Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 47/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:070818B3STR47.18.1
bei uns veröffentlicht am07.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 47/18
vom
7. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070818B3STR47.18.1

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 13. Juni 2017, soweit es ihn betrifft, in den Aussprüchen über die Einzelstrafe im Fall II. 4. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung und Totschlags zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte der Angeklagte gemeinsam mit der Mitangeklagten und deren aus einer früheren Beziehung stammenden, am geborenen Sohn L. in deren Haushalt. Am 5. Januar 2016 schlug er das Kind mindestens einmal kräftig mit der Hand ins Gesicht, wodurch L. Hämatome davontrug (Fall II. 2. der Urteilsgründe). Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 3. und dem 5. April 2016 hielt er dem Kind ein brennendes Feuerzeug an den Rücken und fügte ihm dadurch eine Brandwunde zu (Fall II. 3. der Urteilsgründe). Schließlich tötete er L. in den frühen Morgenstunden des 23. Oktober 2016 in dessen Kinderzimmer. Er brachte ihm zunächst durch sehr schwere, mehrfache stumpfe Gewalteinwirkungen Blutungen in verschiedenen Stellen des Bauchfettgewebes bei. Mindestens 20 bis 30 Minuten später verursachte er durch weitere stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Bauch des Kindes Verletzungen von dessen Magenwand, die eine ausgeprägte Magenblutung zur Folge hatten. Außerdem übte er mehrfach erhebliche stumpfe Gewalt gegen den Hinterkopf des Kindes aus, die zu einer Blutung unter die harte Hirnhaut führte. Schließlich richtete er massive stumpfe Gewalt gegen den Hals des Kindes, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob er die gegen den Hals gerichtete, letztlich todesursächliche Gewalt allein durch eine jedenfalls einige Minuten umfassende Kompression der Halsweichteile mit der flachen Hand (Strangulation) ausübte oder ob er überdies den Mund- und Nasenbereich des Kindes bedeckte, so dass L. keine Luft mehr bekam und erstickte (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
3
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt, dass keine Mordmerkmale erfüllt seien. So sei im Hinblick auf heimtückisches Handeln nicht sicher feststellbar, dass L. zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz gegen ihn geführten Angriffs arglos gewesen sei. Nicht feststellbar sei auch, dass der Angeklagte das Kind grausam getötet habe. Er habe zwar insgesamt erhebliche, über das zur Tötung des Jungen erforderliche Maß hinausgehende stumpfe Gewalt angewendet. Zugunsten des Angeklagten sei jedoch davon auszugehen, dass er den Tötungsvorsatz erst zu dem Zeitpunkt gefasst habe, als er die zum Tode führende Gewalt gegen den Hals des Kindes ausgeübt habe, welche für sich genommen nicht als grausam zu werten sei. Niedrige Beweggründe seien ebenfalls nicht sicher feststellbar. Denn es sei möglich, dass es zu einer wie auch immer gearteten Streitigkeit zwischen L. und dem Angeklagten gekommen sei, die schließlich in die Tötungshandlung gemündet sei. Schließlich könne auch nicht von einem Verdeckungsmord ausgegangen werden, weil auch insoweit keine sicheren Feststellungen zu den Vorstellungen und Motiven des Angeklagten möglich gewesen seien.
4
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zu den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat demgegenüber keinen Bestand.
5
a) Die Strafkammer hat das Vorliegen eines besonders schweren Falls des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB bejaht und dementsprechend auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Tat weise eine Nähe zu vier Mordmerkmalen auf. Denn es kämen zahlreiche, nicht fernliegende Handlungsalternativen und Motivationslagen in Betracht, die Mordmerkale erfüllten. Wenn auch angesichts der zahlreichen denkbaren Motive für die Tötungshandlung ein Handeln aus niedrigen Beweggründen nicht feststellbar sei, so sei doch davon auszugehen, dass der Angeklagte das Kind jedenfalls aus einem nichtigen Anlass heraus getötet habe. Zudem könne zwar grausames Handeln nicht festgestellt werden, weil zugunsten des Angeklagten anzunehmen sei, dass er zunächst nur mit Verletzungsvorsatz tätig geworden sei; es sei aber zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen , dass er L. jedenfalls grausam misshandelt habe, bevor er den Tötungsentschluss gefasst habe. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zwar nicht heimtückisch gehandelt haben möge, dass er L. aber nachts in dessen Kinderzimmer angegriffen habe, also an einem Ort, an dem und zu einer Zeit, zu der sich ein Kind geborgen fühlen solle. Schließlich habe der Angeklagte faktisch Fürsorge- und Erziehungsaufgaben wahrgenommen, so dass L. in einem besonders nahen Verhältnis zu ihm gestanden habe.
7
b) Diese Ausführungen stoßen auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
8
Im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab für das Vorliegen eines besonders schweren Falles des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB gilt:
9
Die Frage, ob ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB vorliegt, ist eine Frage der Strafzumessung, die dem Tatgericht obliegt. Das Revisionsgericht kann die gebotene Würdigung und Abwägung aller maßgeblichen Umstände nicht selbst vornehmen. Es hat nur nachzuprüfen, ob dem Tatgericht bei dessen Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (BGH, Urteil vom 17. November 1987 - 1 StR 550/87, BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände , schulderhöhende 2). Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. August 1986 - 4 StR 371/86, BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 1; Urteil vom 25. April 1991 - 4 StR 110/91, BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 3; Beschluss vom 20. Januar 2004 - 5 StR 395/03, NStZ-RR 2004, 205, 206).
10
Das Landgericht ist zutreffend von diesem Prüfungsmaßstab ausgegangen. Die Ausführungen der Strafkammer genügen den danach bestehenden Anforderungen jedoch nicht. Entgegen der Annahme des Landgerichts belegen die Urteilsgründe nicht, dass die Umstände, welche die Tat oder den Täter kennzeichnen, eine Nähe zu vier Mordmerkmalen aufweisen.
11
Den Urteilsgründen zufolge war es der Strafkammer nicht möglich, Feststellungen zu treffen, aus denen sich das Vorliegen von Mordmerkmalen ergab. Daraus, dass "zahlreiche, nicht fernliegende Handlungsalternativen und Motivationslagen in Betracht" kommen, die Mordmerkmale ausfüllen könnten, ergibt sich indes noch keine Nähe zu diesen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die subjektive Tatseite. So vermochte die Strafkammer keine Feststellungen zu den "Vorstellungen und Motiven" des Angeklagten zu treffen. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass eine Nähe zu den Mordmerkmalen der niedrigen Beweggründe oder der Verdeckungsabsicht bestehe. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das Mordmerkmal der Heimtücke. Da die Strafkammer nicht ausschließen konnte, dass das Kind zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mehr arglos war, kann nicht ohne Weiteres von einer Nähe zu heimtückischem Handeln ausgegangen werden.
12
Eine Nähe zu Mordmerkmalen bestand den Urteilsgründen zufolge allenfalls in Bezug auf grausames Handeln. Damit ist der Gesamtwürdigung des Landgerichts, auf die es die Annahme eines besonders schweren Falles des Totschlags gestützt hat, weitgehend die Grundlage entzogen. Die Strafe ist daher insoweit neu zu zumessen.
13
3. Die Aufhebung der im Fall II. 4. der Urteilsgründe verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe zur Folge. Die den Aussprüchen über die Einzelstrafe im Fall II. 4. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler indes nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Becker Gericke Tiemann Berg Leplow

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2018 - 3 StR 47/18

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2004 - 5 StR 395/03

bei uns veröffentlicht am 20.01.2004

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

5 StR 395/03

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2004

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land- gerichts Hamburg vom 14. April 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es den Strafausspruch betrifft, ist im übrigen jedoch unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


1. Nach den Feststellungen mißhandelte der Angeklagte die 41-jährige V , zu der er eine intime Beziehung unterhielt, über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Stunden durch Schläge, Tritte und andere Gewalttätigkeiten derart, daß sie kurze Zeit später an den Folgen der erlittenen
schweren Verletzungen verstarb. Er tötete Frau V aus Wut darüber, daß sie ihn zuvor in einer Gaststätte „vor allen Leuten“ ohne eine Erklärung hatte stehen lassen und anschließend über Stunden nicht auffindbar war. Bei Ausführung der Tat war der Angeklagte hochgradig alkoholisiert; seine Steuerungsfähigkeit war erheblich eingeschränkt, aber nicht aufgehoben.
2. Das Landgericht bewertet die Tat als Totschlag, da Mordmerkmale jedenfalls aus subjektiven Gründen nicht gegeben seien. Der Angeklagte habe zwar objektiv aus niedrigen Beweggründen gehandelt; dies könne ihm jedoch subjektiv nicht angelastet werden, da nicht ausgeschlossen werden könne, daß er aufgrund der erheblichen Alkoholisierung und der damit verbundenen Enthemmung die Niedrigkeit seiner Beweggründe nicht erkennen und in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewußtsein habe aufnehmen können. Das Vorliegen des Mordmerkmals „grausam“ nimmt die Strafkammer deshalb nicht an, weil nicht auszuschließen sei, daß der Angeklagte erst zum Ende des Tatgeschehens den zumindest bedingten Tötungsvorsatz gefaßt habe und damit die vorangegangenen brutalen und grausamen Mißhandlungen des Opfers von dem Tötungsvorsatz nicht umfaßt gewesen seien.
3. Im Rahmen der Strafzumessung lehnt die Strafkammer einen besonders schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB ab und führt dazu aus, daß die Tat zwar – objektiv gesehen – in der Nähe von zwei Mordmerkmalen liege, daß diese schulderhöhenden Momente aber aufgrund der erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten an Gewicht verlören. Zudem sei die Wut des Angeklagten, in die er sich über mehrere Stunden hineingesteigert habe, und seine damit verbundene besondere psychische Situation zur Tatzeit auf das für ihn in der konkreten Situation nicht nachvollziehbare Verhalten der Geschädigten zurückzuführen. Diese Umstände stellten ein erhebliches Gegengewicht zu dem besonders schulderhöhenden Faktor der Nähe zu zwei Mordmerkmalen dar und führten zur Verneinung eines besonders schweren Fall des Totschlags. Es sei somit
der Regelstrafrahmen des § 212 Abs.1 StGB zugrunde zu legen. Dieser könne nicht noch einmal nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB gemildert werden, da die Annahme des § 21 StGB schon zum Ausschluß der Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB geführt habe und damit im Sinne von § 50 StGB bereits verbraucht sei.

II.


Diese Erwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden Bedenken.
1. Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, daß das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muß ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Hierfür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind (BGH NJW 1982, 2264, 2265; StV 2000, 309; BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 1, 3, 4). Ob dies der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung der Gesamtheit der äußeren und inneren Seite der Tat beantwortet werden.
Danach ist schon fraglich, ob allein die vom Landgericht angenommene Nähe zu zwei Mordmerkmalen ausreicht, um einen besonders schweren Fall des Totschlags in Betracht zu ziehen. Dies wird grundsätzlich dann zu verneinen sein, wenn – wie hier – die erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Täters zur Ablehnung der subjektiven Voraussetzungen der Mordmerkmale führt. Denn die Umstände, welche die Verneinung von Mordmerkmalen zur Folge haben, können es nahelegen, auch die Nähe zu Mordmerkmalen zu verneinen. Ansonsten käme man unter Verstoß gegen das Schuldprinzip auf dem Umweg über die Bejahung der Voraussetzungen des
§ 212 Abs. 2 StGB zu einem dem Mörder zugedachten Strafrahmen (BGH NStZ 1981, 258; BGH, Beschluß vom 11. September 2003 – 2 StR 230/03).
2. Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall überhaupt an die Nähe zu zwei Mordmerkmalen gedacht werden kann, da nach den Urteilsausführungen die dem Mordmerkmal „grausam“ nahen Tatelemente vom Tötungsvorsatz nicht umfaßt waren. Hinzu kommt, daß Handlungsmodalitäten – wie besondere Brutalität –, die Anzeichen für die Stärke einer seelischen Beeinträchtigung sind oder sein können, einem vermindert schuldfähigen Angeklagten nicht voll angelastet werden dürfen; keinesfalls darf sie der Tatrichter als besondere Strafschärfungsgründe bewerten (vgl. BGHR StGB § 21 Strafzumessung 7, 14, 15).
3. Besondere (zusätzlich) schulderhöhende Umstände, welche die Tat des Angeklagten zurechenbar mit Mord auf eine Stufe heben, sind weder vom Landgericht dargetan noch ersichtlich. Vielmehr hat die Strafkammer eine Reihe von Milderungsgründen aufgeführt, welche die Strafwürdigkeit der Tat nicht unerheblich vermindern. So hat sie als ein deutliches Gegengewicht zu dem von ihr angenommenen schulderhöhenden Faktor der Nähe zu zwei Mordmerkmalen unter anderem auf die – unabhängig von der alkoholbedingten Beeinträchtigung – psychische Situation des Angeklagten zur Tatzeit abgestellt, welche auf das für ihn nicht nachvollziehbare und kränkende Verhalten der später Getöteten zurückzuführen war. Darüber hinaus ist dem Angeklagten zugute gehalten worden, daß er (nur) mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, die Tat nicht geplant gewesen sei und er Reue gezeigt habe. Demgegenüber hat das Landgericht ihm neben seiner Vorstrafe wegen Körperverletzung die Dauer des Tatgeschehens angelastet und den Umstand , daß er die Tat in der eigenen Wohnung des ihm vertrauenden Opfers begangen habe.
4. Nach allem lag die Annahme eines besonders schweren Falls des Totschlags eher fern und es bedurfte nicht der Berufung auf den vertypten
Milderungsgrund des § 21 StGB, um den besonders schweren Fall auszuschließen. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob dessen Verneinung unter Heranziehung eines vertypten Milderungsgrundes die Anwendung des § 50 StGB ohne weiteres nach sich zieht (vgl. dazu unter anderem BGH NJW 1986, 1699, 1700; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall – Gesamtwürdigung, unvollständige 11; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 50 Rdn. 2; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 50 Rdn. 14 ff.).
5. Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neue Tatrichter darf ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.