Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2018 - 1 StR 551/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:090118B1STR551.17.1
bei uns veröffentlicht am09.01.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
EMRK Art. 6 Abs. 1
Anwendbarkeit der sog. Vollstreckungslösung zur Kompensation überlanger
Verfahrensdauer bei auf "schädliche Neigungen" und "Schwere der Schuld"
gestützter Jugendstrafe.
BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 1 StR 551/17 – LG Rottweil
ECLI:DE:BGH:2018:090118B1STR551.17.1
BESCHLUSS 1 StR 551/17 vom 9. Januar 2018 in der Strafsache gegen

wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.

ECLI:DE:BGH:2018:090118B1STR551.17.0
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 18. Juli 2017 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten teils noch jugendlichen, teils heranwachsenden Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge und einer Betäubungsmittelstraftat zu der (Einheits -)Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Zudem sind zwei Monate der Jugendstrafe für vollstreckt erklärt und eine Einziehungsentscheidung getroffen worden.
2
Der Angeklagte wendet sich mit der ausgeführten Sachrüge gegen Teile der Beweiswürdigung und beanstandet das Verfahren.
3
Das Rechtsmittel erweist sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Näherer Erörterung bedürfen lediglich folgende Aspekte:
4
1. Die Rüge, das Landgericht habe sich im Urteil nicht an eine getroffene „verständigende Absprache“ gehalten, ist unter keiner der nach dem Vortrag allenfalls in Betracht kommenden Angriffsrichtungen in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt.
5
a) Soweit die Revision das Zustandekommen einer Urteilsabsprache gemäß § 257c StPO behauptet, trägt sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen, die durch die Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 nicht in Frage gestellt werden, bereits keine Tatsachen vor, aus denen sich eine solche Absprache ergeben würde. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der Andeutung, es sei eine – rechtlich unzulässige – Verständigung über den Schuldspruch (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO) erfolgt (lediglich „einfache“ Körperverletzung statt Körperverletzung mit Todesfolge).
6
b) Soweit die Angriffsrichtung der Rüge dahingehen sollte, es habe eine gesetzwidrige, informelle Absprache stattgefunden, an die sich das Gericht wegen des Grundsatzes allgemeiner Verfahrensfairness hätte halten müssen, bedarf keiner Entscheidung, ob in Anlehnung an Rechtsprechung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10, NStZ 2011, 107, 108) außerhalb des Anwendungsbereichs von § 257c StPO aus oder im Zusammenhang mit gesetzwidrigen Absprachen überhaupt Bindungswirkungen für das Gericht resultieren können. Denn die Revision trägt bereits keinen Sachverhalt vor, anhand dessen das Vorliegen der Voraussetzungen eines Fairnessverstoßes nach den von dem 2. Strafsenat (aaO) genannten Kriterien durch das Revisionsgericht beurteilt werden kann. Die erfolgte Einholung der Zustimmung des Angeklagten zu einer heilerzieherischen Behandlung (§ 10 Abs. 2 Satz 2 JGG) beinhaltet auf der Grundlage des von der Revision vorgetragenen Sachverhalts kein „unklares oder irreführendes“ Ver- halten (BGH aaO) des Gerichts, zumal § 10 JGG ohnehin bei der hier durch das Landgericht im Rahmen des Bewährungsbeschlusses angeordneten The- rapieweisung („Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung") entspre- chende Anwendung findet (§ 23 Abs. 1 Satz 4 JGG).
7
2. Die getroffenen Feststellungen zu dem zum Tod des Geschädigten führenden Geschehen beruhen aus den ebenfalls in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend darlegten Gründen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und tragen den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
8
3. Der Strafausspruch und die getroffene Kompensationsentscheidung weisen ebenfalls keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler auf. Insbesondere ist die Vornahme der Kompensation für die überlange Verfahrens- dauer durch Erklärung eines bezifferten Teils der sowohl auf „schädliche Neigungen“ als auch auf „Schwere der Schuld“ (§ 17 Abs. 2 JGG) gegründeten Jugendstrafe als vollstreckt nicht zu beanstanden.
9
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings nicht vollständig geklärt, auf welchem Wege bei der Verhängung von Jugendstrafe eine wegen überlanger Verfahrensdauer erforderliche Kompensation, die nicht mehr allein durch die entsprechende Feststellung bewirkt werden kann (dazu nur BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146 Rn. 56), vorzunehmen ist.
10
aa) Der 3. Strafsenat hat in einer vor dem genannten Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 (aaO) ergangenen Entscheidung hinsichtlich einer auf schädliche Neigungen gestützten Jugendstrafe Zweifel daran geäußert, ob bei Verfahrensverzögerungen eine Kompensation durch Ermäßigung der an sich verwirkten Jugendstrafe vorzunehmen sei (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 417/02, NStZ 2003, 364; krit. dazu etwa Rose NStZ 2003, 588, 590 f.; Ostendorf, JGG, 10. Aufl., § 5 Rn. 14). Denn eine „schablonenhafte Übertragung“ der für die Kompensation von Ver- fahrensverzögerungen im allgemeinen Strafrecht geltenden Maßstäbe könne Grundanliegen des Jugendstrafrechts zuwiderlaufen. Der Ausgleich für eine Verfahrensverzögerung dürfe jedenfalls nicht zu einer Unterschreitung der zur Erziehung erforderlichen Dauer der Jugendstrafe führen und dadurch die Erreichbarkeit des Erziehungsziels gefährden (BGH aaO). Dementsprechend hat sich der 3. Strafsenat in einer weiteren, ebenfalls eine wegen schädlicher Neigungen verhängten Jugendstrafe betreffenden Entscheidung darauf beschränkt , die eingetretene Verfahrensverzögerung in den Gründen der revisionsgerichtlichen Entscheidung selbst festzustellen, eine (weitere) Kompensation durch einen bezifferten Abschlag von der erzieherisch gebotenen Strafe aber als nicht möglich erachtet (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 326/06, NStZ-RR 2007, 61; vgl. auch Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 73/17 bzgl. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln; zu letztgenannter Entscheidung krit. Eisenberg ZKJ 2017, 419 f.).
11
bb) Bezüglich einer ausschließlich auf den Anordnungsgrund „Schwere der Schuld“ gestützten Jugendstrafe haben der 2. und der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dagegen für eine während des Revisionsverfahrens eingetretene Verfahrensverzögerung selbst auf der Grundlage des Vollstreckungsmodells ausgesprochen, dass ein bestimmtes Quantum der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (BGH, Beschluss vom 27. November 2008 – 5 StR 495/08, NStZ 2010, 94, 95; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 278/09, ZJJ 2010, 326, 330 mit Anm. Eisenberg). In einem Beschluss vom 28. September 2010 hat der 5. Strafsenat hinsichtlich einer mit „schädliche Neigungen“ und mit „Schwere der Schuld“ begründeten Jugendstrafe zu erkennen gegeben, auch bei auf bei- de Anordnungsgründe gestützter Jugendstrafe eine über die Feststellung der Verfahrensverzögerung hinausgehende Kompensation nach der Vollstreckungslösung vornehmen zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 5 StR 330/10, NStZ 2011, 524, 525).
12
b) Eine Kompensation als solche ist bei Verstößen gegen den Beschleunigungsgrundsatz durch Verfassungs- und Völkerrecht wegen des damit einhergehenden Eingriffs in die verfassungsmäßigen Rechte des davon Betroffenen (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2003 – 2 BvR 327/02 u.a., NJW 2003, 2225 f.; BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 132 Rn. 24 mwN) zwingend auch für Verzögerungen im Jugendstrafverfahren zu gewähren. Im Hinblick auf die damit allein fragliche Art und Weise des gebotenen Ausgleichs vermag der Senat jedenfalls für die hier vorliegende, sowohl auf „schädliche Neigungen“ als auch auf die „Schwere der Schuld“ gestützte Jugendstrafe keine Gründe zu erkennen, die es erforderten, abweichend von den für Freiheitsstrafen nach allgemeinem Strafrecht geltenden Vorgaben zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer darauf zu verzichten , einen bestimmten Teil der Strafe für bereits vollstreckt zu erklären, wenn ein solcher über die Feststellung der Verzögerung hinausgehender Ausgleich geboten ist (siehe dazu BGH aaO BGHSt 52, 124, 146 f. Rn. 56). Eine andersartige Kompensation bei einer auf beide Anordnungsgründe gestützten Jugendstrafe läge allenfalls dann nahe, wenn jugendstrafrechtliche Besonderheiten einem Abschlag nach dem Vollstreckungsmodell entgegenstehen würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere stehen weder die allgemeine sanktionsrechtliche Bedeutung des Erziehungsgedankens (§ 2 Abs. 1 Satz 2 JGG) noch die strafzumessungsrechtlichen Vorgaben des § 18 Abs. 2 JGG entgegen.
13
aa) Verfassungsrechtlich genügt es nicht, die mit der Verfahrensverzögerung einhergehende Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes als eigenständigen Strafzumessungsgrund zu berücksichtigen, vielmehr ist das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der Verletzung des Beschleunigungsgebotes angemessenen Strafe exakt zu bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 1997 – 2 BvR 2173/96, NStZ 1997, 591 mwN). Das gilt auch für den Ausgleich in Bezug auf eine Jugendstrafe. Dem genannten verfassungsrechtlichen Gebot wird durch einen Abschlag nach der Vollstreckungslösung vollumfänglich Rechnung getragen. Eine lediglich allgemein strafmildernde Berücksichtigung bei der Strafzumessung als Gedanken des Schuldausgleichs (so BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 417/02, NStZ 2003, 364, 365) würde dem gerade wegen des Verzichts auf einen „mathematischen Abschlag“ weniger entsprechen und wäre mit der Gefahr einer sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterstellung von mit Jugendstrafe sanktionierten gegenüber mit Freiheitsstrafe belegten Angeklagten verbunden (insoweit zutreffend Eisenberg, JGG, 19. Aufl., § 18 Rn. 30; siehe auch ders. ZKJ 2017, 419).
14
bb) Der Senat teilt nicht gelegentlich geäußerte Befürchtungen, die Kompensation gesondert ausgleichbedürftiger Verfahrensverzögerungen nach dem Vollstreckungsmodell könne wegen damit (möglicherweise) verbundener Unterschreitung der erzieherisch gebotenen Strafe das Erreichen des Erziehungsziels in Frage stellen (so aber etwa BGH aaO NStZ 2003, 364, 365; krit. Rose NStZ 2003, 588, 590 f.). Ungeachtet der gemäß § 18 Abs. 2 JGG grundsätzlich gebotenen vorrangigen Ausrichtung der Bemessung der Jugendstrafe anhand des Erziehungsgedankens (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 4. August 2016 – 4 StR 142/16, NStZ 2017, 648, 649 mwN), dienen Anordnung und Vollstreckung der Jugendstrafe auch dem gerechten Schuldausgleich (BGH aaO). Das nach jugendspezifischen Kriterien zu bestimmende Ausmaß der individuellen Schuld (vgl. BGH aaO mwN) bildet dabei bei der Jugendstrafe wegen des hier ebenfalls geltenden verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes den Rahmen, innerhalb dessen die erzieherisch erforderliche Strafe gefunden werden muss (vgl. Radtke in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., Band 4, JGG § 17 Rn. 14 f. mwN). Vor diesem Hintergrund steht die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, bei durch § 18 Abs. 2 JGG geleiteter Zumessung der Jugendstrafe Strafrahmenmodifikationen des allgemeinen Strafrechts ebenso zu berücksichtigen wie die dort geregelten obligatorischen oder fakultativen Strafmilderungsgründe (siehe etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155 und vom 22. April 2015 – 2 StR 503/14, NStZ 2016, 105). Bei einer innerhalb dieses Schuldrahmens zu findenden, durch das notwendige Maß erzieherischer Einwirkung bestimmten konkreten Jugendstrafe erscheint es – insoweit nicht anders als bei mit spezialpräventiven Strafzumessungserwägungen innerhalb des Schuldstrafrahmens bemessener Freiheitsstrafe – ausgeschlossen, dass lediglich eine gleichsam punktgenau bemessene Jugendstrafe die allein erzieherisch erforderliche zu sein vermag und ausschließlich die Vollstreckung dieser Strafe in ihrer festgesetzten Dauer die gebotene erzieherische Einwirkung gewährleistet. Regelmäßig bestehen auch bei der Bewertung des Erziehungsbedarfs als Strafzumessungskriterium Beurteilungsspielräume der Jugendgerichte, so dass unterschiedlich hohe Jugendstrafen bezüglich derselben Tat(en) und desselben Täters ohne Rechtsfehler in der Anwendung von § 18 Abs. 2 JGG verhängt werden können.
15
Trotz der grundsätzlich vor allem am erzieherisch Notwendigen bemessenen Jugendstrafe geht das Jugendstrafrecht auch jenseits bewährungsweiser Aussetzung nach Teilverbüßung (§ 88 Abs. 1 und 2 JGG) von Fallgestaltungen aus, in denen die tatsächliche Verbüßungsdauer hinter der verhängten Jugendstrafe zurückbleibt. So bestimmt § 52a Satz 1 JGG als Regelfall (vgl. Eisenberg aaO § 52a Rn. 6; siehe auch Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 52a Rn. 12 f.) die Anrechnung erlittener Untersuchungshaft auf die Jugendstrafe. Dies führt notwendigerweise zu einer Vollstreckungsdauer, die hinter der vom Tatrichter für erzieherisch erforderlich gehaltenen zurückbleibt. Die durch § 52a Satz 2 JGG eröffnete Möglichkeit unter den dort genannten Voraussetzungen, von der Anrechnung abzusehen, so vor allem gemäß Satz 3 der Vorschrift, wenn bei Anrechnung die erforderliche erzieherische Einwirkung nicht mehr gewährleistet ist, ändert nichts an der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers , von der Erreichbarkeit des Erziehungsziels auch bei verkürzter Vollzugszeit auszugehen. Die Kompensation ausgleichsbedürftiger Verstöße gegen den Beschleunigungsgrundsatz durch das Vollstreckungsmodell führt faktisch dieselbe Situation herbei wie die Anrechnung erlittener Untersuchungshaft und kann schon deshalb nicht als mit jugendstrafrechtlichen Besonderheiten unvereinbar beurteilt werden.
16
Im Regelfall ist danach bei Vornahme einer erforderlichen Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell das Erreichen des Erziehungsziels nicht gefährdet , den Verurteilten (auch) durch den Vollzug der Jugendstrafe zukünftig zu legalem Verhalten zu veranlassen. Sollte im Einzelfall, etwa wegen des bereits bei der Strafzumessung der Jugendstrafe berücksichtigten großen zeitlichen Abstands zwischen der Begehung der Tat und ihrer Aburteilung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 457/14, NStZ 2016, 102, 103; siehe auch Radtke in Münchener Kommentar aaO JGG § 18 Rn. 34) oder we- gen bereits strafzumessungsrechtlich relevanter besonderer Belastungen des Strafverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 – 3 StR 415/02, NStZRR 2006, 187, 188; Laue in Meier/Rössner/Trüg/Wulf aaO § 18 Rn. 24), lediglich noch ein geringes Ausmaß der Tatschuld bestehen, wird vorrangig zu erwägen sein, ob das Schuldquantum überhaupt eine Ahndung durch eine Jugendstrafe erforderlich macht.
17
4. Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen neigt der Senat im Übrigen der Auffassung zu, die nach allgemeinen Regeln gebotene Kompensation auch bei einer ausschließlich auf „schädliche Neigungen“ gestützten Jugend- strafe grundsätzlich anhand der Vollstreckungslösung vorzunehmen.
Raum Jäger Cirener Radtke Hohoff

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2018 - 1 StR 551/17

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,

1.
Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2.
bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3.
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4.
Arbeitsleistungen zu erbringen,
5.
sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7.
sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8.
den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9.
an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.

(1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die §§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.

(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

56
Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 73/17
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zur Brandstiftung
zu 2.: vorsätzlicher Brandstiftung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 9. Mai 2017 einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 4. November 2016 werden als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR73.17.0

Ergänzend bemerkt der Senat:
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bei der Bestimmung des Maßes des Erziehungsbedarfs berücksichtigt. Bei den hier angeordneten Auflagen (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 JGG) und Weisungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG) ist die Anwendung der Vollstreckungslösung (BGH – GS –, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) nicht geeignet, die mit Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln verfolgten erzieherischen Zwecke zu erreichen und damit dem Erziehungsgedanken Rechnung zu tragen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – III-3 RVs 102/11, StRR 2012, 110, zum Jugendarrest; vgl. hingegen zur Jugendstrafe BGH, Beschlüsse vom 27. November 2008 – 5 StR 495/08, NStZ 2010, 94, und vom 28. September 2010 – 5 StR 330/10, NStZ 2011, 524, 525).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke
5 StR 330/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2010

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 6. April 2010 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Er hat jedoch die hierdurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – einen Heranwachsenden – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, aufgrund von Reifeverzögerung Jugendstrafrecht angewendet und ihn wegen schädlicher Neigungen und der Schwere der Schuld unter Einbeziehung zweier weiterer Verurteilungen (Jugendstrafe von sechs Monaten und Einheitsjugendstrafe von drei Jahren) zu einer einheitlichen Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zwang der Angeklagte während der Verbüßung der dreijährigen Jugendstrafe den damals 18 Jahre alten, „offensichtlich verschüchterten“ Geschädigten, der wegen Erschleichens von Leistungen erstmals eine Jugendstrafe verbüßte, unter Einsatz von Schlägen zur Durchführung des oralen und Duldung des analen Geschlechtsverkehrs.
3
1. Die Revision zum Schuldspruch bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.
4
2. Auch die Bemessung der Jugendstrafe hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Die Urteilsgründe lassen hinreichend erkennen, dass dem Erziehungsgedanken im Rahmen der Strafzumessung die ihm zukommende Bedeutung eingeräumt worden ist und die wesentlichen erzieherischen Gesichtspunkte beachtet worden sind (§ 54 Abs. 1 Satz 1 JGG).
6
Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht der ausdrücklichen Erörterung, welche erzieherischen Wirkungen die ab September 2009 vollzogene Untersuchungshaft auf den Angeklagten gehabt hat. Zwar kann eine erlittene Untersuchungshaft im Rahmen der Strafzumessung – freilich insbesondere bei bisher haftunerfahrenen Angeklagten – ein bestimmender Gesichtspunkt sein (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8 und Strafzwecke 6; BGH NStZ 1984, 508; StV 1986, 68, 69; NStZ 1998, 86, 87). Deren erzieherische Bedeutung und damit korrespondierend eine mögliche Erörterungspflicht in den schriftlichen Urteilsgründen bestimmen sich allerdings nach den Umständen des Einzelfalls; dabei sind namentlich die Dauer der Untersuchungshaft, das Alter des Angeklagten, dessen persönliche Entwicklung und soziale Perspektiven von Bedeutung.
7
Hier stellte die mehr als sechs Monate vollzogene Untersuchungshaft insbesondere mit Blick auf die vorausgehenden bereits zweimaligen Verbüßungen von Jugendstrafen durch den im Zeitpunkt der Urteilsverkündung mehr als zwanzig Jahre alten Angeklagten, seinen auch im früheren Vollzug fortwährenden Rauschmittelkonsum und sein übriges Vollzugsverhalten sowie seine sonstige persönliche Entwicklung und seine fehlende familiäre Einbindung keinen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 6). Ersichtlich dauerten die tiefgreifenden Persönlichkeitsdefizite des aus zerrütteten familiären Verhältnissen stammenden (UA S. 3), ausbildungs- und beschäftigungslosen (UA S. 4) und teils erheblich wegen Gewaltdelikten vorbestraften Angeklagten trotz vorangegangenen Jugendstrafvollzugs und (wiederholt abgebrochener) Therapien auch bis unmittelbar vor Beginn der Untersuchungshaft an (UA S. 4, 11); dass die vollzogene – ohnehin faktisch begrenzte pädagogische Möglichkeiten eröffnende und in erster Linie verfahrenssichernden Zwecken dienende (vgl. BGHSt 37, 75, 77) – Untersuchungshaft nachhaltig auf den Angeklagten eingewirkt haben und deshalb eine niedrigere Jugendstrafe rechtfertigen könnte (vgl. § 18 Abs. 2 JGG; BGHSt 37, 75, 77 f.), liegt nach alledem hier fern.
8
Aus den dargestellten Gründen musste sich das Landgericht auch nicht etwa zur strengbeweislichen Einführung der die Vollstreckung der Untersuchungshaft dokumentierenden Urkunden gedrängt sehen; die insoweit erhobene Aufklärungsrüge ist daher jedenfalls unbegründet.
9
b) Zutreffend macht die Revision allerdings geltend, dass die Erledigung des Verfahrens teils in einer Weise verzögert worden ist, die mit den grundrechtlichen Gewährleistungen des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) und den konventionsrechtlichen Garantien aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK unvereinbar ist; zu einer dem Angeklagten günstigeren Rechtsfolgenbemessung führt dies gleichwohl nicht.
10
Der Senat stellt auf Grund des zutreffenden Sachvortrages der zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobenen Verfahrensrüge fest, dass die Erledigung des Verfahrens gegen den Angeklagten gegen das Zügigkeitsgebot verstoßen hat. Der mehrere Monate umfassenden Sachbehandlung nach irrtümlich beim örtlich unzuständigen Gericht erhobenen Anklage durch die Staatsanwaltschaft und der damit ersichtlich nicht korrespondierenden Verfahrensförderung durch die Strafkammer entnimmt der Senat im Ergebnis eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von sechs Monaten. Eine über diese Feststellung hinausgehende Kompensation (vgl. hierzu EGMR EuGRZ 1983, 371; BVerfG [Kammer] NJW 2003, 2225, 2226; Tepperwien NStZ 2009, 1, 3 m.w.N.) der Konventionsverletzung etwa entsprechend den vom Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs in dessen Beschluss vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124, 129 ff.) entwickelten Grundsätzen ist hier mit Blick auf den besonders gravierenden Vorwurf, die schwierige Beweissituation und das noch überschaubare Ausmaß der Verzögerung auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung zügigen Prozessierens im Jugendstrafverfahren nicht erforderlich.
11
Der Senat kann nach der Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung dahinstehen lassen, ob eine weitergehende Kompensation im Wege des sogenannten Vollstreckungsmodells im Jugendstrafverfahren auch dann möglich wäre, wenn die Jugendstrafe neben der Schwere der Schuld auch auf das Vorliegen schädlicher Neigungen gestützt worden ist. Eine Übertragung des sogenannten Vollstreckungsmodells auf das Jugendstrafverfahren hat er anerkannt, sofern Jugendstrafe allein wegen der Schwere der Schuld verhängt worden ist (vgl. BGH NStZ 2010, 94, 95). Anders als der 3. Strafsenat (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 30, 15; dazu aber Eisenberg, JGG 14. Aufl. § 18 Rdn. 15 f. m.w.N.) – vor der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 52, 124) – neigt der Senat dazu, die Frage zu bejahen.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay
56
Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.

(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.

(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 142/16
vom
4. August 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:040816U4STR142.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenkläger, Die Nebenklägerin in Person - in der Verhandlung - , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. November 2015 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es der Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihren Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren und neun Monaten festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Mit ihrem ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung mit dem Ziel der Verhängung einer höheren Jugendstrafe.
2
Das Rechtsmittel, das ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift der Staatsanwaltschaft über die ausdrückliche Beschränkungs- erklärung hinaus wirksam auf den Strafausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 – 3 StR 122/09), bleibt ohne Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen war die Angeklagte am Sonntag, den 17. August 2014, mit dem Pkw ihrer Mutter auf der Fahrt zu ihrem Wohnort. Als sie gegen 7.40 Uhr an einer Rotlicht zeigenden Ampel anhalten musste, nahm sie ihr bei Fahrtantritt in der Mittelkonsole des Fahrzeugs abgelegtes Mobiltelefon in die Hand, um nach der Uhrzeit zu schauen, wobei sie bemerkte, dass in der vorangegangenen Nacht zwei Nachrichten über den Nachrichtendienst WhatsApp eingegangen waren. Während sie weiter an der Ampel wartete, begann sie, die Nachrichten zu beantworten. Am Ende der Rotlichtphase war sie damit noch nicht fertig und hatte noch keine Nachricht versandt. Sie unterbrach daraufhin das Schreiben der Textnachrichten, fuhr los und bog mit ihrem Fahrzeug in die Bundesstraße ein, wo sie auf eine Geschwindigkeit von höchstens 70 km/h beschleunigte. Sodann machte sich die Angeklagte daran, die erhaltenen Textnachrichten weiter zu beantworten. Sie schrieb auf ihrem Mobiltelefon kurz hintereinander zwei Nachrichten, die sie über den Nachrichtendienst WhatsApp verschickte.
4
Zur selben Zeit waren auf der in diesem Bereich geradlinig verlaufenden Bundesstraße die späteren Tatopfer G. und P. als Radfahrer unterwegs. Beide fuhren in Fahrtrichtung der Angeklagten mit ihren Rennrädern in sehr engem Abstand hintereinander. Durch das Schreiben und Absenden der Textnachrichten war die Angeklagte so abgelenkt, dass sie die Radfahrer nicht wahrnahm, obwohl sich diese mindestens 9 Sekunden lang in ihrem Blickfeld befanden. Ohne auszuweichen, was auf der ansonsten freien Straße bereits durch eine leichte Lenkbewegung möglich gewesen wäre, fuhr die Angeklagte geradlinig und ungebremst mit der rechten Fahrzeugfront zunächst auf P. und unmittelbar darauf auf G. auf, wodurch beide Opfer und deren Rennräder in die rechts der Fahrbahn gelegene Wiese geschleudert wurden. Die schnell hintereinander erfolgten Aufpralle nahm die Angeklagte, die möglicherweise die Radfahrer und die Fahrräder nicht mehr sehen konnte, als sie ihren Blick aufrichtete, als nur einen Schlag wahr. Infolge der Zusammenstöße war die Windschutzscheibe des Pkws auf der rechten Seite großflächig gesplittert, der rechte Seitenspiegel abgerissen, der rechte vordere Reifen luftleer und der rechte Frontbereich des Fahrzeugs so beschädigt , dass sich das Fahrzeug nur noch mit einer Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h fahren und erschwert lenken ließ.
5
Die Angeklagte bremste das Fahrzeug in einem normalen Bremsvorgang bis zum Stillstand ab und sah sich seitlich und zumindest über den Rückspiegel nach hinten um. Aufgrund des starken Aufprallgeräuschs, der Schäden am Fahrzeug, der Abwesenheit eines anderen Fahrzeugs und der örtlichen Gegebenheiten war ihr klar, dass es gerade zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen war, den sie durch ihre Unaufmerksamkeit verursacht hatte und bei dem mutmaßlich ein Mensch schwer verletzt worden war, der irgendwo abseits der Fahrbahn liegen musste. Statt entweder auszusteigen und das Gelände abzusuchen oder nach Zurücksetzen des Fahrzeugs vom Fahrzeug aus nach dem Verletzten zu schauen und anschließend Hilfe zu holen und entgegen der ihr bekannten Verpflichtung, nach einem Unfall solange vor Ort zu bleiben, bis die erforderlichen Feststellungen zur Person der Unfallbeteiligten und der Art ihrer Beteiligung am Unfall getroffen werden können, fuhr sie – einer augenblicklichen Entscheidung folgend – vom Unfallort weg, um sich allen Feststel- lungen zu entziehen und ihre Beteiligung an dem Unfall zu verschleiern. Dabei rechnete sie damit und nahm es hin, dass der von ihr mutmaßlich angefahrene Mensch schwer verletzt liegen bleiben und versterben könnte. Ihr kam es darauf an, für den Unfall nicht verantwortlich gemacht zu werden.
6
Während der Geschädigte P. , der einen Berstungsbruch des 1. Lendenwirbels , eine tiefe Riss-Quetschwunde am linken Unterschenkel und zahlreiche Schürfwunden erlitten hatte, einige Minuten nach dem Zusammenprall wieder das Bewusstsein erlangte und es ihm gelang, einen Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, trug G. so schwere Kopfverletzungen davon, dass er auf dem Transport ins Krankenhaus verstarb. Wegen der Schwere der Verletzungen wäre sein Tod auch dann nicht vermeidbar gewesen , wenn die Angeklagte noch am Unfallort einen Notruf abgesetzt hätte.
7
Das Landgericht hat auf die zur Tatzeit 19 Jahre und elf Monate alte Angeklagte Jugendstrafrecht angewandt, gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen Schwere der Schuld auf Jugendstrafe erkannt und diese auf zwei Jahre bemessen. Die Vollstreckung der Jugendstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
9
1. Die Strafzumessung ist Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen zumessungsrelevanten Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86,BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 127).
10
2. Bei Zugrundelegung dieses beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs weist der Strafausspruch des angefochtenen Urteils Rechtsfehler weder zu Gunsten der Angeklagten noch – für § 301 StPO bedeutsam – zu ihrem Nachteil auf.
11
a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 NJW 2016, 2050, 2051; Radtke in MüKo, 2. Aufl., § 17 JGG Rn. 58, 70) zu bestimmende Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG ist die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung , die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 aaO mwN; Beschluss vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290; Urteile vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Von diesem rechtlichen Maßstab ausgehend hat das Landgericht zutreffend das gesamte Tatgeschehen in seine Schuldbewertung einbezogen und ist mit Blick auf die in dem Verhalten nach dem Unfall deutlich gewordene charakterliche Haltung der Angeklagten zur Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG gelangt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei allein fahrlässigen Straftaten im Straßenverkehr die Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG in Betracht kommt (vgl. OLG Braunschweig, NZV 2002, 194 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1997, 241 f.; BayObLG, VRS 67, 121, 122; Radtke aaO Rn. 71; Dölling in Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 16; Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 32b; Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 17 Rn. 26), bedarf daher keiner näheren Erörterung.
12
b) Auch die Bemessung der Jugendstrafe ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
aa) Der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke ist auch dann vorrangig zu berücksichtigen, wenn eineJugendstrafe – wiehier – ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urteile vom 23. März 2010 – 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.; vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95, NStZ-RR 1996, 120; vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598, 599).
14
bb) Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung über die Bemessung der Jugendstrafe nicht nur die erforderliche erzieherische Einwirkung auf die Angeklagte , sondern auch die Belange eines gerechten Schuldausgleichs in den Blick genommen. Sie hat die für den bestehenden Erziehungsbedarf als auch das Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten relevanten Umstände umfassend gewürdigt und auch die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafandrohungen des Allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, in ihre Überlegungen miteinbezogen. Gegen das auf dieser Grundlage gefundene Ergebnis ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Dass die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs - auch unter Berücksichtigung der in grob fahrlässiger Weise herbeigeführten schweren Folgen - in unangemessener Weise nicht mehr gerecht wird und damit zugleich ihre erzieherischen Zwecke verfehlt (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95 aaO; vom 7. September 1993 – 5 StR 455/93, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 3), vermag der Senat nicht festzustellen.
15
cc) Die Ausführungen zur Bemessung der verhängten Jugendstrafe lassen schließlich nicht besorgen, dass das Landgericht gegen das auch bei Anwendung von Jugendstrafrecht geltende Gebot, die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15 Rn. 20; vom 20. November 2012 – 1 StR 428/12, NStZ 2013, 288; Beschluss vom 12. März2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke aaO § 21 JGG Rn. 3 mwN), verstoßen hat. Die ausführlichen Darlegungen der Strafkammer zu den für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblichen Gesichtspunkten lassen eine solche rechtlich unzulässige Vermengung von Strafzumessung und Bewährungsentscheidung nicht erkennen. Anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - weder aus der im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten erfolgten Berücksichtigung des auf eine „nicht notwendigerweise im nicht mehr bewährungsfähigen Bereich“ liegende Jugendstrafe gerichteten Schlussantrags der als Nebenklägerin am Verfahren beteiligten Witwe des Tatopfers , noch aus der abschließenden, das Ergebnis der Zumessungsüberlegungen zusammenfassenden Formulierung der Strafkammer, wonach auf eine Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren erkannt werde, „mithin eine Strafe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann“.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 2 1 / 1 4
vom
17. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Beteiligung an einem Raub
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
17. Dezember 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2014 - soweit es ihn betrifft - im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen Versuchs der Beteiligung an einem Raub zu einer Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat keinen Bestand. Die Erwägungen , mit denen das Landgericht in vergleichender Beurteilung der Taten nach Erwachsenenstrafrecht das Vorliegen eines minder schweren Falles (§ 249 Abs. 2 StGB) verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Zutreffend ist die Jugendkammer davon ausgegangen, dass sowohl bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG wie bei der Zumessung der konkreten Jugendstrafe der äußere Unrechtsgehalt der Tat insofern von Belang ist, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1960 - 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Dabei ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts heranzuziehen; denn die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts behalten insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt. Dies gilt namentlich dort, wo sich die Tat, nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt, als minder schwerer Fall darstellen würde (BGH, Beschlüsse vom 4. November 1987 - 3 StR 482/87, BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 3; vom 21. August 2012 - 4 StR 157/12, NStZ-RR 2013, 50, ; vom 5. Juni 2013 - 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291; vom 8. Januar 2014 - 3 StR 318/13, NStZ 2014, 409; Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216).
4
Im Rahmen der hierfür vorzunehmenden Gesamtwürdigung hat das Landgericht indes den vertypten Milderungsgrund nach § 30 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB nicht berücksichtigt.
5
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. April 2010 - 3 StR 106/10, NStZRR 2010, 336 ; vom 5. August 2014 - 3 StR 138/14, juris Rn. 6).
6
Dem wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Die Jugendkammer hat nach einer Gesamtwürdigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe das Vorliegen eines minder schweren Falles des Raubes verneint und lediglich eine für den Fall der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht hypothetische Milderung des Strafrahmens nach § 30 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Damit hat es die Prüfung versäumt, ob bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht nicht wegen Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes ein minder schwerer Fall nach § 249 Abs. 2 StGB vorläge.
7
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Gericht dann, wenn es in Anlehnung an das Erwachsenenstrafrecht einen minder schwerer Fall angenommen hätte, nicht auf die Schwere der Schuld erkannt oder jedenfalls eine niedrigere Jugendstrafe verhängt hätte.
Becker Pfister Schäfer
Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 5 0 3 / 1 4
vom
22. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. April 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juli 2014 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang, das Rechtsmittel des Angeklagten im Hinblick auf den Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch begegnet aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
2. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
Es kann dahinstehen, ob bereits die Entscheidung des Landgerichts, gemäß § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld zu verhängen, rechtsfehlerhaft ist, weil diese dem äußeren Tatgeschehen unter Vernachlässigung der subjektiven und in der Person des Angeklagten liegenden schuldbegründenden Umständen eine zu große Bedeutung eingeräumt hat.
5
Jedenfalls begegnet der Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn die Urteilsausführungen lassen nicht erkennen, dass das Landgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Bedeutung beigemessen hat (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8 bis 10). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausführt, hat das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe im Wesentlichen auf das verwirklichte Tatunrecht abgestellt und im Übrigen vor allem Strafzumessungserwägungen aus dem allgemeinen Strafrecht berücksichtigt , etwa wenn es auf die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Deliktstatbestände abstellt, auf erhöhte kriminelle Energie hinweist oder darlegt, dass keine Schadenswiedergutmachung nach § 46a StGB erfolgt ist. Deutlich wird dies auch, soweit die Strafkammer berücksichtigt, dass ihrer Meinung nach jeweils kein minder schwerer Fall gegeben ist. Zwar hat auch bei der Bemessung einer Jugendstrafe eine solche Prüfung ihre Bedeutung, allerdings nur insoweit, als in der hypothetischen Bestimmung eines Strafrahmens aus dem allgemeinen Recht die Bewertung des Tatunrechts insbesondere in solchen Fällen zum Ausdruck kommt, die sich im Erwachsenenstrafrecht als minder schwere Fälle darstellen würden (st. Rspr.; vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 1 bis 3). Dass das Landgericht die insoweit beschränkte Bedeutung seiner Prüfung für die Bemessung der Jugendstrafe erkannt und dementspre- chend zurückhaltend gewürdigt hätte, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
6
Demgegenüber finden sich keine Ausführungen zu erzieherischen Erfordernissen , die über eine bloß schlagworthafte Erwähnung hinausgehen. Konkrete Erwägungen zum aktuell bestehenden Erziehungsbedarf fehlen, wären aber bei dem bislang nicht vorbestraften und sich in einer schwierigen sozialen Lage befindenden Angeklagten, der sich zudem bei einem Tatopfer entschuldigt hatte, unerlässlich gewesen. Dies gilt um so mehr, als der Angeklagte zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits mehr als elf Monate Untersuchungshaft verbüßt hatte, und angesichts dessen zu erörtern gewesen wäre, welche erzieherische Wirkung dies auf den Angeklagten gehabt hat und ob gleichwohl noch ein erheblicher Erziehungsbedarf besteht, der die Verhängung einer längeren Jugendstrafe erforderlich macht. Der pauschale Hinweis auf die erzieherische Notwendigkeit reicht hierfür nicht aus.
7
Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei Zugrundelegung des vom Gesetz geforderten Prüfungsmaßstabs jedenfalls eine kürzere Jugendstrafe verhängt worden wäre.
8
Da es sich bei dem aufgezeigten Rechtsfehler um einen bloßen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind möglich. Krehl Eschelbach Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Zeng Bartel

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.

(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. Er kann seine Entscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet werden kann.

(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.

(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. An die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Hat der Angeklagte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf die Jugendstrafe angerechnet. Der Richter kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Erzieherische Gründe liegen namentlich vor, wenn bei Anrechnung der Freiheitsentziehung die noch erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten nicht gewährleistet ist.

(2) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 457/14
vom
18. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin – in der
Verhandlung –
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt – in der
Verhandlung –
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 13. Mai 2014 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der im Tatzeitraum (4. bis 20. Juni 2007) 15 Jahre alte Angeklagte und die zum damaligen Zeitpunkt erst 12 Jahre alte Nebenklägerin besuchten dieselbe Schule. Die Nebenklägerin schwärmte für den Angeklagten und gab ihm in Briefen ihre Zuneigung zu verstehen. Der Angeklagte, der wusste, dass die Nebenklägerin die 6. Klasse besuchte und ein erheblicher Altersunterschied zwischen ihnen bestand, war an einer ernsthaften Beziehung nicht interessiert, genoss jedoch die Schwärmerei der Nebenklägerin. Aus lediglich sexuellem Interesse nahm er wenige Wochen vor den Sommerferien Kontakt zu ihr auf. In der Folgezeit kam es zwischen beiden mehrfach zu heimlichen Treffen, bei denen auch Zärtlichkeiten ausgetauscht wurden. Am 4. Juni 2007 erschien die Nebenklägerin zu einer Verabredung mit dem Angeklagten in der Annahme, dieser wolle mit ihr einen Spaziergang machen. Nachdem sie in einem Waldstück nahe einem Steinbruch angekommen waren, deutete der Angeklagte seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr an und küsste die an einen Baum gelehnte Nebenklägerin. Diese fühlte sich durch die Situation überfordert, zumal sie über keine sexuellen Vorerfahrungen verfügte, und erklärte entschieden, dass sie dies nicht wolle. Der Angeklagte bewog die Zeugin dennoch dazu, sich auf den Waldboden zu legen, zog ihr daraufhin die Hose bis zu den Knöcheln herunter, entkleidete ihren Unterkörper, entblößte seinen Penis und legte sich auf sie. Anschließend vollzog er mit ihr den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr. Ob es dabei zum Samenerguss kam, konnte nicht festgestellt werden. Die Nebenklägerin wollte die Durchführung des Geschlechtsverkehrs nach wie vor nicht, leistete jedoch auf Grund der körperlichen Überlegenheit des Angeklagten keine Gegenwehr. Sie nahm außerdem an, „so müsse es in einer Beziehung wohl sein“.Aus Angst vor einer Schwangerschaft begab sie sich danach in die Behandlung einer Gynäkologin.
4
Bis zum Beginn der Sommerferien am 21. Juni 2007 setzten der Angeklagte und die Nebenklägerin ihre Treffen fort. Dabei kam es an zwei nicht näher feststellbaren Tagen zwischen dem 6. und dem 20. Juni 2007 erneut zum vaginalen Geschlechtsverkehr, in einem Fall in der (elterlichen) Wohnung des Angeklagten, im anderen in der Wohnung des Vaters der Nebenklägerin. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte in diesen Fällen ein Kondom verwendete.
5
2. Das Landgericht hat in allen drei Fällen die Voraussetzungen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne von § 176 Abs. 1 StGB als erfüllt angesehen. Im Verhalten des Angeklagten komme eine gravierende Missachtung grundlegender sozialer Normen und Werte zum Ausdruck, was unter Berücksichtigung der charakterlichen Haltung und des Persönlichkeitsbildes des Angeklagten, so wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen seien, die Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) erforderlich mache. Zwar werde nicht verkannt, dass der Angeklagte die Taten begangen habe, als er selbst gerade erst 15 Jahre alt gewesen sei und sich in der Pubertät befunden habe. Gleichwohl sei in den Taten, insbesondere in der ersten Tat, eine nicht unerhebliche Gleichgültigkeit des Angeklagten gegenüber dem Wohl und dem Willen der Nebenklägerin sichtbar geworden. Er habe sich deren kindliche Schwärmerei zunutze gemacht, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Im ersten Fall habe er die Nebenklägerin in einem abgelegenen Waldstück mit seinem Wunsch nach Geschlechtsverkehr konfrontiert und sich über ihren deutlich geäußerten entgegenstehenden Willen hinweggesetzt.

II.


6
Die Rechtsfolgenentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Dass das Landgericht die Voraussetzungen der Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG bejaht und gegen den Angeklagten Jugendstrafe verhängt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
8
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Verhängung von Jugendstrafe unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG nicht nur dann in Betracht kommen, wenn der jugendliche oder heranwachsende Täter ein Kapitalverbrechen begangen hat, sondern auch dann, wenn eine andere besonders schwere Straftat abzuurteilen ist; dazu können auch gravierende Sexualdelikte gehören (Senatsbeschluss vom 20. Januar 1998 – 4 StR 656/97, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 2; Beschluss vom 27. Oktober 2009 – 3 StR 404/09, NStZ-RR 2010, 56; Beschluss vom 28. September 2010 – 5 StR 330/10, StV 2011, 588; Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 5). Dabei ist der Begriff „Schwere der Schuld“ nicht abstrakt nach dem verwirklichten Tatbestand messbar, sondern jeweils nur in Beziehung zu einer bestimmten Tat zu erfassen, sodass der äußere Unrechtsgehalt der Tat nicht unberücksichtigt bleiben darf (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2008 – 4 StR 543/08, NStZ 2009, 450 mwN).
9
b) Gemessen daran sieht der Senat in der Verhängung von Jugendstrafe im vorliegenden Fall keinen Rechtsfehler. Die vom Generalbundesanwalt insoweit erhobenen Bedenken werden den Besonderheiten des Falles nicht gerecht.
10
Die Strafkammer hat bei ihrer Rechtsfolgenentscheidung zum einen berücksichtigt , dass der Angeklagte die Schwärmerei des erst zwölf Jahre alten Tatopfers aus rein sexuellem Interesse ausnutzte. Dabei handelt es sich um eine zulässige Erwägung, die die persönliche Vorwerfbarkeit des verschuldeten Tatunrechts im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG betrifft. Zum anderen hat das Landgericht den äußeren Unrechtsgehalt des Geschehens in den Blick genommen. Dabei hat es rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass der Angeklagte die Geschädigte , die bis dahin noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht hatte, bei der ersten Tat am 4. Juni 2007 völlig unvermittelt mit seinem Wunsch nach Durchführung einer erheblichen sexuellen Handlung in Form von Geschlechts- verkehr konfrontierte und sich bei der Ausführung der Tat über deren deutlich geäußerten entgegenstehenden Willen hinwegsetzte. Nach den Feststellungen hatte die konkrete Tatsituation aus Sicht der Geschädigten – allein mit dem körperlich überlegenen Angeklagten in einem abgelegenen Waldstück und auf Widerstand verzichtend – zumindest in objektiver Hinsicht Züge einer Straftat nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall in einem wesentlichen Punkt von dem Sachverhalt, über den der 2. Strafsenat in seinem Beschluss vom 5. Juni 2013 (2 StR 189/13, BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 6) zu entscheiden hatte, da im dortigen Fall im Rahmen einer vergleichbaren Beziehungslage stets einvernehmlicher – und geschützter – Geschlechtsverkehr stattfand, weshalb die Bejahung der Schwere der Schuld durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnete.
11
c) Dass das Landgericht die Jugendstrafe hier zu Unrecht dem Strafrahmen des § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG entnommen hat, der Jugendstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht, statt sich an § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG zu orientieren (sechs Monate bis fünf Jahre Jugendstrafe), gefährdet den Bestand des Rechtsfolgenausspruchs ebenfalls nicht.
12
Lassen die Urteilsgründe erkennen, dass der Tatrichter die Bemessung der Jugendstrafe rechtsfehlerfrei am maßgeblichen Erziehungszweck (§ 18 Abs. 2 JGG) ausgerichtet hat, kann in der Regel ausgeschlossen werden, dass er eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn er vom zutreffenden Strafrahmen ausgegangen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1998 – 3 StR 419/98). So verhält es sich hier.
13
Die Strafkammer hat die Verhängung einer Jugendstrafe von einem Jahr für erforderlich gehalten, sich damit ersichtlich an der Strafrahmenuntergrenze orientiert und ihre Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen erzieherischen Einwirkung trotz der zwischen Tat und Hauptverhandlung verstrichenen Zeit ausführlich begründet. Einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten vermag der Senat nicht zu erkennen.
14
2. Die Entscheidung über die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO. Für die Anwendung von § 74 JGG sieht der Senat keinen Anlass.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Bender

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.