Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10

bei uns veröffentlicht am25.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 631/10
vom
25. Juli 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
1. Eigenmächtigkeit des Entfernens im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO kann
vorliegen, wenn der Angeklagte aufgrund einer mittelgradigen depressiven
Episode einen Suizidversuch unternimmt, der zu seiner Verhandlungsunfähigkeit
führt.
2. Zur Wirksamkeit von Selbstanzeigen mit geringfügigen Abweichungen von
dem in § 371 Abs. 1 AO für Selbstanzeigen vorgeschriebenen Inhalt.
BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10 LG Darmstadt
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2011 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 26. März 2010 wird
a) das Verfahren auf den Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt, soweit dem Angeklagten im Tatkomplex "Umsatzsteuerhinterziehung" Steuerhinterziehung in 20 Fällen (betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März, April, Juni, Oktober und Dezember 2001, Januar, März, Juni und Juli 2002, Januar bis April, Juli, September und Dezember 2003 sowie die Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 bis 2003) zur Last liegt;
b) das genannte Urteil im Schuldspruch dahingehend abgeändert , dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 32 Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 52 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Von weiteren Vorwürfen hat es ihn freigesprochen. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe ein Monat als verbüßt gilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er sich gegen seine Verurteilung wendet und dabei die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zu einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO. Im Übrigen ist sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
2
Näherer Erörterung bedürfen die auf den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gestützte Verfahrensrüge (A) und der Schuldspruch (B).

A.

3
Die Hauptverhandlung wurde an fünf Tagen in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt. Die Revision macht deshalb einen Verstoß gegen § 230 Abs. 1, § 231 Abs. 2 StPO geltend. Zwar habe sich der Angeklagte selbst in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit gebracht, indem er während laufender Hauptverhandlung bei "eingeschränkter Steuerungsfähigkeit" versucht habe , sich das Leben zu nehmen. Er habe sich deshalb aber - anders als das Landgericht annimmt - noch nicht eigenmächtig der weiteren Hauptverhandlung entzogen. Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
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I. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:
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1. Die Hauptverhandlung gegen den ordnungsgemäß geladenen Angeklagten begann am 18. Oktober 2009 mit Verlesung des Anklagesatzes aus der Anklageschrift und aus einer Ergänzungsanklage. Im Anschluss hieran erklärte einer der Verteidiger, der Angeklagte werde an diesem Tag keine Stellungnahme abgeben. Nach Erteilung des Hinweises an den Angeklagten, dass es ihm freistehe, sich zur Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, trat das Landgericht im Einverständnis mit allen Verfahrensbeteiligten in die Beweisaufnahme ein. Es wurden ausschließlich Urkunden verlesen. Am zweiten Hauptverhandlungstag sagte der Angeklagte zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache aus und beantwortete Fragen des Vorsitzenden. Am dritten Verhandlungstag fuhr das Gericht mit der Beweisaufnahme fort. Der Angeklagte erklärte, er fühle sich nicht in der Lage, weitere Fragen des Vorsitzenden zu beantworten, er sei aber in der Lage, die Fragen aufzunehmen. Der Vorsitzende stellte seine Fragen und gab dem Angeklagten anheim, diese am nächsten Verhandlungstag, der für den 11. November 2009 angesetzt war, zu beantworten.
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2. Zu dem danach erfolgten Suizidversuch des Angeklagten hat das Landgericht - im Urteil - folgende Feststellungen getroffen: "In der Nacht vom 10.11.2009 auf den 11.11.2009, mithin während laufender Hauptverhandlung, lag beim Angeklagten W. eine mittelgradige depressive Episode vor, hervorgehend aus einer zuvor bestehenden leichteren depressiven Verstimmung bei äußerer Belastungssituation. Am 11.11.2009 stand nämlich für den Angeklagten eine Reihe von belas- tenden Aussagen der Zeugen … bevor. … Nur wenige Stunden vor Be- ginn des Fortsetzungstermins der Hauptverhandlung, zu einer Zeit, als er mit seinem Auffinden rechnen konnte, fügte sich der Angeklagte W. Verletzungen an den Armbeugen zu, die zu einem hohen Blutverlust führten. Der Angeklagte W. war bei Vornahme der Selbstverletzungen in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt; gänzlich ausgeschlossen war sie aber nicht. Der Angeklagte W. wollte durch sein Handeln der Hauptverhandlung entgehen und nahm hierbei billigend seinen Tod in Kauf. Gleichzeitig hoffte er aber noch - wie dann auch geschehen - rechtzeitig von seiner Ehefrau … aufgefunden und gerettet zu werden."
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3. Infolge des Selbstmordversuchs war der Angeklagte für einen für das Landgericht nicht vorhersehbaren Zeitraum nicht mehr verhandlungsfähig. Deshalb beauftragte das Landgericht am 12. November 2009 Dr. S. , einen Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit einem Sachverständigengutachten, in dem geklärt werden sollte, ab wann und in welchem Umfang der Angeklagte wieder verhandlungsfähig sein werde. Der Gutachter sollte sich "auch zu der Frage äußern, ob der Angeklagte seinen Selbstmordversuch schuldhaft unternommen hat, d.h. nicht im Zustand fehlender Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB". Das Landgericht stellte in Aussicht, im Falle fortdauernder Verhandlungsunfähigkeit die Hauptverhandlung auszusetzen und zu einem späteren Zeitpunkt von vorne beginnen zu lassen.
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Die Exploration durch den Sachverständigen fand am 21. November 2009 statt. Nachdem der Sachverständige im Hauptverhandlungstermin vom 26. November 2009 sein Gutachten mündlich erstattet hatte (das schriftliche Gutachten ging am 7. Dezember 2009 bei der Strafkammer ein) und zudem ärztliche Atteste verlesen worden waren, verkündete das Landgericht nach Beratung den Beschluss, dass die Hauptverhandlung gemäß § 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten fortgesetzt und gegebenenfalls zu Ende geführt werden solle. In diesem Beschluss vom 26. November 2009 führt das Landgericht u.a. aus: "Das Fernbleiben des Angeklagten W. war eigenmächtig. Der Angeklagte W. ist seiner Anwesenheitspflicht wissentlich durch die von ihm nur wenige Stunden vor dem Verhandlungstermin vom 11.11.2009 begangene Selbstverletzung nicht nachgekommen. Diese Verletzungshandlung diente nach Überzeugung der Kammer dazu, dem Gang der Urteilsfindung durch Missachtung seiner Anwesenheitspflicht durch das Herbei- führen eines andauernden Zustandes der Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich entgegenzutreten. Dies ergibt sich aus den folgenden Umständen: Gegen Ende des 3. Verhandlungstages am Freitag, den 06.11.2009, konfrontierte die Kammer den Angeklagten mit einer Reihe aus ihrer damaligen Sicht bestehender unauflösbarer Widersprüche zwischen der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung und dem schriftsätzlichen Vortrag seiner Verteidiger im Ermittlungs- und Besteuerungsverfahren , dessen Richtigkeit er teilweise sogar eidesstattlich versichert hat. Bereits zuvor traten an diesem Verhandlungstag im Rahmen der Vernehmung des Zeugen T. ersichtlich nicht nur für die Kammer überraschend unterschiedliche Versionen von Gesellschaftsverträgen zutage , die die Kammer dazu veranlassten, den Angeklagten nach dem Zustandekommen und der Verwendung der unterschiedlichen Versionen zu befragen. Diese Fragen und Hinweise auf Widersprüche blieben unbeantwortet. Die Kammer hat dabei auch zu verstehen gegeben, dass sie bei vorläufiger Würdigung der Sachlage der Einlassung des Angeklagten wohl nicht würde folgen können. Mit diesen Widersprüchen konfrontiert endete der 3. Verhandlungstag. Für den 4. Verhandlungstag am Mittwoch, den 11.11.2009, waren Zeugen vorgesehen, die nach Aktenlage wie z.B. die Zeugin H. über intime Details über das Verhältnis des Angeklagten W. zu Margit C. würden berichten können und hieraus folgernd das mögliche Motiv für die nicht versteuerten Zahlungen von Margit C. an den Angeklagten beleuchtende Angaben machen würden. Diese Angaben wären für den Angeklagten W. deswegen besonders unangenehm, weil der Prozess intensiv durch die Medien verfolgt wird und entsprechende Angaben aufgrund der Berichterstattung der Medien große Verbreitung finden würden. Unter Würdigung dieser Prozesslage zieht der Sachverständige Dr. S. den naheliegenden Schluss, dass der Angeklagte W. aus seiner Sicht keine befriedigenden Antworten auf die durch die Kammer aufgezeigten Widersprüche finden konnte und der kommende Prozessverlauf für ihn äußerst peinlich zu werden schien. Um sich diesen Widersprüchen und der Peinlichkeit der weiteren Hauptverhandlung zu entziehen , hat der Angeklagte W. sich dann selbst körperlich beschädigt. Der Begriff der Selbstbeschädigung rührt dabei vom Sachverständigen (her), der in Zweifel zieht, ob es sich überhaupt um einen ernsthaften Selbstmordversuch gehandelt hat. Wegen der Unaufklärbarkeit dieser Frage geht die Kammer davon aus, dass die Selbstbeschädigung mit beding- tem Selbsttötungsvorsatz erfolgte – zu einem Zeitpunkt und an einem Ort, wo der Angeklagte auf ein rechtzeitiges Auffinden hoffen konnte. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Angeklagte W. sich der weiteren Hauptverhandlung durch die Selbstbeschädigung entziehen wollte, ergibt sich aus dem Zeitpunkt der Tat: Der Angeklagte W. hat die Selbstverletzung gegen 6.30 Uhr nur wenige Stunden vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung um 9.00 Uhr unternommen. Dieser enge zeitliche Zusammenhang mit der Fortsetzung der Hauptverhandlung spricht nach Überzeugung der Kammer ebenfalls dafür, dass der Angeklagte W. hierdurch die unmittelbar bevorstehenden und für ihn aller Voraussicht nach höchst peinlichen Zeugenaussagen in öffentlicher Verhandlung verhindern wollte. Der Angeklagte W. hat sich seine Verletzungen nicht im Zustand fehlender Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB zugefügt. Aus dem stets nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des vom Gericht beauftragten, forensisch sehr erfahrenen Sachverständigen Dr. S. , dem sich die Kammer anschließt, ergibt sich, dass die eigene körperliche Beschädigung des Angeklagten W. Ausdruck eines wachen und abwägenden, bilanzierenden Verstandes war und nicht im Zustand des Ausschlusses seiner Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit begangen wurde. Zu diesem Ergebnis kommt der Sachverständige für die Kammer nachvollziehbar aufgrund des mit dem Angeklagten W. am 21.11.2009 geführten Gesprächs sowie der ihm geschilderten prozessualen Situation, die – wie oben bereits ausgeführt – beim Angeklagten W. Gefühle wie Scham, Ehre und Gesichtsverlust ausgelöst haben. Diese Gefühle führen jedoch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht dazu, dass sie die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aufheben. Seinem vom Angeklagten W. im Rahmen des mit ihm geführten Gespräches gewonnenen Eindrucks sei der Angeklagte merklich davon entfernt, in einem schuldausschließenden Zustand ge- handelt zu haben. … Aufgrund der vorgenannten Umstände gelangt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte W. versuchte, sich dem weiteren Gang der Hauptverhandlung durch Herbeiführen einer Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich zu entziehen, ohne dass seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen wäre."
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In diesem Beschluss, die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten fortzusetzen , wies das Landgericht darauf hin, dass der Angeklagte uneingeschränkt Gelegenheit gehabt habe, zum Anklagevorwurf Stellung zu nehmen, und von diesem Recht auch Gebrauch gemacht habe. Es hielt deswegen dessen weitere Anwesenheit nicht für erforderlich. Das Landgericht kündigte allerdings an, sich an diesem und am folgenden Hauptverhandlungstag auf ein minimales Beweisprogramm zu beschränken, um die Mitwirkungsrechte des Angeklagten soweit wie möglich zu achten. Den Aussetzungsantrag eines Verteidigers lehnte das Landgericht ab.
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4. In der Folge verhandelte das Landgericht an fünf Hauptverhandlungstagen ohne den Angeklagten; ab dem 11. Hauptverhandlungstag (22. Dezember 2009) war der Angeklagte wieder anwesend. Der Vorsitzende unterrichtete ihn in entsprechender Anwendung des § 231a Abs. 2 StPO über den wesentlichen Inhalt dessen, was Gegenstand der Verhandlung während seiner Abwesenheit gewesen ist.
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Am 12. Januar 2010 lehnte der Angeklagte den Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit ab und beantrage die Einholung eines weiteren fachpsychiatrischen Gutachtens "insbesondere zu der Frage, ob anlässlich des Suizidversuchs am 11. November 2009 ein freier Willensentschluss von Herrn W. vorlag."
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Am 22. Januar beschloss das Landgericht, den Psychiater Dr. J. mit einem Sachverständigengutachten zu beauftragen, wobei dieser sich auch zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten vom Beginn der Hauptverhandlung am 28.10.2009 bis zum Fortsetzungstermin am 6.11.2009 äußern sollte.
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5. In seinem am 15. Februar 2010 erstellten schriftlichen Gutachten, das - soweit es um den Zustand des Angeklagten ging - im Wesentlichen auf dessen eigenen Angaben beruhte, führte der Sachverständige Dr. J. u.a. aus: Eine "depressive Episode" trat "in der Nacht zum 11.11.2009 ein, nachdem Herr W. von seinem Verteidiger über unangenehme Aussichten im Strafverfahren hingewiesen wurde und er danach noch ein längeres Gespräch unbekannten Inhalts mit seiner Ehefrau führte. Die depressive Verstimmung nahm nun ein so großes Ausmaß an, dass Herr W. in einen Zustand geriet, der von Herrn Dr. M. [dem behandelnden Arzt] tref- fend als ‚präsuizidales Syndrom‘ beschrieben wurde, gekennzeichnet durch das Gefühl der Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit, der Isolierung von den Mitmenschen und dem immer verführerischen Drang, diese als unerträglich empfundene Situation durch den Freitod zu entfliehen. … Herr W. war im Zeitraum der ersten Verhandlungstage angeschlagen, er litt an einer Anpassungsstörung mit depressiver und vielleicht auch ängstlicher Symptomatik, aber er war nicht verhandlungsunfähig. Zum Zeitpunkt seines Suizidversuchs befand sich Herr W. allerdings in einem akuten depressiven und präsuizidalen Verstimmungszustand, der sich aus der leichteren depressiven Verstimmung am Abend durch das Gespräch mit dem Anwalt und danach mit seiner Frau verstärkt hatte und nun innerhalb von Stunden sein Denken und Handeln zunehmend im Sinne eines Tunnelblicks lenkte. Hierbei ließ er sich zum Teil von noch vernünftig scheinenden Erwägungen leiten, zum Beispiel davon, vielleicht durch seinen Tod seiner Familie zusätzliches Unbill ersparen zu können. Dass er mit einem Freitod seiner Frau ein noch viel größeres Leid zufügen würde, vermochte er allerdings nicht mehr zu erkennen. Das impliziert, dass er in seiner Hemmungsfähigkeit (Steuerungsfähigkeit ) zum Zeitpunkt des Suizids erheblich beeinträchtigt war."
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Dr. J. verneinte die Annahme von Dr. S. , es habe ein "rein demonstrativer Suizidversuch" vorgelegen und kam zu dem Ergebnis: "Die Wahrheit dürfte, wie so oft, in der Mitte liegen: Herr W. war weder im Tatzeitraum so ‚larviert depressiv‘, in der Ausgestaltung einer typischen ‚Männer-Depression‘ …, noch war er bei seinem Suizidversuch so ‚gesund ‘, wie dies Herr Dr. S. schlussfolgerte. Ein schuldfähigkeitsrele- vantes Krankheitsbild lag erst in der Nacht zum 11.11.2009 vor, in Form einer mittelgradigen depressiven Episode mit Suizidversuch, hervorge- hend aus einer zuvor leichteren depressiven Verstimmung bei äußerer Belastungssituation (Strafprozess und Medienkampagne)."
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Seinen Befund zur Frage der Schuldhaftigkeit des Herbeiführens von Verhandlungsunfähigkeit fasste Dr. J. so zusammen: "Der in diesem Zustand begangene Suizidversuch war nach Überzeugung des Unterzeichnenden nicht demonstrativ im Sinne eines reinen Zweckverhaltens, sondern Ausdruck und Symptom dieses depressivsuizidalen Verstimmungszustandes im Sinne einer akuten krankhaften seelischen Störung (entsprechend dem ersten Eingangsmerkmal der § 20, 21 StGB). Hinsichtlich der Schuldhaftigkeit des Herbeiführens von Verhandlungsfähigkeit [gemeint wohl Unfähigkeit] am Folgetag ist von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bei erhaltener Einsicht auszugehen (gemäß § 21 StGB). Es lag keine wahnhafte depressive Psychose vor und bei dem Suizidversuch, der sich über zwei Stunden hinzog, handelte es sich nicht um einen melancholischen Raptus, so dass weder von Einsichtsunfähigkeit noch von aufgehobener Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Suizidversuchs auszugehen ist."
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6. Auch den Sachverständigen Dr. J. lehnte der Angeklagte wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landgericht wies diesen Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 18. März 2010 zurück. Zugleich teilte der Vorsitzende mit, dass die Strafkammer "auf die gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. nichts stützt". Nachdem der Verteidiger an dem Ablehnungsantrag gegen Dr. S. festhielt, beschloss das Landgericht: "Der gegen den Sachverständigen Dr. S. gerichtete Ablehnungsantrag wird als unzulässig zurückgewiesen, weil die Sachverständigentätigkeit des Dr. S. bei der weiteren Entscheidungsfindung keine Rolle spielt und damit der Befangenheitsantrag gegenstandslos ist."
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II. Bei dieser Sachlage ist ein absoluter Revisionsgrund i.S.d. § 338 Nr. 5 StPO nicht gegeben. Das Landgericht durfte deshalb an den fraglichen fünf Hauptverhandlungstagen ohne den Angeklagten verhandeln.
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1. Allerdings findet gegen einen ausgebliebenen Angeklagten eine Hauptverhandlung grundsätzlich nicht statt (§ 230 Abs. 1 StPO); ein erschienener Angeklagter darf sich aus der Hauptverhandlung auch nicht wieder entfernen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 StPO). Diese gesetzlichen Vorgaben dienen der Gewährleistung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in jeder Phase der Hauptverhandlung. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs ist der Angeklagte im Gegenzug zur Teilnahme an der Hauptverhandlung grundsätzlich verpflichtet und kann dazu auch gezwungen werden (§ 230 Abs. 2, § 231 Abs. 1 Satz 2, § 112 StPO). Ein Angeklagter, der sich der Hauptverhandlung entzieht, hat zwar im Grunde seinen Anspruch auf Gehör verwirkt (zur Verwirkung vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 1 Rn. 18, 83 [Stand: 48. Lfg. 2006 bzw. 27. Lfg. 1988]). Wegen der besonderen Bedeutung des Rechts auf rechtliches Gehör als Voraussetzung für ein faires rechtsstaatliches Verfahren erlaubt die Strafprozessordnung die Durchführung einer Hauptverhandlung gleichwohl nur unter den Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO und des - hier nicht einschlägigen - § 231a StPO sowie nach Entfernung eines Angeklagten aus der Hauptverhandlung wegen Ungebühr nach § 177 GVG (BGH, Beschluss vom 7. November 2007 – 1 StR 275/07, NStZ-RR 2008, 285). Im Falle des § 231 Abs. 2 StPO muss der Angeklagte dabei über den bloßen Wortlaut dieser Vorschrift hinaus seine Pflicht zum Verbleiben oder Wiedererscheinen eigenmächtig verletzt haben, denn bei genügender Entschuldigung kann sein Erscheinen auch sonst nicht erzwungen werden (vgl. § 230 Abs. 2 StPO; BGH aaO).
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2. Eigenmächtigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Angeklagte wissentlich und ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund der weiteren Hauptverhandlung fernbleibt (BGH, Urteil vom 30. November 1990 - 2 StR 44/90, BGHSt 37, 249). Dem Ausbleiben i.S.v.
§ 231 Abs. 2 StPO steht es gleich, wenn sich der Angeklagte nach der Vernehmung zur Sache - vorher gilt § 231a StPO - eigenmächtig in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat (BGH, Urteil vom 19. Februar 2002 - 1 StR 546/01, NStZ 2002, 533, 535 mwN; BGH, Urteil vom 26. Juli 1961 - 2 StR 575/60, BGHSt 16, 178, 183). Für die Annahme eines eigenmächtigen Ausbleibens ist nicht die Feststellung erforderlich, dass der Angeklagte versucht habe, im Sinne einer Boykottabsicht den "Gang der Rechtspflege" zu stören oder ihm "entgegenzutreten" (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1990 - 2 StR 44/90, BGHSt 37, 249, 254 f. mwN). Gegenteiliges lässt sich auch älterer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen (vgl. BGH aaO mN).
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3. Der Gesetzgeber hat die zu § 231 Abs. 2 StPO ergangene Rechtsprechung aufgegriffen, als er mit dem Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRErgG) vom 20. Dezember 1974 die Vorschrift des § 231a in die Strafprozessordnung einfügte (BGBl. I S. 3686, 3688). Nach dieser Vorschrift kann die Hauptverhandlung, auch wenn der Angeklagte noch nicht über die Anklage vernommen worden war, in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden, wenn er sich vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages führte in seinem Bericht (BT-Drucks. 7/2989) aus, diese Vorschrift lehne sich an den von der Rechtsprechung und Wissenschaft herausgearbeiteten Gehalt des § 231 Abs. 2 StPO an. Ohne den Angeklagten dürfe nur verhandelt werden, wenn er seine Verhandlungsunfähigkeit selbst herbeigeführt hat und ihm dies zuzurechnen ist. Den seine Verhandlungsunfähigkeit ergebenden Zustand müsse er dabei vorsätzlich bewirkt haben und zwar ("wissentlich") in Kenntnis des Umstandes, dass hierdurch die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung verhindert wird. Allerdings brauche das nicht das Ziel des Angeklagten zu sein. Es genü- ge, wenn er dies als notwendige Folge seines Verhaltens erkennt und damit will. Ferner müsse der Angeklagte schuldhaft handeln; wer schuldunfähig sei, wenn er die entscheidende Ursache für die Verhandlungsunfähigkeit setze, falle nicht unter diese Vorschrift.
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4. Eigenmächtigkeit kann danach grundsätzlich auch dann gegeben sein, wenn der Angeklagte - wie hier - während laufender Hauptverhandlung einen Suizidversuch unternimmt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 1961 - 2 StR 575/60, BGHSt 16, 178; vom 19. Februar 2002 - 1 StR 546/01, NStZ 2002, 533).
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Für den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten und vom Gesetzgeber übernommenen Begriff der Eigenmächtigkeit sind bei einem Suizidversuch während laufender Hauptverhandlung folgende Kriterien maßgebend:
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a) Der Angeklagte muss seine Verhandlungsunfähigkeit selbst herbeigeführt haben und dies muss ihm zuzurechnen sein. Dabei muss er vorsätzlich handeln und in Kenntnis des Umstandes, dass hierdurch die ordnungsmäßige Durchführung der Hauptverhandlung verhindert wird. Die Verhinderung der Hauptverhandlung muss allerdings nicht das Ziel des Angeklagten sein. Es genügt , wenn er dies als notwendige Folge seines Verhaltens erkennt und damit will; eine Boykottabsicht ist demnach nicht erforderlich.
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b) Zu diesen Kriterien muss hinzukommen, dass der Angeklagte "schuldhaft" handelt. Das in § 231a Abs. 1 Satz 1 StPO genannte Merkmal "schuldhaft" gilt nach dem Vorstehenden in gleicher Weise für das Verständnis des ungeschriebenen Merkmals "Eigenmächtigkeit" in § 231 StPO.
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Den Begriff "schuldhaft" verwendet die Strafprozessordnung auch in § 464c StPO (Säumnis des Angeschuldigten und Dolmetscherauslagen). Vergleichbare Merkmale finden sich etwa in § 230 StPO (Vorführung oder Haftbe- fehl, wenn der ausgebliebene Angeklagte "nicht genügend entschuldigt" ist) und in § 51 Abs. 2 StPO (Ausbleiben des Zeugen); vgl. auch § 44 StPO. Auch wenn es bei den Vorschriften der §§ 51, 230 und § 464c StPO um Fälle der Säumnis geht, ist der Senat doch der Ansicht, dass das dortige Begriffsverständnis von "schuldhaft" jedenfalls auf Fälle der vorliegenden Art nicht übertragbar ist.
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c) Für Fälle der vorliegenden Art erscheint dem Senat eine Konturierung des Merkmals "schuldhaft" anhand der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB besser geeignet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 231a Rn. 8). Freilich spricht die amtliche Überschrift der §§ 20, 21 StGB von "Schuldunfähigkeit" bzw. "Schuldfähigkeit". Das sind materiell-rechtliche Begriffe, die mit dem in der Strafprozessordnung verwendeten verfahrensrechtlichen Merkmal "schuldhaft" nicht deckungsgleich sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 1961 - 2 StR 575/60, BGHSt 16, 178, 183). Hinzu kommt, dass es dort um die Schuldfähigkeit "bei Begehung der Tat" - also der Straftat - und die Fähigkeit geht, das Unrecht der Straftat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
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Soweit es um die eingeschränkte Steuerungsfähigkeit i.S.d. § 21 StGB geht, ist darüber hinaus von Bedeutung, dass diese Fähigkeit "erheblich" vermindert sein muss. Dafür gilt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221, 223): Bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit "erheblich" i.S.d. § 21 StGB ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Tatgericht ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten hat. Dabei fließen normative Erwägungen ein. Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens hängt auch von den Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an das Verhalten des Einzelnen stellt. Dies zu beurteilen, ist allein Sache des Gerichts. Lediglich zur Beurteilung der Vorfrage nach den medizinisch- psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarf es sachverständiger Hilfe, wenn es hierüber nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann.
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Dies verdeutlicht, dass in Fällen der vorliegenden Art für die Auslegung der "Eigenmächtigkeit" i.S.v. "schuldhaft" nur begrenzt auf das Verständnis von Schuldfähigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zurückgegriffen werden kann, namentlich dann, wenn keine volle "Schuldunfähigkeit" gegeben ist. Nach Ansicht des Senats gilt daher:
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Nicht "schuldhaft" bzw. nicht eigenmächtig kann ein Suizidversuch vor allem dann sein, wenn der ihn auslösende Zustand von dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB (krankhafte seelische Störung) bestimmt wurde. Beruht der Suizidversuch entscheidend auf einer "Schuldunfähigkeit" im Sinne des ersten Eingangsmerkmals, dann wird eine Eigenmächtigkeit regelmäßig zu verneinen sein. Das zweite und dritte Eingangsmerkmal dürfte insoweit kaum praktisch relevant sein. Soweit das vierte Eingangsmerkmal (schwere andere seelische Abartigkeit) Ursache des Suizidversuchs sein sollte, kommt es auf den Schweregrad an. Dieser muss, um überhaupt relevant zu sein, dem Schweregrad der anderen Eingangsmerkmale entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45; vom 5. April 2006 - 2 StR 41/06, NStZ-RR 2006, 235). Dies gilt auch für eine Depression, sofern sie dieses Eingangsmerkmal erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 - 5 StR 387/07).
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Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, handelt ein Angeklagter im Hinblick auf die Aufhebung seiner Verhandlungsfähigkeit selbst dann "schuldhaft" bzw. eigenmächtig, wenn er einen ernsthaften Suizidversuch unternimmt. Der Senat ist der Ansicht, dass das Kriterium der "Ernsthaftigkeit" (vgl. dazu Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 231 Rn. 18 mwN) bei der hier vorliegenden Fallgestaltung für die hier maßgebliche Fragestellung - eigenmächtig im Sinne von "schuldhaft" - nicht relevant sein kann. Denn auch bei einem "ernsthaften" Suizidversuch kann, und wird sogar zumeist, der - schuldfähige - Angeklagte die notwendigen Auswirkungen seines Verhaltens auf den weiteren Fortgang des Strafverfahrens erkennen. Freilich ist es richtig, dass bei der - hier nicht vorliegenden - Fallgestaltung eines bloß inszenierten und deshalb nicht ernsthaft gemeinten Suizidversuchs eines "schuldfähigen" Angeklagten die Eigenmächtigkeit zu bejahen wäre. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass allein die Ernsthaftigkeit eines Suizidversuchs die Bewertung der hierdurch herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit als eigenmächtig ausschließen würde.
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5. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Senat das Verfahrensgeschehen freibeweislich geprüft.
32
a) Dabei war zu bedenken, dass die hier entscheidenden Fragen, wie der psychische Zustand des Angeklagten war und welche Motive für den Suizidversuch handlungsleitend waren, innere Tatsachen betreffen, die letztlich nur aufgrund äußerer Umstände erschlossen werden können. Grundlage der Prüfung des Senats sind zum einen das Gutachten des Sachverständigen Dr. J. und zum andern die - auch - auf dieses Gutachten aufbauenden Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts. Dabei hat der Senat bedacht, dass das Landgericht eine breitere Entscheidungsgrundlage hatte als der Sachverständige. Dieser stützte sich - entsprechend seinem Auftrag - schwerpunktmäßig auf die eigenen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration. Demgegenüber hat das Landgericht - zusätzlich zum Befund des Sachverständigen - auch das mit dem Suizidversuch einhergehende Prozessgeschehen und weitere Umstände in seine Bewertung einbezogen. Hinzu kommt - und auch das ist hier von Bedeutung -, dass die Frage, ob der Angeklagte eigenmächtig i.S.v.
schuldhaft gehandelt hat, eine Rechtsfrage ist, die nicht der Sachverständige, sondern allein der Richter zu entscheiden hat.
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b) Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus:
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Soweit es den psychischen Zustand des Angeklagten betrifft, liegt dem zugrunde, dass der Suizidversuch zwar in einem Zustand erfolgte, der einer akuten krankhaften seelischen Störung i.S.d. des ersten Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB entsprach. Allerdings war diese Störung nicht wahnhaft und es lag auch kein melancholischer Raptus vor. Das Störungsbild war vielmehr eine "mittelgradige depressive Episode". Die "Einsichtsfähigkeit" des Angeklagten war voll erhalten; er war lediglich in seiner Hemmungsfähigkeit beeinträchtigt. Soweit Dr. J. hierbei im Zusammenhang mit der "Steuerungsfähigkeit" den insoweit unzutreffenden Rechtsbegriff "erheblich" verwendet hat, versteht der Senat dies dahin, dass der Angeklagte, wie der Sachverständige ausführte, "sein Denken und Handeln im Sinne eines Tunnelblicks lenkte."
35
Bei den äußeren Umständen, die Rückschlüsse auf Zustand und Motive des Angeklagten ermöglichen, ist zunächst die Prozesssituation vor dem vierten Verhandlungstag von Bedeutung. Der Angeklagte war am vorausgehenden Verhandlungstag mit Widersprüchen zu seiner Einlassung konfrontiert worden. Für den vierten Verhandlungstag standen belastende Zeugenaussagen bevor, die für den Angeklagten besonders unangenehm und zudem öffentlichkeitswirksam waren. Hinzu kommen der enge zeitliche Zusammenhang des Suizidversuchs mit dem Fortsetzungstermin und das Auffinden durch die Ehefrau. Ob auch dem Umstand, dass der Angeklagte keinen Abschiedsbrief verfasst hatte, Bedeutung zukommen könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
36
Bei der Bewertung des Zustands des Angeklagten gerade mit Blick auf die genannten äußeren Umstände kommt der Bewertung des Landgerichts be- sonderes Gewicht zu. Dieses hatte nicht nur einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten und seinem Prozessverhalten; es konnte auch am ehesten die prozessuale Drucksituation des Angeklagten einschätzen.
37
c) Von daher ist für den Senat der Schluss des Landgerichts nicht nur nachvollziehbar, sondern überzeugend, dass handlungsleitendes Motiv des Angeklagten war, der Hauptverhandlung zu entgehen, wenn er auch hierbei seinen Tod billigend in Kauf genommen hat. Diese Würdigung trägt die rechtliche Bewertung als Eigenmächtigkeit. Aber selbst wenn - wovon der Senat mit dem Landgericht allerdings nicht ausgeht - die erkannte Verhinderung des Fortgangs der Hauptverhandlung lediglich die in Kauf genommene Folge des Suizidversuchs gewesen wäre, würde dies nach den oben dargestellten rechtlichen Maßstäben ein eigenmächtiges Handeln des Angeklagten belegen.

B.

38
I. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Hinterziehung von Schenkungsteuer in 32 Fällen.
39
1. Indem es der Angeklagte entgegen § 30 Abs. 1 ErbStG pflichtwidrig unterließ, die im Zeitraum von Dezember 1999 bis Dezember 2003 erhaltenen Schenkungen dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen und dieses in Folge des Unterlassens keine Steuererklärungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG anforderte , bewirkte er, dass die geschuldete Schenkungsteuer nicht festgesetzt und dadurch verkürzt wurde (§ 370 Abs. 4 AO).
40
2. Die Schenkungssteuerhinterziehungen sind nicht verjährt. Durch die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit Schreiben vom 13. Januar 2005 (UA S. 74) wurde die Verfolgungsverjährung rechtzeitig unterbrochen.
41
a) Der Lauf der Verjährungsfrist begann jeweils mit der Beendigung der Unterlassungstaten (§ 78a Satz 1 StGB). Da es sich bei der Schenkungsteuer um eine Veranlagungssteuer handelt, ist die Hinterziehung zu dem Zeitpunkt beendet, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn der Angeklagte seiner Anzeigepflicht gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG rechtzeitig nachgekommen wäre (vgl. Jäger in Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 370 Rn. 201). Da - anders als bei anderen Veranlagungssteuern - für die Schenkungsteuer mangels kontinuierlichem abschnittsbezogenem Veranlagungsverfahren kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann, ist für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wann die Veranlagung der Schenkungsteuer dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige der Schenkung frühestens bekanntgegeben worden wäre (vgl. Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2011, § 376 AO Rn. 48, § 370 AO Rn. 487 mwN; Wulf in MüKo-StGB § 376 AO Rn. 36). Die Bearbeitungsdauer bei den Finanzbehörden ist bei dieser fiktiven Steuerfestsetzung mit einem Monat anzusetzen, denn das Finanzamt könnte gemäß § 31 Abs. 1 und Abs. 7 ErbStG die Abgabe einer Steuererklärung binnen eines Monats verlangen, in welcher der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hat.
42
b) Nach diesen Grundsätzen bestimmen sich hier die Beendigungszeitpunkte für die Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen wie folgt: Der Angeklagte hatte die Schenkungen jeweils binnen einer Frist von drei Monaten nach Kenntnis von der jeweiligen Schenkung beim zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Wäre er dieser Pflicht fristgerecht nachgekommen, hätte ihn das Finanzamt auffordern können, binnen einer Frist von einem Monat eine Steuererklärung mit von ihm selbst berechneter Schenkungsteuer abzugeben (§ 31 Abs. 1 und 7 ErbStG). Damit hätte die Veranlagung und deren Bekanntgabe vier Monate nach der jeweiligen Schenkung erfolgen können, so dass zu diesem Zeitpunkt die jeweilige Unterlassungstat beendet war. Auf die früheste Möglichkeit, die Schenkung anzuzeigen, ist hingegen nicht abzustellen, denn die Verjährung kann nicht beginnen, bevor die Tat begangen wurde. Dies war hier erst mit Ablauf der Anzeigefrist gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG der Fall.
43
c) Bei einer Verjährungsfrist von fünf Jahren ist hier somit auch die erste verfahrensgegenständliche Schenkungssteuerhinterziehung nicht verjährt: Die ihr zugrundeliegende Schenkung erfolgte am 15. Dezember 1999, damit lief die diesbezügliche Anzeigefrist am 15. März 2000 ab. Die Unterlassungstat war somit (frühestens) am 15. April 2000 beendet. Mit Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens am 13. Januar 2005 wurde die Verjährungsfrist vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist unterbrochen. Die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht am 26. März 2010 fand vor Eintritt der absoluten Verjährung (§ 78b Abs. 3, Abs. 4 StGB) statt.
44
II. Im Tatkomplex "Umsatzsteuerhinterziehung" erfolgt eine Teileinstellung des Verfahrens.
45
Dem Angeklagten liegt u.a. zur Last, in 20 Fällen durch Unterlassen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO Umsatzsteuer hinterzogen zu haben. Die Tatvorwürfe, wegen derer das Landgericht den Angeklagten auch verurteilt hat, beziehen sich nach Beschränkung gemäß § 154a StPO auf die Nichtabgabe bzw. nicht rechtzeitige Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März, April, Juni, Oktober und Dezember 2001; Januar, März, Juni und Juli 2002; Januar bis April sowie Juli, September und Dezember 2003 sowie der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO insoweit ein und ändert den Schuldspruch des angefochtenen Urteils entsprechend.
46
Die Teileinstellung erfolgt aus verfahrensökonomischen Gründen, weil die Urteilsfeststellungen insoweit die Verurteilung des Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung nicht tragen. Sie lassen keine abschließende Beurteilung zu, ob die von dem Angeklagten im Jahr 2005 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 verspätet abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen als Selbstanzeigen gemäß § 371 AO insoweit zur Straffreiheit des Angeklagten geführt haben. Zwar waren die verspätet abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen unvollständig, so dass sie lediglich "Teilselbstanzeigen" enthielten. Die Urteilsgründe nennen jedoch allein die nach den Selbstanzeigen verbliebenen Unrichtigkeiten, so dass der Senat - ohne weitergehende Feststellungen - nicht prüfen kann, ob die Abweichungen gegenüber dem für eine Selbstanzeige notwendigen Inhalt lediglich geringfügig waren.
47
Im Einzelnen beruht die Teileinstellung auf folgenden Erwägungen:
48
1. Selbstanzeigen i.S.v. § 371 Abs. 1 AO müssen nicht als solche bezeichnet werden. Für ihre Vollständigkeit ist allein von Bedeutung, ob sie den nach § 371 AO erforderlichen Inhalt haben. Wird - wie hier - eine Umsatzsteuerjahreserklärung verspätet abgegeben, kann sie deshalb Selbstanzeige für die Unterlassungstat sein, die mit der nicht rechtzeitigen Einreichung der Jahreserklärung begangen wurde.
49
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Umsatzsteuerjahreserklärung - selbst wenn sie verspätet abgegeben wird - auch eine strafbefreiende Selbstanzeige für unrichtige oder pflichtwidrig nicht abgegebene Umsatzsteuervoranmeldungen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 5 StR 392/98, wistra 1999, 27).
50
3. Welche Anforderungen an die Vollständigkeit einer Selbstanzeige zu stellen sind, hängt im Hinblick auf die Änderung des § 371 AO durch das "Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung" (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 676) sowohl vom Tatzeitpunkt als auch vom Zeitpunkt der Abgabe der Selbstanzeige ab.
51
a) Gemäß § 2 Abs. 1 StGB bestimmen sich die Strafe und ihre Nebenfolgen grundsätzlich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat galt. Wird allerdings das Gesetz, das bei der Beendigung der Tat galt, vor der Entscheidung geändert , so ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz anzuwenden. Diese Vorschrift ist auch noch im Revisionsverfahren anzuwenden.
52
b) Hier ist das zur Tatzeit geltende Gesetz für den Angeklagten das mildere Gesetz. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Teilselbstanzeigen - auch wenn sie als solche zunächst nicht erkennbar sind - schon bisher keine wirksamen Selbstanzeigen i.S.d. § 371 AO, weil es bei solchen Selbstanzeigen an der erforderlichen (vollständigen) Rückkehr zur Steuerehrlichkeit fehlt (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180). Allerdings hat der Gesetzgeber mit dem durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz neu geschaffenen Art. 97 § 24 EGAO (BGBl. I 2011, S. 676, 677) bestimmt, dass bei Selbstanzeigen nach § 371 AO, die bis zum 28. April 2011 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind, § 371 AO in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass im Umfang der gegenüber der zuständigen Finanzbehörde berichtigten, ergänzten oder nachgeholten Angaben Straffreiheit eintritt. Im Hinblick auf die- se rückwirkend in Kraft gesetzte und damit materiell wie eine Teilamnestie wirkende Regelung ist das zur Tatzeit geltende Recht für den Angeklagten milder.
53
c) Auch nach der Vorschrift des Art. 97 § 24 EGAO bleibt allerdings der Täter einer Steuerhinterziehung in dem Umfang strafbar, in dem eine Berichtigung oder Nacherklärung nicht erfolgt ist. Denn die - in solchen Fällen wirksame - Teilselbstanzeige vermindert lediglich den Schuldumfang der Tat. Demgegenüber führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Selbstanzeige auch dann zur vollständigen Strafaufhebung, wenn die Abweichungen in der Berichtigung oder Nacherklärung vom geforderten Inhalt der Selbstanzeige nur geringfügig sind (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 5 StR 392/98, wistra 1999, 27). Enthält die Selbstanzeige neue, erhebliche Unrichtigkeiten, ist sie keine Berichtigung und kann daher nicht zur Straffreiheit führen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 - 1 StR 196/76, BB 1978, 698).
54
aa) Diese Rechtsprechung gilt fort und ist auch in den Gesetzesmaterialien zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz aufgegriffen worden. Dabei wurde zum Erfordernis der Berichtigung oder Nachholung "in vollem Umfang" in der Neufassung des § 371 Abs. 1 AO darauf hingewiesen, dass Bagatellabweichungen weiterhin nicht zur Unwirksamkeit der strafbefreienden Selbstanzeige als solcher führen sollen. Vielmehr müssten wie bisher im praktischen Vollzug Unschärfen hingenommen werden (BT-Drucks. 17/5067 [neu] S. 19).
55
bb) Welcher Maßstab für die Rechtsfrage gilt, ob Differenzen der Angaben in einer Selbstanzeige gegenüber wahrheitsgemäßen Angaben nur "geringfügig" sind, so dass die Selbstanzeige als solche wirksam bleibt, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof hat hierzu bisher keine Grundsätze aufgestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 5 StR 392/98, wistra 1999, 27; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 - 1 StR 196/76, BB 1978, 698). In der Literatur wird überwiegend auf ein Urteil des OLG Frankfurt (Urteil vom 18. Oktober 1961 - 1 Ss 854/61, NJW 1962, 974) verwiesen, bei dem im entschiedenen Fall eine Abweichung von sechs Prozent als unschädlich angesehen wurde (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 28. August 1979 - 1 Ss 574-575/79 sowie die weiteren Nachweise bei Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 AO Rn. 215). Anknüpfend hieran werden zum Teil Abweichungen von bis zu zehn Prozent noch für "geringfügig" gehalten (vgl. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht , 43. EL November 2010, § 371 AO Rn. 68).
56
cc) Der Senat ist der Ansicht, dass nach der neuen Gesetzesfassung des § 371 Abs. 1 AO, die für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige eine Berichtigung bzw. Nacherklärung "in vollem Umfang" verlangt, jedenfalls eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als fünf Prozent vom Verkürzungsbetrag i.S.d. § 370 Abs. 4 AO nicht mehr geringfügig ist. Wurden damit z.B. im Rahmen einer Steuerhinterziehung Steuern im Umfang von 100.000 Euro verkürzt, so wären die Abweichungen in einer sich auf diese Tat beziehenden Selbstanzeige jedenfalls dann nicht mehr geringfügig, wenn durch die Selbstanzeige lediglich eine vorsätzliche Verkürzung von weniger als 95.000 Euro aufgedeckt würde.
57
Allerdings führt nicht jede Abweichung unterhalb dieser (relativen) Grenze stets zur Annahme einer unschädlichen "geringfügigen Differenz". Vielmehr ist - in diesen Fällen - eine Bewertung vorzunehmen, ob die inhaltlichen Abweichungen vom gesetzlich vorausgesetzten Inhalt einer vollständigen Selbstanzeige noch als "geringfügig" einzustufen sind. Diese wertende Betrachtung kann auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung der Umstände bei Abgabe der Selbstanzeige auch unterhalb der Abweichungsgrenze von fünf Prozent die Versagung der Strafbefreiung rechtfertigen. Bei dieser Bewertung spielen neben der relativen Größe der Abweichungen im Hinblick auf den Verkürzungsumfang insbesondere auch die Umstände eine Rolle, die zu den Abweichungen geführt haben. Namentlich ist in die Würdigung mit einzubeziehen, ob es sich um bewusste Abweichungen handelt oder ob - etwa bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen - in der Selbstanzeige trotz der vorhandenen Abweichungen noch die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit gesehen werden kann, denn gerade diese soll durch die Strafaufhebung gemäß § 371 AO honoriert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180, 181, Rn. 7 mwN; vgl. auch BT-Drucks. 17/4182 S. 4, BR-Drucks. 851/10 S. 4). Bewusst vorgenommene Abweichungen dürften schon deshalb, weil sie nicht vom Willen zur vollständigen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit getragen sind, in der Regel nicht als "geringfügig" anzusehen sein (vgl. Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig aaO § 371 AO Rn. 44).
58
dd) Der Senat ist der Auffassung, dass diese Maßstäbe auch für die Frage der Wirksamkeit von Selbstanzeigen gelten, die vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes abgegeben worden sind, denn auch nach der bisherigen Rechtslage setzte die (vollständige) Straffreiheit eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit voraus (BGH aaO). Die vom Gesetzgeber mit Art. 97 § 24 EGAO rückwirkend normierte Wirksamkeit von Teilselbstanzeigen ändert daran nichts, weil sie gerade nur zu einer teilweisen Straffreiheit führen soll.
59
4. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der Senat aufgrund der Urteilsfeststellungen nicht abschließend prüfen, ob im Tatkomplex "Umsatzsteuerhinterziehung" nach der verspäteten Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen noch eine Strafbarkeit des Angeklagten verblieben ist oder ob in vollem Umfang strafbefreiende Selbstanzeigen vorlagen.
60
a) Dies gilt zunächst für die Strafbarkeit des Angeklagten wegen unterlassener rechtzeitiger Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 bis 2003. Denn das Landgericht hat in den Urteilsgründen zu diesen Taten jeweils lediglich den nach den Selbstanzeigen verbliebenen Tatumfang, d.h. die nicht von den Selbstanzeigen erfassten Umsätze und die sich hieraus ergebende Steuerverkürzung, geschildert. Die Taten im Übrigen und die durch diese insgesamt bewirkten Steuerverkürzungen hat das Landgericht demgegenüber nicht wiedergegeben. Im Hinblick auf die vom Landgericht gemäß § 154a StPO vorgenommene Beschränkung des Verfahrens erschließt sich der Gesamtumfang der Taten auch nicht aus den die nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen betreffenden Taten.
61
Die vom Landgericht gewählte Darstellung hindert den Senat an der Prüfung , ob die verspätet eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärungen als Selbstanzeigen zu einer vollständigen Strafbefreiung bezüglich der nicht rechtzeitigen Abgabe der Jahreserklärungen geführt haben. Da das Landgericht den Gesamtumfang der im Rahmen der einzelnen Taten verschwiegenen Umsätze nicht angegeben hat, kann der Senat bereits nicht prüfen, ob die in den Selbstanzeigen enthaltenen Abweichungen gegenüber dem für eine vollständige Selbstanzeige erforderlichen Inhalt einen Umfang hatten, bei dem eine Wertung als lediglich unerhebliche geringfügige Abweichung in Betracht kam. Im Übrigen enthalten die Urteilsgründe auch keine ausreichenden Feststellungen zu den Umständen, die zu diesen Abweichungen geführt haben, so dass - mangels Gesamtwürdigung - auch aus diesem Grund nicht nachgeprüft werden kann, ob die vorhandenen Abweichungen lediglich geringfügig waren.
62
b) Die Urteilsfeststellungen lassen auch keine Nachprüfung zu, ob die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen durch Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen zu Recht erfolgt ist. Denn das Landgericht teilt nicht mit, in welchem Umfang hinsichtlich dieser Taten durch die verspäteten Umsatzsteuerjahreserklärungen jeweils eine Nacherklärung bisher verschwiegener Umsätze stattgefunden hat. Dessen hätte es aber be- durft, weil eine Umsatzsteuerjahreserklärung auch hinsichtlich nicht eingereichter Umsatzsteuervoranmeldungen eine Selbstanzeige darstellen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 5 StR 392/98, wistra 1999, 27). Die Urteilsgründe hätten daher so gefasst werden müssen, dass die Vollständigkeit und Wirksamkeit der Selbstanzeige für jede Tat im materiellen Sinn gesondert geprüft werden kann (vgl. dazu auch BT-Drucks. 17/5067 [neu] S. 19). Nur dann hätte der Senat nachprüfen können, in welchem Umfang die Umsatzsteuerjahreserklärungen als Selbstanzeige für die einzelnen Taten entweder teilweise (vgl. Art. 97 § 24 EGAO) oder - bei lediglich geringfügigen Abweichungen - sogar insgesamt strafbefreiend wirkten. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Angeklagte hier jeweils mit einer Umsatzsteuerjahreserklärung zugleich mehrere durch Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen begangene Unterlassungstaten offenbart hatte. Anders als bei § 371 Abs. 1 AO in der Fassung des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes ("zu allen unverjährten Steuerstraftaten in vollem Umfang") führt die Unvollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer Tat nicht auch zur Unwirksamkeit der Selbstanzeigen hinsichtlich anderer Taten, welche dieselbe Steuerart betreffen.
63
5. Der Senat sieht davon ab, die Sache zur Nachholung der fehlenden Feststellungen und - hieran anknüpfend - zur gegebenenfalls erforderlichen Gesamtwürdigung, ob die Selbstanzeigen lediglich geringfügige Abweichungen gegenüber dem gesetzlich geforderten Inhalt aufwiesen, an das Landgericht zurückzuverweisen. Da die für die Hinterziehung von Umsatzs teuer zu erwartenden Strafen gegenüber den übrigen - rechtsfehlerfrei bemessenen - Strafen nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würden, sieht der Senat insoweit auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Verfolgung ab.
64
III. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
65
Auch der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat trotz des Wegfalls der Einzelstrafen im Tatkomplex "Umsatzsteuerhinterziehung" Bestand. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht eine geringere als die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten festgesetzt hätte, wenn es die für die Hinterziehung von Umsatzsteuer verhängten 20 Einzelstrafen - Strafen zwischen Geldstrafe von 15 Tagessätzen und Freiheitsstrafe von zwei Monaten - bei der Gesamtstrafenbildung nicht berücksichtigt hätte. Dies gilt namentlich mit Blick auf die Tatsache, dass die von den Tatvorwürfen erfasste Umsatzsteuerverkürzung neben der hinterzogenen Schenkungsteuer lediglich einen geringen Bruchteil ausmacht.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10 zitiert 29 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2009 - 1 StR 627/08

bei uns veröffentlicht am 17.03.2009

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2004 - 1 StR 346/03

bei uns veröffentlicht am 21.01.2004

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09

bei uns veröffentlicht am 20.05.2010

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2013 - 1 StR 226/13

bei uns veröffentlicht am 13.06.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 226/13 vom 13. Juni 2013 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juni 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landg

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. März 2014 - 5 StR 630/13

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2018 - 1 StR 349/18

bei uns veröffentlicht am 20.11.2018

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Referenzen

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerläßlich hält. Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.

(3) Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Der Beschluß kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefaßt werden. Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung. Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.

(4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerläßlich hält. Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.

(3) Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Der Beschluß kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefaßt werden. Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung. Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.

(4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 275/07
vom
7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Geldfälschung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. November 2007 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten Dr. H. gegen das
Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 15. November 2006 wird als
unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte - meist in Zusammenarbeit mit dem Mitangeklagten M. - in den Jahren 1995 und 1996 insgesamt 132 total gefälschte „Certificati di Deposito der Banco di Roma“ (Inhaberschuldverschreibungen ) mit einem Nennwert von jeweils 1 Milliarde italienischer Lire verschafft und - überwiegend mit dem vergeblichen Versuch, sie zu beleihen - in den Verkehr gebracht (§ 146 Abs. 1 Nr. 3, § 151 Nr. 1 StGB).
2
Der Beschwerdeführer erhebt verschiedene Verfahrensrügen und die Sachrüge. Diesen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20. August 2007 dargelegten Gründen der Erfolg versagt (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der näheren Erörterung bedarf nur die Beanstandung, die Hauptverhandlung sei zu Unrecht in Abwesenheit des Angeklagten fortgeführt und zu Ende gebracht worden (Verstoß gegen § 338 Nr. 5 i.V.m. § 230 Abs. 1, § 231 StPO).
4
a) Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
5
Die Hauptverhandlung hatte am 9. Februar 2005 begonnen und bis zum 33. Verhandlungstag am 6. Juli 2006 mit den Angeklagten stattgefunden. Der Angeklagte Dr. H. hatte Gelegenheit, sich zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache zu äußern. Am 34. Verhandlungstag, dem 27. Juli 2006, erschien der Angeklagte Dr. H. nicht. Er war in der Schweiz verhaftet worden. Die Strafkammer setzte die Hauptverhandlung an diesem, sowie an den folgenden acht Verhandlungstagen bis zur Urteilsfindung am 15. November 2006 gemäß § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten Dr. H. - ab dem 22. August 2006 auch ohne den Mitangeklagten M. , der dies mit der Revision allerdings nicht beanstandet hat - fort.
6
Die Lebensgefährtin des Angeklagten, die bei der Fluggesellschaft S. arbeitet, hatte für sie beide sowie für ihre gemeinsame Tochter Freiflüge von Zürich nach Bangkok gebucht, mit Reiseantritt am 14. Juli 2006 und Rückflug nach einer Woche (19./20. Juli 2006). Für den 21./22. Juli 2006 war zusammen mit Freunden eine Fahrt zum Opernbesuch (Carmen) in Verona angesetzt.
7
Bei der Ausreisekontrolle auf dem Flughafen Zürich wurde der Angeklagte am 14. Juli 2006 um 20.45 Uhr festgenommen, da er in der Schweiz - wegen Geldfälschung - zur Fahndung ausgeschrieben war. Mit haftrichterlicher Verfügung vom 17. Juli 2006 - 17.00 Uhr - wurde er in Untersuchungshaft genommen.
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Der Haftanordnung in der Schweiz liegt der Vorwurf zugrunde, Dr. H. habe zusammen mit seinem „Komplizen“ W. , nach Kontoeröffnung am 27./28. April 2002 auf dessen Namen bei der Bank Ho. , am 29. April 2002 einen von weiteren „Komplizen“ gefälschten Scheck über 6,8 Millionen US-$ eingereicht und zusammen mit W. die Auszahlung von 800.000,-- CHF, erreicht, um die die Bank geschädigt ist, darunter ein vom Angeklagten Dr. H. quittierter Barbezug in Höhe von 530.000,-- CHF. Bei der anschließenden Flucht des W. und beim Wegschaffen von Deliktsgut, einem Rolls Royce im Wert von 230.000,-- CHF, soll Dr. H. W. unterstützt haben. Er besorgte - so der Vorwurf - W. dazu diverse gefälschte italienische Reisepapiere lautend auf den Namen Ha. .
9
Der dringende Tatverdacht beruhte vor allem auf den Angaben des seit November 2005 in der Schweiz verhafteten Mittäters W. , der den Angeklagten in Vernehmungen vom 2. und 3. Februar 2006 „massiv belastete“. Gestützt wurde der Haftbefehl insbesondere auf den Haftgrund der Fluchtgefahr, da „der Angeklagte über keinen festen Wohnsitz in der Schweiz verfügt, obwohl er angibt, dass sich sein Lebensmittelpunkt seit 25 Jahren bei seiner Freundin und den zwei gemeinsamen Kindern in Basel befindet, weshalb die ernsthafte Gefahr bestehe, er könnte sich - im Falle einer Freilassung - den Strafverfolgungsbehörden nicht mehr zur Verfügung halten, zumal dem mehrfach vorbestraften Angeschuldigten eine empfindliche Strafe droht und fraglich ist, ob dafür der bedingte Strafvollzug gewährt würde“.
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Die Dauer der Untersuchungshaft wurde in der haftrichterlichen Verfügung „einstweilen“ auf einen Monat begrenzt - „wobei der Staatsanwaltschaft offen steht, ein Gesuch um Verlängerung der Untersuchungshaft zu stellen“ -, da „ W. schon im November 2005 verhaftet wurde, der Angeschul- digte bereits im Herbst 2003 mehrere Wochen in Untersuchungshaft verbracht hat“ und „die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl dem Angeschuldigten eine Vorladung für einen mit dem Verteidiger abgesprochenen Einvernahmetermin am 18. August 2006 zugestellt hat, woraus der Schluss gezogen werden muss, dass sie davon ausging, der Angeschuldigte werde sich zur Verfügung halten“.
11
Über die Verhaftung des Angeklagten Dr. H. informierte der Verteidiger die Strafkammer erst am Nachmittag des 24. Juli 2006. An einer früheren Unterrichtung, etwa während eines Telefongesprächs am 21. Juli 2006 mit dem Berichterstatter der Strafkammer in Stuttgart wegen einer in Rom für den 28. Juli 2006 anberaumten kommissarischen Zeugenvernehmung, sah sich der Verteidiger mangels Entbindung von der anwaltlichen Schweigepflicht gehindert , da „ich um die Verletzung des § 203 StGB fürchtete und die Verhaftung in anderer Sache als etwaige Belastungstatsache nicht ausschließen konnte“. Die Schweigepflichtentbindung erreichte den Verteidiger am 24. Juli 2006 um 16.25 Uhr.
12
Sofort von der Strafkammer eingeleitete Bemühungen, den Angeklagten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung mit ihm aus der Schweiz nach Stuttgart überstellt zu bekommen, scheiterten. Schon am 25. Juli 2006 erhielt der Berichterstatter per E-Mail von der Schweizer Staatsanwältin Sch. folgenden Bescheid: „Ich habe mich mit Herrn R. [der sachbearbeitende Staatsanwalt] besprochen, es ist so, dass wir den Angeschuldigten H. nicht an Deutschland ausliefern können und ihn auch nicht für die Verhandlung „ausleihen“ können. Herr H. war lange Zeit ausgeschrieben und konnte erst gerade jetzt verhaftet werden. Da H. deutscher Staatsangehöriger ist, besteht Fluchtgefahr. Diese wird dadurch vergrößert, dass H. mit einer empfindlichen, wahrscheinlich mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen hat. Ihre Verhandlung vom 27. Juli 2006 muss daher in Abwesenheit des Angeschuldigten erfolgen.
Es tut mir leid, Ihnen keinen besseren Bescheid geben zu können“.
13
Am 23. August 2006 teilte Staatsanwalt R. von der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl dem Berichterstatter fernmündlich mit, dass die Untersuchungshaft bis mindestens 12. September 2006 fortdauern werde. Eine Anklageschrift habe bislang nicht gefertigt werden können, da die Dr. H. zur Last gelegten Taten insbesondere - „mafiös geprägte“ - Bezüge nach Spanien und Italien aufwiesen und deshalb die Ermittlungen umfangreich und schwierig seien. Mit einem Beginn des Hauptverfahrens sei im Verlauf des Jahres 2006 deshalb nicht mehr zu rechnen. Am 18. September 2006 ergänzte Staatsanwalt R. dies dahingehend, dass die Haft nunmehr mindestens bis zum 11. Oktober 2006 andauere. Mit einem Abschluss des Verfahrens in der Schweiz könne in absehbarer Zeit eher nicht gerechnet werden. Realistischerweise könne allenfalls davon ausgegangen werden, dass am Ende des Jahres 2006 eine Anklageschrift gegen Dr. H. vorliege.
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Die Strafkammer des Landgerichts Stuttgart beschloss am 27. Juli 2006, die Hauptverhandlung gemäß § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten fortzusetzen. Daran hielt sie in der Folgezeit fest, auch nach einer am 4. Oktober 2006 zu Protokoll erhobenen und am 7. November 2006 ergänzten Gegenvorstellung des Verteidigers des Angeklagten mit Beschluss vom 7. November 2006.
15
Das Fernbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung gegen ihn sei - so die Strafkammer - eigenmächtig. Er habe, als er sich spätestens am 14. Juli 2006 in die Schweiz begab, gewusst, dass gegen ihn in der Schweiz wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Betrugs und anderer Delikte ermittelt werde. Bei deren Gewicht liege es auf der Hand, dass er als in der Schweiz wohnsitzlose Person verhaftet werden würde, wenn sein Aufenthalt in der Schweiz den dortigen Strafverfolgungsbehörden bekannt werden sollte. Der Angeklagte habe aber selbst dafür gesorgt, dass sein Aufenthalt in Zürich bekannt werde, als er versucht habe, vom Züricher Flughafen aus nach Bangkok auszureisen. Dadurch habe er sichergestellt, dass er vor der Ausreise einer Passkontrolle unterzogen werden würde, was dann zu seiner Festnahme geführt habe. Daraus ergebe sich, dass die Ursache des Fernbleibens des Angeklagten ausschließlich im alleinigen Verantwortungsbereich des Angeklagten liegt. Die Strafkammer brauche deshalb nicht zu entscheiden, ob der Angeklagte Dr. H. mit diesem Verhalten seine Festnahme mit dem Ziel provoziert hat, im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der seit 18 Monaten andauernden Hauptverhandlung zu erzwingen.
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b) Die Bewertung der Strafkammer, der Angeklagte sei bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung - eigenmächtig - ausgeblieben (§ 231 Abs. 2 StPO) ist nach freibeweislicher (BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24; BGH NStZ 1999, 418) Überprüfung nicht erschüttert worden und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt (§ 230 Abs. 1 StPO); der erschienene Angeklagte darf sich aus der Hauptverhandlung nicht entfernen (§ 231 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies dient der Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in jeder Phase der Hauptverhandlung. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, ist der Angeklagte im Gegenzug zur Teilnahme an der Hauptverhandlung grundsätzlich verpflichtet und kann dazu auch gezwungen werden (§ 230 Abs. 2, § 231 Abs. 1 Satz 2, § 112 StPO; ein in Untersuchungshaft befindlicher Angeklagter muss vorgeführt werden, auch wenn er lieber „in Ruhe Mittagessen möchte“, BGH NStZ 1993, 446). Ein Angeklagter, der sich der Hauptverhandlung ent- zieht, hat zwar im Grunde seinen Anspruch auf Gehör verwirkt (zur Verwirkung vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG 50. Lfg. Art. 103 Abs. 1 Rdn. 18, 83). Wegen der besonderen Bedeutung des Rechts auf Gehör als Voraussetzung für ein faires rechtsstaatliches Verfahren trägt die Strafprozessordnung diesem Gedanken der Verwirkung allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 StPO sowie des - hier nicht in Frage stehenden - § 231a StPO (und bei Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung wegen Ungebühr - § 177 GVG -) Rechnung.
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Gemäß § 231 Abs. 2 StPO kann die Hauptverhandlung in Abwesenheit eines Angeklagten zu Ende geführt werden, wenn er sich aus dieser entfernt oder zu einem Fortsetzungstermin nicht erscheint, sofern er über die Anklage schon vernommen war und das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. Über den bloßen Wortlaut hinaus muss der Angeklagte dabei seine Pflicht zum Verbleiben oder Wiedererscheinen eigenmächtig verletzt haben, denn bei genügender Entschuldigung kann sein Erscheinen auch sonst nicht erzwungen werden (vgl. § 230 Abs. 2 StPO). Eigenmächtig handelt der Angeklagte, der ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt (BGHSt 37, 249, 255; BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 24). Nicht erforderlich ist die Feststellung - wie noch von der früheren Rechtsprechung gefordert (vgl. BGH NStZ 1988, 421, 422) -, dass der Angeklagte versucht habe, im Sinne einer Boykottabsicht den „Gang der Rechtspflege“ zu stören oder ihm „entgegenzutreten“ (vgl. BGHSt 37, 249, 254 f. m.w.N.). Eigenmächtig einem Fortsetzungstermin fern bleibt danach auch der Angeklagte, der sich schon vor dem angesetzten Termin wissentlich und ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, d.h. ohne Not, in eine Lage begibt, die für ihn vorhersehbar mit dem erheblichen Risiko verbunden ist, zum angesetzten Termin an der Teilnahme der Hauptverhandlung gehindert zu sein. Dem eigenmächtigen Ausbleiben im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO steht es deshalb gleich, dass sich der Angeklagte nach der Vernehmung zur Sache - vorher gilt § 231a StPO - in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt (BGH NStZ 2002, 533, 535 m.w.N.). Dem ist die Situation vergleichbar, wenn ein Angeklagter während einer laufenden Hauptverhandlung in Deutschland im Ausland vorsätzlich eine Straftat von Gewicht begeht, bei deren Entdeckung er mit seiner Verhaftung rechnen muss. Anders als bei einer Inhaftierung in anderer Sache in Deutschland (vgl. hierzu BGH NStZ 1997, 295) steht dann ein Zugriff auf den Angeklagten nicht in der Macht der deutschen Strafverfolgungsorgane. Gelingt die Überstellung des Angeklagten aus dem Ausland zur rechtzeitigen Fortsetzung der Hauptverhandlung in Deutschland nicht, so dass das Verfahren gegen ihn ausgesetzt werden muss, dann hat der Angeklagte durch die Begehung der Straftat hierzu direkt vorsätzlich die Ursache gesetzt. Darauf, dass sich das mit der vorsätzlichen Straftat bewusst eingegangene Risiko der Festnahme und in der Folge der Unmöglichkeit der Teilnahme des Angeklagten an der Fortsetzung der Hauptverhandlung in Deutschland dann auch tatsächlich realisiert, muss sich der direkte Vorsatz nicht beziehen. Auch der Angeklagte, der darauf vertraut, seine (Auslands-)Tat werde nicht entdeckt oder er könne rechtzeitig fliehen, setzt das Verhaftungsrisiko wissentlich im Sinne von § 231 Abs. 2 StPO. Der Absicht der Verfahrenssabotage bedarf es - wie oben ausgeführt - nicht. Nichts anderes kann gelten, wenn ein in Deutschland vor Gericht stehender Angeklagter, der schon früher eine Straftat entsprechenden Gewichts im Ausland begangen hat, wegen der er - wie er weiß - auch mit seiner Verhaftung im Land des Tatorts rechnen muss, sich während des Laufs der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung ohne Not in jenes Land und dort in eine Situation mit hohem Verhaftungsrisiko begibt.
19
So liegt der Fall hier.
20
Am 19. Oktober 2001 war der Angeklagte wieder auf freien Fuß gekommen. Die Vollstreckung der Reststrafe der aus den Verurteilungen des Landgerichts Tübingen vom 10. November 1998 wegen Wertpapierfälschung (zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe) und des Landgerichts Mannheim wegen Geldfälschung (drei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe) gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten war für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden. Der - auch nach Schweizer Recht vorbestrafte - Angeklagte hat dann im April 2002 zusammen mit seinem „Komplizen“ W. - so der Vorwurf - in der Schweiz eine schwerwiegende Betrugsstraftat mit Urkundenfälschung begangen. Er war deswegen im Jahre 2003 in der Schweiz auch schon verhaftet und etwa sechs Wochen lang in Untersuchungshaft genommen worden. Zumindest in diesem Zusammenhang war er in der Schweiz erkennungsdienstlich behandelt, waren also Fingerabdrücke von ihm genommen worden. Sein mutmaßlicher Mittäter W. war im November 2005 in der Schweiz festgenommen worden. Anfang Februar 2006 hatte dieser den Angeklagten Dr. H. den Schweizer Ermittlungsbehörden gegenüber schwer belastet, wie dem Angeklagten Mitte des Jahres 2006 bekannt war. Zum einen hatte der Angeklagte engen Kontakt zu seinem Schweizer Verteidiger im dortigen Verfahren. Zum anderen wurde dem in der Schweiz angeschuldigten Angeklagten in der Hafteinvernahme vom 16. Juli 2006 dies auch unwidersprochen vorgehalten: „Nach Kenntnisnahme von W. s Verhaftung ließen Sie durch Ihren Anwalt ausrichten, dass vor Ende August bzw. September kein Einvernahmetermin möglich wäre. Weshalb das?“
21
Darauf erklärte der Angeklagte: „Ich sprach dem Herrn Sc. , dass ich ab dem 20. Juli 2006 zur Verfügung stehen würde.“
22
Damit wird ersichtlich auf die Gespräche des Schweizer Verteidigers des Angeklagten mit dem ermittelnden Staatsanwalt in Zürich in der zweiten Junihälfte 2006 angespielt.
23
Vor diesem Hintergrund musste der Angeklagte jedenfalls seit Juni 2006 damit rechnen und hat auch damit gerechnet, dass ihm nunmehr bei einer Einreise in die Schweiz im Falle seiner Identifizierung die erneute Verhaftung droht. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Angeklagte, wie er vorträgt, früher zuweilen unbehelligt in der Schweiz aufhielt, auch um der Vernehmung eines Zeugen beizuwohnen, dass er immer wieder bei seiner Lebensgefährtin an deren Wohnsitz in Basel weilte, dass er Flugreisen von Zürich aus antrat, im März 2005 und schließlich noch nach Johannisburg zum Besuch von Namibia Ende April/Anfang Mai 2006.
24
Einen Wohnsitz hatte der Angeklagte in der Schweiz nicht. Bei seiner Festnahme nannte er laut Verhaftungsrapport der Kantonspolizei Zürich vom 14. Juli 2006 als Heimatadresse vielmehr Haus Wo. in D , ca. 40 km von Basel entfernt (laut Homepage der Gemeinde B. ). Bei seiner Hafteinvernahme am 16. Juli 2006 erklärte er ausdrücklich, dass er in der Schweiz keinen festen Wohnsitz hat. Dass der Angeklagte seinen dauernden Aufenthalt eben nicht - wie noch im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 6. November 2007 behauptet - bei seiner Lebensgefährtin C. und den zwei gemeinsamen Kindern in der Bi. straße in Ba. wählte, sondern diesen zwar nahe, aber in Deutschland nahm, spricht nicht für sein Vertauen auf dauerhafte Freiheit in der Schweiz. Der Angeklagte wurde auch nicht unter der Anschrift seiner Lebensgefährtin unmittelbar zu dem über den Schweizer Verteidiger in der zweiten Junihälfte vereinbarten Anhörungsterminen am 18. August und 20. September 2006 zur Staatsanwaltschaft Zü- rich-Sihl geladen, sondern - mangels einer ladungsfähigen Anschrift des Angeklagten in der Schweiz - nur über diese.
25
Die Gespräche des Schweizer Verteidigers am 22. und 27. Juni 2006 zur Vereinbarung der - hinausgeschobenen - Einvernahmetermine bewerteten die Ermittlungsbeamten in der Schweiz, wie sich aus dem Vorhalt an den Angeklagten in der Hafteinvernahme am 16. Juli 2006 ergibt, als Hinhaltetaktik, nachdem die Verhaftung des mutmaßlichen Mittäters W. bekannt geworden war. Die Fragen des Verteidigers an den ermittelnden Staatsanwalt nach einer beabsichtigten Verhaftung - auf die ein erfahrener Verteidiger niemals eine offene Antwort erwarten durfte - konnten in diesem Zusammenhang nur kontraproduktiv wirken. Sie deuteten darauf hin, dass eine wirkliche Bereitschaft, sich dem Verfahren in der Schweiz freiwillig zu stellen, nicht besteht.
26
Vor diesem Hintergrund lag es für den - strafprozessual erfahrenen - Angeklagten sehr nahe, dass die Schweizer Ermittlungsbehörden, nach der Verhaftung des W. , nun - ab der zweiten Junihälfte 2006 - ernsthaft versuchen würden, auch seiner - des Dr. H. - in der Schweiz habhaft zu werden. Denn eine Auslieferung aus Deutschland kam nicht in Betracht (Art. 16 Abs. 2 GG).
27
Beim Antritt der Flugreise nach Bangkok am 14. Juli 2006 war dann in Anbetracht der damit verbundenen Sicherheitsüberprüfungen die Identifizierung des Angeklagten auf dem Flughafen Zürich sicher und - womit er rechnen musste und auch rechnete - dann auch seine Festnahme nahe liegend. Der Angeklagte wurde - von ihm deshalb auch nicht unerwartet - am 14. Juli 2006 um 20.45 Uhr bei der Ausreisekontrolle aufgrund seiner Ausschreibung in Ripol (Recherches informatisées de la police) nach Fingerabdruckvergleich in Swiss- Afis (Automated fingerprint identification System des Schweizerischen Bundesamts für Polizei) als zur Festnahme ausgeschriebene Person erkannt, anhand seines Passes identifiziert, anschließend festgenommen und am 17. Juli 2006 in Schweizer Untersuchungshaft genommen, in der er jedenfalls bis zur Urteilsverkündung in dieser Sache am 15. November 2006 ununterbrochen verblieb.
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Damit hat sich der Angeklagte eigenmächtig der Teilnahme an der Fortsetzung der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung in Stuttgart entzogen. Die Hauptverhandlung konnte in seiner Abwesenheit fort- und zu Ende geführt werden. Der Angeklagte hatte Gelegenheit gehabt, sich zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache zu äußern. Dass die Anwesenheit des Angeklagten im weiteren Verfahren nicht erforderlich war, hat die Strafkammer ermessensfehlerfrei bejaht.
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Die Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 5 i.V.m. § 230 Abs. 1, § 231 StPO ist deshalb jedenfalls unbegründet.
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Darauf, ob es der Angeklagte auf die Behinderung des Verfahrens, auf dessen Boykott abgesehen hatte, kommt es - wie oben dargelegt - nicht an. Allerdings spricht einiges dafür, dass es der Angeklagte unter geschickter Inszenierung der entsprechenden Rahmenbedingungen im Juni 2006 zur Verschleierung seiner wahren Absicht darauf angelegt hatte, mit einer provozierten Inhaftierung in der Schweiz eine Aussetzung der Hauptverhandlung gegen ihn in Stuttgart zu erreichen. Am 19. Juni 2006 waren die Flugscheine nach Bangkok ausgestellt worden, am 22. und 27. Juni 2006 fanden die Gespräche des Schweizer Verteidigers mit dem Staatsanwalt in Zürich statt, die diesen hellhörig machen mussten und ihn - unter diesen Voraussetzungen - dann auch hellhörig machen sollten. Vom 29. Juni 2006 datiert die Rechnung für die Musikreise nach Verona. Damals neigte sich das Stuttgarter Verfahren nach nahezu eineinhalb Jahren Verhandlungsdauer ihrem Ende entgegen. Der Angeklagte musste angesichts des Gewichts der Tatvorwürfe immer noch mit der Verurteilung zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe rechnen, trotz der über zehn Jahre zurückliegenden Tatzeit und der konventionswidrigen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Verfahrensverzögerung, die die Strafkammer bei der Strafzumessung dann auch angemessen berücksichtigte. Bereits die Anklageerhebung erfolgte - auch unter Berücksichtigung der Komplexität des Sachverhalts und des Umfangs der internationalen Verflechtungen - schon spät am 18. Dezember 2000 (mit Anklageschrift vom 12. Dezember 2000). Die Hauptverhandlung konnte dann aber nach mehr als vier weiteren Jahren sogar erst am 9. Februar 2005 begonnen werden. Der Angeklagte hatte das nicht zu vertreten. Die Ursache lag vielmehr in der Überlastung der Wirtschaftsstrafkammern des Landgerichts Stuttgart, die - wie dem Senat bekannt ist - überproportional unter Personalkürzungen zu leiden hatten. Verfahren, in denen keine Untersuchungshaft vollzogen wird und in denen keine verfahrensabkürzende Absprache zustande kommt, können nicht mehr in angemessener Zeit begonnen und abgeschlossen werden. Daher hätte der Angeklagte nach einer Aussetzung des gegen ihn gerichteten Verfahrens schon deshalb - ganz abgesehen von der Haft in der Schweiz - nicht mit einem baldigen Neubeginn der Hauptverhandlung in Stuttgart und nicht mehr mit einem wirklich belastenden Ausgang dieses Verfahrens rechnen müssen. Demgegenüber war der Gegenstand des Verfahrens in der Schweiz vergleichsweise neu. In diesem Verfahren musste er auf jeden Fall noch mit ernsthafter Verfolgung rechnen, sei es in der Schweiz oder in Deutschland (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Sich diesem - zunächst - auszuliefern, um dem älteren deutschen Verfahren - scheinbar unfreiwillig und praktisch endgültig - zu entgehen, lag deshalb nahe. Im Schweizer Verfahren hat der Angeklagte , wie der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 mitgeteilt hat, inzwischen seine Entlassung gegen Stellung einer Kaution erreicht. Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

(1) Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerläßlich hält. Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.

(3) Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Der Beschluß kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefaßt werden. Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung. Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.

(4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 546/01
vom
19. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Februar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 9. Juli 2001 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und in den Fällen der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zum Nachteil H. inW. und der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil K. im Ausspruch über die Einzelstrafen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit der Vollzug von zwei Dritteln der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden verworfen.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die aufgehobenen Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe , sowie über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, daß zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden. Hinsichtlich des Vorwurfs einer weiteren gefährlichen Körperverletzung hat es das Verfahren wegen Verjährung gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
Die uneingeschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet insbesondere die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Insoweit bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Es führt jedoch zur Aufhebung von zwei der vier Einzelstrafen sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten. Die Revision des Angeklagten wendet sich mit der Sach- und einigen Formalrügen gegen alle Fälle der Verurteilung. Sie hat nur hinsichtlich der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Erfolg.

II.


Die Strafkammer hat festgestellt:
Der Angeklagte ist 37 Jahre alt. Eine Sauerstoffmangelsituation bei seiner Geburt oder eine fiebrige Impfreaktion des Angeklagten als Kleinkind führten zu einer leichten frühkindlichen Hirnschädigung und zu einer Reifeverzögerung. Als Legastheniker besuchte er eine Sonderschule für Lernbehinderte , die er mit durchschnittlichen Noten beendete. Eine abgeschlossene Berufsausbildung erreichte der Angeklagte nicht. Häufiger Stellenwechsel sowie Zeiten von Arbeitslosigkeit und Krankheit, meist psychosomatischer Natur, prägten sein Arbeitsleben.
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken führten schon während der Schulzeit zu erster nervenärztlicher Behandlung des Angeklagten. Seit 1990 befand sich der Angeklagte wiederholt in psychiatrischer Behandlung, auch unter Einsatz von Psychopharmaka und Neuroleptika. Der Angeklagte leidet nunmehr unter einer facettenreichen schweren Persönlichkeitsstörung, einer Psychopathie mit schwerem Krankheitswert, geprägt durch emotionale Instabilität und massive Aggressivität. Dagegen liegen ebensowenig eine Psychose noch eine Erkrankung des cerebralen Nervensystems oder eine strukturelle Schädigung des Gehirns vor. Seine Sexualität stellt sich heute als Spiegelbild seiner negativen Persönlichkeitsentwicklung dar. Positive Gefühle spielen keine Rolle; seine Partner sieht er als bloûe Objekte, deren sexuell bestimmte Unterwerfung er erstrebt, auch mit sadistischer Vorgehensweise und mit Folter. Er liebt Fesselungen und neigt dazu, bei Sexualkontakten Gegenstände zu benutzen. Mit der Zeit entwickelte er ein negatives Frauenbild,
weshalb er sich während der letzten Jahre immer mehr gleichgeschlechtlichen Partnern zuwandte.
Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft wegen unerlaubten Führens von Schuûwaffen, Urkundenfälschung, Sachbeschädigung, Betrugs, Körperverletzung , Nötigung, falscher Verdächtigung, Gefährdung des Straûenverkehrs , aber auch wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung. In Strafhaft war er noch nie. Bisher wurde die Vollstreckung verhängter Freiheitsstrafen - maximal ein Jahr sechs Monate - immer zur Bewährung ausgesetzt.
Die Taten:
1. An einem unbekannten Tag in der Zeit von Mai 1998 bis Dezember 1999 hatte der Angeklagte einen etwa 18jährigen Mann bei sich in der Wohnung. Der Angeklagte veranlaûte diesen, Whisky und Wodka in groûen Mengen zu trinken, um dann an dem Betrunkenen leichter gegen dessen Willen den Analverkehr ausüben zu können. Gegen den ersten Versuch des Angeklagten, dem Geschädigten die Unterhose auszuziehen, wehrte sich dieser noch mit den Worten “Hör auf, Alter”, klopfte ihm auf die Finger und zog die Hose wieder hoch. Nach der Ausübung geduldeter beischlafähnlicher Bewegungen auf seinem Opfer kettete der Angeklagte plötzlich dessen Hände am Bettgestell fest, zog ihm die Unterhose aus, drehte ihn auf den Bauch, wodurch die angeketteten Arme verdreht wurden, und führte seinen erigierten Penis in den After des Geschädigten ein. Dieser wehrte sich, jammerte und weinte. Von weiteren sexuellen Handlungen nahm der Angeklagte dann Abstand und stellte sein Verhalten als “Spaû” dar. Mittels fest installierter Kamera hielt der Angeklagte das Geschehen auf Video fest.

2. Am 5. Dezember 1998 lernte der Angeklagte auf dem ªStrichº beim Bahnhof Zoo Julian O. - sechzehn Jahre - und Harun K. - vierzehn Jahre - kennen. Der Angeklagte, der glaubte auch Harun K. sei bereits 16 Jahre alt, lud die beiden Jungen für ein Wochenende zu sich nach W. ein. Dort kam es im Verlauf des 6. Dezember zunächst stundenlang zu vielfältigen freiwilligen sexuellen Aktivitäten miteinander. Plötzlich ging der Angeklagte dazu über, den heftig protestierenden und sich wehrenden Harun K. zu miûhandeln, insbesondere um den von diesem abgelehnten Analverkehr zu erzwingen. Er fesselte Harun K. deshalb mit Handschellen ans Bettgestell und übte zunächst beischlafähnliche Bewegungen bis zum Samenerguû auf ihm aus. Anschlieûend lieû er den verängstigten Jungen etwa eine halbe Stunde in seiner hilflosen Lage liegen, um sich über dessen Furcht zu amüsieren. Nach kurzzeitiger Befreiung kettete der Angeklagte sein Opfer erneut mit Handschellen ans Bett und stach ihm an beiden Füûen unter die Zehennägel mit Nadeln, die er stecken lieû und zur Schmerzerhöhung immer wieder antippte. Weiter schüttete er eine scharfe, brennende Flüssigkeit auf die Eichel des Penis von Harun K. . Vollends in Panik und Todesangst geriet dieser als der Angeklagte - um Harun K. weiter ªgefügig zu machenº - ein Feuerzeug mit groûer Flamme an dessen After, Hodensack und Oberschenkel hielt. So in seinem Willen gebrochen stimulierte der kurzzeitig entfesselte Harun K. den Angeklagten manuell und oral. Sein anschlieûender Versuch, an Harun K. den Analverkehr auszuüben, miûlang mangels ausreichender Erektion, trotz Stimulation durch leichte Peitschenhiebe auf das Gesäû von Harun K. . Weinend lieû dieser es über sich ergehen, daû stattdessen zunächst Julian O. auf Weisung des Angeklagten und dann dieser selbst mit mehreren Fingern schmerzhaft in
seinem After bohrten. Auch diese Vorgänge hielt der Angeklagte auf Video fest.
3. a) Am Bahnhof Zoo ging auch Andre H. der Prostitution nach. Andre H. hatte den Angeklagten im Februar 1999 ªgelinktº. Nach Erhalt des Preises für den vereinbarten Sexualkontakt war er verschwunden ohne die versprochene Gegenleistung zu erbringen. Am Abend des 19. Juli 2000 traf der Angeklagte Andre H. am Bahnhof Zoo wieder. Dieser stand unter massivem Einfluû von Beruhigungstabletten und Heroin. Den Angeklagten erkannte er deshalb nicht. Beide vereinbarten Sexualkontakt gegen die Bezahlung von 70 DM - Analverkehr schloû Andre H. ausdrücklich aus - und fuhren im Pkw des Angeklagten auf einen einsamen Parkplatz. Dort gab sich der Angeklagte zu erkennen, warf Andre H. den früheren Vorfall vor, ohrfeigte ihn, lieû sich dessen Geldbeutel samt Personalausweis aushändigen , zwang ihn unter Androhung weiterer Schläge, sich nackt auszuziehen, auszusteigen und sich bäuchlings auf die Motorhaube zu legen. Dann übte er gegen dessen Willen den Analverkehr bei dem damals 19jährigen Andre H. aus.

b) Der Angeklagte entschloû sich nun, Andre H. mitzunehmen und bei sich zu Hause als ªSexsklaven zu haltenº. Er fesselte ihn mit Metallschellen an Händen und Füûen und verbrachte ihn mit seinem Pkw in seine Wohnung in W. . Dort trafen sie am 21. Juli 2000 gegen 6.00 Uhr ein. Andre H. blieb nahezu zwei Tage eingesperrt, zeitweise alleingelassen mit ungewissem Schicksal, meist eng gefesselt, zuweilen den Mund mit Pflaster zugeklebt. Während dieser Zeit übte der Angeklagte noch
mindestens dreimal an seinem sich wehrenden, aber durch Drogen und Medikamente geschwächten Opfer den Analverkehr aus, stach ihm - auch um ihn gefügig zu machen - mit einer Nähnadel jeweils fünf Millimeter tief unter die Zehennägel seines linken Fuûes, zwang ihn zum Oralverkehr, mindestens viermal bei sich und einmal bei Maik D. , einem Obdachlosen vom Bahnhof Zoo, der auf Einladung des Angeklagten nach W. mitgekommen war. Dieser bohrte auf Anweisung des Angeklagten mit drei Fingern schmerzhaft im After des Andre H. . Am 22. Juli 2000 wurde Andre H. gegen 22.30 Uhr von der Polizei befreit, deren Benachrichtigung Maik D. schlieûlich veranlaût hatte.
In - nicht ausschlieûbar - verjährter Zeit miûhandelte der Angeklagte einen weiteren ans Bett gefesselten Jungen mit Nadelstichen und Schlägen.
Bei der Begehung aller Taten war der Angeklagte aufgrund seiner schweren Persönlichkeitsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

III.


1. Mit ihrer unbeschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision zum Nachteil des Angeklagten beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere , daû die Strafkammer neben der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht auch dessen Unterbringung in Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die Revision führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.2 und II.3b sowie der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten. Die weitergehende Revision ist unbegründet.


a) Das Landgericht hat in allen vier Fällen der Bemessung der Einzelstrafen den gemäû § 21 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB - also Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren - zugrunde gelegt und folgende Einzelstrafen verhängt: im Fall 1 (zum Nachteil des achtzehnjährigen Mannes): drei Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 2 (zum Nachteil des Harun K. ): vier Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 3a (zum Nachteil des Andre H. in B. ): vier Jahre Freiheitsstrafe und im Fall 3b (zum Nachteil des Andre H. in W. ): sieben Jahre Freiheitsstrafe. In den Fällen 2 und 3b hat die Strafkammer zwar hinsichtlich des ideal konkurrierenden § 224 Abs. 1 StGB die vom Angeklagten benutzten Nadeln und das brennende Feuerzeug - so wie beides eingesetzt wurde - zutreffend als gefährliche Werkzeuge bewertet. Damit hat der Angeklagte in diesen Fällen jedoch auch die Qualifikation der Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs gemäû § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwirklicht. Denn Nadeln und brennendes Feuerzeug gebrauchte er bei seinen sexuellen Handlungen (vgl. BGHSt 46, 225; BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5) zumindest auch als Nötigungsmittel. Zugleich miûhandelte der Angeklagte seine Opfer mit Nadelstichen und den damit verbundenen Eingriffen in deren körperliche Integrität unter Beifügung erheblicher Schmerzen schwer im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB (BGH NJW 2000, 3655). Auûerdem stellten Klebeband (vgl. NStE Nr. 17 zu § 223a StGB) und Handschellen (vgl. BGH NStZ 1999, 242, 243) hier Mittel im Sinne von § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB dar, um den Widerstand der Geschädigten mit Gewalt zu überwinden. Damit ist der Angeklagte in diesen beiden Fällen der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 und 2 StGB) in den Qualifikationen des § 177 Abs. 3 Nr. 2 sowie des § 177 Abs. 4 Nr. 1 und 2a StGB schuldig. Insoweit hat der Senat in der Sache selbst ent-
schieden. Einer Änderung der Tatbezeichnung in der Urteilsformel bedarf es nicht. Die Qualifikationen der sexuellen Nötigung bzw. der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 3 und Abs. 4 StGB kommen im Urteilstenor nicht zum Ausdruck (BGH NStZ 2000, 254, 255). Das Landgericht wird jedoch bei der neuen Entscheidung die Liste der angewendeten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) dementsprechend zu ergänzen haben. Das Vorliegen der genannten Qualifikationen führt ausgehend von § 177 Abs. 4 StGB - nach Milderung gemäû §§ 21, 49 StGB - zu dem Strafrahmen von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Der Senat vermag nicht auszuschlieûen, daû die Strafkammer, ausgehend von der höheren Mindeststrafe und unter Berücksichtigung der weiteren Aspekte, in beiden Fällen auf höhere Einzelstrafen und in der Konsequenz auf eine höhere Gesamtstrafe erkannt hätte. Hierüber muû daher neu befunden werden. Die von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind nicht betroffen und können bestehen bleiben. Sie dürfen durch weitere, nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden. Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist hier von der Strafzumessung nicht beeinfluût.

b) Weitere Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten läût das Urteil nicht erkennen.
Es ist insbesondere revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daû die Strafkammer darauf verzichtet hat, neben der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus auch seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Die Strafkammer hat, sachverständig beraten, die Voraussetzungen des § 63 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Der Angeklagte beging die Taten im Zustand positiv festgestellter verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB). Seine Steuerungsfähigkeit war in Folge seiner schweren Persönlichkeitsstörung, einer Psychopathie mit schwerem Krankheitswert, die als ªschwere andere seelische Abartigkeitº im Sinne von § 20 StGB einzuordnen ist, erheblich beeinträchtigt. Die Strafkammer ist aufgrund einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten zu dem Ergebnis gekommen, daû von ihm in Folge seiner Erkrankung - ohne Unterbringung - auch in Zukunft ªmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitº weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind.
Das Landgericht ist weiter zu dem Ergebnis gekommen, daû beim An- geklagten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung in Sicherungsverwahrung gemäû § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB (und auch gemäû § 66 Abs. 2 StGB - bei Einzelstrafen in Höhe von drei, zweimal vier Jahren und von sieben Jahren) i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen. Es hat ersichtlich angenommen, daû der Hang (i.S.v. § 66 StGB) zu erheblichen Straftaten (vgl. BGH NStZ 2000, 587 und 1999, 502) hier ausschlieûlich auf der ªErkrankungº (dem Zustand) des Angeklagten i.S.v. § 63 StGB beruht.
Gemäû § 72 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer dann - ausgehend von den in BGH NStZ 1998, 35 f., genannten Grundsätzen - entschieden, daû bei diesem Angeklagten allein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus genügt, um den (Gesamt-)Zweck (beider Maûnahmen) zu erreichen, also beim Angeklagten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht zusätzlich nötig ist. Dies ist frei von Rechtsfehlern. Die Unterbringung in ei-
nem psychiatrischen Krankenhaus ist hier ausreichend, um die Allgemeinheit dauerhaft vor weiteren, vom Angeklagten drohenden Straftaten zu schützen.
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dienen beide (wie auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäû § 64 StGB) dem Schutz der Allgemeinheit vor auch in Zukunft gefährlichen Straftätern unabhängig vom Strafvollzug. Sie sind jedoch in ihrer unmittelbaren Zweckbestimmung und in ihren Voraussetzungen hinsichtlich der Erwartung künftiger Straftaten nicht deckungsgleich. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (oder in einer Entziehungsanstalt ) ist daher gegenüber der Sicherungsverwahrung im Grundsatz ªkein geringeres, sondern ein anderes Übelº (BGHSt 5, 312, 314; BGH NStZ 1981, 390), so daû deren gleichzeitige Anordnung grundsätzlich rechtlich möglich ist (§ 72 Abs. 2 StGB).
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sichert durch Einsperren des Verurteilten unabhängig von der verhängten Strafe. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) stellt auûerdem auf Heilung ab, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zielt allein auf Befreiung von der Sucht (§ 64 Abs. 2 StGB).
Da bei diesem Angeklagten der Hang i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH NStZ 1999, 501, 502) allein auf Umständen beruht, die als ªStörungº Grundlage der Maûregel gemäû § 63 StGB sind, wird nach deren Beseitigung durch erfolgreiche Behandlung in der Psychiatrie kein - weitergehender - Hang zur Begehung von Straftaten mehr bestehen. Stünde danach zu erwarten, daû die Gefährlichkeit des Täters durch die Behandlung im
psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) behoben werden kann, dürfte wegen des Vorrangs der Besserung und des Ultima-ratio-Charakters der Sicherungsverwahrung schon deshalb lediglich die Unterbringung im Krankenhaus angeordnet werden (vgl. LK-Hanack StGB 11. Aufl. § 72 Rdn. 24).
Dies gilt selbst bei zweifelhaften Heilungsaussichten. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB setzt den Erfolg einer Therapie nicht zwingend voraus (Schönke/Schröder-Stree StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 20 m.w.N.). Nach der gesetzlichen Regelung sind von einer Maûnahme nach § 63 StGB solche Täter nicht von vorneherein ausgenommen , bei denen die Aussicht auf Besserung von vorneherein zweifelhaft ist (BGH NStZ 1999, 122, 123; BGH NStZ-RR 1999, 44; BGHSt 34, 22, 28). Wenn sich während des Aufenthalts in einem psychiatrischen Krankenhaus herausstellen sollte, daû entgegen der ursprünglichen Prognose eine erfolgreiche Behandlung nicht möglich ist, hat sich damit die Maûregel nicht zwangsläufig erledigt. Denn mit der Unterbringung nach § 63 wird - im Gegensatz zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 64 Abs. 2 StGB - BGH NStZ 2000, 25, 26; Schönke/Schröder-Stree StGB 26. Aufl. § 64 Rdn. 64) - ergänzend über die Behandlung hinaus ein bloûer Sicherungszweck verfolgt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dauert daher fort, solange vom Angeklagten die in § 63 StGB genannte Gefahr ausgeht. Nach § 136 StVollzG sollen die in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zwar in erster Linie behandelt werden, damit sie für die Allgemeinheit nicht mehr gefährlich sind. Ist die erstrebte Heilung und Besserung des Zustands nicht möglich, beschränkt sich nach § 136 Satz 2 StVollzG ("soweit möglich" soll er geheilt oder sein Zustand gebessert werden ) und § 136 Satz 3 StVollzG die Verpflichtung der Anstalt darauf, die er-
forderliche Aufsicht, Betreuung und Pflege zu gewährleisten. Der Sicherungszweck erfordert deshalb bei einer Maûnahme nach § 63 StGB auch bei zweifelhaften Heilungsaussichten nicht regelmäûig die kumulative Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, während im Gegensatz dazu bei einer Maûnahme nach § 64 StGB im Hinblick auf den Behandlungserfolg in der Entziehungsanstalt ein hohes Maû an prognostischer Sicherheit gegeben sein muû, um von - zusätzlicher - Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung , wenn deren Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, absehen zu können (BGH NJW 2000, 3015, 3016).
Auch für die Allgemeinheit besonders gefährliche Täter sind von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht auszuschlieûen. Zwar müssen bei der Unterbringung gemäû § 63 StGB wegen des Vorrangs der Therapie zunächst ärztlich-psychiatrische Gesichtspunkte Vorrang haben. Solange vom Verurteilten eine Gefahr ausgeht, sind jedoch - wie im Strafvollzug - die für den Maûregelvollzug Verantwortlichen berechtigt und verpflichtet , im Einzelfall Maûnahmen zu ergreifen, die das Verbleiben des Untergebrachten auch gegen dessen Willen in der Anstalt gewährleisten. Die Erwägung , der Angeklagte könne in einer Haftanstalt besser überwacht werden, wäre deshalb eine auûerhalb der Ziele des Maûregelvollzugs liegende Zweckmäûigkeitsüberlegung (BGH NStZ-RR 1999, 44). Zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 72 Abs. 2 StGB) kommt neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur in Betracht, wenn - anders als bei diesem Angeklagten - auch nach Wegfall des von § 63 StGB vorausgesetzten Zustandes die Gefährlichkeit aufgrund eines aus anderen Gründen gegebenen Hangs zu erheblichen Straftaten fortbestehen wird.
Die Strafkammer hat weiter mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt, daû der Angeklagte - wenn auch nur im Rahmen einer langen Behandlung - voraussichtlich therapierbar ist. Der Angeklagte äuûerte auch den Willen, sich einer Therapie zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund ist es rechtsfehlerfrei, wenn sich die Strafkammer sachverständig beraten aufgrund einer Gesamtabwägung gemäû § 72 Abs. 1 StGB für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten allein in einem psychiatrischen Krankenhaus entschieden hat, zumal hier nur die Voraussetzungen einer fakultativen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 und 3 StGB) gegeben sind.
2. Die Revision des Angeklagten hat nur mit der Sachrüge insoweit Erfolg, als die Anordnung des Vorwegvollzugs von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor der angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 Abs. 2 StGB) mit der von der Strafkammer gegebenen Begründung keinen Bestand hat.

a) Die Revision rügt zu Unrecht die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 13. Verhandlungstag ohne den Angeklagten sowie seine fehlende Unterrichtung über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.
Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Der Angeklagte, der bereits Gelegenheit gehabt hatte, sich zur Sache zu äuûern (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO), konnte am 13. Verhandlungstag, dem 2. Juli 2001, nicht zur Hauptverhandlung vorgeführt werden, da er in Folge
der Einnahme einer Überdosis von antidepressiv wirkenden Tabletten verhandlungsunfähig war und deshalb auch unter ärztlicher Beobachtung bleiben muûte. Die Strafkammer stellte nach Einholung der notwendigen Informationen und der Anhörung eines Sachverständigen fest, ªdaû der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt hatº. Sie lehnte deshalb den auf die §§ 231, 231a StPO gestützten Antrag des Verteidigers , das Verfahren auszusetzen, ab und beschloû statt dessen, die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten fortzusetzen (§ 231 Abs. 2 StPO), insbesondere zur Vernehmung des - sonst in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht mehr greifbaren - Zeugen Andre H. , dem Geschädigten in den Fällen 3a und 3b. Am folgenden Verhandlungstag, dem 4. Juli 2001, war der Angeklagte wieder anwesend und äuûerte sich zur Sache. Ein Vermerk über die Unterrichtung des Angeklagten durch den Vorsitzenden über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, findet sich in der Sitzungsniederschrift nicht.
aa) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor.
Die Strafkammer durfte die Hauptverhandlung am 2. Juli 2001 gemäû § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten fortsetzen. Dem eigenmächtigen Ausbleiben steht gleich, wenn sich der Angeklagte, nachdem er Gelegenheit hatte, sich umfassend zu äuûern - vorher gilt § 231a StPO -, in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschlieûenden Zustand versetzt (vgl. BGH NStZ 1986, 372; LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 231 Rdn. 10, 18; KK-Tolksdorf StPO 4. Aufl. § 231 Rdn. 3 ff, 7; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 231 Rdn. 17, 19; jeweils m.w.N.). Einer Wiederholung der Beweisaufnahme nach dem ªWiedererscheinenº des Angeklagten bedurfte es nicht.

bb) Auch die Rüge der Verletzung des § 231a StPO hat keinen Erfolg.
Ist Grundlage für die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten § 231 Abs. 2 StPO, muû dieser, wenn er wieder anwesend ist, im Gegensatz zu der ausdrücklichen Regelung in § 231a Abs. 2 StPO (und auch in § 247 Satz 4 StPO) nicht vom Vorsitzenden über den Inhalt dessen unterrichtet werden, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder verhandelt worden ist. Eine Information des Angeklagten hierüber wird zwar häufig zweckmäûig und aufgrund der prozessualen Fürsorgepflicht zuweilen auch geboten sein. Seine Unterrichtung muû dann jedoch nicht notwendigerweise durch das Gericht bzw. dessen Vorsitzenden erfolgen. Beim verteidigten Angeklagten wird ohnehin der Verteidiger seinen Mandanten über das in Kenntnis zu setzen haben, was während dessen Abwesenheit geschah. Davon, daû dies geschieht, ist regelmäûig auch auszugehen. Anhaltspunkte dafür, daû dies hier nicht der Fall war, bestehen nicht. Die Revision trägt auch nichts dahingehend vor.
Im übrigen ist eine fehlende Information des Angeklagten durch den Vorsitzenden nicht erwiesen. Es handelt sich hierbei, anders als bei § 231 Abs. 2 StPO, um keinen protokollierungspflichtigen Vorgang i.S.v. § 273 StPO, der damit auch nicht der - negativen - Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) unterliegt, so daû das Schweigen der Sitzungsniederschrift hierzu nichts besagt. Auûerdem könnte das Urteil auf einer unterlassenen Unterrichtung nicht beruhen, da der Angeklagte geständig war.

b) Die Anordnung des Vorwegvollzugs von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
Der Gesetzgeber geht von dem Grundsatz aus, daû mit der Behandlung des psychisch gestörten Täters umgehend begonnen werden soll (BGH Beschluû vom 13. April 1999 - 1 StR 51/99 -, BGHR § 67 Abs. 2 Zweckerreichung , leichtere 4, 11, 13). Im Falle des Nebeneinanders von Freiheitsstrafe und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist deshalb gemäû § 67 Abs. 1 StGB die Maûregel regelmäûig vor der Strafe zu vollziehen. Will der Tatrichter von diesem Grundsatz abweichen, was ihm nach § 67 Abs. 2 StGB gestattet ist, sofern durch die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge der Zweck der Maûregel leichter zu erreichen ist, so muû er diese Entscheidung mit auf den Einzelfall abgestellten, nachprüfbaren Erwägungen begründen (BGHR § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4).
Die Strafkammer ªist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen der Auffassung, daû der Angeklagte einen Leidensdruck benötigt, um bei einer Therapie nachhaltig mitzumachenº. Schon in der Vergangenheit habe er sich lediglich unter dem Druck anhängiger Prozesse in ärztliche Behandlung begeben. Um eine nachhaltige Therapiebereitschaft beim Angeklagten hervorzurufen sowie um einen eventuellen Therapieerfolg durch eine nachfolgende Strafvollstreckung nicht zu gefährden, habe die Strafkammer den Vorwegvollzug von zwei Dritteln der Strafe als erforderlich angesehen. Zwar sind die genannten Gesichtspunkte, Herbeiführung eines ªLeidensdrucksº (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 4 und Zweckerreichung, leichtere 6; BGH NStZ 1986, 139; Maul/Lauven, Die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe
und Maûregel gemäû § 67 Abs. 2 StGB, NStZ 1986, 397, 398) und Gefährdung des Therapieerfolgs bei nachfolgendem Strafvollzug (vgl. BGH NStZ 1999, 613, 614; Maul/Lauven aaO 399) im Grundsatz tragfähige Ansatzpunkte für die Umkehr der Vollzugsreihenfolge gemäû § 67 Abs. 1 StGB (Bedenken dagegen aber in BGH NStZ 1986, 427, 428), in besonderen Fällen auch bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB, wenn der Maûregel eine schwere andere seelische Abartigkeit zugrunde liegt (BGH NStZ 1999, 613, 614). Die Umstände, aus denen die Strafkammer die Notwendigkeit des Vorwegvollzugs folgert, sind hier aber nicht widerspruchsfrei dargelegt. So ist die Annahme der Notwendigkeit eines weiteren ªLeidensdrucksº zur Herbeiführung einer ªnachhaltigenº Therapiebereitschaft mit der Feststellung der Strafkammer zu Therapiewilligkeit des geständigen Angeklagten nicht in Einklang zu bringen. Daû der Erfolg einer psychotherapeutischen Behandlung durch einen nachfolgenden Strafvollzug wieder zunichte gemacht werde, wird durch keine auf den vorliegenden Fall bezogenen konkreten Anhaltpunkte belegt. Umstände, die dafür sprechen könnten, gerade bei diesem Angeklagten wäre durch den Vorwegvollzug von Strafe der Zweck der Maûregel besser zu erreichen, sind damit nicht festgestellt. Daû sich dies nach der neuen Verhandlung entscheidend anders darstellen könnte, kann ausgeschlossen werden. Die Anordnung der Vorwegvollstreckung der Strafe muû daher entfallen.

c) Die weitergehende Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Januar 2002 dargelegten Gründen offensichtlich unbegründet.
Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 546/01
vom
19. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. Februar 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 9. Juli 2001 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und in den Fällen der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zum Nachteil H. inW. und der Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil K. im Ausspruch über die Einzelstrafen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, soweit der Vollzug von zwei Dritteln der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten werden verworfen.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die aufgehobenen Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe , sowie über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und bestimmt, daß zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden. Hinsichtlich des Vorwurfs einer weiteren gefährlichen Körperverletzung hat es das Verfahren wegen Verjährung gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
Die uneingeschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet insbesondere die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Insoweit bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Es führt jedoch zur Aufhebung von zwei der vier Einzelstrafen sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten. Die Revision des Angeklagten wendet sich mit der Sach- und einigen Formalrügen gegen alle Fälle der Verurteilung. Sie hat nur hinsichtlich der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Erfolg.

II.


Die Strafkammer hat festgestellt:
Der Angeklagte ist 37 Jahre alt. Eine Sauerstoffmangelsituation bei seiner Geburt oder eine fiebrige Impfreaktion des Angeklagten als Kleinkind führten zu einer leichten frühkindlichen Hirnschädigung und zu einer Reifeverzögerung. Als Legastheniker besuchte er eine Sonderschule für Lernbehinderte , die er mit durchschnittlichen Noten beendete. Eine abgeschlossene Berufsausbildung erreichte der Angeklagte nicht. Häufiger Stellenwechsel sowie Zeiten von Arbeitslosigkeit und Krankheit, meist psychosomatischer Natur, prägten sein Arbeitsleben.
Zwangshandlungen und Zwangsgedanken führten schon während der Schulzeit zu erster nervenärztlicher Behandlung des Angeklagten. Seit 1990 befand sich der Angeklagte wiederholt in psychiatrischer Behandlung, auch unter Einsatz von Psychopharmaka und Neuroleptika. Der Angeklagte leidet nunmehr unter einer facettenreichen schweren Persönlichkeitsstörung, einer Psychopathie mit schwerem Krankheitswert, geprägt durch emotionale Instabilität und massive Aggressivität. Dagegen liegen ebensowenig eine Psychose noch eine Erkrankung des cerebralen Nervensystems oder eine strukturelle Schädigung des Gehirns vor. Seine Sexualität stellt sich heute als Spiegelbild seiner negativen Persönlichkeitsentwicklung dar. Positive Gefühle spielen keine Rolle; seine Partner sieht er als bloûe Objekte, deren sexuell bestimmte Unterwerfung er erstrebt, auch mit sadistischer Vorgehensweise und mit Folter. Er liebt Fesselungen und neigt dazu, bei Sexualkontakten Gegenstände zu benutzen. Mit der Zeit entwickelte er ein negatives Frauenbild,
weshalb er sich während der letzten Jahre immer mehr gleichgeschlechtlichen Partnern zuwandte.
Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft wegen unerlaubten Führens von Schuûwaffen, Urkundenfälschung, Sachbeschädigung, Betrugs, Körperverletzung , Nötigung, falscher Verdächtigung, Gefährdung des Straûenverkehrs , aber auch wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung. In Strafhaft war er noch nie. Bisher wurde die Vollstreckung verhängter Freiheitsstrafen - maximal ein Jahr sechs Monate - immer zur Bewährung ausgesetzt.
Die Taten:
1. An einem unbekannten Tag in der Zeit von Mai 1998 bis Dezember 1999 hatte der Angeklagte einen etwa 18jährigen Mann bei sich in der Wohnung. Der Angeklagte veranlaûte diesen, Whisky und Wodka in groûen Mengen zu trinken, um dann an dem Betrunkenen leichter gegen dessen Willen den Analverkehr ausüben zu können. Gegen den ersten Versuch des Angeklagten, dem Geschädigten die Unterhose auszuziehen, wehrte sich dieser noch mit den Worten “Hör auf, Alter”, klopfte ihm auf die Finger und zog die Hose wieder hoch. Nach der Ausübung geduldeter beischlafähnlicher Bewegungen auf seinem Opfer kettete der Angeklagte plötzlich dessen Hände am Bettgestell fest, zog ihm die Unterhose aus, drehte ihn auf den Bauch, wodurch die angeketteten Arme verdreht wurden, und führte seinen erigierten Penis in den After des Geschädigten ein. Dieser wehrte sich, jammerte und weinte. Von weiteren sexuellen Handlungen nahm der Angeklagte dann Abstand und stellte sein Verhalten als “Spaû” dar. Mittels fest installierter Kamera hielt der Angeklagte das Geschehen auf Video fest.

2. Am 5. Dezember 1998 lernte der Angeklagte auf dem ªStrichº beim Bahnhof Zoo Julian O. - sechzehn Jahre - und Harun K. - vierzehn Jahre - kennen. Der Angeklagte, der glaubte auch Harun K. sei bereits 16 Jahre alt, lud die beiden Jungen für ein Wochenende zu sich nach W. ein. Dort kam es im Verlauf des 6. Dezember zunächst stundenlang zu vielfältigen freiwilligen sexuellen Aktivitäten miteinander. Plötzlich ging der Angeklagte dazu über, den heftig protestierenden und sich wehrenden Harun K. zu miûhandeln, insbesondere um den von diesem abgelehnten Analverkehr zu erzwingen. Er fesselte Harun K. deshalb mit Handschellen ans Bettgestell und übte zunächst beischlafähnliche Bewegungen bis zum Samenerguû auf ihm aus. Anschlieûend lieû er den verängstigten Jungen etwa eine halbe Stunde in seiner hilflosen Lage liegen, um sich über dessen Furcht zu amüsieren. Nach kurzzeitiger Befreiung kettete der Angeklagte sein Opfer erneut mit Handschellen ans Bett und stach ihm an beiden Füûen unter die Zehennägel mit Nadeln, die er stecken lieû und zur Schmerzerhöhung immer wieder antippte. Weiter schüttete er eine scharfe, brennende Flüssigkeit auf die Eichel des Penis von Harun K. . Vollends in Panik und Todesangst geriet dieser als der Angeklagte - um Harun K. weiter ªgefügig zu machenº - ein Feuerzeug mit groûer Flamme an dessen After, Hodensack und Oberschenkel hielt. So in seinem Willen gebrochen stimulierte der kurzzeitig entfesselte Harun K. den Angeklagten manuell und oral. Sein anschlieûender Versuch, an Harun K. den Analverkehr auszuüben, miûlang mangels ausreichender Erektion, trotz Stimulation durch leichte Peitschenhiebe auf das Gesäû von Harun K. . Weinend lieû dieser es über sich ergehen, daû stattdessen zunächst Julian O. auf Weisung des Angeklagten und dann dieser selbst mit mehreren Fingern schmerzhaft in
seinem After bohrten. Auch diese Vorgänge hielt der Angeklagte auf Video fest.
3. a) Am Bahnhof Zoo ging auch Andre H. der Prostitution nach. Andre H. hatte den Angeklagten im Februar 1999 ªgelinktº. Nach Erhalt des Preises für den vereinbarten Sexualkontakt war er verschwunden ohne die versprochene Gegenleistung zu erbringen. Am Abend des 19. Juli 2000 traf der Angeklagte Andre H. am Bahnhof Zoo wieder. Dieser stand unter massivem Einfluû von Beruhigungstabletten und Heroin. Den Angeklagten erkannte er deshalb nicht. Beide vereinbarten Sexualkontakt gegen die Bezahlung von 70 DM - Analverkehr schloû Andre H. ausdrücklich aus - und fuhren im Pkw des Angeklagten auf einen einsamen Parkplatz. Dort gab sich der Angeklagte zu erkennen, warf Andre H. den früheren Vorfall vor, ohrfeigte ihn, lieû sich dessen Geldbeutel samt Personalausweis aushändigen , zwang ihn unter Androhung weiterer Schläge, sich nackt auszuziehen, auszusteigen und sich bäuchlings auf die Motorhaube zu legen. Dann übte er gegen dessen Willen den Analverkehr bei dem damals 19jährigen Andre H. aus.

b) Der Angeklagte entschloû sich nun, Andre H. mitzunehmen und bei sich zu Hause als ªSexsklaven zu haltenº. Er fesselte ihn mit Metallschellen an Händen und Füûen und verbrachte ihn mit seinem Pkw in seine Wohnung in W. . Dort trafen sie am 21. Juli 2000 gegen 6.00 Uhr ein. Andre H. blieb nahezu zwei Tage eingesperrt, zeitweise alleingelassen mit ungewissem Schicksal, meist eng gefesselt, zuweilen den Mund mit Pflaster zugeklebt. Während dieser Zeit übte der Angeklagte noch
mindestens dreimal an seinem sich wehrenden, aber durch Drogen und Medikamente geschwächten Opfer den Analverkehr aus, stach ihm - auch um ihn gefügig zu machen - mit einer Nähnadel jeweils fünf Millimeter tief unter die Zehennägel seines linken Fuûes, zwang ihn zum Oralverkehr, mindestens viermal bei sich und einmal bei Maik D. , einem Obdachlosen vom Bahnhof Zoo, der auf Einladung des Angeklagten nach W. mitgekommen war. Dieser bohrte auf Anweisung des Angeklagten mit drei Fingern schmerzhaft im After des Andre H. . Am 22. Juli 2000 wurde Andre H. gegen 22.30 Uhr von der Polizei befreit, deren Benachrichtigung Maik D. schlieûlich veranlaût hatte.
In - nicht ausschlieûbar - verjährter Zeit miûhandelte der Angeklagte einen weiteren ans Bett gefesselten Jungen mit Nadelstichen und Schlägen.
Bei der Begehung aller Taten war der Angeklagte aufgrund seiner schweren Persönlichkeitsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

III.


1. Mit ihrer unbeschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision zum Nachteil des Angeklagten beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere , daû die Strafkammer neben der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht auch dessen Unterbringung in Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die Revision führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II.2 und II.3b sowie der Gesamtstrafe zum Nachteil des Angeklagten. Die weitergehende Revision ist unbegründet.


a) Das Landgericht hat in allen vier Fällen der Bemessung der Einzelstrafen den gemäû § 21 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB - also Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren - zugrunde gelegt und folgende Einzelstrafen verhängt: im Fall 1 (zum Nachteil des achtzehnjährigen Mannes): drei Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 2 (zum Nachteil des Harun K. ): vier Jahre Freiheitsstrafe, im Fall 3a (zum Nachteil des Andre H. in B. ): vier Jahre Freiheitsstrafe und im Fall 3b (zum Nachteil des Andre H. in W. ): sieben Jahre Freiheitsstrafe. In den Fällen 2 und 3b hat die Strafkammer zwar hinsichtlich des ideal konkurrierenden § 224 Abs. 1 StGB die vom Angeklagten benutzten Nadeln und das brennende Feuerzeug - so wie beides eingesetzt wurde - zutreffend als gefährliche Werkzeuge bewertet. Damit hat der Angeklagte in diesen Fällen jedoch auch die Qualifikation der Vergewaltigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs gemäû § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwirklicht. Denn Nadeln und brennendes Feuerzeug gebrauchte er bei seinen sexuellen Handlungen (vgl. BGHSt 46, 225; BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5) zumindest auch als Nötigungsmittel. Zugleich miûhandelte der Angeklagte seine Opfer mit Nadelstichen und den damit verbundenen Eingriffen in deren körperliche Integrität unter Beifügung erheblicher Schmerzen schwer im Sinne von § 177 Abs. 4 Nr. 2a StGB (BGH NJW 2000, 3655). Auûerdem stellten Klebeband (vgl. NStE Nr. 17 zu § 223a StGB) und Handschellen (vgl. BGH NStZ 1999, 242, 243) hier Mittel im Sinne von § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB dar, um den Widerstand der Geschädigten mit Gewalt zu überwinden. Damit ist der Angeklagte in diesen beiden Fällen der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 und 2 StGB) in den Qualifikationen des § 177 Abs. 3 Nr. 2 sowie des § 177 Abs. 4 Nr. 1 und 2a StGB schuldig. Insoweit hat der Senat in der Sache selbst ent-
schieden. Einer Änderung der Tatbezeichnung in der Urteilsformel bedarf es nicht. Die Qualifikationen der sexuellen Nötigung bzw. der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 3 und Abs. 4 StGB kommen im Urteilstenor nicht zum Ausdruck (BGH NStZ 2000, 254, 255). Das Landgericht wird jedoch bei der neuen Entscheidung die Liste der angewendeten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO) dementsprechend zu ergänzen haben. Das Vorliegen der genannten Qualifikationen führt ausgehend von § 177 Abs. 4 StGB - nach Milderung gemäû §§ 21, 49 StGB - zu dem Strafrahmen von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Der Senat vermag nicht auszuschlieûen, daû die Strafkammer, ausgehend von der höheren Mindeststrafe und unter Berücksichtigung der weiteren Aspekte, in beiden Fällen auf höhere Einzelstrafen und in der Konsequenz auf eine höhere Gesamtstrafe erkannt hätte. Hierüber muû daher neu befunden werden. Die von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind nicht betroffen und können bestehen bleiben. Sie dürfen durch weitere, nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden. Auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist hier von der Strafzumessung nicht beeinfluût.

b) Weitere Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten läût das Urteil nicht erkennen.
Es ist insbesondere revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daû die Strafkammer darauf verzichtet hat, neben der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus auch seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Die Strafkammer hat, sachverständig beraten, die Voraussetzungen des § 63 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Der Angeklagte beging die Taten im Zustand positiv festgestellter verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB). Seine Steuerungsfähigkeit war in Folge seiner schweren Persönlichkeitsstörung, einer Psychopathie mit schwerem Krankheitswert, die als ªschwere andere seelische Abartigkeitº im Sinne von § 20 StGB einzuordnen ist, erheblich beeinträchtigt. Die Strafkammer ist aufgrund einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten zu dem Ergebnis gekommen, daû von ihm in Folge seiner Erkrankung - ohne Unterbringung - auch in Zukunft ªmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitº weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind.
Das Landgericht ist weiter zu dem Ergebnis gekommen, daû beim An- geklagten auch die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung in Sicherungsverwahrung gemäû § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB (und auch gemäû § 66 Abs. 2 StGB - bei Einzelstrafen in Höhe von drei, zweimal vier Jahren und von sieben Jahren) i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen. Es hat ersichtlich angenommen, daû der Hang (i.S.v. § 66 StGB) zu erheblichen Straftaten (vgl. BGH NStZ 2000, 587 und 1999, 502) hier ausschlieûlich auf der ªErkrankungº (dem Zustand) des Angeklagten i.S.v. § 63 StGB beruht.
Gemäû § 72 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer dann - ausgehend von den in BGH NStZ 1998, 35 f., genannten Grundsätzen - entschieden, daû bei diesem Angeklagten allein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus genügt, um den (Gesamt-)Zweck (beider Maûnahmen) zu erreichen, also beim Angeklagten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht zusätzlich nötig ist. Dies ist frei von Rechtsfehlern. Die Unterbringung in ei-
nem psychiatrischen Krankenhaus ist hier ausreichend, um die Allgemeinheit dauerhaft vor weiteren, vom Angeklagten drohenden Straftaten zu schützen.
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dienen beide (wie auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäû § 64 StGB) dem Schutz der Allgemeinheit vor auch in Zukunft gefährlichen Straftätern unabhängig vom Strafvollzug. Sie sind jedoch in ihrer unmittelbaren Zweckbestimmung und in ihren Voraussetzungen hinsichtlich der Erwartung künftiger Straftaten nicht deckungsgleich. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (oder in einer Entziehungsanstalt ) ist daher gegenüber der Sicherungsverwahrung im Grundsatz ªkein geringeres, sondern ein anderes Übelº (BGHSt 5, 312, 314; BGH NStZ 1981, 390), so daû deren gleichzeitige Anordnung grundsätzlich rechtlich möglich ist (§ 72 Abs. 2 StGB).
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sichert durch Einsperren des Verurteilten unabhängig von der verhängten Strafe. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) stellt auûerdem auf Heilung ab, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zielt allein auf Befreiung von der Sucht (§ 64 Abs. 2 StGB).
Da bei diesem Angeklagten der Hang i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH NStZ 1999, 501, 502) allein auf Umständen beruht, die als ªStörungº Grundlage der Maûregel gemäû § 63 StGB sind, wird nach deren Beseitigung durch erfolgreiche Behandlung in der Psychiatrie kein - weitergehender - Hang zur Begehung von Straftaten mehr bestehen. Stünde danach zu erwarten, daû die Gefährlichkeit des Täters durch die Behandlung im
psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) behoben werden kann, dürfte wegen des Vorrangs der Besserung und des Ultima-ratio-Charakters der Sicherungsverwahrung schon deshalb lediglich die Unterbringung im Krankenhaus angeordnet werden (vgl. LK-Hanack StGB 11. Aufl. § 72 Rdn. 24).
Dies gilt selbst bei zweifelhaften Heilungsaussichten. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB setzt den Erfolg einer Therapie nicht zwingend voraus (Schönke/Schröder-Stree StGB 26. Aufl. § 63 Rdn. 20 m.w.N.). Nach der gesetzlichen Regelung sind von einer Maûnahme nach § 63 StGB solche Täter nicht von vorneherein ausgenommen , bei denen die Aussicht auf Besserung von vorneherein zweifelhaft ist (BGH NStZ 1999, 122, 123; BGH NStZ-RR 1999, 44; BGHSt 34, 22, 28). Wenn sich während des Aufenthalts in einem psychiatrischen Krankenhaus herausstellen sollte, daû entgegen der ursprünglichen Prognose eine erfolgreiche Behandlung nicht möglich ist, hat sich damit die Maûregel nicht zwangsläufig erledigt. Denn mit der Unterbringung nach § 63 wird - im Gegensatz zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (vgl. § 64 Abs. 2 StGB - BGH NStZ 2000, 25, 26; Schönke/Schröder-Stree StGB 26. Aufl. § 64 Rdn. 64) - ergänzend über die Behandlung hinaus ein bloûer Sicherungszweck verfolgt. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dauert daher fort, solange vom Angeklagten die in § 63 StGB genannte Gefahr ausgeht. Nach § 136 StVollzG sollen die in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zwar in erster Linie behandelt werden, damit sie für die Allgemeinheit nicht mehr gefährlich sind. Ist die erstrebte Heilung und Besserung des Zustands nicht möglich, beschränkt sich nach § 136 Satz 2 StVollzG ("soweit möglich" soll er geheilt oder sein Zustand gebessert werden ) und § 136 Satz 3 StVollzG die Verpflichtung der Anstalt darauf, die er-
forderliche Aufsicht, Betreuung und Pflege zu gewährleisten. Der Sicherungszweck erfordert deshalb bei einer Maûnahme nach § 63 StGB auch bei zweifelhaften Heilungsaussichten nicht regelmäûig die kumulative Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, während im Gegensatz dazu bei einer Maûnahme nach § 64 StGB im Hinblick auf den Behandlungserfolg in der Entziehungsanstalt ein hohes Maû an prognostischer Sicherheit gegeben sein muû, um von - zusätzlicher - Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung , wenn deren Voraussetzungen im übrigen gegeben sind, absehen zu können (BGH NJW 2000, 3015, 3016).
Auch für die Allgemeinheit besonders gefährliche Täter sind von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht auszuschlieûen. Zwar müssen bei der Unterbringung gemäû § 63 StGB wegen des Vorrangs der Therapie zunächst ärztlich-psychiatrische Gesichtspunkte Vorrang haben. Solange vom Verurteilten eine Gefahr ausgeht, sind jedoch - wie im Strafvollzug - die für den Maûregelvollzug Verantwortlichen berechtigt und verpflichtet , im Einzelfall Maûnahmen zu ergreifen, die das Verbleiben des Untergebrachten auch gegen dessen Willen in der Anstalt gewährleisten. Die Erwägung , der Angeklagte könne in einer Haftanstalt besser überwacht werden, wäre deshalb eine auûerhalb der Ziele des Maûregelvollzugs liegende Zweckmäûigkeitsüberlegung (BGH NStZ-RR 1999, 44). Zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung (§ 72 Abs. 2 StGB) kommt neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur in Betracht, wenn - anders als bei diesem Angeklagten - auch nach Wegfall des von § 63 StGB vorausgesetzten Zustandes die Gefährlichkeit aufgrund eines aus anderen Gründen gegebenen Hangs zu erheblichen Straftaten fortbestehen wird.
Die Strafkammer hat weiter mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt, daû der Angeklagte - wenn auch nur im Rahmen einer langen Behandlung - voraussichtlich therapierbar ist. Der Angeklagte äuûerte auch den Willen, sich einer Therapie zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund ist es rechtsfehlerfrei, wenn sich die Strafkammer sachverständig beraten aufgrund einer Gesamtabwägung gemäû § 72 Abs. 1 StGB für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten allein in einem psychiatrischen Krankenhaus entschieden hat, zumal hier nur die Voraussetzungen einer fakultativen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 und 3 StGB) gegeben sind.
2. Die Revision des Angeklagten hat nur mit der Sachrüge insoweit Erfolg, als die Anordnung des Vorwegvollzugs von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor der angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 Abs. 2 StGB) mit der von der Strafkammer gegebenen Begründung keinen Bestand hat.

a) Die Revision rügt zu Unrecht die Fortsetzung der Hauptverhandlung am 13. Verhandlungstag ohne den Angeklagten sowie seine fehlende Unterrichtung über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.
Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Der Angeklagte, der bereits Gelegenheit gehabt hatte, sich zur Sache zu äuûern (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO), konnte am 13. Verhandlungstag, dem 2. Juli 2001, nicht zur Hauptverhandlung vorgeführt werden, da er in Folge
der Einnahme einer Überdosis von antidepressiv wirkenden Tabletten verhandlungsunfähig war und deshalb auch unter ärztlicher Beobachtung bleiben muûte. Die Strafkammer stellte nach Einholung der notwendigen Informationen und der Anhörung eines Sachverständigen fest, ªdaû der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt hatº. Sie lehnte deshalb den auf die §§ 231, 231a StPO gestützten Antrag des Verteidigers , das Verfahren auszusetzen, ab und beschloû statt dessen, die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten fortzusetzen (§ 231 Abs. 2 StPO), insbesondere zur Vernehmung des - sonst in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht mehr greifbaren - Zeugen Andre H. , dem Geschädigten in den Fällen 3a und 3b. Am folgenden Verhandlungstag, dem 4. Juli 2001, war der Angeklagte wieder anwesend und äuûerte sich zur Sache. Ein Vermerk über die Unterrichtung des Angeklagten durch den Vorsitzenden über den wesentlichen Inhalt dessen, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, findet sich in der Sitzungsniederschrift nicht.
aa) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor.
Die Strafkammer durfte die Hauptverhandlung am 2. Juli 2001 gemäû § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten fortsetzen. Dem eigenmächtigen Ausbleiben steht gleich, wenn sich der Angeklagte, nachdem er Gelegenheit hatte, sich umfassend zu äuûern - vorher gilt § 231a StPO -, in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschlieûenden Zustand versetzt (vgl. BGH NStZ 1986, 372; LR-Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 231 Rdn. 10, 18; KK-Tolksdorf StPO 4. Aufl. § 231 Rdn. 3 ff, 7; Kleinknecht/Meyer-Goûner StPO 45. Aufl. § 231 Rdn. 17, 19; jeweils m.w.N.). Einer Wiederholung der Beweisaufnahme nach dem ªWiedererscheinenº des Angeklagten bedurfte es nicht.

bb) Auch die Rüge der Verletzung des § 231a StPO hat keinen Erfolg.
Ist Grundlage für die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten § 231 Abs. 2 StPO, muû dieser, wenn er wieder anwesend ist, im Gegensatz zu der ausdrücklichen Regelung in § 231a Abs. 2 StPO (und auch in § 247 Satz 4 StPO) nicht vom Vorsitzenden über den Inhalt dessen unterrichtet werden, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder verhandelt worden ist. Eine Information des Angeklagten hierüber wird zwar häufig zweckmäûig und aufgrund der prozessualen Fürsorgepflicht zuweilen auch geboten sein. Seine Unterrichtung muû dann jedoch nicht notwendigerweise durch das Gericht bzw. dessen Vorsitzenden erfolgen. Beim verteidigten Angeklagten wird ohnehin der Verteidiger seinen Mandanten über das in Kenntnis zu setzen haben, was während dessen Abwesenheit geschah. Davon, daû dies geschieht, ist regelmäûig auch auszugehen. Anhaltspunkte dafür, daû dies hier nicht der Fall war, bestehen nicht. Die Revision trägt auch nichts dahingehend vor.
Im übrigen ist eine fehlende Information des Angeklagten durch den Vorsitzenden nicht erwiesen. Es handelt sich hierbei, anders als bei § 231 Abs. 2 StPO, um keinen protokollierungspflichtigen Vorgang i.S.v. § 273 StPO, der damit auch nicht der - negativen - Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) unterliegt, so daû das Schweigen der Sitzungsniederschrift hierzu nichts besagt. Auûerdem könnte das Urteil auf einer unterlassenen Unterrichtung nicht beruhen, da der Angeklagte geständig war.

b) Die Anordnung des Vorwegvollzugs von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand.
Der Gesetzgeber geht von dem Grundsatz aus, daû mit der Behandlung des psychisch gestörten Täters umgehend begonnen werden soll (BGH Beschluû vom 13. April 1999 - 1 StR 51/99 -, BGHR § 67 Abs. 2 Zweckerreichung , leichtere 4, 11, 13). Im Falle des Nebeneinanders von Freiheitsstrafe und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist deshalb gemäû § 67 Abs. 1 StGB die Maûregel regelmäûig vor der Strafe zu vollziehen. Will der Tatrichter von diesem Grundsatz abweichen, was ihm nach § 67 Abs. 2 StGB gestattet ist, sofern durch die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge der Zweck der Maûregel leichter zu erreichen ist, so muû er diese Entscheidung mit auf den Einzelfall abgestellten, nachprüfbaren Erwägungen begründen (BGHR § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4).
Die Strafkammer ªist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen der Auffassung, daû der Angeklagte einen Leidensdruck benötigt, um bei einer Therapie nachhaltig mitzumachenº. Schon in der Vergangenheit habe er sich lediglich unter dem Druck anhängiger Prozesse in ärztliche Behandlung begeben. Um eine nachhaltige Therapiebereitschaft beim Angeklagten hervorzurufen sowie um einen eventuellen Therapieerfolg durch eine nachfolgende Strafvollstreckung nicht zu gefährden, habe die Strafkammer den Vorwegvollzug von zwei Dritteln der Strafe als erforderlich angesehen. Zwar sind die genannten Gesichtspunkte, Herbeiführung eines ªLeidensdrucksº (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 4 und Zweckerreichung, leichtere 6; BGH NStZ 1986, 139; Maul/Lauven, Die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe
und Maûregel gemäû § 67 Abs. 2 StGB, NStZ 1986, 397, 398) und Gefährdung des Therapieerfolgs bei nachfolgendem Strafvollzug (vgl. BGH NStZ 1999, 613, 614; Maul/Lauven aaO 399) im Grundsatz tragfähige Ansatzpunkte für die Umkehr der Vollzugsreihenfolge gemäû § 67 Abs. 1 StGB (Bedenken dagegen aber in BGH NStZ 1986, 427, 428), in besonderen Fällen auch bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB, wenn der Maûregel eine schwere andere seelische Abartigkeit zugrunde liegt (BGH NStZ 1999, 613, 614). Die Umstände, aus denen die Strafkammer die Notwendigkeit des Vorwegvollzugs folgert, sind hier aber nicht widerspruchsfrei dargelegt. So ist die Annahme der Notwendigkeit eines weiteren ªLeidensdrucksº zur Herbeiführung einer ªnachhaltigenº Therapiebereitschaft mit der Feststellung der Strafkammer zu Therapiewilligkeit des geständigen Angeklagten nicht in Einklang zu bringen. Daû der Erfolg einer psychotherapeutischen Behandlung durch einen nachfolgenden Strafvollzug wieder zunichte gemacht werde, wird durch keine auf den vorliegenden Fall bezogenen konkreten Anhaltpunkte belegt. Umstände, die dafür sprechen könnten, gerade bei diesem Angeklagten wäre durch den Vorwegvollzug von Strafe der Zweck der Maûregel besser zu erreichen, sind damit nicht festgestellt. Daû sich dies nach der neuen Verhandlung entscheidend anders darstellen könnte, kann ausgeschlossen werden. Die Anordnung der Vorwegvollstreckung der Strafe muû daher entfallen.

c) Die weitergehende Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Januar 2002 dargelegten Gründen offensichtlich unbegründet.
Schäfer Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

(1) Hat sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt und verhindert er dadurch wissentlich die ordnungsmäßige Durchführung oder Fortsetzung der Hauptverhandlung in seiner Gegenwart, so wird die Hauptverhandlung, wenn er noch nicht über die Anklage vernommen war, in seiner Abwesenheit durchgeführt oder fortgesetzt, soweit das Gericht seine Anwesenheit nicht für unerläßlich hält. Nach Satz 1 ist nur zu verfahren, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens Gelegenheit gehabt hat, sich vor dem Gericht oder einem beauftragten Richter zur Anklage zu äußern.

(2) Sobald der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist, hat ihn der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist.

(3) Die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nach Absatz 1 beschließt das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Der Beschluß kann bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefaßt werden. Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig; sie hat aufschiebende Wirkung. Eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu unterbrechen; die Unterbrechung darf, auch wenn die Voraussetzungen des § 229 Abs. 2 nicht vorliegen, bis zu dreißig Tagen dauern.

(4) Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist ein Verteidiger zu bestellen, sobald eine Verhandlung ohne den Angeklagten nach Absatz 1 in Betracht kommt.

(1) Der erschienene Angeklagte darf sich aus der Verhandlung nicht entfernen. Der Vorsitzende kann die geeigneten Maßregeln treffen, um die Entfernung zu verhindern; auch kann er den Angeklagten während einer Unterbrechung der Verhandlung in Gewahrsam halten lassen.

(2) Entfernt der Angeklagte sich dennoch oder bleibt er bei der Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung aus, so kann diese in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen war, das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet und er in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass die Verhandlung in diesen Fällen in seiner Abwesenheit zu Ende geführt werden kann.

Ist für einen Angeschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig, hör- oder sprachbehindert ist, ein Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen worden, so werden die dadurch entstandenen Auslagen dem Angeschuldigten auferlegt, soweit er diese durch schuldhafte Säumnis oder in sonstiger Weise schuldhaft unnötig verursacht hat; dies ist außer im Falle des § 467 Abs. 2 ausdrücklich auszusprechen.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(1) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Auch ist die zwangsweise Vorführung des Zeugen zulässig; § 135 gilt entsprechend. Im Falle wiederholten Ausbleibens kann das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt werden.

(2) Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nach Satz 1 nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, daß den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Wird der Zeuge nachträglich genügend entschuldigt, so werden die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Auch ist die zwangsweise Vorführung des Zeugen zulässig; § 135 gilt entsprechend. Im Falle wiederholten Ausbleibens kann das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt werden.

(2) Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nach Satz 1 nicht rechtzeitig, so unterbleibt die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, daß den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Wird der Zeuge nachträglich genügend entschuldigt, so werden die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben.

(3) Die Befugnis zu diesen Maßregeln steht auch dem Richter im Vorverfahren sowie dem beauftragten und ersuchten Richter zu.

(1) Gegen einen ausgebliebenen Angeklagten findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

(2) Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

Ist für einen Angeschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig, hör- oder sprachbehindert ist, ein Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen worden, so werden die dadurch entstandenen Auslagen dem Angeschuldigten auferlegt, soweit er diese durch schuldhafte Säumnis oder in sonstiger Weise schuldhaft unnötig verursacht hat; dies ist außer im Falle des § 467 Abs. 2 ausdrücklich auszusprechen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 627/08
vom
17. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der Umfang der verkürzten
Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann nach deren Nominalbetrag, wenn
die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand,
dass in solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung
(§ 18 Abs. 3 UStG) zunächst nur eine Steuerhinterziehung „auf
Zeit“ gegeben ist, führt nicht dazu, dass der tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der
Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre.
Zur Strafzumessung bei Tatserien.
BGH, Urt. vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Juli 2008 im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Die Einzelstrafen hat das Landgericht im Hinblick auf eine „rezidivierende depressive Störung“ des Angeklagten jeweils dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen; von der Bildung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe hat es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklag- ten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht hinsichtlich der Taten der Lohnsteuerhinterziehung sowie der Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen statt kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 Abs. 1 StGB) lediglich Geldstrafen verhängt und bei der Gesamtstrafenbildung keine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte seit dem Jahr 1999 als Einzelfirma einen Pizzalieferservice mit Filialen in Nürnberg, Fürth und Erlangen. Im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit entnahm er in den Jahren 2002 bis 2006 einen erheblichen Teil der Betriebseinnahmen, ohne diese als Umsätze und Einnahmen in der Buchhaltung des Unternehmens zu erfassen; Lohnzahlungen an Aushilfskräfte erfasste er ebenfalls nicht. Auch seinen steuerlichen Erklärungspflichten kam er nicht ordnungsgemäß nach, so dass in zehn Fällen Umsatzsteuer, in jeweils drei Fällen Gewerbesteuer und Einkommensteuer und in 43 Fällen Lohnsteuer verkürzt wurde. Im Einzelnen hat das Landgericht hierzu festgestellt:
3
a) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte zunächst keine Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Nachdem das Finanzamt insoweit Schätzungsbescheide erlassen hatte, reichte er verspätet Umsatzsteuerjahreserklärungen ein, mit denen er geringere als die tatsächlich erzielten Umsätze erklärte. Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2004 gab er zwar fristgemäß eine Umsatzsteuerjahreserklärung ab, nahm aber die in diesem Zeitraum erzielten Umsätze nicht vollständig auf. Für die Quartale I/2005 bis III/2006 gab der Angeklagte keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Gesamtsumme der hin- sichtlich der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 verkürzten Umsatzsteuern hat die Strafkammer mit 80.500,-- Euro beziffert. Im Hinblick auf die nicht eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2005 und 2006 hat sie lediglich den „Zinsverlust als Hinterziehungsschaden“ angesehen, den sie nach Maßgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO berechnet hat.
4
b) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte auch keine Gewerbesteuer - und Einkommensteuererklärungen ab; in die für das Jahr 2004 eingereichten Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen nahm er nur solche Einkünfte auf, die in die Buchhaltung der Firma Eingang gefunden hatten. Die insoweit ergangenen Steuerbescheide - hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 Schätzungsbescheide - enthielten deshalb jeweils zu niedrige Steuerfestsetzungen ; als Gesamtverkürzungsumfang einschließlich Solidaritätszuschlag hat das Landgericht einen Betrag von mehr als 300.000,-- Euro errechnet.
5
c) Aufgrund von Schwarzlohnzahlungen, die der Angeklagte in seine Lohnsteueranmeldungen nicht aufnahm, verkürzte er in den Jahren 2002 bis 2006 in insgesamt 43 Fällen Lohnsteuern und Solidaritätszuschlag in Höhe von mehr als 200.000,-- Euro.
6
2. Den Ausführungen eines Sachverständigen für Psychiatrie und Psychologie folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer „rezidivierenden depressiven Störung“ im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen ist. Der Sachverständige habe dargelegt, es handele sich um eine krankhafte seelische Störung, die „beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkte, dass die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei“ (UA S. 21).

II.


7
Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist wirksam.
8
1. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass der Schuldspruch hiervon berührt wird (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.); denn nach den vom Landgericht zur „depressiven Störung“ des Angeklagten getroffenen Feststellungen ist sicher auszuschließen, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung ein Au sschluss der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) bei Begehung der Taten erweisen könnte. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bilden auch im Übrigen eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Strafausspruchs (BGHSt 33, 59).
9
2. Eine weitergehende, schlüssige Beschränkung der Revision auf die Nichtverhängung kurzer Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 47 Abs. 1 StGB sowie auf den Gesamtstrafausspruch liegt nicht vor. Zwar wendet sich die Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich gegen die Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB; sie beanstandet aber die Zumessung der Einzelstrafen, bei der die Strafkammer jeweils den typisierten Strafmilderungsgrund der verminderten Schuldfähigkeit zur Strafrahmenverschiebung herangezogen hat. Das Revisionsvorbringen ist deshalb mit Rücksicht auf das erstrebte Anfechtungsziel dahin auszulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2000 - 1 StR 55/00 - und vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 10), dass der gesamte Strafausspruch angegriffen ist.
10
Eine Beschränkung der Revision auf die ausdrücklich genannten Angriffsziele wäre jedenfalls unwirksam, weil die Frage, ob der Angeklagte bei der Tatbegehung vermindert schuldfähig war, bei der Prüfung, ob die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB geboten war, nicht außer Betracht bleiben kann. Beide Fragen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang , der ohne die Gefahr von Widersprüchen eine isolierte Nachprüfung nicht zulässt.

III.


11
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
12
1. Bereits die Erwägungen, aufgrund deren das Landgericht für den gesamten Tatzeitraum eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB angenommen hat, sind nicht tragfähig.
13
a) Als Begründung für diese Annahme gibt das Landgericht in den Urteilsgründen allein die „Feststellungen“ des psychiatrischen Sachverständigen wieder, nach denen aus den von diesem vorgenommenen Untersuchungen zu folgern sei, „dass die depressive Problematik des Angeklagten ihren Ausgangspunkt im Jahre 2002 genommen habe. Bereits beim durchgeführten ambulanten Untersuchungsgespräch habe sich der Eindruck einer depressiven Verstimmung beim Angeklagten mit deutlicher Antriebsbeeinträchtigung ergeben; dieses Antriebsdefizit sei dauerhaft vorhanden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass beim Angeklagten B. eine rezidivierende depressive Störung vorliege , die mit unterschiedlich schwer ausgeprägten depressiven Episoden einhergehe. Während zum aktuellen Untersuchungszeit- punkt (Mai 2008) von einer lediglich mittelgradigen Problematik auszugehen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass zu früheren Zeitabschnitten schwerwiegendere Auffälligkeiten zu Tage getreten seien. Die einzelnen depressiven Episoden seien mit Stimmungsveränderungen, Verlust von Freude und üblichen Interessen , Antriebsbeeinträchtigung, vermehrten Befürchtungen und Ängsten einhergegangen; vor diesem Hintergrund sei auch zu bewerten , dass der Angeklagte aufgrund wahnhafter Befürchtungen im Jahr 2002 über längere Zeit seine gewohnte soziale Umgebung verlassen hatte.“ Insgesamt habe die von dem Sachverständigen „klassifizierte krankhafte seelische Störung, d.h. die immer wieder in unterschiedlichem Ausmaß zutage tretende depressive Problematik , beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkt, dass die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei. Anhaltspunkte dafür, dass von einer aufgehobenen Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden könne , ließen sich hingegen nicht finden“ (UA S. 21 f.).
14
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung bereits deshalb nicht stand, weil die Strafkammer von einem unzutreffenden Prüfungsansatz ausgegangen ist.
15
aa) Bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Tatgericht ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten hat. Dabei fließen normative Erwägungen ein. Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens hängt auch von den Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an das Verhalten des Einzelnen stellt. Dies zu beurteilen, ist allein Sache des Gerichts. Lediglich zur Beurteilung der Vorfrage nach den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarf es sachverständiger Hilfe, wenn es hierüber nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (BGHSt 43, 66, 77; BGH StV 1999, 309, 310).

16
bb) Ob eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit - und zwar „bei Begehung der Tat“ - vorliegt, hat das Tatgericht im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 43, 66, 78). Dabei ist zu klären, ob sich die Fähigkeit des Angeklagten, motivatorischen und situativen Tatanreizen in der konkreten Tatsituation zu widerstehen und sich normgemäß zu verhalten, im Vergleich mit dem „Durchschnittsbürger“ in einem solchen Maß verringert hat, dass die Rechtsordnung diesen Umstand bei der Durchsetzung ihrer Verhaltenserwartungen nicht übergehen darf (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 21 Rdn. 7a).
17
cc) Eine derartige Gesamtwürdigung hat die Strafkammer, die in den Urteilsgründen allein die „Feststellungen“ des Sachverständigen wiedergibt, nicht vorgenommen. Mehrere belangvolle Umstände, die für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten von maßgeblicher Bedeutung sind, finden in den Urteilsgründen keine Erwähnung. So setzt sich die Strafkammer nicht mit der bei Annahme einer „depressiven Störung“ bedeutsamen Tatsache auseinander, dass der Angeklagte im Hinblick auf seine steuerlichen Erklärungspflichten nicht etwa gänzlich untätig geblieben ist, sondern zum Teil Steuererklärungen mit unrichtigem Inhalt eingereicht hat. Der Erörterung hätte auch bedurft, dass der Angeklagte in der Lage war, ein Unternehmen mit drei Filialen zu leiten, das in den Jahren 2005 und 2006 Bruttoumsätze von mehr als 100.000,-- Euro pro Monat tätigte und bei dem eine Mehrzahl von Arbeitnehmern mit einer monatlichen Lohnsumme von mehr als 20.000,-- Euro beschäftigt waren. Die Leitung eines Gewerbebetriebs dieses Umfangs erfordert nicht unerhebliche Organisationsmaßnahmen im Bereich des Kassenwesens, der Materialbeschaffung sowie der Auswahl und Überwachung des Personals. War der Angeklagte aber zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=NStZ&b=2004&s=437 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=NStZ&b=2004&s=437&i=438 - 11 - der Lage, hätte die Annahme, dass die „depressive Störung“ des Angeklagten so erheblich war, dass er seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, besonderer Begründung bedurft.
18
c) Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten halten auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie nicht auf die jeweiligen Tatzeitpunkte bezogen sind. Eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB kommt nur in Betracht, wenn die Schuldfähigkeit „bei Begehung der Tat erheblich vermindert“ war. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige der Tathandlung im Sinne von § 8 Satz 1 StGB. Werden - wie hier - innerhalb eines längeren Zeitraums mehrere Taten begangen, ist deshalb die Prüfung nicht generell, sondern in Bezug auf jede einzelne Tat vorzunehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 437, 438; NStZ-RR 2007, 105, 106). Daran fehlt es hier. Insbesondere hat das Landgericht nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte den Tatbestand der Steuerhinterziehung zum Teil durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), in den übrigen Fällen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) verwirklicht hat.
19
d) Die Erwägungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit sind zudem widersprüchlich ; denn die Strafkammer misst trotz Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten dessen „planmäßiger“ Steuerhinterziehung strafschärfende Bedeutung bei.
20
e) Auf diesen Rechtsfehlern beruht der gesamte Strafausspruch. Der Senat muss deshalb besorgen, dass das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten für einzelne oder alle Taten verneint hätte, wenn es die gebotene Gesamtwürdigung der für die Schuldfä- higkeit des Angeklagten maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei vorgenommen hätte.
21
2. Soweit der Angeklagte seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, fristgemäß Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben (Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe ), hält die Strafzumessung auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht als „Hinterziehungsschaden“ allein den sich aus der verspäteten Steuerfestsetzung ergebenden „Zinsverlust“ des Fiskus angesehen hat.
22
a) Tatbestandlicher Erfolg einer Steuerhinterziehung ist gemäß § 370 Abs. 1 AO die Steuerverkürzung bzw. die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile. Der Umfang der verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile bemisst sich dabei nach deren Nominalbetrag; denn die Steuerhinterziehung bezieht sich auf die Steuern und Steuervorteile, nicht auf die Hinterziehungszinsen. Dies gilt bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern auch dann, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung besteht. Der Umstand, dass der Unternehmer nicht nur Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern für jedes Kalenderjahr auch eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
23
aa) Nach § 18 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraumes eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Voranmeldungszeitraum ist dabei das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG), unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG der Kalendermonat. In der Umsatzsteuervoranmeldung hat der Unternehmer die geschuldete Steuer selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG), eine sich daraus ergebende Vorauszahlung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig.
24
Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Unternehmer gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer oder einen sich zu seinen Gunsten ergebenden Überschuss selbst zu berechnen hat. Aufgrund der Jahreserklärung wird die Steuer für das Kalenderjahr als Besteuerungszeitraum (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) erstmals festgesetzt (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 132). Die Umsatzsteuerjahreserklärung ist grundsätzlich bis zum 31. Mai des auf das jeweilige Veranlagungsjahr folgenden Jahres abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit sich auf der Grundlage der Jahreserklärung abweichend zu den Voranmeldungen ein Unterschiedsbetrag zu Gunsten des Finanzamts ergibt, ist dieser nach § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG einen Monat nach Eingang der Steueranmeldung fällig. Die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG wird dadurch nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG).
25
Die Umsatzsteuervoranmeldung und die Umsatzsteuerjahreserklärung sind Steueranmeldungen im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. Sie stehen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Lediglich dann, wenn sich aus der Voranmeldung oder der Jahreserklärung eine Steuervergütung ergibt, tritt die Wirkung einer Steuerfestsetzung nach § 168 Satz 2 AO erst ein, wenn die Finanzbehörde zustimmt, was nach § 168 Satz 3 AO formlos möglich ist.
26
Die steuerlichen Verfahren betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits sind steuerrecht- lich selbstständig und können sich zeitlich überschneiden (vgl. Zeuner in Bunjes /Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 23; Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 § 370 AO Rdn. 1364). Dabei löst die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer die Vorauszahlungsfestsetzungen für die zukünftige sachlichrechtliche Beurteilung des Steueranspruchs ab, ohne aber die Steuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume aufzuheben oder zu ändern und ohne Aussagen über ihre materielle Richtigkeit zu treffen (vgl. Bülow in Vogel /Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 131). Auch wird die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Fälligkeit eines sich eventuell aus der Jahreserklärung ergebenden Unterschiedsbetrags zu Gunsten des Finanzamts nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG). Auf der anderen Seite ist ein sich gegebenenfalls aus einer Umsatzsteuervoranmeldung ergebender Überschuss nach Zustimmung des Finanzamtes (§ 168 Satz 2 AO) als Erstattungsbetrag ohne besonderen Antrag auszuzahlen; er ist nicht auf die Jahreserklärung vorzutragen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 24).
27
Aufgrund der verfahrensrechtlichen Selbstständigkeit beider Arten von Steueranmeldungen entbindet die Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen den Unternehmer nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung. Umgekehrt lässt eine zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung die steuerrechtliche Pflicht zur Einreichung noch ausstehender Umsatzsteuervoranmeldungen nicht entfallen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 23). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Summe der Vorauszahlungen mit der Steuer für den Besteuerungszeitraum deckt (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb UStG Stand 60. Lfg. September 2008 § 18 UStG Rdn. 60).
28
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat festhält, stehen Steuerhinterziehungen wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen und solche, bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung, auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander , wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH wistra 2005, 66; 2005, 145, 146; 2005, 228, 229). Aufgrund der steuerrechtlichen Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren (vgl. oben Abschnitt aa) kommt einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben Kalenderjahr (§ 18 Abs. 1 UStG) in steuerstrafrechtlicher Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zu. Jede Steueranmeldung hat einen eigenständigen Erklärungswert, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird (BGH NStZ 1996, 136, 137).
29
Somit verwirklicht der Täter mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung weiteres Handlungsunrecht und schafft zudem neues Erfolgsunrecht, indem er eine eigenständige Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen herbeiführt. Deshalb ist die Steuerhinterziehung aufgrund der Verletzung der Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung auch nicht mitbestrafte Nachtat, wenn der Täter bereits wegen Verletzung seiner Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe zutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen strafbar ist (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NStZ 1996, 136, 137). Dies gilt selbst dann, wenn die unrichtigen Angaben in der Umsatzsteuerjahresanmeldung und vorangegangenen Umsatzsteuervoranmeldungen inhaltlich übereinstimmen (a.A. offenbar OLG Frankfurt wistra 2006, 198).

30
Ausgehend von den Besonderheiten des umsatzsteuerlichen Besteuerungsverfahrens sind für jedes Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) bei vierteljährlichem Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG) bis zu fünf und bei monatlich abzugebenden Voranmeldungen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG) bis zu dreizehn materiell voneinander unabhängige Taten der Steuerhinterziehung möglich. Sie sind bei unrichtigen Angaben vollendet, sobald die jeweilige Anmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung hat (BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2), in den Fällen des § 168 Satz 1 AO also bereits mit Einreichung der Steueranmeldung, sonst mit Zustimmung der Finanzbehörde (§ 168 Satz 2 AO).
31
Von der Tatvollendung zu unterscheiden ist der - insbesondere für den Beginn der Strafverfolgungsverjährung maßgebliche - Zeitpunkt der Tatbeendigung als endgültigem Abschluss des Tatgeschehens. Wegen der engen Verzahnung der umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten, die sich jeweils auf dasselbe Kalenderjahr beziehen, ist das Tatgeschehen bei der Umsatzsteuerhinterziehung auch im Hinblick auf die unrichtigen oder pflichtwidrig nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen regelmäßig erst dann endgültig abgeschlossen , wenn diejenige Steuerhinterziehung beendet ist, die durch Nichteinreichung einer Umsatzsteuerjahreserklärung oder durch Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung begangen worden ist; lediglich diese Steuerhinterziehung ist im Zeitpunkt ihrer Vollendung zugleich beendet (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NJW 1989, 2140, 2141; BGH wistra 1991, 215, 216). Die vorsätzliche Verletzung mehrerer umsatzsteuerlicher Erklärungspflichten für ein und dasselbe Kalenderjahr gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum selben geschichtlichen Ereignis und ist damit Teil derselben Tat im prozessualen Sinn im Sinne des § 264 StPO (BGHSt 49, 359).

32
Dem Umstand, dass die umsatzsteuerlichen Pflichten zur Abgabe für das jeweilige Kalenderjahr eng verzahnt sind und im Ergebnis der Durchsetzung desselben Steueranspruchs dienen, ist bei gleichzeitiger Aburteilung bei der Gesamtstrafbildung Rechnung zu tragen (BGH wistra 2005, 145, 147). Im Hinblick auf die Teilidentität im Unrechtsgehalt zwischen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und der dasselbe Jahr betreffenden Jahreserklärung wird aber das Tatgericht im Regelfall - schon aus Gründen der Vereinfachung - in Verfahren dieser Art gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung entweder auf die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung oder die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen beschränken können (vgl. BGHSt 49, 359, 365).
33
cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ebenso wie das pflichtwidrige Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung zunächst lediglich zu einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“; erst die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung oder die pflichtwidrige Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung bewirkt die endgültige Steuerverkürzung, d.h. die Verkürzung „auf Dauer“ (vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 2002, 185).
34
Diese aus dem System der Umsatzbesteuerung folgende Unterscheidung beschreibt nur die Art der Rechtsgutsverletzung; sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen auf die Bestimmung von Umsatzsteuervorauszahlungen gerichtet sind während die Jahresumsatzsteuer in einem eigenständigen Verfahren (§ 18 Abs. 3 UStG) festgesetzt wird. Eine Aussage über den tatbestandlichen Verkürzungsumfang ist damit aber nicht getroffen.
35
Aus der Differenzierung in eine Steuerhinterziehung „auf Zeit“ und eine solche „auf Dauer“ folgt insbesondere nicht, dass bei einer nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung die tatbestandliche Steuerverkürzung allein im Zinsverlust des Fiskus bestehen würde. Zwar entspricht der durch eine Steuerverkürzung „auf Zeit“ verursachte Verspätungsschaden der Höhe nach dem Zinsverlust, der sich nach der Rechtsprechung nach Maßgabe der Vorschriften über die Hinterziehungszinsen (§§ 235, 238 AO) mit 0,5 Prozent des nicht rechtzeitig festgesetzten Steuerbetrages pro Monat errechnet (BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; ebenso BayObLG wistra 1991, 313; 318; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 78; a.A. Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Stand 88. Ergänzungslieferung Dezember 2008 § 370 AO Rdn. 99, der den jeweils geltenden Kapitalmarktzins zu Grunde legen will).
36
Die auf die Art der Rechtsgutsverletzung abstellende Differenzierung determiniert jedoch nicht die Höhe der tatbestandlichen Steuerverkürzung und beschränkt diese bei Umsatzsteuervorauszahlungen auch nicht auf den Zinsschaden. Soweit der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen möglicherweise abweichende Aussagen getroffen hat (vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 1997, 262, 263; wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; freilich jeweils unter Bezugnahme auf BGHSt 38, 165 und BGH wistra 1996, 105, aus denen sich lediglich eine Differenzierung in eine Steuerverkürzung auf Zeit und eine solche auf Dauer ergeben könnte), hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht fest. Der tatbestandsmäßige Erfolg der Steuerhinterziehung ist vielmehr ausgehend vom Schutzzweck des verwirklichten Straftatbestandes zu bestimmen , wobei die gesetzgeberischen Wertungen des materiellen Steuerrechts, das die Blankettnorm des § 370 AO ausfüllt, zu berücksichtigen sind. Danach gilt Folgendes:
37
(1) Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch - wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt - nicht notwendig Verletzungsdelikt (vgl. Senat wistra 2009, 114, 117). Die im Festsetzungsverfahren begangene Steuerhinterziehung ist vielmehr konkretes Gefährdungsdelikt (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15), wobei die geschuldete Steuer bereits dann verkürzt ist, wenn die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt wird.
38
(2) Voranmeldungen nach § 18 Abs. 1 UStG dienen der zeitnahen Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 63; Peter/Burhoff/Stöcker Umsatzsteuer Stand 80. Lfg. 11/2008 § 18 UStG Rdn. 22). Bereits auf deren Grundlage und nicht erst nach Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung soll dem Staat der wesentliche Teil des Umsatzsteueraufkommens zufließen. Deshalb hat der Unternehmer schon für die Voranmeldungszeiträume die geschuldeten Steuern binnen zehn Tagen nach Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums nicht nur selbst zu berechnen, sondern auch an das Finanzamt abzuführen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG).
39
(3) Bei einer Verletzung der Pflichten zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen besteht die gemäß § 370 AO strafbewehrte Gefährdung des sich aus § 18 Abs. 1 und 2 UStG ergebenden Steueranspruchs unabhängig davon, ob der Steuerschuldner beabsichtigt, zu einem späteren Zeitpunkt - namentlich in der Umsatzsteuerjahreserklärung - falsche Angaben zu berichtigen bzw. fehlende Angaben nachzuholen, oder ob er eine Steuerverkürzung auf Dauer anstrebt. In jedem Fall bezweckt er zunächst eine unrichtige Festsetzung. Deren spätere Korrektur ist zwar möglich; diese ist aber von weiteren in der Zukunft liegenden und noch ungewissen Ereignissen abhängig. Unterschiedlich ist insoweit lediglich - in Abhängigkeit von den Planungen des Tä-ters - die Intensität der Gefährdung. Dieser Umstand ist zwar für die Strafzumessung von Bedeutung, lässt aber den Umfang des tatbestandsmäßigen Erfolgs unberührt. In beiden Fällen ist das Erfolgsunrecht identisch (vgl. Franzen /Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 77).
40
(4) Im Hinblick auf den Charakter der Steuerhinterziehung als Gefährdungsdelikt unterscheiden sich daher bei der Umsatzsteuerhinterziehung die Verkürzung „auf Dauer“ und diejenige „auf Zeit“ nicht im Erfolgs-, sondern - im Hinblick auf das Vorstellungsbild des Täters - nur im Handlungsunrecht (vgl. Franzen/Gast/Joecks aaO). Will der Täter sich - was freilich nur in seltenen Fällen gegeben sein wird und deshalb sorgfältig zu prüfen ist - durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich auf Zeit Liquidität verschaffen und hat er vor, im Rahmen der Jahreserklärung zutreffende Angaben zu machen und den sich ergebenden Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG zu entrichten, ist sein Ziel nur eine Schadenswiedergutmachung. Es gilt dann Folgendes:
41
(a) Berichtigt der Täter - seinem Tatplan entsprechend - in der Umsatzsteuerjahreserklärung seine unrichtigen Angaben und zahlt er die zunächst hinterzogenen Steuern nach, stellt sich die Frage, wie die Steuerhinterziehung „auf Zeit“ zu ahnden ist, regelmäßig nicht, da in solchen Fällen zumeist die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO vorliegen (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 § 371 AO Rdn. 64.2). Tritt ausnahmsweise keine Straffreiheit ein, ist - freilich erst - im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen, dass sein Vorsatz nur auf eine Verkürzung „auf Zeit“ gerichtet war und er den Steuerschaden wiedergutgemacht hat.
42
(b) Berichtigt der Täter seine in den Voranmeldungen gemachten unrichtigen Angaben entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht, geht die als Verkürzung „auf Zeit“ geplante Hinterziehung in eine solche „auf Dauer“ über. Das bereits in den unrichtigen Voranmeldungen liegende Erfolgsunrecht der Gefährdung des Steueranspruchs wird dadurch nicht berührt. Es findet lediglich keine Schadenswiedergutmachung statt. Mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung begeht der Täter dann eine weitere Tat mit neuem Handlungsunrecht und weiterem Erfolgsunrecht , das in einer neuen und eigenständigen Gefährdung des Steueraufkommens besteht.
43
(c) Scheitert die vom Täter zunächst beabsichtigte Schadenswiedergutmachung daran, dass es ihm nach einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich ist, den Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG nachzuentrichten, kommt es ebenfalls zu einer dauerhaften Verkürzung der Steuer. Im Rahmen der Strafzumessung kann dem Täter dann zwar zugute gehalten werden, dass er bei der Tatbegehung eine spätere Schadenswiedergutmachung vorhatte. Waren allerdings bereits bestehende finanzielle Schwierigkeiten Motiv für die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen, relativiert dies die strafmildernde Bedeutung der Wiedergutmachungsabsicht. Denn in solchen Fällen ist die spätere Unmöglichkeit der Entrichtung der vom Unternehmer wie von einem Treuhänder für den Staat verwalteten Umsatzsteuerbeträge regelmäßig vorhersehbar. Die „Absicht“ der Wiedergutmachung erweist sich dann als bloße - oft sogar unrealistische - „Hoffnung“. Eine andere Situation besteht, wenn - was eher selten vorkommen dürfte - die Unmöglichkeit der Schadenswiedergutmachung für den Unternehmer aus einem plötzlichen und unvorhersehbaren Ereignis resultiert. Waren aber von Anfang an ausreichend Zahlungsmittel für die Entrichtung der Steuern vorhanden, ist sorgfältig zu prüfen, ob der Steuerpflichtige bei Abgabe unrichtiger Steuervoranmeldungen tatsächlich nur eine Steuerverkürzung auf Zeit geplant hatte, da in einem solchen Fall die Schaffung von Liquidität als Tatmotiv regelmäßig ausscheidet.
44
b) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Strafzumessung in den Fällen 4 bis 10 der Urteilsgründe auch deswegen einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten enthält, weil das Landgericht zu Unrecht lediglich die Hinterziehungszinsen als verkürzt angesehen und damit einen zu niedrigen Verkürzungsumfang angenommen hat. Hierauf beruht das Urteil. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung auch nicht in den Blick genommen, ob es das Handlungsziel des Angeklagten war, die zunächst bewirkte Hinterziehung „auf Zeit“ später in eine solche „auf Dauer“ übergehen zu lassen (vgl. BGHSt 43, 270, 276). Dies liegt nach dem Tatbild aber nahe; für die Annahme, der Angeklagte könnte lediglich beabsichtigt haben, sich durch die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen „auf Zeit“ einen Liquiditätsvorteil zu verschaffen , bestehen aufgrund der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
45
3. Soweit das Landgericht in sieben Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung (Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 2005 und 2006, Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe) sowie in den 43 Fällen der Lohnsteuerhinterziehung als Einzelstrafen jeweils lediglich Geldstrafen verhängt hat, weist das Urteil in der Strafzumessung ebenfalls einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.

46
a) Zwar unterliegt die Strafzumessung nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn es ist Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung des Tatgerichts ist aber dann zulässig und geboten, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen oder gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; st. Rspr.).
47
b) Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier vor; denn das Tatgericht hat bei der Verhängung von Einzelgeldstrafen das Vorliegen einer Tatserie nicht erkennbar berücksichtigt.
48
In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte , von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe. Denn in solchen Fällen ist nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick genommen werden (BGH NStZ 2001, 311; NStZ 2004, 554). Dies gilt auch bei Steuerstraftaten (vgl. BGH HFR 1995, 227).
49
Danach ist es zwar auch bei einer Tatserie nicht ausgeschlossen, neben Freiheitsstrafen auch Einzelgeldstrafen zu verhängen. Allerdings müssen dann die Urteilsgründe für das Revisionsgericht nachprüfbar erkennen lassen (vgl. Engelhardt in KK 6. Aufl. § 267 Rdn. 32; Theune in LK 12. Aufl. § 47 Rdn. 33), dass das Tatgericht bei der Zumessung der Einzelstrafen die Tatserie als solche und den durch sie verursachten Schaden gesehen und gewertet hat und aus welchen Gründen es gleichwohl in einem Teil der Fälle Freiheitsstrafen für geboten, im übrigen aber Geldstrafen für ausreichend erachtet hat. Der Umstand , dass nach § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen die Ausnahme ist, rechtfertigt für sich allein bei einer Tatserie nicht, von einer näheren Begründung des Nebeneinanders von Geld- und Freiheitsstrafen abzusehen.
50
Diesen Maßstäben genügt das Urteil nicht. Ob im Hinblick auf die Tatserie gemäß § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen anstelle der festgesetzten Geldstrafen geboten war, wird im Urteil nicht erörtert. Die pauschale Wendung, dass die Verhängung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten in den Fällen, in denen solche Strafen verhängt wurden, erforderlich gewesen sei, kann die gebotene Würdigung der Tatserie bei der Zumessung der Einzelstrafen nicht ersetzen. Das Urteil beruht auch auf dem Darlegungsmangel.
51
4. Die gebotene Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafen die Grundlage. Dieser könnte auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Verhängung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Angesichts der im wesentlichen gleich gelagerten Fälle, bei der die Bildung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe fern liegt (vgl. BGH NStZ 2001, 311), erwecken sie den Eindruck , dass das Tatgericht nur deshalb von einer an sich schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von über zwei Jahren abgesehen hat, damit die Vollstreckung nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte; das aber wäre rechtlich zu beanstanden (vgl. BGHSt 29, 319, 321).
52
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern Vorsteuern, die der Täter zur Verheimlichung seiner Taten nicht geltend gemacht hat, im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind (BGH wistra 2005, 144, 145). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung ja
Zur Beurteilung des Schweregrads einer anderen seelischen Abartigkeit (hier
„dissoziale und schizoide Persönlichkeitsstörung“) und der Erheblichkeit der
Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat (Fortführung von BGHSt
37, 397).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 – LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 346/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. April 2003 wird verworfen. 2. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Ausla- gen der Nebenklägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen räuberischen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinen die Angeklagte belastenden Rechtsfehler ergeben.

II.

Die Beschwerdeführerin deckt mit ihrem Revisionsvorbringen auch im Strafausspruch keinen Rechtsfehler auf. Näherer Erörterung bedarf allerdings die Rüge, die Angeklagte leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung
und habe sowohl bei dem verfahrensgegenständlichen räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 als auch beim erpresserischen Menschenraub im Juli 2002 unter einem so starken Motivationsdruck gestanden, daß sie für beide Taten - anders als vom Landgericht angenommen - strafrechtlich nicht voll verantwortlich gewesen sei. 1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat zur Persönlichkeitsentwicklung der Angeklagten und zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen :
a) Die Angeklagte, deren Eltern aus Kroatien stammen, wuchs in Deutschland gemeinsam mit einer Schwester auf. Sie hatte trotz durchschnittlicher Begabung bereits früh Probleme in der Grundschule. Nachdem sie die zweite Klasse wiederholen mußte, kam sie in die Sonderschule. Diese verließ sie im Jahre 1988 nach der 9. Klasse ohne Abschluß und besuchte danach ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten als wahr unterstellt, sie sei von ihrem Vater seit ihrem siebten Lebensjahr bis kurz vor ihrer Verhaftung immer wieder sexuell mißbraucht und regelmäßig geschlagen worden. Ab dem zehnten Lebensjahr unternahm sie mehrere Suizidversuche. Im Jugendalter wurde sie dreimal in stationäre psychiatrische Behandlung nach Kroatien gebracht, wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder entlassen, ohne daß eine klare Diagnose gestellt werden konnte. Es wurden ihr Antidepressiva und regelmäßig ein Schmerzmittel verschrieben. Sie konsumierte außerdem seit dem 14. Lebensjahr in erheblichem Umfang Alkohol , ohne daß sich jedoch eine Suchtproblematik herausgebildet hätte. Gelegentlich konsumierte die Angeklagte auch Haschisch. Im Jahre 1991 heiratete die Angeklagte. Aus der Ehe gingen zwei Kinder im Alter von nunmehr elf und sechs Jahren hervor. Nach der Heirat arbeitete
sie halbtags als Textilverkäuferin; später übte sie verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war sie in einem Fitneß-Studio tätig, wo sie rund 500 Euro im Monat verdiente. Etwa Mitte der neunziger Jahre spitzten sich ihre persönlichen Probleme zu. Sie praktizierte einen gehobenen Lebensstil, der nicht ihren bescheidenen finanziellen Verhältnissen entsprach, unter anderem mit häufigen Urlauben, teurer Kleidung für sich und ihre Kinder und häufigem Ausgehen mit Einladungen von Freunden. Diesen Lebensstil konnte sie nur durch zahlreiche Vermögensstraftaten finanzieren. Deshalb wurde sie am 24. Mai 1995 u. a. wegen Diebstahls in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Strafe wurde 1999 erlassen. Am 23. Mai 2000 wurde sie wegen Betrugs in zehn Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in neun Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde nochmals zur Bewährung ausgesetzt. Im Jahr 1999 lernte sie während eines Urlaubs in Tunesien einen Tunesier kennen, der Mitglied einer sektenartigen Bewegung war, in der sich die Angeklagte aufgehoben fühlte. Seit 2000 leben die Eheleute getrennt.
b) Der räuberische Diebstahl Im Oktober 2001 betrat die Angeklagte gegen Mittag ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahmestelle und ließ sich einschließen. Sie entnahm der Lottokasse Bargeld in Höhe von mindestens 1.200 DM und packte drei Plastiktüten mit rund 320 Schachteln Zigaretten ein. Als die Ladenbesitzerin nach der Pause das Geschäftslokal betrat, gab die Angeklagte vor, versehentlich eingeschlossen worden zu sein. Die Ladenbesitzerin wollte die Angeklagte einschließen und die Polizei benachrichtigen. Dies verhinderte die Angeklagte
mit einem kräftigen Stoß, bei der die Frau zu Boden ging. Sie forderte nach einem Faustschlag von ihr das Mobilteil des Telefons, das sie in die Tasche steckte. Dann flüchtete sie. Die Angeklagte konnte aufgrund von Fingerabdrükken ermittelt und am 12. März 2002 festgenommen werden. Nach einem über ihren Verteidiger abgegebenen Geständnis wurde sie am 26. März 2002 wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Angeklagte rechnete wegen dieser Tat mit einer erheblichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung und befürchtete den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung aus einer früheren Verurteilung. Außerdem hatte sie Probleme mit ihrem Vater, der sich im Jahre 2001 von ihrer Mutter getrennt hatte und seitdem bei ihr der Wohnung wohnte. Die Probleme trieben einem Höhepunkt zu, als der Vater den Wunsch äußerte, mit ihrer Tochter ein Wochenende allein im Schwarzwald zu verbringen. Die Kammer hat zu Gunsten der Angeklagten angenommen, sie habe befürchtet, der Vater könne sich auch an ihrer Tochter vergehen. Um den Problemen zu entgehen, faßte die Angeklagte den Plan, Deutschland zu verlassen und in Tunesien eine neue Existenz aufzubauen. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft feierte sie dort aufwendig die Verlobung mit dem Tunesier, obwohl sie noch verheiratet war. Sie versprach dem Verlobten, dem gegenüber sie sich als wohlhabend ausgab, daß sie im Juli 2002 mit ihren Kindern endgültig zu ihm nach Tunesien ziehen werde. Dabei werde sie einen großen Geldbetrag mitbringen, mit dem man dort gemeinsam ein Mietwagenunternehmen aufbauen könne.
c) Die Kindesentführung
Anfang Juli 2002 faßte die Angeklagte den Entschluß, sich die Mittel zur Durchführung ihrer Tunesien-Pläne durch eine Kindesentführung mit Lösegeldforderung zu beschaffen. Als Erpressungsopfer erschien ihr hierfür die als wohlhabend geltende Familie R. geeignet, die nach ihren Informationen in der Lage sein würde, einen größeren Geldbetrag auch kurzfristig besorgen zu können. Der Plan der Angeklagten ging dahin, die 7jährige Tochter J. auf dem Schulweg in ihre Gewalt zu bringen und für ihre Freilassung ein "Löse- ! " # %$ &' ( &' *)+ , - ' . 0/1& geld" von 250.000 dem Geld sofort nach Tunesien absetzen. Zur Vorbereitung der Tat observierte die Angeklagte ab Anfang Juli 2002 die Verhaltensgewohnheiten der Familie R. . Insbesondere erforschte sie durch zahlreiche Anrufe, bei denen sie sich nicht meldete, zu welchem Zeitpunkt sich die Mitglieder der Familie zu Hause aufhielten. Zur Durchführung der Tat, die zunächst für den 12. Juli 2002 geplant war, kaufte sie einen gebrauchten Pkw BMW der 7er-Klasse. Da sie das Fahrzeug mit nach Tunesien mitnehmen wollte, ließ sie das Fahrzeug mit Ausfuhrkennzeichen zu. Am gleichen Tag buchte sie unter ihrem eigenen Namen zwei Flugreisen für den 12. Juli 2002 von Stuttgart nach Tunesien. Als Passagiere gab sie ihren Sohn und eine Person namens E. an. Sie war auf unbekannte Weise in Besitz eines Personalausweises mit diesem Namen gelangt und wollte unter diesem Namen nach Tunesien reisen. Am 10. Juli 2002 suchte sie ihre Cousine und deren Ehemann auf und teilte diesen mit, sie habe die Absicht nach Tunesien auszuwandern. Beide erklärten sich bereit, das Fahrzeug nach Tunesien zu überführen und die Tochter der Angeklagten mitzunehmen. Am 12. Juli 2002 gab sich die Angeklagte gegenüber der Sekretärin der Schule, in der J. in die erste Klasse ging, als deren Mutter aus und forderte sie auf, das Kind nach Hause zu schicken. Da J. jedoch krankheits-
bedingt nicht in der Schule war, brach die Angeklagte den Entführungsversuch an diesem Tag ab. Sie stornierte den geplanten Flug nach Tunesien und buchte den Flug auf den nächsten Tag um, in der Hoffnung die Tat an diesem Tag durchzuführen. Der Entführungsversuch fand aus nicht feststellbaren Gründen jedoch nicht statt.
Am 15. Juli 2002 überlegte die Angeklagte, wie sie auf anderer Weise Jasmin in ihre Gewalt bringen könnte. Sie wurde dabei gesehen, wie sie gegen 8.00 Uhr morgens aus ihrem Fahrzeug das Wohnhaus der Eheleute R. beobachtete. Die Angeklagte entschloß sich schließlich, die Entführung am 18. Juli 2002 durchzuführen. Sie buchte am 16. Juli 2002 für dieselben Personen einen Flug nach Tunesien für den 19. Juli 2002. Der Flug sollte jedoch von München stattfinden, wo sie die Nacht verbringen wollte. Sie buchte für sich und ihre Tochter eine Übernachtung im Hotel K. . Nachdem die Angeklagte am 18. Juli 2002 mehrere Kontrollanrufe bei der Familie R. getätigt hatte, fuhr sie mit ihrem Fahrzeug, in dem sie eine geladene Schreckschußpistole und ein Elektroschockgerät mit sich führte, gegen 8.00 Uhr zu der Schule. Gegen 9.00 Uhr sprach sie auf dem Schulgelände zwei 8jährige Schüler an und bat sie, J. aus dem Klassenzimmer zu holen ; sie solle zu der Sekretärin ins Rektorat kommen. Die Schüler, die die Angeklagte als Mutter von J. ansahen, holten J. mit Zustimmung der Klassenlehrerin heraus und begleiteten sie in Richtung Rektorat. Die Angeklagte paßte die beiden Schüler und J. zwischen dem Klassenraum und dem Rektorat ab. Die arglosen Jungen ließen J. mit der Angeklagten al-
lein. Sie vergewisserte sich, ob es sich bei dem Kind um J. handele und schüchterte es mit dem mitgebrachten Elektroschockgerät ein, indem sie dieses am Hals des Mädchens auslöste. Als J. zu schreien begann, drohte ihr die Angeklagte, sie werde sie töten, wenn sie nicht ruhig sei. Das Kind verhielt sich ruhig, weigerte sich aber, mit der Angeklagten zu gehen. Die Angeklagte nahm es unter den Arm und trug es zu ihrem Fahrzeug. J. wehrte sich dagegen mit Strampeln und verlor dabei ihre Sandalen und ihre Brille. Die Angeklagte setzte J. zunächst auf den Beifahrersitz und drückte das Kind nach unten, um zu verhindern, daß es bei der Abfahrt gesehen wurde. Um J. weiterhin gefügig zu machen, löste die Angeklagte das Elektroschockgerät nochmals an ihrer Wange aus, wodurch es zu einer leichten Verbrennung kam. Gegen 9.50 Uhr rief die Angeklagte J. s Vater an und forderte ihn auf nach Hause zu kommen, weil J. nach Hause gegangen sei. Er begab sich sofort nach Hause. Dort rief die Angeklagte den Vater erneut an und teilte ihm mit, daß sie J. in ihrer Gewalt habe. Er solle ruhig sein und keine Polizei rufen. Für den Fall, daß er sich nicht an ihre Anweisungen halte, drohte die Angeklagte, es würde für seine Tochter auf dem Markt einen guten Preis geben. Der Vater sollte die Befürchtung haben, sie wolle J. an einen Mädchenhändler verkaufen. Der Vater fuhr danach sofort in die Schule, wo inzwischen die Schuhe und die Brille des Kindes gefunden waren. Die Angeklagte fuhr mit dem Wagen ziellos im Raum L. herum. Da das Kind verängstigt und verzweifelt jammerte, verbrachte sie es spätestens gegen 11.00 Uhr in den Kofferraum des Fahrzeugs, wo es bis zu seiner Befreiung bis gegen 16.00 Uhr verblieb. Gegen 11.50 Uhr rief die Angeklagte den Vater J. s an und forderte ihn auf, binnen einer Stunde 250.000 243 die Freilassung seiner Tochter bereitzustellen. Nachdem der Vater einwandte, er benötige für die Beschaffung des Geldes Zeit bis 16.00 Uhr, erklärte sie sich
bereit, abzuwarten. In der Folgezeit rief sie mehrfach beim Vater an, um sich nach dem Stand der Vorbereitungen für die Geldübergabe zu erkundigen. Um 14.25 Uhr sprach die Angeklagte am Bahnhof in L. einen Taxifahrer an und forderte ihn auf, zum Haus der Familie R. zu fahren, dort ein Päckchen abzuholen und zu ihr zu bringen. Sie einigte sich mit dem Taxifahrer auf 50 Euro für die Fahrt. Um 14.40 Uhr teilte die Angeklagte dem Vater von J. mit, daß sie einen Boten schicken werde, der das Geld abholen werde. Um 14.50 Uhr rief sie den Vater erneut an und erklärte, er werde seine Tochter nicht wiedersehen, da er die Polizei eingeschaltet habe. In Absprache mit der inzwischen eingeschalteten Polizei gab der Vater gegenüber dem Taxifahrer an, daß das Paket noch nicht da sei, er möge noch etwas warten. Der Vater erfuhr dabei, daß der Taxifahrer das Paket zum Bahnhof nach L. bringen solle. Daraufhin begann die Polizei mit der Observation des Bahnhofsgebietes in L. . Dort entdeckte die Polizei die Angeklagte gegen 15.19 Uhr in ihrem Fahrzeug; bis zu ihrer Festnahme um 15.48 Uhr wurde sie lückenlos observiert. J. wurde im Kofferraum des Fahrzeugs in einem zwar erschöpften, jedoch insgesamt zufriedenstellenden Zustand aufgefunden.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Angeklagten verneint und sie für beide Taten für strafrechtlich voll verantwortlich gehalten. Die Kammer ist dem psychiatrischen Sachverständigen darin gefolgt, die Angeklagte leide an einer schweren gemischten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und schizoiden Anteilen, die weitgehend auf einem hochproblema-
tischen Verhältnis zum Vater beruhe. Dazu ist in den Urteilsgründen näher ausgeführt, die Störung äußere sich in einer unausgeglichenen Affektivität mit autoaggressiven Zügen, einer gestörten Beziehungsfähigkeit und einer Neigung , insbesondere problematische Dinge von sich abzuspalten. Die Persönlichkeitsstörung , die auch durch sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei deshalb so erheblich, daß Symptome vorlägen, die rechtlich als "schwere andere seelische Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB eingeordnet würden. Die Strafkammer ist den Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit gefolgt, als keine Anhaltspunkte dafür bestünden, daß sich die Persönlichkeitsstörung bei der konkreten Tat auf ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe. Die Angeklagte sei in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Angesichts der hohen Komplexität der Tatabläufe , insbesondere der umfänglichen Tatplanung und der Vorbereitungshandlungen , sowie der Tatsache, daß die Angeklagte längerfristige, zukunftsgerichtete Pläne verfolgt habe, lägen keine Hinweise dafür vor, daß sie ihr Verhalten nicht habe steuern können. Dagegen hat die die Revision eingewendet, die Beurteilung der Schuldfähigkeit sei in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer habe bezüglich des ersten Tatvorwurfs, dem räuberischen Diebstahl, die Frage der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit überhaupt nicht geprüft. Hinsichtlich der Kindesentführung habe sie sich zwar mit der Problematik auseinandergesetzt , jedoch schon verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes die Annahme einer schweren seelischen Abartigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zumindest nahe lege. Ein überlegtes, geplantes, logisches und zielgerichtetes Handeln schließe eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nicht aus, da auch "bei geplantem und geordnetem Vorgehen" die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein könne,
Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegen- einander abzuwägen und danach den Willensentschluß zu bilden. Deshalb habe die Kammer in erster Linie prüfen müssen, ob die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung in der fraglichen Zeit einem zur Tat führenden starken Motivationsdruck ausgesetzt gewesen sei, wie er sonst in vergleichbaren Situationen bei anderen Straftätern nicht vorhanden sei, und ob dadurch ihre Fähigkeit , sich normgerecht zu verhalten, deutlich vermindert gewesen sei. Die Kammer sei zwar davon ausgegangen, daß die schwere Persönlichkeitsstörung möglicherweise auf dem hochproblematischen Verhältnis zum Vater beruhe , habe jedoch außer acht gelassen, daß die Angeklagte mit ihrer Tochter und ihrem Sohn Deutschland verlassen und nach Tunesien auswandern wollte, „weil ihr Vater - der bereits sie über Jahre sexuell mißbraucht und geschlagen hatte - den Wunsch äußerte, mit der Tochter der Angeklagten ein Wochenende allein im Schwarzwald verbringen zu wollen und die Angeklagte befürchtete, daß ihr Vater sich auch an ihrer Tochter vergehen würde“ (UA S. 5, 20). 3. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Angeklagte trotz der angenommenen Persönlichkeitsstörung für beide Taten als strafrechtlich voll verantwortlich angesehen hat.
a) Persönlichkeitsstörung als andere seelische Abartigkeit
aa) Ersichtlich ist der Sachverständige bei der Beurteilung der persönlichen Entwicklung der Angeklagten und ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach den Kriterien der in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssysteme vorgegangen (ICD-10 Kapitel V (F), Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dil-
ling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 4. Aufl.; DSM-IV, Diagnostisches und Statisti- sches Manual Psychischer Störungen 2. Aufl., Saß/Wittchen/Zaudig [Hrsg.].).
bb) Bei der in ICD-10 F 60.0 (DSM-IV 301.0) genannten Störungsgruppe „Persönlichkeitsstörung“ handelt es sich um einen Oberbegriff. Es werden völlig unterschiedliche typologisch definierte Varianten beschrieben, die je nach Ausprägung als normal oder abnorm zugeordnet werden. Sie reichen von einer Vielzahl normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Empfindens und Verhaltens bis zu einer abnormen Persönlichkeit, die von ihrem Gewicht her durchaus Krankheitswert erreichen kann (Rasch, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 261 f.). Der Begriff der Persönlichkeitsstörung beschreibt abnorme Persönlichkeiten, deren Eigenschaften von einer nicht näher bezeichneten gesellschaftlichen Norm abweichen. Von psychopathischen Persönlichkeiten wird dann gesprochen, wenn die Person an ihrer Abnormität leidet oder wenn die Gesellschaft unter ihrer Abnormität leidet (vgl. Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung 4. Aufl. S. 248, 250; Rasch, StV 1991, 126, 127; Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 149, 152 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
cc) Für die forensische Unterscheidung zwischen strafrechtlich nicht relevanten Auffälligkeiten in Charakter und Verhalten einer Persönlichkeit und einer psychopathologischen Persönlichkeitsstörung, die Symptome aufweist, die in einer Beziehung zu psychischen Erkrankungen im engeren Sinne bestehen , enthalten die Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV eine Vielzahl diagnostischer Kriterien, anhand derer der psychiatrische Sachverständige einzelne Persönlichkeitsstörungen spezifizieren und deren Ausprägungsgrad bewerten kann. Diagnostische Hilfsmittel bei psychischen Störungen sind ne-
ben technischen Untersuchungen (EEG, Laboruntersuchungen etc.) sowie den Selbst- und Fremdbeurteilungen vor allem strukturierte Checklisten und diagnostische Interviews (vgl. DSM-IV aaO S. XVII). Bei der forensischen Begut- achtung hat sich der Sachverständige methodischer Mittel zu bedienen, die dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werden. Existieren mehrere anerkannte und indizierte Verfahren, so steht deren Auswahl in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist der Sachverständige – unbeschadet der Sachleitungsbefugnis durch das Gericht - frei, von welchen inhaltlichen Überlegungen und wissenschaftlichen Methoden er bei Erhebung der maßgeblichen Informationen ausgeht und welche Gesichtspunkte er für seine Bewertung des Ausprägungsgrades für maßgeblich hält. In seinem Gutachten hat er nach den Geboten der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten nach Möglichkeit darzulegen, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen und auf welchem Weg er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (vgl. BGHSt 44, 26, 33; 45, 164, 169; st. Rspr.).
dd) Der Senat hat der forensisch-psychiatrischen Literatur entnommen, daß sich nach dem bestehenden wissenschaftlichen Kenntnisstand für die forensische Schuldfähigkeitsbeurteilung von Persönlichkeitsstörungen folgende Vorgehensweise anbietet, ohne daß die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muß. Dazu gehört, daß der Sachverständige die sozialen und biographischen Merkmale unter besonderer Berücksichtigung der zeitlichen Konstanz der pathologischen Auffälligkeiten erhebt. Darüber hinaus bedarf es der Darstellung der pathologischen Reaktionsweisen unter konflikthaften Belastungen und deren Veränderungen infolge der natürlichen Reifungs- und Entwicklungsschritte sowie der therapeutischen Maßnahmen (Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen, 2003, S. 177,
178). Weist die untersuchte Person Persönlichkeitszüge auf, die nur auf ein unangepaßtes Verhalten oder auf eine akzentuierte Persönlichkeit hindeuten und die Schwelle einer Persönlichkeitsstörung nicht erreichen, wird schon aus psychiatrischer Sicht eine Zuordnung zum vierten Merkmal des § 20 StGB auszuschließen sein.

b) Schweregrad der Abartigkeit
Gelangt der Sachverständige – wie hier - zur Diagnose einer „dissozialen oder antisoziale Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.2 und DSM-IV 301.7: „Mißachtung sozialer Normen“) und einer „schizoiden Persönlichkeitsstörung“ (ICD-10 F 60.1. und DSM-IV 301.20: „Distanziertheit in sozialen Beziehungen, eingeschränkte emotionale Ausdrucksmöglichkeiten“), so ist diese psychiatrische Diagnose indes nicht mit der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ in § 20 StGB gleichzusetzen. Für die forensische Praxis ist mit der bloßen Feststellung, bei dem Angeklagten liege eine Persönlichkeitsstörung vor, nichts gewonnen. Vielmehr sind der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluß auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit (Rasch, Die psychiatrisch-psychologische Beurteilung der sogenannten schweren anderen seelischen Abartigkeit, StV 1991 S. 126, 127). Hierfür sind die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit (etwa hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen und dritter Personen, der emotionalen Reaktionen, der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und der Impulskontrolle) durch die festgestellten pathologischen Verhaltensmuster im Vergleich mit jenen krankhaft seelischer Störungen zu untersuchen (vgl. Kröber NStZ 1998, 80 f.). Für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des
beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (DSM-IV aaO S. 715, 716; Nedopil aaO S. 152). Erst wenn das Muster des Denkens, Fühlens oder Verhaltens, das gewöhnlich im frühen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt, sich im Zeitverlauf als stabil erwiesen hat, können die psychiatrischen Voraussetzungen vorliegen, die rechtlich als viertes Merkmal des § 20 StGB, der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ angesehen werden.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ werden aus psychiatrischer Sicht genannt: Hervorgehen der Tat aus neurotischen Konflikten; konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor der Tat; abrupter, impulshafter Tatablauf; aktuelle konstellative Faktoren wie z. B. Alkohol und andere Drogen, Ermüdung, affektive Erregung. Gegen das Vorliegen des vierten Merkmals des § 20 StGB können sprechen: Tatvorbereitung; planmäßiges Vorgehen bei der Tat; Fähigkeit zu warten; lang hingezogenes Tatgeschehen; komplexer Handlungsablauf in Etappen; Vorsorge gegen Entdeckung; Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen; Hervorgehen des Delikts aus dissozialen Charakterzügen (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179, 180; Versuche einer empirischwissenschaftlichen Auswertung der am häufigsten in forensischen Gutachten vorkommenden Indikatoren bei Scholz/Schmidt, Schuldfähigkeit bei schwerer anderer seelischer Abartigkeit, 2003).

c) Erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat
Ob die Steuerungsfähigkeit wegen des Vorliegens einer schweren anderen seelischen Abartigkeit bei Begehung der Tat "erheblich" im Sinne des § 21 StGB vermindert war, ist eine Rechtsfrage. Diese hat der Tatrichter ohne Bin-
dung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (vgl. für den „berauschten Täter“ BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ-RR 1999, 295, 296 jew. m.w.N.). Diese Anforderungen sind um so höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (BGH, Urt. v. 21. März 2001 - 1 StR 32/01).
Da Persönlichkeitsstörungen in der Regel die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufheben, wird der Tatrichter Gesichtspunkte bewerten, die für oder gegen eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sprechen können, ohne daß es wegen der fließenden Übergänge zwischen Normalität sowie allen Schweregraden und Konstellationen abnormer Persönlichkeit feste skalierbare Regelungen gibt (Saß in Saß/Herpertz aaO S. 179).
aa) Zudem kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob die Steuerungsfähigkeit generell eingeschränkt ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie bei Begehung der Tat – und zwar erheblich – eingeschränkt war. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage wird der Tatrichter auf der Grundlage des Beweisergebnisses über den Ablauf der Tathandlung – auch unter Beachtung möglicher alternativer Tatvarianten - die vom Sachverständigen gestellte Diagnose, den Schweregrad der Störung und deren innere Beziehung zur Tat in eigener Verantwortung nachprüfen. Stellt er in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen fest, daß das Störungsbild die Merkmale eines oder mehrerer Muster oder einer Mischform die Klassifikationen in ICD-10 oder DSM-IV erfüllen, besagt dies rechtlich noch nichts über das Ausmaß psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Eine solche Zuordnung hat eine Indizwirkung dafür, daß eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung vorliegt (vgl. zu bestimmten Fallgrup-
pen BGH StV 1998, 342; StV 2002, 17, 18; BGH, Urt. vom 27. August 2003 – 2 StR 267/03). Der Tatrichter wird in einer Gesamtbetrachtung die Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung bewerten, wobei auch Vorgeschichte , unmittelbarer Anlaß und Ausführung der Tat sowie das Verhalten danach von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 397, 401 f.; BGH NStZ 1997, 485; BGH, BGHR StGB § 21 Seelische Abartigkeit 10, 20, 23, 36; BGH NStZ 1996, 380; BGH StraFo 2001, 249; BGH StV 2002, 17, 18; vgl. in diesem Sinne auch Venzlaff und Pfäfflin in Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung aaO S. 270 f.; Saß in Saß/Herpertz, Persönlichkeitsstörungen S. 177, 180).
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die mitgeteilte Diagnose des Sachverständigen zum Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsstörung zutreffend war. Dagegen könnte sprechen, daß die in den Urteilsgründen mitgeteilte Tatsachengrundlage wenig tragfähig erscheint. Der Sachverständige hat seine Diagnose im wesentlichen auf die persönlichen Angaben der Angeklagten bei der Exploration gestützt und ausgeführt, „die Persönlichkeitsstörung die durchaus auch auf sexuelle Mißbrauchserlebnisse mitbedingt sein könne, sei auch so erheblich, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB anzunehmen sei“. Auch die Strafkammer ist „ entsprechend ihren Angaben zu ihren Gunsten davon ausgegangen“, die Angeklagte sei vom Vater seit ihrem siebten Lebensjahr immer wieder sexuell mißbraucht worden. Konkrete Feststellungen oder objektivierbare Indizien, die die Behauptungen der Angeklagten stützen, enthalten die Urteilsgründe nicht. Die als Zeugen vernommenen Mutter und Schwester haben sogar ausgesagt, sie hätten zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch der Angeklagten gehabt (UA S. 15).
Die Strafkammer hat zum räuberischen Diebstahl im Oktober 2001 keine näheren Ausführungen zu einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit gemacht. Eine solche lag auch eher fern, denn hinsichtlich dieser Tat behauptet die Revision selbst nicht, daß die Angeklagte infolge ihrer Persönlichkeitsstörung schon zu diesem Zeitpunkt einem so starken Motivationsdruck ausgesetzt war, daß sie die Wegnahme des Geldes und dessen Sicherung durch Gewaltanwendung nicht habe steuern können.
Die Strafkammer hat auch hinsichtlich der im Juli 2002 begangenen Entführung der siebenjährigen J. nachvollziehbar einen erheblichen Einfluß der Persönlichkeitsstörung auf das komplexe Tatgeschehen ausgeschlossen. Die Angeklagte sei zwar aufgrund ihrer Lebensgeschichte, zu der auch die Mißbrauchsgeschichte gehören könne, in vieler Hinsicht kritikgemindert. Sie sei aber in der Lage, die Realität zu erkennen und richtig einzuschätzen. Ihre gelegentliche Impulsivität sei keine pathologisch überhöhte Erregbarkeit, insbesondere sei auch keine hirnorganisch begründete Affektlabilität festzustellen.
Als Beleg für eine vollständig erhaltene Steuerungsfähigkeit hat die Strafkammer herangezogen, daß es der Angeklagten bei ihrer Tat in erster Linie darum ging, sich mittels des erwarteten Lösegeldes die Basis für ihr zukünftiges Leben in Tunesien zu schaffen. Die Behauptung der Angeklagten, sie habe wegen eines möglichen Übergriffs des Vaters auf ihre Tochter unter einem schwer beherrschbaren Motivationsdruck gestanden, darf die Kammer als widerlegt ansehen. Sie hat ausgeführt, die Angeklagte habe diese Pläne schon seit ihrem Besuch und ihrer Verlobung in Tunesien im April 2002 verfolgt und
sich endgültig im Juli 2002 zu dieser Straftat entschlossen. Das Lösegeld sollte das ihrem neuen Lebensgefährten zugesagte Startkapital sein.
Gegen die erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat sprachen hier die bis ins einzelne gehende Planung der Entführung, die vorbereitende Beobachtung der Familie über mehrere Tage sowie das mehrmalige Umbuchen der Flüge nach Tunesien. Die Kammer hat mit Recht auch als überlegtes kriminelles Handeln angesehen, daß die Angeklagte dem Vater des Entführungsopfers jeweils nur kurze Fristen zur Geldbeschaffung setzte, um ihn aus Furcht um sein Kind unter Druck zu setzen. Die Strafkammer konnte schließlich als Belege für ein kontrolliertes und zielgerichtetes Handeln der Angeklagten auch die kaltblütige Durchführung der Entführung auf dem öffentlichen Schulgelände heranziehen. Sie hat ausgeführt, das Sichbemächtigen des Kindes auf dem Schulgelände zeige, in welchem Maße die Angeklagte in der Lage war, situationsadäquat zu handeln und ihre Impulse instrumental zu steuern. Obwohl sie auf dem Schulgelände mit Zeugen rechnen mußte, habe sie das Kind in der Nähe des Rektorats abgefangen und gezielt - und für das Kind J. äußerst schmerzhaft - das Elektroschockgerät einsetzte und das sich wehrende Kind in den bereitgestellten Pkw verbracht. Damit ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Angeklagten eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht vorlag.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit
5 StR 387/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Mai 2008 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 53 Fällen unter Einbeziehung einer rechtskräftigen dreijährigen Freiheitsstrafe ebenfalls wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt (Einzelstrafen: jeweils drei Jahre Freiheitsstrafe) und den Verfall von 5.000 Euro angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte wurde bei kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon schwer verletzt. So verlor er die linke Hand, Fingerkuppen der anderen Hand, ein Auge und büßte an Sehkraft auf dem anderen Auge ein. Durch diese Verletzungen war er stets auf fremde Hilfe angewiesen. Infolge der Kriegserlebnisse entwickelte sich zudem eine schwere Depression und eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, die zu Persönlichkeitsveränderungen führte.
4
Im September 2003 schloss sich der Angeklagte mit vier weiteren Personen, wozu auch sein Sohn zählte, zusammen, um arbeitsteilig täglich Heroin und Kokain gewinnbringend zu verkaufen. Von diesem Zeitpunkt an bis Ende Januar 2004 setzte der Angeklagte diesen Entschluss um, indem er an 53 Tagen jeweils 100 Gramm Kokain und Heroin von eher schlechter Qualität – das Heroingemisch enthielt etwa acht Gramm Heroinhydrochlorid und das Kokaingemisch etwa zwei Gramm Kokainhydrochlorid – von anderen Gruppenmitgliedern oder Dritten entgegennahm. Sofern die Betäubungsmittel noch nicht portioniert waren, übernahm dies der Angeklagte. Er gab sie sodann an seinen Sohn weiter, der sie entweder selbst veräußerte oder an andere Gruppenmitglieder zum Weiterverkauf übergab.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat nicht ausschließen können , dass der Angeklagte bei den Taten aufgrund seiner psychischen Konstitution und dadurch eingeschränkter Gefühlswahrnehmung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war, und hat deswegen den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Den Verfall des Wertersatzes hat es auf 5.000 Euro festgesetzt, da der Angeklagte glaubhaft eingeräumt hat, in dieser Höhe einen finanziellen Vorteil erlangt zu haben.
6
2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens , die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 m.w.N.) nicht zu beanstanden.
7
a) Die gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB erfolgte Strafrahmenverschiebung aufgrund der Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit be- gegnet keinen durchgreifenden Rechtsfehlern. Zwar ist der Revisionsführerin insoweit zuzustimmen, als die Begründung für die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB außerordentlich knapp gehalten ist. Aber dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich – zumal vor dem Hintergrund der anderweitigen rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten, deren Strafe einbezogen worden ist und der eine entsprechende Beurteilung der Schuldfähigkeit zugrunde liegt – noch tragfähig entnehmen, dass es bei dem Angeklagten aufgrund der diagnostizierten psychogenen Reaktionen zu gravierenden psychischen Veränderungen in seiner Persönlichkeit gekommen ist, die seine gesamte Lebensführung nachhaltig beeinträchtigt haben, so dass das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit (vgl. zu dieser Einordnung Rasch StV 1991, 126, 127; Schöch in Handbuch der Forensischen Psychiatrie 2007 Bd. 1 S. 125) erfüllt ist. Auch dass der Angeklagte aufgrund dieses geistig-seelischen Zustands – jedenfalls nicht ausschließbar – in seiner Fähigkeit, den Tatanreizen zu widerstehen, erheblich vermindert war, ist angesichts des Schweregrads der Störung noch hinreichend belegt.
8
Den festgestellten Tathandlungen des Angeklagten – Entgegennahme , Portionierung und Weitergabe der Betäubungsmittel – kommt für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten keine der Würdigung des Landgerichts entgegenstehende Relevanz zu. Soweit die Revisionsführerin auf eine Führungsfunktion in der Bande und damit verbundene Aufgaben des Angeklagten abhebt, liegt darin eine Überinterpretation des angefochtenen Urteils.
9
b) Die Gesamtstrafenbildung ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landgericht innerhalb des durch §§ 54, 55 StGB vorgegebenen Rahmens nicht die Anzahl der Taten und die Summe der Einzelstrafen in den Vordergrund gestellt, sondern die Gesamtwürdigung der Person des Täters und seiner Taten (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5, 7, 10). Die maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe aufgrund des Seriencharakters der Taten (vgl. BGHR aaO 2, 8, 12), wobei auch die Tat, deretwegen der Angeklagte zu der einzubeziehenden Strafe verurteilt worden ist, zu dieser Serie zählt, trägt ungeachtet der sehr milde bemessenen Gesamtstrafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten noch ausreichend Rechnung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den überaus engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der serienmäßig begangenen Taten sowie die besonderen persönlichen Umstände in der Person des Angeklagten.
10
3. Auch die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes in Höhe von 5.000 Euro hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
11
Das Landgericht hat die Höhe des anzuordnenden Verfalls auf der Grundlage der Summe festgesetzt, die der Angeklagte nach den Feststellungen als „finanziellen Vorteil“ bzw. „Gewinn aus den Betäubungsmittelgeschäften“ erlangt hat (UA S. 7, 11). Die weiteren Ausführungen der Revisionsführerin sind urteilsfremd. Denn das Urteil enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte über diesen finanziellen Vorteil hinaus etwas im Sinne des § 73 StGB erlangt hat. Es ist lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel erhalten hat, unmittelbare Verkaufsverhandlungen wurden von ihm nicht geführt. Auch eine anderweitige Einbindung in den Zahlungsverkehr und damit Kontakt zu Zahlungsmitteln innerhalb der Bande, im Verhältnis zu Drogenlieferanten oder Käufern ist nicht festgestellt.
12
Da sich das Landgericht aufgrund des für glaubhaft erachteten Geständnisses des Angeklagten davon überzeugt hat, dass er nur 5.000 Euro aus den festgestellten Taten erlangt hat – was offensichtlich auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht anders beurteilt hat, da er in seinem Schlussantrag nur den Verfall in Höhe von 5.000 Euro beantragt hat – war für die vom Generalbundesanwalt vermisste Schätzung nach § 73b StGB kein Raum mehr. Abgesehen von alldem wäre die Verfallsentschei- dung auch bei abweichender Bewertung unter Heranziehung des § 73c StGB angemessen.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen.

(2) Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt.

(3) Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt; das gilt nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist.

(4) Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Vorname und Familienname, Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung), Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers;
2.
Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung;
3.
Gegenstand und Wert des Erwerbs;
4.
Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung;
5.
persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis;
6.
frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung.

(5) In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 ist von der Stiftung oder dem Verein binnen einer Frist von drei Monaten nach dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung oder auf den Verein der Vermögensübergang dem nach § 35 Absatz 4 zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Name, Ort der Geschäftsleitung und des Sitzes der Stiftung oder des Vereins,
2.
Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters der Stiftung oder des Vereins,
3.
Zweck der Stiftung oder des Vereins,
4.
Zeitpunkt des ersten Vermögensübergangs auf die Stiftung oder den Verein,
5.
Wert und Zusammensetzung des Vermögens.

(1) Das Finanzamt kann von jedem an einem Erbfall, an einer Schenkung oder an einer Zweckzuwendung Beteiligten ohne Rücksicht darauf, ob er selbst steuerpflichtig ist, die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Die Frist muß mindestens einen Monat betragen. In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 kann das Finanzamt von der Stiftung oder dem Verein sowie von jedem Familienmitglied im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 4 und jedem Mitglied des Vereins die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Erklärung hat ein Verzeichnis der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten.

(3) In den Fällen der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann das Finanzamt die Steuererklärung allein von dem überlebenden Ehegatten oder dem überlebenden Lebenspartner verlangen.

(4) Sind mehrere Erben vorhanden, sind sie berechtigt, die Steuererklärung gemeinsam abzugeben. In diesem Fall ist die Steuererklärung von allen Beteiligten zu unterschreiben. Sind an dem Erbfall außer den Erben noch weitere Personen beteiligt, können diese im Einverständnis mit den Erben in die gemeinsame Steuererklärung einbezogen werden.

(5) Ist ein Testamentsvollstrecker oder Nachlaßverwalter vorhanden, ist die Steuererklärung von diesem abzugeben. Das Finanzamt kann verlangen, daß die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben mitunterschrieben wird.

(6) Ist ein Nachlaßpfleger bestellt, ist dieser zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet.

(7) Das Finanzamt kann verlangen, daß eine Steuererklärung auf einem Vordruck nach amtlich bestimmtem Muster abzugeben ist, in der der Steuerschuldner die Steuer selbst zu berechnen hat. Der Steuerschuldner hat die selbstberechnete Steuer innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steuererklärung zu entrichten.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

(1) Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen.

(2) Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt.

(3) Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt; das gilt nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist.

(4) Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Vorname und Familienname, Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung), Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers;
2.
Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung;
3.
Gegenstand und Wert des Erwerbs;
4.
Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung;
5.
persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis;
6.
frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung.

(5) In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 ist von der Stiftung oder dem Verein binnen einer Frist von drei Monaten nach dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung oder auf den Verein der Vermögensübergang dem nach § 35 Absatz 4 zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Name, Ort der Geschäftsleitung und des Sitzes der Stiftung oder des Vereins,
2.
Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters der Stiftung oder des Vereins,
3.
Zweck der Stiftung oder des Vereins,
4.
Zeitpunkt des ersten Vermögensübergangs auf die Stiftung oder den Verein,
5.
Wert und Zusammensetzung des Vermögens.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) In den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung beträgt die Verjährungsfrist 15 Jahre; § 78b Absatz 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(2) Die Verjährung der Verfolgung einer Steuerstraftat wird auch dadurch unterbrochen, dass dem Beschuldigten die Einleitung des Bußgeldverfahrens bekannt gegeben oder diese Bekanntgabe angeordnet wird.

(3) Abweichend von § 78c Absatz 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches verjährt in den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 6 genannten Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung die Verfolgung spätestens, wenn seit dem in § 78a des Strafgesetzbuches bezeichneten Zeitpunkt das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

(1) Das Finanzamt kann von jedem an einem Erbfall, an einer Schenkung oder an einer Zweckzuwendung Beteiligten ohne Rücksicht darauf, ob er selbst steuerpflichtig ist, die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Die Frist muß mindestens einen Monat betragen. In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 kann das Finanzamt von der Stiftung oder dem Verein sowie von jedem Familienmitglied im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 4 und jedem Mitglied des Vereins die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Erklärung hat ein Verzeichnis der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten.

(3) In den Fällen der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann das Finanzamt die Steuererklärung allein von dem überlebenden Ehegatten oder dem überlebenden Lebenspartner verlangen.

(4) Sind mehrere Erben vorhanden, sind sie berechtigt, die Steuererklärung gemeinsam abzugeben. In diesem Fall ist die Steuererklärung von allen Beteiligten zu unterschreiben. Sind an dem Erbfall außer den Erben noch weitere Personen beteiligt, können diese im Einverständnis mit den Erben in die gemeinsame Steuererklärung einbezogen werden.

(5) Ist ein Testamentsvollstrecker oder Nachlaßverwalter vorhanden, ist die Steuererklärung von diesem abzugeben. Das Finanzamt kann verlangen, daß die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben mitunterschrieben wird.

(6) Ist ein Nachlaßpfleger bestellt, ist dieser zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet.

(7) Das Finanzamt kann verlangen, daß eine Steuererklärung auf einem Vordruck nach amtlich bestimmtem Muster abzugeben ist, in der der Steuerschuldner die Steuer selbst zu berechnen hat. Der Steuerschuldner hat die selbstberechnete Steuer innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steuererklärung zu entrichten.

(1) Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen.

(2) Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt.

(3) Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt; das gilt nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist.

(4) Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Vorname und Familienname, Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung), Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers;
2.
Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung;
3.
Gegenstand und Wert des Erwerbs;
4.
Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung;
5.
persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis;
6.
frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung.

(5) In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 ist von der Stiftung oder dem Verein binnen einer Frist von drei Monaten nach dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung oder auf den Verein der Vermögensübergang dem nach § 35 Absatz 4 zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Name, Ort der Geschäftsleitung und des Sitzes der Stiftung oder des Vereins,
2.
Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters der Stiftung oder des Vereins,
3.
Zweck der Stiftung oder des Vereins,
4.
Zeitpunkt des ersten Vermögensübergangs auf die Stiftung oder den Verein,
5.
Wert und Zusammensetzung des Vermögens.

(1) Das Finanzamt kann von jedem an einem Erbfall, an einer Schenkung oder an einer Zweckzuwendung Beteiligten ohne Rücksicht darauf, ob er selbst steuerpflichtig ist, die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Die Frist muß mindestens einen Monat betragen. In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 kann das Finanzamt von der Stiftung oder dem Verein sowie von jedem Familienmitglied im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 4 und jedem Mitglied des Vereins die Abgabe einer Erklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen. Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Erklärung hat ein Verzeichnis der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforderlichen Angaben zu enthalten.

(3) In den Fällen der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann das Finanzamt die Steuererklärung allein von dem überlebenden Ehegatten oder dem überlebenden Lebenspartner verlangen.

(4) Sind mehrere Erben vorhanden, sind sie berechtigt, die Steuererklärung gemeinsam abzugeben. In diesem Fall ist die Steuererklärung von allen Beteiligten zu unterschreiben. Sind an dem Erbfall außer den Erben noch weitere Personen beteiligt, können diese im Einverständnis mit den Erben in die gemeinsame Steuererklärung einbezogen werden.

(5) Ist ein Testamentsvollstrecker oder Nachlaßverwalter vorhanden, ist die Steuererklärung von diesem abzugeben. Das Finanzamt kann verlangen, daß die Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben mitunterschrieben wird.

(6) Ist ein Nachlaßpfleger bestellt, ist dieser zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet.

(7) Das Finanzamt kann verlangen, daß eine Steuererklärung auf einem Vordruck nach amtlich bestimmtem Muster abzugeben ist, in der der Steuerschuldner die Steuer selbst zu berechnen hat. Der Steuerschuldner hat die selbstberechnete Steuer innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steuererklärung zu entrichten.

(1) Jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb (§ 1) ist vom Erwerber, bei einer Zweckzuwendung vom Beschwerten binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall oder von dem Eintritt der Verpflichtung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen.

(2) Erfolgt der steuerpflichtige Erwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist zur Anzeige auch derjenige verpflichtet, aus dessen Vermögen der Erwerb stammt.

(3) Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt; das gilt nicht, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 unterliegen, oder Auslandsvermögen gehört. Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden oder eine Zweckzuwendung gerichtlich oder notariell beurkundet ist.

(4) Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Vorname und Familienname, Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung), Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers;
2.
Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung;
3.
Gegenstand und Wert des Erwerbs;
4.
Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung;
5.
persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis;
6.
frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung.

(5) In den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 4 ist von der Stiftung oder dem Verein binnen einer Frist von drei Monaten nach dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung oder auf den Verein der Vermögensübergang dem nach § 35 Absatz 4 zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

1.
Name, Ort der Geschäftsleitung und des Sitzes der Stiftung oder des Vereins,
2.
Name und Anschrift des gesetzlichen Vertreters der Stiftung oder des Vereins,
3.
Zweck der Stiftung oder des Vereins,
4.
Zeitpunkt des ersten Vermögensübergangs auf die Stiftung oder den Verein,
5.
Wert und Zusammensetzung des Vermögens.

(1) Die Verjährung ruht

1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237,
2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.

(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem

1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder
2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).

(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.

(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat

1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden,
2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat,
3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder
4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
Lässt sich das Datum des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat nicht ermitteln, gilt das Ersuchen nach Ablauf von einem Monat seit der Absendung oder Übergabe an den ausländischen Staat als zugegangen, sofern nicht die ersuchende Behörde Kenntnis davon erlangt, dass das Ersuchen dem ausländischen Staat tatsächlich nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Satz 1 gilt nicht für ein Auslieferungsersuchen, für das im ersuchten Staat auf Grund des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 190 S. 1) oder auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung eine § 83c des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vergleichbare Fristenregelung besteht.

(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

7
Aus fiskalischen Gründen soll für den Steuerhinterzieher ein Anreiz geschaffen werden, von sich aus den Finanzbehörden bisher verheimlichte Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 36, 37; BGH wistra 2004, 309, 310 m.w.N.). Allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern können diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen muss die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ; diese soll honoriert werden (BGHSt 3, 373, 375 und 12, 100, 101 zu § 410 RAO; BGH DB 1977, 1347 zu § 395 RAO; BGH wistra 1985, 74 zu § 371 AO; vgl. auch bereits die Gesetzesmaterialien zu § 410 RAO 1951 BTDrucks. I/2395).

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

7
Aus fiskalischen Gründen soll für den Steuerhinterzieher ein Anreiz geschaffen werden, von sich aus den Finanzbehörden bisher verheimlichte Steuerquellen durch wahrheitsgemäße Angaben zu erschließen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 36, 37; BGH wistra 2004, 309, 310 m.w.N.). Allein fiskalische Interessen an der Entrichtung hinterzogener Steuern können diese Privilegierung aber schwerlich rechtfertigen. Hinzukommen muss die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ; diese soll honoriert werden (BGHSt 3, 373, 375 und 12, 100, 101 zu § 410 RAO; BGH DB 1977, 1347 zu § 395 RAO; BGH wistra 1985, 74 zu § 371 AO; vgl. auch bereits die Gesetzesmaterialien zu § 410 RAO 1951 BTDrucks. I/2395).

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a)
dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder
b)
dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
d)
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
e)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder
2.
eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste,
3.
die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder
4.
ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.

(2a) Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.