Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2015 - 2 StR 518/14

bei uns veröffentlicht am16.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR518/14
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schweren Raubs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 16. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 406a Abs. 2 Satz 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten O. gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Juni 2014 wird verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet.
Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten O. gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffenen Adhäsionsentscheidungen sowie über die Kosten des Rechtsmittels bleibt einer abschließenden Entscheidung vorbehalten.
2. Auf die Revision der Angeklagten N. wird das vorbenannte Urteil, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall B.I.4. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch.
Die weitergehende Revision der Angeklagten N. wird verworfen.
3. Auf die Revision der Angeklagten I. wird das vorbenannte Urteil, soweit es sie betrifft, aufgehoben.

4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten O. wegen besonders schweren Raubs in vier Fällen, schweren Raubs in zwei Fällen, Anstiftung zum schweren Raub, räuberischer Erpressung und Diebstahls in zwei Fällen, teilweise in Tateinheit mit weiteren Delikten, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger E. 10.000 € und an den Adhäsionskläger T. 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2014 zu zahlen. Zugleich hat es festgestellt, dass der Anspruch des Adhäsionsklägers T. aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt.
2
Die Angeklagte N. hat das Landgericht wegen Beihilfe zu einem in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und einer gefährlichen Körperverletzung begangenen besonders schweren Raubs in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zu einem in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangenen besonders schweren Raubs in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.
3
Gegen die Angeklagte I. hat es wegen Beihilfe zu einem in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und einer gefährlichen Körperverletzung begangenen besonders schweren Raubs unter Einbeziehung zweier Strafen aus früheren Verurteilungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verhängt.
4
Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge, die Angeklagten O. und I. erheben zudem Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Soweit sich die Revision des Angeklagten O. gegen den Adhäsionsausspruch richtet , bleibt eine abschließende Entscheidung vorbehalten.

I.

5
Die Verfahrensrügen des Angeklagten O. sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet. Auch die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
6
Soweit die Revision die Adhäsionsentscheidungen angreift, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Der Senat hat mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 (2 StR 137/14 und 337/14) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen angefragt, ob an der Rechtsprechung, die bei der Bemessung des Schmerzensgelds regelmäßig die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten erfordert, festgehalten wird. Er beabsichtigt diese Rechtsprechung aufzugeben. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
7
Das Landgericht hat bei der Entscheidung über die Adhäsionsanträge jeweils die "desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten" (UA S. 129 f.) berücksichtigt. Ob und in welcher Weise es die wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschädigten berücksichtigt hat, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Damit kann ein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Landgericht sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten als auch der Geschädigten lediglich anspruchsmindernd in Ansatz gebracht hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2014 - 2 StR 211/14).
8
Im Hinblick darauf, dass über diesen Teil der Revision des Angeklagten in absehbarer Zeit nicht entschieden werden kann, ist es geboten, über den "entscheidungsreifen" strafrechtlichen Teil des angefochtenen Urteils vorab zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14). Der Senat stellt daher die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurück. Dies betrifft auch den Feststellungsausspruch, der für sich gesehen nicht zu beanstanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2002 - IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166, 171 f.).

II.


9
Die Überprüfung des Urteils auf die Revision der Angeklagten N. führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall B.I.4. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
10
1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fuhren der Angeklagte O., der gesondert verfolgte C. und die Angeklagte N. im Juli 2013 zur Wohnung des Zeugen G. , um diesen zu überfallen. Der Angeklagten N. kam dabei die Aufgabe zu, bei dem Zeugen G. zu klingeln und diesen zu veranlassen, die Tür zu öffnen. Da die Angeklagte N. festgestellt hatte, dass die Haustür nicht verschlossen war, teilte sie dies O. und C. mit und ging zum Auto zurück. O. und C. betraten daraufhin das Haus und zogen sich Sturmhauben über den Kopf. Nachdem der Zeuge G. die Wohnungstür geöffnet hatte, bedrohte C. den Zeugen mit einer nicht funktionsfähigen Signal- oder Gaswaffe, während O. ihm ein Messer drohend vor das Gesicht hielt. Die Angeklagten erbeuteten 2.000 € Bargeld sowie weitere Wertgegenstände. Zudem nötigten sie den Zeugen, seine Bankkarte und die dazugehörige Geheimzahl herauszugeben, und hoben anschließend einen geringen Geldbetrag von dessen Konto ab.
11
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf die es seine Überzeugung gestützt hat, die Angeklagte N. habe entgegen ihrer Einlassung den Einsatz einer Pistole und eines Messers zumindest billigend in Kauf genommen, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
12
Die Würdigung der erhobenen Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die von dem Gericht gezogenen Schlussfolgerungen müssen aber auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und dürfen sich nicht als bloße Vermutung erweisen, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu be- gründen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2000 - 3 StR 585/99; Beschluss vom 24. Februar 2015 - 4 StR 11/15).
13
Dass die Angeklagte die verwendeten Tatwerkzeuge auf der Fahrt zum Tatort wahrgenommen hat, hat das Landgericht nicht festgestellt. Vielmehr hat es seine Überzeugung auf einen "Rückschluss aus den festgestellten Umständen" gestützt, denn derjenige, der sich an einer Tat wie der vorliegenden beteilige , ohne dass eine konkrete Tatbeteiligung abgesprochen oder sonst vorgesehen ist, nehme diejenige Tatbegehung billigend in Kauf, mit der nach den Umständen zu rechnen sei (UA S. 62 f.). Dabei hat das Landgericht indiziell zulasten der Angeklagten gewertet, sie habe selbst nicht behauptet, es sei eine Begehungsweise ohne Waffen oder Tatwerkzeuge abgesprochen gewesen.
14
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht durfte der Angeklagten schon nicht anlasten, dass sie keine von den Feststellungen abweichende andere Tatplanung behauptet hat. Hieraus ergibt sich kein Indiz dafür, die Angeklagte habe auch hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 250 StGB vorsätzlich gehandelt. Macht ein Angeklagter zu einem bestimmten Punkt eines einheitlichen Geschehens keine Angaben, dürfen daraus für ihn nachteilige Schlüsse nur gezogen werden, wenn nach den Umständen Äußerungen zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich fragmentarischer Natur sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 - 3 StR 370/01, NStZ 2003, 45; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 508/10, NStZ-RR 2011, 118). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es erschließt sich nicht, warum von der Angeklagten, die sich dahin eingelassen hat, sie sei von einer Tatbegehung "mittels Schlägen" ausgegangen, zu erwarten gewesen wäre, dass sie weitere Angaben dazu macht, worauf sich ihre Tatvorstellung gründete, zumal den Ur- teilsgründen auch nicht zu entnehmen ist, dass überhaupt danach gefragt worden ist.
15
Die Überzeugung des Tatgerichts, die Angeklagte habe nach den ihr bekannten Umständen der Tat mit dem Einsatz eines Messers und einer Pistole rechnen müssen, ist aber auch im Übrigen nicht rechtsfehlerfrei begründet. Das Landgericht hat insoweit nur berücksichtigt, dass es sich bei dem Tatopfer um einen Betäubungsmittelhändler handelte, und dass O. und der gesondert verfolgte C. vor der Tat in Gegenwart der Angeklagten erörtert hatten, ob bei der Tatbegehung mit Widerstand oder einer weiteren anwesenden Person zu rechnen sei. Im Hinblick darauf, dass das Tatopfer in seiner Wohnung überfallen , durch das plötzliche Eintreten der zwei mit Sturmhauben maskierten Tatbeteiligten überrascht und körperliche Gewalt angewandt werden sollte, hätte das Landgericht zudem erörtern müssen, ob die Angeklagte auch mit dem Einsatz von Droh- oder Druckmitteln rechnen musste. Letztlich offen bleibt auch, worauf sich die Annahme der Strafkammer stützt, die Angeklagte habe davon ausgehen müssen, dass bei der Tat neben einer ungeladenen Pistole (§ 250 Abs. 1 Nr. 1b) StGB) auch ein Messer (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) eingesetzt werden würde.
16
Nach alledem hat der Schuldspruch wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung keinen Bestand. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall B.I.4. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

III.

17
Die Revision der Angeklagten I. hat mit der Sachrüge vollumfänglich Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
18
1. Nach den Feststellungen betraten der Angeklagte O. und der gesondert verfolgte C. unter Mitnahme eines Baseballschlägers und einer nicht funktionstüchtigen Gas- oder Signalwaffe am 23. August 2013 die M. Filiale in O. . Sie bedrohten die vier anwesenden Mitarbeiter, wobei der Angeklagte O. dem Zeugen R. zudem mit dem Baseballschläger gegen die Schulter schlug. Insgesamt erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 3.500 €. Um die Tatbegehung zu erleichtern, hatte die Angeklagte I. , die als Mitarbeiterin bei der M. Filiale beschäftigt war, den Angeklagten O. zuvor unter anderem darüber informiert, wo sich der Tresor befindet und wie viele Mitarbeiter sich zum Tatzeitpunkt in der Filiale aufhalten werden.
19
2. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte I. habe auch den Einsatz des Baseballschlägers durch den Angeklagten O. billigend in Kauf genommen, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
20
Das Landgericht hat seine Überzeugung wiederum maßgeblich auf die Einlassung der Angeklagten gestützt, die angegeben hatte, "sich keine Gedanken darüber gemacht zu haben, wie der Überfall ablaufen würde." Damit habe sie "jede Tatbegehung billigend in Kauf genommen, mit der nach den Umständen zu rechnen gewesen" sei (UA S. 83).
21
Es stellt im Ergebnis zwar keinen Rechtsfehler dar, wenn das Landgericht angesichts der konkreten Tatumstände davon ausgeht, die Angeklagte I. habe damit rechnen müssen, dass die Tat unter Mitnahme von Droh- oder Druckmitteln begangen werden sollte. Wenngleich es das Landgericht versäumt hat, sich mit den konkreten Umständen der Tat auseinanderzusetzen, legen die Urteilsgründe in ihrem Zusammenhang diesen Schluss nahe. Denn bei der Tatausführung war nach Kenntnis der Angeklagten I. jedenfalls mit der Anwesenheit von vier Mitarbeitern und gegebenenfalls mit dem Erscheinen von Gästen zu rechnen. Zudem musste ein Mitarbeiter veranlasst werden, den Tresor zu öffnen. Demgegenüber erschließt sich nicht von selbst, dass die Angeklagte I. darüber hinaus auch mit der Verwendung von Tatmitteln im Sinne des § 250 Abs. 2 StGB und einer körperlichen Misshandlung oder Verletzung von Mitarbeitern rechnen musste. Dies bedarf nochmaliger Prüfung durch das neue Tatgericht.
22
Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich aller tateinheitlich erfüllter Straftatbestände (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12). Vorsitzender Richter am BGH Krehl Eschelbach Prof. Dr. Fischer ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Ott Zeng

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2015 - 2 StR 518/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2015 - 2 StR 518/14

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafprozeßordnung - StPO | § 406a Rechtsmittel


(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschl
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Apr. 2015 - 2 StR 518/14 zitiert 4 §§.

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(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.

(3) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
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2 S t R 3 3 7 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. 2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.

1
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013, zu zahlen, und dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3
Bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil weder erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat, der nach den Feststellungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro hat, von dem 500 Euro an Mietkosten aufzubringen sind, noch die der Nebenklägerinnen.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien. Im Übrigen hat er Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
6
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".
7
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten , der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, die des Opfers berücksichtigt.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Landgericht nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigten getroffen habe. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
9
3. In beiden Fällen hat der Senat die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, und die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Insoweit geben die Rechtsmittel der Angeklagten und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts dem Senat Anlass, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB), des sogenannten Schmerzensgeldes (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 6 StPO), zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären; er hält dies auch für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
10
Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Erörterungspflicht , die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das Landgericht dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das Landgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte.

II.

11
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104, 105; 76, 174, 175; vgl. auch RGZ 136, 60, 61). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied dagegen mit Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. mwN) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149 ff.), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt:
12
a) Ein Vergleich mit den anderen Vorschriften des BGB, in denen das Ausmaß einer Leistung nach "billigem Ermessen" bestimmt oder eine "billige Entschädigung" gewährt werde, zeige, dass das Gesetz in der Regel sämtliche in Betracht kommenden Umstände und insbesondere die Verhältnisse aller Beteiligten berücksichtigt wissen wolle; insbesondere ergebe sich aus § 829 BGB und der Entstehungsgeschichte des "Kranzgeldes" (§ 1300 BGB, aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833), dass der Richter bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nicht gebunden sein soll, bestimmte Umstände nicht zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 153 f.).
13
b) Dasselbe ergebe sich aus der doppelten Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes. Dieses solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es solle aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schulde. Denn auch wenn dem Schmerzensgeldanspruch kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohne, so schwinge in dem Ausgleichsgedanken doch etwas vom Charakter der Buße oder Genugtuung mit, da er sich aus dem Strafrecht entwickelt habe.
14
Im Vordergrund stehe der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung: der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, soll durch seine Leistung dazu helfen, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung hänge die Bemessung der Entschädigung in erster Linie von Größe, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, Leiden und Entstellungen ab. Der Schmerzensgeldanspruch sei zwar vom Gesetzgeber formal als bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch konstruiert worden, die Wiederherstellungsfunktion lasse sich indes nicht wie bei Vermögensschäden verwirklichen. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten sich nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen der immaterielle Schaden so groß sei, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar sei, etwa bei weitgehender physischer Zerstörung des Körpers, oder in denen der Geschädigte wegen einer erlittenen psychischen Störung subjektiv kein Bewusstsein der Schädigung besitze. Ähnlich sei es, wenn der Verletzte wirtschaftlich so gestellt sei, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Lustgefühl zum Ausgleich für die erlittenen Schäden hervorgerufen werden könnte. Gerade für diese Gruppen gewinne die Genugtuungsfunktion ihre besondere Bedeutung (BGHZ 18, 149, 154 ff.).
15
c) Danach könnten - neben dem in erster Linie zu beachtenden Umfang der Lebensbeeinträchtigung - bei der Bemessung alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge gäben. Dazu gehörten der Grad des Verschuldens des Schädigers sowie - möglicherweise - auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten. So könne bei besonders günstigen Vermögensverhältnissen des Verletzten die Ausgleichsfunktion zurücktreten, wenn diesem durch Geldbeträge ein Ausgleich für die erlittenen Schäden kaum geboten werden könne. In diesen Fällen trete die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund. Andererseits könne im Einzelfall der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten auch zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (BGHZ 18, 149, 157 ff.).
16
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers könnten danach ebenfalls bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der Ausgleichsgedanke dürfe im Allgemeinen nicht dazu führen, dass der Schädiger in schwere oder nachhaltige Not gerate. Allerdings stünden auch hier die Notwendigkeit einer Genugtuung und des Ausgleichs im Vordergrund. Die schlechte Wirtschaftslage des Schädigers werde daher, je nach Anlass des Schadensereignisses, insbesondere nach dem Grad des Verschuldens, stärkeres oder schwächeres Gewicht haben; so könne besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers den Gedanken , ihn vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, weitgehend zurückdrängen. Andererseits könne es bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen billig erscheinen, die Entschädigung höher festzusetzen. Auch könne, je geringer der zum Ausgleich benötigte Betrag sei, umso eher von der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem des Schädigers abgesehen werden (BGHZ 18, 149, 159 f.). Schließlich könne dabei auch der Umstand, dass der Schädiger haftpflichtversichert sei und in Höhe der Versicherungssumme gegen den Versicherer einen Anspruch auf Freistellung habe, bei der Bemessung berücksichtigt werden, da sein durch Prämienzahlung erworbener Anspruch sich als Vermögenswert darstelle (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
17
In ähnlicher Weise könnten in diesem Zusammenhang (wiederum) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten Bedeutung gewinnen. Wenn dieser in guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei, so könne es bei wirtschaftli- cher Schwäche des Schädigers billig erscheinen, dies innerhalb der gegebenen Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen; bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten hingegen in geringerem Maße. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nie dazu führen, dass der vermögenslose Schädiger von der Entrichtung eines Schmerzensgeldes befreit werde, denn es handele sich dabei nur um einen Umstand unter zahlreichen (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
18
d) Zwar gelte für Vermögensschäden der Grundsatz, dass der Umfang der Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners unabhängig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bemessung von Nichtvermögensschäden , bei der § 847 BGB a.F. eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlange. Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers handele es sich nicht um eine Kürzung einer "an sich" angemessenen Entschädigung, sondern es werde durch die Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gehörten , überhaupt erst die "billige Entschädigung" ermittelt. Diese bildeten daher einen Teil des zu beurteilenden Sachverhalts. Damit liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, soweit zwischen Schädigern, die in unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, differenziert werde (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
19
2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; BGH, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389, 390; Urteile vom 25. September 1964 - VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299, 1302; Urteil vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531, 1532; vgl.
auch BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, 1069, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag - VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, wenn auch nicht immer , im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urteil vom 28. Mai 2014 - 14 U 165/13 juris Rn. 24; OLG München , Urteil vom 11. April 2014 - 10 U 4757/13 juris Rn. 42 ff.; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2014, 33).
20
Dem folgend erachten auch die Strafsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4, vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5, und vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124, vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14 juris Rn. 3 und vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14 juris Rn. 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.
21
3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der "billigen Entschädigung" war damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 14 ff., und BT-Drucks. 14/8780, S. 21).

III.

22
Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürfen, aufzugeben.
23
1. Nach seiner Auffassung darf es auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen.
24
a) Zwar verlangt der Begriff der "Billigkeit" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Falles. Was danach "in Betracht kommt", bedarf jedoch der Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln haben daher die Gerichte die Grundrechte als "Richtlinien" zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 214, 229 f. mwN; speziell zum Schmerzensgeld auch BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 f.); auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 84, 197, 199 mwN).
25
b) Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen oder seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt ist, nicht rechtfertigen.
26
aa) Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse ist mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1375 ff., Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
27
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen wird (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Denn nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen hat weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung, noch der Arme ein geringeres. Danach geht es umgekehrt aber auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seeli- schen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stehen dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon (so im Ergebnis auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum , vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger /Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; MünchKommBGB /Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey, aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRKBGB /Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
28
bb) Wollte man demgegenüber den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Einfluss auf das Maß der auszugleichenden Beeinträchtigung zugestehen, müsste man dies konsequenterweise im Einzelfall durch eine Beweisaufnahme zum Lebensstil des Verletzten verifizieren. Denn auch der wirtschaftliche gut Situierte kann bescheiden leben, während ein anderer trotz schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse einen aufwendigen Lebensstil pflegen mag; zudem wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung des sparsamen gegenüber dem verschwenderischen Verletzten zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Knöpfel, AcP 155, 145 f.). Eine solche Beweisaufnahme ließe sich indes mit dem - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BVerfGE 38, 105, 114) - Schutz des persönlichen Lebensbereiches des (Opfer-)Zeugen (vgl. § 68a Abs. 1 StPO für den Strafprozess) nur schwerlich vereinbaren (vgl. auch Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 52 f.). Im Zivilprozess gilt zwar die Erleichterung des § 287 ZPO; dies ändert aber nichts daran, dass der Tatrichter sich im Urteil mit allen für die Bemessung des Schmerzensgelds maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandersetzen muss und nicht jedes diesbezügliche Beweisangebot zurückweisen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 6, 8 mwN).
29
Hinzu kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen unklar bleibt, in welchen konkreten "Einzelfällen" die Vermögensverhältnisse des Geschädigten überhaupt zu einer Erhöhung oder Verminderung des Schmerzensgeldes führen könnten (vgl. auch Vieweg/Lorz in jurisPKBGB , 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75); denn auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden dürften, bedürfte es eines Maßstabs, inwieweit diese Umstände anspruchsmindernd, anspruchserhöhend oder wertneutral wirken sollten. Ein solcher Maßstab ist weder der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zu entnehmen noch sonst erkennbar.
30
cc) Schließlich ist zu besorgen, dass die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse jedenfalls im Endeffekt zu einer Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen führen kann (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470, 471; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 12), gegen die sich schon das Reichsgericht aussprach (vgl. RGZ 76, 174, 176).
31
c) Danach scheiden die Vermögensverhältnisse des Geschädigten als legitime Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus. Nichts anderes gilt, wenn wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird, sondern diese von vornherein in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGHZ 18, 149, 160 f.). Denn auch durch die- sen dogmatischen "Kunstgriff" verlieren sie nicht ihren Charakter als das Schmerzensgeld erhöhende oder mindernde Umstände, der ihnen aber nach den dargestellten Maßstäben nicht zukommen darf.
32
d) Soweit der Große Senat für Zivilsachen im Wege der systematischen Auslegung die Vorschriften der §§ 829, 1300 BGB als Beleg dafür herangezogen hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als in Betracht zu ziehende Umstände des Einzelfalls anzusehen sind (vgl. auch Lorenz aaO S. 157), steht dies im Widerspruch zu dem der Verfassung zu Grunde liegenden und vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich weiter konkretisierten Menschenbild, das wesentlich von dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch geprägt wird (vgl. oben III.1.b.aa); auch wurde § 1300 BGB durch den Gesetzgeber inzwischen als rechtspolitisch überholt aufgehoben (vgl. BT-Drucks. 13/4898 S. 14).
33
2. Nach Ansicht des Senats sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zu berücksichtigen.
34
a) Der Schmerzensgeldanspruch ist vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Schon dies spricht dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen darf (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
35
b) Zu einer anderen Betrachtung zwingt auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung kann, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären). Vielmehr soll der Geschädigte durch die - ihm selbst und nicht etwa dem Staat oder einer gemeinnützigen Einrichtung zufließende - "billige Entschädigung" Genugtuung für den ihm zugefügten immateriellen Schaden erfahren, wozu auch die Verletzung des Rechtsgefühls zählt (vgl. Knöpfel, aaO, 150, 154 f.). Im Blick haben daher auch hier der Geschädigte und dessen Beeinträchtigung zu stehen (vgl. Pecher, aaO, 70). Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts sind aber von seinen Vermögensverhältnissen gänzlich unabhängig (vgl. Knöpfel aaO).
36
c) Das dagegen vorgebrachte Argument, bei Nichtvermögensschäden seien nach dem gesetzgeberischen Willen alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 160 f.), vermag gleichfalls nicht mehr zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der unter III.1.b dargestellten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Höhe einer Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden - wenn auch nur als einem unter mehreren Gesichtspunkten - möglicherweise davon abhängig ist, ob der Schädiger Hilfsarbeiter oder Millionär ist. Insbesondere ist es für die Frage, ob eine solche Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse von vornherein in die Abwägung eingestellt werden oder eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird (vgl. oben III.1.c).
37
d) Etwaige unbillige Härten für den Schädiger können zudem sachgerecht im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren berücksichtigt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Ermann/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 27; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1371 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass durch das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils dem Geschädigten die ihm bei allen anderen Schadensersatzansprüchen zustehende Möglichkeit genommen wird, bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung seines Schadensersatzes zu kommen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 154 f.).
38
e) Vor diesem Hintergrund kann es auch keine Rolle spielen, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, zumal dann die Höhe der Entschädigung von einem für die geschädigte Person zufälligen Umstand abhängen würde (vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 43; NK-BGB/Huber aaO).
39
3. Der Senat fragt deshalb bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR211/14
vom
29. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Dezember 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 9. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.3. der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
c) im Maßregelausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es dem Angeklagten untersagt, berufs- und gewerbsmäßig von Personen unter 21 Jahren Abbildungen anzufertigen oder solche Personen als Schauspieler oder Fotomodel auszubilden, zu beraten oder zu vermitteln. Darüber hinaus hat das Landgericht zugunsten der Nebenklägerin T. eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen (Taten zum Nachteil der Nebenklägerin T. ) richtet, zeigt sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler auf.
4
Auch der Adhäsionsausspruch hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat bei der Bemessung des der Nebenklägerin T. zugesprochenen Schmerzensgelds in Höhe von 1.000 € die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin berücksichtigt. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14; Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14). Der Senat hält indes aus den im Beschluss vom 8. Oktober 2014 (2 StR 337/14) dargelegten Gründen sowohl die Einbeziehung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers als auch eine Erörterung der Vermögensverhältnisse der Geschädigten bei der Entscheidung über die Höhe der billigen Entschädigung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB für rechtsfehlerhaft. Ungeachtet dessen hat sich der vom Landgericht zugrunde gelegte Bewertungsmaßstab hier jedenfalls nicht zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt. Angesichts der geringen Höhe des Schmerzensgelds und im Hinblick darauf , dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich anspruchsmindernd und damit zugunsten des Angeklagten in Ansatz gebracht hat, kann ein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler ausgeschlossen werden.
5
2. Dagegen hat die Revision zu Fall II.3. der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin K. ) mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts Erfolg.
6
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen setzte sich die zum Tatzeitpunkt dreizehnjährige Nebenklägerin in der Wohnung des Angeklagten zur Anfertigung von Fotoaufnahmen auf ein Sofa. Während der Angeklagte Fotos machte, kniete er sich vor die Nebenklägerin, die keine Unterhose trug, führte einen Finger in ihre Scheide ein und manipulierte an ihrer Klitoris.
7
a) Die von dem Angeklagten erhobene Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO ist begründet. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde :
8
In der Hauptverhandlung beantragte der Angeklagte die Spurensuche nach DNA-Anhaftungen zum Beweis der Tatsache, dass sich auf dem Sofa keine DNA-Spuren der Nebenklägerin befänden. Das Landgericht hat diesen Antrag als Beweisermittlungsantrag eingestuft und ausgeführt, die Aufklärungspflicht gebiete eine Beweiserhebung nicht, weil selbst das Fehlen von DNASpuren nicht den Schluss zuließe, der Angeklagte habe die ihm vorgeworfene sexuelle Handlung nicht begangen.
9
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den Antrag rechtsfehlerhaft als Beweisermittlungsantrag gewertet. In dem Antrag wurde ein konkretes Beweismittel zwar nicht ausdrücklich benannt. Der Antragsbegründung war jedoch im Wege der gebotenen Auslegung (vgl. MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 39) unzweifelhaft zu entnehmen, dass der Angeklagte die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrte. Auch die Begründung, mit der das Landgericht das Beweisbegehren zurückgewiesen hat, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Erwägung, das Fehlen von DNA-Spuren spräche nicht gegen die Tatbegehung durch den Angeklagten, wäre zwar grundsätzlich geeignet gewesen, eine Zurückweisung des Antrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) zu rechtfertigen. Hierfür hätte es aber einer eingehenderen Begründung bedurft. Will das Tatgericht einen Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit zurückweisen, muss es darlegen, warum es aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss geblieben ist. Dies nötigt zu einer Einfügung der behaupteten Beweistatsache in das bis dahin gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - 5 StR 143/13, NStZ 2013, 611). Hieran fehlt es. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung im Fall II.3. der Urteilsgründe auf diesem Verfahrensfehler beruht.
10
b) Darüber hinaus hat die Revision auch aufgrund einer weiteren Verfahrensbeanstandung , mit der die Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO gerügt wird, Erfolg. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
11
Nach der Vernehmung der Nebenklägerin stellte der Angeklagte den Antrag , ein ärztliches Gutachten bezüglich seiner Erektionsprobleme, die ein medizinisches Problem seien, einzuholen. Das Gutachten werde belegen, dass die Nebenklägerin - anders als von ihr ausgesagt - nach der Tat bei ihm keine Erektion habe wahrnehmen können. Das Landgericht hat auch diesen Antrag als Beweisermittlungsantrag gewertet und ihn ohne weitere Begründung zurückgewiesen.
12
Entgegen der Ansicht des Landgerichts handelte es sich auch bei diesem Antrag um einen Beweisantrag. An der bestimmten Behauptung einer Beweistatsache fehlte es nicht deshalb, weil der Angeklagte im Zusammenhang mit den Tatvorwürfen zum Nachteil der Nebenklägerin P. eingeräumt hatte, mit dieser eine intime Beziehung gehabt und mit ihr "stets […] einvernehmlich sexuell verkehrt" zu haben (UA S. 68). Ein Beweisantrag liegt zwar dann nicht vor, wenn eine Beweisbehauptung wider besseres Wissen und daher lediglich zum Schein aufgestellt wird (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 10. April 1992 - 3 StR 388/91, NStZ 1992, 397, 398; OLG Hamburg, StV 1999, 81, 82). Eine solche Intention des Angeklagten ist hier aber nicht ausreichend belegt. Denn aus der Einlassung des Angeklagten ergibt sich nicht ohne Weiteres , dass die behaupteten Erektionsprobleme zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin K. nicht bestanden. Das Landgericht hätte die begehrte Beweisaufnahme daher nur aus den in § 244 Abs. 3 und § 244 Abs. 4 StPO genannten Gründen ablehnen dürfen. Fehlt - wiehier - eine solche Begründung, kann sie im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht nachgeholt werden (vgl. KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 233).
13
c) Als rechtsfehlerhaft erweist sich schließlich auch die Zurückweisung des Antrags, das Video der Wohnung des Angeklagten in Augenschein zu nehmen und mehrere Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass sich entgegen der Aussage der Nebenklägerin in der Wohnung keine Aktfotos an den Wänden befanden.
14
Auch dieser Antrag enthielt die bestimmte Behauptung einer konkreten Beweistatsache. Seine Zurückweisung hätte daher einer hinreichenden Begründung bedurft, um dem Senat die Möglichkeit zu eröffnen, die Rechtmäßigkeit der Ablehnung zu überprüfen (vgl. LR-Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 134). Eine entsprechende Begründung durch das Landgericht, das den Antrag rechtsfehlerhaft als Beweisermittlungsantrag behandelt hat, fehlt. Dazu, ob die Zeugenvernehmung aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung war (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), weil die Beweistatsache nicht geeignet gewesen wäre, die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zu erschüttern oder ob - soweit es die beantragte Einnahme des Augenscheins betrifft - die Beweisaufnahme aus diesem Grund unter Aufklärungsgesichtspunkten nicht erforderlich war (§ 244 Abs. 5 Satz 1 StPO), verhält sich der Ablehnungsbeschluss des Landgerichts nicht. Angesichts der bereits durchgreifenden weiteren Verfahrensrügen kann dahinstehen, ob die Verurteilung im Fall II.3. auch auf dieser Gesetzesverletzung beruht.
15
3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.3. der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
16
4. Aufgrund der zwischen Strafe und Maßregel bestehenden Wechselwirkung (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 70) ist zudem die Anordnung des Berufsverbots aufzuheben. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass für den Fall, dass das Tatgericht erneut ein Berufsverbot verhängen sollte, dieses auf den Umgang mit Personen weiblichen Geschlechts zu beschränken wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 StR 388/13, NStZ-RR 2014, 177). Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 3 7 / 1 4
2 S t R 3 3 7 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. 2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.

1
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013, zu zahlen, und dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3
Bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil weder erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat, der nach den Feststellungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro hat, von dem 500 Euro an Mietkosten aufzubringen sind, noch die der Nebenklägerinnen.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien. Im Übrigen hat er Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
6
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".
7
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten , der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, die des Opfers berücksichtigt.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Landgericht nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigten getroffen habe. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
9
3. In beiden Fällen hat der Senat die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, und die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Insoweit geben die Rechtsmittel der Angeklagten und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts dem Senat Anlass, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB), des sogenannten Schmerzensgeldes (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 6 StPO), zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären; er hält dies auch für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
10
Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Erörterungspflicht , die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das Landgericht dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das Landgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte.

II.

11
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104, 105; 76, 174, 175; vgl. auch RGZ 136, 60, 61). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied dagegen mit Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. mwN) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149 ff.), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt:
12
a) Ein Vergleich mit den anderen Vorschriften des BGB, in denen das Ausmaß einer Leistung nach "billigem Ermessen" bestimmt oder eine "billige Entschädigung" gewährt werde, zeige, dass das Gesetz in der Regel sämtliche in Betracht kommenden Umstände und insbesondere die Verhältnisse aller Beteiligten berücksichtigt wissen wolle; insbesondere ergebe sich aus § 829 BGB und der Entstehungsgeschichte des "Kranzgeldes" (§ 1300 BGB, aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833), dass der Richter bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nicht gebunden sein soll, bestimmte Umstände nicht zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 153 f.).
13
b) Dasselbe ergebe sich aus der doppelten Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes. Dieses solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es solle aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schulde. Denn auch wenn dem Schmerzensgeldanspruch kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohne, so schwinge in dem Ausgleichsgedanken doch etwas vom Charakter der Buße oder Genugtuung mit, da er sich aus dem Strafrecht entwickelt habe.
14
Im Vordergrund stehe der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung: der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, soll durch seine Leistung dazu helfen, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung hänge die Bemessung der Entschädigung in erster Linie von Größe, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, Leiden und Entstellungen ab. Der Schmerzensgeldanspruch sei zwar vom Gesetzgeber formal als bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch konstruiert worden, die Wiederherstellungsfunktion lasse sich indes nicht wie bei Vermögensschäden verwirklichen. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten sich nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen der immaterielle Schaden so groß sei, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar sei, etwa bei weitgehender physischer Zerstörung des Körpers, oder in denen der Geschädigte wegen einer erlittenen psychischen Störung subjektiv kein Bewusstsein der Schädigung besitze. Ähnlich sei es, wenn der Verletzte wirtschaftlich so gestellt sei, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Lustgefühl zum Ausgleich für die erlittenen Schäden hervorgerufen werden könnte. Gerade für diese Gruppen gewinne die Genugtuungsfunktion ihre besondere Bedeutung (BGHZ 18, 149, 154 ff.).
15
c) Danach könnten - neben dem in erster Linie zu beachtenden Umfang der Lebensbeeinträchtigung - bei der Bemessung alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge gäben. Dazu gehörten der Grad des Verschuldens des Schädigers sowie - möglicherweise - auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten. So könne bei besonders günstigen Vermögensverhältnissen des Verletzten die Ausgleichsfunktion zurücktreten, wenn diesem durch Geldbeträge ein Ausgleich für die erlittenen Schäden kaum geboten werden könne. In diesen Fällen trete die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund. Andererseits könne im Einzelfall der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten auch zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (BGHZ 18, 149, 157 ff.).
16
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers könnten danach ebenfalls bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der Ausgleichsgedanke dürfe im Allgemeinen nicht dazu führen, dass der Schädiger in schwere oder nachhaltige Not gerate. Allerdings stünden auch hier die Notwendigkeit einer Genugtuung und des Ausgleichs im Vordergrund. Die schlechte Wirtschaftslage des Schädigers werde daher, je nach Anlass des Schadensereignisses, insbesondere nach dem Grad des Verschuldens, stärkeres oder schwächeres Gewicht haben; so könne besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers den Gedanken , ihn vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, weitgehend zurückdrängen. Andererseits könne es bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen billig erscheinen, die Entschädigung höher festzusetzen. Auch könne, je geringer der zum Ausgleich benötigte Betrag sei, umso eher von der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem des Schädigers abgesehen werden (BGHZ 18, 149, 159 f.). Schließlich könne dabei auch der Umstand, dass der Schädiger haftpflichtversichert sei und in Höhe der Versicherungssumme gegen den Versicherer einen Anspruch auf Freistellung habe, bei der Bemessung berücksichtigt werden, da sein durch Prämienzahlung erworbener Anspruch sich als Vermögenswert darstelle (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
17
In ähnlicher Weise könnten in diesem Zusammenhang (wiederum) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten Bedeutung gewinnen. Wenn dieser in guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei, so könne es bei wirtschaftli- cher Schwäche des Schädigers billig erscheinen, dies innerhalb der gegebenen Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen; bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten hingegen in geringerem Maße. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nie dazu führen, dass der vermögenslose Schädiger von der Entrichtung eines Schmerzensgeldes befreit werde, denn es handele sich dabei nur um einen Umstand unter zahlreichen (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
18
d) Zwar gelte für Vermögensschäden der Grundsatz, dass der Umfang der Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners unabhängig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bemessung von Nichtvermögensschäden , bei der § 847 BGB a.F. eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlange. Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers handele es sich nicht um eine Kürzung einer "an sich" angemessenen Entschädigung, sondern es werde durch die Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gehörten , überhaupt erst die "billige Entschädigung" ermittelt. Diese bildeten daher einen Teil des zu beurteilenden Sachverhalts. Damit liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, soweit zwischen Schädigern, die in unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, differenziert werde (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
19
2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; BGH, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389, 390; Urteile vom 25. September 1964 - VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299, 1302; Urteil vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531, 1532; vgl.
auch BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, 1069, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag - VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, wenn auch nicht immer , im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urteil vom 28. Mai 2014 - 14 U 165/13 juris Rn. 24; OLG München , Urteil vom 11. April 2014 - 10 U 4757/13 juris Rn. 42 ff.; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2014, 33).
20
Dem folgend erachten auch die Strafsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4, vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5, und vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124, vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14 juris Rn. 3 und vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14 juris Rn. 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.
21
3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der "billigen Entschädigung" war damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 14 ff., und BT-Drucks. 14/8780, S. 21).

III.

22
Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürfen, aufzugeben.
23
1. Nach seiner Auffassung darf es auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen.
24
a) Zwar verlangt der Begriff der "Billigkeit" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Falles. Was danach "in Betracht kommt", bedarf jedoch der Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln haben daher die Gerichte die Grundrechte als "Richtlinien" zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 214, 229 f. mwN; speziell zum Schmerzensgeld auch BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 f.); auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 84, 197, 199 mwN).
25
b) Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen oder seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt ist, nicht rechtfertigen.
26
aa) Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse ist mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1375 ff., Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
27
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen wird (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Denn nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen hat weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung, noch der Arme ein geringeres. Danach geht es umgekehrt aber auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seeli- schen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stehen dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon (so im Ergebnis auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum , vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger /Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; MünchKommBGB /Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey, aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRKBGB /Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
28
bb) Wollte man demgegenüber den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Einfluss auf das Maß der auszugleichenden Beeinträchtigung zugestehen, müsste man dies konsequenterweise im Einzelfall durch eine Beweisaufnahme zum Lebensstil des Verletzten verifizieren. Denn auch der wirtschaftliche gut Situierte kann bescheiden leben, während ein anderer trotz schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse einen aufwendigen Lebensstil pflegen mag; zudem wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung des sparsamen gegenüber dem verschwenderischen Verletzten zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Knöpfel, AcP 155, 145 f.). Eine solche Beweisaufnahme ließe sich indes mit dem - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BVerfGE 38, 105, 114) - Schutz des persönlichen Lebensbereiches des (Opfer-)Zeugen (vgl. § 68a Abs. 1 StPO für den Strafprozess) nur schwerlich vereinbaren (vgl. auch Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 52 f.). Im Zivilprozess gilt zwar die Erleichterung des § 287 ZPO; dies ändert aber nichts daran, dass der Tatrichter sich im Urteil mit allen für die Bemessung des Schmerzensgelds maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandersetzen muss und nicht jedes diesbezügliche Beweisangebot zurückweisen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 6, 8 mwN).
29
Hinzu kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen unklar bleibt, in welchen konkreten "Einzelfällen" die Vermögensverhältnisse des Geschädigten überhaupt zu einer Erhöhung oder Verminderung des Schmerzensgeldes führen könnten (vgl. auch Vieweg/Lorz in jurisPKBGB , 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75); denn auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden dürften, bedürfte es eines Maßstabs, inwieweit diese Umstände anspruchsmindernd, anspruchserhöhend oder wertneutral wirken sollten. Ein solcher Maßstab ist weder der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zu entnehmen noch sonst erkennbar.
30
cc) Schließlich ist zu besorgen, dass die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse jedenfalls im Endeffekt zu einer Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen führen kann (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470, 471; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 12), gegen die sich schon das Reichsgericht aussprach (vgl. RGZ 76, 174, 176).
31
c) Danach scheiden die Vermögensverhältnisse des Geschädigten als legitime Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus. Nichts anderes gilt, wenn wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird, sondern diese von vornherein in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGHZ 18, 149, 160 f.). Denn auch durch die- sen dogmatischen "Kunstgriff" verlieren sie nicht ihren Charakter als das Schmerzensgeld erhöhende oder mindernde Umstände, der ihnen aber nach den dargestellten Maßstäben nicht zukommen darf.
32
d) Soweit der Große Senat für Zivilsachen im Wege der systematischen Auslegung die Vorschriften der §§ 829, 1300 BGB als Beleg dafür herangezogen hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als in Betracht zu ziehende Umstände des Einzelfalls anzusehen sind (vgl. auch Lorenz aaO S. 157), steht dies im Widerspruch zu dem der Verfassung zu Grunde liegenden und vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich weiter konkretisierten Menschenbild, das wesentlich von dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch geprägt wird (vgl. oben III.1.b.aa); auch wurde § 1300 BGB durch den Gesetzgeber inzwischen als rechtspolitisch überholt aufgehoben (vgl. BT-Drucks. 13/4898 S. 14).
33
2. Nach Ansicht des Senats sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zu berücksichtigen.
34
a) Der Schmerzensgeldanspruch ist vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Schon dies spricht dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen darf (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
35
b) Zu einer anderen Betrachtung zwingt auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung kann, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären). Vielmehr soll der Geschädigte durch die - ihm selbst und nicht etwa dem Staat oder einer gemeinnützigen Einrichtung zufließende - "billige Entschädigung" Genugtuung für den ihm zugefügten immateriellen Schaden erfahren, wozu auch die Verletzung des Rechtsgefühls zählt (vgl. Knöpfel, aaO, 150, 154 f.). Im Blick haben daher auch hier der Geschädigte und dessen Beeinträchtigung zu stehen (vgl. Pecher, aaO, 70). Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts sind aber von seinen Vermögensverhältnissen gänzlich unabhängig (vgl. Knöpfel aaO).
36
c) Das dagegen vorgebrachte Argument, bei Nichtvermögensschäden seien nach dem gesetzgeberischen Willen alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 160 f.), vermag gleichfalls nicht mehr zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der unter III.1.b dargestellten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Höhe einer Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden - wenn auch nur als einem unter mehreren Gesichtspunkten - möglicherweise davon abhängig ist, ob der Schädiger Hilfsarbeiter oder Millionär ist. Insbesondere ist es für die Frage, ob eine solche Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse von vornherein in die Abwägung eingestellt werden oder eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird (vgl. oben III.1.c).
37
d) Etwaige unbillige Härten für den Schädiger können zudem sachgerecht im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren berücksichtigt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Ermann/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 27; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1371 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass durch das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils dem Geschädigten die ihm bei allen anderen Schadensersatzansprüchen zustehende Möglichkeit genommen wird, bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung seines Schadensersatzes zu kommen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 154 f.).
38
e) Vor diesem Hintergrund kann es auch keine Rolle spielen, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, zumal dann die Höhe der Entschädigung von einem für die geschädigte Person zufälligen Umstand abhängen würde (vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 43; NK-BGB/Huber aaO).
39
3. Der Senat fragt deshalb bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 585/99
vom
24. März 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu Ziff. 2. auf dessen Antrag
- am 24. März 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten E. wird das Urteil
des Landgerichts Oldenburg vom 4. Juni 1999, soweit es
diese Angeklagte betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten ihres
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten C. gegen das
vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.
Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs verurteilt, und zwar die Angeklagte E. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten und den Angeklagten C. z u einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die
Angeklagte E. hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten C. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts durch die Angeklagte E. führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es sie betrifft. Die Überzeugungsbildung des Tatrichters begegnet durchgreifenden Bedenken, weil die festgestellten Indizien keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung der Angeklagten bilden. Auf die drei Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

a) Nach den getroffenen Feststellungen kaufte die Angeklagte E. in Fortführung der mit ihrem Lebensgefährten, dem Angeklagten C. , gemeinsam betriebenen Vermögensanlage das Wohnhaus D. straße 23 in V. - sechs Wohneinheiten mit insgesamt 1.238 Quadratmetern Gebäude- und Freiflächen - zum Kaufpreis von 275.128 DM. Die Finanzierung des Kaufpreises und der geschätzten Renovierungskosten von 60.000 DM erfolgte über einen Bankkredit. Am 2. Juli 1998 schloß die Angeklagte bei dem Generalvertreter der Allianz Versicherungs-AG für das Kaufobjekt eine Gebäudeversicherung ab, der die bereits für den Verkäufer geltenden Konditionen zugrunde gelegt wurden mit Ergänzungen hinsichtlich der Schadensrisiken Sturm und Hagel. Bei den Renovierungsarbeiten wurde ein Leck an der Heizung des Hauses festgestellt. Da die Angeklagten inzwischen daran zweifelten, ob der Hauskauf für sie vorteilhaft sei, beschlossen sie, das Haus bei nächster Gelegenheit, jedoch erst nach Zugang des Versicherungsscheines , in Brand zu setzen und dadurch die Renovierungskosten auf die Brandversicherung zu verlagern. Die Angeklagte E. erhielt den Versicherungsschein der Allianz Versicherungs-AG am 16. Juli 1998. Da sich die Situation an diesem Tag für den Tatplan als günstig erwies, entschloß sie sich, ihren auf der Baustelle arbeitenden Lebensgefährten sofort vom Eingang der Versiche-
rungsunterlagen zu informieren. Um den Grund ihres Besuchs zu verschleiern, kochte sie ein warmes Mittagessen und brachte dieses gegen 13.30 Uhr zur Baustelle. Dort wurden sich die Angeklagten darüber einig, daß die Brandstiftung an diesem Tag stattfinden sollte. Kurz nach 16.00 Uhr steckte der Angeklagte C. am Fuße der Kellertreppe des Hauses einen Holzstapel in Brand. Wie von ihm erwartet sprang das Feuer auf die Holztreppe über und brannte infolge der Kaminwirkung des Treppenhauses bis in das Dachgeschoß durch. Ein Übergreifen des Feuers auf das an einer Ecke nur ca. einen Meter entfernt gelegene Nachbarhaus, in dem sich eine Frau mit ihrem zweijährigen Kind aufhielt, konnte nur durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr verhindert werden. Am 17. Juli 1998 ließ die Angeklagte E. den Brand der Schadensabteilung der Allianz Versicherungs-AG melden, wobei die Angeklagte in der Mitteilung des Versicherungsfalles als Versicherungsnehmerin und Eigentümerin des Hauses bezeichnet ist. Die Allianz Versicherungs-AG bezahlte den bisher entstandenen Schaden von 330.000 DM an den zum Zeitpunkt des Brandes noch im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Verkäufer.

b) Der Angeklagte C. hat zugegeben, den Brand gelegt zu haben, bestreitet aber eine Tatbeteiligung der Angeklagten E. . Er habe mit ihr über seinen Plan nicht gesprochen, da sie mit der Brandstiftung nicht einverstanden gewesen wäre. Das Haus sei - wie dies auch bei den übrigen der Angeklagten E. gehörenden Häusern der Fall gewesen sei - in der Absicht gekauft worden, zukünftig gemeinsam von den Mieteinkünften zu leben. Da seine Handelsfirma aber zunehmend schlecht gelaufen und seine Beziehung zu der Angeklagten E. gestört gewesen sei, habe er gehofft, daß sich als Folge der Tat, vor allem durch die zu erwartenden Zahlungen der Versicherung , alles verbessern werde. Er habe erkannt, daß das Haus mit den veran-
schlagten 60.000 DM nicht zu renovieren gewesen sei. Mit der Brandlegung habe er nur noch bis zum Eingang der Versicherungsunterlagen gewartet.
Die Angeklagte E. hat die ihr zur Last liegenden Straftaten bestritten und angegeben, von dem Plan ihres Lebensgefährten nichts gewußt zu haben.
c) Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Mittäterschaft der Angeklagten E. an der schweren Brandstiftung und dem versuchten Betrug auf folgende Indizien:
Die persönliche Beziehung der Angeklagten vor der Tat sei nicht schwerwiegend zerrüttet gewesen. Der Angeklagte C. habe entgegen seiner Einlassung die Versicherungspolice nicht schon in der Nacht zum 16. Juli einsehen können, da diese erst an diesem Tag nach seiner Abfahrt zur Baustelle im normalen Postbetrieb zugegangen sei. Der Besuch der Angeklagten auf der Baustelle am Tattag gegen 13.30 Uhr sei überraschend gewesen, weil der Angeklagte C. und der frühere Mitangeklagte R. erst eine Stunde vorher eine Mittagspause gemacht hätten. Daraus schließt die Kammer, daß die Angeklagte E. dem Angeklagten C. den Zugang der Versicherungspolice unter dem Vorwand der Anlieferung eines warmen Essens mitgeteilt hat. Auf der Baustelle sei ausreichend Zeit gewesen für eine Absprache über die bereits länger geplante Tatausführung. Zwar hätten die Angeklagten gewußt, daß die Angeklagte E. noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen sei. Darauf sei es ihnen jedoch nicht angekommen, da sie die Eintrittspflicht der Versicherung als unproblematisch angesehen hätten. Das hektische Verhalten der Angeklagten E. nach dem Brand, insbesondere die Anrufe bei ihrer Mutter und dem Rechtsanwalt T. , bei dem s ie sich über die
Rechtslage erkundigt habe, sowie die Besuche beider Angeklagten bei der Polizei und dem Hausverkäufer stellten Ablenkungsmanöver dar. Die von dem Gutachten des Brandsachverständigen abweichenden Angaben des Angeklagten C. z ur Brandlegung beruhten darauf, daß dieser die Angeklagte E. aus der Sache heraushalten wolle.

d) Diese Indizien sind nicht aussagekräftig und bilden keine tragfähige Grundlage für die Verurteilung der Angeklagten E. .
Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewißheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluß erlauben, daß das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH NJW 1982, 2882, 2883 m.w.Nachw.; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 7 und 26; BGHR StPO § 261 Identifizierung 6; BGHR StPO § 261 Vermutung 11; Schäfer StV 1995, 147 ff., 149).
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Die Beweiswürdigung erschöpft sich in bloßen Vermutungen und in der Schilderung einer Verdachtssituation. Die im Urteil mitgeteilten Indizien lassen lediglich die Möglichkeit einer Beteiligung der Angeklagten E. an der Tat zu.
Soweit der Angeklagte C. hinsichtlich des Zugangs der Versicherungspolice die Unwahrheit gesagt hat, liegt darin kein gegen die Angeklagte E. wirkendes aussagekräftiges Indiz. Dies kann allein von der Vorstellung des Angeklagten C. getragen gewesen sein, dadurch die gegen die Angeklagte E. als seine Lebensgefährtin und die Käuferin des Hauses bestehenden Verdachtsmomente abzuwehren. Unter diesen Umständen kann die Angeklagte am Tattag auch nur deshalb zur Baustelle gefahren sein, um den Angeklagten C. und dessen Bauhelfer mit einem warmen Essen zu versorgen , zumal kein Grund ersichtlich ist, aus welchem Grunde die Angeklagte als Hauskäuferin einen kurzen Besuch auf ihrer Baustelle hätte verschleiern sollen. Die Möglichkeit einer Information über den Zugang der Versicherungspolice und einer Absprache der Brandlegung ist kein aussagekräftiges Indiz für die Mittäterschaft der Angeklagten E. , die wußte, daß die Eigentumsumschreibung auf sie noch ausstand. Dasselbe gilt für das Nachtatverhalten der Angeklagten, insbesondere für das mit Rechtsanwalt T. geführte Telefonat. Es ist lebensnah, daß die Angeklagte, die bereits kostenintensive Renovierungsarbeiten hatte durchführen lassen, als die Nutzungsberechtigte des abgebrannten Hauses hektisch reagiert und sich über die Rechtslage, vor allem die Eintrittspflicht der Versicherung vor der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch erkundigt. Das Nachtatverhalten läßt nur bei einer nachgewiesenen Tatbeteiligung den Schluß auf ein Ablenkungsmanöver zu. Ohne einen solchen Nachweis spricht es weder für noch gegen eine Kenntnis und Billigung der vom Angeklagten C. z ugegebenen Tat durch die Angeklagte E. .
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten C. ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden
Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift vom 9. Februar 2000 und bemerkt ergänzend:
Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB verneint. Entgegen der Meinung der Strafkammer ist diese Vorschrift auch dann erfüllt, wenn die schwere Brandstiftung zum Zweck des Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird (BGH, Urt. vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98 = StV 2000, 133; NStZ 2000, 197). Dieser Rechtsfehler wirkt sich also zu Gunsten des Angeklagten aus und beschwert ihn daher nicht. Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR11/15
vom
24. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Februar 2015 gemäß § 46
Abs. 1, § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30. September 2014 gewährt. Damit ist der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 2. Dezember 2014 gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Misshandlung Schutzbefohlener in vier Fällen verurteilt worden ist, und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung Schutzbefohlener in vier Fällen und wegen Körperverletzung in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die er – verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist – auf die Sachrüge stützt. Der Wiedereinsetzungsantrag hat Erfolg. Die Revision führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener und der Gesamtstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Dem Angeklagten ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 27. Januar 2015 dargelegten Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren. Damit ist der das Rechtsmittel als unzulässig verwerfende Beschluss des Landgerichts vom 2. Dezember 2014 gegenstandslos.
3
2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Körperverletzung in 24 Fällen zum Nachteil seiner früheren Ehefrau richtet (§ 349 Abs. 2 StPO). Dagegen hat sie hinsichtlich der Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener in vier Fällen Erfolg.
4
a) Insofern begegnet schon die Beweiswürdigung zu den Misshandlungen der Kinder J. und R. durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
aa) Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt aber objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluss auf das festgestellte Geschehen zulassen müssen. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen , verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. März 2000 – 3 StR 585/99; vom 12. Dezember 2001 – 5 StR 520/01, StV 2002, 235; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 261 Rn. 38, § 337 Rn. 26 jeweils mwN).
6
bb) Dem wird die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der Feststellungen zu den Misshandlungen der Kinder J. und R. nicht gerecht.
7
Nach den insofern getroffenen Feststellungen schlug der Angeklagte in den Jahren 2008 bis 2011 (auch) diese Kinder „regelmäßig drei- bis viermal in der Woche, überwiegend mit der flachen Hand auf das Gesäß, aber auch in das Gesicht, außerdem mit den Fäusten auf den Körper, so dass die Kinder erheb- liche Schmerzen, Blutergüsse, Schwellungen und Nasenbluten erlitten“ (UA S. 11); darüber hinaus schloss der Angeklagte die Kinder mehrfach in ihrem Zimmer ein (UA S. 12). Konkrete Ereignisse zum Nachteil dieser Kinder teilen die Urteilsfeststellungen – anders als bei E. und Ja. – nicht mit.
8
Der Angeklagte hat zwar eingeräumt, seine Kinder etwa jeden dritten Monat „mal“ mit der flachen Hand geschlagen zu haben, alle anderen Vorwürfe bestreitet er indes. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte (auch) J. und R. misshandelt habe, stützt die Strafkammer im Wesentlichen auf die Anga- ben der früheren Ehefrau des Angeklagten, wonach dieser „sie und die Kinder oft geschlagen“ habe, „die Kinder hätten drei- bis viermal in der Woche Schläge bekommen, zeitweise auch täglich“, dabei habe es „ordentlich gerumst“ (UA S. 15); J. und R. hätten „auch mal einen ‚Klaps auf den Arsch‘ und auch mal eine flache Hand ins Gesicht bekommen“ (UA S. 15 und 18).
9
Auf Grund dieser hinsichtlich der Häufigkeit und der Art sowie der Intensität der Schläge widersprüchlichen, zudem Faustschläge auf den Körper, die auch bei J. und R. zu „erheblichen Schmerzen, Blutergüssen, Schwel- lungen und Nasenbluten“ geführt haben, nicht bestätigenden Angaben der Zeu- gin ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Strafkammer die Feststellungen zu diesen Misshandlungen von J. und R. getroffen hat. Die Feststellungen hierzu werden auch nicht dadurch plausibel, dass der damals drei bis sechs Jahre alte Ja. bestätigt hat, dass „auch alle anderen Ge- schwister“ vom Angeklagten geschlagen worden seien (UA S. 21) und ein (lediglich) verlesener Bericht des Jugendamts mitteilt, dass im Kindergarten bemerkt worden sei, dass J. häufig blaue Flecken gehabt und dazueinmal geäußert habe, dass ihr Vater sie geschlagen und getreten habe (UA S. 23). Denn insbesondere hinsichtlich der häufigen blauen Flecke kann Bedeutung haben, dass die Zeugin selbst eingeräumt hat, ihre Kinder – auch mit einem Kochlöffel – geschlagen zu haben (UA S. 19).
10
b) Im Übrigen begegnet aber – hinsichtlich aller vier Fälle – die rechtliche Bewertung der Misshandlungen der Kinder durch den Angeklagten als Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
aa) Diese rechtliche Bewertung stützt die Strafkammer neben den „regelmäßig drei- bis viermal in der Woche“ alle vier Kinder betreffenden Schlägen sowie dem Einsperren für den Tatzeitraum von 2008 bis 2011 konkret lediglich auf einen Vorfall zum Nachteil von Ja. und E. (Schläge auf das Gesäß, so dass diese kaum mehr laufen konnten) und vier weitere Vorfälle zum Nachteil von Ja. (Schlag auf das Auge, Schlag auf das Gesäß mit einem Kochlöffel , Schlag des Kopfes von Ja. gegen eine Wand, Verabreichen von Bier).
12
bb) Damit ist ein Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB jedoch nicht hinreichend belegt.
13
(1) Quälen im Sinne dieser Vorschrift bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender Schmerzen oder Leiden, die über die typischen Auswirkungen der festgestellten einzelnen Körperverletzungshandlungen hinausgehen. Mehrere Körperverletzungshandlungen, die für sich genommen noch nicht den Tatbestand des § 225 Abs. 1 StGB erfüllen, können als ein Quälen im Sinne dieser Vorschrift zu beurteilen sein, wenn erst die ständige Wiederholung den gegenüber § 223 StGB gesteigerten Unrechtsgehalt ausmacht. In diesem Fall werden die jeweiligen Einzelakte zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit und damit einer den Tatbestand des § 225 Abs. 1 StGB verwirklichenden Tat zusammengefasst. Ob sich mehrere Körperverletzungen zu einer als Quälen zu bezeichnenden Tathandlung zusammenfügen, ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden. Regelmäßig wird es dabei erforderlich sein, dass sich die festgestellten einzelnen Gewalthandlungen als ein äußerlich und innerlich geschlossenes Geschehen darstellen. Dabei sind räumliche und situative Zusammenhänge, zeitliche Dichte oder eine sämtliche Einzelakte prägende Gesinnung mögliche Indikatoren. In subjektiver Hinsicht ist es erforderlich, dass der Täter bei jeder Einzelhandlung den Vorsatz hat, dem Op- fer sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zuzufügen, die über die typischen Verletzungsfolgen hinausgehen, die mit der aktuellen Körperverletzungshandlung verbunden sind (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11, NStZ 2013, 466, 467 m. Anm. Renzikowski/Sick mwN).
14
(2) Ausgehend hiervon wird der Schuldspruch wegen vier Fällen der Misshandlung von Schutzbefohlenen im Sinne von § 225 Abs. 1 Nr. 1 StGB von den Feststellungen nicht getragen. Denn das Landgericht hat nicht festgestellt, dass die Gewalthandlungen jeweils zu länger andauernden Schmerzen geführt haben, die über die typischen Auswirkungen der festgestellten Körperverletzung hinausgegangen sind; als Folgen der Misshandlungen hat es vielmehr „Verhaltensauffälligkeiten“ bei allen Kindern und eine posttraumatische Belastungsstö- rung bei Ja. aufgeführt. Soweit das Landgericht – wie seine Ausführungen in der rechtlichen Würdigung nahelegen – davon ausgegangen ist, dass erst durch die Vielzahl der körperlichen Übergriffe ein Quälen im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB bewirkt worden ist, begegnet auch eine Zusammenfassung aller festgestellten „Einzeltaten“ zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Begriff des Quälens in § 225 Abs. 1 StGB setzt zwar nicht notwendig voraus, dass zwischen den einzelnen Teilakten ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Intervalle von mehreren Tagen , bis hin zu einigen Wochen, können daher unschädlich sein, wenn das Gesamtgeschehen auf Grund anderer Umstände innerlich und äußerlich geschlossen bleibt; mehrere Monate oder sogar Jahre auseinander liegende Körperverletzungshandlungen werden in der Regel aber nicht mehr als eine einzige dem Opfer bereitete Qual verstanden werden können (BGH aaO). Die allgemein gehaltene Feststellung des Landgerichts, wonach der Angeklagte von 2008 bis 2011 „regelmäßig drei- bis viermal in der Woche“ seine Kinder geschlagen hat, mag zwar ausreichen, um objektiv die Annahme einer sich über vier Jahre hin- ziehenden tatbestandlichen Handlungseinheit zu rechtfertigen, sie ist aber für sich genommen nicht geeignet, auch die innere Tatseite einer Handlungseinheit tragfähig zu belegen. Denn nach den Feststellungen ging es dem Angeklagten bei den einzelnen Taten stets darum, „seine Wut abzureagieren“ (UA S. 11). Dies spricht dafür, dass jeder Einzeltat ein anlassbezogener neuer Tatentschluss des Angeklagten zu Grunde lag. Ein übergreifender Vorsatz, der auf die Zufügung sich wiederholender und über die konkreten Tatfolgen hinausgehender erheblicher Schmerzen oder Leiden gerichtet ist, wird dadurch nicht belegt.
15
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet die rechtliche Würdigung der Strafkammer auch, soweit sie bei Ja. neben dem Quälen den Tatbestand der rohen Misshandlung (§ 225 Abs. 1 StGB) bejaht.
16
Insofern verweist das Landgericht zwar auf drei der Misshandlungen des Kindes (Schlag auf das Auge, Schlag auf das Gesäß mit einem Kochlöffel, Schlag des Kopfes von Ja. gegen eine Wand), die Ausführungen lassenes aber als jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, dass es dabei – zumal es hinsichtlich Ja. lediglich eine Misshandlung Schutzbefohlener angenommen hat – davon ausgegangen ist, die drei Körperverletzungen seien erst in ihrer Gesamtheit als eine rohe Misshandlung zu bewerten. Anders als das Quälen bezieht sich diese Tatalternative des § 225 Abs. 1 StGB jedoch stets auf ein einzelnes Körperverletzungsgeschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 5 StR 44/07, NStZ 2007, 405).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 508/10
vom
16. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Dezember
2010 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 24. Juni 2010 wird
a) das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt , soweit der Angeklagte im Fall II.1.d) der Urteilsgründe (Tat vom 1. Februar 2010) wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten,
b) der Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in drei Fällen schuldig ist,
c) das Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II.1.d) der Urteilsgründe (Tat vom 1. Februar 2010) wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden ist.
3
Insofern begegnet die Beweiswürdigung rechtlichen Bedenken, da die Strafkammer dort zum Nachteil des Angeklagten verwertet hat, dass er "ohne ersichtlichen Grund die Unwahrheit gesagt" habe, als er behauptete, am Tatabend in seinem Zimmer gewesen zu sein, und er - nachdem ihm die Unrichtigkeit dieser Behauptung vorgehalten worden war - "jede weitere Aussage zur Sache abgelehnt" habe, was den Schluss zulasse, "dass der Angeklagte zuvor begangenes strafrechtlich relevantes Verhalten zu vertuschen versucht hat" (UA 23). Die Widerlegung bewusst wahrheitswidrigen Entlastungsvorbringens liefert jedoch in der Regel kein zuverlässiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten. Soll eine Lüge als Belastungsindiz dienen, setzt dies vielmehr voraus , dass mit rechtsfehlerfreier Begründung dargetan wird, warum im zu entscheidenden Fall eine andere Erklärung nicht in Betracht kommt oder - wiewohl denkbar - nach den Umständen so fernliegt, dass sie ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 155 f.). Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer das Schweigen des Beschuldigten zu seinem Nachteil berücksichtigt hat. Selbst wenn vorliegend ein grundsätzlich einer Würdigung zugängliches teilweises Schweigen gegeben wäre, dürften daraus für den Angeklagten nachteilige Schlüsse nur dann gezogen werden, wenn nach den Umständen Angaben zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 - 3 StR 370/01, NJW 2002, 2260).
4
Die Einstellung führt zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten.
5
2. Dies hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
6
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird von der teilweisen Einstellung des Verfahrens dagegen nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne den durch die Verfahrenseinstellung in Wegfall geratenen versuchten Diebstahl von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten abgesehen hätte, zumal es zu deren Begründung - jedenfalls vorrangig - lediglich die Einbruchdiebstähle herangezogen hat, die zu einem "Sachschaden in Gestalt der Beute" und "häufig auch einem weiteren Sachschaden in Gestalt der Beschädigung des Bauwerks" geführt haben (UA 32 f.), es also nicht auf den lediglich versuchten Diebstahl abgestellt hat.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.