Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 1 StR 404/10

07.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 404/10
vom
7. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2010 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 5. März 2010 wird 1. das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts in den Fällen II 2 a (aa und bb) und II 2 b der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen; 2. die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO in dem Fall II 2 c der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit Diebstahl sowie im Falle II 3 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung , (weiterer) Körperverletzung und Nötigung beschränkt; 3. der Schuldspruch des vorbezeichneten Urteils dahin geändert , dass der Angeklagte im Falle II 2 c der Urteilsgründe der Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit Diebstahl und im Falle II 3 der Urteilsgründe der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung , (weiterer) Körperverletzung und Nötigung schuldig ist; 4. das vorbezeichnete Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. II. Die weitergehende Revision wird verworfen. III. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sechs Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren in den Fällen II 2 a (aa und bb) und II 2 b der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz verurteilt wurde, aus Gründen der Prozessökonomie gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Den Urteilsgründen ist nämlich nicht hinreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung (§§ 1 und 4 GewSchG) zuwidergehandelt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. März 2007 - 5 StR 536/06; BGHSt 51, 257; BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2007 - 2 StR 431/07).
3
Soweit der Angeklagte in den Fällen II 2 c und II 3 der Urteilsgründe jeweils tateinheitlich mit weiteren Delikten auch eines Verstoßes gegen das Ge- waltschutzgesetz schuldig gesprochen wurde, hat der Senat diesen Vorwurf mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a StPO ausgeschieden und den Schuldspruch entsprechend geändert. In letzteren beiden Fällen können die Einzelstrafaussprüche bestehen bleiben, da der tateinheitlich begangene Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz neben den mehreren gewichtigeren Delikten die Strafzumessung ausweislich der Urteilsgründe nicht beeinflusst hat.
4
Der Gesamtstrafenausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben, da durch die Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 2 a (aa und bb) sowie II 2 b der Urteilsgründe entfallen sind.
5
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO Gebrauch, sodass das erkennende Gericht eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß den §§ 460, 462 StPO zu treffen haben wird.
6
Die auf § 473 Abs. 4 StPO gestützte Kostenentscheidung musste nicht dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO vorbehalten werden, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann. Denn durch seine Verfahrensrüge hat der Angeklagte insbesondere den Schuldspruch wegen Vergewaltigung (Einsatzstrafe vier Jahre und sechs Monate) angegriffen, der jedoch mit dem Strafausspruch bestehen bleibt. Nack Wahl Rothfuß Elf Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 1 StR 404/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 1 StR 404/10

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß
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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

1.
die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
2.
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
3.
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
4.
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
5.
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung widerrechtlich gedroht hat oder
2.
eine Person widerrechtlich und vorsätzlich
a)
in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder
b)
eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer bestimmten vollstreckbaren

1.
Anordnung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1, zuwiderhandelt oder
2.
Verpflichtung aus einem Vergleich zuwiderhandelt, soweit der Vergleich nach § 214a Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 oder 3 dieses Gesetzes, jeweils auch in Verbindung mit § 1 Absatz 2 Satz 1 dieses Gesetzes, bestätigt worden ist.
Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Die wirksame Zustellung einer im Beschlusswege ergangenen
einstweiligen Verfügung ist Voraussetzung für die Strafbarkeit
BGH, Urteil vom 15. März 2007 – 5 StR 536/06
LG Göttingen –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. März 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15. März 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
alsVerteidigerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 4. September 2006 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Geldstrafe zu einer – zur Bewährung ausgesetzten – Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts belästigte der Angeklagte die Nebenklägerin, mit der er früher ein intimes Verhältnis unterhalten hatte, in vielfältiger Weise, nachdem diese sich von ihm getrennt hatte. Auf Betreiben der Nebenklägerin, die sich zuvor auf der Rechtsantragsstelle kundig gemacht hatte, erließ der Zivilrichter des Amtsgerichts Göttingen ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung des Angeklagten mit Beschluss vom 9. Oktober 2003 eine einstweilige Verfügung gegen den Angeklagten. Diesem wurde darin – aufgegliedert in konkrete Einzelverbote – untersagt, in irgendeiner Form Kontakt mit der Nebenklägerin aufzunehmen oder sich ihr auf eine kürzere Entfernung als 50 Meter zu nähern. Am 13. Oktober 2003 wurde der Nebenklägerin die einstweilige Verfügung mit dem Bemerken „mit der Bitte um weitere Veranlassung“ per Post zugestellt. Weder die Nebenklägerin noch das Gericht bewirkten allerdings in der Folgezeit eine Zustellung an den Angeklagten.
3
Der Angeklagte begab sich am 9. November 2003 gegen 2.00 Uhr nachts zur Gaststätte „Deja Vu“ in Göttingen, die ausdrücklich als zu meidender Ort in der einstweiligen Verfügung benannt war. Dort arbeitete die Nebenklägerin als Bedienung. Er setzte sich auf eine Freifläche vor der Gaststätte, die weniger als 50 Meter von der Gaststätte entfernt lag. Nachdem der Angeklagte diesen Platz trotz Aufforderung von Kollegen der Nebenklägerin nicht freiwillig verlassen hatte, verständigte die Nebenklägerin die Polizei. Den Polizeibeamten erläuterte die Nebenklägerin den Sachverhalt. Sie legte dabei auch die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Göttingen vor. Die Polizeibeamten konfrontierten den Angeklagten mit dem Vorwurf , gegen die Unterlassungsverfügung des Amtsgerichts verstoßen zu haben. Da der Angeklagte angab, von einer einstweiligen Verfügung nichts zu wissen, informierten sie ihn über deren Inhalt, ohne ihm allerdings die einstweilige Verfügung auszuhändigen. Weiterhin notierten die Polizeibeamten für den Angeklagten das Aktenzeichen der einstweiligen Verfügung auf einen Zettel mit dem Hinweis, er solle sich eine Ausfertigung des Beschlusses besorgen (Tat 1).
4
Der Angeklagte, der nun sicher von der einstweiligen Verfügung der Nebenklägerin wusste, suchte am 6. Dezember 2003 gegen 23.30 Uhr wiederum die Gaststätte „Deja Vu“ auf, in der sich die Nebenklägerin aufhielt. Als er die Nebenklägerin dort mit ihrem neuen Lebensgefährten, dem Zeugen B. , sitzen sah, warf er wutentbrannt von ihm mitge- brachte Fotos auf den Boden und spuckte dem Zeugen B. ins Gesicht (Tat 2).
5
Nachdem er zunächst die Gaststätte verlassen hatte und ziellos durch das Stadtgebiet gelaufen war, traf der Angeklagte kurz nach 24.00 Uhr in der Nähe des „Deja Vu“ erneut auf die Nebenklägerin, als diese in Begleitung ihres Freundes zu ihrem geparkten Pkw laufen wollte. Der Angeklagte lief auf den Zeugen B. zu und versetzte ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht und Fußtritte gegen das rechte Schienbein. Als sich der Zeuge wehrte und den Angeklagten seinerseits schlug, flüchtete der Angeklagte (Tat 3).
6
Der Angeklagte, der sich mittlerweile mit einer Eisenstange bewaffnet hatte, lauerte eine halbe Stunde später erneut der Nebenklägerin und dem Zeugen B. auf, die sich in die Gaststätte zurückgezogen hatten. Als der Zeuge B. in Begleitung der Nebenklägerin aus der Gaststätte kam und die beiden zu ihrem Auto gehen wollten, stürmte der Angeklagte mit der Eisenstange auf den Zeugen zu und versuchte, auf diesen einzuschlagen. Dem Zeugen gelang es jedoch, dem Angeklagten die Eisenstange zu entwinden (Tat 4).
7
Das Landgericht hat den Angeklagten nicht wegen eines Verstoßes nach § 4 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) verurteilt, weil keine wirksame vollstreckbare Anordnung eines Gerichts vorgelegen habe.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet allein die unterbliebenen Verurteilungen wegen Verstoßes gegen § 4 GewSchG in vier Fällen. Sie richtet sich damit gegen die Freisprüche in den ersten beiden Tatkomplexen sowie auch dagegen, dass der Verstoß in den Tatkomplexen 3 und 4 nicht tateinheitlich zu den Körperverletzungsdelikten ausgeurteilt wurde. Die Revision ist unbegründet.

9
1. Das Landgericht hat seine Auffassung, dass kein Verstoß gegen § 4 GewSchG vorliege, rechtsfehlerfrei damit begründet, dass es an einer wirksamen vollstreckbaren Anordnung eines Gerichts fehle.
10
a) Tathandlung nach § 4 GewSchG ist die Zuwiderhandlung gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 1 Abs.1 Satz 1 oder 3 GewSchG. Dabei handelt es sich um eine Blankettnorm, deren Verbotsgehalt sich aus der zugrunde liegenden zivilgerichtlichen Entscheidung ergibt (Heinke in Anwaltkommentar BGB 2005 § 4 GewSchG Rdn. 2). Ob eine gegenüber dem Angeklagten vollstreckbare Anordnung vorliegt, ist deshalb nach den hierfür geltenden zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Eine vollstreckbare Anordnung setzt voraus, dass diese dem Angeklagten gegenüber wirksam geworden ist. Dies geschieht durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung. Insoweit ist die Zustellung Wirksamkeitsvoraussetzung. Mit der Zustellung entsteht überhaupt erst ein Prozessrechtsverhältnis gegenüber dem Adressaten der einstweiligen Verfügung (Vollkommer in Zöller, ZPO 26. Aufl. § 922 Rdn. 12a). Die vom Generalbundesanwalt angesprochene Möglichkeit einer Vollziehung vor Zustellung nach § 929 Abs. 3 ZPO kommt bei einer – hier gegebenen – rechtsgestaltenden Regelungsverfügung daher ihrer Struktur nach nicht in Betracht (vgl. Vollkommer in Zöller aaO § 929 Rdn. 26; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 938 Rdn. 30, 31).
11
aa) Da eine wirksame Zustellung Geltungsvoraussetzung der einstweiligen Verfügung gegenüber dem Betroffenen ist, kommt keine – von der Staatsanwaltschaft befürwortete – Auslegung des § 4 GewSchG in Betracht , wonach eine so genannte „abstrakte Vollstreckbarkeit“ der einstweiligen Verfügung ausreichen solle (so aber OLG Oldenburg NStZ 2005, 411). Damit ist ersichtlich gemeint, dass für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes die bloße Existenz einer einstweiligen Verfügung genügen soll, ihre durch eine ordnungsgemäße Zustellung bewirkte Wirksamkeit gegenüber dem Betroffenen aber nicht verlangt werden soll. Abgesehen davon, dass eine solche der grundlegenden Systematik des Rechts der einstweili- gen Verfügung entgegenstehende Auslegung mit der Struktur des § 4 GewSchG als Blanketttatbestand nicht vereinbar wäre, gibt auch der Wortlaut dieser Bestimmung keinen Anhalt für eine derartige Auslegung. Dass die Anordnungen nach den §§ 1, 2 GewSchG zu befristen sind, soll ersichtlich einer Verletzung des Übermaßverbotes vorbeugen, stellt aber kein Argument im Sinne einer „abstrakten Vollstreckbarkeit“ dar (a.A. OLG Oldenburg aaO). Vielmehr legt der Wortlaut des § 4 GewSchG nahe, dass der Gesetzgeber auch insoweit die konkrete Vollstreckbarkeit gegenüber dem Betroffenen gemeint und zur Voraussetzung für eine Strafbarkeit gemacht hat. Dies wird nämlich aus dem ausdrücklichen und zusätzlichen Erfordernis deutlich, dass die vollstreckbare Anordnung bestimmt sein muss. Damit wollte der Gesetzgeber ersichtlich den Betroffenen vor strafrechtlichen Risiken für den Fall einer unklaren Verbotsverfügung schützen. Entsprechend wäre Rechtssicherheit für den Betroffenen noch weniger gegeben, wenn als Grundlage für den Vorsatz unter Umständen mündliche Berichte Dritter ausreichen sollen. Deshalb liegt die Annahme fern, der Gesetzgeber habe von einer wirksamen Zustellung gegenüber einem Betroffenen absehen wollen, der unter Umständen von dem Verfahren über die einstweilige Verfügung nicht einmal Kenntnis erlangt hat.
12
bb) Die Zustellung hat nach § 936 i.V.m. § 922 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb zu erfolgen. Das bedeutet, dass der Antragsteller (im vorliegenden Fall also die Nebenklägerin) die Zustellung zu bewirken hat. Damit soll die Entscheidung in der Hand des Antragstellers bleiben, ob er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht, und sich unter Umständen dadurch auch Schadensersatzansprüchen nach § 945 ZPO aussetzt. Schon allein wegen dieses Zusammenhangs kann eine Zustellung im Parteibetrieb nicht durch andere Formen der Bekanntgabe ersetzt werden (vgl. BGHZ 120, 73, 78 ff.).
13
b) Eine solche Zustellung fehlt im vorliegenden Fall. Schon aus diesem Grund ist die einstweilige Verfügung keine taugliche Grundlage für eine Strafbarkeit nach § 4 GewSchG. Die bloße Kenntnis von dem Inhalt der einstweiligen Verfügung, die hier jedenfalls sicher durch die Polizeibeamten vermittelt wurde, steht der Zustellung nicht gleich.
14
Zwar können Mängel der Zustellung geheilt werden. Die Voraussetzungen hierfür, die sich nach der Regelung des § 189 ZPO bestimmen , liegen jedoch nicht vor. Wesentliches und unverzichtbares Erfordernis einer Heilung ist, dass der Adressat der einstweiligen Verfügung das Dokument auch tatsächlich erhält, mithin „es in die Hand bekommt“ (Stöber in Zöller aaO § 189 Rdn. 4). Dies gebietet schon der Grundsatz der Rechtsklarheit , weil nur so für den Adressaten Inhalt und Umfang der gerichtlichen Verfügung eindeutig umrissen werden. Nur dadurch wird für den Verpflichteten deutlich, dass er durch ein Gericht in Anspruch genommen werden soll. Eine gerichtliche Maßnahme gewinnt ihren Geltungsanspruch auch daraus, dass sie zweifelsfrei – schon durch ihre äußere Form – als solche zu identifizieren ist. Deshalb kann die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung nicht durch die bloße Mitteilung über ihren Inhalt ersetzt werden (vgl. BGHZ 70, 384, 387).
15
Zudem fehlte im vorliegenden Fall ein Zustellungswille der Nebenklägerin , also die Absicht, die Zustellung auch bewirken zu wollen (vgl. BGH NJW 2003, 1192, 1193). Eine ohne Zustellungswillen erfolgte Übermittlung des Inhalts ist nicht geeignet, den Zustellungsmangel zu heilen. Die Zustellung bleibt unwirksam. Dies würde sogar dann gelten, wenn der Empfänger das Dokument selbst in Empfang genommen hätte.
16
c) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft kommt es nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall das Familiengericht hätte entscheiden müssen. Abgesehen davon, dass die nach § 620 Nr. 9 ZPO hierfür maßgeblichen Voraussetzungen wegen des Fehlens eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalts ersichtlich nicht gegeben sind, ist für die Wirkungen einer gerichtlichen Entscheidung maßgebend, in welchem Verfah- ren sie ergangen ist, und nicht, in welchem sie hätte ergehen müssen. Deshalb bestimmen sich die Vorschriften über die Zustellung nach der Verfahrensart , die tatsächlich auch zur Anwendung gelangt ist, und nach der konkret getroffenen Entscheidung. Hier hat das Zivilgericht eine einstweilige Verfügung im Sinne des § 935 ZPO erlassen. Eine solche ist – was nicht geschehen ist – nach § 922 Abs. 2 i.V.m. § 936 ZPO im Parteibetrieb zuzustellen. Ob im Interesse des Opferschutzes eine generell abweichende Regelung vorzugswürdig wäre, die in Fällen des Gewaltschutzgesetzes eine Zustellung von Amts wegen vorsieht, hat der Senat nicht zu entscheiden.
17
d) Schließlich lagen – wie das Landgericht zutreffend ausführt – für die Taten vom 6./7. Dezember 2003 die Voraussetzungen einer Strafbarkeit auch deshalb nicht mehr vor, weil die Vollziehung aus der einstweiligen Verfügung durch Ablauf der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO unstatthaft geworden ist. Eine für die Verhinderung einer solchen Folge unverzichtbare so genannte Vollziehungszustellung (vgl. BGHZ 120, 73, 78) wurde im vorliegenden Fall von der Nebenklägerin nicht vorgenommen.
18
2. Auch im Übrigen hat die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung keinen Fehler zum Vor- oder Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten ergeben.
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 431/07
vom
4. Oktober 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Oktober 2007 gemäß
§ 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Main) vom 8. Mai 2007 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall 6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung in drei Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit Körperverletzung, sowie wegen Körperverletzung in zwei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen , in einem Fall tateinheitlich mit Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Kör- perverletzung in zwei weiteren Fällen sowie wegen eines Vergehens nach § 4 GewSchG (Fall 6 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren im Fall 6 der Urteilsgründe aus Gründen der Prozessökonomie eingestellt. Den Urteilsgründen ist nämlich nicht zu entnehmen, dass dem Angeklagten - was Voraussetzung für eine Tathandlung nach § 4 GewSchG ist (BGH NStZ 2007, 484) - der entsprechende Untersagungsbeschluss des Amtsgerichts zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bereits wirksam zugestellt war.
3
Der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren bedarf es nicht. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer angesichts der im Übrigen verhängten Strafen (zwei Jahre sechs Monate, zwei Jahre vier Monate, zwei Jahre zwei Monate Freiheitsstrafe sowie Geldstrafen von 60 bzw. 90 Tagessätzen ) bei Wegfall der für den Fall 6 festgesetzten Geldstrafe von 50 Tagessätzen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
4
In dem durch die Verfahrensbeschränkung geschaffenen Umfang hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Bode Rothfuß Fischer Roggenbuck Appl

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.