Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Okt. 2018 - 3 StR 432/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
- 2
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen befand sich der Beschuldigte zur Behandlung einer paranoiden Schizophrenie in einer Klinik. Dort hörte er Stimmen, die ihm befahlen, Menschen zu würgen. Aufgrund dessen griff er am 31. Juli 2017 eine körperlich deutlich unterlegene Mitpatientin an und "würgte diese von hinten durch Anlegen des rechten Armes um ihren Hals" mit "festem Griff". Die Mitpatientin erlitt durch den Vorfall "stärkere psychische Beschwerden". Bereits in der Vergangenheit hatte es - jedenfalls seit Anfang 2011 - eine Vielzahl ähnlicher Würgeangriffe des Beschuldigten auf andere Personen gegeben.
- 3
- Die sachverständig beratene Strafkammer hat ausgeführt, aufgrund einer akuten Exazerbation seiner seit Jahren bestehenden paranoiden Schizophrenie sei die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten bei der Tat aufgehoben gewesen (§ 20 StGB). Zudem seien von ihm in der Zukunft vergleichbare oder schwerwiegendere Taten zu erwarten, weshalb er für die Allgemeinheit gefährlich sei: Bei dem Beschuldigten sei mit einer zukünftigen Fortsetzung des Deliktsmechanismus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Dabei sei unkalkulierbar, mit welchem Krafteinsatz der Beschuldigte hierbei im Einzelfall vorgehen werde und ob er seine Handlung auch bis zum Tod des jeweiligen Opfers fortsetzen würde. Dies sei allein davon abhängig, was ihm die Stimmen in der jeweiligen Situation vorgäben.
- 4
- 2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 5
- a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von ihm drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 3 StR 535/16, juris Rn. 7).
- 6
- Im Rahmen der vom Tatgericht zu treffenden Prognoseentscheidung sind bei Taten, die gegen höchstpersönliche Rechtsgüter gerichtet sind, insbesondere bei Körperverletzungsdelikten, nur solche Taten als erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB anzusehen, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich bzw. schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Das kommt bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig in Betracht, ist indes stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu prüfen. Einfache Körperverletzungen im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB, die - wie einfache Ohrfeigen, das Ziehen an den Haaren, ein Stoß gegen die Brust oder ein Kniff ins Gesäß - nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit lediglich unwesentlich überschreiten, reichen grundsätzlich nicht aus. Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch "schwer" geschädigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - 3 StR 174/18, juris Rn. 12).
- 7
- b) Die im Urteil vorgenommene Gefährlichkeitsprognose hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
- 8
- Soweit die Strafkammer von zukünftigen Taten ausgegangen ist, die in ihrer Schwere der Anlasstat vergleichbar sind, ermöglicht dies dem Senat nicht die Überprüfung, ob bei diesen Taten die Erheblichkeitsschwelle des § 63 Satz 1 StGB überschritten sein wird. Denn die Kammer hat die Anlasstat als Bezugspunkt ihrer Prognose so rudimentär dargestellt, dass deren konkrete Auswirkungen auf die Geschädigte unklar bleiben; die bruchstückhaften Feststellungen belegen noch nicht einmal das Vorliegen der vom Landgericht angenommenen vollendeten Körperverletzung.
- 9
- Die Kammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Würgen für die Geschädigte mit einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN; ferner BGH, Urteil vom 15. September 2010 - 2 StR 400/10, juris Rn. 3, 6, 14 zum sog. "Schwitzkasten") bzw. mit einer Schädigung der Gesundheit (vgl. Fischer, aaO Rn. 8 mwN) verbunden war. Zwar liegen körperliche Beeinträchtigungen wie Luftnot oder Schmerzen bei einem Würgeangriff nicht fern; da sich die Urteilsgründe aber weder im Hinblick auf die Anlasstat noch im Hinblick auf die Vielzahl der weiteren festgestellten Würgeattacken in der Vergangenheit zu derartigen körperlichen Beeinträchtigungen verhalten, zudem auch nicht festgestellt ist, dass die früheren Angriffe je zu Verurteilungen bzw. zu Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen wegen Schuldunfähigkeit geführt haben, kann der Senat nicht ohne Weiteres zugrunde legen, dass körperliche Beeinträchtigungen eingetreten sind. Soweit die Strafkammer festgestellt hat, die Mitpatientin habe durch den Vorfall "stärkere psychische Beschwerden" erlitten, so reicht dies für die Annahme einer Körperverletzung ebenfalls nicht aus. Denn diese Feststellung belegt keinen pathologischen, somatischobjektivierbaren Zustand (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 - 4 StR 548/14, NStZ 2015, 269 mwN).
- 10
- Soweit die Strafkammer in prognostischer Hinsicht davon ausgegangen ist, der Krafteinsatz bei zukünftigen Würgeangriffen könne sich - im Vergleich zur Anlasstat - steigern und der Würgevorgang sogar bis zum Eintritt des Todes des Opfers fortgesetzt werden, hat sie nicht alle relevanten Faktoren in ihre Prognose eingestellt. Denn sie hat nicht in Bedacht genommen, dass für den Zeitraum von mehr als sieben Jahren seit der ersten Würgeattacke Anfang 2011 nicht festgestellt ist, dass die Geschädigten der Würgeangriffe überhaupt körperliche Beeinträchtigungen davontrugen, und sich den Feststellungen auch keine konstellativen Faktoren entnehmen lassen, die nunmehr auf eine Steigerung der Angriffsintensität hindeuten könnten.
- 11
- Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
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a) im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte des besonders schweren Raubes und des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch im Fall B.I. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. II. 1. Auf die Revision des Angeklagten C. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten M. „wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ zu derGesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Den Angeklagten C. hat es „wegen schweren Raubes“ unter Auflösung einer nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe und unter „Einbeziehung der Geldstrafe von neunzig Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 12.08.2013 – 730 Ds 260 Js 66/13 – 101/13 –“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen (tateinheitlich begangener ) Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin A. im Fall B.I. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 3
- 1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei dem Überfall auf den Kiosk der Geschädigten G. S. am 20. Juli 2013 auch den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, wird von den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht getragen.
- 4
- a) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 6). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118; Meyer, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Ge- sundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, insbesondere Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (BGH, Beschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; vgl. zu Vorstehendem auch BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383).
- 5
- b) Daran gemessen genügt es – entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 38, 39) – für die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Körperverletzung nicht, dass er der Zeugin A. den von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe hielt und die Zeugin, die glaubte, ihr werde eine Pistole an den Kopf gehalten, „große Angst“ verspürte und regungslos liegen blieb. Für einen pathologischen, somatisch-objektivierbaren Zustand der Geschädigten ergeben sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils keine Anhaltspunkte.
- 6
- 2. Der Senat schließt bei der gegebenen Beweislage aus, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin A. tragen könnten. Er ändert deshalb den Schuldspruch im Fall B.I. der Urteilsgründe dahin ab, dass die Verurteilung des Angeklagten M. nach § 223 Abs. 1 StGB entfällt.
- 7
- 3. Darüber hinaus hat der Senat klargestellt, dass der Angeklagte M. im Fall B.I. der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes und im Fall B.II. des versuchten besonders schweren Raubes (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) schuldig ist. Im Falle der Verurteilung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist auf „besonders schweren Raub“ zu erkennen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. März 2010 – 3 StR 496/09).
- 8
- 4. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall B.I. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelfreiheitsstrafe; das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
II.
- 9
- Die Revision des Angeklagten C. führt lediglich zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
- 10
- 1. Die Bildung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 11
- Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Person wurde der Angeklagte vor der Verurteilung vom 12. August 2013 mehrfach, unter anderem am 16. Mai 2012 und am 31. Oktober 2012, jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Feststellungen zum Vollstreckungsstand – bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils – fehlen völlig; auch werden die diesen Vorverurteilungen zugrunde liegenden Tatzeiten nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher nicht ausschließen , dass bereits der Verurteilung vom 16. Mai 2012 Zäsurwirkung für die einbezogene Strafe aus der Verurteilung vom 12. August 2013 zukommt; die hierdurch abgeurteilte Tat beging der Angeklagte am 5. Mai 2012. Auszugehen ist stets von der ersten unerledigten Verurteilung, die Zäsurwirkung entfaltet, sodass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2006 – 2 StR 215/06, NStZ 2007, 28, 29; zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2010 – 3 StR 496/09, NStZ-RR 2010, 202, 203, vom 8. Februar 2011 – 4 StR 658/10, vom 3. Mai 2011 – 3 StR 110/11, vom 8. Juni 2011 – 4 StR 249/11, NStZ-RR 2011, 307, und vom 15. Januar 2015 – 4 StR 503/14).
- 12
- Dieser Rechtsfehler kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, zumal das Landgericht nicht geprüft hat, ob die am 12. August 2013 verhängte Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gesondert bestehen bleiben kann.
- 13
- 2. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass nach Aufhebung einer nachträglichen Gesamtstrafe und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die (erneute) Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106, und vom 22. August 2013 – 3 StR141/13, StraFo 2013, 474, 475). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob – wie festgestellt (UA 15) – in der einbezogenen Vorverurteilung vom 12. August 2013 „wegen versuchter Körperverletzung und Körperverletzung“ tatsächlich nur eine Geld- strafe von 90 Tagessätzen oder – der tatmehrheitlichen Verurteilung entsprechend – eine Gesamtgeldstrafe in dieser Höhe festgesetzt worden ist.
Bender Quentin