 1999 - 4 StR 526/98, NStZ 1999, 363).
14
(2) Zur Reichweite des Grundsatzes der Spezialität gilt Folgendes (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 – 1 StR 544/09 mwN):
15
Der dem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegende Tatbegriff umfasst den gesamten mitgeteilten Lebenssachverhalt, innerhalb dessen der Verfolgte einen oder mehrere Straftatbestände erfüllt haben soll. Im Rahmen dieses historischen Vorgangs sind die Gerichte des ersuchenden Staates nicht gehindert , die Tat abweichend rechtlich oder tatsächlich zu würdigen, soweit insofern ebenfalls Auslieferungsfähigkeit besteht. Auch eine Änderung in der Rechtsauffassung berührt die Hoheitsinteressen des um Auslieferung ersuchten Staates regelmäßig nicht.
16
Dementsprechend steht der Spezialitätsgrundsatz etwa einer Verurteilung wegen Einzeltaten anstelle einer im Auslieferungsersuchen angenommenen fortgesetzten Handlung nicht entgegen. Das Gleiche gilt, wenn der den Haftbefehl erlassende Richter anstatt von Tatmehrheit rechtsfehlerhaft von einer Verknüpfung der Taten im Sinne einer Handlungseinheit ausgegangen ist, sofern die dem Beschuldigten vorgeworfenen Tathandlungen dem Auslieferungsersuchen zu entnehmen sind.
17
Maßgeblich ist insoweit ausgehend von Sinn und Zweck des Spezialitätsgrundsatzes der Verfolgungswille des ersuchenden Staates, wie er für den ersuchten Staat im Auslieferungsverfahren objektiv erkennbar zum Ausdruck gebracht wird. Dem ersuchten Staat steht es frei, bei insoweit bestehenden Unklarheiten oder Unschärfen im Hinblick auf den Tatvorwurf seinerseits um Ergänzung der Darstellung der Handlungen, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens sind, zu ersuchen (vgl. Art. 12 Abs. 2 Buchst. b, Art. 13 EuAlÜbk). Sieht er hiervon ab, bringt er mit der unbedingten Bewilligung zum Ausdruck, dass die Auslieferung zur Verfolgung all derjenigen Taten erfolgt, die für alle Verfahrensbeteiligten erkennbar vom Verfolgungswillen des ersuchenden Staats erfasst waren, auch wenn die einzelnen Taten im Auslieferungsverfahren noch nicht näher konkretisiert waren.
18
(3) Auch unter Heranziehung dieser Grundsätze waren die Lebenssachverhalte , die zur Verurteilung in den Fällen 41 bis 50, 53 bis 69 und 74 bis 79 der Urteilsgründe geführt haben, von der Auslieferungsbewilligung auf der Grundlage des dem Auslieferungsverfahren zugrunde liegenden Haftbefehls nicht umfasst.
19
(4) Eine Aburteilung wegen dieser Taten hätte allenfalls dann erfolgen dürfen, wenn der Angeklagte zu Protokoll einer Justizbehörde bzw. eines Richters (vgl. Art. VI Abs. 2 und 3 des Vertrages vom 13. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung) auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist den Auslieferungsunterlagen zu entnehmen, dass der Angeklagte diesen Verzicht nicht erklärt hat (vgl. SH „Rechtshilfe“ 92 AR 128/09, Bl. 133, 148). Die gegenteilige Behauptung des Angeklagten in der Hauptverhandlung kann die Einhaltung der vorgeschriebenen Form nicht ersetzen.
20
bb) Damit bestand zum Zeitpunkt der Verurteilung ein sich aus Art. 14 EuAlÜbk ergebendes Verfahrenshindernis (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1963 - 1 StR 353/63, BGHSt 19, 118, 119). Die zur Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der sich aus einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz lediglich ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen ergibt (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - Rechtssache C-388/08 [Leymann und Pustovarov], NStZ 2010, 35 mit Anm. Heine, vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100), findet auf die hier vorliegende Auslieferung aus der Schweiz keine Anwendung.
21
cc) Das bestehende Verfahrenshindernis hatte jedoch nicht zur Folge, dass das Strafurteil des Landgerichts insoweit nichtig wäre; vielmehr ist dieses lediglich anfechtbar (vgl. RGSt 72, 77, 78; Schomburg/Hackner in Schomburg /Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, § 72 IRG Rn. 28).
22
b) Der Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität führt allerdings auch nicht dazu, dass der Senat das Urteil aufheben und das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen müsste. Denn die Beschränkung der Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des im EuAlÜbk vereinbarten Spezialitätsgrundsatzes ist hier nachträglich weggefallen, weil der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk geregelte Ausnahmefall, bei dem die Spezialitätsbindung wieder entfällt, eingetreten ist.
23
aa) Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk lässt die Verfolgung und Aburteilung von in einer Auslieferungsbewilligung nicht genannten Taten dann zu, wenn der Ausgelieferte, obwohl er die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet des Staates, dem er ausgeliefert worden ist, innerhalb von 45 Tagen nach seiner endgültigen Freilassung nicht verlassen hat oder wenn er nach Verlassen dieses Gebiets dorthin zurückgekehrt ist (s. auch Art. 38 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 Schweizerisches IRSG).
24
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier vor; der Angeklagte befand sich nach seiner Haftentlassung mehr als 45 Tage auf freiem Fuß und hat die Bundesrepublik Deutschland trotz vorherigen Hinweises auf die sich aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk ergebenden Rechtsfolgen nicht verlassen oder ist - was dem gleich steht (vgl. OLG Hamm wistra 1999, 359) - nach einer Ausreise dorthin wieder zurückgekehrt.
25
(1) Im Anschluss an die Urteilsverkündung am 29. Juli 2010 wurde der bereits seit 26. April 2010 außer Vollzug gesetzte Haftbefehl gegen den Angeklagten aufgehoben (PB I Bl. 302, PB II Bl. 600). Damit wurde der Angeklagte im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk i.V.m. Art. VI Abs. 1 SchweizEuAlÜbk -ErgV vom 13. November 1969 endgültig freigelassen.
26
„Endgültig freigelassen“ im Sinne des EuAlÜbk ist der Ausgelieferte dann, wenn ihm nach seiner Entlassung aus dem Gewahrsam des ersuchenden Staates in dem Verfahren, für das die Auslieferung bewilligt worden war, freisteht, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu verlassen und er dazu die tatsächliche Möglichkeit hat (vgl. dazu auch Walter, NStZ 1993, 393). Dies war hier mit Aufhebung des gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehls bei der Urteilsverkündung der Fall. Hierdurch wurde auch die letzte die Bewe- gungsfreiheit des Angeklagten beeinträchtigende Maßnahme durch das Gericht aufgehoben. Ladungen standen angesichts des mit Urteil abgeschlossenen Hauptverfahrens erster Instanz nicht mehr an. Vollstreckungsmaßnahmen konnten im Hinblick auf die vom Angeklagten eingelegte Revision noch nicht ergriffen werden.
27
Einer die Bewegungsfreiheit beeinträchtigenden Maßnahme steht nicht gleich, dass der Angeklagte für den Fall der Rechtskraft des gegen ihn ergangenen erstinstanzlichen Urteils trotz Anrechnung verbüßter Auslieferungs- und Untersuchungshaft (vgl. § 51 Abs. 1 StGB) noch mit der Verbüßung eines Strafrests rechnen musste. Denn bis dahin konnte sich der Angeklagte völlig frei bewegen; eine Auflage, nicht ins Ausland zu reisen, wurde vom Gericht nicht getroffen. Der Umstand, dass der Angeklagte damit letztlich einer Strafverfolgung wegen der zunächst vom Spezialitätsgrundsatz erfassten Tatvorwürfe dauerhaft allenfalls dadurch hätte entgehen können, dass er ausreist und nicht nach Deutschland zurückkehrt, steht der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk nicht entgegen. Denn diese Lage unterscheidet sich nicht von derjenigen, die bestehen würde, wenn der Angeklagte nicht von der Schweiz nach Deutschland ausgeliefert worden wäre. Auch dann könnte er nicht nach Deutschland zurückkehren, ohne sich einer Strafverfolgung auszusetzen. Diese Situation ist damit allein die Folge der von ihm begangenen Straftaten , nicht der Auslieferung.
28
Der vorliegende Fall ist auch nicht mit der von der Verteidigung angesprochenen Konstellation einer Strafvollstreckung vergleichbar, bei der ein Verurteilter nach Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrests zur Bewährung der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt war, der er sich bei einer Ausreise mit dem Risiko eines Bewährungswiderrufes (vgl. § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB) entziehen müsste (vgl. OLG München NStZ 1993, 392). Eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe war gegen den Angeklagten gerade nicht verhängt worden; Weisungen, Auflagen oder sonstige Verhaltensanordnungen für die Dauer des Revisionsverfahrens wurden ebenfalls nicht ausgesprochen und standen daher einer Ausreise auch nicht entgegen. Vielmehr war der zunächst gegen Auflagen außer Vollzug gesetzte Haftbefehl mit Urteilsverkündung ersatzlos aufgehoben worden. Damit konnte sich der Angeklagte frei bewegen und individuell entscheiden, ob er ausreist oder nicht (vgl. auch LG Berlin ZfStrVo 1999, 116).
29
(2) Mit Schreiben vom 12. August 2011, dem Angeklagten zugegangen am 18. August 2011, hat der Vorsitzende des Senats den Angeklagten und seine Verteidiger auf die Rechtswirkungen eines Verbleibs des Angeklagten in der Bundesrepublik Deutschland gemäß der Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk, Art. 38 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 Schweizerisches IRSG hingewiesen.
30
(3) Wie der Senat im Freibeweisverfahren unter Einschaltung der Polizei ermittelt hat, hielt sich der Angeklagte im Oktober 2011 in Deutschland auf. Damit steht fest, dass der Angeklagte nach Ablauf der Schonfrist von 45 Tagen des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk entweder Deutschland nicht verlassen hatte oder nach einer Ausreise dorthin wieder zurückgekehrt ist. In beiden Fällen entfällt die Spezialitätsbindung (vgl. Schomburg/Hackner in Schomburg /Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, § 72 IRG Rn. 15 mwN).
31
(4) Unbeachtlich ist insoweit, dass das Strafverfahren, dessentwegen seine Auslieferung bewilligt worden war, noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Eine der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 2 IRG entsprechende diesbezügliche Voraussetzung enthalten weder Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk noch Art. 38 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 Schweizerisches IRSG. Ausreichend für den Wegfall der Spezialitätsbindung ist daher, dass eine - auch nur bedingte - Freilassung erfolgt ist und der Betroffene die Möglichkeit zur Ausreise aus Deutschland hatte. Dies ist hier der Fall.
32
(5) Damit steht fest, dass gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk, Art. 38 Abs. 2 Buchst. b Nr. 1 Schweizerisches IRSG die Spezialitätsbindung entfallen ist. Der Grundsatz der Spezialität steht somit der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 41 bis 50, 53 bis 69 und 74 bis 79 der Urteilsgründe nicht (mehr) entgegen.
33
c) Der Umstand, dass das Strafverfahren wegen dieser Taten über weite Teile des Verfahrens unter Verstoß gegen das sich aus Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk ergebende Verfolgungs- und Verurteilungsverbot geführt worden ist, hindert eine Verwerfung der Revision des Angeklagten nicht. Er führt insbesondere nicht dazu, dass das Verfahren wiederholt werden müsste.
34
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Verfahrenshindernisse auch noch im Revisionsverfahren beseitigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1951 - 3 StR 961/51 zur Nachholung eines erforderlichen Strafantrags in der Revisionsinstanz; BGH, Urteil vom 26. Juni 1952 - 5 StR 382/52, BGHSt 3, 73; BGH, Beschluss vom 26. Mai 1961 - 2 StR 40/61, BGHSt 16, 225; BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 - 4 StR 464/00, NJW 2001, 836). Die Beseitigung von behebbaren Verfahrenshindernissen kann dabei aus Gründen der Prozessökonomie (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2000 - 1 StR 483/99, StV 2000, 347) und im Hinblick auf die prozessuale Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschuldigten (vgl. dazu Meyer- Goßner, StPO, 54. Aufl., § 206a Rn. 2) sogar geboten sein, um dem Angeklagten eine erneute Anklageerhebung und eine erneute Hauptverhandlung zu ersparen. Auch das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO), das gebietet, wegen aller verfolgbaren Taten einzuschreiten, verlangt, behebbare Verfahrenshindernisse mit den rechtlich dafür zur Verfügung stehenden Mitteln zu beseitigen.
35
bb) Diese Grundsätze gelten auch für Verstöße gegen den Grundsatz der Spezialität.
36
(1) Es ist allgemein anerkannt, dass es bei einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz auch dem Revisionsgericht möglich ist, ein Verfahrenshindernis zu beseitigen, indem es den ausliefernden Staat in einem Nachtragsersuchen um Zustimmung zur Strafverfolgung für die nicht von der Auslieferungsbewilligung erfassten Taten ersucht (vgl. Schomburg/Hackner in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, § 72 IRG Rn. 28b; Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., Teil II S. 16 Vorbem. Rn. 18). Stimmt der ersuchte Staat der Ausdehnung der Strafverfolgung auf die weiteren Taten zu, sind seine Rechte, die mit dem Spezialitätsgrundsatz geschützt werden sollen (Schomburg/Hackner aaO Rn. 13), gewahrt. Allerdings ist dann dem Angeklagten rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. Schomburg/Hackner aaO Rn. 28b). Dies ist hier geschehen.
37
(2) In gleicher Weise entfällt die Spezialitätsbindung aus Art. 14 EuAlÜbk dann, wenn der Ausgelieferte noch nachträglich auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet und sich mit der uneingeschränkten Strafverfolgung einverstanden erklärt (vgl. Art. VI Abs. 2 Schweiz-EuAlÜbk-ErgV vom 13. November 1969). Denn dann beruht die Strafverfolgung insoweit nicht auf der Auslieferung durch den ersuchten Staat, sondern auf der freien Entscheidung des Ausgelieferten, sich auch insoweit dem Strafverfahren zu stellen. Auch in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk kommt zum Ausdruck, dass die Rechte des ersuchten Staates dann nicht verletzt sind, wenn der Ausgelieferte sich freiwillig der Strafverfolgung des ersuchenden Staates unterwirft. Der Verzicht des ausliefernden Staates auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes ergibt sich damit insoweit bereits aus dem Auslieferungsübereinkommen selbst (vgl. Schomburg/Hackner aaO § 72 IRG Rn. 12a). Zugleich unterstreicht dies die „aktive Beteiligung des Individuums im Rechtshilferecht“ (vgl. Schom- burg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, Einl. 74 mit Belegen aus weiteren Auslieferungsübereinkommen).
38
(3) Hieraus wird deutlich, dass der in der Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes liegende Mangel jederzeit behebbar ist, und zwar sowohl durch ein Tätigwerden des ausliefernden Staates als auch durch ein solches des Ausgelieferten. Damit kann weder der Ausgelieferte noch der ausliefernde Staat für sich allein die nachträgliche Herbeiführung der Verfolgungsvoraussetzungen verhindern. Etwaige Verwertungsverbote für die Ergebnisse des zuvor unter Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz geführten Verfahrens bestehen nach einer nachträglichen Beseitigung des Verfahrenshindernisses nicht.
39
3. Auch im Hinblick auf den Grundsatz der Spezialität fehlt es nicht an der von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses die Taten in den Fällen 41 bis 50, 53 bis 69 und 74 bis 79 der Urteilsgründe im Hinblick auf den Spezialitätsgrundsatz nach Art. 14 EuAlÜbk nicht verfolgt werden durften, steht der Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses auch hinsichtlich dieser Taten nicht entgegen.

40
(1) Der Spezialitätsgrundsatz gebietet den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten des ersuchenden Staates nach einer Auslieferung nicht, jegliche Untersuchungshandlungen im Hinblick auf solche Taten einzustellen, die von der Auslieferungsbewilligung nicht umfasst sind. Insbesondere ergibt sich aus dem Spezialitätsgrundsatz kein Befassungsverbot für die nicht von der Auslieferungsbewilligung erfassten Taten. Vielmehr bestimmt sich die Reichweite der Beschränkung der Hoheitsrechte für die Bundesrepublik Deutschland durch den Grundsatz der Spezialität im vorliegenden Fall allein nach dem der Auslieferung des Angeklagten zugrunde liegenden Art. 14 EuAlÜbk.
41
(2) Der Senat braucht nicht zu klären, wie weit der Kreis der durch den Spezialitätsgrundsatz verbotenen Untersuchungshandlungen reicht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 5 StR 305/06, NStZ 2007, 345 mit abl. Anm. Lagodny sowie OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Februar 1991 - 1 Ws 641-642/90, StV 1993, 37 mit abl. Anm. Lagodny; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. August 1979 - 2 StR 465/79, BGHSt 29, 94 und BGH, Urteil vom 15. April 1987 - 2 StR 697/86, BGHSt 34, 352). Denn jedenfalls war der Eröffnungsbeschluss im vorliegenden Fall nach den Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 EuAlÜbk zulässig. Nach dieser Vorschrift darf der ersuchende Staat die erforderlichen Maßnahmen treffen, um nach seinen Rechtsvorschriften die Verjährung zu unterbrechen. Demnach war hier sowohl die Erhebung der öffentlichen Klage (vgl. § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB) als auch die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB) zur Verjährungsunterbrechung zulässig, zumal im vorliegenden Fall wegen des Tatvorwurfs der Steuerhinterziehung die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht dazu führte, dass die Verjährung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren ruhte (vgl. § 78b Abs. 4 StGB).

42
(3) Der Senat ist im Übrigen der Auffassung, dass ein Eröffnungsbeschluss auch dann hinsichtlich aller angeklagter Taten wirksam ist, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung für alle oder einzelne Taten ein aus dem Spezialitätsgrundsatz folgendes Verfahrenshindernis besteht, das aber behebbar ist.
43
(a) Nur schwerwiegende Mängel machen einen Eröffnungsbeschluss unwirksam, denn die gänzliche Unwirksamkeit mit der Folge rechtlicher Unbeachtlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung kommt allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1980 - 1 BJs 80/78 - 3, StB 29, 30 und 31/80, NJW 1981, 133 mwN; vgl. auch Paeffgen in SK-StPO, 4. Aufl., § 207 StPO Rn. 23). Sonstige Mängel - selbst das Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 207 Rn. 76) - lassen dagegen die Wirksamkeit eines Eröffnungsbeschlusses unberührt. Fehlt etwa zur Zeit der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ein erforderlicher Strafantrag, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1951 - 3 StR 961/51). Vielmehr ist bei Antragsdelikten gemäß § 130 StPO sogar der Erlass eines Haftbefehls zulässig, wenn der für die Verfolgung erforderliche Strafantrag noch nicht gestellt ist, weil insoweit ein noch behebbares Verfahrenshindernis vorliegt.
44
(b) Es besteht kein Anlass, die Frage der Wirksamkeit eines unter Missachtung des Spezialitätsgrundsatzes ergangenen Eröffnungsbeschlusses anders zu beurteilen, wenn - wie hier - dieser Verstoß behebbar ist. Denn das deswegen bestehende (behebbare) Verfahrenshindernis führt nicht dazu, dass der Eröffnungsbeschluss seine Funktion als Verfahrensvoraussetzung nicht erfüllen kann; insbesondere ist die Umgrenzungsfunktion des Eröffnungsbeschlusses gewahrt.
45
Im Hinblick darauf, dass das sich aus der Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes ergebende Verfahrenshindernis zu jedem Zeitpunkt durch einen Verzicht des Beschuldigten auf die Wahrung der Spezialitätsbindung oder durch ein erfolgreiches Nachtragsersuchen an den ausliefernden Staat beseitigt werden kann, ist ein Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass er die Unwirksamkeit des Beschlusses als solches nach sich ziehen würde (a.A. Vogler/Walter in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl., Teil I A2 § 72 IRG Rn. 14). Der Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes wird vielmehr dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass gemäß § 206a StPO das Verfahren einzustellen ist, wenn das Verfahrenshindernis nicht beseitigt werden kann (vgl. dazu Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 206a StPO Rn. 70).
46
(c) Der Beschluss des 2. Strafsenats vom 15. August 1979 in dem Verfahren 2 StR 465/79 (BGHSt 29, 94) steht dem nicht entgegen. Denn diese Entscheidung bezieht sich nicht auf das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk), sondern auf eine Auslieferungsbewilligung auf der Grundlage des Auslieferungsvertrags zwischen dem Deutschen Reich und Spanien vom 2. Mai 1878 (RGBl 213), der abweichende Vereinbarungen enthält. Nach dem dortigen Art. 6 darf die ausgelieferte Person wegen eines Verbrechens oder Vergehens, wegen dessen die Auslieferung nicht bewilligt worden ist, ohne Nachtragsbewilligung nur dann „zur Untersu- chung gezogen und bestraft werden“, wenn sie, nachdem sie wegen der zur Auslieferung führenden Taten bestraft oder endgültig freigesprochen ist, während dreier Monate im Lande bleibt oder nach Verlassen desselben wieder dorthin zurückkehrt. Anders als nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk war dort für den Beginn der Schonfrist ein endgültiger Abschluss des Verfahrens, für das die Auslieferung bewilligt wurde, erforderlich.
47
(4) Soweit angenommen wird, eine nachträgliche Bewilligung zur Strafverfolgung oder ein nachträglicher Verzicht auf den Spezialitätsgrundsatz habe keine ex-tunc-Wirkung (vgl. OLG Oldenburg, StV 1995, 13; OLG Dresden, Beschluss vom 4. Dezember 2001 - 1 Ss 463/01, juris), geht dies bereits von einem unzutreffenden Ansatz aus. Prämisse dieser Auffassung ist, dass eine Anklageerhebung und ein Eröffnungsbeschluss unwirksam sind, wenn sie unter Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz erfolgt sind. Dies ist indes - wie dargelegt - nicht der Fall.

II.


48
Aus den zutreffenden Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 3. Mai 2011 und vom 20. Oktober 2011 enthält das angefochtene Urteil zum Schuldspruch und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler (§ 349 Abs. 2 StPO).
49
Auch die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 52 bis 66 der Urteilsgründe betreffend die O. GmbH hat Bestand. Insbesondere ist es angesichts der Urteilsfeststellungen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht gemäß § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG als Voranmeldungszeitraum den Kalendermonat angenommen hat (vgl. auch Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., 146. Lfg. April 2011, § 18 UStG Rn. 73). Soweit die Rechnungen der O. GmbH für die Monate Januar, Februar und April 2009 nicht einzeln in den Urteilsgründen aufgelistet worden sind, stellt dies keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten in der Beweiswürdigung dar. Die Urteilsgründe belegen, dass die Steuerfahndungsbeamten R. und K. die bei mehreren Durchsuchungen aufgefundenen Rechnungen gesichtet und die einzelnen Rechnungsbeträge wie auch die auf UA S. 28 aufgelisteten Summen dieser Beträge als Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt haben. Das Landgericht durfte diese Angaben als glaubhaft werten und die summierten Beträge dem Urteil zugrunde legen, zu- mal die Angeklagten gegen das „Zahlenwerk“ keine Einwände erhoben haben (UA S. 80).

III.


50
Die von der Verteidigung mit Schriftsatz vom 27. November 2011 behauptete Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren seit August 2011 liegt nicht vor. Zwar wurden bereits am 10. August 2011 die Revisionen der Mitangeklagten F. und S. als unbegründet verworfen. Bei diesen Revisionen stellte sich allerdings nicht die Frage eines Verfahrenshindernisses wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Spezialität gemäß Art. 14 EuAlÜbk.
51
Entgegen der Auffassung der Revision begründet es keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, dass der Senat keine Teileinstellung gemäß § 206a StPO wegen des sich aus einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz ergebenden Verfahrenshindernisses vorgenommen hat. Vielmehr war die Beseitigung des behebbaren Verfahrenshindernisses im Revisionsverfahren aus Gründen der Prozessökonomie (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2000 - 1 StR 483/99, StV 2000, 347) und im Hinblick auf die prozessuale Fürsorge- pflicht gegenüber dem Angeklagten (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 206a Rn. 2) nicht nur sachgerecht, sondern sogar geboten. Denn es war angezeigt , das Verfahrenshindernis bereits in der Revisionsinstanz zu beseitigen, um dem Angeklagten zu ersparen, nach einer Teileinstellung des Verfahrens und erneuten Anklageerhebung, die im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk möglich war, nochmals einer Hauptverhandlung wegen derselben Tatvorwürfe ausgesetzt zu werden. Hierzu bedurfte es aber zunächst eines Hinweises an den Angeklagten auf die Rechtswirkungen des Ablaufs der Schonfrist des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk und einer anschließenden Überprüfung durch den Senat im Freibeweisverfahren, ob der Angeklagte innerhalb der Schonfrist das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland verlassen hat.
52
Auf den sodann der neuen Situation angepassten Revisionsantrag des Generalbundesanwalts vom 20. Oktober 2011 hin hat die Verteidigung, die - nachdem der Angeklagte in der Hauptverhandlung behauptet hatte, „auf den Spezialitätsgrundsatz“ verzichtet zu haben- in ihrer ursprünglichen Revisionsbegründung einen möglichen (von Amts wegen zu beachtenden) Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz nicht angesprochen hatte, am 27. November 2011 in einem vierzehnseitigen Schriftsatz diesem Antrag widersprochen und dabei zu den sich aus dem Spezialitätsgrundsatz ergebenden Fragen erstmals umfangreiche rechtliche Erwägungen angestellt. Diese mussten vom Senat sorgfältig geprüft werden, bevor eine Entscheidung ergehen konnte. Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte sich im Revisionsverfahren auf freiem Fuß befand, sind im Übrigen unabhängig davon, dass ihm eine neue Hauptverhandlung erspart wurde, seine zusätzlichen Belastungen durch die Verfahrensdauer seit August 2011 gering.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.