Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 1 StR 677/18

bei uns veröffentlicht am26.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 677/18
vom
26. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:260319B1STR677.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 26. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 26. September 2018 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte erwarb am 17. März 2018 in Tschechien 794,4 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 63,3 g THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf und führte das Marihuana mit seinem Pkw nach Deutschland ein. Die Polizei hatte zuvor Kenntnis von dem geplanten Erwerb einer größeren Menge von Cannabisprodukten durch den Angeklagten erlangt und überwachte die Fahrt des Angeklagten mit technischen Mitteln. Das Marihuana wurde schließlich bei einer polizeilichen Kontrolle in Deutschland sichergestellt.
3
2. Die Strafkammer ist bei der Strafzumessung vom Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG ausgegangen, der eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. Das Vorliegen eines minder schweren Falls im Sinne von § 30 Abs. 2 BtMG hat sie verneint und für die Tat eine Freiheitstrafe von drei Jahren als tat- und schuldangemessen erachtet.
4
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beurteilung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände voraussetzt, ist im Wesentlichen dem Tatrichter überlassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 – 4 StR 545/05, NStZRR 2006, 140, 141; vom 16. Oktober 2013 – 2 StR 312/13, StV 2014, 612 f. und vom 19. Februar 2015 – 2 StR 343/14, StraFo 2015, 256; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46 Rn. 85 mwN). Seine Entscheidung ist vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung ebenso möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Dies ist ausnahmsweise jedoch nicht der Fall, wenn die mildernden Faktoren so eindeutig überwiegen , dass die Entscheidung des Tatrichters hinsichtlich des Strafrahmens nicht mehr als nachvollziehbar anzusehen ist (vgl. BGH aaO, NStZ-RR 2006, 140, 141 und StV 2014, 612, 613).

5
So verhält es sich hier. Die Strafkammer führt selbst eine Reihe bedeutender Milderungsgründe zu Gunsten des 48-jährigen Angeklagten an, wie etwa sein Geständnis, fehlende Vorstrafen sowie die Umstände, dass die Polizeibe- hörden „jeweils wussten, wo sich der Angeklagte mit seinem Fahrzeug befand“ und die Betäubungsmittel sichergestellt wurden und damit nicht in den Verkehr gelangt sind. Dem stellt sie zu Lasten des Angeklagten lediglich gegenüber, dass er zwei Tatbestände tateinheitlich verwirklicht hat und die nicht geringe Menge um das 8-Fache überschritten wurde. Gewichtet man diese Gesichtspunkte , so ergibt sich ein so eindeutiges Überwiegen der strafmildernden Faktoren , dass die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren auch unter Anerkennung eines weiten tatrichterlichen Beurteilungsspielraums nicht mehr nachvollziehbar erscheint.
6
Hinzu kommt, dass die weitere Zumessungserwägung, dass es sich bei dem eingeführten Marihuana um ein Rauschgift mit „nur mittlerem Gefährdungspotential“ handelt, die die Strafkammer sowohl bei der Prüfung des min- der schweren Falls als auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung einstellt , Bedenken begegnet. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht die – im Vergleich zu anderen illegalen Betäubungsmitteln – geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten zugunsten des Angeklagten nicht hinreichend berücksichtigt hat (zum Stufenverhältnis von sog. harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen wie Cannabis vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 274/18, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 13 [insofern nicht abgedruckt in NStZ-RR 2017, 310]; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ 2016, 614,615 und vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, juris Rn. 20).

7
Die vorgenannten rechtlichen Bedenken betreffen auch die Strafrahmenbestimmung für das tateinheitlich verwirklichte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG, so dass auch insoweit kein abweichender höherer Strafrahmen in Betracht kommt.
8
3. Die zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und werden von der Aufhebung nicht umfasst. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Raum Bellay Bär Hohoff Pernice

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 1 StR 677/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 1 StR 677/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s
Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 1 StR 677/18 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 545/05
vom
10. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Januar 2006 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 25. August 2005 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. November 2005.
3
2. Dagegen hält der Strafausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
Hintergrund der der Verurteilung zu Grunde liegenden Tat, bei der der bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Angeklagte dem Zahnarzt F. in dessen Praxis einen Stich mit einem Messer in den Oberschenkel versetzte , war: Die älteste Tochter des Angeklagten hatte mit dem Geschädigten, in dessen Praxis sie eine Ausbildung absolvierte, ein intimes Verhältnis, welches der Geschädigte, um seine eigene Ehe zu retten, beendet hatte, nachdem seine Ehefrau zwei Tage vor der Tat von der außerehelichen Beziehung Kenntnis erhalten hatte. Dies hatte die Tochter dem noch dem traditionellen türkischmuslimischen Kulturkreis verhafteten Angeklagten erst am Vortag der Tat im Krankenhaus offenbart, in das sie nach einem Selbstmordversuch eingeliefert worden war. Der Angeklagte war "schockiert und reagierte zunächst verwirrt. (...) Er war sehr in Sorge um seine Tochter und fühlte zudem die Ehre der Tochter , der Familie und seine eigene beschmutzt". Am Tattage suchte er die Praxis des Geschädigten auf, "um die Angelegenheit zu klären". Bei dem Gespräch mit dem Geschädigten leugnete dieser, mit der Tochter des Angeklagten intim geworden zu sein. Darüber geriet der "ohnehin nervlich angespannt(e)" Angeklagte zusätzlich in Wut und beschloss deshalb, den Geschädigten "zur Bestrafung" mit dem Messer anzugreifen.
5
Trotz dieses besonderen Tathintergrundes hat die Schwurgerichtskammer das Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Halbs. 2 StGB) verneint und die Strafe dem Regelstrafrahmen entnommen. Dies begegnet hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Grundsätzlich ist die Strafzumessung - und damit auch die Bestimmung des Strafrahmens - Sache des Tatrichters, dessen Entscheiden das Revisionsgericht auch dann hinzunehmen hat, wenn eine andere Entscheidung ebenso möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, insbesondere auch der Vorgeschichte der Tat und des Verhaltens des Geschädigten der Tochter des Angeklagten gegenüber nach der Aufdeckung ihres Verhältnisses, sowie der Täterpersönlichkeit ergibt die Gesamtwürdigung jedoch ein derart eindeutiges Überwiegen der mildernden Faktoren, dass die Entscheidung der Kammer hinsichtlich des Strafrahmens als nicht mehr nachvollziehbar anzusehen ist. Die Kammer selbst hat zahlreiche strafmildernde Umstände aufgelistet (UA S. 23). Die etwas stilfremde Formulierung 'aufgrund der wenig erfreulichen Vorgeschichte' (UA S. 23) lässt indes besorgen, dass die Kammer die Mitverantwortung des Geschädigten für die eingetretene Eskalation in ihren Überlegungen nicht hinreichend gewichtet hat. Bei dem gegen eine Strafrahmenverschiebung gewerteten griffbereiten Mitsichführen des Messers beim Betreten der Praxis des Geschädigten ist zudem zu berücksichtigen, dass der Angeklagte das Messer nach seiner unwiderlegten Einlassung nicht im Hinblick auf die Begegnung mit dem Geschädigten eingesteckt hatte (UA S. 7, 14), wofür auch die Feststellung spricht, dass der Angeklagte mit seiner Frau ursprünglich zum Krankenhaus fahren wollte, um die Tochter abzuholen, er sich jedoch bei Fahrtantritt spontan entschlossen hatte, den Geschädigten zur Rede zu stellen (UA S. 7). Für die Beibehaltung des normalen Strafrahmens sprechen nach den Strafzumessungserwägungen letztlich die Angst des Geschädigten bei der Tat und das posttraumatische Belastungssyndrom, unter dem er leidet (UA S. 13, 23). Dies trägt angesichts der gesamten Umstände die Entscheidung der Kammer nicht."
7
Dem schließt sich der Senat an.
8
3. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts und vorsorglich für das weitere Verfahren bemerkt der Senat: Die Schwurgerichtskammer hat eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) zu Recht ausgeschlossen. Der Senat kann angesichts der ohnehin gebotenen Aufhebung des Strafausspruchs auch dahingestellt sein lassen, ob das Landgericht - wie die Revision mit einer Verfahrensbeschwerde rügt - die von der Verteidigung beantragte Einholung eines medizinisch-psychiatrischen Schuldfähigkeitsgutachtens mit Blick auf § 21 StGB im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat. Jedenfalls begegnet die Begründung des ablehnenden Beschlusses rechtlichen Bedenken. So ist bereits nicht nachvollziehbar, dass das beantragte Sachverständigengutachten als Beweismittel "völlig ungeeignet" gewesen sei (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), denn die von der Schwurgerichtskammer vermissten Anknüpfungstatsachen für die Tatzeitverfassung des Angeklagten waren in dem Beweisantrag hinreichend konkret beschrieben und sind vom Landgericht im Übrigen auch im Urteil festgestellt. Zwar handelt es sich bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit "erheblich" im Sinne des § 21 StGB, um eine Rechtsfrage, die vom Gericht ohne Bindung an die Auffassung des Sachverständigen zu beantworten ist (st. Rspr.; BGHSt 43, 66, 77); doch machte auch dies das beantragte Schuldfähigkeitsgutachten nicht zu einem "völlig ungeeigneten" Beweismittel. Soweit das Landgericht im Übrigen die Ablehnung auch auf § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO gestützt hat mit der Erwägung, es könne "die Frage der Schuldfähigkeit... auf Grund der Beobachtung in der Hauptverhandlung mit seinem medizinischen Allgemeinwissen beurteilen", kann es sich nicht auf die dort zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs VRS 39, 101 stützen. In jener Sache hat der Senat vielmehr im Gegenteil entschieden, dass, wenn Anzeichen vorliegen oder unter Beweis gestellt werden, die auch nur eine gewisse Möglichkeit dafür geben, dass der Angeklagte in geistiger Hinsicht von der Norm abweichen könnte, ein Beweisantrag auf eine psychiatrische Untersuchung auch dann nicht abgelehnt werden darf, wenn der Angeklagte selbst in der Hauptverhandlung sich auf einen solchen Zustand nicht beruft.
9
4. Da Gegenstand des Verfahrens nur noch ein nicht die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer begründendes Delikt ist, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 312/13
vom
16. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln
als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Oktober 2013 gemäß § 44
Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 9. Januar 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 26. April 2013, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 9. Januar 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch in den Fällen III. 2.-17. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in 16 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen unter Einbeziehung von Geldstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die - wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat - unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Dem Angeklagten war nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , da ihn wie sein Verteidiger glaubhaft dargelegt hat, an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO). Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
3
2. Das Landgericht hat zu den Fällen III. 2.-17. der Urteilsgründe folgendes festgestellt: In der Zeit von November 2011 bis Ende Dezember 2011/Anfang Januar 2012 verkaufte der Angeklagte dem am 26. Dezember 1995 geborenen J. in sechs, zeitlich nicht mehr weiter konkretisierbaren Fällen jeweils Marihuana von zumindest mittlerer Qualität im Gegenwert von je 20 Euro (entsprechend 2 Gramm). In dem gleichen Zeitraum verkaufte der Angeklagte in zehn, zeitlich nicht mehr weiter konkretisierbaren Fällen Marihuana von zumindest mittlerer Qualität im Gegenwert von jeweils 10 Euro bis 30 Euro (entsprechend einem bis drei Gramm) an den am 28. Dezember 1995 geborenen G. . Dem Angeklagten war bekannt, dass die Jugendlichen noch keine 18 Jahre alt waren. Die Jugendlichen hatten bereits vor den Verkäufen durch den Angeklagten Erfahrungen mit dem Konsum von Marihuana. Der Gewinn des Angeklagten pro verkauftem Gramm Marihuana betrug 4 Euro.
4
3. Bei der Strafzumessung geht die Strafkammer vom Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG aus, der eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. Das Vorliegen minderschwerer Fälle im Sinne von § 30 Abs. 2 BtMG hat sie verneint und für jede der Taten eine Freiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
5
Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beurteilung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände voraussetzt, ist im Wesentlichen dem Tatrichter überlassen (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rdn. 85 m.N.). Seine Entscheidung ist vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung ebenso möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Dies ist ausnahmsweise jedoch nicht der Fall, wenn die mildernden Faktoren so eindeutig überwiegen, dass die Entscheidung des Tatrichters hinsichtlich des Strafrahmens nicht mehr als nachvollziehbar anzusehen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 140, 141).
6
So verhält es sich hier. Die Strafkammer führt selbst eine Reihe gravierender Milderungsgründe zu Gunsten des Angeklagten an, wie etwa sein vollumfängliches Geständnis, die geringen verkauften Mengen an Marihuana, bei dem es sich um eine sog. weiche Droge handelt, die geringen dabei erzielten Gewinne, die zudem der Finanzierung seines eigenen Konsums dienten und den Umstand, dass die Jugendlichen bereits vor den Verkäufen durch den Angeklagten Drogenkonsumenten waren. Dem stellt sie zu Lasten des Angeklagten lediglich gegenüber, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dabei ist es allerdings zu berücksichtigen, dass es sich um vergleichsweise geringfügige Vorbelastungen wegen Beleidigung und wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz handelte. Soweit die Strafkammer als Strafschärfungsgrund ergänzend darauf abstellt, dass der Angeklagte in einer Vielzahl von Fällen Marihuana gewinnbringend an die Jugendlichen verkauft hat, werden diese Umstände durch die geringen verkauften Mengen und die minimalen erzielten Gewinne deutlich relativiert.
7
Gewichtet man diese Gesichtspunkte, so ergibt sich ein so eindeutiges Überwiegen der strafmildernden Faktoren, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren für jeden der Verkäufe von 1 - 2 Gramm Marihuana auch unter Anerkennung eines weiten tatrichterlichen Beurteilungsspielraums nicht mehr nachvollziehbar erscheint.
8
Darüber hinaus lassen die Urteilsgründe nicht - wie geboten (vgl. nur BGH, NStZ-RR 1998, 298) - erkennen, dass die Strafkammer eine Gesamtbetrachtung vorgenommen hat, bei der alle Umstände einbezogen und gewürdigt wurden, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen. Dies erfordert eine wertende Verknüpfung der mildernden und strafschärfenden Faktoren. Demgegenüber beschränkt sich das Landgericht auf die formelhafte und nicht näher begründete Schlussfolgerung, dass die mildernden Aspekte "mithin" die strafschärfenden nicht so überwiegen, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens angezeigt wäre. Auch bei der Gesamtwürdigung hätte die Strafkammer aber in Betracht ziehen müssen, ob die festgestellten mildernden Gesichtspunkte, insbesondere dass es sich um den Verkauf geringster Mengen der weichen Droge Marihuana handelt, die Fälle des Angeklagten so deutlich von den Delikten schwerer Kriminalität abheben, die durch § 30 Abs. 1 BtMG erfasst werden sollen, dass die Anwendung des darin vorgeschriebenen Strafrahmens unangemessen ist (vgl. Körner/Patzak/Volkmer-Patzak, BtMG, 7. Aufl. § 30 Rdn. 182). Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 4 3 / 1 4
vom
19. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Februar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 4. März 2014, soweit es ihn betrifft , im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Bei der Strafrahmenwahl hat die Strafkammer geprüft, ob ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB in Betracht kommt; sie hat dies verneint, da es an Milderungsgründen von ganz außergewöhnlichem Umfang fehle und das Tatbild auch unter Berücksichtigung des Tatbeitrages des Angeklagten, seiner Persönlichkeit und der für und gegen ihn sprechenden Strafzumessungsgründe bei einer Gesamtbetrachtung der nachfolgend dargestellten Strafzumessungserwägungen dem Regelfall einer besonders schweren räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB entspreche.
4
Ungeachtet der nur eingeschränkten Revisibilität der Entscheidung über die Annahme bzw. Nichtannahme eines minder schweren Falles lassen die Formulierungen des Landgerichts besorgen, dieses habe seiner Entscheidung einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Denn für die Annahme eines minder schweren Falles ist nicht das Vorliegen ganz außergewöhnlicher Milderungsgründe erforderlich; ausreichend ist es, wenn im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2013 - 2 StR 312/13). Es lässt sich nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des zutreffenden Maßstabs zur Annahme eines minder schweren Falles gekommen wäre.
5
Hinzu kommt, dass die Strafkammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung Umstände zu Lasten des Angeklagten gewichtet hat, die es nicht, zumindest nicht in vollem Umfang hätte berücksichtigen dürfen. Das Landgericht hat der Strafbemessung insoweit offenbar einen "Textbaustein" zugrunde gelegt, der sich gleichlautend auch bei den drei anderen (nach Jugendstrafrecht verurteilten) Angeklagten findet, und diesen lediglich um einen Hinweis auf die strafrechtlichen Vorbelastungen, die teilweise Verbüßung von Jugendstrafe sowie den Umstand, dass der Angeklagte G. zum Tatzeitpunkt unter laufender Bewährung stand, ergänzt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Erwägungen der Strafkammer, die in gleicher Weise zu Lasten bei allen Angeklagten herangezogen worden sind, beziehen sich hinsichtlich der drei Mitangeklagten auf zwei Taten der besonders schweren räuberischen Erpressung und belegen jeweils bezogen auf die einzelne Tat ihre kriminelle Energie. Der Angeklagte G. aber ist - auch wenn im Rahmen der Beweisaufnahme seine Beteiligung an der zweiten Tat festgestellt worden ist - lediglich wegen einer Tat angeklagt und verurteilt worden, so dass das Landgericht gehindert war, sämtliche Umstände so zu seinen Lasten zu verwerten, als sei er wegen beider Taten verurteilt worden. Im Übrigen hätte das Landgericht schon die Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, allein auf die abgeurteilte Tat beziehen müssen; die Formulierungen der Strafkammer lassen insoweit besorgen, dass sie von vornherein eine (unzulässige) Gesamtwürdigung beider Taten vorgenommen hat.
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Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender Prüfung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt und (gegebenenfalls auch bei Verneinung eines solchen) eine geringere Strafe verhängt hätte. Appl Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

7
aa) Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung das vom Angeklag- ten gehandelte Amphetamin als eine „sogenannte weiche Droge mit einem nicht so erheblichen Missbrauchspotential“ bezeichnet hat (UA S. 15), schließt der Senat aus, dass die Strafzumessung auf einer rechtlich bedenklichen Gefährlichkeitseinstufung von Amphetamin beruht (zum Stufenverhältnis von sogenannten harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin , das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sogenannten weichen Drogen wie Cannabis vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, Rn. 13 [insofern nicht abgedruckt in NStZ-RR 2017, 310]; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ 2016, 614, 615; vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, Rn. 20).

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.