Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09

bei uns veröffentlicht am14.07.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 276/09
vom
14. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 14. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 25. Februar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schwerer Brandstiftung in zwei Fällen, wobei es in einem Fall bei einem Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen warf der Angeklagte in zwei Fällen jeweils einen entzündeten Feuerwerkskörper durch ein geöffnetes Wohnungsfenster. In dem Fall, in dem das Landgericht eine vollendete schwere Brandstiftung angenommen hat, entstand ein Brand, durch den das Kinderzimmer so stark beschädigt wurde, dass es wegen einer erforderlichen Renovierung vier Wochen lang nicht genutzt werden konnte. Alle Möbel und Gegenstände in der gesamten Wohnung mussten aufwendig gesäubert und renoviert werden.
3
Das Landgericht hat in beiden Fällen einen bedingten Brandstiftungsvorsatz mit der Begründung bejaht, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass die in die Wohnungen geworfenen, entzündeten Feuerwerkskörper einen Wohnungsbrand auslösen könnten.
4
2. Die Verurteilung des Angeklagten kann nicht bestehen bleiben.
5
a) Im zweiten Fall tragen die Feststellungen eine Verurteilung wegen vollendeter schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) nicht, denn ihnen lässt sich nicht entnehmen, dass das Wohngebäude in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wurde. Die erste Tatbestandsalternative ist nicht erfüllt, weil kein für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes wesentlicher Bestandteil derart vom Feuer erfasst wurde, dass dieser selbständig, d. h. ohne Fortwirken des Zündmittels, weiter brannte (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 306 Rdn. 14 f.). Das Tatbestandsmerkmal "teilweise zerstört" setzt bei einer Brandlegung in einem Mehrfamilienhaus voraus, dass zumindest eine Wohnung für eine beträchtliche Zeit zu Wohnzwecken nicht mehr benutzbar war (vgl. BGHSt 48, 14, 20; BGH NStZ 2001, 252 und 2007, 270). Die festgestellte Unbenutzbarkeit des Kinderzimmers reicht somit nicht aus. Dass die gesamte Wohnung wegen einer starken Verrußung über längere Zeit nicht bewohnt werden konnte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
6
b) In beiden Fällen genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht den Anforderungen, die an die Begründung eines bedingten Brandstiftungsvorsatzes zu stellen sind. Da bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen bei der Annahme bedingten Vorsatzes sowohl das Wissens- als auch das Willenselement sorgfältig geprüft werden. Insbesondere die Würdigung zum Willenselement muss sich mit den Feststellungen des Urteils zur Persönlichkeit des Täters auseinander setzen und alle für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände in Betracht ziehen. Geboten ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
7
Das Urteil enthält keine Ausführungen dazu, dass der Angeklagte das teilweise Zerstören der Wohnung oder ein Inbrandsetzen des Gebäudes billigend in Kauf genommen hat. Dies ergibt sich auch nicht von selbst aus den objektiven Feststellungen. Der nicht unerheblich alkoholisierte Angeklagte (Tatzeit -BAK: 1,4 bzw. 1,32 Promille) wollte die Inhaber der Wohnung nach seiner unwiderlegten Einlassung lediglich erschrecken. Er wusste nicht, ob die entzündeten Feuerwerkskörper, die nur kurze Zeit mit einem Feuerschweif abbrennen, auf leicht entflammbare Gegenstände fallen werden. Ein persönliches Interesse an einer Brandlegung hatte er nicht. Allein aus der Kenntnis von der allgemeinen Gefährlichkeit seines Handelns kann hier eine Billigung daher nicht abgeleitet werden (vgl. BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 2, 4, 9, 12).
Becker Pfister von Lienen
Hubert Mayer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

2 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09.

BGH: Zum Versuchsbeginn bei besonders schwerer Brandstiftung

02.06.2016

Rechtsanwalt für Strafrecht - BSP Rechtsanwälte in Berlin in Mitte
Strafrecht
1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09.

BGH: Zum Versuchsbeginn bei besonders schwerer Brandstiftung

02.06.2016

Rechtsanwalt für Strafrecht - BSP Rechtsanwälte in Berlin in Mitte
Strafrecht

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln


Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln


Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2009 - 3 StR 276/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - 5 StR 559/18

bei uns veröffentlicht am 24.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 559/18 vom 24. Januar 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:240119B5STR559.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2019 - 3 StR 408/19

bei uns veröffentlicht am 14.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 408/19 vom 14. November 2019 Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Ein als Flüchtlingsunterkunft genutztes Gebäude ist teilweise zerstö

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2013 - 1 StR 578/12

bei uns veröffentlicht am 06.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 578/12 vom 6. März 2013 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Brandstiftung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Feb. 2011 - 4 StR 659/10

bei uns veröffentlicht am 15.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 659/10 vom 15. Februar 2011 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 201

Referenzen

Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.