Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Mai 2018 - 2 StR 121/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:230518B2STR121.18.0
bei uns veröffentlicht am23.05.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 121/18
vom
23. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:230518B2STR121.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 8. November 2017 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung, des Hausfriedensbruchs in 65 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Bedrohung, in sieben Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in zehn Fällen in Tateinheit mit Beleidigung, sowie vom Vorwurf der Beleidigung in dreizehn Fällen und der Sachbeschädigung in zwei Fällen wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte in der Zeit von November 2013 bis August 2015 in der Praxis der A. und G. zahnärztlich behandelt. Ab Ende August 2015 entwickelte er die wahnhafte Vorstellung, er sei bei der Behandlung erniedrigt, gequält und mittels einer Spritze vergiftet worden. Gleichzeitig unterlag er der Vorstellung, alles werde sich auflösen und erklären, wenn er die behandelnde Zahnärztin sprechen könne. Ende August 2015 forderte der Angeklagte mehrfach nachhaltig die Herausgabe der Kontaktdaten der Assistenzärztin, was ihm durch das Praxispersonal verweigert wurde. Ende September kündigte er telefonisch seinen Selbstmord an, falls ihm die Kontaktdaten nicht überlassen würden. Der Zeuge A. schaltete daraufhin den Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt L. ein.
3
In der Zeit vom 1. Oktober 2015 bis zu seiner einstweiligen Unterbringung am 21. März 2017 suchte der Angeklagte nunmehr fast jeden Werktag die Zahnarztpraxis bzw. die nähere Umgebung des Mehrfamilien- und Geschäftshauses , in dem diese lag, auf. Ihm war bereits in der ersten Oktoberhälfte 2015 durch den Zeugen A. , der auch Miteigentümer der Immobilie ist, mündlich und schriftlich ein Hausverbot für das gesamte Grundstück, einschließlich Gebäude, Hof und Tiefgarage erteilt worden. Der Angeklagte betätigte immer wieder die Türklingel oder stellte mindestens telefonischen Kontakt her, wobei er regelmäßig die Praxisinhaber bzw. das Praxispersonal als Verbrecher und Mörder, Psychopathen, Lügner und Hexen beschimpfte. Sofern er niemanden erreichte, hinterließ er entsprechende Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Fangschaltungen und Rufnummernsperren umging er, indem er andere Telefonnummern nutzte. Auch an den Wochenenden und außerhalb der Arbeitszeiten kam er teilweise zu den Praxisräumen, warf an ihn selbst gerich- tete Postsendungen oder beschriebene Zettel in den Briefkasten ein oder nahm Manipulationen an Praxis- und Notdienstschildern, der im Hausflur befindlichen Briefkastenanlage sowie den Außenanlagen der Praxis vor, wobei er diese zahlreiche Male beschädigte. Vor dem Schichtwechsel wartete er nahezu täglich darauf, dass bestimmte Mitarbeiterinnen die Praxis verließen, lauerte diesen auf der Straße auf, um sie anzusprechen, anzuschreien oder zu beschimpfen.
4
Die Strafkammer hat über den Zeitraum von 18 Monaten insgesamt 80 rechtswidrige Straftaten des Angeklagten festgestellt. Neben den bereits dargestellten Verstößen gegen das Hausverbot, vielschichtigen Beleidigungen und Sachbeschädigungen warf der Angeklagte unter anderem „Chinaböller“ in den Praxisvorraum, in den Hausflur sowie auf den Balkon der Praxis (Fälle II.4.1, II.4.7, II.4.8 und II.4.9), wobei er in einem Fall (II.4.1) eine Mitarbeitern fahrlässig verletzte. Er drohte, das Haus in die Luft zu sprengen (Fall II.4.4). Gegenüber einer Mitarbeiterin vollführte er die Geste des Halsdurchschneidens (Fall II.4.9). Er erschien in der Kindersprechstunde, brüllte im Empfangsbereich die Worte, „Ich ruiniere eure Praxis, ich mache euch fertig!“ und beschädigte mit einem wuchtigen Tritt die Eingangstür (Fall II.4.5). Er holte Müllsäcke aus dem Treppenhaus und verteilte den Inhalt auf dem Innenhof, in dem er sodann hoch aggressiv eine Stunde umherlief (Fall II.4.11). Er passte zwei Mitarbeiterinnen ab, brüllte sie als Hexe, Mörder, Verbrecher an, hinderte eine Praxismitarbeiterin am Weitergehen und spuckte ihr ins Gesicht, wobei er ihr Auge traf (Fall II.4.43). Er lauerte der Praxismitarbeiterin S. auf, als diese mit ihrem Pkw die Tiefgarage der Praxis verließ, und zerstach den Hinterreifen ihres Fahrzeugs (Fall II.4.57). Der Zeugin Ki. rief er bei anderer Gelegenheit zu: „Zieh deine scheiß Körperverletzung zurück! Ich spucke dir nochmal in dein scheiß Arschgesicht!“ (Fall II.4.64).
5
Eine seitens der Polizei im Januar 2016 durchgeführte Gefährderansprache bewirkte ebenso wenig eine Verhaltensänderung bei dem Angeklagten wie eine ihm mehrfach angedrohte und am 23. März 2016 durchgeführte Ingewahrsamnahme. Ein in der zweiten Jahreshälfte 2016 eingeleitetes Betreuungsverfahren verlief fruchtlos, da der Angeklagte, der über keinerlei Krankheitseinsicht verfügt, jede Zusammenarbeit mit seiner Betreuerin verweigerte.
6
Nachdem der Angeklagte sich in der Zeit vom 5. Januar 2017 bis 16. Januar 2017 in Ordnungshaft in der Justizvollzugsanstalt K. wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine einstweilige Verfügung – das Amtsgericht L. hatte dem Angeklagten auf Betreiben der Praxisinhaber bereits im Dezember 2015 jede Annäherung bis auf fünf Meter an das Mehrfamilien- und Geschäftshaus untersagt – befand, setzte er sein Verhalten unverändert fort, wobei sich dieses nunmehr auch gegen Rechtsanwalt W. richtete, der für die Praxisinhaber das einstweilige Verfügungsverfahren betrieben hatte. In der ersten Märzhälfte 2017 wandte sich der Angeklagte zusätzlich mit zwei Mails an die Polizei, in denen er die Zahnärzte als Lügner, Kriminelle und Mörder darstellte.
7
Der Praxisbetrieb war durch das Verhalten über den gesamten Tatzeitraum erheblich gestört. Bereits ab Oktober 2015 achteten die Mitarbeiterinnen darauf, das Gebäude in der Mittagspause oder für Besorgungen möglichst nicht alleine zu verlassen. Sie betraten nicht mehr alleine den Keller des Mehrfamilien - und Geschäftshauses. Aus Angst vor dem Angeklagten ließen sich einzelne Mitarbeiterinnen nach der Arbeit von Familienangehörigen abholen. Zudem brachten die Praxisinhaber ihre Mitarbeiterinnen so oft wie möglich mit dem Auto nach Hause oder zum Bahnhof. Alle Mitarbeiterinnen statteten sich in Absprache mit den Zahnärzten mit Pfefferspray aus. Gegen Ende des Tatzeitraumes traute sich keine der Mitarbeiterinnen mehr alleine in die Tiefgarage.
Alle Betroffenen empfanden die Situation als sehr belastend, einige fühlten sich persönlich bedroht. Teilweise litten die Betroffenen an Schlafstörungen. Alle lebten unterschwellig mit der Sorge, dass der Angeklagte eines Tages im Bereich der Praxis eine schwere Gewalttat begehen werde.

II.

8
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Maßregelausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
9
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 Satz 1 StGB setzt die Feststellung voraus, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähigoder vermindert schuldfähig war und die Begehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose zu tragen, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde in Folge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 23. August 2017 – 2 StR 278/17, juris Rn. 12; BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16, juris Rn. 9; vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f.; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 jeweils mwN).
10
2. Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil gerecht.
11
a) Die rechtsfehlerfreien Feststellungen der sachverständig beratenen Strafkammer tragen den Schluss, dass der Angeklagte an einer krankhaften seelischen Störung (§ 20 StGB) in Form einer überdauernden wahnhaften Störung (ICD-10: F22.0) leidet, und seine Steuerungsfähigkeit, bei erhaltener Einsichtsfähigkeit, bei allen Anlasstaten aufgehoben war. Die Taten resultierten aus seiner wahnhaften Gewissheit, falsch behandelt oder gar vergiftet worden zu sein und „die Sache“ mit der behandelnden Zahnärztin in einem Gespräch klären zu müssen. Die Aufhebung der Steuerungsfähigkeit sowie den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Zustand des Angeklagten und den Anlasstaten hat das Landgericht mit dem inneren Drang des Angeklagten, der ihn zur Tatausführung zwinge, nachvollziehbar begründet.
12
b) Die vom Landgericht angestellte Gefährlichkeitsprognose hält ebenfalls rechtlicher Prüfung stand. Die Annahme, der Angeklagte werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich gefährdet werden, ist nicht zu beanstanden.
13
aa) Eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 63 Satz 1 StGB liegt vor, wenn diese mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise die Beleidigung, die üble Nach- rede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB), Sachbeschädigungen (§ 303 StGB), der Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und auch Nachstellungen (§ 238 StGB), soweit sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergehen. Zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte sind, soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BVerfG, Beschluss vom 22. August 2017 – 2 BvR 2039/16, juris Rn. 44 mwN; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202).
14
Generell ist auf die konkreten Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls abzustellen, wobei neben der konkreten Art der drohenden Taten und dem Gewicht der jeweils bedrohten Rechtsgüter auch die zu erwartende Häufigkeit und Rückfallfrequenz von Bedeutung sein können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. August 2017 – 2 BvR 2039/16, aaO; BVerfG, vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, juris Rn. 22, BT-Drucks. 18/7244 S. 18 f.). Das heißt, dass neben einer rein qualitativen Bewertung ergänzend auch eine quantitative Betrachtung anzustellen ist. Je höher die zu erwartende Rückfallfrequenz ist, desto eher kommen, in Grenzen, auch Abstriche bei der auf die einzelne Tat bezogenen schweren Verletzungsfolgen in Betracht, wobei maßgeblich ist, inwieweit sich aus der Art der konkret drohenden Taten und der zu erwartenden Rückfallfrequenz insgesamt eine schwere Störung des Rechtsfriedens ergibt (BGH, Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 439/17, juris Rn. 27; BT-Drucks. 18/7244 S. 18 f.). Die erforderliche Prognose ist dabei auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2017 – 1 StR 164/17, juris Rn. 6 mwN).
15
bb) Die von der Strafkammer unter sorgfältiger Darlegung der maßgeblichen Umstände vorgenommene Abwägung wird diesen Maßstäben gerecht.
16
(1) Die Strafkammer hat gesehen, dass die Anlasstaten für sich genommenen lediglich mit einer Höchststrafe von unter fünf Jahren geahndet werden können. Sie hat die einzelnen Taten qualitativ bewertet und belegt, dass das Aggressionspotential des Angeklagten während der einzelnen Taten bei erhaltener Impulskontrolle Schwankungen unterlag und teilweise erheblich war. Sie hat rechtsfehlerfrei neben dieser qualitativen Betrachtung ergänzend die Häufigkeit, die hohe Rückfallgeschwindigkeit zwischen den einzelnen Taten und den langen Tatzeitraum von 18 Monaten in den Blick genommen. Die Urteilsgründe belegen die durch die Quantität sowie den langen Tatzeitraum der Anlasstaten bewirkten intensiven Belastungen der Geschädigten sowie deren individuelle Betroffenheit (Schlafstörungen) und Ängste vor einer schweren Gewalttat durch den Angeklagten. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Strafkammer, es handele sich in diesem Einzelfall bei den Anlasstaten in einer Gesamtschau um erhebliche Straftaten (§ 63 Satz 1 StGB), rechtlich nicht zu beanstanden.
17
(2) Die Strafkammer hat die Persönlichkeit des Angeklagten umfassend gewürdigt und angesichts der äußerst ungünstigen Krankheitsprognose und der fehlenden Krankheitseinsicht den Schluss gezogen, dass der Angeklagte sein Verhalten unverändert fortsetzen werde und von ihm auch zukünftig mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche rechtswidrige Taten bei mindestens gleicher Tatintensität und Tatfrequenz drohen. Sie hat dabei seine konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Angeklagten und seine Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren in die Gesamtbetrachtung eingestellt (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juni 2017 – 2 StR 174/17, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 594/16; NStZ-RR 2017, 76, 77).
18
(3) Die Strafkammer hat auch dargestellt, dass durch die prognostizierten Taten des Angeklagten die potentiellen Opfer erheblich geschädigt und gefährdet werden. Sie hat dabei gesehen, dass sich die Taten bisher gegen einen kleinen Kreis von Geschädigten richteten. Sie hat insoweit bei ihrer Prognose tragfähig begründet, dass zu erwarten stehe, dass sich der Wahn auf weitere Personen ausweiten werde und zulässig den Schluss gezogen, dass eine Fortsetzung der Tatserie angesichts des Gefühls der Macht- und Ausweglosigkeit erhebliche seelische Schäden der Tatopfer erwarten lässt und damit das Sicherheitsgefühl der Opfer nachhaltig und massiv beeinträchtigt und somit der Rechtsfrieden schwer gestört ist.
19
c) Die Strafkammer hat die Verhältnismäßigkeit der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus ausreichend begründet, da mildere Maßnahmen, die die aus der Wahnerkrankung des Angeklagten resultierende Gefahr bannen könnten, in der Vergangenheit ohne Erfolg blieben. Vor diesem Hintergrund ist ihre Wertung, das Selbstbestimmungsrecht des Angeklagten müsse ausnahmsweise vor der Sicherheit der Allgemeinheit zurücktreten , nicht zu beanstanden, zumal der Angeklagte schuldunfähig ist, so dass gegen ihn andere Einwirkungsmöglichkeiten, wie die Verhängung einer Strafe, nicht zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1989 – 1 StR 120/89, juris Rn. 4, NJW 1989, 2959; BT-Drucks. 18/7244 S. 19). Schäfer Krehl Eschelbach Bartel Schmidt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

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1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen , dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 - 4 StR 78/16, Rn. 9; vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 und vom 10. November 2015 - 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
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vom
21. Dezember 2016
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gegen
ECLI:DE:BGH:2016:211216B1STR594.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 21. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen zwei jeweils als Bedrohung (§ 241 StGB) gewerteter , im Zustand aufgehobener Einsichtsfähigkeit begangener Anlasstaten angeordnet. Die auf eine ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.

I.


2
Die Anordnung der Maßregel hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unter- zubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN; siehe Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 16).
4
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
5
a) Bereits die Voraussetzungen einer aufgrund aufgehobener Einsichtsfähigkeit ausgeschlossenen Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) des Beschuldigten bei Begehung der beiden Anlasstaten werden nicht in für den Senat nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt. Erforderlich ist auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bzw. Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 11; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 und vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98). Daran fehlt es bezüglich beider Anlasstaten.
6
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, aufgrund dessen er „oftmals die Realität (verkennt) und nach seinen objektiv falschen Vorstellungen (handelt)“ (UA S. 7, siehe auch UA S. 10). Im Rahmen der Beweiswürdigung ordnet das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, den psychischen Zustand des Beschuldigten als akute polymorphe psychotische Störung (ICD-10 F.23.1.) ein. Beide Anlasstaten würden auf dieser Störung beruhen, weil sich die krankheitsbedingt wahnhaften Vorstellungen des Beschuldigten über einen Zeitraum erstreckt hätten, der beide Tatzeiten umfasse (UA S. 15).
7
bb) Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu der konkreten Ausprägung der psychotischen Störung beschränken sich auf die Beschreibung, der Beschuldigte leide unter der wahnhaften Vorstellung, bereits mehrfach gelebt zu haben und in einem seiner früheren Leben mit der Zeugin S. verlobt gewesen und auch aktuell noch mit ihr verlobt zu sein. Wie sich die „psychotisch intendierte(n) wahnhaft geprägte(n) Psychopathologie“ konkret auf die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bezüglich der Anlasstaten ausgewirkt haben soll, wird in dem angefochtenen Urteil nicht näher ausgeführt. Die Einschätzung des Sachverständigen, der sich das Tatgericht anschließt, erschöpft sich in der Aussage, die Kritikfähigkeit des Beschuldigten sei derart tiefgreifend verändert gewesen, dass die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Handelns sowie in den Realcharakter der Situationen als aufgehoben bewertet werden müsse (UA S. 16). Das lässt eine Darstellung der auf den Beschuldigten bezogenen konkreten Auswirkungen seiner allein konkret benannten wahnhaften Vorstellung mehrfacher Wiedergeburt und des (vermeintlichen) Verlöbnisses mit S. auf die Unrechtseinsichtsfähigkeit bei den beiden Anlasstaten nahezu vollständig vermissen. Näherer Ausführungen sowohl zum psychischen Zustand des Beschuldigten und der Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstaten hätte es aber auch deshalb bedurft, weil sich das Krankheitsbild seit der ersten festgestellten stationären Behandlung des Beschuldigten im November 2008 bis zu den Taten im September 2015 bzw. Januar 2016 verändert hat und im Verlaufe seiner mehrfachen stationären Aufenthalte wechselnde Diagnosen seitens der behandelnden Ärzte gestellt worden sind (UA S. 4 und 5).
8
cc) Hinsichtlich der Anlasstat zum Nachteil des früheren Betreuers des Beschuldigten, Rechtsanwalt Sc. , (Tat B.1. der Urteilsgründe) erweisen sich die Feststellungen und die zugehörige Beweiswürdigung zudem als in sich widersprüchlich. Das Landgericht hat festgestellt, der Beschuldigte sei bezüglich des an den Betreuer gerichteten Drohbriefs infolge seiner psychischen Erkrankung der Auffassung gewesen, Rechtsanwalt Sc. sei für die erfolgte Kürzung von Sozialleistungen verantwortlich (UA S. 7). Ein Zusammenhang mit dem dargestellten Störungsbild wahnhafter Annahme mehrfacher Wiedergeburt und eines Verlöbnisses mit der Zeugin S. ist insoweit nicht zu erkennen. Die referierte Einlassung des Beschuldigten, er habe durch den Brief den Wechsel seines Betreuers erreichen wollen (UA S. 10 unten), lässt sich mit der Feststellung krankheitsbedingter Fehlwahrnehmung jedenfalls nicht in Einklang bringen , wenn das Störungsbild ausschließlich als eines beschrieben wird, das sich allein auf die Wiedergeburt und das Verhältnis zur Zeugin S. bezieht. Soweit das Landgericht in der Beweiswürdigung zum symptomatischen Zusammenhang zwischen der psychotischen Störung und der Anlasstat zum Nachteil von Rechtsanwalt Sc. ausführt, der Beschuldigte habe – nach Begehung der Tat – gegenüber ihn behandelnden Ärzten im Bezirkskrankenhaus L. angegeben, sein Betreuer sei in seine Wohnung gegangen und habe seine Freundin geschwängert (UA S. 16), ist dies mit der Feststellung, die Verantwortungszuschreibung an den Betreuer für die erfolgte Kürzung der ALG II-Leistungen sei der auslösende Grund für den Drohbrief an den Betreuer gewesen (UA S. 7), ohne nähere Darlegungen kaum zu vereinbaren. Die Widersprüchlichkeiten zwischen Feststellungen und Beweiswürdigung können sich auf die Annahme der Unterbringungsvoraussetzungen ausgewirkt haben. Sowohl für die Beurteilung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen der diagnostizierten Störung und der Anlasstat als auch für die Gefährlichkeitsprognose kommt dem Motiv der Tat zum Nachteil des früheren Betreuers Bedeutung zu.
9
b) Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.
10
aa) Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2StR 239/15; vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 15 mwN); die Prognose muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27 sowie BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Einzustellen in die Gefährlichkeitsprognose ist die konkrete Krankheitsund Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können (BGH aaO mwN).
11
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, obwohl das Landgericht den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt einer auf einer umfassenden Gesamtwürdigung aufbauenden Prognose erkannt hat. Es beschränkt sich jedoch darauf, dem Sachverständigen in dessen Einschätzung zu folgen, dass im Fall einer erneuten Zuspitzung des psychotischen Geschehens die „Wahninhalte des Beschuldigten impulshaft und handlungsleitend umgesetzt werden“. In sol- chen Situationen sei die Begehung von Aggressions- und Gewaltdelikten bis hin zu Tötungsdelikten sehr wahrscheinlich (UA S. 20). Anknüpfungstatsachen, die die Prognose derartiger zukünftiger Straftaten stützen, führt das angefochtene Urteil nicht auf. Die benannten Umstände der Wiederaufnahme von Alkohol - und Betäubungsmittelkonsum durch den Beschuldigten sowie das Fehlen von Krankheitseinsicht und eines sozialen Empfangsraums stellen zwar allgemein prognostisch ungünstige Umstände dar. Angesichts seit 2008 bestehender – wenn auch bei sich im Verlaufe der Zeit veränderndem Krankheitsbild – psychischer Auffälligkeit, bislang weitgehend ausgebliebener Delinquenz sowie des bisherigen Fehlens von Gewaltdelikten können die genannten Aspekte allein aber nicht tragfähig begründen, warum nunmehr Gewaltdelikte bis hin zu Tötungsdelikten von dem Beschuldigten zu erwarten sein sollen. Konkrete Umstände , die ein Umschlagen von Drohungen hin zu deren Realisierung prognostizieren lassen, benennt das Landgericht nicht. Aus der Art der psychischen Erkrankung als psychische Störung aus dem Formenkreis der Schizophrenie folgt nichts anderes. Zwar kann bei einer derartigen Störung der Tatrichter auch in Bezug auf einen Täter, der zuvor noch nicht oder kaum mit „gewalttätigen Aggressionsdelikten“ aufgefallen ist, die Überzeugunggewinnen, dieser werde mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zukünftig erhebliche Straftaten, wie etwa Körperverletzungsdelikte, begehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240 f.; vgl. BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Dazu bedarf es aber gerade der sorgfältigen Darlegung derjenigen Umstände, die die entsprechende tatrichterliche Überzeugung tragen (BGH aaO; siehe auch BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Gerade diese Darlegung enthält das angefochtene Urteil aber aus den genannten Gründen nicht.

II.


12
Der Senat hebt die getroffenen Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter sowohl zu den für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Anlasstaten bedeutsamen Umstände als auch zu sämtlichen prognoserelevanten Aspekten umfassende und in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
Raum Radtke Mosbacher Fischer Bär
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 – 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 265/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:101115B1STR265.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26. März 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des Diebstahls in acht Fällen, davon in einem Fall versucht, in Tatmehrheit mit Computerbetrug in 16 tatmehrheitlichen Fällen, davon in drei Fällen versucht, unter Einbeziehung weiterer Strafen zu den Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten und von zehn Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts leidet der Angeklagte an „einer schizophrenen Psychose vom paranoid- halluzinatorischen Typ mit einer Wahn- und Residualsymptomatik, welche sein seelisches Gefüge tiefgreifend veränderte, die Sinngesetzlichkeit seiner seelischen Vorgänge und Handlungsabläufe zerriss und die Wirksamkeit seiner normalen rationalen Kontrollmechanismen aufhob“ (UA S. 4). Aufgrund dieser seit 2001 bekannten Erkrankung befand sich der Angeklagte regelmäßig in psychiatrischer Behandlung; er nimmt Medikamente ein. Alkohol konsumierte der Angeklagte bis zu seiner Inhaftierung gelegentlich und „spielte an Automaten , wenn er Geld zur Verfügung hatte“ (UA S. 4).
3
Im Zeitraum von März 2012 bis Juni 2014 entwendete der Angeklagte in sechs Fällen die Geldbörsen älterer Damen in Supermärkten und nahm anschließend mit den darin enthaltenen EC-Karten unter Verwendung der zugehörigen PIN-Nummer Abhebungen an nahegelegenen Geldautomaten vor oder versuchte dies. Feststellungen zum Zustand des Angeklagten zu den jeweiligen Tatzeitpunkten hat das Landgericht nicht getroffen, in den Gründen des Urteils aber ausgeführt, dass „zwar kein Zusammenhang zwischen der Wahnsympto- matik und den Taten besteht, jedoch aufgrund der chronischen Residualsymptomatik der Schizophrenie die allgemeine Lebensbewältigung des Angeklagten stark eingeschränkt ist, was sich in allgemeiner Unbekümmertheit, Ziel- und Haltlosigkeit und mangelnder Kontrolle des Angeklagten über seine Handlun- gen auswirkt“ (UA S. 11). Vor diesem Hintergrund sei die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten erhalten, seine Steuerungsfähigkeit jedoch erheblich vermindert gewesen.

II.


4
Gegen diese Bewertung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung deshalb nicht stand.
5
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie setzt zunächst voraus, dass zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Hierfür muss vom Tatrichter im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts - oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15; Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15; vom 28. Januar 2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 169, 170; vom 18. November 2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 75, 76 und vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Insoweit ist insbesondere zu untersuchen, ob in der Person des Angeklagten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2015 – 2 StR 420/14; vom 15. Juli 1997 – 4 StR 303/97, BGHR StGB § 63 Zustand 26; Urteil vom 2. April 1997 – 2 StR 53/97, NStZ 1997, 383).
6
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar dargelegt, dass der Angeklagte an einem unter die Eingangsmerkmale des § 20 StGB fallenden krankhaften Zustand von einiger Dauer leidet. Das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Wahnsymptomatik und den Anlasstaten hat es jedoch abgelehnt und die bei dem Angeklagten krankheitsbedingt eingetretene Grundbeeinträchtigung in seiner Lebensführung als ausreichend für die Anordnung der Maßregel gehalten. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei Psychosen aus dem Formenkreis der Schizophrenie etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142 und vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZRR 2012, 306, 307 jeweils mwN).
7
Das Landgericht war zur Begründung der Unterbringung gehalten, in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise zu erörtern, dass und weshalb zwischen dem Zustand des Angeklagten und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. Hierauf konnte angesichts der äußeren Umstände des Falles nicht verzichtet werden. Anhand des Tatbilds ist nicht erkennbar , dass den Handlungen eine schizophrene Psychose vom paranoidhalluzinatorischen Typ zugrunde lag. Denn der Angeklagte lebte in beengten finanziellen Verhältnissen und verwendete das durch die Taten erlangte Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhalts. Er war nach den getroffenen Feststellungen über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg in der Lage, zu seinem Tatmuster passende Opfer sorgfältig auszuwählen und die jeweilige Tathandlung zielorientiert und unbemerkt auszuführen. In den Urteilsgründen des Landgerichts bleibt unklar, weshalb die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der rechtswidrigen Taten erheblich vermindert gewesen sein soll. Schließlich lässt auch die Feststellung, der Angeklagte habe an Spielautomaten gespielt, sobald er Geld zur Verfügung gehabt habe, eine rechtsfehlerhafte Anwendung des anzulegenden Maßstabs besorgen. Die Prüfung, ob in der Person und den Taten des Angeklagten letztlich nur Eigenschaften hervorgetreten sind, die sich im Rahmen des bei schuldfähigen Menschen regelmäßig anzutreffenden Ursachenspektrums für die Begehung von Straftaten halten oder ob die Taten auf einen psychischen Defekt zurückzuführen sind, ist dem Senat anhand der Urteilsgründe nicht möglich.
8
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Soweit das Landgericht in für das Revisionsgericht nicht nachprüfbarer Weise die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht und unter Anwendung des vertypten Strafmilderungsgrundes alle Einzelstrafen den jeweils gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gesenkten Strafrahmen der § 242 Abs. 1 StGB und § 263a Abs. 1 StGB entnommen hat, ist der Angeklagte hierdurch nicht beschwert (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137, 138 und vom 23. Oktober 2007 – 4 StR 358/07, insoweit in NStZ-RR 2008, 70 nicht abgedr.). Dass ohne die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre, vermag der Senat auszuschließen.

9
3. Der Senat hebt den Maßregelausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter eigene, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird sich unter Heranziehung eines Sachverständigen erneut mit der Erkrankung des Angeklagten und ihren Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit bei der Begehung der Taten auseinanderzusetzen haben.
Graf Jäger Mosbacher
RinBGH Dr. Fischer ist erkrankt und daher an einer Unterschriftsleistung gehindert. Graf Bär

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR419/14
vom
15. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 2. Dezember 2013, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen
a) hinsichtlich der Verurteilung im Fall II. 8 der Urteilsgründe und
b) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in vier Fällen, Bedrohung in sechs Fällen und Beleidigung in zwei Fällen zu der Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Der zu den Tatzeiten 18 und 19 Jahre alt gewesene, nicht vorbestrafte Angeklagte leidet an einer leichten Intelligenzminderung (Intelligenzquotient von 50) sowie an einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen , die insbesondere in einer gestörten Empathiefähigkeit ihren Ausdruck findet. Er steht unter u.a. die Aufgabenbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge , Wohnungs-, Vermögens- und Behördenangelegenheiten umfassender Betreuung und lebte seit Mai 2012 bis zu seiner auf landesrechtlicher Grundlage erfolgten Unterbringung am 11. Januar 2013 in einer Einrichtung der evangelischen Stiftung U. in B. , wo es von Beginn an zu Konflikten zwischen dem Angeklagten und anderen Bewohnern der Einrichtung kam, die im Vergleich zu auch in früheren Wohngruppen des Angeklagten vorkommenden Konflikten von größerer Intensität waren.
4
Am 6., 11. und 17. Mai 2012 sandte der Angeklagte u.a. fünf SMS-Nachrichten an seinen leiblichen Vater, von denen eine Nachricht eine beleidigende Äußerung enthielt und vier Nachrichten Tötungsdrohungen zum Gegenstand hatten, die sich gegen den Vater des Angeklagten oder dessen Mutter richteten (II. 1 der Urteilsgründe). Zwischen dem 21. und 23. September 2012 begab sich der Angeklagte in den auf dem Gelände der Stiftung befindlichen Pferdestall und brachte einem dort untergebrachten Pferd mittels eines kleinen Butterflymessers mit 4 cm langer Klinge am Oberschenkel des linken Vorderbeins eine 4 cm tiefe Stichverletzung bei, deren Stichkanal bis zum Knochen reichte (II. 2 der Urteilsgründe). Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Übergriff auf das Pferd wurde der Angeklagte auf einen Igel aufmerksam, auf den er mit seinem Butterflymesser einstach. Anschließend verpackte er den blutenden Igel in eine Plastiktüte und legte ihn im Pferdestall der Einrichtung ab (II. 3 der Urteilsgründe ). Bei anderer Gelegenheit, vermutlich Ende September 2012, bemerkten der Angeklagte und drei andere auf dem Gelände der Einrichtung einen Igel, den sie gemeinsam u.a. durch Schläge mit einer Krücke so schwer verletzten, dass er verendete. Der Angeklagte beteiligte sich an dem Geschehen, indem er mindestens einmal auf den Igel trat (II. 4 der Urteilsgründe). Am 13. Oktober 2012 bezeichnete der Angeklagte einen an ihm vorbeigehenden Bewohner der Einrichtung ohne erkennbaren Anlass als „Arschloch“ und erklärte, er habe seine Mutter und seine Freundin „gefickt“ (II. 5der Urteilsgründe). Nachdem es am Vortag auf Nachfrage seines Bezugsbetreuers zu einer Erörterung über die Herkunft eines beim Angeklagten aufgefallenen ungewöhnlich hohen Bargeldbetrages gekommen war und der Angeklagte das Thema unmittelbar nach dem Aufstehen am Morgen des 6. Januar 2013 gegenüber dem Betreuer im sehr aufgeregten Zustand wieder angesprochen hatte, kam der Angeklagte dem Betreuer kurze Zeit später mit einem Tafelmesser in der Hand entgegen und er- klärte sinngemäß „ich stech dich ab, ich bring mich um“. Im weiteren Verlauf legte der Angeklagte auf Aufforderung des Betreuers das Messer mit dem Griff in dessen Richtung auf den Boden. Um sich gleich wieder mit dem Betreuer zu versöhnen, kam der Angeklagte auf diesen zu und wollte ihn umarmen (II. 6 der Urteilsgründe). Am selben Tag begab sich der Angeklagte zusammen mit einem anderen auf dem Gelände der Stiftung zu dem von ihm bereits zuvor verletzten Pferd. Mit einem von seinem Begleiter übergebenen Messer brachte er dem Pferd eine ca. 4 cm lange oberflächliche Schnittverletzung an der Außenseite des rechten Oberschenkels bei (II. 7 der Urteilsgründe).
5
Schließlich sollte der Bezugsbetreuer des Angeklagten diesen am 11. Januar 2013 zur neuen medikamentösen Einstellung des Angeklagten zu einer Psychiaterin nach B. bringen. Der Angeklagte, der frei entscheiden konnte, ob er zur Psychiaterin fahren wollte oder nicht, lehnte die ihm bereits am Vorabend angekündigte Fahrt zunächst ab, entschied sich dann aber anders und erklärte, doch fahren zu wollen. Im Laufe der anschließenden Autofahrt änderte der Angeklagte noch mehrfach seine Meinung. Zum Teil gab er an, wenn man bei der Ärztin ankomme, werde er nicht aussteigen. Da es dem Angeklagten freistand, die Psychiaterin aufzusuchen oder nicht, ging der Betreuer jedes Mal, wenn der Angeklagte angab, nicht fahren zu wollen, darauf ein und erklärte umzudrehen, woraufhin sich der Angeklagte wieder anders entschied. Obwohl der Betreuer jedes Mal auf die Meinungsänderung des Angeklagten reagierte, war dieser während der Fahrt sehr aufgebracht und bedrohte und beleidigte den Betreuer. Er erklärte, er wolle nicht zur Psychiaterin und bräuchte auch nicht dorthin zu fahren, wenn er das müsse, dann würde er die Psychiaterin und den Betreuer abstechen. Auch gab er an, sich selbst umzubringen. Nachdem er darüber hinaus geäußert hatte, er werde dem Betreuer ins Lenkrad fassen, und sich auch in diese Richtung bewegt hatte, brach der Betreuer die Fahrt ab und fuhr zur Einrichtung zurück (II. 8 der Urteilsgründe).
6
Aufgrund der beim Angeklagten vorliegenden Intelligenzminderung und der kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat am 13. Oktober 2012 nicht ausschließbar, bei den übrigen Taten sicher erheblich herabgesetzt.
7
Die Annahme, dass vom Angeklagten infolge seines Zustands mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades gewalttätige Übergriffe auf beliebige Menschen ggf. unter Zuhilfenahme von Werkzeugen oder Waffen zu erwarten sind, stützt die Jugendkammer – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – maßgeblich darauf, dass der Angeklagte zwei wesentliche Hemmschwellen überschritten habe. Zum einen liege mit der Verletzung von Pferden und Igeln ein wichtiger Prädiktor für Gewaltdelikte gegen Menschen vor. Darüber hinaus habe der Angeklagte mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten. Hierzu bedürfe es keines Angriffs auf eine andere Person. Bereits eine Selbstverletzung bedeute ein hohes Risiko, dass der Angeklagte diese Schwelle zur Verletzung von Menschen erneut – und dann auch durch Verletzung anderer Personen – überschreite.

II.


8
1. Die Verurteilung wegen Bedrohung im Fall II. 8 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Wertung des Landgerichts, bei der Äußerung des Angeklagten gegenüber seinem Betreuer habe es sich um eine objektiv ernstzunehmende Drohung gehandelt, auf einer unvollständigen tatrichterlichen Wertung beruht.
9
Der Tatbestand der Bedrohung in § 241 Abs. 1 StGB, der in erster Linie dem Schutz des Rechtsfriedens des Einzelnen dient (vgl. BVerfG, NJW 1995, 2776, 2777; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 241 Rn. 2), setzt das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person voraus, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint , den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken (vgl. BVerfG aaO; OLG Naumburg, StV 2013, 637; OLG Koblenz, NStZ-RR 2007, 175; Sinn in MükoStGB, 2. Aufl., § 241 Rn. 2, 4; Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 241 Rn. 2, 4). Ob einer Erklärung oder einem schlüssigen Verhalten die objektive Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens zukommt, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines durchschnittlich empfindenden Beobachters, wobei auch Begleitumstände der Tatsituation Bedeutung erlangen können (vgl. Träger/Schluckebier in LK-StGB, 11. Aufl., § 241 Rn. 10; Sinn aaO Rn. 5; Eser/Eisele aaO).
10
Zwar kann eine Bedrohung auch in der Weise erfolgen, dass die Begehung des Verbrechens vom künftigen Eintritt oder Nichteintritt eines weiteren Umstands abhängen soll (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 1 StR 288/61, BGHSt 16, 386, 387), so dass die Verknüpfung der Todesdrohung des Angeklagten mit einem zwangsweisen Verbringen zu seiner Psychiaterin grundsätzlich der Erfüllung des Tatbestands des § 241 Abs. 1 StGB nicht entgegensteht. Im vorliegenden Fall sollte nach den Feststellungen jedoch gerade kein Arztbesuch gegen den Willen des Angeklagten durchgesetzt werden. Vielmehr konnte der Angeklagte den in seinem Belieben stehenden Arztbesuch jederzeit ablehnen, was er während der Fahrt auch wiederholt tat. Der Betreuer ging auch jeweils auf die entsprechenden Willensäußerungen ein und erklärte umzudrehen. Es stand daher schon bei der Äußerung des Angeklagten fest, dass der Umstand, von dem die Tötungsdrohung nach dem Wortlaut der Äußerung abhängen sollte, nicht eintreten würde. Diesen für die Bestimmung des Erklärungsgehalts der Äußerung bedeutsamen situativen Kontext hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht.
11
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da eine tatrichterliche Entscheidung über das Absehen von der Verhängung der Jugendstrafe nach § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG unterblieben ist.
12
Wird aus Anlass der Straftat eines nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden gemäß § 63 StGB dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, ist grundsätzlich zu prüfen, ob die angeordnete Maßregel die Ahndung mit Jugendstrafe entbehrlich macht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28). Eine entsprechende Prüfung und Entscheidung ist dem angefochtenen Urteil auch in seinem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen.
13
3. Schließlich begegnet auch der Maßregelausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Gefährlichkeit des Angeklagten im Sinne des § 63 StGB nicht tragfähig begründet.
14
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244; vom 30. Juli 2014 – 4 StR 183/14 Rn. 5).
15
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Gefährlichkeitsprognose nicht gerecht. Soweit die Jugendkammer die Gefährlichkeit des Angeklagten maßgeblich damit begründet, dass er mit seinen Selbstverletzungen auch die Grenze zur Verletzung von Menschen überschritten habe, entbehren die Erwägungen einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Urteil gibt insoweit lediglich die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen wieder, wonach aufgrund der ansonsten widersprüchlichen Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration, die aber hinsichtlich der Schilderung von Schnitten in den Unterarm wegen der am Unterarm zu erkennenden Narbenbildung stimmig gewesen seien, von einem Impuls zur Selbstverletzung beim Angeklagten auszugehen sei. Konkrete Feststellungen zu Selbstverletzungen des Angeklagten inder Vergangenheit hat das Landgericht aber nicht getroffen. Die Urteilsgründe verhalten sich weder zu Zeitpunkt, Ausmaß und Häufigkeit von selbstverletzenden Handlungen des Angeklagten noch dazu, inwieweit ein Zusammenhang zwischen Selbstverletzungen und dem psychischen Defektzustand des Angeklagten besteht. Entsprechende Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob einem entsprechenden Verhalten des Angeklagten indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose beigemessen werden kann.
16
Die Unterbringungsanordnung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Angesichts der eher geringfügigen Anlasstaten , die während des Tatzeitraums keine Steigerung der Deliktschwere erkennen lassen, wird der neue Tatrichter im Rahmen derGefährlichkeitsprognose – eingehender, als bisher geschehen, – die vom Angeklagten in verschiedenen Einrichtungen gezeigten aggressiven Verhaltensweisen in den Blick zu nehmen und sich mit der im angefochtenen Urteil offen gebliebenen Frage zu befassen haben, inwieweit dieses Verhalten des Angeklagten bereits zu tätlichen Übergriffen auf andere Personen geführt hat. Der Senat weist ferner darauf hin, dass zulässiges Verteidigungsverhalten nicht zur Begründung der Gefährlichkeit des Angeklagten herangezogen werden darf (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 4 StR 452/04). Schließlich wird angesichts der besonders gelagerten Sachlage die Hinzuziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zu erwägen sein.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt

1.
die räumliche Nähe dieser Person aufsucht,
2.
unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu dieser Person herzustellen versucht,
3.
unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten dieser Person
a)
Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für sie aufgibt oder
b)
Dritte veranlasst, Kontakt mit ihr aufzunehmen,
4.
diese Person mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ihrer selbst, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person bedroht,
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
6.
eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
7.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, unter Vortäuschung der Urheberschaft der Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
8.
eine mit den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Handlung vornimmt.

(2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
durch die Tat eine Gesundheitsschädigung des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person verursacht,
2.
das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt,
3.
dem Opfer durch eine Vielzahl von Tathandlungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nachstellt,
4.
bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 ein Computerprogramm einsetzt, dessen Zweck das digitale Ausspähen anderer Personen ist,
5.
eine durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 6 verwendet,
6.
einen durch eine Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 5 erlangten Inhalt (§ 11 Absatz 3) bei einer Tathandlung nach Absatz 1 Nummer 7 verwendet oder
7.
über einundzwanzig Jahre ist und das Opfer unter sechzehn Jahre ist.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahestehenden Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Bremen vom 15. August 2016 - 5 KLs 602 Js 36754/14 - und des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 6. September 2016 - 1 Ws 130/16, 1 Ws 131/16 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 GG.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Bremen hat der Beschwerdeführerin vier Fünftel ihrer notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten. Der weitergehende Antrag auf Auslagenerstattung wird abgelehnt.

In diesem Umfang erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe; im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 Euro (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung und Fortdauer einer einstweiligen Unterbringung der Beschwerdeführerin.

A.

I.

2

Die am 11. Dezember 1968 geborene Beschwerdeführerin wurde auf Grundlage des Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016, verkündet am 15. April 2016, gemäß § 126a StPO einstweilig untergebracht.

3

Der Beschwerdeführerin wurde für den Zeitraum Dezember 2013 bis Juli 2015 eine Vielzahl von Straftaten gegen ihren ehemaligen Lebensgefährten vorgeworfen. Dabei ging es um Nötigungen, Sachbeschädigungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz. Unter anderem wurde ihr zur Last gelegt, das Fahrzeug ihres früheren Lebensgefährten mit Müll, Sand und Kot verunreinigt und es mit mehr als 40 Hammerschlägen beschädigt zu haben, derart gegen die Eingangstüre zur Arbeitsstelle ihres ehemaligen Lebensgefährten getreten zu haben, dass drei Glasstreifen der Türe beschädigt wurden, die Wohnanlage ihres ehemaligen Lebensgefährten aufgesucht und dort mit einem Hammer sechs Glaselemente der Hauseingangstüre eingeschlagen zu haben, ihm durch SMS-Nachrichten nachgestellt sowie sein Haus mit Eiern und Marmelade verschmutzt zu haben. Ferner wurde ihr vorgeworfen, ihrem ehemaligen Lebensgefährten gedroht zu haben, sein Haus niederzubrennen und die Kinder seiner Schwester zu "holen" und sie "aufzuschlitzen".

4

Während der auf den Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 1. September 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung ergaben sich Zweifel an ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Das Amtsgericht beauftragte deshalb am 21. April 2015 ein Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie K. zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB und einer etwaigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB.

5

Die Sachverständige gelangte in ihrem Gutachten vom 16. Dezember 2015 zu dem Ergebnis, die Beschwerdeführerin sei als sogenannter "Rejected Stalker" einzuschätzen. Sie sei selbstunsicher und stalke ihren sie abweisenden Ex-Partner aus Rache; hauptsächliches Motiv ihres Verhaltens sei die Hoffnung auf Aussöhnung. In Bezug auf ihren ehemaligen Lebensgefährten sei die massive narzisstische Wut, die mit einer unzweifelhaft psychotisch anmutenden Erregung verbunden sei, noch nicht abgeklungen. Bei der Beschwerdeführerin habe bereits zu den Tatzeitpunkten eine Manie mit psychotischen Symptomen (ICD-10: F30.2) bestanden, die zu einer erheblich verminderten, wenn nicht zum Teil sogar aufgehobenen Steuerungsfähigkeit bei den ihr vorgeworfenen Straftaten geführt habe. Es drohten weitere Sachbeschädigungen und Bedrohungen; aufgrund der Schwere des psychopathologischen Befundes seien Gewaltdelikte, zu denen auch Brandstiftungen gehörten, "nicht auszuschließen". Bei Therapiebereitschaft könne eine Unterbringung nach § 63 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.

6

In einem Schreiben an das Amtsgericht Bremen-Blumenthal vom 16. Februar 2016 erläuterte die Sachverständige, die Beschwerdeführerin habe am 19. Juni 2015 ihrer Betreuerin mit Tötungsabsichten gedroht. Bezüglich der medizinischen Eingangsvoraussetzungen des § 63 StGB ergäben sich im Vergleich zum Gutachten vom 16. Dezember 2015 keine neuen Gesichtspunkte. Es drohten weiterhin Straftaten wie Sachbeschädigungen, Telefon- und SMS-Terror sowie Bedrohungen, wobei auch Körperverletzungsdelikte und Brandstiftungen nicht auszuschließen seien.

7

Mit Beschluss vom 9. März 2016 ordnete das Amtsgericht Bremen-Blumenthal auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bremen die einstweilige Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Es machte sich die Einschätzung der Sachverständigen in ihrem Gutachten und Ergänzungsgutachten zu Eigen. Die öffentliche Sicherheit erfordere die einstweilige Unterbringung, weil nach der gutachterlichen Einschätzung eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die Beschwerdeführerin weiterhin Delikte wie die bisherigen begehen werde. Darüber hinaus bestehe nach Einschätzung der Sachverständigen die Gefahr, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung auch gravierendere Straftaten, wie etwa Körperverletzungs- und Brandstiftungsdelikte, begehen könnte. Sofern die Gutachterin von der "wahnhaften Verkennung der Beziehung" zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem ehemaligen Lebensgefährten spreche, folge hieraus eine erhebliche Eskalationsgefahr. Ferner ging das Amtsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin ausweislich ihres Bundeszentralregisterauszugs bereits erheblich mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten sei.

8

In einer durch das Landgericht Bremen angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 12. April 2016 zur Gefährlichkeitsprognose erklärte die Sachverständige, es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auch in Zukunft Delikte zu Lasten ihres ehemaligen Lebensgefährten begehen werde. Unter Rückgriff auf die früheren Straftaten und die fehlende kritische Distanz der Beschwerdeführerin zu ihren Taten sei die Gefahr der Umsetzung der angedrohten Straftaten, wie zum Beispiel Brandstiftungs- und Körperverletzungsdelikte, bei entsprechender Erregung aufgrund des psychotischen Zustandes mit überflutenden Wut- und Hassgefühlen "durchaus nicht von der Hand zu weisen".

9

Unter dem 8. April 2016 diagnostizierte der Psychiater L. bei der Beschwerdeführerin eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung sowie eine hyperthyme Persönlichkeit mit maniformer Symptomatik, die eine Krankenhausbehandlung erforderlich mache.

10

Nachdem die Beschwerdeführerin am 14. April 2016 in Bremen verhaftet und im Klinikum Bremen-Ost untergebracht worden war, wurde sie am 15. April 2016 dem Landgericht vorgeführt. Dieses beschloss, den Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016 aufrecht zu erhalten.

11

Mit Schriftsatz vom 20. April 2016 - den sie unter dem 8. Mai 2016 ergänzte - legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein und beantragte, den Unterbringungsbefehl aufzuheben. Sie trug vor, sie lebe bereits seit dem Sommer 2015 nicht mehr in der Nachbarschaft ihres ehemaligen Lebensgefährten, sondern habe - um zufällige Begegnungen zu vermeiden - ihren Aufenthalt von Bremen-Vegesack nach Bremen-Mitte verlegt; dort sei sie auch festgenommen worden. Sie sei bei dem Facharzt für Psychiatrie L. in Bremen in Behandlung. Diese Behandlung, zu der sie auch weiterhin bereit sei, habe zu einer Befriedung der Situation geführt. Auf Vermittlung des Psychiaters habe die C.-Klinik in N. ihre Aufnahmebereitschaft erklärt.

12

Nach der Stellungnahme des Klinikums Bremen-Ost vom 26. April 2016 bestand der Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0). Aufgrund der gezeigten krankheitsbezogenen Haltung sei nicht zu erwarten, dass die Beschwerdeführerin sich freiwillig in einer allgemeinpsychiatrischen Klinik behandeln lassen werde. Im Rahmen der aktuellen Behandlung sei sie allerdings nicht bedrohlich aufgetreten, und schwerwiegende Erregungszustände hätten nicht beobachtet werden können.

13

Unter dem 18. Mai 2016 hörte das Landgericht Bremen die Beschwerdeführerin sowie die sie behandelnden Ärzte und Psychologen des Klinikums Bremen-Ost an. Der Diplom-Psychologe T. erklärte, er habe in zwei, teils länger andauernden Gesprächen die Erkenntnis gewonnen, die Beschwerdeführerin sei nicht fremdgefährdend. Die Leitende Oberärztin F. erklärte hingegen, eine Behandlung der Beschwerdeführerin sei dringend geboten. Diese beschuldige ihren ehemaligen Lebensgefährten mehrerer Taten, äußere dabei allerdings keine Rachegefühle. Auch wenn sie nicht den Eindruck vermittelt habe, paranoide Einfälle im Hinblick auf eine Schädigung ihres ehemaligen Lebensgefährten zu haben, sei durch die starken affektiven Phasen eine Fremdgefährdung in bestimmten Situationen außerhalb des geschützten reizarmen Rahmens der Klinik nicht auszuschließen. So verliere die Beschwerdeführerin bei starker Ablenkung sehr schnell die Kontrolle und werde vor allem in Phasen der Aufregung aggressiv. Soweit die Sachverständige K. in ihrem Gutachten festgestellt habe, die Beschwerdeführerin leide unter einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen, sei dieses Explorationsergebnis im Wesentlichen mit der durch die Klinik festgestellten Diagnose der paranoiden Schizophrenie vergleichbar.

14

Mit Schreiben vom 27. Mai 2016 teilte die Beschwerdeführerin erneut mit, es gebe für sie einen vom Psychiater L. vermittelten Klinikplatz in der C.- Klinik in N.

15

Mit Beschluss vom 13. Juni 2016 hob das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 15. April 2016 auf und verwies die Sache an das Landgericht Bremen zurück, weil die Entscheidung nicht hinreichend begründet sei.

16

Mit Beschluss vom 16. Juni 2016 ordnete das Landgericht Bremen die Fortdauer der Unterbringung an und verwies auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung. Die Notwendigkeit einer einstweiligen Unterbringung werde durch die Stellungnahme des Diplom-Psychologen T. nicht entkräftet. Die Leitende Oberärztin F. sei höher und zudem psychiatrisch qualifiziert; ihre Einschätzung zur Fremdgefährdung entspreche überdies dem Gutachten. Auch der Wegzug der Beschwerdeführerin aus dem unmittelbaren Umfeld des Geschädigten sei nicht geeignet, die von ihr ausgehende Gefährlichkeit zu beseitigen, nachdem sie immer noch in Bremen lebe und es zu zufälligen Begegnungen mit dem Geschädigten kommen könne.

17

Auf die hiergegen am 28. Juni 2016 eingelegte Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin insbesondere eine weiterhin unzureichende Begründungstiefe rügte, beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Bremen am 5. Juli 2016 die Aufhebung des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016 und die sofortige Freilassung der Beschwerdeführerin. Zwar seien dringende Gründe für die Annahme gegeben, dass sie die ihr in dem Unterbringungsbefehl zur Last gelegten Taten im Zustand zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Es lägen allerdings keine dringenden Gründe für die Annahme vor, dass ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werde.

18

Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20. Juli 2016 zurück. Die vorläufige Gesamtwürdigung ergebe, dass von der Beschwerdeführerin infolge ihres Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Die Sachverständige habe dargelegt, dass nicht nur Delikte wie die angeklagten, sondern auch die angedrohten Brandstiftungs- und Körperverletzungsdelikte zu befürchten seien. Die Gefahr, dass sie ihre Drohungen bei entsprechender Erregung in die Tat umsetze, dränge sich aufgrund ihres psychotischen Zustandes mit überflutenden Wut- und Hassgefühlen auf. Soweit die Sachverständige von einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen ausgehe, während die behandelnde Oberärztin F. von einer paranoiden Psychose ausgehe, habe letztere bekundet, dass beide Störungsbilder sich ähnelten und auch ähnlich zu behandeln seien. Soweit der Diplom-Psychologe T. eine akute Fremdgefährdung verneine, sei der gegenteiligen Ansicht der Leitenden Oberärztin F. aufgrund deren psychiatrischer Qualifikation ein größeres Gewicht beizumessen. Zwar sei die Beschwerdeführerin - anders als noch vom Amtsgericht angenommen - bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Ihr würden zudem lediglich Taten der Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und Sachbeschädigung sowie Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz vorgeworfen. Die Taten erstreckten sich allerdings auf 28 Tatvorwürfe in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren und seien mit aggressiven Übergriffen einhergegangen. Weitere derartige Delikte seien nach dem Ergänzungsgutachten der Sachverständigen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Es bestehe überdies die konkrete Gefahr, dass die Beschwerdeführerin auch gravierende Straftaten mit Körperverletzungs- und Brandstiftungsdelikten begehen werde. Sie zeige keinerlei kritische Distanz zu ihrem Verhalten und reagiere hochgradig erregt, weshalb zu befürchten sei, dass sie ihre Drohungen bei entsprechender Erregung in die Tat umsetze. Der Umzug innerhalb Bremens beseitige diese Gefahr ebenso wenig wie der Umstand, dass sie von sich aus einen Psychiater aufgesucht habe. Dieser habe noch im April 2016 einen Klinikaufenthalt für erforderlich gehalten. Die Fortdauer der Unterbringung sei nicht unverhältnismäßig, nachdem es bislang zu keinen nennenswerten Verfahrensverzögerungen gekommen sei.

19

Mit Beschluss vom 15. August 2016 eröffnete das Landgericht Bremen das Hauptverfahren und ordnete die Aufrechterhaltung und den weiteren Vollzug des einstweiligen Unterbringungsbefehls an, weil die Voraussetzungen des § 126a StPO unverändert vorlägen. Bei den zu befürchtenden Körperverletzungs- und Brandstiftungsdelikten handele es sich um erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB. Die der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Taten seien nicht unerheblich, auch wenn es sich lediglich um Beleidigung, Bedrohung, Nötigung, Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz handele. Dies folge aus ihrer konstanten Intensität, der erheblichen Dauer, dem Zusammenhang mit aggressiven Übergriffen und den Folgen für die Opfer. Weil die Beschwerdeführerin ihre zerstörerische Wut auf den Exfreund noch nicht überwunden habe und sich gegen jede Medikation sperre, sei die "Begehung der genannten erheblichen rechtswidrigen Taten" zu befürchten, weshalb "subsidiär" zudem die Voraussetzungen von § 63 Satz 2 StGB erfüllt seien.

20

Auf die gegen die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung gerichtete Beschwerde vom 18. August 2016 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Bremen am 23. August 2016 erneut die Aufhebung des Unterbringungsbefehls und die Anordnung der sofortigen Freilassung der Beschwerdeführerin. Die Sachlage habe sich seit dem letzten Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 5. Juli 2016 nicht verändert.

21

Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen wies die Beschwerde mit dem angegriffenen Beschluss vom 6. September 2016 unter Verweis auf seine Entscheidung vom 20. Juli 2016 zurück. Auch nach der Neuregelung des § 63 StGB komme die Anordnung einer Unterbringung bei der Begehung von Bagatelldelikten in Betracht, wenn die gesetzlich gebotene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der Anlasstat die Prognose trage, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Auch unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 63 StGB lägen dringende Gründe für die Annahme vor, dass die Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werde. Es handele sich bei den zu erwartenden erheblichen rechtswidrigen Taten auch um solche, durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich erheblich geschädigt" oder "erheblich gefährdet" würden. Eine solche erhebliche Schädigung scheide zwar auch nach der Neuregelung des § 63 StGB bei zu erwartenden Beleidigungs- und einfachen Nötigungs- sowie Nachstellungsdelikten in der Regel aus. Bei damit einhergehenden aggressiven Übergriffen sei allerdings von einer solchen Erheblichkeit auszugehen. Bei drohenden Körperverletzungsdelikten sei dies der Fall, wenn der Rechtsfrieden empfindlich beziehungsweise schwer gestört worden sei und die Taten geeignet seien, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Brandstiftungsdelikte, die mit der Gefährdung von Menschen einhergingen, könnten in der Regel auch nach der Neuregelung eine Unterbringung rechtfertigen. Die Beschwerdeführerin habe ihrem ehemaligen Lebensgefährten angedroht, die Kinder seiner Schwester aufzuschlitzen und sein Wohnhaus in Brand zu setzen. Die bisherigen Nachstellungen seien nach den vorliegenden Erkenntnissen teils mit aggressiven Übergriffen gegen den Geschädigten einhergegangen (Beschmieren des Fahrzeugs mit Exkrementen, Einschlagen der Haustür des Geschädigten mit einem Hammer). Aufgrund der Häufigkeit der Vorfälle in der Vergangenheit und der drohenden Rückfallgefahr sei unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Expertisen der Fachleute derzeit eine erhebliche Schädigung und erhebliche Gefährdung der Opfer im Sinne von § 63 Satz 1 StGB zu befürchten. Der Umzug der Beschwerdeführerin innerhalb Bremens beseitige die von ihr ausgehende Gefährlichkeit nicht, weil ihr Wohnort weiterhin in Bremen liege. Die Vorstellung bei dem Psychiater L. im April 2016 führe nicht zu einer anderen Beurteilung, weil auch dieser einen Klinikaufenthalt für erforderlich gehalten habe. Es sei davon auszugehen, dass die von § 63 Satz 2 StGB aufgestellten "besonderen Umstände" vorlägen, die die Erwartung rechtfertigten, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtwidrige Taten begehen werde. Die Fortdauer der Anordnung erweise sich nicht als unverhältnismäßig, denn mit der Hauptverhandlung sei am 18. August 2016 - dem Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde - bereits begonnen worden.

22

Das Landgericht Bremen setzte auf Antrag der Beschwerdeführerin vom 6. September 2016 die Hauptverhandlung mit Beschluss vom 15. September 2016 aus, nachdem eine der verbundenen Anklagen erst in der Hauptverhandlung zugestellt worden und sie nach einer Sitzungsunterbrechung in Folge des Fernbleibens beider Verteidiger unverteidigt war. Zugleich ordnete die Strafkammer die Aufrechterhaltung und den weiteren Vollzug des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016 nach Maßgabe der Kammerbeschlüsse vom 16. Juni und 15. August 2016 an und machte sich in diesem Beschluss die Gründe der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 16. September 2016 ausdrücklich zu Eigen. Der erneute Beginn der Hauptverhandlung wurde auf den 10. Oktober 2016 festgesetzt. Eine Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin gegen diesen Beschluss blieb erfolglos.

23

Mit Beschluss vom 26. September 2016 wies das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen die gegen seinen Beschluss vom 6. September 2016 erhobene Gegenvorstellung vom 8. September 2016 unter Wiederholung der dortigen Begründung zurück.

24

Mit Beschluss vom 12. Januar 2017 hob das Landgericht Bremen schließlich den Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016 auf und ordnete die sofortige Entlassung der Beschwerdeführerin an. Die Voraussetzungen der Anordnung nach § 126a StPO seien nicht mehr gegeben. Zwar bestehe nach wie vor der dringende Tatverdacht bezüglich aller ihr zur Last gelegten Taten. Allerdings seien von ihr gegenwärtig erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB nicht mehr zu erwarten. Das Landgericht schloss sich damit einem vorläufigen mündlichen Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen K. vom selben Tage an.

25

Am 6. Februar 2017 erließ das Amtsgericht Bremen-Blumenthal auf Antrag des ehemaligen Lebensgefährten eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz gegen die Beschwerdeführerin. Dieser Anordnung lag die eidesstattliche Versicherung des ehemaligen Lebensgefährten zugrunde, sie habe an seiner Arbeitsstätte auf ihn gewartet und ihm gedroht, indem sie ihre Hand zu einer Pistole geformt habe und deren Abschuss gestikuliert habe.

26

Nachdem dem Landgericht Bremen im Zuge der Hauptverhandlung am 7. Februar 2017 der vorgenannte Beschluss des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal bekannt geworden war, ordnete es am 8. Februar 2017 erneut die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 126a StPO an. Die Kammer schließe sich den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 6. Februar 2017 an. Der Zweck der einstweiligen Unterbringung könne derzeit nicht mit milderen Mitteln nach § 126a Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 116 Abs. 3 StPO erreicht werden.

27

Am 29. März 2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen den Unterbringungsbefehl vom 8. Februar 2017 und die daraufhin ergangene Beschwerdeentscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 22. März 2017 Verfassungsbeschwerde, die Gegenstand des Verfahrens 2 BvR 736/17 ist.

28

Bereits am 23. März 2017 war die Beschwerdeführerin vom Landgericht Bremen freigesprochen worden, weil sie im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hatte; die Unterbringung der Beschwerdeführerin wurde unter Bejahung der Voraussetzungen des § 63 Satz 2 StGB angeordnet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Am selben Tage fasste das Landgericht Bremen einen Beschluss zur Fortdauer des Unterbringungsbefehls.

II.

29

Mit ihrer am 30. September 2016 gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016, des Landgerichts Bremen vom 15. August 2016 und des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 6. September 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde, die sie mit dem Antrag verbunden hat, das Bundesverfassungsgericht möge im Wege der einstweiligen Anordnung ihre Freilassung anordnen, hat die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG gerügt.

30

Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine einstweilige Unterbringung hätten nicht vorgelegen. Es habe an konkreten Anhaltspunkten dafür gefehlt, dass sie erhebliche Straftaten begehen werde. Die Gutachterin K. habe keine konkreten Erkenntnisse benannt, welche eine solche Gefahr hätten begründen können. Letztlich hätten ihre Ausführungen, die Begehung von Körperverletzungs- und Brandstiftungsdelikten könne "nicht ausgeschlossen werden" beziehungsweise sei "durchaus nicht von der Hand zu weisen", spekulativen Charakter gehabt und den gesetzlich geforderten Gefährdungsgrad nicht begründen können.

31

Nach ihrer Freilassung am 12. Januar 2017 hat sie mit Schriftsatz vom 20. Januar 2017 ihren Antrag auf Anordnung ihrer sofortigen Freilassung für erledigt erklärt und beantragt nunmehr festzustellen, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 9. März 2016 sie in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt habe. Zudem beantragt sie, den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 15. August 2016 - zunächst versehentlich als Beschluss vom 15. September 2016 bezeichnet - und den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 6. September 2016 aufzuheben, jedenfalls aber festzustellen, dass diese sie in ihren Grundrechten verletzten.

III.

32

1. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof kann die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 9. März 2016 keinen Erfolg haben, da diese Entscheidung prozessual überholt sei. Im Übrigen würden die Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vollständig gerecht. Die Entscheidungen wiesen nicht die erforderliche Begründungstiefe auf. Sie ließen eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses nicht in dem von Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG geforderten Maße zu. Zudem lasse sich "bereits nicht stets feststellen", ob den Entscheidungen der zutreffende Maßstab zugrunde gelegt worden sei.

33

2. Der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen hat eine Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf einstweilige Anordnung nicht abgegeben.

34

3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Verfahrens (5 KLs 602 Js 36754/14; Stand: 21. März 2017) in Abschrift vorgelegen.

B.

35

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt, soweit die Beschwerdeführerin die Feststellung beantragt, dass die Beschlüsse des Landgerichts Bremen vom 15. August 2016 und des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 6. September 2016 sie in ihren Grundrechten verletzt haben. In diesem Umfang ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

I.

36

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zur Entscheidung angenommen wird, zulässig.

37

Angesichts des mit der Freiheitsentziehung erlittenen Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch nach Aufhebung der sie anordnenden Entscheidung und Erledigung der Maßnahme fort. Die Beschwerdeführerin hat nach Aufhebung des Unterbringungsbefehls durch Beschluss des Landgerichts Bremen vom 12. Januar 2017 und nach ihrer Entlassung aus der Unterbringung ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob sie durch die angegriffenen Maßnahmen in ihren Grundrechten verletzt wurde (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04 -, juris, Rn. 22; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris, Rn. 25; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. März 2014 - 2 BvR 918/13 -, juris, Rn. 14). Daran vermag auch eine etwaige prozessuale Überholung der angegriffenen Beschlüsse durch spätere (erneute) Unterbringungsentscheidungen nichts zu ändern (BVerfGK 5, 230 <234 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2380/06 -, juris, Rn. 23; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Mai 2015 - 2 BvR 2319/14 -, juris, Rn. 25; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2016 - 2 BvR 2921/14 -, juris, Rn. 38).

II.

38

Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

39

1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2016 - 2 BvR 1739/14 -, juris, Rn. 23; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16 -, juris, Rn. 39).

40

a) Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2016 - 2 BvR 1739/14 -, juris, Rn. 24; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16 -, juris, Rn. 40).

41

b) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>). Auf Grund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG i.V.m. Art. 104 GG) gelten zudem erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Entscheidungen über die Fortdauer einer Unterbringung. Die mit Unterbringungssachen betrauten Richter haben sich bei der zu treffenden Entscheidung mit den Voraussetzungen einer Fortdauer der Unterbringung eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Beschuldigten und dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten. Diese Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die vom Beschuldigten ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. April 2015 - 2 BvR 2462/13 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, juris, Rn. 17).

42

c) Nach § 126a StPO, gegen den die Beschwerdeführerin keine verfassungsrechtlichen Einwände erhebt, kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert und dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden wird.

43

Die strafrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erfordert sowohl nach § 63 StGB a.F. als auch nach § 63 StGB in der ab dem 1. August 2016 geltenden Fassung (des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016, BGBl I S. 1610), dass die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Eine Unterbringung nach § 63 StGB darf zudem nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2011 - 2 BvR 2181/11 -, juris, Rn. 27 m.w.N.).

44

Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise die Beleidigung, die üble Nachrede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) und Bedrohung (§ 241 StGB), Sachbeschädigungen (§ 303 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und auch Nachstellungen (§ 238 StGB), soweit sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juli 2013 - 2 BvR 298/12 -, juris, Rn. 21 und 28; BTDrucks 18/7244, S. 18). Zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte sind nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10 -, NStZ-RR 2011, S. 202), soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2011 - 2 BvR 2181/11 -, juris, Rn. 27). Dies folgt auch aus § 63 Satz 1 StGB, der erhebliche rechtwidrige Taten voraussetzt, durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden". Generell ist auf die konkreten Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls und die konkrete Art der zu erwartenden Tatbestandsverwirklichung abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2001 - 4 StR 538/00 -, StV 2002, S. 477; BTDrucks 18/7244, S. 17). Dabei sind an den Begriff der Erheblichkeit nach herrschender Meinung allerdings nicht so hohe Anforderungen zu stellen wie bei der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB (vgl. BTDrucks 18/7244, S. 17).

45

2. Den daraus folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen deshalb nicht gerecht, weil sie die gebotene Begründungstiefe nicht erreichen.

46

a) Bereits die Annahme, es lägen dringende Gründe für eine Anordnung der Unterbringung der Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus vor, wird durch die angegriffenen Entscheidungen unabhängig davon nicht hinreichend begründet, dass der fehlerhafte Ausgangspunkt des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal, die Beschwerdeführerin sei ausweislich ihres Bundeszentralregisterauszuges bereits strafrechtlich mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten, jedenfalls durch das Oberlandesgericht Bremen in seinem Beschluss vom 20. Juli 2016 erkannt und korrigiert worden ist. Die Entscheidungen von Landgericht und Oberlandesgericht lassen hinsichtlich der Frage einer hinreichend konkreten Gefahr der Begehung erheblicher rechtwidriger Taten jedenfalls wesentliche Umstände, zu denen sich die Gerichte im Rahmen der Gefahrenprognose hätten verhalten müssen, gänzlich außer Betracht oder erörtern diese nicht genügend.

47

aa) Aus den Beschlüssen des Landgerichts Bremen und des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen ergibt sich bereits nicht hinreichend, dass von der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidungen überhaupt eine Fremdgefährdung ausging. Das gilt insbesondere für den Umstand, dass sie die letzte der verfahrensgegenständlichen Taten im Juli 2015 verübt hatte. Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal am 9. März 2016 hatte sie also seit etwa acht Monaten keine Straftaten mehr begangen, obwohl sie nach den Ausführungen der Gutachterin in diesem Zeitraum unter einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen und nach Auffassung der behandelnden Ärzte und Psychologen des Klinikums Bremen-Ost unter einer paranoiden Schizophrenie litt. Die Notwendigkeit einer solchen Erörterung hätte sich auch deshalb aufdrängen müssen, weil in dem zeitnah nach der Unterbringung der Beschwerdeführerin im Klinikum Bremen-Ost von den behandelnden Ärzten und Psychologen verfassten Bericht vom 26. April 2016 festgehalten ist, sie sei weder bedrohlich aufgetreten noch hätten schwerwiegende Erregungszustände beobachtet werden können. Auch nach den Ausführungen der Leitenden Oberärztin F. im Rahmen der Anhörung vor dem Landgericht Bremen am 18. Mai 2016 hatte die Beschwerdeführerin gerade keine Rachegefühle im Hinblick auf ihren ehemaligen Lebensgefährten geäußert. Sie habe auch nicht den Eindruck vermittelt, "paranoide Einfälle" im Hinblick auf dessen Schädigung zu haben. Vor diesem Hintergrund ist der Widerspruch zwischen der Einschätzung des Diplom-Psychologen T., der im Rahmen seiner Anhörung eine Fremdgefährlichkeit der Beschwerdeführerin verneint hat, und der entgegenstehenden Auffassung der Leitenden Oberärztin F. mit dem bloßen Hinweis auf deren höhere fachliche Qualifikation nicht hinreichend aufgelöst. Es hätte der konkreten Erörterung bedurft, weshalb davon auszugehen war, dass die Beschwerdeführerin, obwohl sie trotz ihrer Erkrankung über acht Monate straffrei geblieben war, zukünftig wieder fremdgefährdend auftreten werde. In diesem Zusammenhang hätte zudem erörtert werden müssen, ob und inwieweit das Ende der Nachstellungen mit dem Wegzug der Beschwerdeführerin nach Bremen-Mitte in Verbindung zu bringen war. Dies gilt auch deshalb, weil es den Gerichten mögliche mildere Mittel gegenüber einer Unterbringung - etwa durch Auflagen bezüglich des Wohnortes (vgl. hierzu Schultheis, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, StPO, 7. Aufl. 2013, § 126a Rn. 6) - hätte aufzeigen können. Insgesamt lassen die angegriffenen Entscheidungen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, ob und wie die gegen eine Unterbringung sprechenden Aspekte in die Prognoseentscheidung eingegangen sind und weshalb sie letztlich zurücktreten mussten. Hinzu kommt, dass die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Bremen die aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen (§ 2 Abs. 6 StGB) neuen Gesetzeslage erforderliche Betrachtung der Folgen der Taten für das Opfer ebenso vermissen lässt wie sonstige Ausführungen zur Erheblichkeit der befürchteten Taten. Dieser Mangel wird durch die Beschwerdeentscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen nicht behoben.

48

bb) Soweit die angegriffenen Entscheidungen die Annahme der Gefahr der Begehung erheblicher rechtwidriger Taten auf zu befürchtende Körperverletzungs- und Brandstiftungsdelikte als Straftaten jedenfalls mittlerer Kriminalität stützen, fehlt es erst recht an der Begründung einer hinreichend konkreten Gefahr solcher Taten. Die Annahme drohender Körperverletzungen oder Brandstiftungen geht auf Äußerungen der Beschwerdeführerin im Jahre 2014 gegenüber ihrem früheren Lebensgefährten zurück, sie werde die Kinder seiner Schwester "holen" und "aufschlitzen" und sein Haus niederbrennen. Diese Drohungen standen am Anfang der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Belästigungen und lagen zum Anordnungszeitpunkt der einstweiligen Unterbringung schon etwa zwei Jahre zurück. Eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in Freiheit keinerlei erkennbare Anstalten machte, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen, enthalten die angegriffenen Entscheidungen nicht, jedenfalls nicht mit der gebotenen Begründungstiefe, obwohl die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen der Sachverständigen in dem betreffenden Zeitraum psychiatrisch erkrankt war. Entsprechende Taten hätten zudem eine qualitative Steigerung des bisherigen deliktischen Verlaufs bedeutet. Warum mit einer Umsetzung der Drohungen konkret und mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu rechnen war, bleibt offen, weil die Gefahr einer Steigerung des Krankheitsverlaufs und der auf ihn zurückzuführenden Straftaten in den angegriffenen Entscheidungen nicht nachvollziehbar dargelegt wird. Dies wäre aber insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die durch die Beschwerdeführerin begangenen Taten in ihrer Intensität konstant geblieben sind. Die bloße Bezugnahme auf das Gutachten der Sachverständigen, die solche Taten "nicht ausschließen" wollte beziehungsweise als "durchaus nicht von der Hand zu weisen" einschätzte, genügt vor diesem Hintergrund - unabhängig davon, ob diesen Formulierungen überhaupt eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades entnommen werden kann - nicht.

49

cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beschwerdeführerin ihrem ehemaligen Lebensgefährten bereits kurze Zeit nach ihrer Freilassung aufgelauert und ihn mit einem Pistolenhandzeichen bedroht haben soll. Wenngleich dies für die Beurteilung der Frage, ob von der Beschwerdeführerin künftig erhebliche Straftaten drohen, von maßgeblicher Bedeutung und zudem geeignet sein kann, die Prognoseentscheidung der Fachgerichte nachträglich zu bestätigen, kann hierdurch der Mangel einer fehlenden Begründung zeitlich davor ergangener Entscheidungen nicht behoben werden.

50

b) Die angegriffenen Entscheidungen lassen zudem die verfassungsrechtlich gebotenen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO i.V.m. § 62 StGB) vermissen. Während sie in der landgerichtlichen Entscheidung gänzlich fehlen, beschränkt das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen seine Ausführungen auf die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes. Nachdem sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen seit mehreren Monaten zur Behandlung in einer psychiatrischen Klinik befunden hatte, hätte es näherer Ausführungen bedurft, ob der angenommenen Gefährlichkeit auch durch - die Außervollzugsetzung des Unterbringungsbeschlusses ermöglichende - Auflagen hinreichend hätte entgegengewirkt werden können, wie etwa einer Behandlung auf freiwilliger Basis oder der Einhaltung einer räumlichen Distanz zwischen ihrem Wohnsitz und dem ihres ehemaligen Lebensgefährten. Dies drängte sich deshalb besonders auf, weil sich die Beschwerdeführerin ausweislich der Bestätigung des Psychiaters L. vom 19. April 2016 bereits zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung in fachärztliche Behandlung begeben und sich selbst um eine stationäre Therapie in räumlicher Entfernung zu ihrem früheren Lebensgefährten bemüht hatte. Insoweit hätte es nahe gelegen, aus dieser Behandlung verfügbare Erkenntnisse in die Abwägung einzubeziehen. Soweit die von der Beschwerdeführerin behauptete Behandlungsbereitschaft im Widerspruch zu den Feststellungen der sie behandelnden Ärzte und Psychologen des Klinikums Bremen-Ost stand, die in ihrem Bericht vom 26. April 2016 nicht von einer derartigen Bereitschaft ausgingen, ist dieser Widerspruch in den angegriffenen Entscheidungen ebenfalls nicht hinreichend aufgelöst.

III.

51

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

C.

52

1. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2016 - 2 BvR 1739/14 -, juris, Rn. 41). Der Beschwerdeführerin sind danach vier Fünftel ihrer notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten. Hingegen hat der Antrag auf Auslagenerstattung in Bezug auf die begehrte einstweilige Anordnung keinen Erfolg. Die Entscheidung darüber ist selbständig zu treffen und folgt nicht zwangsläufig der Auslagenentscheidung im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde (BVerfGE 89, 91 <94>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. September 1995 - 1 BvR 1401/94 -, juris, Rn. 5). Sie ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen (vgl. BVerfGE 89, 91 <97>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. September 1995 - 1 BvR 1401/94 -, juris, Rn. 6). Eine Auslagenerstattung kommt nur dann in Betracht, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach den hierfür geltenden Maßstäben Erfolg gehabt hätte (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 2011 - 1 BvR 1671/10 -, juris, Rn. 6). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

53

Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, soweit er nicht bereits abzulehnen war, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

54

2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit ist auf §§ 37 Abs. 2 Satz 2, 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsrechtlichen Verfahren gestützt (vgl. BVerfGE 79, 365 <368 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 2011 - 1 BvR 1671/10 -, juris, Rn. 8). Im Hinblick auf die objektive Bedeutung der Sache ist ein Gegenstandswert von 10.000 Euro angemessen. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist aufgrund seiner Zielrichtung, eine lediglich vorläufige Regelung herbeizuführen, demgegenüber ein erheblich niedrigerer Wert zuzumessen als demjenigen für die Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 2011 - 1 BvR 1671/10 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. März 2017 - 2 BvR 1490/16 -, juris, Rn. 1).

55

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

6
Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (BGH, Beschlüsse vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141; vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 311/13; vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15 und vom 3. Juni 2015 – 4 StR 167/15, StV 2016, 724; Urteil vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 15; Beschluss vom 15. März 2017 – 2 StR 557/16 Rn. 7) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12; BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZRR 2016, 306; Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 618/16 Rn. 10 mwN). In die Gefährlichkeitsprognose sind die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstat belegen können (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76, 77 mwN), einzubeziehen. Dabei hat der Tatrichter die für die Entscheidung über die Unterbringung maßgeblichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzulegen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 618/16 Rn. 10; Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 594/16 Rn. 3 aE, NStZ-RR 2017, 76; vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9, NStZ-RR 2017, 74, 75; vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; siehe auch Beschluss vom 10. November2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN).

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

11
a) Die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 - 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 mwN). Einzustellen sind die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 594/16, NStZ-RR 2017, 76, 77). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2015 - 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 594/16
vom
21. Dezember 2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:211216B1STR594.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 21. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 19. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen zwei jeweils als Bedrohung (§ 241 StGB) gewerteter , im Zustand aufgehobener Einsichtsfähigkeit begangener Anlasstaten angeordnet. Die auf eine ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.

I.


2
Die Anordnung der Maßregel hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unter- zubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN; siehe Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 16).
4
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
5
a) Bereits die Voraussetzungen einer aufgrund aufgehobener Einsichtsfähigkeit ausgeschlossenen Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) des Beschuldigten bei Begehung der beiden Anlasstaten werden nicht in für den Senat nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt. Erforderlich ist auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten bzw. Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 11; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 und vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98). Daran fehlt es bezüglich beider Anlasstaten.
6
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Beschuldigte an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, aufgrund dessen er „oftmals die Realität (verkennt) und nach seinen objektiv falschen Vorstellungen (handelt)“ (UA S. 7, siehe auch UA S. 10). Im Rahmen der Beweiswürdigung ordnet das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, den psychischen Zustand des Beschuldigten als akute polymorphe psychotische Störung (ICD-10 F.23.1.) ein. Beide Anlasstaten würden auf dieser Störung beruhen, weil sich die krankheitsbedingt wahnhaften Vorstellungen des Beschuldigten über einen Zeitraum erstreckt hätten, der beide Tatzeiten umfasse (UA S. 15).
7
bb) Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu der konkreten Ausprägung der psychotischen Störung beschränken sich auf die Beschreibung, der Beschuldigte leide unter der wahnhaften Vorstellung, bereits mehrfach gelebt zu haben und in einem seiner früheren Leben mit der Zeugin S. verlobt gewesen und auch aktuell noch mit ihr verlobt zu sein. Wie sich die „psychotisch intendierte(n) wahnhaft geprägte(n) Psychopathologie“ konkret auf die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bezüglich der Anlasstaten ausgewirkt haben soll, wird in dem angefochtenen Urteil nicht näher ausgeführt. Die Einschätzung des Sachverständigen, der sich das Tatgericht anschließt, erschöpft sich in der Aussage, die Kritikfähigkeit des Beschuldigten sei derart tiefgreifend verändert gewesen, dass die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Handelns sowie in den Realcharakter der Situationen als aufgehoben bewertet werden müsse (UA S. 16). Das lässt eine Darstellung der auf den Beschuldigten bezogenen konkreten Auswirkungen seiner allein konkret benannten wahnhaften Vorstellung mehrfacher Wiedergeburt und des (vermeintlichen) Verlöbnisses mit S. auf die Unrechtseinsichtsfähigkeit bei den beiden Anlasstaten nahezu vollständig vermissen. Näherer Ausführungen sowohl zum psychischen Zustand des Beschuldigten und der Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit bei Begehung der Anlasstaten hätte es aber auch deshalb bedurft, weil sich das Krankheitsbild seit der ersten festgestellten stationären Behandlung des Beschuldigten im November 2008 bis zu den Taten im September 2015 bzw. Januar 2016 verändert hat und im Verlaufe seiner mehrfachen stationären Aufenthalte wechselnde Diagnosen seitens der behandelnden Ärzte gestellt worden sind (UA S. 4 und 5).
8
cc) Hinsichtlich der Anlasstat zum Nachteil des früheren Betreuers des Beschuldigten, Rechtsanwalt Sc. , (Tat B.1. der Urteilsgründe) erweisen sich die Feststellungen und die zugehörige Beweiswürdigung zudem als in sich widersprüchlich. Das Landgericht hat festgestellt, der Beschuldigte sei bezüglich des an den Betreuer gerichteten Drohbriefs infolge seiner psychischen Erkrankung der Auffassung gewesen, Rechtsanwalt Sc. sei für die erfolgte Kürzung von Sozialleistungen verantwortlich (UA S. 7). Ein Zusammenhang mit dem dargestellten Störungsbild wahnhafter Annahme mehrfacher Wiedergeburt und eines Verlöbnisses mit der Zeugin S. ist insoweit nicht zu erkennen. Die referierte Einlassung des Beschuldigten, er habe durch den Brief den Wechsel seines Betreuers erreichen wollen (UA S. 10 unten), lässt sich mit der Feststellung krankheitsbedingter Fehlwahrnehmung jedenfalls nicht in Einklang bringen , wenn das Störungsbild ausschließlich als eines beschrieben wird, das sich allein auf die Wiedergeburt und das Verhältnis zur Zeugin S. bezieht. Soweit das Landgericht in der Beweiswürdigung zum symptomatischen Zusammenhang zwischen der psychotischen Störung und der Anlasstat zum Nachteil von Rechtsanwalt Sc. ausführt, der Beschuldigte habe – nach Begehung der Tat – gegenüber ihn behandelnden Ärzten im Bezirkskrankenhaus L. angegeben, sein Betreuer sei in seine Wohnung gegangen und habe seine Freundin geschwängert (UA S. 16), ist dies mit der Feststellung, die Verantwortungszuschreibung an den Betreuer für die erfolgte Kürzung der ALG II-Leistungen sei der auslösende Grund für den Drohbrief an den Betreuer gewesen (UA S. 7), ohne nähere Darlegungen kaum zu vereinbaren. Die Widersprüchlichkeiten zwischen Feststellungen und Beweiswürdigung können sich auf die Annahme der Unterbringungsvoraussetzungen ausgewirkt haben. Sowohl für die Beurteilung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen der diagnostizierten Störung und der Anlasstat als auch für die Gefährlichkeitsprognose kommt dem Motiv der Tat zum Nachteil des früheren Betreuers Bedeutung zu.
9
b) Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nicht tragfähig begründet.
10
aa) Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2StR 239/15; vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 15 mwN); die Prognose muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27 sowie BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Einzustellen in die Gefährlichkeitsprognose ist die konkrete Krankheitsund Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können (BGH aaO mwN).
11
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, obwohl das Landgericht den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt einer auf einer umfassenden Gesamtwürdigung aufbauenden Prognose erkannt hat. Es beschränkt sich jedoch darauf, dem Sachverständigen in dessen Einschätzung zu folgen, dass im Fall einer erneuten Zuspitzung des psychotischen Geschehens die „Wahninhalte des Beschuldigten impulshaft und handlungsleitend umgesetzt werden“. In sol- chen Situationen sei die Begehung von Aggressions- und Gewaltdelikten bis hin zu Tötungsdelikten sehr wahrscheinlich (UA S. 20). Anknüpfungstatsachen, die die Prognose derartiger zukünftiger Straftaten stützen, führt das angefochtene Urteil nicht auf. Die benannten Umstände der Wiederaufnahme von Alkohol - und Betäubungsmittelkonsum durch den Beschuldigten sowie das Fehlen von Krankheitseinsicht und eines sozialen Empfangsraums stellen zwar allgemein prognostisch ungünstige Umstände dar. Angesichts seit 2008 bestehender – wenn auch bei sich im Verlaufe der Zeit veränderndem Krankheitsbild – psychischer Auffälligkeit, bislang weitgehend ausgebliebener Delinquenz sowie des bisherigen Fehlens von Gewaltdelikten können die genannten Aspekte allein aber nicht tragfähig begründen, warum nunmehr Gewaltdelikte bis hin zu Tötungsdelikten von dem Beschuldigten zu erwarten sein sollen. Konkrete Umstände , die ein Umschlagen von Drohungen hin zu deren Realisierung prognostizieren lassen, benennt das Landgericht nicht. Aus der Art der psychischen Erkrankung als psychische Störung aus dem Formenkreis der Schizophrenie folgt nichts anderes. Zwar kann bei einer derartigen Störung der Tatrichter auch in Bezug auf einen Täter, der zuvor noch nicht oder kaum mit „gewalttätigen Aggressionsdelikten“ aufgefallen ist, die Überzeugunggewinnen, dieser werde mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zukünftig erhebliche Straftaten, wie etwa Körperverletzungsdelikte, begehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240 f.; vgl. BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Dazu bedarf es aber gerade der sorgfältigen Darlegung derjenigen Umstände, die die entsprechende tatrichterliche Überzeugung tragen (BGH aaO; siehe auch BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Gerade diese Darlegung enthält das angefochtene Urteil aber aus den genannten Gründen nicht.

II.


12
Der Senat hebt die getroffenen Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter sowohl zu den für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Anlasstaten bedeutsamen Umstände als auch zu sämtlichen prognoserelevanten Aspekten umfassende und in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
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