Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 3 StR 423/18

bei uns veröffentlicht am27.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 423/18
vom
27. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:271118B3STR423.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2018, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Betrug zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarten der Angeklagte und die Mitangeklagte S. , deren Revision der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage verworfen hat, unter Vortäuschen eines Wohnungseinbruchdieb- stahls in der Küche der Wohnung, welche die Angeklagte S. gemietet hatte, einen Brand zu legen. Des Weiteren entfernten sie einige wertvolle Gegenstände aus der Wohnung, damit die Mitangeklagte diese gegenüber der Hausratversicherung als gestohlen melden konnte. Zudem wollte S. für den Brandschaden eine Entschädigung verlangen. Gemäß dieser Abrede drehte der Angeklagte am 10. September 2017 alle vier Platten des Cerankochfeldes auf die höchste Stufe. Mithilfe einer dort abgestellten Pfanne mit Öl und eines Stücks roten Stoffs entfachte er ein Feuer, das unteranderem die hölzerne Zarge der Küchentür erfasste. Das sich entwickelnde Rauchgaskondensat schlug sich in der gesamten Wohnung nieder. Die Wohnung war deswegen unbewohnbar; die Vermieterin musste fast 30.000 € für eine sich über Monate erstreckende Sanierung aufwenden.
3
Am 11. September 2017 meldete die Angeklagte S. in Umsetzung des Tatplans der Allianz Versicherung den Brand sowie den angeblichen Einbruch als Schadensfall. Sie vereinnahmte von der Versicherung 29.000 €.
4
2. Der Schuldspruch birgt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten. Zwar besteht zwischen der besonders schweren Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und dem nachfolgenden Betrug zu Lasten des Hausratversicherers (§ 263 Abs. 1 StGB unter Verwirklichung des Regelbeispiels aus § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB) Tatmehrheit (§ 53 StGB; BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 213; Beschluss vom 15. Mai 2018 - 3 StR 169/18, juris; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Mai 1999 - 4 StR 718/98, NStZ 1999, 556, 557). Der Angeklagte ist hier jedoch - ebenso wie die Mitangeklagte S. - durch die Annahme von Tateinheit (§ 52 StGB) nicht beschwert.
5
3. Der Strafausspruch hält indes der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat strafschärfend gewürdigt, dass der Angeklagte "Bewährungsversager" sei. Wenn damit - wie üblich - gemeint sein sollte, er habe die Tat während einer laufenden Bewährungsfrist begangen, so wird dies von den getroffenen Feststellungen nicht getragen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2017 - 2 StR 345/16, NStZ-RR 2017, 212, 213; Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 509/91, juris Rn. 40). Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist auch nicht davon auszugehen, dass sich dieser Begriff auf eine Verurteilung aus dem Jahre 2004 und einen danach begangenen Diebstahl innerhalb laufender Bewährungszeit bezieht. Eine Vorverurteilung vom 25. Juni 2010 kann damit ebenfalls nicht gemeint sein. Denn die darauffolgende Straftat vom 3. Mai 2014 hatte der Angeklagte nach Straferlass begangen.
6
4. Die Strafe ist daher neu zu bemessen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei diesem Wertungsfehler nicht (§ 353 Abs. 2 StPO); das neue Tatgericht kann neue Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Schäfer Spaniol Tiemann
Berg Leplow

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 3 StR 423/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 3 StR 423/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 3 StR 423/18 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 306b Besonders schwere Brandstiftung


(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 3 StR 423/18 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2018 - 3 StR 169/18

bei uns veröffentlicht am 15.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 169/18 vom 15. Mai 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:150518B3STR169.18.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwe

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2017 - 2 StR 345/16

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 345/16 vom 11. April 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen zu 1.: unterlassener Hilfeleistung zu 2. und 3.: gefährlicher Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:110417B2STR345.16.1 Der 2. Strafsenat des.

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 169/18
vom
15. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:150518B3STR169.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 15. Mai 2018 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 19. Dezember 2017
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen versuchten Betrugs verurteilt worden ist; insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen;
b) dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt ist, wobei drei Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die weiteren Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung und wegen versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und davon wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate für vollstreckt erklärt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat wegen eines Verfahrenshindernisses den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist sein Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Das Verfahren ist hinsichtlich des Falls II. 2. der Urteilsgründe wegen Verfolgungsverjährung einzustellen (§ 206a Abs. 1 StPO, § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4, § 78a Satz 1, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). Der versuchte Betrug (§ 263 Abs. 1, 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) zu Lasten des Inventarversicherers war beendet (§ 78a Satz 1 StGB), als ein Polizeibeamter am 23. Januar 2006 dem Angeklagten den Verdacht bekanntgab, dass dieser den Brand gelegt habe. Der deswegen flüchtende Angeklagte erkannte dadurch den Fehlschlag seines Betrugsversuchs und unternahm nach dem 23. Januar 2006 nichts, um die Auszahlung der Versicherungssumme noch zu erreichen (vgl. zum Beendigungszeitpunkt beim Versuch MüKoStGB/Mitsch, 3. Aufl., § 78a Rn. 7). Mit Ablauf des 23. Januar 2016 war damit die versuchte Betrugstat verjährt (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). Den Sachakten sind keine Anhaltspunkte für ein Ruhen der Verjährung nach § 78b Abs. 1 StGB zu entnehmen. Das Landgericht hat die Anklage erst am 29. Juli 2016 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die dadurch herbeigeführte Ruhenswirkung (§ 78b Abs. 4 StGB) trat mithin erst nach Ablauf der "absoluten" zehnjährigen Verfolgungsverjäh- rungsfrist ein (dazu nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 167).
3
2. Wegen der teilweisen Einstellung des Verfahrens war der Schuldspruch entsprechend zu ändern. Die für den Fall II. 1. verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten kann bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass die Strafe für den versuchten Betrug die Strafzumessung für das - auch nach Strafmilderung (§§ 22, 23 Abs. 1, 2, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 StGB) - wesentlich schwerer wiegende Brandstiftungsdelikt (§ 306b Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB) beeinflusst hat.
Becker Spaniol Berg
Hoch Leplow

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 345/16
vom
11. April 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: unterlassener Hilfeleistung
zu 2. und 3.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:110417B2STR345.16.1

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und der Beschwerdeführerinnen am 11. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 30. Mai 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit es die Angeklagte W. betrifft und sie verurteilt worden ist,
b) soweit der Angeklagten C. die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist,
c) soweit gegen die Angeklagte P. -U. aa) im Fall II. 8. der Urteilsgründe eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden ist, bb) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten C. und P. -U. werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte W. unter Freisprechung im Übrigen wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10 €, die Angeklagte C. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat und die Angeklagte P. -U. unter Freisprechung im Übrigen wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel der Angeklagten W. hat vollen Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten C. und P. -U. haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Revision der Angeklagten W.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts schlugen die Mitangeklagten Wi. und R. am 10. April 2015 in der Wohnung der Angeklagten W. abwechselnd mit Händen und Fäusten auf den Geschädigten P. ein; der Mitangeklagte Wi. , der Springerstiefel trug, trat wiederholt den Geschädigten gegen die Schienbeine. Zwischendurch kam es immer wieder zu einer Pause, in der der Geschädigte nicht geschlagen wurde und die Mitangeklagten R. und Wi. Bier tranken. Im weiteren Verlauf schlugen auch die Angeklagte C. und eine weitere in der Wohnung anwesende Person auf den Geschädigten ein.
4
„Die Angeklagte W. hatte die Misshandlungen des Zeugen P. mitbekommen; sie war während der Misshandlungen […] anwesend. Sie schritt aber hiergegen weder ein, noch forderte sie die Angeklagten Wi. und R. auf, die Misshandlung des Zeugen P. zu beenden, obwohl sie als Mieterin hierzu in der Lage war und dies ihr insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr möglich war und zumutbar war und ein entsprechendes Einschreiten auch erforderlich war […]“ (UA S. 64).
5
Am 13. April 2015 fingen die Mitangeklagten Wi. , T. und P. - U. - einem zuvor gefassten Tatplan entsprechend - den Geschädigten M. auf der Treppe eines Mehrfamilienhauses ab, zogen ihn in die Wohnung der Angeklagten W. und schlugen in der weiteren Folge mit Händen und Fäusten mehrfach auf ihn ein.
6
„Die Angeklagte W. war,als der Zeuge M. in dem Wohnzimmer ih- rer Wohnung geschlagen wurde, […] anwesend und hat die Misshandlungen des Zeugen M. von ihrem Platz auf der Couch wahrgenommen. Obwohl es erforderlich, ihr möglich und ihr zumutbar gewesen wäre, dem Zeugen M. zu helfen, unternahm die Angeklagte W. diesbezüglich nichts. […] Der Angeklagten W. war […] auch bewusst, dass sie als Wohnungsinhaberin die Möglichkeit gehabt hätte, die Angeklagten T. , Wi. und P. -U. von weiteren Misshandlungen des Zeugen M. abzuhalten und diese zu be- enden“ (UA S. 69).
7
Sämtliche Angeklagte waren zwar aufgrund zuvor genossenen Alkohols enthemmt; eine erhebliche Einschränkung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit der Angeklagten hat das sachverständig beratene Landgericht jeweils verneint.
8
b) Der Schuldspruch wegen unterlassener Hilfeleistung in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass auch eine Straftat für das Opfer ein Unglücksfall im Sinne des § 323c StGB sein kann, sofern das Risiko erheblicher Verletzung besteht (Senat, Urteil vom 12. August 2015 - 2 StR 115/15, NStZ-RR 2015, 375; BGH, Urteil vom 12. Januar 1993 - 1 StR 792/92, BGHR StGB § 323c Unglücksfall 3). Nach den Feststellungen sind der Angeklagten, die jeweils die Übergriffe auf die Geschädigten wahrgenommen hatte, damit auch die Umstände bekannt gewesen, aus denen sich das Vorliegen eines solchen Unglücksfalls ergibt.
10
Die Feststellungen des Landgerichts lassen indes die Prüfung nicht zu, welche Hilfeleistung für die Angeklagte möglich und zumutbar gewesen wäre. Die Urteilsgründe belegen insbesondere nicht, dass und wie die Angeklagte in beiden Fällen die Mitangeklagten erfolgreich dazu hätte bewegen können, die Misshandlungen zu unterlassen bzw. zu beenden. Angesichts dessen, dass die - zudem ebenfalls - alkoholisierte Angeklagte in beiden Fällen einer Mehrzahl von - zudem überwiegend einschlägig vorbestraften - Mitangeklagten gegenüberstand und insbesondere der in seiner Wesensart dominante Mitangeklagte T. „Widerworte“ nicht duldete, versteht sich die Annahme zumutbaren Eingreifens nicht von selbst. Allein der Umstand, dass die Angeklagte Mieterin der Wohnung gewesen ist, in der die Misshandlungen jeweils stattgefunden haben, besagt für sich genommen noch nichts (vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Februar 1982 - 3 StR 34/82, BGHSt 30, 391, 396 f.).
11
2. Revision der Angeklagten C.
12
Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Dagegen kann die Versagung der Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat zur Bewährung keinen Bestand haben. Die Straf- kammer hat bei ihrer Sozialprognose entscheidend zu Lasten der Angeklagten gewertet, sie sei "Bewährungsversagerin" (UA S. 153). Wenn damit - wie üblich - gemeint sein sollte, sie habe die Tat während einer laufenden Bewährungsfrist begangen, so wird dies von den getroffenen Feststellungen nicht getragen (UA S. 11, 12). Dass die Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 15. November 2000 widerrufen worden ist und insoweit ein Bewährungsversagen gegeben ist, rechtfertigt ohne nähere Darlegung, zu welchem Zeitpunkt die Bewährung widerrufen worden ist und worauf dies gestützt worden war, nicht die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 509/91, insoweit in NStZ 1992, 233 nicht abgedruckt).
13
Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird eine die konkreten Gegebenheiten des Falles berücksichtigende Gesamtwürdigung (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB) vorzunehmen haben.
14
3. Revision der Angeklagten P. -U.
15
Die Überprüfung des Schuldspruchs und der Strafaussprüche in den Fällen II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben.
16
Das Rechtsmittel führt zur Urteilsaufhebung hinsichtlich der im Fall II. 8. der Urteilsgründe angeführten Einzelstrafe von sechs Monaten, weil ein entsprechender Schuldspruch weder verkündet wurde noch im Tenor der Urteilsurkunde enthalten ist. Somit fehlt eine Grundlage für die verhängte Einzelstrafe (vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Oktober 2014 - 2 StR 215/14).
17
Ein offensichtliches Verkündungs- bzw. Fassungsversehen, wonach eine - vom Generalbundesanwalt beantragte - ausnahmsweise Ergänzung der Ur- teilsformel zulässig wäre, liegt hier nicht vor. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind "offensichtlich" nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss - auch ohne Berichtigung - eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht (vgl. Senat, Urteil vom 14. Januar 2015 - 2 StR 290/14, BGHR StPO § 267 Urteilsberichtigung 1 mwN).
18
Zwar wird ein - der Angeklagten insoweit auch mit Anklage zur Last gelegtes - Geschehen einer (vorsätzlichen) Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen Z. am 14. April 2015 in den Urteilsgründen unter II. 8. im Rahmen des festgestellten Sachverhaltes (UA S. 69 f.), bei der Beweiswürdigung (UA S. 141 f.) und bei den Erwägungen zur Strafzumessung (UA S. 158) wiedergegeben , doch weder in der verkündeten Urteilsformel, die auch dem schriftlichen Urteilstenor entspricht, noch bei der rechtlichen Würdigung erwähnt oder in der Liste der angewendeten Vorschriften berücksichtigt. Angesichts dieser Unzulänglichkeiten und Auslassungen im Urteil ist nicht mehr eindeutig erkennbar , was das Gericht insoweit tatsächlich gewollt und entschieden hat, der Ur- teilstenor mithin nicht mehr „offensichtlich“ unrichtig.
19
Da der nicht abgeurteilte Fall II. 8. der Urteilsgründe beim Revisionsgericht nicht anhängig geworden ist, unterliegt er noch der Kognition des Landgerichts (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Juni 1993 - 3 StR 304/93, BGHR StPO § 260 Urteilsspruch 1; Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 260 Rdn. 27, 36; Ott in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 260 Rdn. 18; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 260 Rdn. 10), das insoweit neue Feststellungen zu treffen haben wird.
20
Mit der Aufhebung der im Fall II. 8. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe entfällt auch die Gesamtstrafe, die aus den verbleibenden für die Fälle II. 7. und II. 9. der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei erkannten Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten sowie von vier Monaten nicht gebildet werden kann (vgl. § 54 Abs. 2 StGB). Krehl Eschelbach Zeng Bartel Wimmer

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.