Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2019 - 1 StR 642/18

bei uns veröffentlicht am07.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 642/18
vom
7. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:070219B1STR642.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 7. Februar 2019 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. August 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt. Die vom Angeklagten mit der Sachrüge geführte Revision, mit der er insbesondere die Nichtanordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angreift, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldund Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen hat das Urteil keinen Bestand, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat.
3
a) Nach den Feststellungen trank der in den Niederlanden wohnhafte, im Jahr 1984 geborene Angeklagte schon seit seiner Schulzeit Alkohol und steigerte den Konsum stetig. Nach der Geburt seines Sohnes im Februar 2016 trank er „manchmal täglich zehn bis zwölf Bier zu je 0,5 Litern und bis zu 0,5 Liter Schnaps“. Cannabis nahm er bereits im Alter von 15 oder 16 Jahren zu sich und steigerte den Konsum zum Ende seiner Schulzeit auf ein bis zwei Gramm täglich. Kokain nahm er erstmals mit 20 oder 21 Jahren zu sich, zunächst an Wochenenden, dann auch unter der Woche. Sein Konsum belief sich auf fünf Gramm die Woche. Im Jahr 2016 versuchte er vergeblich, den Konsum einzustellen; es gelang ihm jedoch, diesen zu reduzieren, so dass er bis zu sei- ner Festnahme im Dezember 2017 „zumindest zwei- bis dreimal Kokain im Monat“ zu sich nahm. Seit ein „paar Jahren vor seiner Festnahme konsumierte er auch etwa einmal die Woche Amphetamin und selten MDMA“. Bislang ist der Angeklagte wegen seines Konsums weder behandelt worden noch hat er Beratungsleistungen in Anspruch genommen.
4
b) Das Landgericht hat unter Zugrundelegung der „wenn auch nur sehr oberflächlichen Angaben des Angeklagten zu seinem Drogenkonsum“ in den letzten Jahren von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgese- hen. Sachverständig beraten hat es zwar angenommen, dass beim therapiewilligen Angeklagten ein Hang vorliege, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen; darüber hinaus liege ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang und der begangenen Straftat vor. Jedoch gebe es keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg, dass er durch eine Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder Satz 3 StGB geheilt oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang bewahrt werden könne. Es sei insoweit zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zwar über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, um eine Therapie durchführen zu können. Gleichwohl könne ein Heilungserfolg „sehr wahrscheinlich nicht eintreten“, weil ein sozialer Empfangsraum – jedenfalls in Deutschland – nicht zur Verfügung stehe, so dass der Angeklagte durch Lockerungsmaßnahmen im Maßregelvollzug nicht schrittweise an ein suchtmittelfreies Leben in Freiheit herangeführt werden könne. Eine „spätere Integration“ des Angeklagten in Deutschland sei auch nicht zu erwarten. Aufgrund der verhängten Strafe sei mit einem Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern zu rechnen, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Angeklagte als bosnischherzegowinischer und niederländischer Staatsbürger aus Deutschland abgeschoben werde und schon aus diesem Grund keine Lockerungsmaßnahmen gewährt werden könnten.
5
2. Die Ablehnung der Maßregel hat keinen Bestand, weil eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg (§ 64 Satz 2 StGB) nicht mit den vom Landgericht vorgenommenen Erwägungen rechtlich begründet werden kann. Der Angeklagte verfügt nach den Feststellungen über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, um eine Therapie erfolgreich durchführen zu können, so dass eine Maßregelanordnung grundsätzlich in Betracht zu zie- hen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2018 – 1 StR 132/18, NStZ-RR 2018, 273, 274 mwN). Schon bei sprachunkundigen Ausländern ist ein Absehen von einer Maßregelanordnung nur in Ausnahmefällen möglich (vgl. BGH aaO, S. 275). Entgegen den Ausführungen des Landgerichts ist auch nicht ersichtlich , dass der ausländerrechtliche Status des Angeklagten etwaigen Lockerungsmaßnahmen im Maßregelvollzug entgegenstehen könnte. Dazu, dass bereits Maßnahmen zum Verlust des Freizügigkeitsrechts des Angeklagten und zu seiner Abschiebung ergriffen werden, verhält sich das Urteil nicht (vgl. BGH aaO, Rn. 12, s. auch § 67 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 StGB).
6
3. Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt eine neue Überprüfung der Maßregelvoraussetzungen zu ermöglichen. Der Strafausspruch hat Bestand. Es ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anordnung der Unterbringung auf eine geringere Strafe erkannt hätte.
Jäger Bellay Bär
Hohoff Pernice

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2019 - 1 StR 642/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2019 - 1 StR 642/18

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2019 - 1 StR 642/18 zitiert 7 §§.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2018 - 1 StR 132/18

bei uns veröffentlicht am 13.06.2018

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 kann unbeschadet des § 2 Absatz 4 und des § 5 Absatz 4 nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 45 Absatz 3, Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) festgestellt und die Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht oder die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte eingezogen werden. Aus den in Satz 1 genannten Gründen kann auch die Einreise verweigert werden. Die Feststellung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit kann nur erfolgen, wenn es sich um Krankheiten mit epidemischem Potenzial im Sinne der einschlägigen Rechtsinstrumente der Weltgesundheitsorganisation und sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten handelt, sofern gegen diese Krankheiten Maßnahmen im Bundesgebiet getroffen werden. Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise auftreten, stellen keinen Grund für eine Feststellung nach Satz 1 dar.

(2) Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

(3) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 sind insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(4) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden.

(5) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Für Minderjährige gilt dies nicht, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes notwendig ist. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer odermehrervorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.

(6) Die Entscheidungen oder Maßnahmen, die den Verlust des Aufenthaltsrechts oder des Daueraufenthaltsrechts betreffen, dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken getroffen werden.

(7) Wird der Pass, Personalausweis oder sonstige Passersatz ungültig, so kann dies die Aufenthaltsbeendigung nicht begründen.

(8) Vor der Feststellung nach Absatz 1 soll der Betroffene angehört werden. Die Feststellung bedarf der Schriftform.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 132/18
vom
13. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:130618B1STR132.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 13. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 14. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsan- stalt abgesehen hat. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Diebstahls in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung von Wertersatz angeordnet. Die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten , mit der sie insbesondere die Nichtanordnung ihrer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angreift, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Einziehungsanordnung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insoweit wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB begegnet hingegen durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den Feststellungen konsumierte die in der Tschechischen Republik mehrfach einschlägig vorbestrafte 41 Jahre alte Angeklagte, seitdem sie 14 Jahre alt war, Drogen. Im Alter von 18 Jahren nahm sie erstmals Methamphetamin und spritzte es sich in der Folge täglich. Während der Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe von 2004 bis 2008 konsumierte sie keine Drogen. Drei Monate nach ihrer Haftentlassung wurde sie rückfällig und schnupfte täglich etwa 3 g Methamphetamin. Von Mai 2015 bis November 2015 befand sie sich in Untersuchungshaft und nahm während dieser Zeit keine Drogen. Nach ihrer Haftentlassung begab sie sich nach Deutschland und lebte bis Januar 2016 bei ihrem Verlobten in Wiesbaden. Dann zog sie mit ihm nach Prag und begann erneut mit dem Konsum von Methamphetamin. Die Wohnung in Prag löste sie im Herbst 2016 auf, weil ihr Verlobter nicht in Prag leben wollte. Durch den langjährigen nasalen Konsum hat sie Zahnprobleme und ein Loch in der Nasenscheidenwand. Zur Finanzierung des Drogenkonsums und ihres Lebensunterhalts beging sie in Deutschland die abgeurteilten Einbruchsdiebstähle , zu denen sie jeweils mit einem angemieteten Fahrzeug von Prag aus angereist und nach Begehung der Taten noch in derselben Nacht mit der Beute nach Prag zurückgefahren war und diese dort veräußert hatte. Vor und nach Begehung der Taten hatte sie zur Leistungssteigerung Methamphetamin zu sich genommen. Bei einer Kontrolle am 28. Dezember 2016 führte sie 1,5 g Methamphetamin (Wirkstoffgehalt 1,125 g Methamphetaminbase) zum Eigenkonsum mit sich. Die bei ihr nach der Tat entnommene Blutprobe belegte eine große Substanzgewöhnung.
4
b) Die Strafkammer hat von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Zwischen dem Hang der Angeklagten und den Diebstählen bestehe kein ausreichend gesicherter kausaler Zusammenhang. Die Angeklagte habe seit Jahren ihren gesamten Lebensunterhalt durch die Begehung von Einbruchsdiebstählen bestritten, die sie zunächst in der Tschechischen Republik verübt hatte und dann in Deutschland beging. Gegen sie seien bereits in der Tschechischen Republik mehrjährige Haftstrafen verhängt und vollstreckt worden. Mangels einer beruflichen bzw. finanziellen Perspektive und unter Berücksichtigung ihrer erheblichen und einschlägigen strafrechtlichen Vordelinquenz sei künftig auch ohne den Konsum von Betäubungsmitteln die konkrete Gefahr weiterer, gleichgelagerter Straftaten gegeben.
5
Außerdem fehle es an hinreichend konkreten Erfolgsaussichten für eine Unterbringung. Den Erfolgsaussichten stehe bereits die Sprachbarriere entgegen. Die Angeklagte sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, um erfolgreich eine Maßregeltherapie zu absolvieren. Ihr drohe nach ihren eigenen Angaben in der Tschechischen Republik die Anschlussvollstreckung von mehrjährigen Haftstrafen und die tschechischen Behörden hätten bereits die Auslieferung der Angeklagten zur Vollstreckung einer zweijährigen Haftstrafe beantragt. Vor dem Hintergrund der anstehenden Vollstreckung von Strafhaft könnten im Rahmen der Maßregelbehandlung sämtliche soziotherapeutische Maßnahmen , die üblicherweise Bestandteil der Unterbringung gemäß § 64 StGB und Voraussetzung einer erfolgreichen Reintegration seien, nicht umgesetzt werden. Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Unterbringung der Angeklag- ten, der zwischenzeitlich die Erlaubnis erteilt worden sei, ihren in Wiesbaden lebenden deutschen Verlobten in der deutschen Haft zu heiraten, in Tschechien unter Berücksichtigung der dort zu verbüßenden Freiheitsstrafen erfolgreich vollstreckt werden könnte, lägen nicht vor.
6
c) Die Ablehnung der Maßregel hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat zu strenge Anforderungen an den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem festgestellten Hang und den begangenen Taten sowie der zukünftigen Gefährlichkeit der Angeklagten gestellt und die fehlende Erfolgsaussicht nicht tragfähig dargelegt.
7
(1) Für die Bejahung eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und Tat im Sinne des § 64 StGB ist es ausreichend, dass der Hang – gegebenenfallsneben anderen Umständen – mit dazu beigetragen hat, dass der Täter die Tat begangen hat. Ein solcher Zusammenhang ist typischerweise gegeben, wenn die Straftat unmittelbar oder mittelbar über den Erlös aus der Verwertung der Beute auch der Beschaffung von Drogen für den Eigenkonsum dient (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. März 2016 – 4 StR 586/15 Rn. 3, NStZ-RR 2016, 173 mwN und vom 25. November 2015 – 1 StR 379/15 Rn. 8, NStZ-RR 2016, 113).
8
Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte sich durch die Veräußerung der Beute Mittel für ihren Lebensunterhalt und den Erwerb von Methamphetamin beschafft und vor und nach den Taten Methamphetamin zur Leistungssteigerung konsumiert hat. Damit ist der symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeurteilten Straftaten dargetan; denn die Sucht hat die Begehung der Taten mit ausgelöst und die Art ihrer Begehung mitbestimmt, mögen die Straftaten auch auf der Grundlage einer schon früher infolge allgemeiner charakterlicher Mängel verfestigten kriminellen Neigung verübt worden sein, die Lebensbedürfnisse mit Mitteln aus Eigentumsdelikten zu bestreiten. Auch in einem solchen Fall haben die Straftaten ihren spezifischen Ursprung in der Sucht, weil die Drogenabhängigkeit zu einer beträchtlichen Ausweitung des mit kriminellen Mitteln befriedigten finanziellen Bedarfs führt, Zahl, Umfang und kriminelle Intensität der vom drogenabhängigen Täter begangenen und von ihm zu befürchtenden Straftaten mitbestimmt und somit von wesentlichem Einfluss jedenfalls auf das Ausmaß der gegenwärtigen und zukünftigen Gefährlichkeit eines solchen Täters ist. Wird die kriminalitätsfördernde Wirkung der Sucht durch eine erfolgreiche Behandlung beseitigt, so ist auch die Tätergefährlichkeit vermindert. Dies genügt für die Annahme des symptomatischen Zusammenhangs zwischen Straftat und Sucht (BGH, Beschluss vom 22. September 1999 – 3 StR 393/99 Rn. 3, NStZ 2000, 25, 26).
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(2) Im Übrigen hätte sich die Strafkammer auch näher damit auseinandersetzen müssen, inwieweit die Angeklagte tatsächlich der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, um erfolgreich eine Maßregeltherapie zu absolvieren.
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Auch nach der Umgestaltung von § 64 StGB zur Soll-Vorschrift durch die Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) – mit der der Gesetzgeber auch die Schonung der Behandlungskapazitäten beabsichtigte, die durch weniger geeignete Personen blockiert würden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 411/07, StV 2008, 138) – soll es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die fehlende Beherrschung der deutschen Sprache nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf die Unterbringung eines Ausländers sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 124/17 Rn. 11, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4 [Gründe]; Beschlüsse vom 17. August 2011 – 5StR 255/11, StV 2012, 281, 282 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545, jeweils unter Bezugnahme auf den Bericht und die Beschluss- empfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017– 4 StR 124/17 Rn. 11 aaO; Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204, 205; vom 17. August 2011 – 5 StR 255/11, StV 2012, 281 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545). Vielmehr wird bei weitgehender Sprachunkun- digkeit die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12 Rn. 6, BGHR StGB § 64 Abs. 2 Erfolgsaussicht 1). Deshalb sollte nach der Begründung des Gesetzentwurfs ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist (BT-Drucks. aaO). Hingegen genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – 3StR 209/01, NStZ-RR 2002, 7 und vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12 Rn. 6, NStZ-RR 2013, 241, 242).
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Die in eine Soll-Vorschrift umgestaltete Regelung räumt dem Tatrichter zwar grundsätzlich die Möglichkeit ein, von einer Unterbringung abzusehen; § 64 StGB ist damit aber keine Ermessensvorschrift im engeren Sinne geworden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4 Rn. 12; Beschlüsse vom 29. Juni 2010 – 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307 und vom 11. Dezember 2007 – 4 StR 576/07). Das Absehen von einer Maßregelanordnung kommt vielmehr nur in Ausnahmefällen in Betracht. Geben die Feststellungen jedoch Anlass, die Unterbringung nach § 64 StGB unter dem Gesichtspunkt fehlender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht anzuordnen, hat der Tatrichter die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – 4 StR 124/17, aaO Rn. 12; Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 2 und vom 12. März 2014 – 2 StR 436/13, StV 2014, 545).
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Daran fehlt es. Zwar hat die Kammer im Rahmen der Strafzumessung ausgeführt, die Angeklagte sei besonders haftempfindlich, weil sie nur wenig Deutsch spreche. Jedoch hat die Kammer auch festgestellt, dass die Angeklagte einen in Wiesbaden lebenden deutschen Verlobten hat, bei dem sie nach ihrer Haftentlassung im November 2015 drei Monate gelebt hat, um dann mit ihm in eine im Herbst 2016 aufgelöste Wohnung nach Prag zu ziehen, und die Erlaubnis erhalten hatte, ihren Verlobten während der Untersuchungshaft zu heiraten. Es kommt hinzu, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht der Angeklagten nicht festgestellt ist; die tschechischen Behörden haben lediglich die Auslieferung der Angeklagten zur Vollstreckung einer zweijährigen Haftstrafe beantragt.
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Sollte das Sprachvermögen der unterzubringenden Person für therapeutische Maßnahmen nicht ausreichen, wäre ggf. zu erwägen, ob gemäß Art. 68 SDÜ, § 71 IRG die Überstellung der Angeklagten in die Tschechische Republik zum Vollzug der Maßregel in Betracht kommt, sofern dort entsprechende Einrichtungen existieren (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 – 2 StR 85/12 Rn. 15, NStZ 2012, 689-690; vgl. auch Trenckmann in: Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht , 4. Aufl. 2018, L. Vollstreckungsrecht der freiheitsentziehenden Maßregeln nach § 63 und § 64 StGB VI L 201).
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2. Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung.
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Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte. Raum Jäger Bellay Fischer Bär

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.