Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2017 - 2 StR 437/16

bei uns veröffentlicht am31.05.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 437/16
vom
31. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:310517B2STR437.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 31. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Wegen der im Zusammenhang mit der sogenannten legendierten Kontrolle erhobenen Verfahrensrügen verweist der Senat auf sein Urteil vom 26. April 2017 (2 StR 247/16). 2. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Schuldspruch auch hinsichtlich der mittäterschaftlich begangenen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar hat sich das Landgericht bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht ersichtlich an der Rechtsprechung orientiert, wonach auf den Einfuhrvorgang als entscheidenden Bezugspunkt abzustellen ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Mai 2017 – 2 StR 364/16 und vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16 jew. mwN). Allerdings lassen sich den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände entnehmen, die die Annahme täterschaftlicher Beteiligung des Angeklagten an der Einfuhr im Ergebnis rechtfertigen. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2017 - 2 StR 437/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2017 - 2 StR 437/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2017 - 2 StR 437/16 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2017 - 2 StR 437/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Mai 2017 - 2 StR 364/16

bei uns veröffentlicht am 03.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 364/16 vom 3. Mai 2017 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:030517B2STR364.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs h

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2017 - 2 StR 247/16

bei uns veröffentlicht am 26.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 247/16 vom 26. April 2017 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja StPO §§ 102, 105;

BGH 2 StR 23/16

bei uns veröffentlicht am 15.03.2017

Tenor 1. Die Revisionen der Angeklagten M.   und J.   A.    gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2015 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass jeweils ein

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 247/16
vom
26. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
StPO §§ 102, 105; § 161 Abs. 2 Satz 1
EMRK Art. 6 Abs. 1
1. Zur Rechtmäßigkeit sogenannter legendierter Kontrollen.
2. Es gibt weder einen allgemeinen Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber
dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt. Die Polizei kann auch während eines
bereits laufenden Ermittlungsverfahrens aufgrund präventiver Ermächtigungsgrundlagen
zum Zwecke der Gefahrenabwehr tätig werden.
3. Ob auf präventiv-polizeilicher Grundlage gewonnene Beweise im Strafverfahren
verwendet werden dürfen, bestimmt sich nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO.
BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 2 StR 247/16 - LG Limburg an der Lahn
ECLI:DE:BGH:2017:260417U2STR247.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. April 2017 in der Sitzung am 26. April 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung, Rechtsanwalt in der Verhandlung und bei der Verkündung als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 1. März 2016 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es sichergestellte Betäubungsmittel und den PKW VW Touran des Angeklagten eingezogen sowie den erweiterten Verfall eines sichergestellten Geldbetrags in Höhe von 5.571,13 Euro angeordnet.
2
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 17. August 2015 gegen 5.20 Uhr als Führer und alleiniger Insasse seines Fahrzeugs VW Touran von der Bundesautobahn A 3 kommend im Bereich der Ausfahrt L. -S. auf dem Gelände des nahe gelegenen ICE-Bahnhofs einer polizeilichen Personen - und Fahrzeugkontrolle unterzogen. Dabei entdeckte die Polizei in einem eigens dafür präparierten Hohlraum hinter dem Armaturenbrett des Fahrzeugs insgesamt neun Päckchen Kokain (7.995 Gramm Kokain brutto; 6.500,6 Gramm Kokainhydrochloridanteil). Der Angeklagte hatte das Kokain zuvor von einer unbekannten Person in den Niederlanden übernommen und gegen 4.00 Uhr morgens zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs nach Deutschland eingeführt. Dies entsprach dem gemeinsamen Tatplan des Angeklagten mit dem gesondert Verfolgten B. , der sich zur Tatzeit in Marokko aufhielt. B. hatte den Betäubungsmitteltransport telefonisch organisiert und den Kontakt zu dem Lieferanten in den Niederlanden hergestellt. Der Angeklagte war als seine „rechte Hand“ für die Entgegennahme und den Transport der Betäubungsmittel zuständig und hatte zuvor noch ausstehende Geldbeträge bei Betäubungsmittelabnehmern aus früheren Lieferungen für die Bezahlung des Kokains einzutreiben.
4
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung von diesem Sachverhalt unter anderem auf die bei der Durchsuchung des Fahrzeugs des Angeklagten erlangten Erkenntnisse und auf die Aussagen der dabei tätig gewordenen Polizeibeamten gestützt. Es hat deren Aussagen zum Auffinden des Kokains im Fahrzeug, die hierzu gefertigten Lichtbilder und das Betäubungsmittelgutachten des Bundeskriminalamts Wiesbaden vom 28. September 2015 für verwertbar gehalten. Der Angeklagte hat der Verwertung von Beweismitteln, die mit der Fahrzeugdurchsuchung im Zusammenhang stehen, in der Hauptverhandlung widersprochen, dies vor folgendem Hintergrund:
5
a) Im April 2015 hatte eine Vertrauensperson gegenüber der Kriminalpolizei Frankfurt am Main angegeben, dass eine marokkanische Personengruppe unter Führung eines „ “ im Frankfurter Stadtteil P. in großem Stil mit Drogen handele. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ein Ermittlungsverfahren ein und führte im Weiteren verdeckte Ermittlungen durch. Aufgrund hierdurch erlangter Erkenntnisse wurden der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. identifiziert und in der Folge als Beschuldigte geführt. Durch Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen erhielten die Ermittlungsbehörden Hinweise auf einen für Mitte August 2015 geplanten Betäubungsmitteltransport des Angeklagten, den der Hintermann B. , der Ende Juli 2015 mit seiner Familie vorübergehend nach Marokko gereist war, telefonisch organisiert hatte. Auf Grundlage eines ermittlungsrichterlichen Beschlusses wurde das Fahrzeug des Angeklagten mit einem Peilsender versehen. Ab dem 14. August 2015 wurde der Angeklagte auch observiert , wodurch die Ermittlungsbehörde Kenntnis von seiner Einreise am frühen Morgen des nächsten Tages in die Niederlande erlangte. Da eine Zusammenarbeit mit den niederländischen Strafverfolgungsbehörden nicht zustande kam, wurde die Observation an der Landesgrenze abgebrochen.
6
b) Am Tattag, dem 17. August 2015 gegen 1.15 Uhr, erhielten die ermittelnden Frankfurter Kriminalbeamten über den Peilsender Kenntnis davon, dass sich das Fahrzeug des Angeklagten wieder in Richtung Deutschland in Bewegung gesetzt hatte. Sie besprachen das weitere Vorgehen. Es erschien ihnen notwendig zu verhindern, dass Betäubungsmittel in erheblichem Umfang in Deutschland in Umlauf gerieten; zugleich waren die Beamten an der Sicherung etwaiger Beweise interessiert. Sie wollten auch verhindern, dass der damalige Mitbeschuldigte B. , der sich zu diesem Zeitpunkt in Marokko aufhielt, von den bereits laufenden Ermittlungen erfahren und eine Wiedereinreise nach Deutschland deshalb unterlassen würde. Darum beschlossen sie, das Fahrzeug des Angeklagten in Deutschland – wenn möglich – einer sogenannten legendierten Kontrolle durch Beamte der Verkehrspolizei zu unterziehen, um den Erfolg der laufenden Ermittlungsmaßnahmen gegen den Hintermann nicht zu gefährden. Durch die Legende einer Verkehrskontrolle sollte verhindert werden, dass infolge des Zugriffs auf den Kurier bislang verdeckt geführte, technisch und personell aufwändige Ermittlungen aufgedeckt und der Hintermann in Marokko gewarnt würde. Bei vergleichbaren Lagen war entsprechend verfahren worden, richterliche Durchsuchungsbeschlüsse für zu kontrollierende Fahrzeuge , bei denen ihr Anlass hätte aufgedeckt werden müssen (§ 107 StPO), waren nicht eingeholt worden. Die Beamten hielten auch diesmal die Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses in Fortsetzung der üblichen Praxis für nicht erforderlich. Dementsprechend verständigten sie die Autobahnpolizei Wiesbaden und fragten vorsorglich die Unterstützung durch einen Diensthundeführer an.
7
Nachdem der Angeklagte gegen 4.00 Uhr wieder nach Deutschland eingereist war und die Autobahn A 3 in Richtung Frankfurt am Main befuhr, traf sich eine Streife der Autobahnpolizei Wiesbaden – die Zeugen POKin Bi. und PK-A A. – mit dem Leiter des Observationsteams und weiteren Kriminalbeamten aus Frankfurt am Main auf dem Gelände des ICE-Bahnhofs in M. . Der Streife wurde neben der Beschreibung und dem Kennzeichen des Fahrzeugs des Angeklagten mitgeteilt, dass es um das Auffinden professionell verbauten Rauschgifts gehe. Es solle versucht werden, das Fahrzeug anzuhalten. Falls sich für eine Kontrolle ein Vorwand fände, wäre das „schön“. Sofern der Fahrer flüchten würde, sollte er jedoch nicht verfolgt werden. In der Folge wurde die Streife mit Hilfe des Observationsteams an den vom Angeklag- ten gesteuerten VW Touran „herangeführt“.
8
Kurz vor der Abfahrt L. -N. beobachteten die Beamten, dass der Angeklagte an einer Baustelle etwa 10 km/h zu schnell fuhr und nahmen dies zum Anlass für eine Verkehrskontrolle. Sie überholten und setzten das Zeichen „Bitte folgen“. Der Angeklagte kam dem nach und folgte dem Polizeifahrzeug an der Ausfahrt L. -S. auf das Gelände des nahegelegenen ICE-Bahnhofs. Dort teilte POKin Bi. dem Angeklagten mit, dass er zu schnell gefahren sei, verlangte dessen Papiere und fragte ihn, ob er verbotene Gegenstände bei sich führe, was dieser verneinte. Weitere Polizeibeamte kamen hinzu, unter anderem erschien ein Diensthundeführer mit einem Betäubungsmittelspürhund, der das Fahrzeug beschnüffelte und im Bereich der über dem Radio befindlichen Lüftungsdüsen anschlug. Als die Polizeibeamten feststellten, dass die Lüftungsdüsen nicht funktionierten, durchsuchten sie das Fahrzeug eingehender und fanden nach Entfernen des Ablagefachs der Mittelkonsole neun Pakete mit Kokain in einem Hohlraum. Daraufhin belehrten sie den Angeklagten als Beschuldigten und nahmen ihn vorläufig fest.
9
c) Die Beamten der Verkehrspolizei fertigten auf der Dienststelle einen Bericht, in dem sie Hinweise auf die Ermittlungen der Kriminalpolizei Frankfurt am Main unterließen, wodurch der Eindruck entstand, es habe sich um eine zufällige Verkehrskontrolle gehandelt.
10
KOK Z. von der Polizeidirektion Limburg, der die polizeilichen Ermittlungen in der Folge führte, wurde nach Dienstantritt von der Sicherstellung des Kokains informiert und belehrte den Angeklagten ein weiteres Mal mündlich als Beschuldigten, ohne auf das Ermittlungsverfahren in Frankfurt am Main hinzuweisen. Auf seine Frage, wieviel Kokain im Fahrzeug gewesen sei, antwortete der Angeklagte: 6,5 kg. Auf Vorhalt, es seien aber bereits 8 kg brutto sichergestellt worden, zuckte er lediglich mit den Schultern. Weitere Angaben zur Sache machte der Angeklagte weder im Ermittlungsverfahren noch im Rahmen der Hauptverhandlung.
11
Der Haftrichter des Amtsgerichts Limburg an der Lahn erließ am 18. August 2015 in Unkenntnis der Ermittlungen der Kriminalpolizei in Frankfurt am Main antragsgemäß Haftbefehl gegen den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der gesondert Verfolgte B. reiste am 4. September 2015 wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 19. Oktober 2015 wurde er aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Mit Datum vom 20. Oktober 2015 übersandte die Kriminaldirektion Frankfurt am Main einen Vermerk an den Ermittlungsführer der Kriminaldirektion Limburg, der die Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main zusammenfasste. Daraus ergab sich auch, dass die Fahrzeugkontrolle nicht zufällig durchgeführt worden war. Der Vermerk ging am 23. Oktober 2015 bei der Staatsanwaltschaft Limburg ein, die ihn per Telefax am 26. Oktober 2015, mehrere Wochen vor Anklageerhebung am 7. Dezember 2015, an den Verteidiger des Angeklagten übersandte.

II.

12
Die von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensbeanstandungen, die sich unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen die Verwertung der im Rahmen der „legendierten Kontrolle“ (vgl. hierzu LG Münster, Beschluss vom 1. September 2014 – 9 Qs 220 Js 66/14 - 41/14, NStZ 2016, 126 mit Anm. Gubitz; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 105 Rn. 1a; Mosbacher, JuS 2016, 706, 707 f.; Nowrousian, Heimliches Vorgehen und aktive Täuschung im Ermittlungsverfahren, 2015, S. 95 ff.; ders. Kriminalistik 2013, 105 ff.; Müller /Römer, NStZ 2012, 543 ff.; Tönsgerlemann, AW-Prax 2012, 168) gewonnenen Beweismittel wenden, dringen nicht durch.
13
1. Die auf eine Verletzung der § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 102 StPO i.V.m. § 337 StPO gestützte Verfahrensrüge, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Verwertung von Beweismitteln wendet, die im Zusammenhang mit der polizeilichen Durchsuchung seines Fahrzeugs erlangt wurden, hat keinen Erfolg.
14
Die zulässig erhobene Rüge ist unbegründet. Das vom Angeklagten geltend gemachte Verwertungsverbot besteht nicht. Die Durchsuchung des Fahrzeugs ohne vorherige richterliche Anordnung war nach hessischem Gefahrenabwehrrecht zulässig, die aufgefundenen Beweismittel waren gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO verwertbar (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 176 zu §§ 22, 23 Nds. SOG).
15
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellt die bundesgesetzliche Norm des § 36 Abs. 5 StVO keine Ermächtigungsgrundlage für die Fahrzeugdurchsuchung dar. § 36 Abs. 5 StVO berechtigt nur zu verkehrsbezogenen Maßnahmen, die der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienen, wie etwa zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit des Fahrers, des Zustands der Aus- rüstung des Fahrzeugs oder dessen Beladung (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. Juli 2012 – 31 Ss 27/12, StraFo 2012, 419, 420 f.; Müller/Römer, NStZ 2012, 543, 546; Janker/Hühnermann in: Burmann pp., Straßenverkehrsrecht , 24. Aufl., § 36 StVO Rn. 12; König in: Hentschel pp., Straßenverkehrsrecht , 43. Aufl., § 36 StVO Rn. 24 mwN; differenzierend Nowrousian, Heimliches Vorgehen und aktive Täuschung im Ermittlungsverfahren, 2015, S. 108 f.). Auf solche verkehrsbezogenen Umstände bezog sich die Fahrzeugdurchsuchung aber gerade nicht, vielmehr diente sie allein dem Auffinden und der Sicherstellung der im Fahrzeug vermuteten Betäubungsmittel.
16
b) Die Fahrzeugdurchsuchung war indes nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG bzw. § 40 Nr. 1 und 4 HSOG) gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung lagen in formeller und materieller Hinsicht alle Voraussetzungen der gefahrenabwehrrechtlichen Ermächtigungsgrundlage vor. Einer vorherigen richterlichen Anordnung bedurfte es nach diesen Vorschriften nicht.
17
aa) Nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG können die Polizeibehörden Sachen durchsuchen, die von einer Person mitgeführt werden, hinsichtlich der Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Gegenstände mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Gleiches gilt nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 HSOG, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in der zu durchsuchenden Sache eine andere Sache befindet, die sichergestellt werden darf. Sichergestellt werden können Sachen nach hessischem Gefahrenabwehrrecht etwa, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (§ 40 Nr. 1 HSOG) oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwertet werden sollen (§ 40 Nr. 4 HSOG). Danach gestatten die gefahrenabwehrrechtlichen Vorschriften insbesondere auch die Suche nach illegalen Betäubungsmitteln (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 176 zu den insoweit nahezu gleichlautenden §§ 22, 23, 26 Nds. SOG; Pewestorf/Söllner/Tölle, Praxishandbuch Polizei- und Ordnungsrecht, S. 320 Rn. 215). Die wegen Art. 13 GG strengeren Voraussetzungen für die Durchsuchung von Wohnungen (vgl. §§ 38, 39 HSOG) gelten für eine Fahrzeugdurchsuchung nicht.
18
bb) Die Maßnahme diente sowohl der Beweisgewinnung als auch der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, hier dem Inverkehrgelangen einer großen Menge von gefährlichen Betäubungsmitteln. Den Beamten der Autobahnpolizei Wiesbaden war von den Kriminalbeamten aus Frankfurt am Main mitgeteilt worden, dass sie das Fahrzeug wegen "professionell verbauten Rauschgifts" überprüfen sollten; zudem hatte während der Kontrolle der angeforderte Spürhund angeschlagen. Damit lagen aus Sicht der handelnden Polizeibeamten tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte in seinem Fahrzeug (verbotene) Gegenstände im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 40 Nrn. 1 und 4 HSOG) mit sich führte, von denen eine Gefahr ausging. Die Durchsuchung des vom Angeklagten mitgeführten Fahrzeugs war für die Zweckerreichung, hier die Sicherstellung der im Fahrzeug befindlichen Betäubungsmittel , auch unabdingbar.
19
c) Der polizeirechtlichen Rechtmäßigkeit der Maßnahme steht nicht entgegen , dass zum Zeitpunkt der Fahrzeugdurchsuchung bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Angeklagten vorlag, der auch ein Vorgehen nach §§ 102, 105 StPO ermöglicht hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 176; kritisch Mosbacher, JuS 2016, 706, 708).
20
aa) Nach den Feststellungen beabsichtigte die Polizei nicht nur, die Betäubungsmittel zwecks Gefahrenabwehr aus dem Verkehr zu ziehen, sondern verfolgte daneben auch das Ziel der Beweissicherung in einem potentiellen Strafverfahren gegen den Angeklagten und dessen Hintermann. Damit handelte es sich bei der Fahrzeugdurchsuchung um eine sogenannte doppelfunktionale Maßnahme, bei der die Polizei mit jeweils selbständiger präventiver und repressiver Zielsetzung tätig wurde (vgl. hierzu BayVGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 10 C 09.2122 BayVbl 2010, 220; Schoch, JURA 2013, 1115, 1116 ff.; Ehrenberg/Frohne, Kriminalistik 2003, 737; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl., S. 209 Rn. 15; vgl. auch Bertram, Die Verwendung präventivpolizeilicher Erkenntnisse im Strafverfahren, 2009, S. 209 f.; Rieger, Die Abgrenzung doppelfunktionaler Maßnahmen der Polizei, 1994, S. 5 f.). Von solchen „echten“ doppelfunktionalen Maßnahmen abzugrenzen sind polizeiliche Maßnahmen, die nur deswegen auch präventiven Charakter besitzen, weil durch die Strafverfolgung ein entsprechender unselbständiger Nebeneffekt erzielt wird, etwa dass der Betroffene durch Festnahme an der Fortsetzung seiner strafbaren Handlung faktisch gehindert wird. In einem solchen Fall der „Prävention durch Repression“ ist das polizeiliche Vorgehen schon nach seiner alleinigen Zwecksetzung ausschließlich strafprozessualer Natur (vgl. Denninger/Rachor, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., S. 1252 Rn. 30; Götz aaO S. 209 f.). So liegt der Fall hier nicht, da die Durchsuchung des Fahrzeugs auch den selbständigen präventiv-polizeilichen Zweck verfolgte, das Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln in erheblichem Umfang in Deutschland zu verhindern.
21
bb) Wie die Rechtmäßigkeit einer „echten“ doppelfunktionalen Maßnahme der Polizei zu beurteilen ist und welche Konsequenzen sich daraus für das Strafverfahren ergeben, ist umstritten.
22
(1) Nach einer Literaturmeinung ist ein Rückgriff auf Normen des Gefahrenabwehrrechts immer dann ausgeschlossen, wenn gegen den Betroffenen der Maßnahme gleichzeitig ein Anfangsverdacht einer Straftat besteht. Der absolute Vorrang strafprozessualer Vorschriften sei unabdingbar, weil ansonsten eine Umgehung der teilweise strengeren Voraussetzungen der Strafprozessordnung bzw. ein Kontrollverlust der Justiz drohe (Gubitz, NStZ 2016, 128; Müller /Römer, NStZ 2012, 543, 547; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 152 Rn. 18c).
23
(2) In Anlehnung an die sogenannte Schwerpunkttheorie (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 – 6 B 25/01, NVwZ 2001, 1285, 1286; Urteil vom 3. Dezember 1974 – I C 11.73, BVerwGE 47, 255, 264 f.; BayVGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 10 C 09.2122 BayVbl 2010, 220; weitere Nachweise in Schenke, NJW 2011, 2838, 2841 f.), die für die Prüfung der Rechtswegzuständigkeit zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und ordentlicher Gerichtsbarkeit entwickelt wurde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 – 6 B 25/01, NVwZ 2001, 1285, 1286), soll für die Beurteilung, ob eine Maßnahme an Ermächtigungsgrundlagen aus dem Gefahrenabwehrrecht oder aus der Strafprozessordnung zu messen sei, entscheidend sein, wo der Schwerpunkt des polizeilichen Eingreifens liegt (vgl. etwa Ehrenberg/Frohne, Kriminalistik 2003, 737, 749 f.).
24
(3) Nach anderer Auffassung endet mit der Annahme eines konkreten Anfangsverdachts einer Straftat nicht die Möglichkeit der Polizei, auch nach Gefahrenabwehrrecht vorzugehen (LG Münster, Beschluss vom 1. September 2014 – 9 Qs 220 Js 66/14 – 41/14, NStZ 2016, 126, 127; Nowrousian, Heimliches Vorgehen und aktive Täuschung im Ermittlungsverfahren, 2015, S. 97 ff.; ders., Kriminalistik 2013, 105 ff.; Tönsgerlemann, AW-Prax 2012, 168, 169). Vielmehr könnten nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zulässigerweise parallel betrieben werden (Kniesel, ZRP 1987, 377, 378 f.). Beide Aufgabenbereiche stünden gleichberechtigt nebeneinander (vgl. Tönsgerlemann, AW-Prax 2012, 168, 169). Eine echte doppelfunktionale Maßnahme sei schon dann rechtmäßig, wenn sie zur Verfolgung nur eines der beiden Zwecke rechtmäßig ist (vgl. Schwan, VerwArch 79 [1979], 109, 129). Teilweise wird der Polizei ein Wahlrecht eingeräumt, ob sie auf strafprozessualer oder polizeirechtlicher Grundlage tätig wird (Bäcker, Kriminalpräventionsrecht , 2015, S. 358 f.). In Situationen, in denen sich die Notwendigkeit ergebe, sowohl zum Zweck der Gefahrenabwehr als auch zum Zweck der Strafverfolgung tätig zu werden, wie z.B. typischerweise bei Entführung, Geiselnahme oder Terrorlagen, habe die Polizei im Einzelfall zu entscheiden, welcher Staatsaufgabe der Vorrang einzuräumen sei (Rudolphi, SK-StPO, 10. Aufb. Lfg. [1994], Vorbem. § 94 Rn. 12; Nowrousian, Kriminalistik 2013, 105, 106 f.). Im Zweifelsfall gelte vorrangig Gefahrenabwehrrecht (Kniesel, Kriminalistik 1987, 316; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl., S. 24 f. Rn. 12). Dies bringe den verfassungsrechtlichen Grundsatz zur Geltung, dass im Zweifel die Abwehr drohender Gefahren wichtiger sei als die Verfolgung schon begangener Straftaten, und komme in den „Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts“ (Anlage A zur RiStBV, BAnz 2007, 7950) zum Ausdruck. Diese sehen in Abschnitt B. III vor, dass der Staatsanwalt allgemeine Weisungen erteilt, der Polizeibeamte die Ausführung übernimmt, beide einvernehmlich zusammenarbeiten, im Einzelfall abgewogen wird, ob Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung den Vorzug verdient und dass im Zweifel der Polizeibeamte entscheidet.
25
cc) Nach Ansicht des Senats besteht weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt ein solcher des Gefahrenabwehrrechts gegenüber der Strafprozessordnung.
Auch bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO ist ein Rückgriff auf präventiv-polizeiliche Ermächtigungsgrundlagen rechtlich möglich. Insbesondere bei sogenannten Gemengelagen, in denen die Polizei sowohl repressiv als auch präventiv agieren kann und will, bleiben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen grundsätzlich nebeneinander anwendbar. Im Einzelnen:
26
(1) Das Gesetz kennt keinen Vorrang strafprozessualer Vorschriften gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht.
27
Gefahrenabwehr ist eine zentrale staatliche Aufgabe, die gegenüber der Strafverfolgung eigenständige Bedeutung hat und nicht hinter ihr zurücktritt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 – 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 380 und vom 8. März 1972 – 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373, 380). Vielmehr stehen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung als staatliche Aufgaben mit unterschiedlicher Zielrichtung gleichberechtigt nebeneinander (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 – 6 B 25/01, NVwZ 2001, 1285, 1286).
28
So spricht die gesetzgeberische Entscheidung in § 10 Abs. 3 ZollVG dafür , dass die Anwendung der Regelungen zur Gefahrenabwehr auch bei Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts weiterhin möglich ist (vgl. auch LG Münster, Beschluss vom 1. September 2014 − 9 Qs-220 Js 66/14 – 41/14, NStZ 2016, 126, 127). § 10 Abs. 2, 3 ZollVG gestattet die Kontrolle und Durchsuchung von Personen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass vorschriftswidrig Waren eingeführt werden, die der zollamtlichen Überwachung unterliegen. Aus solchen Anhaltspunkten kann sich gerade auch ein Anfangsverdacht für strafbewehrte Verstöße etwa gegen das Waffengesetz, das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (SprengG) oder das Betäubungsmittelgesetz ergeben; gleichwohl ist in § 1 Abs. 3 ZollVG gesetzlich vorgesehen, dass die dem Recht der Gefahrenabwehr zuzuordnende zollamtliche Überwachung der Gewährleistung der Einhaltung der nationalen und der gemeinschaftsrechtlichen Verbote und Beschränkungen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs dient (vgl. Erbs/Kohlhaas/Häberle, Strafrechtliche Nebengesetze, 212. Erg.Lfg., ZollVG § 1 Rn. 7). Die Vorschrift richtet sich damit nicht nur gegen Störer, sondern typischerweise auch gegen „materiell Beschuldigte“. Sie wäre sinnlos, würde der Anfangsverdacht strafbaren Handelns ihre regelmäßig gegebene Anwendung hindern (vgl. Nowrousian, Kriminalistik 2013, 105, 106 f.).
29
Auch die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung schließt den Zugriff auf Vorschriften der Landespolizeigesetze in der vorliegenden Konstellation nicht aus. Vielmehr sind die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts grundsätzlich weder der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zuzuordnen (vgl. Maunz/Dürig/Uhle, GG, 79. EL, Art. 70 Rn. 111 mwN) noch enthält das Bundesrecht Vorschriften, die einen Ausschluss entsprechender Präventivmaßnahmen im Geltungsbereich der Strafprozessordnung normieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2001 – 6 B 25/01, NVwZ 2001, 1285, 1286).
30
Eine starre Verweisung auf die Strafprozessordnung würde es den Gefahrenabwehrbehörden unmöglich machen, adäquat und flexibel auf neue, häufig nicht vorhersehbare Gefahrenlagen zu reagieren. Die Grenzen zwischen präventivem Handeln und repressivem Vorgehen können fließend sein und sich je nach Sachlage kurzfristig und kaum vorhersehbar verändern. Relevant wird dies etwa bei Ermittlungen im Bereich des Terrorismus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 78 ff. – „Al Qaida“) oder bei Vorfeldstraftaten des kriminalpräventiven Strafrechts (etwa § 89a StGB), bei denen der Anfangsverdacht regelmäßig eng an der Schnittstelle zur Gefahrenabwehr liegt (vgl. hierzu Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015, S. 358 f.). Ei- ne Kombination von Strafverfolgung und Verhütung von Straftaten ergibt sich typischerweise auch bei Geiselnahmen (vgl. Schäfer, GA 1986, 49, 56 f., wonach der Präventionsauftrag – z.B. bei Tötung des Geiselnehmers – einen sogar strafverfolgungsverhindernden Vorrang gewinnen kann). Von den zuständigen Polizeibehörden verlangt das Gesetz insbesondere in diesen Konstellationen die Wahrnehmung beider staatlicher Aufgaben mit jeweils unterschiedlicher Zielsetzung.
31
Schließlich lässt sich auch dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO, § 163 Abs. 1 StPO) kein generelles Über- oder Unterordnungsverhältnis von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr entnehmen (vgl. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht , 2015, S. 359; anders Schoreit, DRiZ 1987, 401, 402). Solange der repressive Zugriff zeitlich nur hinausgeschoben und nicht ganz oder teilweise unterlassen wird, ist Raum für kriminalstrategisches Vorgehen (vgl. etwa KKStPO /Diemer, 7. Aufl., § 152 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 152 Rn. 6; SK-StPO/Wesslau/Deiters, 5. Aufl., Vor § 151 ff. Rn. 19).
32
(2) Die Gefahr der bewussten Umgehung strafprozessualer Voraussetzungen bzw. der Aushöhlung von Beschuldigtenrechten (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 105 Rn. 16; MüKo-StPO/Hauschild, § 108 Rn. 7; Müller/Römer, NStZ 2012, 543, 547) wird erst bedeutsam, wenn es um die Verwertbarkeit der präventiv-polizeilich gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren geht (dazu unten II.1.d) und rechtfertigt nicht die Annahme eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorrangs des Strafprozessrechts vor dem Gefahrenabwehrrecht.
33
(3) Dieser Auffassung steht Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs nicht entgegen.
34
(a) Der Entscheidung des 1. Strafsenats zum Lockspitzeleinsatz (BGH, Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 337 f.), wonach präventive Vorschriften in der dort vorliegenden Konstellation nicht anzuwenden waren, lag zugrunde, dass das Ziel des Einsatzes der Vertrauensperson als Lockspitzel von vornherein ausschließlich repressiver Natur war. Danach kann eine Behörde, die mit ihrem Handeln allein repressive Ziele verfolgt, ihre Maßnahmen nicht auf Normen der Gefahrenabwehr stützen (so auch Nowrousian, Kriminalistik 2013, 105, 106 f.). Zu einem allgemeinen Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber der Gefahrenabwehr bei echten doppelfunktionalen Maßnahmen verhält sich die Entscheidung nicht.
35
(b) Ebensowenig ist in Entscheidungen des 4. und des 5. Strafsenats zu einer polizeirechtlichen Zollkontrolle bei der Durchsuchung von Gepäck eines Beschuldigten am Flughafen (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 5 StR 32/11, StraFo 2011, 358, 359) bzw. einer durch die Polizei vorgetäuschten „allgemeinen“ Verkehrskontrolle, nachdem die Polizei zuvor Luft aus dem Reifen des Täterfahrzeugs gelassen hatte (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – 4 StR 436/09, NStZ 2010, 294), ein Vorrang der Strafprozessordnung gegen- über dem Polizeirecht postuliert worden. Vielmehr sind – jeweils nicht tragend – die Rechtsgrundlage der Verwendung präventiv-polizeilich gewonnener Daten im Strafverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 5 StR 32/11, StraFo 2011, 358, 359) bzw. das Erfordernis der Aktenwahrheit unter dem Gesichtspunkt der Darstellung eines unwahren Sachverhalts in der Ermittlungsakte erörtert worden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – 4 StR 436/09, NStZ 2010, 294), wobei wohl auch der 4. Strafsenat davon ausgeht, dass bei einer legendierten Kontrolle sichergestellte Betäubungsmittel grundsätzlich zu Beweiszwecken verwertbar sind.
36
(c) Der 3. Strafsenat (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 176; kritisch Mosbacher, JuS 2016, 706, 708) geht ausdrücklich von einem möglichen Nebeneinander von Strafprozessrecht und Gefahrenabwehrrecht aus. Besteht bei einer Verkehrskontrolle wegen wahrgenommenen Cannabisgeruchs der auf Tatsachen basierende Verdacht, dass sich in dem Fahrzeug oder bei den im Wagen befindlichen Personen Betäubungsmittel befinden, so ist die Durchsuchung gefahrenabwehrrechtlich zulässig und die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind gemäß § 161 Abs. 2 StPO verwertbar.
37
d) Die aufgrund der gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Fahrzeugdurchsuchung gewonnenen Erkenntnisse konnten im vorliegenden Fall nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Angeklagten im Strafverfahren verwendet werden.
38
aa) Die Vorschrift regelt die Verwendung von Daten im Strafverfahren, die durch andere – nichtstrafprozessuale – hoheitliche Maßnahmen erlangt wurden. § 161 Abs. 2 StPO (sowie weitere Verwendungsregelungen, vgl. § 477 Abs. 2 StPO) wurde mit dem „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikati- onsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen […]“ vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) in die Strafprozessordnung eingefügt. Der Bundesgesetzgeber wollte damit unter anderem die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Datenverwendung umsetzen. Er hat daher die „Umwid- mung“ und die Verwendung der durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen auf anderer – insbesondere präventiv-polizeilicher – Rechtsgrundlage erlangter Daten als Beweismittel in Strafverfahren in § 161 Abs. 2 StPO gesetzlich geregelt (BT-Drucks. 16/5846, S. 3, 64). Gedanklicher Anknüpfungspunkt des § 161 Abs. 2 StPO ist die Idee des hypothetischen Ersatzeingriffs (BT-Drucks. 16/5846, S. 64) als genereller Maßstab für die Verwendung von personenbezo- genen Informationen zu Zwecken des Strafverfahrens, die nicht auf strafprozessualer Grundlage erlangt worden sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 161 Rn. 18b; HK-StPO/Zöller, 5. Aufl., § 161 Rn. 31; BT-Drucks. 16/5846, S. 64). Mit Blick auf das Prinzip des hypothetischen Ersatzeingriffs hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis der unterschiedlichen formellen Voraussetzungen gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen für eine Lösung nach rein materiellen Gesichtspunkten entschieden. Damit kommt es bei der „Umwidmung“ von auf präventiv-polizeilicher Rechtsgrundlage erlangter Daten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO gerade nicht darauf an, ob die formellen Anordnungsvoraussetzungen nach der Strafprozessordnung, wie hier etwa das Vorliegen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, gewahrt worden sind (vgl. SSWStPO /Ziegler/Vordermayer, 2. Aufl., § 161 Rn. 27; HK-StPO/Zöller, 5. Aufl., § 161 Rn. 31). Vielmehr setzt die Datenverwendung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO grundsätzlich nur voraus, dass die zu verwendenden Daten polizeirechtlich rechtmäßig erhoben wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 8.Dezember 2015 – 3 StR 406/15, NStZ-RR 2016, 176; Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 79 mwN; so wohl auch BGH, Beschluss vom 5. November 2013 – 5 StR 173/13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 161 Rn. 18b, c), sie zur Aufklärung einer Straftat dienen, aufgrund derer eine solche Maßnahme nach der Strafprozessordnung hätte angeordnet werden dürfen , und dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beweisgewinnung gemäß der Strafprozessordnung vorgelegen haben. Die mögliche Gefahr der Umgehung der engeren formellen Voraussetzungen der strafprozessualen Eingriffsnorm hat der Gesetzgeber gesehen, aber ersichtlich hingenommen (vgl. BR-Drucks. 275/07, S. 148).
39
bb) Diese Voraussetzungen des § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO sind vorliegend gegeben. Die Erkenntnisse aus der Fahrzeugdurchsuchung dienten zur Aufklärung einer „schweren Straftat“ im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 7 StPO, aufgrund derer eine Durchsuchung nach der Strafprozessordnung ohne weiteres hätte angeordnet werden dürfen.
40
Dem steht nicht entgegen, dass die gefahrenabwehrrechtliche Durchsuchung des Kraftfahrzeugs nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG (i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG bzw. § 40 Nr. 1 und 4 HSOG) – anders als bei einer Durchsuchung nach §§ 102, 105 StPO – grundsätzlich auch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss zulässig ist. Entscheidend ist, dass ein Ermittlungsrichter bei hypothetischer Betrachtung einen entsprechenden richterlichen Durchsuchungsbeschluss auf strafprozessualer Grundlage zweifelsfrei erlassen hätte.
41
Eine – den Rückgriff auf hypothetische Erwägungen hindernde – rechtsmissbräuchliche Umgehung der Anordnungsvoraussetzungen der strafprozessualen Eingriffsmaßnahme durch die Wahl der Maßnahme (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 89 f. mwN) ist hier nicht ersichtlich. Eine solche Umgehung läge etwa vor, wenn Gefahrenabwehrrecht zur Legitimierung einer in Wahrheit bezweckten Strafverfolgungsmaßnahme vorgeschoben wird, weil in Wirklichkeit keine Gefahrenabwehr bezweckt wird. Entsprechendes gilt, wenn eine gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme nur deshalb gewählt wird, weil eine vergleichbare Maßnahme nach der Strafprozessordnung nicht möglich wäre, z.B. weil die Annahme bestanden hätte, dass ein Ermittlungsrichter einen nach der Strafprozessordnung erforderlichen Beschluss aus einem anderen Grund nicht erlassen hätte.
42
So verhielt es sich hier indes nicht: An einer jedenfalls auch präventiven Zwecksetzung der Maßnahme durch die Polizeibeamten besteht bei der Suche nach mitgeführten gefährlichen Gegenständen (wie Betäubungsmittel, Waffen, Sprengstoff) kein Zweifel (anders etwa, wenn die Durchsuchung ausschließlich der Beweissicherung dient, z.B. bei der Suche nach der „verschrifteten Buchführung“ des Betäubungsmittel-Händlers). Aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht durfte die Polizei eingreifen, weil anderenfalls eine große Menge gefährlicher Betäubungsmittel in Umlauf zu gelangen drohte. Angesichts der Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung und der Observation sowie des sich daraus ergebenden Verdachts eines schwerwiegenden Betäubungsmitteldelikts hätte ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss gegen den Angeklagten auch ohne weiteres erwirkt werden können. Vom Einsatz strafprozessualer Maßnahmen wurde allein deshalb abgesehen, um die gegen den gesondert VerfolgtenB. laufenden Ermittlungen nicht zu offenbaren, wodurch dessen Ergreifung vereitelt worden wäre. Eine staatliche Pflicht, gegenüber dem Angeklagten strafprozessual tätig zu werden, und ihm gegenüber damit zwangsläufig sämtliche Ermittlungsergebnisse zu offenbaren, bestand aus rechtlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt nicht (vgl. dazu unten II.3. und 4.).
43
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Verfahrensbeanstandung, das Landgericht habe die Aussage des Zeugen KOK Z. über die teilgeständige Einlassung des Angeklagten bei seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 17. August 2015 wegen eines Verstoßes gegen § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO zu Unrecht verwertet.
44
a) Nach den Feststellungen belehrte der Zeuge KOK Z. den Angeklagten als Beschuldigten, „ohne auf das Verfahren in Frankfurt und die bereits seit längerem laufenden Ermittlungen hinzuweisen“.
45
Die Revision ist der Auffassung, die Beschuldigtenbelehrung habe nicht den Anforderungen des § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO entsprochen. Zum einen hätte der Angeklagte auf das schon länger dauernde Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen ihn und den gesondert Verfolgten B. und die sich daraus ergebenden Verdachtsmomente hingewiesen werden müssen. Zum anderen müsse die Belehrung über den Tatvorwurf auch unvollständig gewesen sein, insbesondere hätte dem Angeklagten der Tatvorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eröffnet werden müssen.
46
b) Ungeachtet einer etwaigen Unzulässigkeit der Rüge – die Revision teilt den genauen Inhalt der Belehrung nicht mit und verschweigt im Übrigen, dass der Belehrung durch KOK Z. bereits eine Beschuldigtenbelehrung durch PK Mo. unmittelbar nach dem Auffinden des Kokains im Fahrzeugvorausgegangen war – hätte die Rüge auch in der Sache keinen Erfolg.
47
aa) Nach § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO ist dem Beschuldigten bei seiner ersten Vernehmung durch Beamte des Polizeidienstes zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Grundsätzlich gelten für die Belehrung eines Beschuldigten dieselben Regeln, gleichgültig ob er von einem Richter (§ 136 StPO), einem Staatsanwalt (§ 163a Abs. 3 Satz 2 StPO) oder von einem Polizeibeamten vernommen wird (§ 163a Abs. 4 StPO). Eine Ausnahme gilt nach § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO lediglich insoweit, als ein Polizeibeamter, anders als ein Richter oder Staatsanwalt, nicht verpflichtet ist, die möglichen Strafvorschriften zu nennen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 StR 623/11, NStZ 2012, 581, 582; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 163a Rn. 4). Der Tatvorwurf muss dem Beschuldigten in groben Zügen so weit erläutert werden, dass er sich sachgerecht verteidigen kann, jedoch nicht so weit, dass die Aufklärung des Sachverhalts und damit die Effektivität der Strafverfolgung darunter leiden (KK-StPO/Diemer, 7. Aufl., § 136 Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 136 Rn. 6; SK-StPO/Rogall, 5. Aufl., § 136 Rn. 69 mwN.). So ist der Vernehmende nicht verpflichtet, dem Beschuldigten alle bis dahin bereits bekannten Tatumstände mitzuteilen; insbesondere hat der Vernehmende hinsichtlich der Ausgestaltung der Eröffnung im Einzelnen einen gewissen Beurteilungsspielraum (BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 StR 623/11, NStZ 2012, 581, 582; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO; KK-StPO/Diemer, aaO; SSW-StPO/Ziegler/ Vordermayer, 2. Aufl., § 163a Rn. 25; MüKo-StPO/Schuhr, § 136 Rn. 21). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die Tat und nicht die Beweismittel zu eröffnen sind sowie aus § 147 Abs. 2 StPO, wonach Akteneinsicht versagt werden kann, soweit dies den Untersuchungszweck gefährdet (vgl. SK-StPO/Rogall, 5. Aufl., § 136 Rn. 69 mwN).
48
bb) Nach diesen Maßstäben musste der Polizeibeamte nicht sämtliche Ermittlungsergebnisse aus der Telefonüberwachung und der Observation offenbaren. Eine Belehrung über die Genese des Tatverdachts zu diesem frühen Zeitpunkt war vor dem Hintergrund der laufenden verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegen den in Marokko befindlichen Hintermann B. aus ermittlungstaktischen Gründen nicht erforderlich.
49
Fraglich ist jedoch, ob KOK Z. – sollte er die Hintergründe derFahrzeugkontrolle überhaupt gekannt haben – den ihm als Vernehmenden zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte, wenn er dem Beschuldigten den Tatverdacht hinsichtlich der Einfuhr des sichergestellten Kokains verschwiegen hätte. Zwar kann bei mehreren Taten die Vernehmung zunächst auf nur eine Tat beschränkt werden, sofern insoweit eine Trennung sachlich möglich ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 136 Rn. 6; KK-StPO/Diemer, 7. Aufl., § 136 Rn. 8; aA Löwe-Rosenberg/Gleß, StPO, 26. Aufl., § 136 Rn. 24 f.). Ob das auch gilt, wenn zwei Betäubungsmittelstraftaten – wie Einfuhr und Handeltreiben – tateinheitlich begangen werden, ist zweifelhaft, kann hier aber dahinstehen. Der Senat muss ebenfalls nicht entscheiden, ob die – möglicherweiseunzulängliche – Belehrung überhaupt das Aussageverhalten des Beschuldigten beeinflusst hat und damit ein Verwertungsverbot begründen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 StR 623/11, NStZ 2012, 581, 582), zumal der noch mehrere Wochen vor Anklageerhebung umfassend über den Tatvorwurf unterrichtete Beschuldigte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Jedenfalls ist auszuschließen, dass das Urteil auf einem etwaigen Verstoß gegen Belehrungsvorschriften beruht. Die knappe Einlassung des Beschuldigten gegenüber KOK Z. , es handele sich bei dem aufgefundenen Kokain um 6,5 kg, war für die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Vielmehr hat sie ihre Überzeugung von der Einfuhr und dem täterschaftlichen Handeltreiben mit 8 kg Kokain aufgrund der Inhalte der Telefonüberwachung und der Observationsmaßnahmen sowie aufgrund der Sicherstellung der Betäubungsmittel gewonnen.
50
3. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Beweisverwertungsverbot ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das faire Verfahren.
51
Auch Verstöße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens müssen mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – 4 StR 436/09, NStZ 2010, 294; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 5a; KK-StPO/Schädler/Jakobs, 7. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 35). Eine zulässige Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben. Die Revision greift die Verwertung von Beweismitteln ausschließlich mit der Begründung an, die Polizeibeamten hätten gegen den Richtervorbehalt gemäß § 105 StPO verstoßen und bei der ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung Belehrungspflichten verletzt. Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren werden damit nicht geltend gemacht.
52
4. In der Sache merkt der Senat an:
53
a) Das Verhalten der Ermittlungsbehörde, die in Frankfurt geführten Hintergrundermittlungen gegen den Angeklagten zunächst nicht aktenkundig zu machen und damit dem Ermittlungsrichter in Limburg einen unvollständigen Sachverhalt zu unterbreiten, ist im Hinblick auf den Fair-trial-Grundsatz und das Gebot der Aktenwahrheit und der Aktenvollständigkeit nicht unbedenklich. Grundsätzlich muss sich aus den Akten ergeben, welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden sind und welchen Erfolg sie gehabt haben. Zwar besteht bei Gefährdung des Untersuchungszwecks unter anderem nach § 147 Abs. 2 Satz 1 StPO die Möglichkeit, dem Verteidiger vor Abschluss der Ermittlungen die Einsicht in die Akten insgesamt oder teilweise zu versagen. Auch die Unterrichtung über die durchgeführte Observation konnte aus diesem Grund bis zu zwölf Monate ohne richterliche Zustimmung zurückgestellt werden (vgl. § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 11, Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 StPO). Jedoch muss das im Vorverfahren tätige Gericht – hier der Ermittlungsrichter in Limburg – den Gang des Verfahrens ohne Abstriche nachvollziehen können, denn es muss in einem rechtsstaatlichen Verfahren schon der bloße Anschein vermieden werden, die Ermittlungsbehörden wollten etwas verbergen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 2 BvR 2474/14, StV 2017, 361, 362 f.). Eine etwaige Aktenunvollständigkeit hat die Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens zu vertreten. Sie hat für ein justizförmiges Verfahren – auch durch ihre Ermittlungspersonen – zu sorgen. Sie trägt die Grundverantwortung für die rechtlich einwandfreie Beschaffung der Beweismittel (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2016 – 2 BvR 2474/14, aaO). Das wiederum setzt – wie hier geschehen – eine umfassende und vollständige Information der ermittelnden Staatsanwaltschaft durch die Polizei voraus. Zwar entscheidet die Polizei grundsätzlich in eigener Verantwortung, ob sie auf präventiver Grundlage tätig wird. Ob und in welcher Weise dabei angefallene Erkenntnisse als Beweismittel in das Strafverfahren eingeführt werden, obliegt jedoch einzig der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die deshalb über etwaige Hintergründe von polizeilichen Ermittlungen bzw. präventiver Maßnahmen nicht im Unklaren gelassen werden darf. Nur dann ist ein faires rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet.
54
b) Welche Konsequenzen sich aus einem Verstoß gegen die vorskizzierten Maßstäbe ergeben würden, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls.
55
Hier sind die Erkenntnisse der Kriminalpolizei Frankfurt am Main zu den Observations- und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen mehrere Wochen vor Anklageerhebung zur Akte gelangt und der Verteidigung unverzüglich durch die Staatsanwaltschaft übermittelt worden. Damit war dem Angeklagten die Möglichkeit eröffnet, sich in Kenntnis aller ihn belastenden Umstände durch rechtzeitige Benennung seiner Mittäter und umfassende Aufdeckung der Tat gemäß § 31 BtMG die Stellung eines Kronzeugen zu verschaffen. Auch konnte die Strafkammer – wie hier geschehen – den Umstand, dass es sich um ein observiertes Betäubungsmittelgeschäft gehandelt hatte, bei ihrer Strafzumessungsentscheidung berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 2 StR 477/16). Die Verteidigungsrechte des Angeklagten in der Hauptverhandlung waren damit in keiner Weise berührt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – 4 StR 436/09, NStZ 2010, 294, sowie Müller/Römer, NStZ 2012, 543, 545).

III.

56
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 364/16
vom
3. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:030517B2STR364.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 1. a) und 3. auf dessen Antrag, und des Beschwerdeführers am 3. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 4. März 2016, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, hiervon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) im Strafausspruch und im Ausspruch über die Einziehung sowie
c) im Ausspruch über den Verfall des Wertersatzes, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, hiervon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und wegen eines Betrages in Höhe von 80.000 € den Verfall von Wertersatz angeordnet.
2
Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Schuldspruchkorrektur (I.) und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs (II.).

I.

3
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt zu der aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Schuldspruchkorrektur. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
4
1. Ausweislich des in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen Urteilstenors wurde der Angeklagte S. des „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, hiervon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ schuldig gesprochen. Demgegenüber lautete die dem Protokoll angefügte Urteilsformel dahin, dass der Angeklagte unter anderem der tateinheitlich in zwei Fällen begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Eine Berichtigung des am 3. Mai 2016 fertiggestellten Hauptverhandlungsprotokolls ist nicht erfolgt. Bei Widersprüchen zwischen der in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen und der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Urteilsformel ist die Formel im Hauptverhandlungsprotokoll maßgeblich (MeyerGoßner /Schmitt StPO 60. Aufl. § 268 Rn. 18 mwN). Damit ist der Angeklagte der tateinheitlich in drei Fällen begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Die Feststellungen tragen, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zu Recht hingewiesen hat, jedoch nur die Annahme von zwei im Verhältnis der Tateinheit zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stehenden Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln. Der Schuldspruch war daher entsprechend abzuändern.
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2. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten gegen den Schuldspruch unbegründet. Dies gilt auch für die tatrichterliche Bewertung, der Angeklagte habe sich – auch – im Fall II. 5 der Urteilsgründe der mittäterschaftlichen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
6
a) Den Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfüllt, wer ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG Betäubungsmittel über die deutsche Hoheitsgrenze ins Inland verbringt (BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 – 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 317 f.).Nach ständiger Rechtsprechung ver- langt der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln kein eigenhändiges Verbringen der Betäubungsmittel in die Bundesrepublik Deutschland. Als Täter einer Betäubungsmitteleinfuhr kommt deshalb nicht nur derjenige in Betracht, der das Rauschgift eigenhändig ins Inland verbringt. Mittäter kann auch sein, wer die Betäubungsmittel von anderen Personen über die deutsche Hoheitsgrenze bringen lässt (BGH, Beschluss vom 8. November 1989 – 3StR 377/89, NStZ 1990, 130). Die bloße Veranlassung der Einfuhr genügt für die Annahme mittäterschaftlicher Einfuhr freilich nicht. Erforderlich ist vielmehr , dass der Betroffene einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und die Tathandlung der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt (st. Rspr.; Senat, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16; vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 1989 – 3 StR 377/89, NStZ 1990, 130). Wesentliche, in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehende Gesichtspunkte sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft. Bezugspunkt dieser wertenden Beurteilung ist dabei der Einfuhrvorgang selbst (Senat, Urteil vom 15. März 2017 – 2 StR 23/16; BGH, Beschluss vom 2. Juni 2015 – 4 StR 144/15, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 16/15, NStZ 2015, 346; Beschluss vom 27. Mai 2014 – 3 StR 137/14, StV 2015, 633; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN). Der Hintermann, der in seinem Interesse die unerlaubte Einfuhr der mit seinem Geld erworbenen oder zu bezahlenden Betäubungsmittel veranlasst, kann danach je nach Sach- lage Mittäter, Anstifter oder Gehilfe sein (BGH, Urteil vom 22. Juli 1992 – 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 319; BGH, Beschluss vom 31. März 1992 – 4 StR 112/92, NStZ 1992, 339).
7
b) Gemessen hieran ist die Annahme mittäterschaftlicher Einfuhr im Fall II. 5. der Urteilsgründe nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hatte sich am Vortag gemeinsam mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten U. und dem gesondert verfolgten T. nach V. begeben und bei seinem Lieferanten zwei Kilogramm Marihuana bestellt, um es in der Folgezeit gewinnbringend weiterzuveräußern. Auf Weisung des Angeklagten holten U. und T. das Rauschgift am Folgetag bei dem Lieferanten in V. ab, zahlten den vereinbarten Kaufpreis und transportierten das Rauschgift in ihrem Fahrzeug zur niederländisch -deutschen Grenze. Kurz vor Erreichen der Grenze übergaben beide das Rauschgift an einen Kurier, der das Rauschgift übernahm und es in seinem Fahrzeug über die Grenze nach Deutschland verbrachte. Vor diesem Hintergrund begegnet die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei Mittäter der Einfuhr gewesen, weil er das Rauschgift persönlich bestellt, die Abholung des Rauschgifts am Folgetag veranlasst und damit bestimmenden Einfluss auf Zeitpunkt und Modalitäten der Einfuhr genommen hat, (noch) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

II.

8
1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
a) Das Landgericht hat die Einziehung der beiden im Eigentum des Angeklagten stehenden Kraftfahrzeuge Mercedes Benz sowie Seat Leon, die der Angeklagte zur Tatbegehung genutzt hat, rechtsfehlerfrei auf § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Eine Maßnahme nach dieser Vorschrift hat strafähnlichen Charakter und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2013 – 2 StR 43/13, StV 2013, 565; BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169; Fischer StGB 64. Aufl. § 74 Rn. 2). Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (BGH, aaO; BGH, Beschluss vom 27. September 2011 – 3 StR 296/11, NStZ-RR 2011, 370; Beschluss vom 20. Juli 2011 – 5 StR 234/11, StV 2011, 726; Beschluss vom 20. September 1988 – 5 StR 418/88, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 16; Urteil vom 12. Oktober 1993 – 1 StR 585/93, StV 1994, 76).
10
b) Dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Den Wert der Kraftfahrzeuge , bei denen es sich ersichtlich um solche von nicht unerheblichem Wert handelt, hat es offen gelassen und im Rahmen der Strafzumessung nicht berücksichtigt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Landgericht , hätte es die oben dargelegten Grundsätze beachtet, die von dem Angeklagten verwirkten Einzelstrafen und damit auch die Gesamtstrafe milder bemessen hätte.
11
2. Der Wegfall des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Einziehungsentscheidungen, denn diese stehen mit der Bemessung der Strafe in einem untrennbaren inneren Zusammenhang (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169, 170).

12
3. Die den aufgehobenen Strafaussprüchen jeweils zugrunde liegenden Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch tretende Feststellungen sind möglich.

III.

13
Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes über einen Geldbetrag in Höhe von 80.000 € kann keinen Bestand haben.
14
Das Landgericht hat festgestellt, dass „der Gegenwert“ des vom Ange- klagten aus den Taten Erlangten in Höhe von 105.600 € „nicht mehr in Gänze“ in seinem Vermögen vorhanden ist. Es hat deshalb „in Anwendung der Härtefallvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB“ davon abgesehen, Verfall in Höhe des Gesamtbetrags anzuordnen und hat den Wertersatzverfall daher auf 80.000 € beschränkt. Eine „weitergehende Abmilderung wegen unbilliger Härte“ hat es abgelehnt.
15
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat keine Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten getroffen. Soweit es im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB auf die „im Rahmen der relativ umfassenden Über- wachung zutage getretenen Lebensverhältnisse des Angeklagten“ abstellt, ist dies in Ermangelung näherer Darlegungen hierzu in den schriftlichen Urteilsgründen nicht nachvollziehbar. Dem angefochtenen Urteil ist – auch in seinem Gesamtzusammenhang – nicht zu entnehmen, in welchem Umfang noch wertmäßig aus den Taten Erlangtes im Vermögen des Angeklagten vorhanden und somit die Ausübung tatrichterlichen Ermessens überhaupt erst eröffnet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 265/15, NStZ-RR 2015, 307).
16
Vor dem Hintergrund dieser unzureichenden Feststellungen und Wertungen vermag der Senat weder zu prüfen, ob das Landgericht von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht noch ob es eine unbillige Härte zutreffend ausgeschlossen hat. Zwar ist – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – eine „unbillige Härte“ im Sinne dieser Vorschrift erst gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Bezugspunkt dieser Prüfung ist die Frage, wie sich die Verfallsanordnung auf das davon betroffene Vermögen auswirken würde. In Ansehung des Fehlens jeglicher Darlegungen hierzu vermag der Senat nicht zu prüfen, ob das Tatgericht das genannte Merkmal rechtsfehlerfrei ausgelegt hat.
17
Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Krehl Eschelbach Zeng Bartel Grube

Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten M.   und J.   A.    gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2015 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass jeweils ein Monat der verhängten Freiheits- bzw. Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten M.   A.    wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und den Angeklagten J.   A.   wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es Einziehungs- und Verfallsentscheidungen getroffen.

I.

2

Nach den Feststellungen des Landgerichts fand am 1. September 2014 in R.    ein Treffen zwischen dem Angeklagten J.   A.    und     Ah.   , einem mutmaßlich in Belgien lebenden Betäubungsmittelhändler, statt. Dabei vereinbarten sie eine Rauschgiftlieferung von elf Kilogramm Heroinzubereitung, von denen drei Kilogramm für den Angeklagten selbst und weitere zwei Kilogramm für dessen mitangeklagten Bruder M.   bestimmt waren. Beide Angeklagte wollten das Heroin gewinnbringend weiterverkaufen. Die restlichen sechs Kilogramm sollte der Angeklagte J.   A.    aus dem Kurierfahrzeug entnehmen, mit dem das Rauschgift nach Deutschland gebracht werden sollte. Anschließend sollte er es aufbewahren und im weiteren Verlauf an weitere Abnehmer übergeben. J.   A.   erhielt einen Fahrzeugschlüssel für das Kurierfahrzeug, um dieses öffnen zu können, ohne mit dem Kurierfahrer, dem nicht revidierenden Mitangeklagten   Ar. , in Kontakt zu treten.    Ah.   veranlasste die Verladung von 13 kleineren, mit schwarzer Folie und Klebeband umwickelter Pakete mit insgesamt 11.120,8 Gramm Heroinzubereitung in ein in das Fahrzeug eingebautes Schmuggelversteck. Danach übernahm   Ar.  den PKW von   Ah.   und fuhr am 2. September 2014 nach H.   , wo er das Fahrzeug auf dessen Weisung in der V.            abstellte. Ar.  informierte darüber    Ah.   , der seinerseits den Angeklagten J.   A.   davon in Kenntnis setzte. Während Ar.  am F.    H.   ein Zimmer nahm, verständigte J.   A.   seinen Bruder M.   . Gemeinsam fuhren sie am nächsten Morgen zu dem abgestellten Kurierfahrzeug, das sie gegen 6.00 Uhr bestiegen. Als sie losfahren wollten, erfolgte ihre Festnahme. Parallel dazu wurde   Ar.  gegen 6.20 Uhr in seinem Hotelzimmer festgenommen. Das Kurierfahrzeug wurde zugleich ins Polizeipräsidium verbracht und dort zunächst mit negativem Ergebnis durchsucht. Als ein Rauschgifthund anschlug, wurde eine für das Auffinden von Schmuggelverstecken spezialisierte Tatortgruppe angefordert, die gegen 10.50 Uhr das Versteck entdeckte.

3

In der persönlichen Habe des Angeklagten J.   A.   befanden sich u.a. ein funkgesteuerter Fahrzeugschlüssel für einen PKW der Marke Mini und ein Haus- und Wohnungsschlüssel. In den umliegenden Nebenstraßen wurde ein PKW Mini ausfindig gemacht, zu dem der bei dem Angeklagten gefundene Schlüssel passte. Eine auf Anordnung von  G.  erfolgte Durchsuchung des auf die Zeugin E. A.  zugelassenen Fahrzeugs führte zur Sicherstellung von 2.800 €.

4

Gegen 10.20 Uhr informierte   G.  die Staatsanwaltschaft über den bislang ermittelten Sachverhalt, woraufhin diese die Durchsuchung der zwischenzeitlich ermittelten Wohnräume des Angeklagten M.  A.   wegen Gefahr im Verzug anordnete. Zugleich wurde vereinbart, dass mit dem bei J.   A.   aufgefundenen Haus- und Wohnungsschlüssel das Haus aufgesucht werden sollte, vor dem das durchsuchte Fahrzeug abgestellt war. Durch probeweise Schließvorgänge sollte die zu dem Schlüssel passende Wohnung lokalisiert und sodann ebenfalls wegen Gefahr im Verzug durchsucht werden.

5

In der Wohnung des Angeklagten M.   A.   wurden 277,54 Gramm Cannabisharz sowie eine Feinwaage und Verpackungsmaterial aufgefunden. In dem zur Wohnung gehörenden Briefkasten fanden die Durchsuchungskräfte 136,51 Gramm Heroinzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 8,46 Gramm.

6

Die bei J.   A.   aufgefundenen Wohnungsschlüssel führten zur Wohnung der Zeugin E.  A. , in der die Beamten einen Geldbetrag in Höhe von 2.470 € sicherstellten. Außerdem stießen sie auf zwei optisch einem Fahrzeugschlüssel ähnelnde Sendeeinheiten sowie Kaufverträge und Fahrzeugbriefe für zwei PKW der Marke Opel Astra. Diese auf unbekannte Halter zugelassenen Fahrzeuge konnten in der Nähe des Festnahmeorts aufgefunden werden. Sie wurden noch am 3. September 2014 auf das Sicherstellungsgelände der Polizei verbracht. Am 5. September 2014 ordnete   G.  ohne weitere Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Fahrzeuge an, da in diesen Betäubungsmittel vermutet wurden. Im Rahmen dieser Durchsuchung wurden baugleiche Schmuggelverstecke entdeckt, in denen sich zum einen 2.999,9 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffanteil von 421,9 Gramm Heroinhydrochlorid, 1.629,7 Gramm Cannabisharz mit einen Wirkstoffanteil von 36,42 Gramm THC und 51,45 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 40,8 Gramm Kokainhydrochlorid und zum anderen 13,3 Gramm Kokainbase mit einem Wirkstoffgehalt von 5,92 Gramm befanden. Die Betäubungsmittel hatte der Angeklagte J.   A.   dort - zum gewinnbringenden Verkauf vorgesehen - gebunkert.

II.

7

Der Revision des Angeklagten M.  A.   bleibt der Erfolg weitgehend versagt.

8

1. Die mit Schreiben des Angeklagten vom 10. März 2017 erklärte Rücknahme der Revision entfaltet keine Wirkung. Sie ist erst am 16. März 2017 und damit nach Verkündung der Entscheidung durch den Senat beim Bundesgerichtshof eingegangen.

9

2. Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern; er beruht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auf einer tragfähigen und rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

10

3. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

11

Das Landgericht hat zugunsten dieses Angeklagten berücksichtigt, dass er im Rahmen eines Haftprüfungstermins sowie im Verkündungstermin hinsichtlich eines erweiterten Haftbefehls zur Tataufklärung beigetragen hat, indem er die zunächst unter den Personalien    B.   angeklagte Person mehrfach glaubhaft als seinen Bruder bezeichnet und damit die Feststellungen der Ermittlungsbehörden zur tatsächlichen Identität des Angeklagten J.   A.   zumindest bestätigt hat. Einer Erörterung, ob diese vor Eröffnung des Hauptverfahrens liegende Aufklärungshilfe die Anwendung des § 31 BtMG rechtfertigt, bedurfte es auch angesichts ihres geringen Gewichts für die Aufdeckung der Tat nicht. Die Einwendungen des Beschwerdeführers im Übrigen zeigen keine Rechtsfehler auf. Sie beschränken sich auf eine eigene Würdigung der vom Landgericht in den Blick genommenen und vertretbar gewichteten Umstände der polizeilichen Überwachung und Sicherstellung der Betäubungsmittel.

12

4. Zur Kompensation der langen Dauer des Revisionsverfahrens ist anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt. Das Revisionsverfahren hat aus Gründen, die der Angeklagte mit Blick auf Erkrankungen und urlaubsbedingte Abwesenheiten von beteiligten Richtern nicht zu vertreten hat, dreizehn Monate und damit auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Sache zu lange gedauert.

III.

13

Auch die Revision des Angeklagten J.   A.   bleibt ohne Erfolg.

14

1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch; dies gilt auch, soweit die Revision der Verwertung der durch die Durchsuchung des Kurierfahrzeugs aufgefundenen Beweismittel widersprochen hat. Die Durchsuchung des ins Polizeipräsidium verbrachten VW Passat nach der Festnahme der beiden Angeklagten war, nachdem   G.  erfolglos versucht hatte, einen Staatsanwalt zur Herbeiführung einer richterlichen Genehmigung zu erreichen, trotz mangelhafter Dokumentation durch die Annahme von Gefahr in Verzug gedeckt. Diese Durchsuchung dauerte noch an, als einige Zeit später um 10.50 Uhr eine spezialisierte Tatortgruppe die Rauschgiftverstecke ausfindig machte. Eine relevante Zäsur ist nicht dadurch eingetreten, dass die erste Nachschau erfolglos geblieben war. Denn nachdem ein Rauschgifthund angeschlagen hatte, war es nunmehr nicht vor Ort befindlichen Spezialisten überlassen, nach dem Rauschgiftversteck zu suchen. Ohne Bedeutung ist es insoweit im Übrigen, dass   G.  zwischenzeitlich den ermittelnden Staatsanwalt erreicht hatte, ohne mit ihm über die Durchsuchung des Kraftfahrzeugs zu sprechen. Eine Pflicht, hinsichtlich einer rechtmäßig auf Gefahr in Verzug gestützten und noch laufenden Durchsuchung eine richterliche Genehmigung zu erwirken, bestand für die Ermittler nicht.

15

2. Der Schuldspruch hält auch auf die Sachrüge hin rechtlicher Nachprüfung stand. Die Feststellungen belegen auch die Begehung einer täterschaftlichen Einfuhr durch den Angeklagten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es nicht erforderlich, dass der Täter der Einfuhr die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland verbringt, vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, (Mit-)Täter der Einfuhr des unmittelbar handelnden Täters sein. Voraussetzung ist aber, dass er dabei einen Tatbeitrag erbringt, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der zur Tatbestandsverwirklichung führenden Tätigkeit aller Mitwirkenden darstellt, und die Tathandlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Wesentliche in eine wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehende Anhaltspunkte für die Täterschaft sind dabei der Grad seines Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15; Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 16/15, NStZ 2015, 346; Beschluss vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14, StraFo 2015, 259, 260; Beschluss vom 27. Mai 2014 - 3 StR 137/14; Beschluss vom 11. Juli 1991 - 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 33 mwN). Auch der im Inland aufhältige Empfänger von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet. Hat der Empfänger hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, kann er sich zwar im Hinblick auf die Bestellung des Rauschgifts wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar machen; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 3 StR 221/16; siehe auch BGH, Urteil vom 19. April 1989 - 2 StR 688/88, NStZ 1989, 436).

16

Gemessen hieran ist die Annahme einer täterschaftlichen Einfuhr (noch) nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hatte zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf den Transportweg und stand während der Fahrt auch nicht mit dem Kurierfahrer in Kontakt, der von dem Verkäufer   Ah.  den PKW mit dem verbauten Rauschgift übernommen hatte. Er war aber in die vorangegangene Organisation der Einfuhrfahrt maßgeblich eingebunden und hatte somit Einfluss auf wesentliche Modalitäten bei der Überführung der Betäubungsmittel nach Deutschland. Der PKW diente nach den Feststellungen des Landgerichts dem Mitangeklagten Ar.  bereits zuvor als Fahrzeug für die Zusammenkunft mit J.   A.  . Hinsichtlich des abgeurteilten Rauschgiftgeschäfts initiierte der Angeklagte am 31. August 2014 die Abholung des bis dahin in F.  stehenden Kurierfahrzeugs, das - nach der Vereinbarung über die Lieferung der 11 Kilogramm vom 1. September 2014 - einen Tag später für den Transport nach Deutschland vorgesehen war. Dabei war J.  A.  das Schmuggelversteck, welches das Risiko einer Entdeckung beim Grenzübertritt minimieren sollte, bekannt; er wusste, wo das Fahrzeug abgestellt werden sollte (und wurde) und besaß einen Schlüssel, um es selbständig und allein öffnen zu können.

17

3. Auch der Strafausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

18

a) Dies gilt auch, soweit das Landgericht seiner Strafzumessung konkrete Wirkstoffmengen hinsichtlich der in den beiden PKW Opel Astra aufgefundenen Betäubungsmittelmengen zugrunde gelegt hat, obwohl es insoweit von der Rechtswidrigkeit der Fahrzeugdurchsuchung und von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen ist. Es ist hier nicht davon auszugehen, dass sich die rechtswidrige Verwertung der Erkenntnisse aus den zu den Wirkstoffmengen erstellten Gutachten des hessischen Landeskriminalamts zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat. Denn der Senat schließt auch mit Blick auf die Wirkstoffgehalte der übrigen sichergestellten Wirkstoffmengen aus, dass - hätte die Strafkammer insoweit eine Schätzung vorgenommen - dies zu für den Angeklagten günstigeren Werten geführt hätte.

19

b) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts im Übrigen sind entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat zugunsten des Angeklagten sein Geständnis und darüber hinaus die Aufklärungshilfe zur Person des   Ah.  strafmildernd berücksichtigt. Mehr war, auch soweit der Angeklagte darüber hinaus die Mitangeklagten Ar.  und seinen Bruder belastet hat, aus Rechtsgründen nicht vonnöten.

20

4. Auch hinsichtlich dieses Angeklagten war aus den schon genannten Gründen anzuordnen, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.

Appl     

       

Krehl     

       

Eschelbach

       

Zeng     

       

Bartel