Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - 1 StR 615/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140116B1STR615.15.0
bei uns veröffentlicht am14.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 615/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116B1STR615.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2016 beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. September 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet hat. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bewaffneten unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurden die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von zwei Jahren sowie der Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet.
2
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch sowie in Bezug auf die Anordnung der Maßregel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel hat aber Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit das Landgericht den Verfall von Wertersatz angeordnet hat.
3
2. Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte aus den drei Einfuhrtaten 4.550 € erlangt hat, indem er 70 Gramm des eingeführten Betäubungsmittels zu je 65 € verkaufte. Zutreffend ist es auch davon ausgegangen, dass die gesamte Summe, also ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen dem Verfall unterliegt (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65 f. mwN).
5
Soweit das Landgericht aber auch die Summe von 650 € dem Verfall un- terwirft, die die Mittäterin der Einfuhrtaten aus dem Verkauf ihres Anteils erlangt haben soll, ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte für oder aus der Tat etwas erlangt hat. „Aus der Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte , die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 2015 – 1 StR 368/15 und vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00, NStZ 2001, 155, 156 f.; Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246 Rn. 92; Fischer, StGB 63. Aufl., § 73 Rn. 11 mwN). „Für die Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs.1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden , aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbe- standsverwirklichung selbst beruhen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f. und vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 336/11, StV 2012,151; Fischer, aaO Rn. 12 mwN). Weder die eine noch die andere Voraussetzung ist hier dargetan. Schon daher konnte die An- ordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 5.000 € keinen Bestand ha- ben.
6
b) Darüber hinaus begegnet auch die Anwendung der Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB durchgreifenden Bedenken. So ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Es hat teilweise gemäß § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von der Anordnung von Verfall von Wertersatz abgesehen, da dies den Angeklagten unangemessen hart treffen würde und auch unter dem Gesichtspunkt der Honorierung des Geständnisses des Angeklagten vertretbar sei.
7
Wie vom Landgericht im Ansatz rechtsfehlerfrei gesehen, bildet die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB das im Einzelfall notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip. So eröffnet § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen, wenn und soweit „der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist“. Die Ausübung dieses dem Tatrichter eingeräumten Ermessens erfordert aber neben der Feststellung des aus der Straftat Erlangten, vor allem auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2015 – 1 StR 321/15). Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem „ver- fallbaren“ Betrag zurück bleibt (BGH,Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65). Dies vermag der Senat jedoch nicht zu beurteilen, da sich den Urteilsgründen keinerlei Feststellungen zum Stand des Vermögens des Angeklagten zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils entnehmen lassen. Damit wurden die zur Ausübung der Ermessensentscheidung notwendigen Grundlagen durch das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Inwieweit es mit dem Sinn und Zweck des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, etwaige Härten auszugleichen – in erster Linie seine Resozialisierung nach längeren Haftstrafen durch häufig nicht beitreibbare Geldansprüche gravierend zu erschweren –, vereinbar ist, im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten auch dessen Geständnis zu berücksichtigen (so BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40 - 43), kann hier offen bleiben, zumal diese Erwägung den Angeklagten nicht beschwert.
8
3. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung über die Frage des Wertersatzverfalls gemäß §§ 73, 73a und 73c StGB. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Raum Graf Cirener Radtke Bär

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - 1 StR 615/15

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 46/06
vom
16. Mai 2006
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
1. Bei der Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB (Entreicherung) kommt
es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen Bezug zu
der rechtswidrigen Tat hat.
2. Zum Wert des Erlangten bei Tatbeteiligten in einer Handelskette.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06 - LG Karlsruhe
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Mai 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 23. September 2005 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz, soweit von einer 12.500,-- € übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen wurde , aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen G r ü n d e:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 12.500,-- € angeordnet.
2
Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch im Fall 8, auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von - nur - 12.500,-- € (betreffend die Fälle 1 bis 7) beschränkt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg.

I.


3
Zur Strafzumessung im Fall 8:
4
In Erwartung eines hohen Gewinns stellte der Angeklagte am 19. November 2004 - zumindest in positiver Kenntnis dessen, dass es um den Handel mit Betäubungsmitteln geht, wenn er das Geschäft nicht sogar selbst initiiert und organisiert hatte, - zwei Mittätern 46.250,-- € zum Erwerb von 25 kg Marihuana zur Verfügung. Den Einsatz des Angeklagten vereinnahmte der vorgebliche Lieferant - unter Drohung mit einer Schusswaffe - ohne Gegenleistung. Die Strafkammer verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, wobei sie dem Angeklagten unter anderem zugute hielt, dass er "nur mit Eventualvorsatz gehandelt hat".
5
Diese Erwägung in der Strafzumessung stellt einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten dar. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte mit direktem Vorsatz. Der Ausspruch über die Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand. Denn die vom Landgericht erkannte Strafe ist - noch - angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO einer Norm, die auch bei einer Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05). Entscheidend ist, dass das Betäubungsmittelgeschäft scheiterte und der Angeklagte seiner eingesetzten Mittel in Höhe von 46.250,-- € vollständig verlustig ging.
6
Damit hat auch die rechtsfehlerfrei gebildete Gesamtstrafe Bestand.

II.


7
Zur Verfallsanordnung:
8
1. In der Zeit von Mai bis Dezember 2004 bezog der Angeklagte in sieben Fällen insgesamt 67 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,97 % THC (10 kg) beziehungsweise mindestens 8 % THC (57 kg) "auf Kommission". 62.244 kg veräußerte der Angeklagte an verschiedene Abnehmer. Von diesen erhielt er 161.000,-- €, die er insgesamt - ohne Abzug seines nach der getroffenen Vereinbarung ihm hieraus zustehenden Gewinnanteils in Höhe von 200,-- € je Kilogramm - an seinen Lieferanten weitergab. Die Strafkammer beschränkte die Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB) auf den Gewinnanteil (12.500,-- €). Nur diesen habe der Angeklagte, da es sich um ein Kommissionsgeschäft gehandelt habe, - jedenfalls zeitweise - erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. "In dem Bewusstsein, dass die [von der Strafkammer] vertretene Rechtsansicht möglicherweise nicht der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht", hat das Landgericht das Absehen von einer weiterreichenden Verfallsanordnung ergänzend auf § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt. Der Wert des Erlangten (161.000,-- €) sei jedenfalls nicht mehr Vermögensbestandteil, denn die vorhandenen Vermögenswerte (netto über 800.000,-- €) des Angeklagten seien ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben worden und der Zugriff auf das "unbefleckte" Vermögen würde insbesondere die Familie treffen, deren langfristiger Absicherung das vorhandene Vermögen des Angeklagten diene.
9
2. Die Erwägungen, aufgrund derer die Strafkammer davon abgesehen hat, einen 12.500,-- € übersteigenden Betrag für verfallen zu erklären, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Bei der Prüfung, was der Angeklagte aus der Tat (Fälle 1 bis 7) gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat, hat die Strafkammer die Reichweite des Bruttoprinzips verkannt.
11
"Bruttoprinzip" bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erhalten hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Bei der Berechnung des bei einem verbotenen "Verkauf" Erlangten ist deshalb vom gesamten Erlös ohne Abzug des Einkaufspreises und sonstiger Aufwendungen auszugehen (BGHSt 47, 369 [370]; BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 388, 389; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 - 1 StR 547/00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - 1 StR 12/01). Insbesondere bei Betäubungsmitteldelikten "besteht kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind (BGHSt 47, 369 [372]; BGH NStZ 2001, 312).
12
Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos sind, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten - und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen - beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck - der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen - hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog und darauf abhob, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll (BGHSt 47, 369 [373 f.]).
13
An dieser - verfassungungskonformen (vgl. BVerfG NJW 2004, 2073 [2074 ff.]) - Rechtsprechung hält der Senat uneingeschränkt fest. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach dann, wenn für einen dem Verfall unterliegenden Vermögensvorteil die Steuer bereits bestandskräftig festgesetzt worden ist, dies bei der zeitlich nachfolgenden Anordnung des Verfalls mindernd zu berücksichtigen ist (BGHSt 47, 260) liegen Besonderheiten des Steuerrechts zugrunde. Da für verfallen erklärte Vermögenswerte mangels Strafcharakters einer Verfallsanordnung grundsätzlich steuermindernd geltend gemacht werden dürfen, könnte die Verfallsanordnung je nach dem Zeitpunkt der Verfallsanordnung - vor oder nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung - zu dem Gleichbehandlungsgebot widersprechenden unterschiedlichen Gesamtbelastungen führen (vgl. BGHSt 47, 260 [265 ff.]). Dies - sowie eine daraus folgende mögliche Doppelbelastung desselben Betroffenen - zu vermeiden, dient die Berücksichtigung steuerlicher Konsequenzen bei der Feststellung dessen, was im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wurde. Das gesetzlich verankerte Bruttoprinzip wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Bei Betäubungsmittelgeschäften dürfte eine entsprechende - steuerlich relevante - Situation ohnehin nie eintreten.
14
Wirtschaftlich erlangt ist ein Gegenstand oder Wert im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sobald dieser unmittelbar aus der Tat in die eigene Verfügungsgewalt des Täters übergegangen ist (vgl. Nack, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verfall, Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 2003, 879 [880] m.w.N.). Beim Erlangen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Auch der einem Kurier ausgehändigte Kaufpreis unterliegt bei diesem in voller Höhe dem Verfall, unabhängig von den zivilrechtlichen Besitz- und Eigentumsverhältnissen zwischen den Tatbeteiligten (BGH NStZ 2004, 440; vgl. aber Winkler NStZ 2003, 247 [250]). Auf die Besonderheiten des Kommissionsgeschäfts kann es beim Betäubungsmittelhandel schon deshalb nicht ankommen, da sämtliche schuldrechtlichen Vereinbarungen in diesem Zusammenhang nichtig sind (§ 134 BGB).
15
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Angeklagte - entgegen der Bewertung durch die Strafkammer - nicht nur seinen Gewinnanteil, sondern den Gesamterlös in Höhe von 161.000,-- € gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Mit der Übertragung der Beträge von seinen Abnehmern an ihn wurden die entsprechenden Geldmittel Teil seines Vermögens, und zwar unabhängig davon, ob sie bar oder unbar übergingen, ob sie mit anderen Geldern vermischt oder gesondert verwahrt wurden. Unmaßgeblich ist auch, aus welchem Guthaben anschließend der Lieferant bedient wurde. Selbst wenn ein Zwischenhändler dieselben Geldscheine, die er von seinen Rauschmittelkäufern erhalten hat, unmittelbar im Anschluss daran an seinen Lieferanten weitergibt, werden diese Beträge zunächst Teil seines Vermögens. Spätere Mittelabflüsse können dann allenfalls noch im Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB von Bedeutung sein.
16
Grundsätzlich unterliegen somit die vom Angeklagten von seinen Abnehmern als Gegenwert für das veräußerte Marihuana erhaltenen 161.000,-- € bei ihm insgesamt dem Verfall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bzw. es ist gegen ihn in dieser Höhe der Verfall von Wertersatz anzuordnen (§ 73a Satz 1 StGB).
17
c) Das im Einzelfall unter Umständen notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bietet die Härtevorschrift des § 73c StGB.
18
Deren Voraussetzungen hat die Strafkammer in ihren Hilfserwägungen allerdings ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
19
aa) Das gilt zunächst für die Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, die die Anordnung des Verfalls zwingend ausschließt, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Als unbillige Härte - als Verstoß gegen das Übermaßverbot (vgl. BGHR StGB § 73c Härte 11) - stellt sich eine Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe der insgesamt vereinnahmten 161.000,-- € nach den bisherigen Feststellungen nicht dar. Dies hat zwar die Strafkammer im Ergebnis ebenfalls so gesehen. Soweit das Landgericht allerdings in anderem Zusammenhang auf die existenzbedrohenden Konsequenzen einer weitergehenden Verfallsanordnung für die Familie des Angeklagten - dies betrifft ihn selbst, nicht nur Außenstehende - hinweist, überzeugt dies nicht. Die Anordnung des Verfalls in Höhe von 161.000,-- € würde bei weitem nicht deren Existenzgrundlage vernichten. Bei diesem Betrag handelt es sich um nur 19,06 % des Nettovermögens am 31. Dezember 2004. Außerdem scheint der Angeklag- te neben seinem Erwerbseinkommen (1.800,-- € netto) bis Frühjahr 2004 über weitere laufende Einnahmen zu verfügen, etwa aus seinem mit Hilfe der Arbeitsagentur gegründeten Brennstoffhandel oder aus Überschüssen aus Vermietung und Verpachtung seiner Immobilien. Denn der Angeklagte hat sein Nettovermögen im Jahre 2004 um immerhin 30.882,-- € gesteigert. Hinzu kommt der - in der Höhe unbekannte - Aufwand zur Deckung des Lebensunterhalts der Familie.
20
bb) Die bisherigen Feststellungen tragen allerdings auch nicht das fakultative Absehen von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe der gesamten 161.000,-- € aufgrund des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB.
21
Schon die Bewertung der Strafkammer, der Wert des Erlangten (161.000,-- €) sei im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB vermag nicht zu überzeugen.
22
Der Wert des Erlangten ist dann noch vorhanden, wenn das (Netto-) Vermögen des Betroffenen den Wert des Erlangten zumindest erreicht. Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem "verfallbaren" Betrag zurück bleibt (BGHSt 48, 40 [42]; BGHR StGB § 73c Wert 2). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu der rechtswidrigen Tat hat; ebenso wenig hängt die Anordnung des Verfalls davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet hat (BGHR StGB § 73c Wert 2). Hieran hält der Senat fest. Nachforschungen über die Verwendung der erlangten Beträge, über die Quellen des vorhandenen Vermögens , über Vermögensumschichtungen, über ersparte Aufwendungen usw. sind deshalb grundsätzlich nicht erforderlich.
23
Der Senat teilt nicht die Auffassung, wonach vorhandenes Vermögen nur nahe lege, dass der Wert des Erlangten beim Verfallsbetroffenen noch vorhanden ist, wobei dies nicht mehr sei als eine widerlegbare Vermutung, die nicht greife, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten, etwa mehrere Jahre vor deren Begehung im Wege der Erbfolge, erworben wurde (vgl. BGHSt 48, 40 [42 f.]). Ob eine derartig differenzierte Betrachtung einer über Jahre angesammelten Vermögensmasse im Hinblick darauf, ob der "Wert" eines bestimmten Mittelzuflusses darin noch enthalten ist, überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Unter Umständen könnten umfangreiche Finanzermittlungen notwendig werden. Jedenfalls ist diese einengende Auslegung aus Sicht des Senats vom Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB nicht geboten, beschränkt aber die Praktikabilität und Effektivität der Vorschriften über den Verfall - von Wertersatz - und insbesondere deren Präventivwirkung. In besonders gelagerten Einzelfällen bietet § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB genügend Schutz. Wäre die Anordnung des Verfalls des Erlangten im Einzelfall - ganz oder zum Teil - eine unbillige Härte, wäre die Maßnahme ungerecht oder verstieße gegen das Übermaßgebot (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, insoweit in NStZ 2004, 457, nicht abgedruckt); dann hat die Anordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB zu unterbleiben. Um eine unbillige Härte festzustellen, bedarf es im Rahmen der hierzu erforderlichen Gesamtbewertung dann aber keiner exakten Untersuchung über den Ursprung des vorhandenen Vermögens oder des wirtschaftlichen Verbleibs des Erlangten.

24
Im vorliegenden Fall kann dies jedoch dahinstehen. Denn soweit die Strafkammer auf die "unbefleckten" Vermögensteile des Angeklagten, also auf die vor dem Jahr 2004 erworbenen Grundstücke abgestellt hat, hat sie nicht bedacht , dass diese Immobilien weitgehend (1,4 von 2 Millionen €) kreditfinanziert sind. Zu Einzahlungen auf zur späteren Tilgung abgeschlossene Bauspar- und Lebensversicherungsverträge wurden vom Angeklagten im Jahre 2004 - dem Tatzeitraum - etwa 67.000,-- € aufgebracht; deren Bestand erhöhte sich nach den Feststellungen im Jahr 2004 nämlich von 207.764,-- € auf 275.000,-- €. Dies diente mittelbar der Entschuldung der Grundstücke und legt nahe, dass ein den Wert des Erlangten entsprechendes Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist, das nicht ohne jeden denkbaren Bezug zu den Straftaten des Angeklagten ist (vgl. BGHSt 38, 23 [25]; BGHSt 48, 40 [42 f.]). Feststellungen zum Umfang (Wert) des durch Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von den Eltern erworbenen (unbelasteten?) Grundvermögens hat die Strafkammer bislang nicht getroffen.
25
Im Übrigen schlösse auch nach der oben zitierten - vom Senat nicht geteilten - Rechtsprechung selbst ein völlig fehlender Bezug des vorhandenen Vermögens zu den Straftaten des Angeklagten die Abschöpfung über die Verfallsvorschriften nicht aus. Denn vorhandenes Vermögen behält, auch dann, wenn es in keiner denkbaren Beziehung zum - nicht mehr vorhandenen - "Wert des Erlangten" steht und deshalb die Anwendbarkeit des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht hindert, seine Bedeutung im Rahmen der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung (vgl. BGHSt 48, 40 [43]).
26
cc) Die Strafkammer hat ihre grundsätzlichen Vorbehalte gegen das Bruttoprinzip argumentativ auch auf den kumulierenden Effekt mehrerer Verfallsan- ordnungen gegen verschiedene Personen bei Handelsketten beziehungsweise bei Mittätern gestützt und in diesem Zusammenhang auch auf vermeintliche Probleme bei der Vollstreckung in derartigen Konstellationen hingewiesen. Denn dann ist - so bisherige Meinung - grundsätzlich von Gesamtschuldnerschaft auszugehen (vgl. BGH NStZ 2003, 198 [199]). Dies überzeugt nach Auffassung des Senats allerdings nicht für Fallgestaltungen der vorliegenden Art. Vielmehr ist jeder Täter, jeder Teilnehmer einer Handelskette, in der ein und dieselbe Menge an Betäubungsmitteln mehrfach umgesetzt und der entsprechende Kaufpreis jeweils bezahlt und vom Verkäufer im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wird, für sich zu betrachten und allein daran zu messen, was er konkret erhalten hat. Anderes gilt nur dann, wenn - dabei - mehrere Tatbeteiligte etwas gemeinsam erlangten, ohne dass festgestellt werden kann, wem dies zufloss. Ziel der aus Verfallsanordnungen gemäß §§ 73, 73a StGB resultierenden Zahlungsansprüche ist nicht die einmalige Abschöpfung des - regelmäßig beim Endabnehmer schließlich erreichten - höchsten Handelspreises. Vielmehr soll bei jedem Einzelnen, der aus einer rechtswidrigen Tat etwas erlangt hat, dieses weggenommen werden und zwar, da es sich um eine präventive Maßnahme eigener Art handelt, nach dem Bruttoprinzip. Bei einer Handelskette kann deshalb die Summe der Beträge, hinsichtlich derer gegen die verschiedenen Händler der Verfall angeordnet wurde, den maximalen Handelspreis des umgesetzten Betäubungsmittels um ein mehrfaches übersteigen. Dies dann über das Rechtsinstitut der Gesamtschuldnerschaft zu begrenzen und auszugleichen, widerspräche dem Zweck des Verfalls gemäß §§ 73, 73a StGB. Die Weitergabe des Erlangten kann in besonderen Ausnahmefällen beim jeweiligen Einzelfall im Rahmen des Härtausgleichs gemäß § 73c StGB Berücksichtigung finden, wenn kein - ausreichendes - Vermögen mehr vorhanden oder eine Verfallsanordnung eine unbillige Härte wäre.
27
Auch dies kann hier jedoch dahinstehen, da die Stellung als Gesamtschuldner die Anordnung des Verfalls beziehungsweise des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten in voller Höhe zunächst gerade nicht berührt.
28
3. Die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Diesen nicht widersprechende, ergänzende Feststellungen sind möglich.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Hebenstreit

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung: ja
Zur Bedeutung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB für den
Verfall bei bestehenden Steuerforderungen.
BGH, Beschl. v. 28. November 2000 - 5 StR 371/00
LG Kleve –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 28. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2000

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 3. Mai 2000 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen , daß der vom Landgericht angeordnete Verfall entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Daneben hat es den Verfall von sichergestellten Bargeldbeträgen in Höhe von insgesamt 18.230,98 DM sowie von Sparguthaben in Höhe von 13.114,30 DM angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich hinsichtlich des angeordneten Verfalls Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte von einem Mitglied einer polnischen Zigarettenschmugglerbande in Deutschland zwischen Februar 1996 und April 1997 in vier Fällen insgesamt 5.750 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Er wollte sich mit dem Verkauf solcher Zigaretten für eine unbestimmte Dauer eine fortlaufende Einnahmequelle schaffen.
Ende 1997 mietete er für seinen Zigarettenlieferanten eine Lagerhalle an, in der in Schiffscontainern im Zeitraum von März bis Oktober 1998 drei Lkw-Ladungen von zusammen 90.500 Stangen unversteuerter und unverzollter Zigaretten zwischengelagert wurden. Einen Teil der angelieferten Zigaretten veräußerte der Angeklagte selbst; dies war das Entgelt dafür, daß er durch die Unterhaltung der Lagerhalle den Verkauf der eingeschmuggelten Zigaretten unterstützte. Insgesamt bezogen sich die Handlungen des Angeklagten auf Zigaretten, auf denen Eingangsabgaben in Höhe von 3.548.491,95 DM lasteten.
2. Die Nachprüfung des Urteils hat hinsichtlich des Schuldspruchs und der Strafzumessung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Indes hält die Anordnung des Verfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Bei seiner Festnahme hatte der Angeklagte Verkaufserlöse für unversteuerte und unverzollte Zigaretten in Höhe von 7.757,28 DM bei sich. In seiner Wohnung wurden weitere Geldbeträge in Höhe von 10.240,00 DM und 233,70 DM sichergestellt, die ebenfalls aus dem Verkauf unversteuerter Zigaretten stammten. Gewinne aus Zigarettenverkäufen hatte er zudem auf Sparbüchern angelegt, die auf seinen oder den Namen seiner Angehörigen geführt wurden.
Das Landgericht hat den Verfall der sichergestellten Bargeldbeträge sowie der Sparguthaben angeordnet. Die Voraussetzungen des Verfalls sind jedoch nicht gegeben, da dem Steuerfiskus aufgrund der Taten des Angeklagten Steuerforderungen von mehr als 3,5 Millionen DM entstanden sind. Dies schließt die Anordnung des Verfalls der sichergestellten Geldbeträge zugunsten des Justizfiskus aus.

a) Allerdings war die Anordnung des Verfalls dem Grunde nach zulässig.
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ordnet das Gericht den Verfall von dem an, was der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr erlangt hat. Aus der Tat erlangt sind alle Vermögenswerte, die dem Täter aufgrund der Tatbegehung in irgendeiner Phase des Tatablaufs (vgl. BGH NStZ 1994, 123, 124) zufließen. Der Verfall ist dabei gegebenenfalls auch auf die Surrogate des Erlangten zu erstrecken (§ 73 Abs. 2 Satz 2 StGB). Hier hat sich der Angeklagte durch die Veräußerung der unversteuerten und unverzollten Zigaretten die Vorteile seiner Taten gesichert.

b) Dem stehen aber die Steueransprüche des Fiskus gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen. Nach dieser Vorschrift darf Verfall insoweit nicht angeordnet werden, als dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Hier würde die Nachzahlung der vom Angeklagten wegen der Steuerhehlerei an den Steuerfiskus zu bezahlenden Steuern seinen durch die Taten erlangten Vermögensvorteil wieder beseitigen.
aa) Ob nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Steueransprüche des Staates die Anordnung des Verfalls ausschließen können, hat der Bundesgerichtshof bislang nicht ausdrücklich entschieden (vgl. hierzu BGHSt 45, 235, 248; BGH, Beschl. vom 16. August 1978 – 3 StR 288/78).
Die Frage wird in der Literatur zum Teil verneint (vgl. Horn in SK-StGB § 73 Rdn. 17; Herold ZfZ 1975, 299, 302; Bender ZfZ 1976, 139, 141; Brenner DRiZ 1977, 203, 204), weil Steueransprüche nicht „aus der Tat“ erwachsen könnten; sie beruhten auf eigenständigen steuerlichen Entstehungstatbeständen. Auch sei die Vorrangregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB auf zivilrechtliche Ersatzansprüche Privater und nicht auf öffentlich-rechtliche Ansprüche des Staates ausgerichtet. Schließlich könne eine ungewollte Doppelbelastung des vom Verfall Betroffenen durch Steueransprüche und Verfall auch ohne Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB im Rahmen des Härteausgleichs nach § 73c Abs. 1 StGB vermieden werden.
Demgegenüber vertritt die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, der Steuerfiskus könne Verletzter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sein, so daß bei Steuerdelikten Verfall regelmäßig ausscheide (vgl. LG Aachen NJW 1978, 385; LG Berlin wistra 1990, 157; W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 36; Herzog in NK-StGB § 73 Rdn. 18; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 73 Rdn. 5; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 73 Rdn. 6; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 73 Rdn. 26; Kohlmann , Steuerstrafrecht 7. Aufl. vor § 369 AO [Abschnitt B] Rdn. 259 ff.; Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, S. 76; Bäkkermann ZfZ 1976, 366, 368; Meurer NStZ 1991, 438 f.). Im wesentlichen wird darauf abgestellt, daß nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift der Begriff „Verletzter“ nicht auf geschädigte Privatpersonen beschränkt sei.
bb) Verletzter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB kann nur derjenige sein, dessen Individualinteressen durch das vom Täter übertretene Strafgesetz geschützt werden sollen (vgl. BGHR StGB § 73 – Verletzter 1, 2). Das durch die Steuerdelikte der §§ 370 ff. AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d. h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109; 41, 1, 5; BGH wistra 2000, 340, 344). Die Steuerstraftatbestände schützen damit gerade die Fiskalinteressen des Staates.
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB bezieht sich auf Ansprüche schlechthin; die Vorschrift erfaßt damit auch öffentlich-rechtliche Ansprüche wie die hier vorliegenden Steueransprüche. Weder vom Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Regelung sind Beschränkungen hinsichtlich der Art und der Rechtsgrundlage des Anspruchs gegeben (vgl. W. Schmidt aaO Rdn. 41). Dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht zu entnehmen, daß die Vorschrift lediglich den Vorrang zivilrechtlicher Ersatzansprüche Privater im Auge hätte (a.A.
Brenner aaO). Zwar dürfte es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen regelmäßig um Schadensersatz-, Herausgabe- und ähnliche zivilrechtliche Ansprüche handeln, die dem Opfer aus einem Betrug, einer Unterschlagung oder einem Diebstahl erwachsen. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß der Gesetzgeber den Schutz auf solche Ansprüche beschränken wollte. Der Grundgedanke des § 73 Abs. 1 StGB liegt darin, einerseits bei dem Straftäter die aus der Tat erlangten Vorteile abzuschöpfen, andererseits aber diese Abschöpfung nicht zu Lasten des durch die Tat geschädigten Dritten vorzunehmen. Dieser Grundgedanke trifft in gleicher Weise zugunsten des Staates zu, soweit er als Verletzter in Betracht kommt.
Auch der Umstand, daß die dem Verfall unterliegenden Beträge ohnehin der öffentlichen Hand zufließen, stellt das gefundene Ergebnis nicht in Frage. Denn der insoweit begünstigte Justizfiskus ist nicht identisch mit dem Steuerfiskus. Der Justizfiskus soll aber nach der gesetzlichen Regelung in jedem Fall hinter den übrigen Anspruchsinhabern zurückstehen. Ein hinreichender Grund, den Staat in diesem Bereich anders als eine natürliche Person zu behandeln, ist nicht ersichtlich (vgl. Meurer aaO S. 439).
Schließlich sind auch solche Steueransprüche des Staates „aus der Tat erwachsen“, die nicht erst aufgrund des tatbestandlichen Geschehens entstanden sind, sondern bereits vorher entstanden waren, sofern sich die Steuerstraftat auf sie bezieht.
(1) Bei der Frage, welche Ansprüche im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB „aus der Tat erwachsen“ sind, müssen drei Gruppen von Ansprüchen unterschieden werden. Zur ersten Gruppe gehören diejenigen Ansprüche , die erst aufgrund des der Straftat zugrunde liegenden Geschehens zur Entstehung gelangen. Es sind dies insbesondere Schadensersatz- und Herausgabeansprüche, mit denen „durch die Straftat verlorene Vermögenswerte zurückzuholen“ sind (vgl. Käbisch wistra 1984, 10, 14). Die zweite Gruppe bilden die Ansprüche des durch eine Straftat Geschädigten, die zwar bereits vor der Straftat bestanden haben, die aber Gegenstand der Straftat sind. Die dritte Gruppe umfaßt alle sonstigen Ansprüche eines Dritten, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde, ohne daß ein enger Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Anspruch besteht.
(2) „Aus der Tat erwachsen“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sind diejenigen Ansprüche, die einer der beiden ersten Gruppen zuzuordnen sind.
Teilweise wird allerdings die Ansicht vertreten, daß Steueransprüche nicht „aus der Tat“ erwachsen könnten, weil sie nicht aus der Straftat entstehen würden, sondern im Gegenteil Objekt der Straftat seien (vgl. z. B. Bender ZfZ 1978, 268). Es würde in der Regel ein bereits bestehender Steueranspruch „verkürzt“, statt daß er durch die Tat „erwächst“ (Bender aaO; ähnlich Dörn wistra 1990, 181, 182). Steueransprüche entstünden nämlich – selbst dann, wenn sie äußerlich mit der Verwirklichung eines Straftatbestandes zusammenfallen würden – aufgrund von Steuertatbeständen (§ 38 AO), nicht infolge von Straftatbeständen. Sie seien keine Reaktion auf die Tat, sondern „Objekt“ der Rechtsverletzung (Bender aaO). Die Hinterziehung von Steuern begründe weder einen Schadensersatzanspruch, noch ändere die Tat etwas am Bestand der Steuerforderung.
Dem Gesetz läßt sich indes keine Einschränkung des Anwendungsbereiches dahingehend entnehmen, daß von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nur solche Ansprüche erfaßt werden, deren Entstehung an die Verwirklichung eines Straftatbestandes selbst anknüpft und die der „Rückholung“ des durch die Straftat verlorenen Vermögensanteils beim Straftäter dienen (so aber Käbisch aaO; ähnlich Bender aaO).
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB räumt den Individualansprüchen des aus einer Straftat Verletzten den Vorrang vor einer Abschöpfung des illegitim Er- langten zugunsten der Staatskasse ein (vgl. W. Schmidt aaO Rdn. 34). Würde man all diejenigen Ansprüche aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausnehmen, bei denen der Anspruch bereits vor der strafbaren Handlung bestanden hat, dann würden – dem Gesetzeszweck zuwiderlaufend – in vielen Fällen gerade diejenigen Verletzten mit ihren Ansprüchen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen, deren Ansprüche und Vermögensinteressen durch die verletzte Strafnorm geschützt werden. Eine derartige Konstellation ist nicht nur bei Steuerhinterziehungen, sondern auch allgemein bei Vermögensdelikten denkbar, bei denen das Tatopfer betrügerisch daran gehindert wird, seine bestehenden zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB soll indes solches Vermögen vor Verfall schützen, in das der durch die Straftat Verletzte vollstrecken könnte. Diese Funktion wird nur erfüllt, wenn auch solche Forderungen, die bereits vor der Tat bestanden haben und nicht erst aufgrund der Tatbestandsverwirklichung entstanden sind, miteinbezogen werden (vgl. BayObLG wistra 2000, 395, 397; Kohlmann aaO Rdn. 259.2; Meurer aaO). Es ist somit für die Anwendbarkeit von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausreichend, wenn die Steuerstraftat den Steueranspruch zum Gegenstand hat; Entstehensgrund des Steueranspruchs muß die Straftat nicht sein. Mit der Formulierung „aus der Tat erwachsen“ wird lediglich klargestellt, daß zwischen der Straftat und dem Anspruch ein enger Zusammenhang bestehen muß und nicht nur irgendein Anspruch eines Gläubigers genügt.
Auch aus Sinn und Zweck der Verfallsvorschriften ergibt sich, daß der Anspruch des verletzten Dritten nicht unmittelbar an den v erwirklichten Straftatbestand selbst anknüpfen muß. Der Verfall dient der öffentlichrechtlichen Gewinnabschöpfung und hat dabei grundsätzlich keinen Strafcharakter (vgl. W. Schmidt aaO Rdn. 7 ff.). Durch § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB soll dabei sichergestellt werden, daß der Täter auf keinen Fall zweimal zahlen muß, nämlich durch den Verfall und außerdem noch durch die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs (BGHR StGB § 73 – Anspruch 1 m.w.N; OLG Karlsruhe NJW 1982, 456, 457). Dieser Grundgedanke wurde bereits im Ge- setzgebungsverfahren deutlich gemacht (vgl. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, S. 277 ff. und BT-Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, 5. Legislaturperiode, Prot. S. 544 f., 992 ff.). Die Verfallsanordnung darf daher nicht zu einer Doppelbelastung des Betroffenen des Inhalts führen, daß einerseits ein der Abgabenschuld entsprechender Betrag für verfallen erklärt wird, andererseits aber die Zahlungsverpflichtung bestehen bleibt (so auch BayObLG aaO).
Hier ergibt sich die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB für die bestehenden Steueransprüche bereits daraus, daß die maßgeblichen Ansprüche des Steuerfiskus aus der Haftung des Steuerhehlers für die hinterzogenen Steuern nach § 71 AO unmittelbar an den Straftatbestand der Steuerhehlerei gemäß § 374 AO anknüpfen.

c) Auch ein Verfall hinsichtlich der vom Angeklagten angelegten Sparguthaben scheidet aus. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB erfaßt auch die in Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift genannten, an die Stelle der unmittelbar erlangten Vorteile getretenen Surrogate (BGHR StGB § 73 – Gewinn 2).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Brause
92
Aus der Tat erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Begünstigten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 73 Rdn. 10 m.w.N.). Die strafbare Werbung hatte zur Folge, dass Verbraucher, die für derartige Werbemaßnahmen empfänglich waren, Bestellungen aufgaben. Das Wissen um diese Kundendaten war damit anteilig aus den abgeurteilten Taten erlangt, worauf der Adressdatenbestand beruhte. Denn durch die Verwaltung der Adressdaten wurde sichergestellt, dass die Daten – nur – derjenigen Empfänger gelöscht wurden, die für eine gewisse Zeit keine Bestellungen aufgaben.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 336/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
18. Oktober 2011, in der Sitzung am 19. Oktober 2011, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht - in der Verhandlung -,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 11. Februar 2011
a) im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird, und
b) im Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Diese beträgt nach der Urteils- formel in der Sitzungsniederschrift drei Jahre und neun Monate, nach Tenor und Entscheidungsgründen der Urteilsurkunde drei Jahre und sechs Monate. Mit Beschluss vom 9. Juni 2011 hat das Landgericht Tenor und Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe auf drei Jahre und neun Monate laute; es handle sich um ein offensichtliches Schreibversehen.
2
Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass in Höhe eines Betrages von 210.613,82 € lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt werde, weil Ansprüche von Verletzten i.S.d. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB entgegenstehen.
3
Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

4
Nach den Feststellungen des Landgerichts vermittelte der Angeklagte für den in den Vereinigten Staaten ansässigen E. Finanzprodukte, bei denen Anlegerauf der Grundlage eines Darlehensvertrages und einer von E. in Form eines Schuldscheins abgegebenen Rückzahlungsgarantie Geldbeträge unmittelbar auf Konten des E. überwiesen in der täuschungsbedingt irrigen Annahme, das Geld werde gewinnbringend angelegt. Tatsächlich erfolgte keine Geldanlage, sondern E. betrieb ein umfangreiches Schneeballsystem, in dem er „Ausschüttungen und Provisionszahlungen aus den Einlagen weiterer Anleger“ (UA S. 3) bediente. Die Anleger überwiesen die Anlagebeträge jeweils direkt auf Konten des E. , die „Provisionen wurden von E. anden Ange- klagten ausgekehrt“ (UA S. 6). Obwohl der Angeklagte seit März 2007 billigend in Kauf nahm, dass E. in dieser Weise verfährt und daher jedem Anleger der Totalverlust seiner Anlage droht, und obwohl ihm bewusst war, dass er keine Erlaubnis für Drittstaateneinlagenvermittlung nach § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG hatte, vermittelte er selbst an zehn, über Untervermittler an weitere 21 Geschädigte das von E. angebotenen „Finanzprodukt“. Die Vermittler bereicherten sich an dem von ihnen unmittelbar oder über Untervermittler mittelbar eingeworbenen Geldern in Form der ihnen zugeflossenen Provisionen (UA S. 6).
5
Die Strafkammer hat dies als elf tatmehrheitliche Fälle des Betruges gewertet (soweit sich der Angeklagte Untervermittler bediente, die er nicht über die von ihm erkannte Möglichkeit eines Totalverlustes für die Anleger informierte, ging die Strafkammer von einer Betrugstat aus), diese jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen.

II.

6
Die Revision hat mit zulässig erhobener Verfahrensrüge wegen des Widerspruchs zwischen der Urteilsformel und den Urteilsgründen hinsichtlich des Gesamtstrafausspruchs Erfolg.
7
Die in der verkündeten Urteilsformel genannte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten kann nicht bestehen bleiben.
8
Der Berichtigungsbeschluss vom 9. Juni 2011 ist unwirksam, denn das vom Landgericht angeführte Schreibversehen ist nicht offensichtlich. Enthalten die Urteilsgründe - wie hier - für sich genommen rechtlich einwandfreie Strafzumessungserwägungen kann ein die Strafhöhe betreffender Widerspruch zwischen der verkündeten Urteilsformel und Urteilsformel sowie -gründen des schriftlichen Urteils nicht als offenkundiges, für alle klar zu Tage tretendes Fassungsversehen aufgefasst werden, das einer nachträglichen Berichtigung zugänglich wäre (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2007 - 1 StR 223/07 mwN). Es liegt auch keine Fallgestaltung vor, bei der ohne Weiteres deutlich wird, dass der Tatrichter seine Ausführungen zur Strafzumessung in Wirklichkeit nicht auf die im schriftlichen Urteil, sondern auf die verkündete Urteilsformel bezeichnete Strafe bezogen hat und dass diese Strafe trotz der anders lautenden Urteilsgründe dem Beratungsergebnis entspricht (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 StR 196/11 mwN).
9
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, nötigt die bestehende Divergenz zwischen der Urteilsformel in dem allein maßgeblichen Sitzungsprotokoll (§ 274 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01; BGH, Beschluss vom 4. Februar 1986 - 1 StR 643/85) und den Urteilsgründen nicht stets zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung. Der Senat kann hier ausschließen, dass das Tatgericht auf eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als die von drei Jahren und sechs Monaten erkannt hätte, so dass der Senat auf diese niedrigere der beiden Strafen durcherkennt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 340/09 mwN).

III.

10
Der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO ist auf die Sachrüge aufzuheben, da er von den Feststellungen nicht getragen wird. Einer Erörterung der insoweit erhobenen Verfahrensrüge bedarf es nicht.
11
1. Voraussetzung für die Anwendung des § 111i Abs. 2 StPO ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer „aus der Tat” einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das „für die Tat” Erlangte unterliegt schon nach dem Gesetzeswortlaut dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10 mwN; BGH, Urteil vom 8. Juni 1999 - 1 StR 210/99).
12
Die insoweit unklaren Feststellungen des Landgerichts erlauben dem Revisionsgericht nicht die Überprüfung, ob die dem Angeklagten im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionen aus den zur Aburteilung gelangten Straftaten stam- men. „Aus der Tat” sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 66; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02; BGH, Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 371/00). Um Vorteile „für die Tat” handelt es sich demgegenüber, wenn dieVermögenswerte dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Tun gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02 mwN).
13
Ausgehend hiervon erweist sich die Formulierung in den Urteilsgründen, die Provisionen seien „aus der Tat des Angeklagten“ erlangt, weil sie „Entgelt für seine Vermittlungstätigkeit“ seien (UA S. 33), als widersprüchlich.
14
Dass die vom Angeklagten und dessen Untervermittlern geworbenen „Anleger“ das Geld jeweils direkt auf Konten des E. einbezahlthaben, steht der Annahme, dass die dann von E. an den Angeklagten „ausgekehrten“ (UA S. 6) Provisionen „aus der Tat“ stammen, grundsätzlich nicht entgegen. Denn Vermögenswerte sind nicht nur dann aus einer Tat erlangt, wenn sie dem Täter vom Opfer ohne weiteren Zwischenschritt zufließen. Dies ist auch gegeben, wenn der Vermögenswert zunächst - unbeschadet der zivilrechtlichen Besitzund Eigentumsverhältnisse - nur einem anderen Tatbeteiligten zufließt (vgl.
BGH, Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02; BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 127/03).
15
Der Senat neigt zu der Auffassung, dass das Erlangte auch dann aus der Tat stammt, wenn die den einzelnen Tatbeteiligten zugeflossenen Vermögens- werte aus einer in sich zwar nicht mehr differenzierbaren, aber mit „Gruppenwillen“ für alle Tatbeteiligten „gesammelten“ Gesamtmenge durch Betrug erlangter Vermögenswerte (dann als Teil der „Tatbeute“, vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 5 StR 401/08) entnommen werden.
16
Gewichtiges aber nicht einziges Indiz hierfür wäre, wenn E. die Provi- sionszahlungen jeweils zeitnah zur Einzahlung der an ihn gezahlten „Anlegergelder“ gezahlt hätte. Feststellungen hierzu trifft die Strafkammer nicht und auch die Formulierungen in den Urteilsgründen, wonach E. die Provisionen aus den „Einlagen weiterer Anleger“ (UA S. 3) bediente und sich die Vermittler „an dem von ihnen unmittelbar oder im Rahmen der Hierarchiestufen mittelbar eingeworbenen Geld“ bereicherten (UA S. 6), belegen ein Erlangen „aus der Tat“ nicht hinreichend.
17
Sollte E. - was nach den genannten Formulierungen ebenfalls möglich erscheint - die Provisionen hingegen aus verschiedenartig erzielten Gesamteinnahmen (weil er beispielsweise nicht nur ein „Vermittlersystem“, dessen „Teil“ der Angeklagte war - vgl. UA S. 6 -, für sein betrügerisches Schneeballsystem einsetzte) auskehren, erwiesen sich die an den Angeklagten gezahlten Provisionen sowohl hinsichtlich des vom Angeklagten begangenen Betruges als auch hinsichtlich seiner unerlaubten Vermittlung von Finanzdienstleistungen als Zah- lung einer versprochenen Belohnung, wären mithin „für die Tat“ und nicht „aus der Tat“ erlangt.
18
2. Diese Unklarheit nötigt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO mitsamt den zugrunde liegenden Feststellungen, um darüber neu zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10 mwN). Die Sache ist deshalb insoweit zurückzuverweisen, da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
19
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass eine Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach §§ 73, 73a StGB für Erlöse aus nicht zur Aburteilung gelangten (z.B. weil nach § 154 StPO von der Verfolgung ausgenommene) Straftaten unzulässig ist (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422), dementsprechend sich auch der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO hinsichtlich solcher Provisionseinnahmen verbietet.
20
In Betracht käme - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - hinsichtlich der gewerbsmäßig begangenen Betrugstaten - eine Anordnung von erweitertem Verfall gemäß § 73d StPO (vgl. § 263 Abs. 7 Satz 2 StGB). Nach dieser Vorschrift können Gegenstände eines an der rechtswidrigen Tat Beteiligten bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift für verfallen erklärt werden, wenn das Tatgericht davon überzeugt ist, dass die von der Verfallsanordnung erfassten Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen unmittelbar erlangt worden sind, ohne dass diese im Einzelnen festgestellt werden müssen (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2011 - 3 StR 144/11 mwN; BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - 4 StR 516/94, BGHSt 40, 371; BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 58. Aufl., § 73d Rn. 5). An die tatrichterliche Überzeugung dürfen dabei keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - 1 StR 115/04), jedoch genügt allein der Hinweis nicht, dass „die Vermitt- lungstätigkeit insgesamt […] nach § 54 Abs. 1Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Gegenstand der Strafverfolgung“ sei (UA S. 33), zumal die Strafvorschriften nach dem KWG nicht auf § 73d StGB verweisen.
21
Der neue Tatrichter wird ferner Gelegenheit haben, zu berücksichtigen, dass jedenfalls die vom Angeklagten geleisteten Entschädigungszahlungen an die Tatopfer nach § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 StPO bei der Bemessung des „Erlangten“ in Abzug zu bringen sind. Insoweit führt der Generalbundesanwalt zu- treffend aus: „Der Angeklagte hat jedoch die Tatopfer […] teilweise befriedigt, so dass insoweit ein krimineller Gewinn, der im Wege der Vermögensabschöpfung dem Angeklagten zu entziehen wäre, nicht mehr vorhanden ist. […] Die Überlegung der Strafkammer, wonach die bestehenden Schadensersatzansprüche die Entschädigungsleistungen übersteigen, hindert deren Abzugsfähigkeit nicht. Die Vorschriften des Verfalls dienen der Korrektur von Vermögensverschiebungen aufgrund von Straftaten und nicht insgesamt der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche.“

IV.

22
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils (dazu 1. und 2.) hat keinen weiteren den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, auch die weitergehende Verfahrensrüge (dazu nachfolgend 3.) zeigt einen solchen nicht auf.
23
1. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen den Schuldspruch. Durch die aufgrund täuschungsbedingten Irrtums erfolgte Überweisung eines Anlagebetrages an E. erlitten die Geschädigten einen Schaden in Höhe der vollen Anlagesumme, weil die getätigte Anlage für sie wirtschaftlich völlig wertlos und verloren war; dieser Schaden wird nicht kompensiert durch die ungewisse - per se wertlose - Aussicht, möglicherweise Rückzahlungen aus den von E. zum Nachteil anderer begangenen Straftaten erlangten Geldern zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08; BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05). Der Strafzumessung hat die Strafkammer - zutreffend - die Differenz aus der Anlagesumme und den von E. geleisteten Zah- lungen als „letztlich verbleibenden“ Schaden zugrunde gelegt.
24
2. Die Bemessung der Einzelstrafen weist auch darüber hinaus im Ergebnis keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Vorliegen eines von der Strafkammer der Strafbemessung jeweils zugrunde gelegten besonders schweren Falles des Betruges i.S.d. § 263 Abs. 3 StGB - der Angeklagte handelte sowohl gewerbsmäßig als auch in der Absicht, eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen - wird durch die Feststellungen belegt und ist vorliegend derart offenkundig, dass es näherer Ausführungen dazu, ob die Indizwirkung eines Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet worden sein könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 mwN), nicht bedurfte.
25
Soweit die Strafkammer - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - übersehen hat, dass hinsichtlich einzelner von Untervermittlern geworbener Geschädigter das Verfahren gemäß § 154a StPO beschränkt und nicht wieder aufgenommen worden war, schließt der Senat angesichts des insoweit festgestellten Gesamtschadens (ca. 845.000 €, 24.000 € davon von Verfahrenseinstellung betroffen) aus, dass die Kammer eine noch mildere als die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt hätte.
26
3. Soweit die Revision eine Verletzung des § 244 Abs. 6 StPO mit dem Vortrag geltend macht, ein Beweisantrag sei nicht verbeschieden worden, ist ihr der Erfolg versagt. Im Hinblick darauf, dass die Revision nicht mitteilt, dass dem Antrag durch Verlesung einer E-Mail teilweise entsprochen wurde, bestehen schon erhebliche Bedenken, ob diese Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 1. April 2004 - 1 StR 101/04). Das Urteil kann aber jedenfalls nicht auf dem gerügten Rechtsfehler beruhen.
27
Mit dem Beweisantrag suchte die Verteidigung unter Beweis zu stellen, dass der Angeklagte die von ihm eingeschalteten Untervermittler nicht getäuscht habe. So habe der Angeklagte Untervermittler über Warnungen der Bayerischen Landesbank aufgeklärt und gegenüber dem Vermittler P. erklärt, dass er - der Angeklagte - „nicht bereit sei, irgendwelche Leute zu dem Investment zu drän- gen“ (RB S.13). Die Verteidigung hat u.a. die Einvernahme zweier Zeugen beantragt , die nach Warnhinweisen, allerdings von Banken, nicht mehr bereit gewesen seien, mit dem Vermittler P. abgeschlossene Verträge zu erfüllen und diesem gegenüber erklärt hätten, sie wollten die Verträge stornieren, was auch passiert sei. Die Revision macht - der Sache nach zutreffend - geltend, die Strafkammer habe weder die benannten Zeugen vernommen, noch den Antrag abschlägig durch Beschluss verbeschieden.
28
Der Revision ist darin zuzustimmen, dass dieser Antrag, wenn ihm die Strafkammer nicht nachgehen will und er sich nicht sonst erledigt hat (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 5 StR 191/09; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04; BGH, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 5 StR 175/92), eines ablehnenden Beschlusses gemäß § 244 Abs. 6 StPO bedurft hätte. Zwar ermangelt es dem Antrag an einer Darlegung, inwieweit die benannten Zeugen zu behaupteten Gesprächen zwischen dem Angeklagten und Untervermittlern etwas sagen könnten. Dies ist auch nicht aus dem Antrag (etwa durch Auslegung) zu entnehmen oder sonst offenkundig oder ersichtlich, so dass es überwiegend an der für einen i.S.d. § 244 Abs. 6 StPO verbescheidungsbedürftigen Beweisantrag erforderlichen Konnexität fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 329 f. mwN). Der Antrag enthält jedoch darüber hinaus eine hinreichend konkrete Behauptung dahingehend, die benannten Zeugen hätten sich in bestimmter Weise gegenüber dem Vermittler P. geäußert und die über diesen geschlossenen Verträgen storniert. Diesbezüglich bedurfte es keiner weiteren Darlegungen zur Konnexität, denn es verstand sich angesichts der Beweisbehauptungen von selbst, dass die benannten Zeuginnen zum Inhalt der betreffenden, von ihnen geführten Gespräche aus eigenem Wissen bekunden sollten und konnten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09).
29
Der Senat kann vorliegend aber ausschließen, dass das Urteil auf der unterlassenen Verbescheidung des Beweisantrags beruhen könnte; auch § 244 Abs. 2 StPO drängte die Kammer nicht zu entsprechenden Erhebungen. Ist ein Beweisantrag nicht oder rechtsfehlerhaft verbeschieden, ist es dem Revisionsgericht zwar grundsätzlich verwehrt, eine rechtsfehlerfreie Begründung nachzuliefern (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2002 - 1 StR 277/02; BGH, Beschluss vom 2. August 2000 - 3 StR 154/00). Im Einzelfall kann indes ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Antragsablehnung beruht, wenn etwa die - rechtsfehlerhaft, weil lediglich formelhaft angenommene - Bedeutungslosigkeit einer behaupteten Tatsache auf der Hand liegt (Fischer in KKStPO , 6. Aufl., § 244 Rn. 234 mwN). Nichts anderes kann für Fälle einer nicht nur floskelhaft sondern gänzlich fehlenden Ablehnungsbegründung gelten, jedenfalls wenn - wie hier - offenkundig ist, dass die konkrete Beweisbehauptung (Äußerungen und Verhalten der Zeugen) für das für den Strafvorwurf (Betrug zum Nachteil der über die Untervermittler eingeworbenen Anleger) einzig relevante Beweisthema (der Angeklagte habe die Untervermittler weder getäuscht noch kollusiv mit ihnen zusammengewirkt) ohne jede tatsächliche Bedeutung ist (vgl. für den ähnlich gelagerten Fall, dass die Beweisbehauptung mit dem angebotenen Beweismittel nicht zu beweisen ist, auch OLG Koblenz, Urteil vom 2. Februar 1995 - 1 Ss 349/94, OLGSt, StPO, § 244 Nr. 17). Eine Beeinträchtigung des Verteidigungsverhaltens durch einen unterbliebenen Zurückweisungsbeschluss kann der Senat hier ebenfalls ausschließen. Nack Rothfuß Elf Graf Jäger

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 321/15
vom
1. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:011215U1STR321.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember 2015, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Mosbacher, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Februar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit hinsichtlich des Angeklagten D. von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen 14 Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat davon abgesehen, gegen ihn den Verfall von Wertersatz anzuordnen. Lediglich hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge Erfolg ; auf die erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es daher nicht mehr an.

I.


2
1. Nach den Urteilsfeststellungen verbrachte der zum Urteilszeitpunkt 44 Jahre alte Angeklagte D. zusammen mit dem Mitangeklagten M. im Zeitraum zwischen Dezember 2012 und 29. Mai 2013 in sechs Fällen jeweils 500 Gramm Methamphetamin (Crystal), insgesamt also drei Kilogramm Crystal, mit einem Methamphetaminbase-Gehalt von mindestens 59,2 % von Cheb in der Tschechischen Republik nach Nürnberg. Das Methamphetamin verkauften die Angeklagten D. und M. , wie von ihnen von Anfang an beabsichtigt , von dort aus mit Ausnahme eines Eigenkonsumanteils von jeweils mindestens 40 Gramm zu Grammpreisen von mindestens 50 Euro gewinnbringend weiter. Die Gewinne aus den Verkäufen nutzten die Angeklagten D. und M. zur Finanzierung der nachfolgenden Beschaffungsfahrten sowie zur Deckung ihres Lebensunterhalts.
3
Nach einem Streit mit dem Mitangeklagten M. unternahm der Angeklagte D. , nun gemeinsam mit dem Mitangeklagten G. , im Zeitraum von Juni 2013 bis zum 9. Januar 2014 weitere acht Beschaffungsfahrten. Hierbei verbrachten die Angeklagten D. und G. jeweils weitere 500 Gramm Crystal, insgesamt also vier Kilogramm Crystal, mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 59,2 % von Cheb nach Nürnberg, um sie dort gewinnbringend weiterzuverkaufen. Wie von vornherein beabsichtigt verkauften sie das Methamphetamin in den acht Fällen mit Ausnahme eines Anteils von jeweils mindestens 40 Gramm für den Eigenkonsum zu Grammpreisen von mindestens 50 Euro weiter.
4
Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten D. hat das Landgericht festgestellt, dass ihm mehrere Firmen gehörten, von denen er ei- nen Teil verkauft hatte (UA S. 9 ff.). Eine ihm gehörende Wohnung in Mimberg vermietete er im Jahr 2012 (UA S. 11).
5
2. Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen seiner Rolle als Mitorganisator und Überwacher der Beschaffungsfahrten und Veräußerungsgeschäfte als Mittäter sämtlicher Taten eingestuft und ihn daher wegen 14 Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) verurteilt. Es hat gegen ihn für jede der Taten eine Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt und hieraus unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten gebildet.
6
3. Das Landgericht hat den Verfall von Wertersatz (§§ 73, 73a StGB) nicht angeordnet und dies mit dem Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB begründet. Es hat dabei ausdrücklich darauf hin- gewiesen, dass diese Entscheidung „entgegen BGH StraFo 2009, 295“ erfolgt sei. Im Einzelnen hat das Landgericht angeführt, dass der Angeklagte D. selbst bei einer Haftentlassung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt deutlich über 50 Jahre alt sein werde und nochmals von vorne anfangen müsse, zumal seine Festnahme letztlich zum wirtschaftlichen Niedergang seiner Unternehmen beigetragen habe. Eine weitere Schuldenlast in sechsstelliger Höhe durch Anordnung eines Verfalls von Wertersatz in Höhe von mindestens 322.000 Euro (14 x 460 Gramm x 50 Euro pro Gramm) würde seine Resozialisierung massiv gefährden (UA S. 78 f.).

II.


7
Die wirksam auf die unterbliebene Verfallsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; die Erwägungen des Landgerichts vermögen die Ablehnung der Anordnung des Wertersatzverfalls nicht zu rechtfertigen.
8
1. Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB sind bereits deshalb nicht rechtsfehlerfrei dargetan, weil das Landgericht den systematischen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Alternativen des § 73c Abs. 1 StGB missachtet und hieraus folgend das Vorliegen einer unbilligen Härte unzureichend begründet hat.
9
a) Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 StGB maßgeblichen Umstände ist daher der inhaltlichen revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Mit der Revision kann jedoch eine rechtsfehlerhafte Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unbillige Härte“ beanstandet werden. Eine solche ist etwa gegeben, wenn die Beja- hung dieses Merkmals auf Umstände gestützt wird, die bei seiner Prüfung nicht zum Tragen kommen können (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14).
10
b) So liegt der Fall hier. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass eine „weitere Schuldenlast“ auseiner Verfallsanordnung in sechsstelliger Höhe für den Angeklagten deswegen eine unbillige Härte darstelle, weil sie nach dem wirtschaftlichen Niedergang seiner Unternehmen in der Folge seiner Festnahme seine Resozialisierung massiv gefährden würde. Ersichtlich ist sie dabei davon ausgegangen, dass der Wert des vom Angeklagten D. aus den Straftaten Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden ist.
11
Diese Begründung wird dem systematischen Verhältnis nicht gerecht, in welchem die Regelungen des § 73c Abs. 1 Satz 1 und § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB zueinander stehen. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen, nicht zugleich einen Ausschlussgrund nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bilden können, folgt aus der Systematik der Norm, dass das Nichtmehrvorhandensein des Wertes des Erlangten im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13, BGHR Härte 16; Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14; Urteil vom 12. Juli 2000 – 2 StR 43/00, NStZ 2000, 589, 590).
12
Für das Vorliegen einer unbilligen Härte bedarf es daher zusätzlicher Umstände, welche die hohen Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals belegen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14 mwN) nur dann in Betracht, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen besondere Umstände vorliegen , aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann. Eine unbillige Härte liegt demnach nicht schon dann vor, wenn der Verfallsbetrag nicht beigetrieben werden kann oder der Betroffene vermögenslos geworden ist. Nach diesen Maßstäben ausreichende gravierende Umstände lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein die Erwägung, der Angeklagte werde bei Haftentlassung deutlich über 50 Jahre alt sein und müsse angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs seiner Unternehmen nochmals von vorne anfangen (UA S. 78), genügt auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgedankens für die Annahme einer unbilligen Härte nicht.
13
2. Auch auf § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB kann das Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls nicht gestützt werden. Die Ausübung des dem Tatrichter durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessens erfordert nicht nur die Feststellung des aus der Straftat Erlangten, sondern auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2004 – 4 StR 586/03, NStZ 2005, 454). Hieran fehlt es.
14
Den Urteilsgründen lässt sich nicht in der erforderlichen Klarheit entnehmen , dass zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils der Wert des aus den Straftaten Erlangten in dem Vermögen nicht mehr vorhanden war. Insgesamt fehlt es an konkreten Feststellungen zum Stand des Vermögens zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils. Nach den Urteilsfeststellungen zu den persönlichen Verhältnissen besaß der Angeklagte jedenfalls bis zu seiner Festnahme mehrere Firmen (UA S. 9 ff.) und hatte zudem noch im Jahr 2012 eine Wohnung in Mimberg vermietet (UA S. 11). Allein die Erwägung des Landgerichts, „weitere Schulden“ würden die Resozialisierung des Angeklagten massiv gefährden, machen die erforderlichen Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten nicht entbehrlich.
15
3. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung über die Frage des Wertersatzverfalls gemäß §§ 73, 73a StGB. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Abschließend weist der Senat auf die Möglichkeit hin, dass nach § 73c Abs. 1 StGB die Anordnung des Verfalls auf einen Teil des Erlangten beschränkt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14; Beschluss vom 29. Oktober 2002 – 3 StR 364/02, NStZ-RR 2003, 75).
Graf Jäger Mosbacher
Fischer Bär

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 46/06
vom
16. Mai 2006
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
1. Bei der Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB (Entreicherung) kommt
es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen Bezug zu
der rechtswidrigen Tat hat.
2. Zum Wert des Erlangten bei Tatbeteiligten in einer Handelskette.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06 - LG Karlsruhe
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Mai 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 23. September 2005 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz, soweit von einer 12.500,-- € übersteigenden Verfallsanordnung abgesehen wurde , aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen G r ü n d e:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 12.500,-- € angeordnet.
2
Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch im Fall 8, auf den Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von - nur - 12.500,-- € (betreffend die Fälle 1 bis 7) beschränkt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg.

I.


3
Zur Strafzumessung im Fall 8:
4
In Erwartung eines hohen Gewinns stellte der Angeklagte am 19. November 2004 - zumindest in positiver Kenntnis dessen, dass es um den Handel mit Betäubungsmitteln geht, wenn er das Geschäft nicht sogar selbst initiiert und organisiert hatte, - zwei Mittätern 46.250,-- € zum Erwerb von 25 kg Marihuana zur Verfügung. Den Einsatz des Angeklagten vereinnahmte der vorgebliche Lieferant - unter Drohung mit einer Schusswaffe - ohne Gegenleistung. Die Strafkammer verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, wobei sie dem Angeklagten unter anderem zugute hielt, dass er "nur mit Eventualvorsatz gehandelt hat".
5
Diese Erwägung in der Strafzumessung stellt einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten dar. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte mit direktem Vorsatz. Der Ausspruch über die Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand. Denn die vom Landgericht erkannte Strafe ist - noch - angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO einer Norm, die auch bei einer Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2006 - 4 StR 536/05). Entscheidend ist, dass das Betäubungsmittelgeschäft scheiterte und der Angeklagte seiner eingesetzten Mittel in Höhe von 46.250,-- € vollständig verlustig ging.
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Damit hat auch die rechtsfehlerfrei gebildete Gesamtstrafe Bestand.

II.


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Zur Verfallsanordnung:
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1. In der Zeit von Mai bis Dezember 2004 bezog der Angeklagte in sieben Fällen insgesamt 67 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 6,97 % THC (10 kg) beziehungsweise mindestens 8 % THC (57 kg) "auf Kommission". 62.244 kg veräußerte der Angeklagte an verschiedene Abnehmer. Von diesen erhielt er 161.000,-- €, die er insgesamt - ohne Abzug seines nach der getroffenen Vereinbarung ihm hieraus zustehenden Gewinnanteils in Höhe von 200,-- € je Kilogramm - an seinen Lieferanten weitergab. Die Strafkammer beschränkte die Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB) auf den Gewinnanteil (12.500,-- €). Nur diesen habe der Angeklagte, da es sich um ein Kommissionsgeschäft gehandelt habe, - jedenfalls zeitweise - erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. "In dem Bewusstsein, dass die [von der Strafkammer] vertretene Rechtsansicht möglicherweise nicht der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung entspricht", hat das Landgericht das Absehen von einer weiterreichenden Verfallsanordnung ergänzend auf § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt. Der Wert des Erlangten (161.000,-- €) sei jedenfalls nicht mehr Vermögensbestandteil, denn die vorhandenen Vermögenswerte (netto über 800.000,-- €) des Angeklagten seien ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben worden und der Zugriff auf das "unbefleckte" Vermögen würde insbesondere die Familie treffen, deren langfristiger Absicherung das vorhandene Vermögen des Angeklagten diene.
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2. Die Erwägungen, aufgrund derer die Strafkammer davon abgesehen hat, einen 12.500,-- € übersteigenden Betrag für verfallen zu erklären, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Bei der Prüfung, was der Angeklagte aus der Tat (Fälle 1 bis 7) gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat, hat die Strafkammer die Reichweite des Bruttoprinzips verkannt.
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"Bruttoprinzip" bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erhalten hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Bei der Berechnung des bei einem verbotenen "Verkauf" Erlangten ist deshalb vom gesamten Erlös ohne Abzug des Einkaufspreises und sonstiger Aufwendungen auszugehen (BGHSt 47, 369 [370]; BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 388, 389; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 - 1 StR 547/00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - 1 StR 12/01). Insbesondere bei Betäubungsmitteldelikten "besteht kein rechtlich schützenswertes Vertrauen, aus dem verbotenen Geschäft erlangte Vermögensbestandteile behalten zu dürfen, die der Erlös strafbarer Geschäfte sind (BGHSt 47, 369 [372]; BGH NStZ 2001, 312).
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Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck. Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos sind, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten - und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen - beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck - der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen - hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog und darauf abhob, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll (BGHSt 47, 369 [373 f.]).
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An dieser - verfassungungskonformen (vgl. BVerfG NJW 2004, 2073 [2074 ff.]) - Rechtsprechung hält der Senat uneingeschränkt fest. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach dann, wenn für einen dem Verfall unterliegenden Vermögensvorteil die Steuer bereits bestandskräftig festgesetzt worden ist, dies bei der zeitlich nachfolgenden Anordnung des Verfalls mindernd zu berücksichtigen ist (BGHSt 47, 260) liegen Besonderheiten des Steuerrechts zugrunde. Da für verfallen erklärte Vermögenswerte mangels Strafcharakters einer Verfallsanordnung grundsätzlich steuermindernd geltend gemacht werden dürfen, könnte die Verfallsanordnung je nach dem Zeitpunkt der Verfallsanordnung - vor oder nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung - zu dem Gleichbehandlungsgebot widersprechenden unterschiedlichen Gesamtbelastungen führen (vgl. BGHSt 47, 260 [265 ff.]). Dies - sowie eine daraus folgende mögliche Doppelbelastung desselben Betroffenen - zu vermeiden, dient die Berücksichtigung steuerlicher Konsequenzen bei der Feststellung dessen, was im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wurde. Das gesetzlich verankerte Bruttoprinzip wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Bei Betäubungsmittelgeschäften dürfte eine entsprechende - steuerlich relevante - Situation ohnehin nie eintreten.
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Wirtschaftlich erlangt ist ein Gegenstand oder Wert im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sobald dieser unmittelbar aus der Tat in die eigene Verfügungsgewalt des Täters übergegangen ist (vgl. Nack, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verfall, Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 2003, 879 [880] m.w.N.). Beim Erlangen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Auch der einem Kurier ausgehändigte Kaufpreis unterliegt bei diesem in voller Höhe dem Verfall, unabhängig von den zivilrechtlichen Besitz- und Eigentumsverhältnissen zwischen den Tatbeteiligten (BGH NStZ 2004, 440; vgl. aber Winkler NStZ 2003, 247 [250]). Auf die Besonderheiten des Kommissionsgeschäfts kann es beim Betäubungsmittelhandel schon deshalb nicht ankommen, da sämtliche schuldrechtlichen Vereinbarungen in diesem Zusammenhang nichtig sind (§ 134 BGB).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Angeklagte - entgegen der Bewertung durch die Strafkammer - nicht nur seinen Gewinnanteil, sondern den Gesamterlös in Höhe von 161.000,-- € gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Mit der Übertragung der Beträge von seinen Abnehmern an ihn wurden die entsprechenden Geldmittel Teil seines Vermögens, und zwar unabhängig davon, ob sie bar oder unbar übergingen, ob sie mit anderen Geldern vermischt oder gesondert verwahrt wurden. Unmaßgeblich ist auch, aus welchem Guthaben anschließend der Lieferant bedient wurde. Selbst wenn ein Zwischenhändler dieselben Geldscheine, die er von seinen Rauschmittelkäufern erhalten hat, unmittelbar im Anschluss daran an seinen Lieferanten weitergibt, werden diese Beträge zunächst Teil seines Vermögens. Spätere Mittelabflüsse können dann allenfalls noch im Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB von Bedeutung sein.
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Grundsätzlich unterliegen somit die vom Angeklagten von seinen Abnehmern als Gegenwert für das veräußerte Marihuana erhaltenen 161.000,-- € bei ihm insgesamt dem Verfall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bzw. es ist gegen ihn in dieser Höhe der Verfall von Wertersatz anzuordnen (§ 73a Satz 1 StGB).
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c) Das im Einzelfall unter Umständen notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bietet die Härtevorschrift des § 73c StGB.
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Deren Voraussetzungen hat die Strafkammer in ihren Hilfserwägungen allerdings ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
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aa) Das gilt zunächst für die Härteklausel des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB, die die Anordnung des Verfalls zwingend ausschließt, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Als unbillige Härte - als Verstoß gegen das Übermaßverbot (vgl. BGHR StGB § 73c Härte 11) - stellt sich eine Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe der insgesamt vereinnahmten 161.000,-- € nach den bisherigen Feststellungen nicht dar. Dies hat zwar die Strafkammer im Ergebnis ebenfalls so gesehen. Soweit das Landgericht allerdings in anderem Zusammenhang auf die existenzbedrohenden Konsequenzen einer weitergehenden Verfallsanordnung für die Familie des Angeklagten - dies betrifft ihn selbst, nicht nur Außenstehende - hinweist, überzeugt dies nicht. Die Anordnung des Verfalls in Höhe von 161.000,-- € würde bei weitem nicht deren Existenzgrundlage vernichten. Bei diesem Betrag handelt es sich um nur 19,06 % des Nettovermögens am 31. Dezember 2004. Außerdem scheint der Angeklag- te neben seinem Erwerbseinkommen (1.800,-- € netto) bis Frühjahr 2004 über weitere laufende Einnahmen zu verfügen, etwa aus seinem mit Hilfe der Arbeitsagentur gegründeten Brennstoffhandel oder aus Überschüssen aus Vermietung und Verpachtung seiner Immobilien. Denn der Angeklagte hat sein Nettovermögen im Jahre 2004 um immerhin 30.882,-- € gesteigert. Hinzu kommt der - in der Höhe unbekannte - Aufwand zur Deckung des Lebensunterhalts der Familie.
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bb) Die bisherigen Feststellungen tragen allerdings auch nicht das fakultative Absehen von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe der gesamten 161.000,-- € aufgrund des § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB.
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Schon die Bewertung der Strafkammer, der Wert des Erlangten (161.000,-- €) sei im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. StGB vermag nicht zu überzeugen.
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Der Wert des Erlangten ist dann noch vorhanden, wenn das (Netto-) Vermögen des Betroffenen den Wert des Erlangten zumindest erreicht. Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem "verfallbaren" Betrag zurück bleibt (BGHSt 48, 40 [42]; BGHR StGB § 73c Wert 2). Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das vorhandene Vermögen einen konkreten oder unmittelbaren Bezug zu der rechtswidrigen Tat hat; ebenso wenig hängt die Anordnung des Verfalls davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet hat (BGHR StGB § 73c Wert 2). Hieran hält der Senat fest. Nachforschungen über die Verwendung der erlangten Beträge, über die Quellen des vorhandenen Vermögens , über Vermögensumschichtungen, über ersparte Aufwendungen usw. sind deshalb grundsätzlich nicht erforderlich.
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Der Senat teilt nicht die Auffassung, wonach vorhandenes Vermögen nur nahe lege, dass der Wert des Erlangten beim Verfallsbetroffenen noch vorhanden ist, wobei dies nicht mehr sei als eine widerlegbare Vermutung, die nicht greife, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Taten, etwa mehrere Jahre vor deren Begehung im Wege der Erbfolge, erworben wurde (vgl. BGHSt 48, 40 [42 f.]). Ob eine derartig differenzierte Betrachtung einer über Jahre angesammelten Vermögensmasse im Hinblick darauf, ob der "Wert" eines bestimmten Mittelzuflusses darin noch enthalten ist, überhaupt möglich ist, erscheint fraglich. Unter Umständen könnten umfangreiche Finanzermittlungen notwendig werden. Jedenfalls ist diese einengende Auslegung aus Sicht des Senats vom Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB nicht geboten, beschränkt aber die Praktikabilität und Effektivität der Vorschriften über den Verfall - von Wertersatz - und insbesondere deren Präventivwirkung. In besonders gelagerten Einzelfällen bietet § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB genügend Schutz. Wäre die Anordnung des Verfalls des Erlangten im Einzelfall - ganz oder zum Teil - eine unbillige Härte, wäre die Maßnahme ungerecht oder verstieße gegen das Übermaßgebot (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, insoweit in NStZ 2004, 457, nicht abgedruckt); dann hat die Anordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB zu unterbleiben. Um eine unbillige Härte festzustellen, bedarf es im Rahmen der hierzu erforderlichen Gesamtbewertung dann aber keiner exakten Untersuchung über den Ursprung des vorhandenen Vermögens oder des wirtschaftlichen Verbleibs des Erlangten.

24
Im vorliegenden Fall kann dies jedoch dahinstehen. Denn soweit die Strafkammer auf die "unbefleckten" Vermögensteile des Angeklagten, also auf die vor dem Jahr 2004 erworbenen Grundstücke abgestellt hat, hat sie nicht bedacht , dass diese Immobilien weitgehend (1,4 von 2 Millionen €) kreditfinanziert sind. Zu Einzahlungen auf zur späteren Tilgung abgeschlossene Bauspar- und Lebensversicherungsverträge wurden vom Angeklagten im Jahre 2004 - dem Tatzeitraum - etwa 67.000,-- € aufgebracht; deren Bestand erhöhte sich nach den Feststellungen im Jahr 2004 nämlich von 207.764,-- € auf 275.000,-- €. Dies diente mittelbar der Entschuldung der Grundstücke und legt nahe, dass ein den Wert des Erlangten entsprechendes Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist, das nicht ohne jeden denkbaren Bezug zu den Straftaten des Angeklagten ist (vgl. BGHSt 38, 23 [25]; BGHSt 48, 40 [42 f.]). Feststellungen zum Umfang (Wert) des durch Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von den Eltern erworbenen (unbelasteten?) Grundvermögens hat die Strafkammer bislang nicht getroffen.
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Im Übrigen schlösse auch nach der oben zitierten - vom Senat nicht geteilten - Rechtsprechung selbst ein völlig fehlender Bezug des vorhandenen Vermögens zu den Straftaten des Angeklagten die Abschöpfung über die Verfallsvorschriften nicht aus. Denn vorhandenes Vermögen behält, auch dann, wenn es in keiner denkbaren Beziehung zum - nicht mehr vorhandenen - "Wert des Erlangten" steht und deshalb die Anwendbarkeit des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht hindert, seine Bedeutung im Rahmen der nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung (vgl. BGHSt 48, 40 [43]).
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cc) Die Strafkammer hat ihre grundsätzlichen Vorbehalte gegen das Bruttoprinzip argumentativ auch auf den kumulierenden Effekt mehrerer Verfallsan- ordnungen gegen verschiedene Personen bei Handelsketten beziehungsweise bei Mittätern gestützt und in diesem Zusammenhang auch auf vermeintliche Probleme bei der Vollstreckung in derartigen Konstellationen hingewiesen. Denn dann ist - so bisherige Meinung - grundsätzlich von Gesamtschuldnerschaft auszugehen (vgl. BGH NStZ 2003, 198 [199]). Dies überzeugt nach Auffassung des Senats allerdings nicht für Fallgestaltungen der vorliegenden Art. Vielmehr ist jeder Täter, jeder Teilnehmer einer Handelskette, in der ein und dieselbe Menge an Betäubungsmitteln mehrfach umgesetzt und der entsprechende Kaufpreis jeweils bezahlt und vom Verkäufer im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt wird, für sich zu betrachten und allein daran zu messen, was er konkret erhalten hat. Anderes gilt nur dann, wenn - dabei - mehrere Tatbeteiligte etwas gemeinsam erlangten, ohne dass festgestellt werden kann, wem dies zufloss. Ziel der aus Verfallsanordnungen gemäß §§ 73, 73a StGB resultierenden Zahlungsansprüche ist nicht die einmalige Abschöpfung des - regelmäßig beim Endabnehmer schließlich erreichten - höchsten Handelspreises. Vielmehr soll bei jedem Einzelnen, der aus einer rechtswidrigen Tat etwas erlangt hat, dieses weggenommen werden und zwar, da es sich um eine präventive Maßnahme eigener Art handelt, nach dem Bruttoprinzip. Bei einer Handelskette kann deshalb die Summe der Beträge, hinsichtlich derer gegen die verschiedenen Händler der Verfall angeordnet wurde, den maximalen Handelspreis des umgesetzten Betäubungsmittels um ein mehrfaches übersteigen. Dies dann über das Rechtsinstitut der Gesamtschuldnerschaft zu begrenzen und auszugleichen, widerspräche dem Zweck des Verfalls gemäß §§ 73, 73a StGB. Die Weitergabe des Erlangten kann in besonderen Ausnahmefällen beim jeweiligen Einzelfall im Rahmen des Härtausgleichs gemäß § 73c StGB Berücksichtigung finden, wenn kein - ausreichendes - Vermögen mehr vorhanden oder eine Verfallsanordnung eine unbillige Härte wäre.
27
Auch dies kann hier jedoch dahinstehen, da die Stellung als Gesamtschuldner die Anordnung des Verfalls beziehungsweise des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten in voller Höhe zunächst gerade nicht berührt.
28
3. Die Entscheidung über die Anordnung des Verfalls bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Diesen nicht widersprechende, ergänzende Feststellungen sind möglich.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Hebenstreit

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.