Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:310516B3STR138.16.0
bei uns veröffentlicht am31.05.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 138/16
vom
31. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:310516B3STR138.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 31. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 7. Januar 2016 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist;
b) im gesamten Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verur- teilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschloss sich der Angeklagte Anfang des Jahres 2015, Rauschgift zu erwerben, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern. Aus diesem Grunde kaufte er zunächst 500 Ecstasy-Tabletten (Fall 1), sodann 700 g Marihuana (Fall 2), später erneut 500 Ecstasy-Tabletten (Fall 3) und zuletzt 3 kg Amphetamin (Fall 4). Den Wirkstoffgehalt der Rauschmittel hat das Landgericht nicht zahlenmäßig bestimmt, sondern diese nur als von "ordentlicher Qualität" beschrieben. Von dem Marihuana verkaufte der Angeklagte ein Gramm an einen 15jährigen Jugendlichen.
3
1. Diese Feststellungen tragen nicht den Schluss, der Angeklagte habe in vier Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben. Die Strafkammer hat es verabsäumt, den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge der jeweils gehandelten Drogen konkret festzustellen. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden durch diese Faktoren jedoch maßgeblich bestimmt, weshalb hierzu regelmäßig konkrete Feststellungen zu treffen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, StV 2013, 703; vom 7. Juli 2015 - 3 StR 223/15, juris Rn. 2; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 914 ff.). Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung , so muss das Gericht unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration - gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes - schätzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. März 2010 - 3 StR 559/09, juris Rn. 23; Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, aaO).
4
a) Dieser Rechtsfehler führt in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe zur Aufhebung des Urteils, da bei diesen Taten nicht belegt ist, dass der Angeklagte eine nicht geringe Menge Ecstasy im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Zwecke des Handeltreibens kaufte. Allein aus der im Urteil mitgeteilten Anzahl der erworbenen Tabletten lassen sich keine Rückschlüsse auf den Wirkstoffgehalt ziehen, da die Wirkstoffkonzentrationen und -kombinationen der als Ecstasy vertriebenen Mittel in der Praxis schwanken (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267; Beschlüsse vom 15. März 2001 - 3 StR 21/01, NStZ 2001, 381; vom 5. August 2010 - 2 StR 296/10, StraFo 2010, 472; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29a Rn. 104 ff., 114; zur Zulässigkeit der Schätzung des Wirkstoffgehalts von Ecstasy vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - 4 StR 657/98, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 7). Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat mangels konkreter Feststellungen zum Gewicht der erworbenen EcstasyTabletten auch mit Blick auf die Feststellungen zum Kaufpreis und der Qualitätsbezeichnung als "ordentlich" den Urteilsgründen im Gesamtzusammenhang nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Angeklagte jeweils Ecstasy in einer nicht geringen Menge erwarb.
5
b) In den Fällen 2 und 4 kann der Schuldspruch indes bestehen bleiben, da sich aus den vom Angeklagten erworbenen Mengen von 700 g Marihuana (Fall 2) und 3 kg Amphetamin (Fall 4) zweifelsfrei ergibt, dass dieser mit nicht geringen Mengen im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG handelte. Jedoch können die für diese Fälle verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fall 2) sowie zwei Jahren (Fall 4) keinen Bestand haben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels Feststellungen zum Wirkstoffgehalt und zur Wirkstoffmenge der gehandelten Drogen nicht belegt ist. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei konkreten Feststellungen zu Wirkstoffgehalt und Wirkstoffmenge der Drogen niedrigere Einzelstrafen zugemessen hätte, sodass der Strafausspruch insgesamt aufzuheben ist.
6
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
7
Die von der Strafkammer in die Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten eingestellte Erwägung, dieser habe allein aus Geldgier gehandelt, begegnet im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) Bedenken. Das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt, weshalb eine ausschließlich gewinnorientierte Motivation regelmäßig keinen Strafschärfungsgrund darstellt (BGH, Beschlüsse vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25; vom 20. April 2010 - 4 StR 119/10, NStZ-RR 2010, 255; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 857, 883). Dass bei Begehung der Taten ein den Rahmen des Tatbestandsmäßigen deutlich übersteigerndes Gewinnstreben des Angeklagten gegeben war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2009 - 5 StR 325/09, NStZ-RR 2010, 25; vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, aaO), belegen die Feststellungen nicht. Rechtlich bedenklich erscheint auch die im Rahmen der Strafzumessung zu Fall 3 pauschale strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes, der Angeklagte habe weitere Betäubungsmittel gekauft, obwohl er noch im Besitz der Betäubungsmittel von Fall 1 gewesen sei.
Becker RiBGH Hubert befindet sich Gericke im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Spaniol Tiemann

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 212/13
vom
6. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am
6. August 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 10. April 2013 aufgehoben. Die Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffgehalt der eingeführten Betäubungsmittel bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach veranlasste der Angeklagten einen anderen jeweils dazu, in die Niederlande zu fahren, dort "mindestens 500 Gramm Marihuana" mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils "mindestens 1,5%" THC (Wirkstoff demnach mindestens 7,5 g THC) zu erwerben und nach Deutschland einzuführen. Hier entnahmen beide der Einfuhrmenge jeweils Marihuana zum Eigenverbrauch. Der Rest wurde auf Weisung des Angeklagten von dem anderen gewinnbringend verkauft. Damit ist eine Anstiftung zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht belegt, da der zum Eigenverbrauch verwendete Anteil nicht zum gewinnbringenden Verkauf dienen sollte und die zum Handeltreiben bestimmte Menge deshalb unter dem Grenzwert von 7,5 g THC (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8) lag.
3
2. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es liegt vielmehr nahe, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere, den bisherigen Schuldspruch tragende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Marihuanas getroffen werden können, die das Landgericht bislang rechtsfehlerhaft nicht getroffen hat.
4
Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt. Hierzu bedarf es deshalb konkreter Feststellungen. Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der anderen ausreichend sicher festgestellten Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration – notfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes – durch eine "Schätzung" festlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 mwN). Hierauf darf auch dann nicht verzichtet werden, wenn das Urteil – wie hier – auf einer Verständigung beruht. Auch in diesen Fällen gilt die aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip folgende Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen den wahren Sachverhalt – die materielle Wahrheit – zu erforschen (§ 244 Abs. 2 StPO, vgl. zuletzt BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, NJW 2013, 1058; BGH, Beschluss vom 15. April 2013 – 3 StR 35/13, juris). Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen , der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte – unter Umständen aufgrund einer Verständigung – geständig gezeigt hat. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (BGH aaO Rn. 7 mwN).
5
Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht nimmt ohne weitere Erörterungen einen Mindestwirkstoffgehalt an, der mit 1,5% THC gerade noch ausreicht, um die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu erfüllen. Er entfernt sich indes weit von den üblicherweise festzustellenden Wirkstoffgehalten (vgl. dazu Weber, BtMG, 4. Aufl., Einleitung Rn. 146), ohne dass der Sachverhalt dazu einen Anhaltspunkt geben würde. Vielmehr sind die Betäubungsmittel in ihrer Qualität von den Konsumenten erkennbar niemals beanstandet worden.
6
Die sonstigen Urteilsfeststellungen sind von diesem Aufklärungsmangel nicht betroffen und können daher – mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffge- halt – aufrechterhalten bleiben. Über die Qualität der Betäubungsmittel muss dagegen erneut verhandelt und entschieden werden.
7
3. Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl die Feststellungen dazu drängten. Danach wollte der Angeklagte mit den Taten "seinen eigenen Betäubungsmittelkonsum finanzieren" (UA S. 10) und "seine Betäubungsmittelabhängigkeit befriedigen" (UA S. 15). Der Angeklagte ist erst in jüngster Zeit – erkennbar für eine Tat während der Verbüßung einer seiner Vorstrafen – we- gen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bestraft worden. Er ist jetzt "gewillt, eine Drogentherapie zu absolvieren" (UA S. 17). Danach hätte es der Erörterung bedurft, ob bei dem Angeklagten ein Hang zum Konsum berauschender Mittel im Übermaß vorliegt und die anderen Voraussetzungen für eine Unterbringung gegeben sind. Auch dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
8
4. Zuletzt gibt das Urteil Anlass zu folgendem Hinweis:
9
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verurteilung des Angeklagten zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht Rinteln am 11. Mai 2010 eine Zäsur darstellt. Es hat deshalb – wie sich allerdings erst aus den Urteilsgründen ergibt – wegen drei der hier verfahrensgegenständlichen , vor der Zäsur liegenden Taten unter Einbeziehung der Vorstrafe eine Gesamtstrafe und hinsichtlich der anderen sechs Taten eine weitere Gesamtstrafe gebildet. Der neue Tatrichter wird bereits in der Entscheidungsformel die Anzahl der Taten zum Ausdruck bringen müssen, aus deren Einzelstrafen jeweils die Gesamtstrafen gebildet worden sind.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol
2
1. Das Landgericht hat es in allen Einzelfällen verabsäumt, zu den jeweils gehandelten Drogen den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge konkret festzustellen. Solcher Feststellungen bedarf es bei einer Betäubungsmittelstraftat aber regelmäßig, da dadurch das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn - wie hier - das Urteil auf einer Verständigung beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2013 - 3 StR 212/13, StV 2013, 703 mwN).
23
2. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten der Angeklagten gewertet, dass die Grenze zur nicht geringen Menge deutlich überschritten wurde, ohne den Wirkstoffgehalt des Kokains - notfalls im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" - festzustellen. Damit hat es einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand (Weber aaO Vor §§ 29 ff. Rdn. 799 ff., 804 ff. m. w. N.) offen gelassen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe der jeweilige Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. In den übrigen Fällen, in denen die Angeklagten den Verkaufspreis für das Kokain transportierten, ist wegen der verhängten Freiheitsstrafen von jeweils lediglich neun Monaten ausgeschlossen, dass das Landgericht bei genauer Feststellung der Wirkstoffmengen noch mildere Strafen verhängt hätte, sodass sich der Rechtsfehler nicht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 212/13
vom
6. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am
6. August 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 10. April 2013 aufgehoben. Die Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffgehalt der eingeführten Betäubungsmittel bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Schuldspruch wird von den Feststellungen nicht getragen. Danach veranlasste der Angeklagten einen anderen jeweils dazu, in die Niederlande zu fahren, dort "mindestens 500 Gramm Marihuana" mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils "mindestens 1,5%" THC (Wirkstoff demnach mindestens 7,5 g THC) zu erwerben und nach Deutschland einzuführen. Hier entnahmen beide der Einfuhrmenge jeweils Marihuana zum Eigenverbrauch. Der Rest wurde auf Weisung des Angeklagten von dem anderen gewinnbringend verkauft. Damit ist eine Anstiftung zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht belegt, da der zum Eigenverbrauch verwendete Anteil nicht zum gewinnbringenden Verkauf dienen sollte und die zum Handeltreiben bestimmte Menge deshalb unter dem Grenzwert von 7,5 g THC (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8) lag.
3
2. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Es liegt vielmehr nahe, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere, den bisherigen Schuldspruch tragende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Marihuanas getroffen werden können, die das Landgericht bislang rechtsfehlerhaft nicht getroffen hat.
4
Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt. Hierzu bedarf es deshalb konkreter Feststellungen. Stehen die tatgegenständlichen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der anderen ausreichend sicher festgestellten Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) die Wirkstoffkonzentration – notfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes – durch eine "Schätzung" festlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 mwN). Hierauf darf auch dann nicht verzichtet werden, wenn das Urteil – wie hier – auf einer Verständigung beruht. Auch in diesen Fällen gilt die aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip folgende Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen den wahren Sachverhalt – die materielle Wahrheit – zu erforschen (§ 244 Abs. 2 StPO, vgl. zuletzt BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, NJW 2013, 1058; BGH, Beschluss vom 15. April 2013 – 3 StR 35/13, juris). Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen , der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte – unter Umständen aufgrund einer Verständigung – geständig gezeigt hat. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (BGH aaO Rn. 7 mwN).
5
Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht nimmt ohne weitere Erörterungen einen Mindestwirkstoffgehalt an, der mit 1,5% THC gerade noch ausreicht, um die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu erfüllen. Er entfernt sich indes weit von den üblicherweise festzustellenden Wirkstoffgehalten (vgl. dazu Weber, BtMG, 4. Aufl., Einleitung Rn. 146), ohne dass der Sachverhalt dazu einen Anhaltspunkt geben würde. Vielmehr sind die Betäubungsmittel in ihrer Qualität von den Konsumenten erkennbar niemals beanstandet worden.
6
Die sonstigen Urteilsfeststellungen sind von diesem Aufklärungsmangel nicht betroffen und können daher – mit Ausnahme derjenigen zum Wirkstoffge- halt – aufrechterhalten bleiben. Über die Qualität der Betäubungsmittel muss dagegen erneut verhandelt und entschieden werden.
7
3. Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl die Feststellungen dazu drängten. Danach wollte der Angeklagte mit den Taten "seinen eigenen Betäubungsmittelkonsum finanzieren" (UA S. 10) und "seine Betäubungsmittelabhängigkeit befriedigen" (UA S. 15). Der Angeklagte ist erst in jüngster Zeit – erkennbar für eine Tat während der Verbüßung einer seiner Vorstrafen – we- gen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bestraft worden. Er ist jetzt "gewillt, eine Drogentherapie zu absolvieren" (UA S. 17). Danach hätte es der Erörterung bedurft, ob bei dem Angeklagten ein Hang zum Konsum berauschender Mittel im Übermaß vorliegt und die anderen Voraussetzungen für eine Unterbringung gegeben sind. Auch dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
8
4. Zuletzt gibt das Urteil Anlass zu folgendem Hinweis:
9
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Verurteilung des Angeklagten zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht Rinteln am 11. Mai 2010 eine Zäsur darstellt. Es hat deshalb – wie sich allerdings erst aus den Urteilsgründen ergibt – wegen drei der hier verfahrensgegenständlichen , vor der Zäsur liegenden Taten unter Einbeziehung der Vorstrafe eine Gesamtstrafe und hinsichtlich der anderen sechs Taten eine weitere Gesamtstrafe gebildet. Der neue Tatrichter wird bereits in der Entscheidungsformel die Anzahl der Taten zum Ausdruck bringen müssen, aus deren Einzelstrafen jeweils die Gesamtstrafen gebildet worden sind.
Becker Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 294/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
24. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. März 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in drei Fällen in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in fünf Fällen als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet und verschiedene Gegenstände sowie Bargeld in Höhe von 300 € eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. In den Fällen II. B. 2., 3., 6. bis 8. hat die jeweils tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge neben der - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfreien - Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) keinen Bestand. Der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30 a BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (Weber , BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 36 m. w. N.). Als unselbständigem Teilakt des Handeltreibens kommt der Bandeneinfuhr neben dem Bandenhandel daher keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu.
3
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und den Tenor im Übrigen aus Gründen der Klarstellung neu gefasst.
4
2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
5
Das Landgericht hat bei allen Taten gleichermaßen sowohl bei der Wahl des Strafrahmens als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten u. a. gewertet, dass der (Betäubungsmittel-) "Handel... nur dem eigenen Gewinnstreben, insbesondere nicht der Finanzierung einer eigenen Abhängigkeit" gedient habe. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht das zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörende Gewinnstreben entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat.
6
Zwar ist es dem Tatrichter nach der bisherigen - allerdings keineswegs einheitlichen - Rechtsprechung nicht verwehrt, die ausschließlich gewinnorientierte Motivation eines Angeklagten als verwerflicher zu bewerten als den häufig vorkommenden Fall, dass der Täter nur deshalb Handel mit Betäubungsmitteln treibt, weil er keinen anderen Weg sieht, die Mittel für die Befriedigung seiner eigenen Rauschgiftabhängigkeit aufzubringen (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH NStZ-RR 1997, 50; BGH, Urt. vom 11. September 2003 - 1 StR 146/03, insoweit in NStZ 2004, 398 nicht abgedruckt; einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB bejahend dagegen BGH, Beschl. vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00, insoweit in StV 2001, 68 nicht abgedruckt). Der Senat hat mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken, an dieser - soweit ersichtlich von ihm selbst begründeten (BGHR aaO) - Rechtsprechung festzuhalten. Denn das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt. Deshalb kann ihm dieses Gewinnstreben, jedenfalls solange es den Rahmen des Tatbestandsmäßigen nicht deutlich übersteigt (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 1), bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil, sondern allenfalls bei Vorliegen einer weniger verwerflichen Tatmotivation zum Vorteil gereichen. Mit der strafschärfenden Berücksichtigung einer rein gewinnorientierten Motivation wird dem Täter deshalb auch - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet (ebenso BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 11). Der Senat braucht die Rechtsfrage jedoch nicht zu entscheiden. Denn ein Fall eines rein gewinnorientierten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist hier nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Kontakt zu Drogen hat und bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache selbst regelmäßig Haschisch und Kokain konsumierte. In Anbetracht dieser Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Gewinne aus den Drogengeschäften auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums des ansonsten einkommenslosen Angeklagten dienten und deshalb kein hiervon gänzlich unabhängiges Gewinnstreben des Angeklagten vorlag. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil ein besonders verwerfliches, den Rahmen des tatbestandsmäßigen deutlich übersteigendes Gewinnstreben des Angeklagten bei Begehung der Taten gegeben war. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
7
Da sich der Rechtsfehler bei Bemessung sämtlicher Einzelstrafen ausgewirkt hat, unterliegt der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung. Jedoch handelt es sich lediglich um einen Wertungsfehler, so dass die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben können. Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Die Anordnungen des Wertersatzverfalls und der Einziehung sind von der Aufhebung nicht betroffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 119/10
vom
20. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 20. April 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. November 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wird,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen sie den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 7.419,72 € angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen tateinheitlichen - täterschaftlich begangenen - unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Nach den Feststellungen begleitete die Angeklagte ihren damaligen Lebensgefährten B. bei einer Fahrt in die Niederlande. Ihr war dabei bekannt, dass B. dort Betäubungsmittel kaufen wollte, um diese in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und dort gewinnbringend weiter zu veräußern. Sie wusste weiterhin, dass B. sie mitnahm, um bei dem Grenzübertritt nicht aufzufallen. In den Niederlanden erwarb B. 50 g Kokaingemisch, das er - wie geplant - in Begleitung der Angeklagten in das Bundesgebiet einführte und in der Folge dort verkaufte.
4
Diese Feststellungen belegen nicht täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten. Sie hatte danach weder Einfluss auf den Erwerb der Betäubungsmittel noch auf deren Weiterverkauf. Die Tätigkeit der Angeklagten erschöpfte sich darin, B. bei der Einfuhr der Betäubungsmittel durch ihre Anwesenheit zu unterstützen. Ihr Tatbeitrag ist somit rechtlich nicht als täterschaft- liches Handeltreiben, sondern als Beihilfe zu dem Handeltreiben des B. zu werten (vgl. auch BGHSt 51, 219, 223 Rn. 11). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
5
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben.
6
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht straferschwerend berücksichtigt, dass die Angeklagte den Handel mit Betäubungsmitteln "aus reinem Gewinnstreben betrieben hat, ohne sich etwa aufgrund eigener Sucht zum Verkauf von Drogen gezwungen zu sehen". Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (Senat, Beschluss vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00 m.w.N.), zumal das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagte ab dem Tode ihres Vaters im Januar 2008, das heißt im Tatzeitraum, Drogen konsumiert hat. In Anbetracht dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erlöse aus den Drogenverkäufen jedenfalls auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums gedient haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09). Der Senat hebt daher die Einzelstrafen und den Ausspruch über die Gesamtstrafe auf, da - trotz der verhängten maßvollen Strafen - nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler auf mildere Freiheitsstrafen erkannt hätte.
7
b) Zur Verfallsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, der Verfall des bei der Angeklagten sichergestellten Geldes (insgesamt 6.070,00 €) sowie des aus der Verwertung eines sichergestellten Pkw's der Angeklagten erzielten Erlöses von 1.349,72 € sei "gemäß § 73 StGB" anzuordnen, da davon auszugehen sei, dass sie dieses Geld durch die Veräußerung von Kokain erlangt habe. Die Angeklagte, deren sonstigen Einnahmen nach eigenen Angaben nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ausgereicht hätten, habe keine plausible Erklärung vorbringen können, auf welche andere Weise sie in den Besitz des Geldes gekommen sei.
8
Diese Ausführungen lassen bereits besorgen, dass das Landgericht das Verhältnis zwischen § 73 StGB (Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73 d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371, 373) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73 d StGB ist dabei gegenüber der des § 73 StGB subsidiär (h.M.; vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08 m.w.N.). Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (Senat aaO).
9
Im Übrigen unterliegt dem Verfall - sei es nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB oder nach § 73 d Abs. 1 Satz 1 StGB - stets nur das, was unmittelbar aus der oder für die Tat erlangt worden ist. Bei der Anordnung des Verfalles sichergestellten Dealgeldes muss es sich daher um die nämlichen Geldscheine handeln, die durch die Drogenverkäufe erlangt worden sind. Befinden sich diese nicht mehr im Besitz des Täters, ist ihr Verfall somit aus tätsächlichen Gründen nicht (mehr) möglich, kommt gemäß § 73 a Satz 1 StGB die Anordnung eines Geldbetrages in Betracht, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Hierbei ist - vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB - unter Zugrundelegung des Bruttoprinzips (vgl. hierzu Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rn. 7) auf den aus den Drogenverkäufen erlangten Gesamterlös abzustellen.
10
Die Sache bedarf daher auch zur Verfallsentscheidung neuer Verhandlung und Entscheidung.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien Athing Ernemann ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben Athing Cierniak Mutzbauer
5 StR 325/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 20. Februar 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einzelstrafe: zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen (dreimal zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der – auch mit der Verfahrensrüge angegriffene – Schuldspruch hält aus den zutreffenden Erwägungen des Generalbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung stand. Die Strafzumessung begegnet indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=StV&b=1984&s=21 [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/iz9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE108237921&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/iz9/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE108237921&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 3 -
2
Das Landgericht hat bei der Strafzumessung im engeren Sinne für alle Fälle pauschal nach der Aufzählung einer Reihe erheblicher Strafmilderungsgründe – insbesondere des Geständnisses – zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass die „Triebfeder für alle Delikte … sein eigennütziges Wesen war“ (UA S. 31). Diese Begründung, mit der die Strafkammer eine Charaktereigenschaft des Angeklagten strafschärfend bewertet hat, ist fehlerhaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen Umstände der allgemeinen Lebensführung bei der Strafzumessung nur berücksichtigt werden, wenn sie wegen ihrer engen Beziehung zur Tat Schlüsse auf den Unrechtsgehalt zulassen oder Einblicke in die innere Einstellung des Täters zur Tat gewähren (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 3, 23; BGH StV 1984, 21; BGH NStZ-RR 2001, 295; Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 42). Das ist hier nicht dargetan.
3
Diese nicht näher erläuterte Formulierung des Tatgerichts lässt zudem besorgen, dass sich die Strafkammer durch eine rein moralisierende Wendung den Blick auf die Reichweite des Doppelverwertungsverbots nach § 46 Abs. 3 StGB verstellt hat. Eigennütziges Handeln des Angeklagten war im ersten Fall Voraussetzung für die Annahme von Täterschaft (vgl. BGHSt 28, 308, 309; 34, 124, 125; BGH NStZ-RR 1997, 50). Dass hier ein der Strafschärfung grundsätzlich zugängliches überzogenes Gewinnstreben beim abgeurteilten Handeltreiben vorlag (vgl. Weber, BtMG 3. Aufl. § 29a Rdn. 213), wird durch den vom Angeklagten erlangten Vorteil von 30 g Marihuana sogar widerlegt. In den drei Besitzfällen, in denen zudem die Grenze zur nicht geringen Menge entgegen der Wertung des Landgerichts nicht erheblich überschritten ist, wird ein relevanter Eigennutz bei teilweise erfolgtem Eigenkonsum nicht ersichtlich.
4
Auch die von der Strafkammer gebildete Gesamtfreiheitsstrafe begegnet rechtlichen Bedenken. Da die Grenze zur nicht geringen Menge nach den Feststellungen jeweils nicht erheblich überschritten wurde, ferner die Tathandlungen innerhalb eines zeitlich überschaubaren Rahmens erfolgten und in engem situativen Zusammenhang standen, ist der vom Landgericht ohne jede konkrete Begründung vorgenommene Zusammenzug auf eine erheblich über der Einsatzstrafe liegende Gesamtfreiheitsstrafe nicht ausreichend fundiert.
5
Der Strafausspruch hat aufgrund von Begründungs- und Wertungsfehlern keinen Bestand. Die zugrunde liegenden Feststellungen konnten daher bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Basdorf Raum Brause Schneider Dölp

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 294/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
24. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. März 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in drei Fällen in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in fünf Fällen als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet und verschiedene Gegenstände sowie Bargeld in Höhe von 300 € eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. In den Fällen II. B. 2., 3., 6. bis 8. hat die jeweils tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge neben der - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfreien - Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) keinen Bestand. Der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30 a BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (Weber , BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 36 m. w. N.). Als unselbständigem Teilakt des Handeltreibens kommt der Bandeneinfuhr neben dem Bandenhandel daher keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu.
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Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und den Tenor im Übrigen aus Gründen der Klarstellung neu gefasst.
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2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
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Das Landgericht hat bei allen Taten gleichermaßen sowohl bei der Wahl des Strafrahmens als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten u. a. gewertet, dass der (Betäubungsmittel-) "Handel... nur dem eigenen Gewinnstreben, insbesondere nicht der Finanzierung einer eigenen Abhängigkeit" gedient habe. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht das zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörende Gewinnstreben entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat.
6
Zwar ist es dem Tatrichter nach der bisherigen - allerdings keineswegs einheitlichen - Rechtsprechung nicht verwehrt, die ausschließlich gewinnorientierte Motivation eines Angeklagten als verwerflicher zu bewerten als den häufig vorkommenden Fall, dass der Täter nur deshalb Handel mit Betäubungsmitteln treibt, weil er keinen anderen Weg sieht, die Mittel für die Befriedigung seiner eigenen Rauschgiftabhängigkeit aufzubringen (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH NStZ-RR 1997, 50; BGH, Urt. vom 11. September 2003 - 1 StR 146/03, insoweit in NStZ 2004, 398 nicht abgedruckt; einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB bejahend dagegen BGH, Beschl. vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00, insoweit in StV 2001, 68 nicht abgedruckt). Der Senat hat mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken, an dieser - soweit ersichtlich von ihm selbst begründeten (BGHR aaO) - Rechtsprechung festzuhalten. Denn das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt. Deshalb kann ihm dieses Gewinnstreben, jedenfalls solange es den Rahmen des Tatbestandsmäßigen nicht deutlich übersteigt (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 1), bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil, sondern allenfalls bei Vorliegen einer weniger verwerflichen Tatmotivation zum Vorteil gereichen. Mit der strafschärfenden Berücksichtigung einer rein gewinnorientierten Motivation wird dem Täter deshalb auch - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet (ebenso BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 11). Der Senat braucht die Rechtsfrage jedoch nicht zu entscheiden. Denn ein Fall eines rein gewinnorientierten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist hier nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Kontakt zu Drogen hat und bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache selbst regelmäßig Haschisch und Kokain konsumierte. In Anbetracht dieser Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Gewinne aus den Drogengeschäften auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums des ansonsten einkommenslosen Angeklagten dienten und deshalb kein hiervon gänzlich unabhängiges Gewinnstreben des Angeklagten vorlag. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil ein besonders verwerfliches, den Rahmen des tatbestandsmäßigen deutlich übersteigendes Gewinnstreben des Angeklagten bei Begehung der Taten gegeben war. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
7
Da sich der Rechtsfehler bei Bemessung sämtlicher Einzelstrafen ausgewirkt hat, unterliegt der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung. Jedoch handelt es sich lediglich um einen Wertungsfehler, so dass die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben können. Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Die Anordnungen des Wertersatzverfalls und der Einziehung sind von der Aufhebung nicht betroffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer