Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2015 - 2 StR 462/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:191115B2STR462.15.0
bei uns veröffentlicht am19.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 462/15
vom
19. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:191115B2STR462.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30. April 2015
a) im Schuldspruch aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchter räuberischer Erpressung (Fall II. 2) und wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Vergewaltigung (Fall II. 3) verurteilt worden ist; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur subjektiven Tatseite im Falle der tateinheitlichen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung bleiben aufrechterhalten ;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchter räuberischer Erpressung sowie versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und wegen Körperverletzung zu der gesonderten Geldstrafe von 90 Tagesätzen zu jeweils 43 Euro verurteilt.
2
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen versuchter räuberischer Erpressung und – tatmehrheitlich hierzu – im Fall II. 3 wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung verurteilt worden ist. Die Urteilsaufhebung entzieht dem Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung im Fall II. 2 kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht tragfähig begründet ist.
4
a) Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am 9. März 2014 gegen 4.20 Uhr in eine Terminwohnung und führte dort gegen ein Entgelt in Höhe von 50 Euro mit der Zeugin L. Oralverkehr, Vaginalverkehr und zwei weitere Male den Oralverkehr durch. Die vom Angeklagten gewünschte erneute Durchführung des Vaginalverkehrs lehnte die Zeugin L. ab und vertröstete den Angeklagten auf den nächsten Tag. Hierüber geriet der erheblich alkoholisierte Angeklagte in Wut und schlug die Zeugin L. mit der flachen Hand fest ins Ge- sicht, so dass sie zu Boden fiel; anschließend versetzte er ihr Tritte gegen Ober- und Unterschenkel (Fall II. 1).
5
b) Die Zeugin L. gab dem Angeklagten daraufhin den von ihm entrichteten Geldbetrag zurück, um ihn zu besänftigen. Dies misslang. Der Angeklagte forderte nunmehr Geld von der Zeugin L. („money“), malte mit dem Finger eine fünf und zwei Nullen in die Luft, schlug mit der Hand gegen die Wand und drohte , sie zu töten, wenn sie ihm kein Geld gebe. Anschließend begab er sich zur Toilette. Die Zeugin L. nutzte diese Gelegenheit und bat eine Arbeitskollegin, die Zeugin K. , telefonisch um Hilfe. Bis zum Eintreffen der Zeugin K. versuchte die Zeugin L. den Angeklagten zu beruhigen, der „vor sich hinredete“ und mit der Faust gegen Küchentür und Wände schlug (Fall II. 2). Feststellungen dazu, ob der Angeklagte seine Geldforderung in diesem Zeitraum wiederholte sowie Feststellungen zu seinem Vorstellungsbild hat die Kammer nicht getroffen.
6
c) Nach dem Eintreffen der Zeugin K. drohte der Angeklagte ihr, er werde die Wohnung zerstören, wenn sie ihm nicht 5.000 Euro gebe. Nachdem die Zeugin K. ihn darauf hingewiesen hatte, dass sie über einen solchen Geldbetrag nicht verfüge, schlug der Angeklagte ihr mit der flachen Hand auf den Kopf, beschimpfte anschließend die Zeugin L. als „Nutte“ und „Hure“ und versuchte erneut, auch sie zu schlagen, was ihm nicht gelang. Der Zeugin K. gelang es, den Angeklagten abzulenken und der Zeugin L. die Flucht zu ermöglichen. Der Angeklagte schlug daraufhin die Zeugin K. mehrfach mit einer um den Hals getragenen, schweren Metallkette ins Gesicht, so dass ihre Lippe aufplatzte. Er erneuerte seine Geldforderung und versetze der Zeugin weitere Tritte und erzwang schließlich, dass die Zeugin K. den Oralverkehr an ihm vollzog und den Vaginalverkehr duldete; dabei drückte er den Kopf der widerstrebenden Frau auf sein Geschlechtsteil, fasste sie wenig später an den Ober- armen und drückte sie sehr grob auf das Bett, so dass die Zeugin Hämatome am Rücken und Schmerzen im Rücken und am Nacken verspürte. Nachdem er den Beischlaf bis zum Samenerguss ausgeführt und die Geschädigte währenddessen beschimpft und bespuckt hatte, wiederholte er seine Geldforderung und drohte der Zeugin, ihr die Beine zu brechen, wenn sie ihm nicht sofort das Geld gebe. Während der Angeklagte erneut zur Toilette ging, gelang der ZeuginK. die Flucht.
7
d) Diese Feststellungen tragen im Fall II. 2 die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs der räuberischen Erpressung zum Nachteil der Zeugin L. nicht.
8
aa) Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Verfügung stehenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann, ohne dass eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich hält (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2015 - 2 StR 309/15; Beschluss vom 9. April 2015 - 2 StR 402/14, StraFo 2015, 291; BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - 4 StR 105/14, NStZ-RR 2014, 240). Entscheidend ist insoweit das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sogenannter Rücktrittshorizont, vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juli 2013 - 2 StR 91/13, NStZ 2013, 639, 640). Die Annahme eines Fehlschlags vom Versuch erfordert daher regelmäßig Feststellungen zum Rücktrittshorizont.
9
bb) Hieran fehlt es. Es bleibt schon unklar, ob der Angeklagte nach seiner Rückkehr von der Toilette seine Geldforderung gegenüber der Zeugin L. wiederholte. Hierfür könnte zwar sprechen, dass er weiterhin gegen Küchentür und Wände schlug. Ob er damit jedoch weiterhin sein Ziel verfolgte, die Zeugin L. zur Aushändigung des zuvor geforderten Geldbetrags zu motivieren, ist weder festgestellt noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zweifelsfrei entnehmen. Ebenso wenig enthält das Urteil Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung.
10
2. Der Senat hebt auch den für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen Schuldspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zur inneren Tatseite und zugleich eine rechtsfehlerfreie Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zu ermöglichen. Der neue Tatrichter wird insoweit für den Fall, dass im Fall II. 2 ein Fehlschlag des Versuchs nicht festzustellen ist, die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit mit der zum Nachteil der Zeugin K. begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung in Betracht zu ziehen haben.
11
Einer Aufhebung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Fällen II. 2 und 3 sowie einer Aufhebung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, soweit der Angeklagte im Fall II. 3 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung verurteilt worden ist, bedarf es nicht, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
12
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 2 und 3 entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
13
Die im Fall II. 1 wegen vorsätzlicher Körperverletzung verhängte Geldstrafe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf und bleibt daher gesondert bestehen.
14
Der Senat sieht jedoch Anlass zu folgendem Hinweis:
15
Der Tatrichter hat für die Tat II. 1 - die zum Nachteil der Zeugin L. begangene vorsätzliche Körperverletzung - als Einzelstrafe eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 43 Euro verhängt und von der in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Möglichkeit, gesondert auf Geldstrafe zu erkennen , Gebrauch gemacht (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB). Die hierfür gegebene Begründung , die Einbeziehung der Geldstrafe sei unterblieben, weil sie die Gesamtfreiheitsstrafe insgesamt erhöht hätte und deshalb als das schwerere Strafübel anzusehen sei, ist nicht tragfähig.
16
Nach § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB wird in Fällen, in denen Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammentrifft, regelmäßig auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt, weil die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe in aller Regel günstiger für den Angeklagten ist. Anderes kann in besonderen Fallkonstellationen gelten, in denen die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe als das schwerere Übel erscheint, etwa weil sie eine Strafaussetzung zur Bewährung erschwert oder verhindert (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 - 1 StR 142/02, NStZ-RR 2002, 264; Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 390/06, StV 2007, 129) oder sonstige nachteilige Folgen für den Angeklagten nach sich zieht (vgl. Senat, Beschluss vom 11. August 1989 - 2 StR 170/89, NJW 1989, 2900). Hierfür ist nichts ersichtlich.
17
Der Angeklagte ist durch den hierin liegenden Rechtsfehler jedoch nicht beschwert. Anhaltspunkte dafür, dass er die Geldstrafe voraussichtlich nicht wird bezahlen können (vgl. zu dieser Konstellation Senat, Beschluss vom 1. August 2008 - 2 StR 250/03, juris), bestehen nicht. RiBGH Prof. Dr. Krehl Eschelbach Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Eschelbach Zeng Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2015 - 2 StR 462/15

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2015 - 2 StR 462/15 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 0 9 / 1 5
vom
29. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Nötigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. September 2015 gemäß § 349
Abs. 4, § 357 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2015, auch soweit es die Nichtrevidenten R. und C. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu
1
einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt auch zur Revisionserstreckung auf die Nichtrevidenten.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verdächtigte der Ange2 klagte den Geschädigten, ihm Haschisch im Wert von 30.000 bis 50.000 Euro
entwendet zu haben. Der Angeklagte bestellte den Geschädigten mehrmals zu sich, um ihn nach dem Verbleib der Drogen zu befragen. Der Geschädigte hatte Angst vor dem Angeklagten, der ihn am 27. April 2014 erneut in seine Wohnung bestellte. Der Geschädigte bat deshalb den Zeugen K. , ihn zu begleiten. Beide fuhren zur Wohnung des Angeklagten, der Zeuge K. wartete im Auto, während der Geschädigte die Wohnung des Angeklagten betrat. Dort wurde der Geschädigte vom Mitangeklagten C. auf einen Stuhl gedrückt. Der weitere Mitangeklagte R. fuchtelte mit einem Schlagring vor seinem Gesicht herum und fragte nach dem Verbleib des Rauschgifts. Der Angeklagte trug zu der Drohkulisse durch seine Anwesenheit bei. Der Geschädigte stritt einen Rauschgiftdiebstahl ab. R. drohte
3
damit, ihm die Zähne einzuschlagen. Außerdem wies er darauf hin, dass im Nebenzimmer „Männer aus Holland“ seien, die ihm die Hose herunterziehen und es „mit ihm treiben“ würden. Als der Geschädigte weiter bestritt, den Dieb- stahl begangen zu haben, gab ihm R. einen Schlag ins Gesicht; dadurch wurde seine Zahnspange verbogen. Der Schlag ins Gesicht war mit dem Angeklagten nicht abgesprochen.
4
Dieser brach die Befragung ab und erklärte dem Geschädigten, er solle einem Zeugen für die Wegnahme des Rauschgifts gegenübergestellt werden. Daraufhin verließen alle gemeinsam die Wohnung. Der Geschädigte und R. stiegen in das Fahrzeug des Geschädigten, in dem der Zeuge K. saß. Die beiden anderen benutzen ein weiteres Fahrzeug. Sie fuhren nach O. und hielten auf einem Parkplatz. Dort warteten sie vergeblich auf den Zeugen, mit welchem der Geschädigte konfrontiert werden sollte. Daraufhin wurde dem Geschädigten gesagt, er könne gehen.
5
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten in der Wohnung als versuchte Nötigung beurteilt. Es hat ihm die Drohungen des Mitangeklagten R. zugerechnet. Der Angeklagte sei Mittäter, weil er das vorrangige Interesse an dem Nötigungsversuch gehabt und die Drohungen durch den Nichtrevidenten veranlasst habe. Durch seine Anwesenheit am Tatort habe er bewusst zur Verstärkung der Drohkulisse beigetragen. Die zusätzlich angeklagte Freiheitsberaubung hat das Landgericht als verdrängt angesehen, weil sie ausschließlich ein Mittel zur Begehung des Nötigungsversuchs gewesen sei. Den Schlag des Mitangeklagten in das Gesicht des Geschädigten hat das Landgericht als Mittäterexzess behandelt. Auf das Verbringen des Geschädigten nach O. auf den Park6 platz und die Ankündigung, er werde dort mit einer anderen Person konfrontiert werden, ist das Landgericht nicht eingegangen.

II.

Die Revision gegen dieses Urteil ist begründet.
7
Das Landgericht hat nicht erörtert, ob ein Rücktritt des Angeklagten
8
vom Versuch der Nötigung darin lag, dass er die Befragung abgebrochen hat. Ein Rücktritt wäre für die Mittäter durch bloßes Aufgeben der weiteren Tatausführung möglich gewesen, wenn kein fehlgeschlagener Versuch vorgelegen hätte. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Verfügung stehenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt. Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich, wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2014 - 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105). Nach diesem Maßstab hätte sich das Landgericht mit dem Vorstel9 lungsbild des Angeklagten auseinandersetzen müssen. Daran fehlt es hier. Auch wenn für den Angeklagten eine Erhöhung des Nötigungsdrucks
10
durch Gewaltanwendung und Verletzung des Geschädigten nicht in Betracht gekommen sein sollte, wäre beim Abbruch der Befragung in der Wohnung der Versuch der Nötigung noch nicht unbedingt fehlgeschlagen gewesen, zumal der Angeklagte die Möglichkeit einer erzwungenen Konfrontation des Geschädigten mit einem Dritten für erfolgversprechend hielt. Ob die bisherigen Drohungen dafür noch eine Rolle spielten oder weitere Drohungen vom Angeklagten in Betracht gezogen wurden, hat das Landgericht nicht erörtert. Ausführungen zu seinem Vorstellungsbild zur Zeit der letzten Ausführungshandlung der Tat fehlen im angefochtenen Urteil.

III.

Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 StPO auf die Nichtrevidenten zu
11
erstrecken. Soweit der Nichtrevident R. wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung und der Nichtrevident C. wegen Beihilfe zur versuchten Nötigung verurteilt wurden, stellt sich die Frage eines Rücktritts vom Nötigungsversuch bei ihnen in gleicher Weise. Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 0 2 / 1 4
vom
9. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. April 2015 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 8. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Erstmals am Nachmittag des Tattages, dem 10. Dezember 2013, suchte der später Geschädigte den Angeklagten an seinem Arbeitsplatz auf und beleidigte ihn lautstark unter anderem als Zuhälter, den er "ficken" werde. Am Abend gegen 21 Uhr erschien er erneut und setzte seine Beleidigungen fort. Es entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, im Rahmen derer sich nunmehr auch der Angeklagte beleidigend äußerte. Der Streit wurde durch das Erscheinen des Arbeitgebers des Angeklagten unterbrochen, der den Geschädigten zum Gehen aufforderte. Diesem gelang es jedoch noch, sich mit dem erheblich aufgebrachten Angeklagten zu einem klärenden Gespräch nach dessen Dienstende auf dem in der Nähe gelegenen Schützenplatz zu verabreden.
4
Um 21.45 Uhr begab sich der immer noch sehr verärgerte Angeklagte mit einem am Arbeitsplatz ergriffenen Döner-Messer in der Jacke zum verabredeten Platz. Er traf dort auf den Geschädigten, der sogleich seine Beschimpfungen fortsetzte und schließlich versuchte, mit beiden Fäusten auf den Angeklagten einzuschlagen. Dem Angeklagten gelang es auszuweichen. Er zog sogleich das mitgebrachte Messer und stach dem Geschädigten in den Oberschenkel , der daraufhin unmittelbar zur Flucht ansetzte. Der Angeklagte verfolgte ihn und versetzte ihm - seinen Tod billigend in Kauf nehmend - drei weitere Stiche und zwar in den Oberschenkel, in den Beckenkamm und in den Rücken. Der Geschädigte, der zwischendurch zu Boden gegangen war, rannte schließlich über die Fahrbahn der M. straße auf das Gebäude eines Finanzamts zu. Der Angeklagte verfolgte ihn weiter und stach ihm ein letztes Mal in den Oberschenkel.
5
Der Geschädigte lehnte sich nach Überquerung der M. straße und Erreichen des nur wenige Meter entfernten Gebäudes des Finanzamts an dessen Mauer. Er zog seine Hose herunter und hielt seine Hände auf die Wunden, aus denen er stark blutete. Er atmete nur noch röchelnd und war im Begriff, das Bewusstsein zu verlieren. Während dessen versuchte der Angeklagte ein am Halteplatz M. straße parkendes Taxi zu öffnen, was ihm aber nicht gelang, weil der Taxifahrer die Tür von innen verriegelte. In diesem Moment lief laut schreiend ein Busfahrer hinzu. Er sowie einige Taxifahrer eilten zu dem zwi- schenzeitlich bewusstlosen Geschädigten. Der Angeklagte entfernte sich zu Fuß.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, der Versuch des Angeklagten, den Geschädigten zu töten, sei fehlgeschlagen, weshalb ein strafbefreiender Rücktritt im Sinne von § 24 Abs. 1 StGB nicht in Betracht komme. Spätestens als der Geschädigte das Gebäude des Finanzamts erreicht habe und ihm heraneilende Personen geholfen hätten, sei es dem Angeklagten nicht mehr möglich gewesen , weiter ungehindert auf den Geschädigten einzuwirken. Überdies habe der Angeklagte die für einen beendeten Versuch erforderlichen Rettungsbemühungen nicht unternommen. Es sei für ihn bereits aufgrund der dem Geschädigten zugefügten Stiche, dessen stark blutenden Wunden, seinem bereits röchelnden Atmen und der Tatsache, dass er gerade im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren, deutlich erkennbar gewesen, dass er alles Erforderliche getan habe, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Ein Rücktritt scheide schließlich auch mangels Vorliegens autonomer Motive aus, denn der Angeklagte habe den Tatort letztlich unfreiwillig verlassen.

II.

7
Die Feststellungen des Landgerichts tragen zwar die Annahme eines versuchten Totschlags durch den Angeklagten, nicht aber den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts von diesem Versuch.
8
1. Schon die Annahme eines Fehlschlags des Versuchs hat keinen Bestand. Zwar ist das Landgericht im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein fehlgeschlagener Versuch dann vorliegt, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - 4 StR 105/14, NStZ-RR 2014, 240).
9
Entgegen der Auffassung der Strafkammer kam es hierbei aber nicht auf den Zeitpunkt an, als der Geschädigte bereits das Finanzamt erreicht hatte und ihm dort heraneilende Personen halfen. Zur Beurteilung eines möglichen Fehlschlags ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofs vielmehr auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172 mwN; Senatsbeschluss vom 2. Juli 2013 - 2 StR 91/13, NStZ 2013, 639, 640). Nur wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12; NStZ 2013, 156, 157 f. mwN).
10
Letzte Ausführungshandlung war vorliegend der fünfte Messerstich, den der Angeklagte während der Flucht des Geschädigten in dessen Oberschenkel setzte. Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte den Geschädigten anschließend weiter verfolgte, um ihn noch einmal zu stechen. Denn während der Geschädigte nach dem letzten Stich wenige Meter weiter in Richtung Finanzamt lief, versuchte der Angeklagte schon die Tür eines Taxis zu öffnen, um sich vom Tatort zu entfernen. Er hatte mithin die Tatausführung bereits abgebrochen, als der Geschädigte das Finanzamt erreichte und ihm heraneilende Personen zu Hilfe kamen, weshalb das Landgericht auf diese Umstände nicht abstellen durfte.
11
Dazu, ob der Angeklagte den Tötungsversuch als endgültig gescheitert ansah, als er nach seinem letzten Stich zur Flucht ansetzte, verhält sich das Urteil demgegenüber nicht.
12
2. Auch die Annahme eines beendeten Versuchs beruht auf der Anwendung eines unzutreffenden rechtlichen Maßstabs und wird letztlich von den Feststellungen nicht getragen.
13
a) Die Strafkammer hat bereits übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein strafbefreiender Rücktritt von vornherein ausgeschlossen ist, wenn - wovon die Kammer ausgegangen ist - der Versuch fehlgeschlagen ist. Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. Senatsbeschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393 mwN; Senatsurteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691 mwN).
14
b) Die Annahme eines beendeten Versuchs ist aber auch für sich genommen rechtlich nicht tragfähig.
15
Das Landgericht hat bei der Prüfung der Vorliegens eines beendeten Versuchs unter anderem auf den Zeitpunkt abgestellt, als der Geschädigte bereits das Finanzamt erreicht hatte, dort röchelnd atmete, stark blutete und im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren. Dies war rechtsfehlerhaft, denn auch bei der Beurteilung, ob der Tatversuch beendet ist, ist allein das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung maßgeblich (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1982 - 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 401/08, NStZ-RR 2009, 42). Ein Versuch ist mithin nur dann beendet, wenn der Täter nach der letzten Ausfüh- rungshandlung die tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahelegen, erkennt oder wenn er den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung für möglich hält.
16
Das Vorstellungsbild des Angeklagten zu dem Zeitpunkt, als er nach dem letzten Stich den Angriff gegen den Geschädigten einstellte, lässt sich dagegen den Urteilsgründen nicht entnehmen. Soweit der Generalbundesanwalt meint, schon aus den objektiven Tatumständen, namentlich der Massivität und Gefährlichkeit der mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführten fünf Messerstiche, von denen zwei konkret lebensgefährlich waren, ergebe sich, dass der Angeklagte den Versuch für beendet, den Erfolgseintritt also zumindest für möglich gehalten hätte, lässt sich dies auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht mit hinreichender Sicherheit annehmen. Zwar wird sich in Fällen offenkundig besonders gefährlicher Tathandlungen, deren Erfolgseignung der Täter erkennt, seine Vorstellung von der Möglichkeit des Erfolgseintritts oft schon aus den objektiven Umständen der Tat erschließen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2011 - 2 StR 458/10). Bei einem dynamischen Geschehen versteht sich dies aber nicht von selbst, insbesondere weil sich der Geschädigte hier noch nach dem dritten Stich auf dem Boden liegend aus der Umklammerung des Angeklagten lösen konnte, es ihm auch nach dem vierten Stich noch gelang , sich vom Boden zu erheben und über die Fahrbahn der M. straße zu laufen und er schließlich auch nach dem fünften Stich noch weiter zum Gebäude des Finanzamts lief.
17
Bei dieser Sachlage wäre es erforderlich gewesen, weitere Feststellungen , insbesondere zum Zustandsbild des Geschädigten sowie zur Erkennbarkeit der Verletzungsfolgen für den Angeklagten im Zeitpunkt des Ablassens von seinem Opfer zu treffen. Dies ist nicht geschehen. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12). Die Aufhebung erfasst dabei auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung.
18
3. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Sollte das neue Tatgericht wiederum eine der Tat vorausgehende erhebliche Provokation durch den Geschädigten und eine aufgrund dessen anhaltende starke Erregung des Angeklagten feststellen, so wäre bei der Strafrahmenwahl zunächst die erste Alternative des § 213 StGB in den Blick zu nehmen, da eine Strafmilderung nach dieser Vorschrift - unabhängig von einer ansonsten vorzunehmenden Gesamtwürdigung - zwingend geboten ist, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen. Fischer Cierniak Krehl Ott Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR105/14
vom
7. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. Mai 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts – Schwurgericht – Bielefeld vom 8. November 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist, hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am Tattag, dem 2. März 2013, suchte der Angeklagte, der nicht damit einverstanden war, dass sich seine Ehefrau von ihm getrennt und ein eigenes Appartement im Schwesternheim eines Krankenhauses bezogen hatte, diese gegen 17.00 Uhr in ihrer neuen Wohnung auf. Unmittelbar nachdem sie ihn eingelassen hatte, schlug er ihr mehrfach rechts und links seitlich fest an den Kopf und zog sie von hinten an den Haaren, wodurch sie zu Fall kam. Er kniete sich sodann auf die Brust der auf dem Rücken liegenden Geschädigten und würgte sie mit beiden Händen unter erheblichem Kraftaufwand mindestens 20 Sekunden lang mit bedingtem Tötungsvorsatz am Hals. Nachdem sie vergeblich versucht hatte, seine Hände zu lösen, wurde sie bewusstlos. Als sie nach einer nicht mehr feststellbaren Zeitspanne das Bewusstsein wieder erlangte , saß der Angeklagte auf einem Sofa im Wohnzimmer, sprach vor sich hin und äußerte sinngemäß Folgendes: „Ich habe sie nicht töten können. Teufel, Du stirbst nicht.“ Als er bemerkte, dass die Geschädigte noch lebte, warf er ihr eine Grapefruit an den Kopf, die er in der Hand gehalten hatte. Die Geschädigte weinte und hatte Luftnot, kroch in Richtung der Wohnungstür und gelangte schließlich auf den Flur. Gegenüber der als Krankenschwester tätigen Zeugin K. , die herbeigeeilt war, um der Geschädigten zu helfen, äußerte sich der Angeklagte sinngemäß u.a. dahin, er habe sie (die Geschädigte) gewürgt; sie sei aber nicht gestorben, sie sei eine Teufelin.
4
Das Landgericht hat angenommen, der Versuch des Angeklagten, seine Ehefrau zu töten, sei fehlgeschlagen, weshalb ein strafbefreiender Rücktritt im Sinne von § 24 Abs. 1 StGB nicht in Betracht komme. Schon den Äußerungen des Angeklagten im Wohnzimmer sei zu entnehmen, dass er sein Vorhaben als gescheitert betrachtet habe; er habe den Taterfolg aus seiner Sicht mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreichen können. Zudem habe sich seine subjektiv angenommene physische Unmög- lichkeit zur Tatvollendung in seiner Äußerung gegenüber der Zeugin K. manifestiert.

II.


5
Die Annahme des Landgerichts, der Versuch des Angeklagten, seine Ehefrau zu töten, sei fehlgeschlagen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Zwar ist das Landgericht im rechtlichen Ansatzpunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein fehlgeschlagener Versuch dann vorliegt, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs , liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399).
7
2. Indem sie für die Beurteilung des insoweit maßgeblichen Vorstellungsbildes des Angeklagten (sog. Rücktrittshorizont) nur dessen Äußerungen im Wohnzimmer und gegenüber der Zeugin K. herangezogen hat, hat die Strafkammer insoweit aber auf einen rechtlich unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt. Diese Äußerungen fielen erst, als die Geschädigte, die vom Angeklagten über einen Zeitraum von zwanzig Sekunden bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden war, nach einer nicht mehr genau feststellbaren weiteren Zeitspanne das Bewusstsein wieder erlangte und der Angeklagte sich mittlerweile im Wohnzimmer auf ein Sofa gesetzt und eine Zigarette angezündet hatte; das Zusammentreffen mit der Zeugin K. erfolgte zu einem noch späteren Zeitpunkt. Was sich der Angeklagte, der körperlich in der Lage war, die Geschädigte zwanzig Sekunden lang mit erheblichem Kraftaufwand bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit zu würgen, unmittelbar nach Beendigung des Würgens der Geschädigten vorstellte, insbesondere, ob ihm danach ein Weiterhandeln aus tatsächlichen (physischen) Gründen unmöglich war, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Annahme, der Tötungsversuch sei fehlgeschlagen, und ein strafbefreiender Rücktritt ausgeschlossen, erweist sich danach als nicht hinreichend tatsachenfundiert.
8
2. Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; gerade vor dem Hintergrund der festgestellten, zeitlich nachfolgenden Äußerungen des Angeklagten liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser durch bloßes Nichtweiterhandeln strafbefreiend vom unbeendeten Versuch im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 StGB zurückgetreten sein könnte.
9
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Versuch eines Tötungsdeliktes insbesondere dann nicht beendet im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 StGB, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums, also im Wege einer Korrektur seines Rücktrittshorizonts, von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.; Urteil vom 1. Dezember 2011 – 3 StR 337/11, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 14, Tz. 7 mwN). Danach ist es hier nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Angeklagte , als die Geschädigte nach dem zwanzig Sekunden dauernden Würgevorgang in Bewusstlosigkeit verfiel, zunächst davon ausging, zur Tatbestandsverwirklichung alles Erforderliche getan zu haben. In dem nach Ende der Bewusstlosigkeit der Geschädigten festgestellten Ausspruch des Angeklagten und dem Wurf der Grapefruit an ihren Kopf, nachdem er bemerkt hatte, dass sie noch lebte, kann danach zum Ausdruck gekommen sein, dass er sich nun in der Vorstellung erschüttert sah, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben, gleichwohl nichts weiter zur Tatvollendung unternahm.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 91/13
vom
2. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Vergewaltigung im besonders schweren Fall u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. Oktober 2012 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.2. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die weitergehende Revision wird verworfen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung im besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchter Nötigung und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklag- ten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils im Fall II.2. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch; im Übrigen ist es aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Anteilen. In der Nacht auf den 25. November 2011 trafen sich der Angeklagte und die Geschädigte, die er am Tag zuvor kennengelernt hatte, an einer Bushaltestelle in A. . Er ging dann mit ihr in deren Wohnung. Im Gespräch wirkte der Angeklagte schüchtern, zurückhaltend und hilflos. Er erzählte der Geschädigten, früher einmal von einer Frau vergewaltigt worden zu sein. Außerdem gab er mindestens zwei Mal vor, in Ohnmacht zu fallen, wobei die Zeugin nicht sicher war, ob er ihr dies lediglich vorspielte. Als er der Zeugin seine Liebe gestand, erwiderte diese, dass sie lediglich Freundschaft und nicht mehr von ihm wolle und deutete nach ca. einer halben Stunde an, dass er gehen solle. Der Angeklagte drohte daraufhin der Zeugin, er werde sich von einer Brücke werfen, wenn sie ihn hinauswerfe. Während der Unterhaltung beugte er sich mehrfach zur Zeugin, um sich ihr körperlich zu nähern, woraufhin diese jedoch jeweils zurückwich. Da ihr die Situation sehr unangenehm war, forderte sie ihn auf, die Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte bat sie noch um eine letzte Umarmung. Die Zeugin ließ sich hierauf in der Hoffnung ein, dass der Angeklagte daraufhin sofort gehen würde. Diese Situation nutzte der Angeklagte, um der Zeugin ein Brotmesser an den Hals zu halten, das er während eines Gangs der Geschädigten zur Toilette unbemerkt an sich genommen hatte. Er drückte die Zeugin mit der Umarmung auf deren Bettsofa, um den Beischlaf mit ihr zu erzwingen. Dabei sagte er in aggressivem Ton sinngemäß, er habe jetzt die Kontrolle und die Zeugin solle ruhig sein. Der Angeklagte wirkte nun auf die Zeugin nicht mehr hilflos und selbstmitleidig, sondern aggressiv und "wahnsinnig". Sie machte ihn darauf aufmerksam, dass sein Verhalten sehr unklug sei, da in dem von ihr bewohnten Wohnheim viele Nachbarn seien und fragte ihn: "Ernsthaft, du willst mich jetzt mit dem Messer bedrohen?" Das überraschte den Angeklagten so, dass die Zeugin ihm das Messer langsam aus der Hand nehmen konnte, "wobei der Angeklagte dagegen hielt". Der Zeugin gelang es dennoch, ihm das Messer wegzunehmen und es gegen ihn zu richten. Sie öffnete ihre Wohnungstür, warf den Schlüssel des Angeklagten vor die Tür und forderte ihn auf, sofort zu gehen. Der Angeklagte erkannte, dass er die Tat nicht mehr weiter ausführen konnte und wirkte sofort wieder schüchtern und selbstmitleidig. Er entschuldigte sich bei der Zeugin, nahm sodann seine Schuhe und rannte aus der Wohnung. Die Geschädigte erlitt leichte Schnittverletzungen am Hals.
3
2. Die Strafkammer hat aufgrund dieser Feststellungen einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung verneint. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat sie ausgeführt, die weitere Tatausführung sei daran gescheitert, dass die Geschädigte dem Angeklagten das Messer weggenommen , es gegen ihn gerichtet und ihn aufgefordert habe zu gehen. Dadurch sei sowohl objektiv als auch aus Sicht des Angeklagten eine Erreichung des Taterfolges mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr möglich gewesen.
4
3. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar liegt ein fehlgeschlagener Versuch, von dem die Kammer bei ihrer rechtlichen Würdigung offenbar ausgeht, vor, wenn der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs nicht mehr glaubt, mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden zu können (BGHSt GSSt 39, 221, 228; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 24 Rn. 7 mwN). Entgegen der Auffassung der Strafkammer kam es hier jedoch nicht auf den Zeitpunkt an, in dem die Geschädigte dem Angeklagten das Messer bereits abgenommen und ihn zum Ge- hen aufgefordert hatte. Vielmehr ist zur Beurteilung eines möglichen Fehlschlags des Versuchs der Moment ausschlaggebend, indem der Angeklagte das Messer noch in der Hand hatte und es auf die Geschädigte richtete. In dieser Situation standen ihm noch alle Handlungsoptionen, nämlich die weitere Durchführung der Tat oder ihr Aufgeben, zur Verfügung. Dass er sich aufgrund des Verhaltens und der Äußerungen der Geschädigten das Messer aus der Hand nehmen ließ, begründet für sich allein kein Misslingen seines Tatplanes im Sinne eines fehlgeschlagenen Versuchs, sondern ist allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Freiwilligkeit des Rücktritts zu prüfen. Denn der Grund, die Wegnahme des Nötigungsmittels zu dulden, kann sowohl ein Motiv autonomer wie nicht autonomer Natur gewesen sein. Die Urteilsgründe verhalten sich hierzu nicht.
5
Bezogen auf den für die rechtliche Bewertung eines Rücktritts vom Versuch maßgeblichen Zeitpunkt fehlt es in den Urteilsgründen allerdings an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Angeklagte die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben hat. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat den Feststellungen auch nicht ohne weiteres entnehmen, dass die Freiwilligkeit zu verneinen ist. Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung, dass der Täter die Ausführung seines Tatplans noch für möglich hält und nicht durch eine äußere Zwangslage an der Tatvollendung gehindert ist, die Tatvollendung aber gleichwohl aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 24 Rn. 19 mN z. Rspr.).
6
Mit Rücksicht darauf, dass sich das Geschehen in der Wohnung der Geschädigten abspielte, liegt es nicht nahe, dass der mit einem Messer bewaffnete Angeklagte sich durch den Hinweis der Geschädigten auf die "vielen Nachbarn" an der Tatvollendung gehindert gesehen haben könnte. Dass der Angeklagte sich durch die Äußerung: "Ernsthaft, du willst mich jetzt mit dem Messer bedrohen", so "überraschen" ließ, dass die Geschädigte ihm langsam das Messer aus der Hand nehmen konnte, spricht ebenfalls nicht dafür, dass er keine andere Möglichkeit mehr sah, als von der Tat Abstand zu nehmen. Insoweit ist nicht ersichtlich, warum der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sein sollte, das Messer in der Hand zu behalten und die Geschädigte weiter zu bedrohen, wenn er die Tat noch hätte vollenden wollen. Dass er sich das Messer - wenn er auch "dagegen hielt" - langsam und ohne einen Kampf oder ein Gerangel abnehmen ließ, lässt vielmehr die Möglichkeit offen, dass die Äußerungen der Geschädigten ihm Anlass zum Umdenken gegeben hatten. Dies würde für die Freiwilligkeit des Rücktritts sprechen (vgl. BGHSt 7, 299; NStZ-RR 2010, 366 f.). Dass der Angeklagte durch die Reaktion der Geschädigten "zur Besinnung" gekommen sein könnte, ist auch vor dem Hintergrund seiner schon zuvor gezeigten schwankenden Gemütsverfassung sowie der anschließenden Entschuldigung bei der Zeugin zumindest denkbar.
7
Der Senat kann auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen insgesamt nicht ausschließen, dass der Angeklagte aus autonomen Motiven und damit freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat.
8
4. Die Sache bedarf daher zu Fall 2. der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Schuldspruchs in diesem Fall führt zur Aufhebung des Ausspruches über die Gesamtstrafe.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 142/02
vom
11. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Januar 2002 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat lediglich hinsichtlich des Ausspruchs über die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Treffen wie hier Einzelfreiheitsstrafen und Einzelgeldstrafen zusammen, so ist in der Regel eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (siehe BGH NJW 1989,
2900; wistra 1994, 61; mit anderer Differenzierung: Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 53 Rdn. 4; vgl. weiter Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 53 Rdn. 16). Dem Tatrichter ist jedoch in § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB ein Ermessen dahingehend eingeräumt, daß er aus den Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe und daneben aus den Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe bilden kann. Dieses Ermessen hat er nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens bewußt gewesen ist. Grundsätzlich mag es zwar nicht naheliegen, bei im wesentlichen gleichgelagerten Fällen von der Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB für die Bestimmung der Gesamtsanktion Gebrauch zu machen. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, namentlich im Blick auf den Werdegang des Angeklagten, das zu seinen Taten führende Geschehen und die für ihn persönlich ausgelösten mittelbaren Tatfolgen wäre die durch § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebene Möglichkeit jedoch zu erörtern gewesen. Die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe kann sich möglicherweise als das schwerere Übel erweisen. Die in Ansatz gebrachten Einzelstrafen - in zehn Fällen Geldstrafe zu 60 oder 90 Tagessätzen , in neun Fällen Freiheitsstrafe von sechs oder neun Monaten, die Einsatzstrafe beträgt ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe - lassen es nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß erst die Einbeziehung der Geldstrafen zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat, deren Höhe keine Strafaussetzung zur Bewährung mehr zuließ (vgl. BGH wistra 1994, 61).
Da lediglich ein Wertungsfehler bei der Bildung der Gesamtstrafe in Rede steht, können die Einzelstrafen und auch die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen , sind zulässig. Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 390/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 4. Juli 2006 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zehn Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat, was die Revision zu Recht beanstandet, nicht erkennbar erwogen , ob im Hinblick auf die für die zehn Fälle des unerlaubten Erwerbs von Be- täubungsmitteln verhängten Einzelgeldstrafen (jeweils 30 Tagessätze zu je 5 Euro) die gesonderte Verhängung einer Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht kommt. Die Nichtanwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StPO bedarf insbesondere dann einer ausdrücklichen Erörterung, wenn bei der gesonderten Festsetzung einer Geldstrafe die zeitige Freiheitsstrafe noch zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung , nachteilige 4 und 6 m.w.N.). Angesichts der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten liegt diese Möglichkeit hier jedenfalls nicht fern. Hätte das Landgericht aus den zehn Einzelgeldstrafen eine gesonderte Gesamtgeldstrafe gebildet, ist nicht auszuschließen, dass es daneben auf eine in ihrer Höhe noch aussetzungsfähige Gesamtfreiheitsstrafe erkannt und die Vollstreckung dieser Strafe angesichts der Unvorbestraftheit des Angeklagten und der übrigen festgestellten Strafmilderungsgründe zur Bewährung ausgesetzt hätte. Die Nichtanwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB wäre deshalb zu begründen gewesen.
3
Die Feststellungen bleiben aufrecht erhalten, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Ergänzende Feststellungen können getroffen werden.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien Maatz Athing ist krankheitsbedingt an der Unterschrift, RiBGH Maatz urlaubsbedingt an der Anbringung des Verhinderungsvermerks gehindert. Athing
Ernemann Sost-Scheible