Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14

bei uns veröffentlicht am23.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 1 8 / 1 4
vom
23. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Bankrottes u.a.
zu 2.: Betruges u.a.
zu 3.: Betruges u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten Am. und M.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 23. Juli
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten M. und Am. wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. Juni 2014,
a) soweit es den Angeklagten M. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist des Betruges in drei Fällen, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in vier Fällen sowie des Bankrotts, bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen III. 2. b) cc) (1)-(2), III. 2. b) dd) (1)-(2), III. 3. b)-c) und III. 4. a)-b) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe;
b) soweit es die Angeklagte Am. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass die Angeklagte schuldig ist der Beihilfe zum Betrug, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in drei Fällen sowie des Bankrotts, bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen III. 3. a)-c) und III. 4. a)-b) der Urteilsgründe, über die Gesamtstrafe sowie über die Kompensation wegen Verfahrensverzögerung ;
c) soweit es den Mitangeklagten G. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Mitangeklagte schuldig ist des Betruges, der Beihilfe zum Betrug, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in drei Fällen sowie des Bankrotts , bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen III. 3. a)-c) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen Betruges in fünf Fällen, vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie vorsätzlichen Bankrotts in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Untreue , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und bestimmt, dass drei Monate der Strafe als bereits vollstreckt gelten. Die Angeklagte Am. hat es der Beihilfe zum Betrug, der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung sowie des vorsätzlichen Bankrotts in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Untreue schuldig gesprochen und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und dahin erkannt, dass zwei Monate als bereits vollstreckt gelten. Den nicht revidierenden Mitangeklagten G. hat die Strafkammer wegen Betruges, Beihilfe zum Betrug, Insolvenzverschleppung sowie vorsätzlichen Bankrotts in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Untreue, zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ebenfalls eine Kompensationsentscheidung getroffen. Die Revisionsführer wenden sich gegen ihre Verurteilungen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Revision des Angeklagten M.
3
1. Der Schuldspruch weist mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. auf, soweit dieser wegen Betruges in fünf Fällen sowie wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in fünf Fällen verurteilt worden ist. Im Einzelnen:
4
a) In den Fällen III. 2. b) cc) [S. GmbH] und dd) [h. GmbH & Co. KG] der Urteilsgründe täuschte der Angeklagte zu verschiedenen Zeitpunkten die jeweiligen Vertreter der geschädigten Gesellschaften vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht handelnd über die Leistungsfähigkeit der A. GmbH (im Folgenden: A. ) als Verkäuferin von Solarmodulen und erwirkte hierdurch jeweils den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages. Die S. GmbH zahlte als Käuferin auf eine erstellte Ab- schlagsrechnung zunächst 26.850,51 € und - nach weiteren bewussten Falsch- angaben des Angeklagten - auf eine zweite Abschlagsrechnung weitere 61.830,08 €. Im Fall h. GmbH& Co. KG leistete die getäuschte Käuferin auf eine erstellte Abschlagsrechnung zunächst eine Anzahlung in Höhe von 58.152,91 € und- ebenfalls nach einer weiteren Täuschung durch den Angeklagten - später auch den Restkaufpreis in Höhe von 135.690,12 €. Beide Verträge erfüllte die A. in der Folgezeit nicht.
5
Hiernach hat sich der Angeklagte nicht wegen vier, sondern nur wegen zwei tatmehrheitlich zueinander stehender Taten des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Mehrere Handlungen während eines Gesamtablaufs, die ebenso wie die erste Täuschung nur auf die Herbeiführung des vom Täter von vornherein ins Auge gefassten endgültigen Erfüllungsschadens gerichtet sind, haben rechtlich keine selbständige Bedeutung, mag sich der Erfüllungsschaden auch nur in Etappen realisieren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 1998 - 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110; vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 168). So liegt der Fall hier. Das Vermögen der Geschädigten war bereits durch den jeweiligen Vertragsabschluss geschädigt worden. Mit der Erbringung der versprochenen Leistung in jeweils zwei Raten (Erfüllungsschaden) materialisierte sich der zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertragli- chen Ansprüche zu bestimmende Schaden und bemaß sich - wie vom Landgericht zutreffend angenommen - nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, da die Gegenleistung völlig ausblieb (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238, 239; vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91).
6
b) Auch in den Fällen III. 3. a)-c) der Urteilsgründe (Zahlungen zum Vorteil der P. GmbH) hält die konkurrenzrechtliche Beurteilung durch das Landgericht, das drei selbständige Taten des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue angenommen hat, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Bei einer Deliktsserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Beteiligter selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten "Geschäftsbetriebes", sind diese Tathandlungen als uneigentliches Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Als rechtlich selbständige Taten können dem Mittäter - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - nur solche Einzeltaten der Serie zugerechnet werden, für die er einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag leistet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334; vom 17. September 2013 - 3 StR 259/13, juris Rn. 3).
7
Nach diesen Maßstäben liegen in den Fällen III. 3. a)-c) der Urteilsgründe nur zwei Taten des Angeklagten vor: Die Strafkammer hat lediglich mit der von dem Angeklagten M. durchgeführten Überweisung vom 19. Mai 2008 einen individualisierten, nur diese Einzeltat [Fall III. 3. a) der Urteilsgründe] för- dernden Tatbeitrag dieses Angeklagten festgestellt. Im Übrigen hat sie keine Feststellungen dahin getroffen, welcher der Angeklagten den gemeinsam gefassten Tatentschluss hinsichtlich der im Einzelnen dargestellten Zahlungen zum Vorteil der P. GmbH jeweils umsetzte. Der Beitrag desAngeklagten erschöpfte sich insoweit neben seiner Mitwirkung an der Tatabrede darin, dass er sich weiter um die Kundenakquise kümmerte und hierdurch half, den Geschäftsbetrieb der A. , aus dem heraus die Zahlungen zu Gunsten der P. GmbH getätigt wurden, aufrecht zu erhalten. Zu dem durch die Überweisung vom 19. Mai 2008 verwirklichten Delikt des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue tritt somit lediglich eine weitere Tat des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue als uneigentliches Organisationdelikt hinzu.
8
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO (KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 354 Rn. 15 mwN) ab. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung tragen. Zusammen mit Fall III. 2. b) "cc)" (richtig "ee"), Fall 17 der Anklage) der Urteilsgründe ergeben sich insgesamt drei selbständige Delikte des Betruges und mit den Fällen III. 4. a)-b) vier Fälle des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Bei der Neufassung des Schuldspruchs hatte die Bezeichnung des Bankrotts und der Insolvenzverschleppung als "vorsätzlich" zu entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 1992 - 3 StR 61/92, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung

7).


9
2. Zum Strafausspruch gilt:
10
a) Die Änderung der Konkurrenzverhältnisse führt zum Wegfall der für die Fälle III. 2. b) cc) (1)-(2) und dd) (1)-(2) sowie für die Fälle III. 3. b) und c) der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen. Die im Fall II. 3. a) festgesetzte Einzelstrafe kann bestehen bleiben, weil sie angesichts des von der Kammer festgestellten individualisierten Tatbeitrages des Angeklagten von dem Rechtsfehler nicht betroffen ist.
11
b) Keinen Bestand haben auch die Einzelstrafen für die Fälle III. 4. a) und b) der Urteilsgründe (Darlehensgewährung an die AngeklagtenM. und G. ). Die Strafkammer hat insoweit das Vorliegen besonders schwerer Fälle gemäß § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB mit der Erwägung bejaht, dass der Angeklagte bei beiden Taten gewerbsmäßig gehandelt habe. Diese Annahme tragen die Urteilsgründe nicht. Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282). Zu der hiernach erforderlichen Wiederholungsabsicht verhalten sich die Urteilsgründe - auch im Gesamtzusammenhang des Urteils - nicht.
12
c) Die Aufhebung der vorstehend genannten Einzelstrafen entzieht auch dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
13
3. Im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
14
a) Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO strafbar gemacht hat.
15
aa) Nach den diesbezüglichen Feststellungen waren die Angeklagten und der nicht revidierende Mitangeklagte G. Geschäftsführer und Gesellschafter der A. . Ab Dezember 2007 kam es mangels Deckung der auf Guthabenbasis geführten Geschäftskonten zu näher dargestellten Rückbuchungen in Höhe von insgesamt 12.716,77 €. Am 31. Dezember 2007 betrug "das Ver- mögen derA. … 177.753,42 €", während sich "die Schulden auf 275.279,57 €" beliefen, "so dass sich ein negatives Reinvermögen und damit eine rechnerische Überschuldung in Höhe von 97.526,15 € ergaben. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Angeklagten zumindest, dass die A. ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen konnte." In der Folgezeit besserte sich die Situation nicht. Mit Versäumnisurteil vom 2. Januar 2008 titulierte das Landgericht Traunstein gegen die A. einen Zahlungsanspruch in Höhe von 63.592,89 €, es folgten weitere - in den Urteilsgründen näher dargelegte - Rückbuchungen, eine Kontenpfändung seitens des Finanzamtes, die Anmahnung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für die Monate August bis Oktober 2007 sowie am 18. April 2008 eine erneute Pfändungsandrohung durch das Finanzamt. In der Gesellschafterversammlung vom 27. April 2008 beschlossen die Angeklagten mit dem Mitangeklagten G. , dass die vollen Geschäftsführer-Gehälter zunächst nur noch anteilsmäßig gezahlt würden, wenn Geld auf dem Firmenkonto vorhanden sei. Einen Insolvenzantrag stellten die Angeklagten nicht; erst am 13. Januar 2009 wurde das Insolvenzverfahren aufgrund des Insolvenzantrags einer Gläubigerin eingeleitet.
16
bb) Diese Feststellungen belegen entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, dass die A. bereits zum 31. Dezember 2007 zahlungsunfähig oder überschuldet im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO war.
17
Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Sie ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits festzustellen (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 547, sog. betriebswirtschaftliche Methode). Eine derartige Gegenüberstellung enthält das Urteil nicht. Soweit dort die am 31. Dezember 2007 bestehenden "Schulden" dem "Vermögen" der A. gegenübergestellt werden, lässt sich - auch im Gesamtzusammenhang des Urteils - nicht erkennen, dass hiermit ausschließlich fällige Verbindlichkeiten gemeint waren.
18
Die Zahlungsunfähigkeit kann zwar auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (sog. wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 156). Als solche kommen unter anderem in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen , gescheiterte Vollstreckungsversuche, Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12, BGHR InsO § 15a Abs. 4 Zahlungsunfähigkeit 1; G/J/W/Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 15a InsO Rn. 68 mwN). Auch aufgrund derartiger Indizien lässt sich anhand der Urteilsgründe aber nicht nachvollziehen, dass die A. zum 31. Dezember 2007 zahlungsunfähig war. Festgestellt sind bis zu diesem Tag nur Rückbu- chungen in Höhe von insgesamt 12.716,77 € und eine- durch ein zwei Tage später ergangenes Versäumnisurteil titulierte - Verbindlichkeit in Höhe von 63.592,84 €. Diesen Schulden stand jedoch ein Vermögen in Höhe von 177.753,42 € gegenüber. Angesichts dessen versteht es sich nicht von selbst, dass keine Finanzmittel zur Tilgung der fälligen Verbindlichkeiten bereitstanden , was daher der näheren Begründung bedurft hätte.
19
Auch eine Überschuldung der A. zum 31. Dezember 2007 lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Diese liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt. Um sie zu ermitteln , bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 547). Eine solche bilanzielle Darstellung des Überschuldungsstatus enthalten die Urteilsgründe nicht. Darüber hinaus ist hinsichtlich der Tatbestandsalternative der Überschuldung auch ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht festgestellt.
20
cc) Die Urteilsgründe belegen aber eine Zahlungsunfähigkeit der A. jedenfalls zum 27. April 2008. Neben den bereits dargestellten Krisensignalen sind insoweit weitere Rückbuchungen in Höhe von mindestens 15.945,45 €, eine Kontenpfändung in Höhe von 7.695,58 € und eine weitere Pfändungsan- drohung seitens des Finanzamtes in die Bewertung einzustellen, die schließlich in dem Gesellschafterbeschluss vom 27. April 2008 mündeten, wonach die Gehälter für die Geschäftsführung nur noch dann anteilsmäßig ausgezahlt werden sollten, soweit die - auf Guthabenbasis geführten - Gesellschaftskonten entsprechende Guthaben auswiesen. In einer Gesamtschau belegen diese Beweisanzeichen sicher, dass die A. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, ihre fälligen Verbindlichkeiten kurzfristig zu erfüllen. Soweit die Urteilsgründe an anderer Stelle Zahlungseingänge vom 25. April 2008 (UA S. 19) und vom 30. April 2008 (UA S. 13) in fünf- und sechsstelliger Höhe ausweisen, sind diese nicht geeignet, die Indizwirkung der aufgeführten Beweisanzeichen zu entkräften. Da es sich hierbei um - rechtsfehlerfrei festgestellte - betrügerisch erwirkte Vorauszahlungen der Kunden der A. handelte, bestanden insoweit bereits mit der Zahlung fällige Rückzahlungsansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB) in entsprechender Höhe.
21
dd) Soweit entgegen der Auffassung des Landgerichts für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht bereits auf den 31. Dezember 2007, sondern auf den 27. April 2008 abgestellt wird, steht § 265 StPO dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den so gefassten Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können; insbesondere hat die Strafkammer eine vom 31. Dezember 2007 an durchgängig bestehende Zahlungsunfähigkeit angenommen und sich insoweit auch mit Angaben des Angeklagten zu wirtschaftlichen Vorgängen auseinandergesetzt, die zeitlich nach dem 27. April 2008 lagen ("5-Megawatt-Deal").
22
ee) Auch der Strafausspruch bleibt unberührt. Soweit die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Insolvenzantrag "über einen langen Zeitraum" nicht gestellt worden ist, trägt diese Erwägung auch hinsichtlich des 27. Aprils 2008 als maßgeblichem Stichtag für die Zahlungsunfähigkeit.
23

b) Die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Schuld- und Strafausspruches nicht erfasst (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, NStZ 2010, 531, 532).
24
Sie ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil sich das Landgericht bei der Bemessung der Kompensation rechtsfehlerhaft an der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe orientiert hat. Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Sie richtet sich nicht nach der Höhe der Strafe. Auch das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316, 317 mwN; vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Der Senat kann aber ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des richtigen Maßstabs auf eine noch höhere Kompensation als drei Monate entschieden hätte.
25
II. Revision der Angeklagten Am.
26
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle III. 3. a)-c) der Urteilsgründe (Taten zum Vorteil der P. GmbH) durch das Landgericht als drei selbständige Delikte des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue erweist sich auch hinsichtlich der Angeklagten Am. aus den zur Revision des Angeklagten M. dargestellten Gründen als rechtsfehlerhaft. Da die Strafkammer keine nur jeweils eine Einzeltat fördernden Tatbeiträge der Angeklagten Am. festge- stellt hat, ist die - im Übrigen rechtsfehlerfrei festgestellte - mittäterschaftliche Mitwirkung der Angeklagten Am. hinsichtlich der Zahlungen zu Gunsten der P. GmbH nach den im Rahmen der Revision des Angeklagten M. dargestellten Maßstäben zum uneigentlichen Organisationsdelikt als eine Tat zu werten.
27
Der Schuldspruch war entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. Der Senat kann ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen zu individualisierten Tatbeiträgen der Angeklagten Am. möglich wären. Zusammen mit den Fällen III. 4. a) und b) der Urteilsgründe ergeben sich insgesamt drei Fälle des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich die Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
28
2. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses führt zum Wegfall der in den Fällen III. 3. a) bis c) festgesetzten Einzelstrafen.
29
Aufzuheben sind darüber hinaus die in den Fällen III. 4. a) und b) der Urteilsgründe (Darlehensgewährung an die Angeklagten M. und G. ) verhängten Einzelstrafen. Die Strafkammer ist bei der Strafrahmenwahl vom Vorliegen besonders schwerer Fälle gemäß § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Wie bereits dargelegt, handelt gewerbsmäßig, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will. Die Gewerbsmäßigkeit setzt dabei stets eigennütziges Handeln und damit einen vom Täter erstrebten Zufluss von Vermögensvorteilen an sich selbst voraus; es genügt daher nicht, wenn eine Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll (BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215; vom 19. De- zember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282). Dass die AngeklagteAm. aus den Darlehensgewährungen der A. an den Angeklagten M. und den Mitangeklagten G. eigene finanzielle Vorteile gezogen hat oder ziehen wollte, ist nicht festgestellt. Daneben belegen die Urteilsgründe auch nicht, dass die Angeklagte Am. mit der erforderlichen Wiederholungsabsicht handelte.
30
Auch wenn das Landgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung mildernd zu Gunsten der Angeklagten Am. bedacht hat, dass diese von den Darlehen nicht selbst profitierte, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des Regelstrafrahmens auf eine mildere Rechtsfolge erkannt hätte.
31
Der Wegfall der genannten Einzelstrafen entzieht auch dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
32
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Gewerbsmäßigkeit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist. Der Beteiligte, bei dem sie fehlt, kann daher nicht allein deshalb nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB bestraft werden, weil andere Mittäter gewerbsmäßig gehandelt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215).
33
3. Die Kompensationsentscheidung des Landgerichts kann keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat den Ausgleich für die festgestellten Verfahrensverzögerungen auch bei der Angeklagten Am. unter Berücksichtigung der konkreten Höhe der verhängten Freiheitsstrafen bestimmt. Dies ist aus den zur Revision des Angeklagten M. dargelegten Gründen rechtsfehlerhaft. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung der zutreffenden Maßstäbe zu einer der Angeklagten Am. günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
34
4. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg. Insbesondere hält auch der Schuldspruch wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat nimmt insoweit auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Revision des Angeklagten M. Bezug.
35
III. Nach § 357 StPO ist die Entscheidung im Hinblick auf die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle III. 3. a)-c) der Urteilsgründe auf den Mitangeklagten G. zu erstrecken, da insoweit Schuld- und Strafausspruch auf demselben sachlich-rechlichen Mangel (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04, NJW 2005, 374, 376) beruhen.
36
Im Übrigen scheidet eine Erstreckung aus: Hinsichtlich der rechtsfehlerhaften Annahme eines gewerbsmäßigen Handelns im Rahmen der Fälle III. 4. a)-b) der Urteilsgründe handelt es sich um einen Darstellungsmangel der Strafzumessung , der bei dem Mitangeklagten G. aufgrund derErleichterungen des § 267 Abs. 4 StPO (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 137) nicht gegeben ist. Bei der fehlerhaften Bestimmung der Kompensation kommt eine direkte oder analoge Anwendung von § 357 StPO schließlich ebenfalls nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 364/08, NJW 2009, 307, 308 mwN). Becker Hubert Schäfer RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Mayer Becker

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(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Insolvenzordnung - InsO | § 17 Zahlungsunfähigkeit


(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner sei

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 31 Haftung des Vereins für Organe


Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

Insolvenzordnung - InsO | § 15a Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit


(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahl

Insolvenzordnung - InsO | § 19 Überschuldung


(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund. (2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den n

Strafgesetzbuch - StGB | § 28 Besondere persönliche Merkmale


(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Mer

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Jan. 2016 - 3 StR 477/15

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 477/15 vom 12. Januar 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen schweren Bandendiebstahls u.a. hier: Revision des Angeklagten I. ECLI:DE:BGH:2016:120116B3STR477.15.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtsho

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2019 - 1 StR 471/18

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 471/18 vom 26. April 2019 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges ECLI:DE:BGH:2019:260419B1STR471.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdefüh

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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
§§ 263 a, 266 b StGB
1. Der berechtigte Inhaber einer Scheckkarte, der unter Verwendung
der Karte und der PIN-Nummer an einem Geldautomaten Bargeld
abhebt, ohne zum Ausgleich des erlangten Betrages willens oder
in der Lage zu sein, macht sich nicht nach § 263 a StGB strafbar.
2. § 266 b StGB erfaßt auch die mißbräuchliche Verwendung einer
Scheckkarte als Codekarte zur Abhebung an Geldautomaten
durch den berechtigten Karteninhaber; dies gilt jedoch nicht bei
Abhebungen an Automaten des Kreditinstituts, das die Karte
selbst ausgegeben hat.
BGH, Beschl. vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01 - Landgericht
Kassel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 260/01
vom
21. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 21. November 2001 gemäû § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 6. Juni 2000
a) in den Fällen II.4., 10. und 12. aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten,
b) hinsichtlich der übrigen Fälle im Schuldspruch dahin geändert und klargestellt, daû die Angeklagte der Urkundenfälschung (II.2.), des Betruges in 10 Fällen (Fälle II.3., 6., 7., 9., 11., 18. bis 22.), davon in 5 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fälle II.3., 6., 7., 18., 20.) und in einem dieser Fälle in weiterer Tateinheit mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten (Fälle II.13. bis 16.) schuldig ist,
c) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.1., 3., 5., 8. und 13. bis 17. sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


I.

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen, Gebrauchmachens einer falschen Urkunde in acht Fällen , davon in Tateinheit mit Betrug in fünf (tatsächlich sechs) Fällen, Betrugs in sechs Fällen, Computerbetrugs in zwei Fällen und Miûbrauchs von Scheckund Kreditkarten in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus dem Beschluûtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

II.

Die Angeklagte verschaffte sich Ende 1999 einen gefälschten Personalausweis und eröffnete unter Täuschung über ihre Identität bei vier Kreditinstituten jeweils ein Konto, wobei sie beabsichtigte, die Konten insbesondere unter Verwendung der erlangten Kreditkarten, ec-cards und Schecks zu überziehen, ohne die Salden auszugleichen, um sich oder ihrem Freund einen Vermögensvorteil zu verschaffen. In der Folgezeit hob sie zumeist unter Einsatz der Karten in mehreren Fällen, u. a. auch an Geldautomaten Geld ab, löste Euroschecks über die Garantiesumme ein und verwendete eine der ec-cards in Geschäften zur Bezahlung im Lastschriftverfahren, wodurch ein Schaden von insgesamt ca. DM 23.000,-- entstand. Zudem erhielt sie unter Täuschung über ihre Identität und Rückzahlungswilligkeit von einer Bank einen Kredit über DM 20.000,--, der ihr in bar ausgezahlt wurde.

III.

1. Das Urteil des Landgerichts hält in den Fällen II.10. und 12. rechtlicher Überprüfung nicht stand. In diesen Fällen hat die Angeklagte jeweils unter Verwendung der zuvor durch Täuschung von der Postbank erlangten ec-card und PIN-Nummer an Geldautomaten - von im Urteil nicht näher bezeichneten Kreditinstituten - Bargeld abgehoben. Das Landgericht hat die Angeklagte insoweit wegen Computerbetrugs gemäû § 263 a StGB jeweils in Tatmehrheit zu dem bereits bei der Erlangung der ec-card begangenen Betrugs (Fall II.4.) verurteilt. Dies begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken:
a) Der Einsatz der ec-card an den Geldautomaten zur Bargeldbeschaffung durch die Angeklagte erfüllt bei der gegebenen Sachlage die Voraussetzungen des § 263 a StGB nicht. Der hier allein in Betracht kommende Fall der unbefugten Verwendung von Daten (§ 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB) liegt nicht vor. Von § 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB erfaût werden nach allgemeiner Ansicht Abhebungen an einem Geldautomaten durch einen Nichtberechtigten, der eine gefälschte, manipulierte oder mittels verbotener Eigenmacht erlangte Karte verwendet (vgl. BGHSt 38, 120, 121; OLG Stuttgart NJW 1988, 981, 982; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 a Rdn. 11 m.w.N.; Tröndle /Fischer, StGB 50. Aufl. § 263 a Rdn. 8 a). Nichtberechtigt in diesem Sinne war die Angeklagte jedoch nicht. Sie hat die ec-card von der Postbank zur Verwendung erhalten. Berechtigter Karteninhaber ist aber auch derjenige, der die Überlassung der Karte unter Täuschung über seine Identität vom Kartenaussteller erlangt hat (BGHR StGB § 266 b
Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH wistra 1993, 183, 184; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8 a; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 266 b Rdn.

7).


Der Miûbrauch einer ec-card oder einer Kreditkarte durch einen berechtigten Karteninhaber, der - wie hier – Geld am Bankomaten in der Absicht abhebt , einen ihm damit gewährten Kredit nicht zurückzuzahlen, ist hingegen nicht nach § 263 a StGB strafbar. Denn der berechtigte Karteninhaber handelt nicht “unbefugt” im Sinne von § 263 a Abs. 1 3. Alt. StGB.
Die Auslegung des Merkmals der “unbefugten” Datenverwendung ist allerdings nicht unstreitig (vgl. zum Streitstand Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 a Rdn. 41 f. m.w.N.). Nach der gesetzgeberischen Intention ist der Anwendungsbereich dieser Tatbestandsalternative durch die Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand bestimmt. Mit § 263 a StGB sollte die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, die dadurch entstanden war, daû der Tatbestand des Betrugs menschliche Entscheidungsprozesse voraussetzt, die bei dem Einsatz von EDV-Anlagen fehlen. Eine Ausdehnung der Strafbarkeit darüberhinaus war nicht beabsichtigt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität [2. WiKG], BTDrucks. 10/318 S. 19; Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 10/5058 S. 30). Dem entspricht eine betrugsnahe oder betrugsspezifische Auslegung, wie sie auch von der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird (so schon BGHSt 38, 120 f.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 137; Cramer aaO Rdn. 11, 19; Lackner/Kühl, StGB 24. Aufl. § 263 a Rdn. 13; Günther in SK-StGB § 263 a Rdn. 18; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8; Bernsau, Der Scheck- und Kreditkartenmiûbrauch durch
den berechtigten Karteninhaber S. 167 f.,174). Danach ist nur eine solche Verwendung von Daten "unbefugtº, die täuschungsäquivalent ist. Ob allerdings eine Betrugsäquivalenz für die Abhebung von Geld am Geldautomaten mit der Abhebung am Schalter gegeben ist, ist ebenfalls streitig (bejahend Lackner /Kühl aaO § 263 a Rdn. 14; Tiedemann aaO Rdn. 51; Tröndle/Fischer aaO § 263 a Rdn. 8 a; ablehnend Günther aaO § 263 a Rdn. 19; Zielinski, Anmerkung zu BGHSt 38, 120 in CR 1992, 221 f. - jeweils m.w.N. -). Bejaht wird eine Betrugsäquivalenz insbesondere mit der Begründung, daû in beiden Fällen von einer schlüssigen Miterklärung auszugehen sei, daû das Konto gedeckt oder ein gewährter Kredit zurückgezahlt werde. Dabei wird aber zur Begründung der Täuschungsqualität der Abhebung am Geldautomaten auf einen fiktiven Bankangestellten abgestellt, der die Interessen der Bank umfassend wahrzunehmen hat. Zu Recht wird demgegenüber darauf hingewiesen, daû eine Vergleichbarkeit nur mit einem Schalterangestellten angenommen werden kann, der sich mit den Fragen befaût, die auch der Computer prüft (Altenhain JZ 1997, 752, 758). Der Computer prüft aber nicht die Bonität des berechtigten Karteninhabers, sondern lediglich, ob sich dieser im Rahmen des Verfügungsrahmens bewegt.
Für die hier vertretene Auffassung spricht zudem, daû der Gesetzgeber durch das 2. WiKG vom 15. Mai 1986 zugleich mit § 263 a StGB auch § 266 b StGB eingeführt hat. Diese Vorschrift stellt ein auf den berechtigten Karteninhaber beschränktes Sonderdelikt dar (BTDrucks. 10/5058 S. 32), das die vertragswidrige Bargeldbeschaffung mit einer gegenüber §§ 263, 263 a StGB geringeren Strafe bedroht. § 266 b StGB geht daher auch als lex specialis dem nach der bisherigen Rechtsprechung beim Einsatz einer ec-card als Scheck-
karte im eigentlichen Sinne verwirklichten § 263 StGB (vgl. BGHSt 24, 386, 388) vor (BGH NStZ 1987, 120; Tröndle/Fischer aaO § 266 b Rdn. 9). Erfaûte man den Miûbrauch der Scheckkarte als Codekarte am Gel dautomaten durch ihren berechtigten Inhaber als Computerbetrug nach § 263 a StGB, führte dies zu erheblichen Wertungswidersprüchen im Hinblick auf die unterschiedlichen Strafrahmen von § 263 a und § 266 b StGB und die fehlende Versuchsstrafbarkeit bei § 266 b StGB.
b) Der miûbräuchliche Einsatz der Scheckkarte zur Barabhebung an Geldautomaten ist bei Benutzung eines Automaten eines dritten Kreditinstituts nach § 266 b StGB strafbar (OLG Stuttgart NJW 1988, 981, 982; BayObLGSt 1997, 75, 77; Lenckner/Perron aaO § 266 b Rdn. 8; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT 8. Aufl. § 45 IV Rdn. 74; Kindhäuser in NK-StGB § 263 a Rdn. 46; aA Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266 b Rdn. 10, 11). Allerdings hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung dieses Tatbestands den Fall vor Augen, daû der Scheckkarteninhaber unter Verwendung der Karte und unter Ausnutzung der damit verbundenen Garantiefunktion Waren kauft und Dienstleistungen in Anspruch nimmt, obwohl er weiû, daû das Kreditinstitut seine Rechnungen zu bezahlen hat, er aber zur Erstattung der Auslagen nicht in der Lage sein wird (BTDrucks. 10/5058 S. 32). Im Wirtschaftsleben wird der Euroscheck über diese Zwecke hinaus aber auch vielfach zur Bargeldbeschaffung , etwa durch Bareinlösungen bei anderen Kreditinstituten verwendet. Auch diese keineswegs zweckwidrige Verwendung von Euroschecks (vgl. BGHZ 122, 156 f.) wird vom Tatbestand des § 266 b StGB erfaût, wenn der Scheckkarteninhaber zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist.
Die Verwendung der ec-card zur Barabhebung am Geldautomaten einer Drittbank ist damit vergleichbar. Allerdings wird in diesen Fällen die Karte nicht in ihrer eigentlichen Funktion als Scheckkarte eingesetzt, sondern lediglich als Codekarte (quasi als ªSchlüsselº) zur Abhebung am Automaten verwendet. Dementsprechend folgt auch eine Zahlungsverpflichtung der kartenausgebenden Bank gegenüber der Drittbank nicht aus der Garantiefunktion der ec-card. Eine Gleichbehandlung mit der Bareinlösung eines ec-Schecks bei einem anderen als dem bezogenen Kreditinstitut ist aber deshalb gerechtfertigt, weil auch in diesen Fällen das kartenausgebende Institut im Sinne von § 266 b StGB zu einer Zahlung ªveranlaûtº wird. Die Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts ergibt sich dabei derzeit aus den ªVereinbarungen für das Deutsche ec-Geldautomatensystemº vom 1. Juli 1993, ªden Richtlinien für das Deutsche ec-Geldautomatensystemº und den ªBedingungen für den ecServiceº. Danach zieht das automatenbetreibende Institut den von seinem Geldautomaten ausgezahlten Betrag per Lastschrift bei dem kartenausgebenden Institut ein, wobei eine Rückgabe der Lastschrift wegen Widerspruchs, fehlender Deckung oder aus anderen Gründen im Sinne des Abkommens über den Lastschriftverkehr nicht möglich ist (Göûmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrecht 2. Aufl. § 54 Rdn. 1, 16). Damit erlangt das auszahlende Institut durch eine Handlung des Scheckkarteninhabers einen Anspruch gegenüber dem kartenausgebenden Institut, der dem aus einem Garantievertrag jedenfalls vergleichbar ist. Daû ein Garantievertrag im technischen Sinne erforderlich ist, läût sich weder dem Gesetzestext noch dem Gesetzeszweck entnehmen (vgl. auch Baier ZRP 2001, 454 f.).
c) Hingegen werden von § 266 b StGB vertragswidrige Bargeldabhebungen des Berechtigten an einem Geldautomaten des Kreditinstituts, das die
Karte selbst ausgegeben hat, nicht erfaût (BayObLGSt 1997, 75, 77; Lenckner /Perron aaO Rdn. 8; Zielinski aaO S. 227). Denn der Tatbestand des § 266 b StGB setzt ein Drei-Partner-System voraus, in dem der Aussteller der Karte dem Dritten, dessen Leistungen der Inhaber der Karte in Anspruch nimmt, Erfüllung (jedenfalls im weiteren Sinne) garantiert (BGHSt 38, 281, 282 ff. zur Kundenkarte; BayObLGSt 1997, 75, 77). Selbst wenn der Wortlaut der Vorschrift eine Auslegung des Merkmals ªzur Zahlung veranlassenº im Sinne einer bloû tatsächlichen Verursachung einer Zahlung nicht zwingend ausschlieût (so aber BGHSt 38, 281, 282; anders Ranft NStZ 1993, 185 f.; Otto JZ 1992, 1139 f.), spricht jedenfalls die Gesetzgebungsgeschichte gegen eine solche Auslegung und damit gegen die Einbeziehung des Zwei-Partner-Systems in den § 266 b StGB. Zwar wird im Bericht des Rechtsausschusses zu § 266 b StGB neben dem Drei-Partner-System auch das Zwei-Partner-System zumindest erläuternd erwähnt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte aber § 266 b StGB - wie ausgeführt - die Fälle erfassen , in denen der Täter die Karte gebraucht, obwohl er weiû, daû das Kreditinstitut seine Rechnungen zu bezahlen hat (BTDrucks. 10/5058 S. 32). Dies ist im Zwei-Personen-Verhältnis jedoch nicht der Fall, weil dabei keine Zahlungsverpflichtung des kartenausgebenden Instituts entsteht. Die Karte wird insoweit nicht in ihrer Garantiefunktion (auch nicht im weiteren Sinne) verwendet. Daû der Gesetzgeber gerade auf die durch die Handlung des Karteninhabers begründete Zahlungsverpflichtung abgestellt hat, lassen die Ausführungen zum Begriff der Scheckkarte erkennen. Mit der Formulierung ªdie ihm durch die Überlassung einer Scheckkarte ... eingeräumte Möglichkeit, den Aussteller zu einer Zahlung zu veranlassenº sollte gerade auf die Garantiefunktion Bezug genommen werden (BTDrucks. 10/5058 S. 32).
Eine Ausweitung auf Auszahlungen im Zwei-Partner-System ist auch vom Zweck der Vorschrift, den der Gesetzgeber in dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs sieht (vgl. BTDrucks. 10/5058 S. 32), nicht gedeckt (BGHSt 38, 281, 284). Denn bei Abhebungen am Geldautomaten (oder am Schalter) der Hausbank wird die Karte lediglich zur technischen Erleichterung des Auszahlungsvorgangs verwendet, ohne daû eine Zahlungsverpflichtung des Instituts entsteht. Vielmehr hat es das kartenausstellende Kreditinstitut selbst in der Hand, die Bonität ihres Kunden durch geeignete technische Kontrollmaûnahmen zu überprüfen und eine Auszahlung des Geldes bei Benutzung seines Geldautomaten zu verweigern (Zielinski aaO S. 228). Dies führt allerdings dazu, daû der bloûe vertragswidrige Einsatz der Karten an eigenen Geldautomaten des kartenausgebenden Kreditinstituts in vielen Fällen - da auch eine Bestrafung nach §§ 242, 246 StGB nicht in Betracht kommt, weil das Kreditinstitut das Eigentum an den Geldscheinen an den berechtigten Kontoinhaber übertragen will (vgl. BGHSt 35, 152, 162 f.) - straflos bleiben wird. Abgesehen davon, daû in Fällen wie dem vorliegenden aber schon eine Strafbarkeit wegen Betrugs bei der Erlangung der ec-card zu bejahen ist, wobei die Abhebungen am Geldautomaten jedenfalls zu einer Vertiefung des Betrugsschadens führen, muû es dem Gesetzgeber überlassen bleiben , etwaige Strafbarkeitslücken zu füllen. 2. Da im Urteil die Kreditinstitute nicht festgestellt worden sind, deren Geldautomaten die Angeklagte benutzt hat, bedarf es zur Beurteilung einer Strafbarkeit nach § 266 b StGB weiterer Aufklärung. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen II.10. und 12. - wobei die lediglich ergänzungsbedürftigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben können - führt auch zur Aufhebung der
- rechtlich an sich nicht zu beanstandenden - Verurteilung im Fall II. 4. der Urteilsgründe. Insoweit hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der Postbank die Eröffnung eines Kontos sowie die Übergabe von Schecks und einer Kreditkarte erreicht. Zudem hat sie - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - auch die in den Fällen II.10. und 12. eingesetzte ec-card erlangt. Sie ist daher vom Landgericht zu Recht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Der Betrug war mit der Aushändigung der Schecks und der ec-card sowie der Kreditkarte an die zahlungsunwillige Angeklagte vollendet, da dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (vgl. BGHSt 33, 244, 246; BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH bei Dallinger MDR 1953, 21; zur Kreditkarte BGH wistra 1993, 183, 184). Die Frage, welcher Vermögensschaden durch diesen Betrug eingetreten ist und wie das Verhältnis eines etwa bei den Abhebungen begangenen Scheckkartenmiûbrauchs zu dem vorangegangen Betrug zu beurteilen ist, steht jedoch im untrennbaren Zusammenhang mit den Fällen 10. und 12.. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Sollte der neue Tatrichter aufgrund der zulässigen ergänzenden Feststellungen dazu kommen, daû die Angeklagte in den Fällen II.10. und 12. (oder zumindest in einem dieser Fälle) an einem Geldautomaten eines dritten Kreditinstituts Geld abgehoben und sich somit nach § 266 b StGB strafbar gemacht hat, bestünde zwischen dem Betrug bei der Erlangung der Scheckkarte (Fall II.4.) und dem Miûbrauch der Karte durch deren Einsatz Tateinheit (vgl. BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; Tröndle/Fischer aaO § 266 b
Rdn. 9; offengelassen BGH wistra 1993, 183, 184; aA Tatmehrheit: Lackner/ Kühl aaO § 266 b Rdn. 9; Bernsau aaO S. 133). Ein Zurücktreten des § 266 b StGB als mitbestrafte Nachtat (so Lenckner/Perron aaO Rdn. 14) scheidet bei dieser Fallgestaltung aus, da § 266 b StGB über das Vermögen hinaus auch die Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs schützt; dieser wird jedoch erst mit der miûbräuchlichen Benutzung der Scheckkarte tangiert (BGH wistra 1993, 183, 184). Die gegebenenfalls mehrfachen Vergehen des § 266 b StGB durch den Einsatz der Karte werden durch die jeweils vorliegende Tateinheit mit der bei der Erlangung der Karte begangenen Betrugstat ebenfalls zur Tateinheit verklammert.
b) Sollte der Tatrichter aufgrund der ergänzenden Feststellungen dazu kommen, daû die Angeklagte in den Fällen II.10. und 12. an Geldautomaten der Postbank abgehoben hat, wäre in der Auszahlung des Geldes lediglich die Beendigung des bereits mit der Kontoeröffnung und Erlangung der ec-card vollendeten Betrugs zu sehen. Der dadurch bereits eingetretene Schaden wäre bei einer späteren Auszahlung des Geldes durch die Postbank lediglich vertieft worden. Mehrere Handlungen während eines Gesamtablaufs, die ebenso wie die erste Täuschung nur auf die Herbeiführung des vom Täter von vornherein ins Auge gefaûten endgültigen Erfüllungsschadens gerichtet sind, haben rechtlich keine selbständige Bedeutung, so daû insoweit nur von einer Betrugstat auszugehen ist (Lackner in LK 10. Aufl. § 263 Rdn. 292; vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 9 zum Verhältnis Eingehungs- Erfüllungsbetrug). 3. Hinsichtlich der übrigen Fälle war der Schuldspruch wie aus dem Tenor ersichtlich zu ändern.
a) Das Verschaffen eines falschen amtlichen Ausweises gemäû § 276 StGB im Fall II.1. stellt hier keine rechtlich selbständige Tat dar. Vielmehr tritt
es hinter der Urkundenfälschung durch Gebrauchmachen von dem Ausweis - u.a. im Fall II.2. - als subsidiär zurück (BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1), so daû der Schuldspruch insoweit entfällt.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen die abgeurteilten Fälle II.3., 5., 8. und 13. bis 17. nicht in Tatmehrheit zueinander. Die Angeklagte hat sich vielmehr des Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig gemacht. aa) Im Fall II.3. hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der Sparda-Bank ein Konto eröffnet und die Einräumung eines Überziehungskredits erlangt. Sie ist insoweit vom Landgericht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt worden. Da sie bei der Kontoeröffnung vergessen hatte, auch Schecks und eine ec-card zu beantragen, suchte sie etwa zwei Wochen später erneut die Sparda-Bank auf. Dabei legte sie gefälschte Gehaltsabrechnungen vor und erhielt eine ec-card und Euroschecks ausgehändigt (Fall II.5.). Die Auffassung der Kammer, die damit verwirklichte Urkundenfälschung stehe zu Fall II.3. in Tatmehrheit, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Vielmehr ist hinsichtlich der abgeurteilten Fälle II.3. und 5. Tateinheit gegeben, weil die Angeklagte schon bei der Kontoeröffnung beabsichtigt hatte, eine eccard und Euroschecks zu erlangen, um damit Abhebungen tätigen zu können. Die beiden Urkundenfälschungen in den Fällen II.3. und 5. werden daher durch die vorliegende einheitliche Betrugstat, die bereits mit der Täuschung bei der Kontoeröffnung begonnen hat, zu Tateinheit verklammert (vgl. BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2).
bb) Auch im Fall II.8. ist ein - gegenüber dem bereits mit der Kontoeröffnung und Inempfangnahme der ec-card und Schecks begangenen - als selbständig zu bewertender Betrug nicht gegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, daû die Angeklagte in diesem Fall von dem bei der Sparda-Bank eröffneten Konto am Schalter einer Filiale der SpardaBank die Auszahlung von DM 4.400,-- erreicht hat. Danach lag in der Auszahlung aber lediglich die Beendigung des bereits mit der Täuschung bei der Kontoeröffnung begonnen Betrugs. Dabei kann offenbleiben, ob der Betrug schon durch die Einräumung eines Überziehungskredits vollendet war (ablehnend BGH StV 1989, 199 f. zur Kundenkarte; offengelassen BGHSt 15, 24, 26). Denn jedenfalls lag mit der - von der Angeklagten von vornherein beabsichtigten - Aushändigung der Schecks und der ec-card an die zahlungsunwillige Angeklagte ein vollendeter Betrug vor, da dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (BGHSt 33, 244, 246; BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH bei Dallinger MDR 1953, 21; zur Kreditkarte BGH wistra 1993, 183, 184), der durch die spätere Auszahlung des Geldes bei der Filiale der Sparda-Bank lediglich vertieft worden ist. cc) In den Fällen II.13. bis 16. hat das Landgericht die Angeklagte zu Recht wegen Miûbrauchs von Scheck- und Kreditkarten gemäû § 266 b StGB verurteilt. Sie hat insoweit jeweils bei Drittbanken die im Fall II.5. erlangten Euroschecks der Sparda-Bank unter Verwendung der ec-card über die Garantiesumme von DM 400,-- eingelöst, wobei sie von Anfang an vor hatte, die anfallenden Belastungen auf ihrem Konto nicht auszugleichen. Für die Strafbarkeit nach § 266 b StGB kommt es dabei nicht darauf an, ob die Angeklagte durch die Einlösung der Schecks den ihr bei der Kontoeröffnung gewährten Überzie-
hungskredit überschritten hat. Die Vorschrift zielt vielmehr gerade auch auf diejenigen Fälle ab, in denen der dem Karteninhaber vertraglich vorgegebene Rahmen nicht überschritten wird, er diesen Rahmen aber nicht ausschöpfen darf, weil er zur Ausgleichung der aufgelaufenen Schuldsalden am Fälligkeitstermin nicht in der Lage sein wird (Ranft JuS 1988, 673, 678). Die Annahme von Tatmehrheit in den Fällen II.13. bis 16. ist hingegen rechtlich zu beanstanden, da die Angeklagte bereits die Aushändigung der Scheckkarte durch eine Betrugstat erlangt hatte. Zwischen der Betrugstat bei Erlangung der Karte und dem Miûbrauch der Karte durch deren Einsatz besteht jedoch Tateinheit (s.o. III. 3)b)aa)). Steht aber danach bei der hier gegebenen Sachlage jeder Miûbrauch der Scheckkarte in Tateinheit mit der bei ihrer Erlangung begangenen Betrugstat, so verklammert der Betrug auch die mehrfachen Vergehen nach § 266 b StGB in den Fällen II.13. bis 16. zu Tateinheit. dd) Hingegen kommt eine Verurteilung nach § 266 b StGB im Fall II.17. nicht in Betracht. Denn hier hat sich die Angeklagte unter Vorlage von zwei im Fall II.5. erlangten Euroschecks und der ec-card DM 800,-- von der SpardaBank , also dem kartenausgebenden Kreditinstitut selbst, auszahlen lassen. Der vorgelegte Scheck ist insoweit lediglich als Bankscheck anzusehen, mit dem die Angeklagte eine Auszahlung vom eigenen Konto begehrt und für den die Garantiefunktion der Scheckkarte keine Rolle spielt. Auch insoweit kommt dem bei der Auszahlung verwirklichten Betrug gegenüber der Sparda-Bank keine selbständige Bedeutung zu. Er stellt sich als eine Tat mit Fall II.3./5. dar, da die Angeklagte bereits bei der Kontoeröffnung beabsichtigt hat, dieses durch Abhebungen zu überziehen, ohne den Saldo
auszugleichen. Die Abhebung ist daher lediglich als Beendigung des Betrugs anzusehen (vgl. auch BGHR StGB § 266 b Abs. 1 Konkurrenzen 2).
c) Hingegen ist die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Betrugs in den Fällen II.18. bis 22. rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Angeklagte die ec-card im Lastschriftverfahren (sog. POZ-System: Point of sale ohne Zahlungsgarantie) eingesetzt. Dabei übernimmt die kartenausgebende Bank keine Garantie für die Zahlung. Vielmehr erteilt der Karteninhaber durch seine Unterschrift lediglich eine Einzugsermächtigung, so daû der Geschäftspartner das Risiko der Nichteinlösung trägt (BGHSt 46, 146, 148, 150). Der Schaden ist daher in diesen Fällen nicht bei der kartenausgebenden Bank, sondern bei dem jeweiligen Geschäftspartner, also einem Dritten eingetreten, so daû eine rechtlich selbständige Tat mit gesondert strafwürdigem Unrecht vorliegt. Die Angeklagte hat sich demnach in den Fällen II.9., 11., 19., 21. und 22. des Betruges, in den Fällen II.6., 7., 18. und 20. des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, im Fall II.2. der Urkundenfälschung und in den Fällen II.3., 5., 8. und 13. bis 17. e i n e s Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) und mit Miûbrauch von Scheck- und Kreditkarten (in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen) schuldig gemacht. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da auszuschlieûen ist, daû sich die geständige Angeklagte gegen den Tatvorwurf anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der in den Fällen II.1., 3., 5., 8. sowie 13. bis 17. verhängten Einzelstrafen. Da die Aufhebung
der Strafaussprüche lediglich durch die Veränderung der Konkurrenzverhältnisse bedingt ist, können die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Der Senat schlieût aus, daû die Höhe der übrigen Einzelstrafen in den Fällen II.2., 6., 7., 9., 11. sowie 18. bis 22. von den Rechtsfehlern beeinfluût ist. Jähnke Detter Bode Otten Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 434/10
vom
7. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
zu 2.: Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. Dezember 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. , K. und Ku. wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 24. Februar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit diese Angeklagten verurteilt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 51 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Angeklagten S. und Ku. hat es des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in 35 Fällen schuldig gesprochen und gegen sie Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren (S. ) bzw. zwei Jahren und neun Monaten (Ku. ) verhängt. Von weiteren Tatvorwürfen hat es die Angeklagten S. und Ku. freigesprochen. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie das Verfahren beanstanden und die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.
2
1. Nach den Feststellungen beschloss der gesondert abgeurteilte frühere Mitangeklagte De. , sich durch Betrugstaten zu Lasten von Mobilfunknetzbetreibern eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Der Angeklagte K. , der dies wusste, gewährte De. für den Betrieb eines Geschäfts zum Vertrieb von Mobiltelefonen ein rückzahlbares Darlehen in Höhe von 5.000 - 6.000 € als Gegenleistung für dessen Versprechen , ihn gleichberechtigt an den Gewinnen aus den Betrugstaten zu beteiligen. Auch er wollte sich damit eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen. De. mietete unter Verwendung eines falschen Namens ein Ladenlokal an, stellte einen Geschäftsführer ein, nahm die Gewerbeanmeldung vor und eröffnete ein Geschäftskonto. Außerdem stellte er einem "D. " aus den Niederlanden seinen türkischen Pass zur Verfügung, der nach diesem Muster auf einem Computer Dateien türkischer Ausweispapiere und Debitkarten nicht existenter Personen erstellte.
3
Ab Anfang Dezember 2008 füllte De. zusammen mit einer Angestellten in dem Geschäft Anträge auf Einrichtung von Mobiltelefonanschlüssen aus, wobei sie die Personalien erfundener Personen verwendeten. Für die erforderliche Vorlage einer Kopie des Personalausweises des angeblichen Antragstellers sowie dessen Debitkarte gebrauchten sie Ausdrucke der von "D. " erstellten Dateien. Die Anträge und Kopien der gefälschten Dokumente übersandten sie an die Mobilfunknetzbetreiber, um Provisionszahlungen zu erhalten und in den Besitz subventionierter Mobiltelefone sowie freigeschalteter SIM-Karten zu gelangen. Die Mobiltelefone und die SIM-Karten wurden an dritte Personen weiterverkauft. Mehrere Erwerber von SIM-Karten verursachten durch die Anwahl so genannter "Mehrwertnummern", die sie vorher angemietet hatten, hohe uneinbringliche Telefongebühren und verschafften sich auf diese Weise vermeintliche Vergütungsansprüche gegen die Mobilfunknetzbetreiber in beträchtlicher Höhe.
4
Als der Angeklagte K. bald bemerkte, dass die Betrugstaten nicht den erwarteten Gewinn abwarfen, gewann er den Angeklagten S. als Abnehmer für einen Teil der durch Täuschung erlangten Mobiltelefone. Der Angeklagte S. und der Angeklagte Ku. vereinbarten mit De. , diesen bei dessen Straftaten zu unterstützen, um sich ebenfalls eine dauernde Einnahmequelle zu verschaffen. Spätestens vom 7. bis 23. Januar 2009 wirkten die Angeklagten S. und Ku. anstelle der Angestellten an den Straftaten mit. Die Ausdrucke der Ausweise und Debitkarten der nicht existenten Personen erstellten in der Folgezeit insbesondere der Angeklagte Ku. und teilweise auch der Angeklagte S. . Der Angeklagte Ku. und der gesondert abgeurteilte frühere Mitangeklagte De. nahmen von den Mobilfunknetzbetreibern - auch gegen Nachnahme - gelieferte Mobiltelefone entgegen. Der Angeklagte S. veräußerte betrügerisch erlangte Mobiltelefone u.a. an einen nicht identifizierten türkischen Staatsangehörigen aus M. . Die freigeschalteten SIM-Karten wurden von De. mit Kenntnis der Angeklagten an den anderweitig verfolgten "Se. " verkauft.
5
Das Landgericht hat mehrere am selben Tag bei demselben Mobilfunknetzbetreiber gestellte Anträge als eine rechtlich selbständige Tat behandelt. Als täuschungsbedingten Vermögensschaden hat es den jeweiligen Vergütungsanspruch der Mobilfunknetzbetreiber auf der Grundlage des vereinbarten und verkehrsüblichen Gebührentarifs angesehen; diesen hat es seiner Schadensberechnung "anteilig" zugrunde gelegt. Außerdem hat es als "reine Telefonie" bezeichnete Schadensbeträge in Ansatz gebracht. Hierbei handelt es sich um Vergütungen vermeintlicher Ansprüche aus der Benutzung von "Mehrwertnummern" durch Erwerber der freigeschalteten SIM-Karten.
6
2. Die Schuldsprüche können keinen Bestand haben; denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte K. habe 51, die Angeklagten S. und Ku. hätten 35 tatmehrheitlich zusammentreffende Betrugstaten in Tateinheit mit Urkundenfälschung begangen, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7
a) Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden; maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrags oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben , ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01, wistra 2001, 336; BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840).
8
b) Gemessen an diesen Maßstäben belegen die Feststellungen keine zueinander in Tatmehrheit stehenden 51 (Angeklagter K. ) bzw. 35 (Angeklagte S. und Ku. ) Straftaten des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Ein jeweils individueller konkreter Tatbeitrag der Angeklagten zu jeder einzelnen der Taten, wegen der sie verurteilt worden sind, lässt sich ihnen nicht sicher entnehmen. Danach arbeitete der Angeklagte K. im Handyladen überhaupt nicht mit. Hinsichtlich der Angeklagten S. und Ku. ist nicht festgestellt, dass sie in allen 35 Fällen jeweils die gefälschten Anträge oder Kopien der Ausweispapiere bzw. der Debitkarten erstellten, diese den Mobilfunknetzbetreibern zuschickten, Mobiltelefone entgegennahmen oder diese weiterveräußerten. Die Tatbeiträge der Angeklagten S. und Ku. sind in den Urteilsgründen nur pauschal in der Weise umschrieben, dass ab 7. Januar 2009 insbesondere der Angeklagte Ku. , aber auch der Angeklagte S. - neben De. - die gefälschten Anträge und Dokumente erstellten, der Angeklagte Ku. zum Teil gelieferte Mobiltelefone entgegennahm und der Angeklagte S. solche weiterveräußerte.
9
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind. Zwar lässt sich den Feststellungen entnehmen, dass der Angeklagte K. mit der Hingabe des Darlehens zum Aufbau und zum allgemeinen Betrieb des Handyladens einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag leistete, der zur Verwirklichung jedes der abgeurteilten Einzeldelikte beitrug. Auch ergeben sie ab 7. Januar 2009 wesentliche Beiträge der Angeklagten S. und Ku. zum Betrieb des auf Betrug angelegten Geschäfts. Dennoch kann der Senat den Schuldspruch nicht dahin ändern, dass die Angeklagten des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges nebst gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in 51 (Angeklagter K. ) bzw. in 35 (Angeklagte S. und Ku. ) tateinheitlichen Fällen schuldig sind, und die ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafen als Einzelstrafen für die jeweils einheitliche Tat bestehen lassen. Denn ein solches Vorgehen setzt voraus, dass das Tatgericht den Unrechts- und Schuldgehalt des Tatgeschehens rechtsfehlerfrei festgestellt hat und dieser durch die zutreffende Bewertung des Konkurrenzverhältnisses nicht berührt wird. Schon an der erstgenannten Voraussetzung fehlt es hier, da das Landgericht den entstandenen Betrugsschaden sowie den Gegenstand der vom Angeklagten erstrebten rechtswidrigen Bereicherung in zweifacher Weise unzutreffend bestimmt hat. Im Einzelnen :
10
a) Der vollendete Betrug setzt voraus, dass beim Geschädigten eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne eingetreten ist, die unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung sein muss. Außerdem muss auch der vom Täter erstrebte rechtswidrige Vermögensvorteil unmittelbare Folge der vom Opfer aufgrund seines Irrtums vorgenommenen Vermögensverfügung sein und der dadurch bedingten Vermögenseinbuße des Opfers spiegelbildlich entsprechen (sog. Stoffgleichheit). Der Vermögensschaden ist durch einen Vergleich der Vermögenslage des Geschädigten vor und unmittelbar nach der Verfügung festzustellen (Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 99; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 263 Rn. 110). Beim Betrug durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind demnach die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGH, Urteil vom 13. November 2007 - 3 StR 462/06, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70; Fischer, aaO Rn. 176). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden ) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt, bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird. An dem Erfordernis, dass der Vermögensschaden unmittelbare Folge der Vermögensverfügung und der erstrebte rechtswidrige Vermögensvorteil wiederum unmittelbare Folge des Vermögensschadens sein muss, fehlt es etwa, wenn der Getäuschte dem Täter - entsprechend dessen Absicht - lediglich die tatsächliche Möglichkeit gibt, den Vermögensschaden durch weitere selbständige deliktische Handlungen herbeizuführen.
11
b) Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht den Betrugsschaden sowie den Inhalt der Bereicherungsabsicht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Mit Annahme des gefälschten Antrags auf Abschluss eines Mobilfunkvertrages verpflichtete sich der jeweilige Mobilfunknetzbetreiber in zweifacher Hinsicht. Zum einen versprach er dem angeblichen Neukunden die Lieferung eines kostenlosen oder preisreduzierten Mobiltelefons nebst freigeschalteter SIM-Karte sowie die Möglichkeit des Telefonierens in und aus dem entsprechenden Mobilfunknetz für die Dauer der Vertragslaufzeit. Zum anderen sagte er dem "Inhaber des Handyladens" die Zahlung einer Provision für die Vermittlung des Mobilfunkvertrages sowie die Übersendung des Mobiltelefons nebst freigeschalteter SIMKarte zu, damit dieses dem vermeintlichen neuen Kunden ausgehändigt werden konnte. Dem standen folgende Gegenansprüche gegenüber: Der angebliche Neukunde verpflichtete sich im Falle der Lieferung eines verbilligten Mobiltelefons zur Zahlung des reduzierten Kaufpreises; außerdem sagte er die künftige Begleichung der vereinbarten Telefongebühren während der Vertragslauf- zeit zu. Der "Inhaber des Handyladens" versprach die Übergabe des Mobiltelefons nebst SIM-Karte an den Neukunden sowie eine Zahlung auf das Mobiltelefon , wenn hierauf bei dessen Auslieferung im Wege der Nachnahme Vorkasse zu leisten war. Diese Gegenansprüche waren wegen fehlender Erfüllungsbereitschaft der (angeblichen) Schuldner weitgehend wertlos; eine Ausnahme galt nur hinsichtlich der bei Nachnahmelieferung des Mobiltelefons zu leistenden Vorkasse, da die Angeklagten und ihr Mittäter zu deren Zahlung bereit waren, um in Besitz des Mobiltelefons und der SIM-Karte zu gelangen. Der Eingehungsschaden des Mobilfunknetzbetreibers könnte daher im Grundsatz nach dem vollen wirtschaftlichen Wert der von ihm eingegangenen Verpflichtungen bestimmt werden, allenfalls abzüglich der Höhe des werthaltigen Anspruchs auf Vorkasse.
12
Indes ist zu beachten, dass für die Tatbestandsverwirklichung nur die Vermögenseinbußen relevant sind, auf die spiegelbildlich die Absicht des Täters gerichtet ist, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen; weitergehende Vermögensnachteile, die der Geschädigte aufgrund der irrtumsbedingten Vermögensverfügung erleidet, sind allenfalls verschuldete Tatauswirkungen im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB. Hieraus folgt, dass der Wert der von dem jeweiligen Mobilfunkbetreiber eingegangenen Verpflichtung, dem angeblichen Neukunden während der Vertragslaufzeit das Telefonieren in und aus seinem Mobilfunknetz zu gestatten, hier bei der Berechnung des tatbestandlichen Schadens unberücksichtigt zu bleiben hat; denn den Angeklagten und ihrem Mittäter kam es gerade nicht darauf an, selbst entsprechende Telefongespräche zu führen, ohne hierfür ein Entgelt zu bezahlen. Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob eine entsprechende Schadensposition - wie das Landgericht meint - nach den für die Vertragslaufzeit vereinbarten Grundgebühren oder gegebenenfalls nach einem Anteil hiervon berechnet werden kann.
13
Der von den Angeklagten und ihrem Mittäter erstrebte Vermögensvorteil bestand tatsächlich in der Auszahlung der Provision sowie der Lieferung der kostenlosen oder verbilligten Mobiltelefone nebst freigeschalteter SIM-Karte, die gewinnbringend veräußert werden sollten. Der entsprechende Eingehungsschaden des jeweiligen Mobilfunknetzbetreibers bemisst sich daher allein nach dem Wert der von ihm insoweit eingegangenen Verpflichtungen, im Einzelfall unter Abzug des Werts des Anspruchs auf Entrichtung der Vorkasse, für die Erfüllungsbereitschaft bestand. Zu den insoweit in Ansatz zu bringenden Beträgen verhält sich das angefochtene Urteil indessen nicht. Demgemäß enthält es weder eine nachvollziehbare Berechnung des mit Vertragsschluss eingetretenen Eingehungsschadens noch legt es den mit der Auszahlung der Provision und der Auslieferung von Mobiltelefonen und SIM-Karten entstandenen Erfüllungsschaden dar.
14
Auch soweit das Landgericht die "reinen Telefoniekosten" als tatbestandliche Schadensbeträge in Ansatz gebracht hat, sind seine Ausführungen von Rechtsirrtum beeinflusst. Diesbezüglich hat es verkannt, dass die Herbeiführung der entsprechenden Vermögensnachteile zwar durch die Übersendung der freigeschalteten SIM-Karten ermöglicht wurde, aber erst durch den betrügerischen Abschluss von Verträgen über die Nutzung von "Mehrwertnummern" und deren Anwahl über die durch Betrug erlangten SIM-Karten, also durch ein selbständiges deliktisches Verhalten, die vermeintlichen Vergütungsansprüche begründet und teilweise Zahlungen ausgelöst wurden. Es fehlt daher an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen täuschungsbedingter Vermögensverfügung und eingetretenem Vermögensschaden (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2005 - 4 StR 559/04, BGHSt 50, 174, 178). Hinzu kommt, dass sich die Bereicherungsabsicht der Angeklagten und ihres Mittäters auch nicht auf die Erlöse aus dem betrügerischen Ausnutzen von "Mehrwertnummern" erstreckte. Denn die ent- sprechenden Verträge wurden allein von Dritten abgeschlossen, die SIM-Karten von den Angeklagten und ihrem Mittäter erworben hatten, ohne dass diese an den erschwindelten Gebühren beteiligt werden sollten. In Betracht kommt daher insoweit lediglich, dass sich die Angeklagten und ihr Mittäter durch den Verkauf der SIM-Karten in dem Wissen um die von den Erwerbern beabsichtigte missbräuchliche Verwendung an deren Straftaten als Gehilfen beteiligt haben. Ansonsten handelt es sich bei dem Gebührenschaden ebenfalls nur um eine verschuldete Tatfolge im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB.
15
4. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat sieht im Übrigen Anlass zu folgendem Hinweis:
16
Bei einer Serie von Straftaten mehrerer Angeklagter ist sorgfältig auf eine geordnete und übersichtliche Darstellung der einzelnen Taten zu achten, um Fehler zu vermeiden. Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht. Gegen die Angeklagten S. und Ku. hat das Landgericht 51 Einzelstrafen verhängt, obwohl es sie nur wegen 35 Taten schuldig gesprochen hat. Den Angeklagten K. hat es wegen des nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellten Falles 1 der Urteilsgründe (Fall 186 der Anklageschrift) verurteilt. Hinzu kommt, dass dieser Angeklagte in der Urteilsformel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und nach den Urteilsgründen zu einer solchen von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden ist. Fall 211 der Anklage wurde in den Urteilsgründen als Fall 14 und nochmals als Fall 16 - allerdings mit unterschiedlichen Anmeldedaten und nicht identischen Schadenshöhen - abgeurteilt. Die Fälle 183 und 206 der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage, wurden - soweit ersichtlich - weder nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt noch sind sie Gegenstand der Urteilsgründe. Sie sind also beim Landgericht anhängig geblieben.
17
Die Zusammenfassung mehrerer Straftaten zur rechtlichen Handlungseinheit in der Person des Angeklagten schließt die Annahme gewerbs- und bandenmäßiger Begehungsweise nicht aus (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2842 f.).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 616/10
vom
14. April 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Schadensfeststellung bei betrügerischer Kapitalerhöhung.
BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10 - LG Köln
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 14. April 2011 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 78 rechtlich zusammenfallenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte der Angeklagte Ende der 1990er Jahre die Idee, durch den "Verkauf von Aktien" Geld für einen von ihm geplanten Windkraftpark zu gewinnen. Zu diesem Zweck erwarb er im Jahre 2001 die nicht börsennotierte, vermögenslose L. AG als Alleinak- tionär und wurde deren alleiniger Vorstand. Den Aufsichtsrat der L. AG berief er ab und ersetzte ihn durch ihm nahe stehende Personen. Auf Anraten eines Rechtsanwalts verschaffte sich der auf dem Gebiet des Aktiengeschäfts völlig unerfahrene Angeklagte in der Folgezeit Geld von Anlegern, indem er mehrfach das Grundkapital der L. AG gegen Bareinlage im Wege der Ausgabe von Vorzugsaktien, teils auch Inhaberaktien, erhöhte bzw. zu erhöhen vorgab.
3
Die Aktien ließ er in der Zeit vom 28. Januar 2002 bis 3. Januar 2005 zu jeweils unterschiedlichen Preisen durch Telefonverkäufer an Privatanleger vertreiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Zeichnung von Aktien durch 17 Anleger, denen in 78 Fällen Aktien veräußert wurden. Hierbei vereinnahmte die L. AG 8,258 Mio. €. Während des Tatzeitraums und danach entnahm der Angeklagte in seiner Funktion als Vorstand der L. AGhiervon 7,74 Mio. €. Damit finanzierte er seinen eigenen Lebensunterhalt als Ausgleich für seine Vorstandstätigkeit und zahlte an die Telefonverkäufer Provisionen in Höhe von 12 % der jeweiligen Anlagesumme. Die meisten Anleger erhielten vor allem zu Beginn Dividendenzahlungen in zwei- bis fünfstelliger Höhe.
4
b) Den Kapitalerhöhungen lagen nur am Anfang entsprechende Beschlüsse der Hauptversammlung zugrunde (Kapitalerhöhungsbeschlüsse vom 7. November 2001, 8. März 2002 und 22. November 2002). Für zwei weitere Kapitalerhöhungen in den Jahren 2003 und 2004 fehlten die notwendigen Kapitalerhöhungsbeschlüsse. Lediglich die Durchführung der ersten Kapitalerhöhung vom 7. November 2001 wurde am 24. September 2002 mit einem Betrag von 1,547 Mio. € in das Handelsregister eingetragen. Die handelsrechtliche Eintragung weiterer Kapitalerhöhungen unterblieb, da - was hierfür erforderlich gewesen wäre - die an die L. AG geleisteten Einlagezahlungen der Anleger dem Handelsregister aufgrund der Entnahmen des Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnten.
5
c) Der Angeklagte ließ in seiner Funktion als Vorstand einen umfangreichen Emissionsprospekt anfertigen, in dem er nicht nur die L. AG als junges, im Aufbau befindliches Immobilienunternehmen darstellte, sondern auch auf die Möglichkeit des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals hinwies. Mit dem Emissionsprospekt bzw. einem entsprechenden Kurzexposé warb der Angeklagte über die Telefonverkäufer für den Kauf von Vorzugsaktien der L. AG, deren Börsengang er für die Jahre 2004/05 in Aussicht stellte. Den Emissionsprospekt passte der Angeklagte bei den jeweiligen Kapitalerhöhungen inhaltlich an.
6
Ein operatives Geschäft entfaltete der Angeklagte zunächst nicht. Aufgrund gegen ihn gerichteter polizeilicher Ermittlungen im Mai 2002 erkannte er jedoch die Notwendigkeit, gewisse Bemühungen hinsichtlich des prospektierten Börsengangs und des Immobilienerwerbs gegenüber den Anlegern darstellen zu können. Pläne des Angeklagten, den "Börsenmantel" der K. AG, die nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren von allen Verbindlichkeiten bereinigt war, zu übernehmen, scheiterten. Ende Dezember 2002 kam es zum einzigen Immobilienerwerb der L. AG im Tatzeitraum, als diese 90 % der Anteile der Fa. A. T. GmbH, die Eigentümerin dreier M. -Hotels war, übernahm. Den ratenweise zu zahlenden Kaufpreis von 3,1 Mio. € erbrachte die L. AG nur unvollständig, so dass die C. R. E. AG (ehemals K. AG) im Oktober 2004 die von der L. AG gehaltenen Anteile an der A. T. GmbH erwarb.
7
d) Nach Ablauf der Eintragungsfrist für die zweite Kapitalerhöhung vom 8. März 2002 war die L. AG am 31. März 2003 außerstande, den erforderlichen Bareinlagebetrag nachzuweisen. Infolge dessen entfiel die Wirkung der Zeichnungserklärungen der Anleger, denen deshalb Rückzahlungsansprüche gegen die L. AG in Höhe der von ihnen geleisteten Zahlungen zustanden.
Hierdurch wurde die L. AG zahlungsunfähig. Um eine Insolvenz der Gesellschaft zu verhindern, ließ der Angeklagte gleichwohl den Vertrieb von Vorzugsaktien fortsetzen. In den Zeichnungsscheinen der Anleger ließ er mit fiktiven Daten zwei weitere Kapitalerhöhungsbeschlüsse ausweisen, die tatsächlich nie gefasst worden waren.
8
e) In der Folge unterbreitete die Mehrheitseignerin der C. R. E. AG der L. AG ein bedingtes Übernahmeangebot, das letztlich nicht zustande kam. Gleichwohl ließ der Angeklagte weiterhin Anleger mit einer unmittelbar bevorstehenden Übernahme durch die C. R. E. AG werben. Erst am 3. Januar 2005 stellte er schließlich den telefonischen Aktienverkauf ein.
9
f) Am 2. Juni 2005 kam es zu einer Informationsveranstaltung, bei der den Anlegern ein Tausch von L. -Aktien in Aktien einer Tochtergesellschaft der C. R. E. AG in Aussicht gestellt wurde. Tatsächlich wurde ihnen Mitte des Jahres 2006 gegen Rückgabe von L. -Vorzugsaktien im Verhältnis 3:2 Vorzugsaktien der amerikanischen Gesellschaft D.S. I. (DSI) angeboten. Im Gegenzug sollten mit der Übertragung der Aktien sämtliche Ansprüche gegen die L. AG abgegolten sein. Nähere Feststellungen zum wirtschaftlichen Hintergrund dieses Tauschangebots hat das Landgericht nicht getroffen. Nahezu alle Anleger, die sich verpflichten mussten, die Aktien der DSI mindestens 12 Monate zu halten, nahmen das Angebot an. Zum Übertragungszeitpunkt betrug der Kurswert der DSI-Aktie 8,50 €, nach Ablauf der Haltefrist 2,50 €. Zwei Anleger erhielten im Vergleichsweg einen erheblichen Anteil der geleisteten Anlagesummen zurück.
10
2. Das Landgericht hat - ohne dies näher zu erläutern - Betrug in 78 rechtlich zusammentreffenden Fällen angenommen. Hierbei hat es dem Ange- klagten die von den Telefonverkäufern vorgenommenen Täuschungshandlungen mittäterschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet. Hinsichtlich des Vermögensschadens hat das Landgericht - auch ohne weitere Darlegung - zu Beginn des Tatzeitraums einen nicht näher bezifferten Vermögensgefährdungsschaden , nach dem Scheitern des Ankaufs der A. T. -Anteile und Einzahlungen der Anleger auf tatsächlich nicht gefasste Kapitalerhöhungsbeschlüsse einen tatsächlichen Vermögensschaden angenommen.

II.

11
Die Verurteilung wegen Betrugs hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es fehlt an der hinreichenden Feststellung eines Vermögensschadens.
12
1. a) Ein Schaden i.S.v. § 263 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens des Verfügenden führt (Prinzip der Gesamtsaldierung, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (BGHSt 30, 388 f.; BGH wistra 1993, 265; wistra 1995, 222; NStZ 1999, 353, 354; BGHSt 53, 199, 201). Bei der - hier vorliegenden - Konstellation eines Betruges durch Abschluss eines Vertrages ist der Vermögensvergleich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beziehen (Eingehungsschaden). Zu vergleichen sind die wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen Vertragspflichten (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 10). Ein Schaden liegt demnach vor, wenn die von dem Getäuschten eingegangene Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten (BGHSt 30, 388, 390). Zu be- rücksichtigen ist beim Eingehen von Risikogeschäften dabei auch eine täuschungs - und irrtumsbedingte Verlustgefahr, die über die vertraglich zugrunde gelegte hinausgeht. Ein darin liegender Minderwert des im Synallagma Erlangten ist unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bewerten (vgl. BGHSt 53, 198, 202 f.; zur Frage der Entbehrlichkeit des Begriffs des Gefährdungsschadens vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 157 f.). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss des 2. Senats - 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220) ist dieser Minderwert konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern. Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung dieses Risikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen , um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen. Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10).
13
b) Gemessen daran ist nach den landgerichtlichen Feststellungen ein Vermögensschaden für Zeichnungen bis März 2003 (anders ab April 2003; s. unten II.1.d) nicht hinreichend nachgewiesen. Für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe bei Abschluss der Zeichnungsverträge ein Schaden eingetreten ist, ist der Wert der erworbenen Vorzugsaktien der L. AG - zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt - maßgebend und dem jeweils zu zahlenden Kaufpreis gegenüberzustellen. Entsprach der Aktienwert dem Gegenwert des Kaufprei- ses, liegt kein Schaden vor. Ob und ggf. in welcher Höhe die gezeichneten Aktien zum Zeitpunkt der jeweiligen Zeichnung tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert hatten, lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, ob das Landgericht zutreffend von einem Schaden ausgegangen ist.
14
Ein Schaden in Höhe der jeweiligen Anlagesumme - wovon das Landgericht trotz Annahme eines Vermögensgefährdungsschadens offenbar ausgeht - besteht nur dann, wenn die Aktie zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt wertlos war. Zu Beginn des Tatzeitraums (Januar 2002) könnte dies der Fall gewesen sein, da die L. AG zunächst kein operatives Geschäft betrieb und die Dividendenzahlungen in erster Linie als Anreiz für den Erwerb weiterer Aktienpakete dienten. Ob zu dieser Zeit unter Berücksichtigung der Angaben im Emissionsprospekt ein Ertragswert des Unternehmens und damit eine sich daraus ergebende Werthaltigkeit der Aktie festgestellt werden kann, erscheint deshalb zweifelhaft. Soweit aufgrund der dauernden Einzahlung von Anlagegeldern, die dem Handelsregister bei der Eintragung auch noch in Höhe von 1,547 Mio. € im Jahr 2002 nachgewiesen werden konnten, Barvermögen der Gesellschaft vorhanden war, könnte dies freilich gegen die vollständige Wertlosigkeit der gezeichneten Aktien sprechen. Zu bedenken ist allerdings auch, dass die durch Täuschung veranlasste Zeichnung von Aktien zur Anfangszeit mit den Fällen sog. Schneeball-Systeme vergleichbar sein könnte, bei denen Neu-Anlagen zumindest auch verwendet werden, um früheren Anlegern angebliche Gewinne oder Zinsen auszuzahlen. Hier nimmt die Rechtsprechung ohne weitere Differenzierung auch für die Erstanleger einen Schaden in Höhe des gesamten eingezahlten Kapitals an, da ihre Chance sich allein auf die Begehung weiterer Straftaten stütze und ihre Gewinnerwartung daher von vornherein wertlos sei (vgl. BGHSt 53, 199, 204 f.; kritisch hierzu Fischer StGB 58. Aufl. § 263 Rn. 130).
15
Der Senat braucht dies hier nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls ab Mai 2002 ist die Annahme einer vollständigen Wertlosigkeit der Anlage zumindest zweifelhaft. Zu diesem Zeitpunkt begann die L. AG - orientiert an den Planvorgaben des Emissionsprospekts - mit der Aufnahme eines Geschäftsbetriebs , in dessen Folge es im Dezember 2002 zum Erwerb der Anteile an der A. T. GmbH kam. Daneben zahlte die L. AG im August 2002 125.000 € an Do. I. , im September 2002 1,3 Mio. € an F. C. zum Zwecke der (letztlich allerdings gescheiterten) Übernahme des "Börsenmantels" der K. AG und erwarb im November 2002 Aktien der K. AG im Wert von 185.000 €. Hinzu kommt, dass die L. AG für die (vorübergehende ) Übernahme der A. T. -Anteile jedenfalls größere Teile des ratenweise zu zahlenden Kaufpreises aufgebracht hat. Schließlich weisen die spätere Veräußerung der A. T. -GmbH-Anteile und die wirtschaftlich nicht näher nachzuvollziehende Übernahme von werthaltigen DSI-Aktien mit dem darauf erfolgten Tausch von L. -Vorzugsaktien in DSI-Aktien darauf hin, dass die L. AG offenbar nicht ohne Wert war. Dies legt - auch wenn es sich dabei um nach der Zeichnung der Aktien liegende Umstände handelt - nahe, dass jedenfalls ein vollständiger Wertverlust der L. -Aktie ab Mai 2002 nicht gegeben war.
16
Das Landgericht hätte daher den Wert der Aktie (als Anteil an einem zu bestimmenden Unternehmenswert) zum jeweiligen Zeichnungszeitpunkt ermitteln müssen, um unter Gegenüberstellung zu den jeweiligen Erwerbspreisen die erforderliche Saldierung vornehmen und die Schadenshöhe in jedem Einzelfall konkret beziffern zu können. Es hätte dabei auch das - täuschungs- und irrtumsbedingt überhöhte - Risiko des Aktienerwerbs und den dadurch verursachten Minderwert bewertend berücksichtigen müssen. Die Bewertung von Unternehmen bzw. Aktien erfordert zwar komplexe wirtschaftliche Analysen (vgl. hierzu etwa Großfeld Recht der Unternehmensbewertung 6. Aufl.
Rn. 202 ff.; Peemöller Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 3. Aufl. Rn. 201 ff.), insbesondere dann, wenn das Unternehmen - wie vorliegend der Fall - nicht börsennotiert ist und es sich um ein junges Unternehmen handelt (hierzu näher Peemöller aaO Rn. 601 ff.). Dies beruht insbesondere darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens auch in die Zukunft reichende Entwicklungen , unter Berücksichtigung von Prospektangaben, erfasst (vgl. näher Großfeld aaO Rn. 982 ff.). Die Einschätzung von Risiken bei der Bewertung im Wirtschaftsleben ist jedoch kaufmännischer Alltag (vgl. im Zusammenhang mit der Bewertung von Forderungen BVerfG NJW 2010, 3209, 3219 f.; zu Anlagen auch BGHSt 53, 199, 203, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Landgericht hätte sich deshalb sachverständiger Hilfe bedienen können, um unter Beachtung der gängigen betriebswirtschaftlichen Bewertungskriterien den Aktienwert in jedem der Einzelfälle feststellen zu können.
17
c) Die Feststellungen tragen für die Zeit bis März 2003 auch hinsichtlich der Zahlung der Anlagegelder nicht die Annahme eines Vermögensschadens. Zwar ist es ab der 2. Kapitalerhöhung vom 8. März 2002, für die die Eintragungsfrist am 31. März 2003 ablief, nicht mehr zu einer Eintragung in das Handelsregister gekommen, so dass die Anleger keine Aktien erwarben. Erfolgt die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister nicht bis zum Ende der Eintragungsfrist, entfällt entsprechend § 158 Abs. 2 BGB die Wirkung der Zeichnung (BGH NJW 1999, 1252, 1253; Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 14; Peifer in MüKo AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 25) mit der Folge, dass die Anleger keine Aktionärstellung erlangen und bereits gezahlte Anlagegelder zurückzugewähren sind. Hätte der Angeklagte bereits bei der jeweiligen Zeichnung der Aktien durch die Anleger die Vorstellung gehabt, dass es mangels fehlenden Nachweises gegenüber dem Registergericht nicht zur Eintragung in das Handelsregister kommen könnte, wäre mit der täuschungsbedingten Zahlung der Anlagegelder angesichts eines in Kauf genommenen Entfallens der Gegenleis- tung ein Schaden anzunehmen. Dahingehende Feststellungen lassen sich dem Urteil des Landgerichts jedoch nicht entnehmen.
18
d) Dagegen dürfte die Annahme eines Schadens für die ab April 2003 gezeichneten Anlagen, bei denen der Angeklagte Kapitalerhöhungen vortäuschte , denen kein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung zugrunde lag, im Ergebnis nicht zu beanstanden sein. Es kann dahinstehen, ob die Zeichnungserklärungen der Anleger und die Annahme durch die L. AG vor diesem Hintergrund überhaupt zu wirksamen wechselseitigen Verpflichtungen geführt haben (vgl. hierzu Hüffer AktG 9. Aufl. § 185 Rn. 27; Lutter in Kölner Kommentar AktG 2. Aufl. § 185 Rn. 36; Peifer in MüKo AktG 3. Aufl. § 185 Rn. 62), die im Rahmen der Schadensfeststellung zu saldieren wären. Da der Angeklagte in den Zeichnungsscheinen fiktive Kapitalerhöhungsbeschlüsse angegeben hat und damit erkennbar von Anfang an nicht die Absicht hatte, wirksame Kapitalerhöhungen durchzuführen, ist den Anlegern spätestens mit Erbringung der Zahlungen in dieser Höhe ein endgültiger Schaden entstanden. Sie hatten keine Aussicht, Aktionär zu werden, so dass ein Schaden in Höhe der jeweiligen Zeichnungssumme vorlag. Der den Anlegern zustehende Anspruch auf Rückerstattung bereits geleisteter Einlagen stellt insoweit keine unmittelbare Schadenskompensation, sondern lediglich einen möglichen Schadensausgleich dar, der die Annahme eines Schadens unberührt lässt.
19
Aufgrund der landgerichtlichen Annahme tateinheitlicher Verknüpfung sämtlicher Betrugstaten unterliegt das Urteil jedoch insgesamt der Aufhebung.
20
2. Der Senat weist darauf hin, dass die Verurteilung wegen einer Tat in 78 tateinheitlich zusammen treffenden Betrugsfällen rechtlichen Bedenken begegnet. Das Landgericht hat übersehen, dass für jeden Beteiligten von Straftaten selbständig zu ermitteln ist, ob Handlungseinheit oder -mehrheit gegeben ist. Maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrages oder seiner Tatbeiträge. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Deliktsserie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag , so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGH NStZ 2010, 103). Erbringt der Täter dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., vgl. BGHSt 49, 177, 182 ff.).
21
Gemessen daran belegen die Feststellungen jedenfalls keine 78 Straftaten des Betrugs. Der Angeklagte hat nicht mit jeder einzelnen Anlagevermittlung durch die Telefonverkäufer, von der er im Zweifel keine Kenntnis hatte, eine selbständige Tat begangen, sondern mit jedem neuen Entschluss zur täuschenden Werbung von Anlegern, die er durch sein Verhalten gegenüber den Telefonverkäufern initiierte. Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte jedenfalls mit jeder neuen Kapitalerhöhung, womöglich aber auch mit weiteren von ihm veranlassten, auf Irreführung ausgelegten Werbungsmaßnahmen, auch äußerlich einen neuen Entschluss fasste, durch Täuschungen mittels des - den einzelnen Kapitalerhöhungen jeweils angepassten - Emissionsprospekts Anleger neu zu werben. Die aufgrund der einzelnen Täuschungsentschlüsse durch die Vermittlung der Telefonverkäufer zustande gekommenen Anlagegeschäfte werden dabei zu einer Tat verbunden. Für eine Verknüpfung dieser selbständigen Taten zu lediglich einer einzigen Tat, etwa im Sinne eines "uneigentlichen Organisationsdelikts", ist kein Raum. Es handelt sich hinsichtlich des als Mittäter agierenden Angeklagten nicht um bloße Handlungen "zur Errichtung, zur Aufrechterhaltung und zum Ablauf eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes", sondern um solche, die über die Einschaltung von Telefonverkäufern unmittelbar auf den betrügerischen Vertrieb von Aktien gerichtet waren.
22
3. Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Strafe die erfolgten Schadenskompensationen genauer als bisher erfolgt zu berücksichtigen haben. Neben den gezahlten Dividenden fällt insbesondere der Umstand ins Gewicht, dass die Anleger für ihre L. -Aktien im Tausch Aktien der DSI erhalten haben, deren Wert jedenfalls zum Zeitpunkt des Tauschs (8,50 €/Aktie) im Verhältnis 3:2 regelmäßig über den Anlagebeträgen der Geschädigten lag.
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 5 9 / 1 3
vom
8. Oktober 2014
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
1. Beim Straftatbestand des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) besteht das Erfordernis
einer „Stoffgleichheit“ nur zwischen dem Vermögensschaden und dem angestrebten
Vermögensvorteil, nicht aber zwischen dem Vermögensschaden und dem Gegenstand
der Täuschung.
2. Beim Betrug gegenüber dem Erwerber einer Immobilie ist bei der Bestimmung
des täuschungsbedingten Vermögensschadens der Vergleich des Kaufpreises mit
dem Verkehrswert der Immobilie auch dann von Bedeutung, wenn für den Erwerber
das unwahre Versprechen niedriger monatlicher finanzieller Belastungen bei gleichzeitiger
Altschuldenbeseitigung kaufentscheidend war.
BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13 - LG Passau
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
16. September 2014, in der Sitzung am 8. Oktober 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger
und die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Cirener,
Dr. Fischer,
Richter am Amtsgericht
- in der Verhandlung vom 16. September 2014 - und
Richterin am Landgericht
- bei der Verkündung am 8. Oktober 2014 -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 16. September 2014 -
als Verteidiger des Angeklagten M. S. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 16. September 2014 -
als Verteidiger des Angeklagten Ma. S. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 13. Dezember 2012 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten M. und Ma. S. jeweils wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Betrugs in 15 Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren und sechs Monaten (M. S. ) bzw. fünf Jahren und drei Monaten (Ma. S. ) verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Man. S. hat das Landgericht wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit ihren gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen beanstanden die Angeklagten M. und Ma. S. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.


2
Den Verurteilungen liegt zugrunde, dass die Angeklagten an überwiegend bereits erheblich verschuldete und ohne Eigenkapital ausgestattete Kunden unter Täuschung über Tatsachen Eigentumswohnungen zu überhöhten Preisen verkauften. Hierzu bedienten sie sich eines auf Überrumpelung und Täuschung der Kunden angelegten Strukturvertriebssystems, das darauf abzielte , die Kunden durch falsche Angaben zu den Immobilien und über deren Finanzierung zum Kauf einer Eigentumswohnung zu bewegen. Die zur Begleichung der Kaufpreisforderung erforderlichen Kredite vermittelten die Angeklagten.

3
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
4
1. Die von den Angeklagten verkauften Eigentumswohnungen standen überwiegend im Eigentum verschiedener von ihnen beherrschter Gesellschaften. Zur Kundengewinnung und Vermarktung der Wohnungen nutzten sie ein vom Angeklagten M. S. geschaffenes weit verzweigtes Vertriebsnetz aus (vom Landgericht so bezeichneten) Haupt- und Untervermittlern, denen die Aufgabe zukam, Kunden anzuwerben. War der Immobilienverkauf erfolgreich, erhielten die Hauptvermittler eine Provision in Höhe von 20 bis 25 Prozent des erzielten Kaufpreises.
5
Der Vertrieb der Wohnungen zu überteuerten Preisen folgte folgendem Grundmuster: Die Vermittler sprachen gezielt potentielle Kunden an, die über wenig Erfahrung in finanziellen Angelegenheiten verfügten oder sich in einer schwierigen finanziellen Lage befanden, weil sie bereits Konsumentenratenkredite in Höhe von mehreren Tausend Euro zu tilgen hatten. Diese Personen hatten in der Regel kein Interesse an dem Erwerb einer Immobilie als Wertanlage; für sie standen geringere monatliche Raten als bisher oder der Erhalt eines weiteren Darlehensbetrages im Vordergrund (UA S. 9). Die Untervermittler unterbreiteten ihnen in einem Erstgespräch die Möglichkeit, durch eine Umschuldung die Darlehensraten zu verringern und darüber hinaus auch noch einen Barbetrag zur freien Verfügung zu erhalten. Die bestehenden Altkredite würden dabei abgelöst. Die Untervermittler hielten sich bei diesem Erstgespräch „hin- sichtlich der Umstände vage“ (UA S. 9). Der Kauf einer Immobilie wurde dabei allenfalls am Rande angesprochen.
6
Nach einer ersten Prüfung, ob die geworbenen Personen als Immobilienerwerber geeignet waren, fand ein zweites Gespräch der Untervermittler mit den Kunden statt. Hierbei wurde ihnen anhand falscher Rechenbeispiele dargelegt , dass sie über ein Finanzierungsmodell die Ablösung der bisherigen Kredite und die Verringerung ihrer monatlichen Belastungen erreichen könnten. Die zukünftigen Belastungen wurden entweder als Festbetrag oder mit einer näher beschriebenen Bandbreite angegeben. Die Untervermittler spiegelten den Kunden anhand der Rechenbeispiele vor, dass sich die verringerte monatliche Belastung nur über den Kauf einer Immobilie erreichen lasse. Sie stützten sich dabei auf unzutreffende Behauptungen. Insbesondere wurden die mit dem Immobilienerwerb verbundenen Steuervorteile zu hoch dargestellt, Laufzeiten von Krediten zu kurz angegeben und anfallende Hausgeldzahlungen unerwähnt gelassen. In Wirklichkeit überstiegen für die Kunden die tatsächlichen monatlichen Belastungen die in Aussicht gestellten auch unter Berücksichtigung von Mieteinnahmen und Steuervorteilen weit. Zudem fand teilweise auch nicht die versprochene Tilgung von Altschulden statt.

7
Die Untervermittler versuchten, den Kunden den „notwendigen“ Kauf ei- ner Immobilie möglichst spät mitzuteilen und als „bloße Formalie“ darzustellen. Einige Kunden erfuhren von der „Notwendigkeit“ eines Immobilienkaufs erst auf der Fahrt zu einem Notar. Vor dem Notar gaben die Kunden dann gegenüber einer der von den Angeklagten beherrschten Immobiliengesellschaften ein bindendes Kaufangebot für eine Eigentumswohnung ab, das dann angenommen wurde, wenn die Finanzierungszusage einer Bank vorlag.
8
Einzelne Kunden hatten – abweichend von dem dargestellten Grundmuster – keine (nennenswerten) offenen Kreditverbindlichkeiten oder suchten sogar eine Anlagemöglichkeit. Den Kunden wurden in diesen Fällen überwiegend finanzielle Vorteile in Form von Barauszahlungen (sog. Kick-BackZahlungen ) versprochen, zum Teil wurde der Wohnungskauf als „gute Geldan- lagemöglichkeit“ oder als Möglichkeit zur „privaten Rentenabsicherung“ darge- stellt. Auch in all diesen Fällen wurden die Kunden mit unzutreffenden Tatsachenbehauptungen getäuscht und zum Kauf einer Wohnung veranlasst. Keiner der Kunden hätte „in Kenntnis der wahren Tatsachen“ den jeweiligen Kaufver- trag abgeschlossen.
9
2. Die Finanzierung erfolgte durch Kreditinstitute, die bereit waren, den Kunden die Immobilienerwerbe vollständig zu finanzieren. Die Kreditvermittlung hierzu übernahmen die Angeklagten. Da die Kunden wegen ihrer angespannten finanziellen Situation die Kreditvoraussetzungen in der Regel nicht erfüllten, spiegelten die Angeklagten den Kreditunternehmen „falsche Kreditparameter“ wie etwa ein höheres Einkommen oder vorhandenes Eigenkapital der Kunden vor (UA S. 11). Die Auszahlung der Kreditsumme durch die kreditgebende Bank erfolgte jeweils unmittelbar an die jeweilige als Verkäuferin der Immobilie auftretende Gesellschaft der Angeklagten.
10
3. Die Angeklagten gingen arbeitsteilig vor. Der Angeklagte M. S. entschied, ob der Kunde für das Geschäft geeignet („machbar“) war, ob bestehende Kredite abgelöst werden konnten, in welcher Höhe Provisionen an die Vermittler zu zahlen waren und zu welchem Kaufpreis die jeweilige Wohnung veräußert werden sollte. Dem Angeklagten Ma. S. fiel die Aufgabe zu, den Kunden die für die Finanzierung der Kaufpreise erforderlichen Darlehen zu vermitteln. Der Mitangeklagte Man. S. erledigte im Zusammenhang mit der Immobilienbeschaffung und -verwaltung anfallende Aufgaben und gab vielfach beim Notar für die jeweilige Gesellschaft, über die die Wohnungen erworben worden waren, die Erklärungen zur Annahme der Kaufangebote der Kunden ab.
11
4. Den Angeklagten waren die Vorgehensweise der Untervermittler und deren unwahre Versprechungen bekannt; sie billigten das Vorgehen der Untervermittler und deren Versprechungen, um sich an der Differenz zwischen Kaufpreis und dem Verkehrswert der Immobilien zu bereichern.
12
II. Das Landgericht hat jeden einzelnen Immobilienverkauf als eigenständige Tat eines gewerbs- und bandenmäßigen Betruges gewertet. Dies hat es damit begründet, dass die Angeklagten jeweils eigene Tatbeiträge erbracht hätten. Die Täuschung der Wohnungskäufer seitens der Untervermittler hat das Landgericht den Angeklagten zugerechnet. Die Täuschungen hätten sich auf Tatsachen (insbesondere über die Finanzierung der Wohnungen) bezogen und nicht in der Forderung eines überhöhten Kaufpreises erschöpft (UA S. 99).
13
Den Vermögensschaden der Käufer sieht das Landgericht in der Differenz zwischen Verkaufspreis und dem mit sachverständiger Hilfe bestimmten Verkehrswert der verkauften Eigentumswohnungen. Soweit Altkredite abgelöst wurden oder Barauszahlungen erfolgten, hat das Landgericht die entsprechenden Beträge bei der Bestimmung der Höhe des entstandenen Vermögensschadens in Abzug gebracht.

B.


14
Die Verfahrensrügen decken keinen den Bestand des Urteils gefährdenden Verfahrensfehler auf. Ihnen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften dargelegten Gründen, die auch durch die ergänzenden schriftlichen sowie in der Revisionshauptverhandlung mündlich vorgetragenen Ausführungen der Verteidigung nicht entkräftet werden, der Erfolg versagt.

C.


15
Die auf die Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch. Auch der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
16
I. Der Schuldspruch hat Bestand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen sowohl eine täuschungs- und irrtumsbedingte Vermögensverfügung der Käufer (nachfolgend unter 1.) als auch den Eintritt eines dadurch verursachten Vermögensschadens i.S.v. § 263 StGB (nachfolgend unter 2.). Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite (nachfolgend unter 3.), zur gewerbs- und bandenmäßigen Begehung (nachfolgend unter 4.) und zu den Konkurrenzen (nachfolgend unter 5.) sind ebenfalls frei von Rechtsfehlern zum Nachteil der Angeklagten.
17
1. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird sowohl eine den Angeklagten zurechenbare Täuschung der Käufer über Tatsachen (insbesondere über die monatlich aufzuwendenden Beträge und weitere für den Immobilienerwerb bedeutsame Umstände) als auch die irrtumsbedingte Vermögensverfügung der Käufer von den Urteilsfeststellungen getragen.
18
a) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen die Täuschung der Kunden über Tatsachen seitens der Untervermittler.
19
aa) Eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, Rn. 16, NJW 2014, 2595).
20
bb) Tatsachen sind alle gegenwärtigen oder vergangenen Ereignisse oder Zustände, die dem Beweis zugänglich sind (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1986 – 3 StR 226/86, BGHSt 34, 199; vom 17. Oktober 1972 – 5 StR 281/72, MDR 1973, 18 bei Dallinger; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 9 mwN). Hierzu zählen auch innere Tatsachen wie etwa das Vorhandensein bestimmter Absichten oder Überzeugungen (z.B. die Vorspiegelung nicht vorhandener Zahlungswilligkeit, vgl. bereits BGH, Urteil vom 3. Juni 1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24). Dagegen sind bloße Werturteile, seien es Rechtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehafte Anpreisungen, grundsätzlich keine Tatsachen im Sinne des § 263 StGB. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn diese Werturteile zugleich einen greifbaren, dem Beweis zugänglichen Tatsachenkern enthalten (BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2009 - 4 StR 307/09 und vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331).
21
Bei einer Äußerung zu zukünftigen Entwicklungen, mithin einer Prognose , hängt die Frage, ob diese tauglicher Täuschungsgegenstand i.S.v. § 263 StGB ist, davon ab, ob sie Behauptungen über konkrete gegenwärtige oder vergangene Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse enthält oder nicht (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1972 - 5 StR 281/72, MDR 1973, 18 bei Dallinger). In einer Prognose kann daher trotz ihres Zukunftsbezuges bzw. des mit ihr verbundenen Werturteils eine Täuschung über Tatsachen liegen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Täter seine eigene Überzeugung vom Eintritt dieser Prognose vorspiegelt; denn dann täuscht er über eine gegenwärtige innere Tatsache (vgl. Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 263 StGB Rn. 30, Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 16). Gleiches gilt, wenn die Prognose eine hinreichend bestimmte Behauptung über gegenwärtige tatsächliche Bedingungen ihres Eintritts enthält (zusammenfassend Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 12 mwN). Täuscht der Täter über von ihm zugrunde gelegte gegenwärtige Prognosegrundlagen, so täuscht er daher ebenfalls über Tatsachen (Zieschang, aaO Rn. 27 ff.).
22
Dementsprechend sind Angaben eines Immobilienvermittlers über die Finanzierungskosten, die monatlich zu leistenden Zahlungen und andere mit dem Kaufobjekt zusammenhängende tatsächliche Umstände wie Mieteinnah- men und Steuervorteile als objektiv nachprüfbare und einem Beweis zugängliche Tatsachen einzuordnen (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. September 2006 – XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109). Lediglich wenn nur pauschale Angaben – etwa zur gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit von Eigentumswohnun- gen – getätigt werden, die sich letztlich allein als bloße werbende Anpreisungen darstellen, liegen keine Tatsachenbehauptungen vor (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2013 – XI ZR 405/11, BKR 2013, 280 mwN).
23
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die gegenüber den Erwerbern gemachte und auf konkrete Berechnungen gestützte Aussage der Untervermittler, die Aufwendungen für den Kaufpreis der jeweiligen Eigentumswohnung würden (bis auf eine näher bezeichnete monatliche Zuzahlung ) durch Steuervorteile und Mieteinnahmen ausgeglichen, rechtsfehlerfrei als Täuschung über Tatsachen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB eingestuft.
24
(1) Nach den Urteilsfeststellungen wurden den Käufern unrichtige Angaben über monatliche Lasten (etwa die Höhe des Hausgeldes), zu erwartende Einnahmen (etwa aufgrund einer Mietgarantie) oder den Umfang von mit dem Erwerb verbundenen steuerlichen Vorteilen gemacht. Die Angaben bezogen sich dabei auf die gegenwärtige Wirtschaftlichkeit des Immobilienkaufs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 2008 – XI ZR 79/07 mwN). Somit wurden die Käufer über die einer Nachprüfung zu- gänglichen (gegenwärtigen) Prognosegrundlagen, mithin Tatsachen, getäuscht. Der Annahme konkreter Tatsachenbehauptungen steht auch nicht entgegen, dass die Untervermittler nicht auf den jeweiligen Käufer zugeschnittene „Berechnungsbeispiele“ verwendeten. Denn die Vermittler erweckten bei Verwendung dieser Berechnungen gezielt den Eindruck, es handele sich um „sichere“ Finanzierungsmodalitäten (UA S. 61).

25
(2) Auch soweit das Landgericht allein die Angaben der Vermittler über die zukünftig von den Kunden monatlich zu tragende Gesamtbelastung in den Blick genommen hat, ist eine Täuschung über Tatsachen hinreichend belegt.
26
Bei den unzutreffenden Angaben über die Höhe des monatlich zu erbringenden Eigenanteils handelte es sich nicht lediglich um Werturteile oder unverbindliche Anpreisungen. Die Angaben waren hier auch nicht lediglich pauschal (vgl. zu solchen Fallkonstellationen BGH, Urteil vom 19. September 2006 – XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109, kritisch hierzu Junglas, NJOZ 2013, 49, 55 f.; Schmid, Die Rechtsstellung des Verbrauchers bei Mängeln fremdfinanzierter Immobilienkapitalanlagen [Schrottimmobilien], 2009, S. 91 mwN), sondern enthielten für den konkreten Einzelfall feste Beträge oder eng umgrenzte Bandbreiten und waren damit auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar (vgl. dazu Schmid, aaO). Sie konnten von den Erwerbern einer vermieteten Immobilie auch nur so verstanden werden, dass sie aus der Differenz aller im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb zu erwartender Einkünfte sowiesonstiger finanzieller Vorteilen einerseits und der monatlichen Kosten andererseits errechnet worden waren.
27
(3) Ob im Verschweigen der hohen Innenprovisionen in einer Größenordnung von 20 bis 25 Prozent der Kaufpreissumme eine weitere tatbestandsmäßige Täuschung der Käufer liegen könnte (vgl. hierzu Gallandi, wistra 1996, 323; zu den Auswirkungen überhöhter Innenprovisionen auf die „Werthaltigkeit“ einer Immobilie vgl. auch BGH, Urteile vom 12. Februar 2004 – III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 118, 121; vom 9. Februar 2006 – III ZR 20/05, NJW-RR 2006, 685 Rn. 5 sowie Schmid, Die Rechtsstellung des Verbrauchers bei Mängeln fremdfinanzierter Immobilienkapitalanlagen [Schrottimmobilien] S. 80), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Das Landgericht hat die Verurteilung hierauf nicht gestützt.
28
b) Die Täuschungshandlungen der Untervermittler sind den Angeklagten zuzurechnen. Dem steht nicht entgegen, dass die Versprechungen der Vermittler untereinander Unterschiede aufwiesen und die Untervermittler zudem wenig direkten Kontakt mit den Angeklagten hatten (UA S. 60). Eine mittäterschaftliche Begehungsweise setzt weder ausdrückliche Absprachen zum gemeinsamen Tatplan (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 StR 191/02, NStZ 2003, 85; Urteil vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289), noch die Kenntnis fremder Handlungen in sämtlichen Einzelheiten voraus (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 25 Rn. 34). Es genügt hier, dass die Untervermittler die Vorgaben der Angeklagten umsetzten.
29
c) Die Urteilsfeststellungen belegen auch eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung der getäuschten Käufer. Diese entschlossen sich jeweils allein im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Vermittler über die Verringerung ihrer monatlichen Belastungen oder sonstige finanzielle Vorteile zum Erwerb der jeweiligen Immobilie, zur Entrichtung des geforderten Kaufpreises und zum Abschluss hierauf gerichteter Finanzierungsvereinbarungen. Selbst wenn die Kunden bei kritischer Prüfung hätten erkennen können, dass sie getäuscht werden sollten, schlösse dies eine irrtumsbedingte Fehlvorstellung nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014 – 2 StR 616/12, Rn. 20, NJW 2014, 2595).
30
2. Infolge der Täuschung ist den Käufern aus dem (finanzierten) Immobilienerwerb jeweils ein Vermögensschaden i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB entstanden.
31
a) Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 – 4 StR 21/14 Rn. 24; vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13, wistra 2014, 270; vom 29. Januar 2013 – 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711; vom 25. Januar 2011 – 1 StR 45/11 Rn. 75, BGHSt 57, 95, 113; vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201, jeweils mwN; Urteil vom 27. Juni 2012 – 2 StR 79/12, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 77). Wurde der Getäuschte zum Abschluss eines Vertrages verleitet, sind bei der für die Schadensbestimmung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen (Eingehungsschaden). Der Getäuschte ist geschädigt, wenn sich dabei ein Negativsaldo zu seinem Nachteil ergibt (BGH, Beschluss vom 18. Juli 1961 – 1 StR 606/60, BGHSt 16, 220, 221; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 55/12, BGHSt 58, 102, 111 f. mwN; BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 5 StR 510/13, wistra 2014, 270). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Tatopfers (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach deren vollem wirtschaftlichen Wert, wenn die Gegenleistung völlig ausbleibt bzw. nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung , soweit – wie hier – eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638; Beschluss vom 7. Dezember 2010 – 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238).
32

b) Die Bewertung des Vermögens und des Vermögensschadens erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 80, BGHSt 57, 95, 115). Die Vorschrift des § 263 StGB schützt dabei weder das bloße Affektionsinteresse noch die wirt- schaftliche Dispositionsfreiheit (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR331/94, NStZ 1995, 134; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 2; Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., § 263 StGB Rn. 61; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 146), noch die Wahrheit im Geschäftsverkehr (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2000 – 3 StR 326/00, NStZ-RR 2001, 41; Fischer, aaO), sondern allein das Vermögen. Normative Gesichtspunkte können bei der Bewertung des Schadens zwar eine Rolle spielen; sie dürfen die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen (BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 2 BvR 12 BvR 1857/10, Rn. 176, NStZ 2012, 496, 504; BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517; vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 75, BGHSt 57, 95, 114; vom 14. April 2011 – 1 StR 458/10, wistra 2011, 335).
33
Dementsprechend sind Leistung und Gegenleistung zunächst nach ihrem Verkehrs- bzw. Marktwert zu vergleichen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 80, BGHSt 57, 95, 115; vgl. auch Perron in Schönke /Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 109; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 163). Ergibt sich danach ein Wertgefälle zum Nachteil des durch die Täuschung Betroffenen, weil er etwa gegen Bezahlung des vollen Kaufpreises eine minderwertige Ware erhält, so liegt ein Vermögensschaden vor (Perron, aaO; zum „Gleichklang“ der Schadensberechnung von Betrug und Untreue vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., Rn. 121, NJW 2010, 3209, 3216 sowie BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 2 BvR 12 BvR 1857/10, Rn. 175, NStZ 2013, 496, 504). Auf die subjektive Einschätzung, ob der irrtumsbedingt Verfügende sich geschädigt fühlt, kommt es ebensowenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 80, BGHSt 57, 95) wie auf die Frage, wie hoch der Verfügende subjektiv den Wert der Gegenleistung taxiert (st. Rspr. seit BGH, Beschluss vom 16. August 1961 – 4 StR 166/61, BGHSt 16, 321, 325; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. November 2007 – 3 StR 462/06, wistra 2008, 149; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 55/12, BGHSt 58, 102, 111 f. mwN; vgl. auch Albrecht, NStZ 2014, 17).
34
c) Ausgehend von diesen Maßstäben belegen die Urteilsfeststellungen in allen verfahrensgegenständlichen Fällen einen kausalen Vermögensschaden der Käufer i.S. des § 263 Abs. 1 StGB mindestens in der vom Landgericht angenommenen Höhe.
35
aa) Das Landgericht hat die Vermögensschäden rechtsfehlerfrei anhand des objektiven Werts der Eigentumswohnungen und unter Vergleich mit den von den Käufern gezahlten Kaufpreisen bestimmt.
36
(1) Als objektiven Wert der Wohnungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler deren Verkehrswert angesetzt. Mit ihrem Vorbringen, diese Art der Bestimmung der Schadenshöhe durch das Landgericht sei mit dem Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 20. März 2013 – 5 StR 344/12, BGHSt 58, 205 nicht vereinbar, dringen die Revisionen nicht durch.
37
Der 5. Strafsenat hatte in der genannten Entscheidung für einen Fall der Täuschung eines Käufers über seine Zahlungsbereitschaft die Feststellung des „objektiven Werts“ des Vertragsgegenstandes bei der Bestimmung des Be- trugsschadens nicht grundsätzlich für erforderlich erachtet. Hierzu hatte er aus- geführt, der „von den Parteien – auf der Grundlage übereinstimmender, von Willens- und Wissensmängeln nicht beeinflusster Vorstellungen über Art und Güte des Vertragsgegenstandes – bestimmte Wert“ habe „grundsätzlich auch die Basis der Schadensfeststellung im Rahmen des Betruges zu sein“ (BGH, Urteil vom 20. März 2013 – 5 StR 344/12, BGHSt 58, 205). Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert, weil die Angeklagten nicht über ihre Leistungswilligkeit täuschten, sondern über wirtschaftlich bedeutsame Tatsachen, die für die Kaufentscheidung der Erwerber wesentlich waren. Demgemäß war hier für den Schadensumfang nicht die Werthaltigkeit eines Zahlungsanspruchs maßgeblich , sondern der Vergleich der objektiven Werte von Leistung und Gegenleistung des Wohnungsverkaufs. Für die Bestimmung des objektiven Werts einer Immobilie ist aber die Feststellung von deren Verkehrswert der zutreffende Ansatz (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517, 519 zur Bestimmung des Untreueschadens bei der notariellen Beurkundung betrügerisch zustande gekommener Immobilienkaufverträge, mit zustimmender Anmerkung Trüg, NStZ 2014, 520: „Schadensermittlung … denkbar einfach“).
38
(2) Die Verkehrswerte der Eigentumswohnungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt. Es war sachverständig beraten und hat die von der Rechtsprechung für die Bestimmung des Verkehrswerts von vermieteten Immobilien anerkannten Methoden rechtsfehlerfrei angewendet.
39
bb) Den vertraglichen Leistungen der Erwerber standen hier keine wirtschaftlich gleichwertigen Gegenleistungen gegenüber, denn die Verkehrswerte der Wohnungen lagen erheblich unter den Kaufpreisen.
40
Die den Käufern entstandenen Schäden wurden auch nicht dadurch (vollständig) kompensiert, dass die Angeklagten – wie in einem Teil der Fälle – vereinbarungsgemäß Altschulden der Käufer getilgt oder Barauszahlungen („Kick-Back-Zahlungen“) geleistet hatten. Auch in diesen Fällen verblieb es un- ter Berücksichtigung dieser schadenskompensierenden Leistungen der Angeklagten jeweils bei einem Negativsaldo zum Nachteil der Käufer in der jeweils vom Landgericht festgestellten Höhe. Tatsächlich geleistete „Kick-Back- Zahlungen“ hat das Landgericht jeweils schadensmindernd berücksichtigt.
41
cc) Die Täuschung der Käufer war jeweils für den Immobilienerwerb und damit für den entstandenen Vermögensschaden kausal, weil sie – wären sie nicht getäuscht worden – die Eigentumswohnungen nicht erworben hätten.
42
(1) Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es für die Tatbe- standsverwirklichung keiner „Stoffgleichheit“ zwischen dem Gegenstand der Täuschung und dem entstandenen Vermögensschaden. Das Erfordernis der Stoffgleichheit bezieht sich allein auf das Verhältnis des durch die Tathandlung verursachten Vermögensschadens und des vom Täter erstrebten Vermögensvorteils , sie müssen einander entsprechen. Der Vorteil muss somit die Kehrseite des Schadens, d.h. unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung sein und dem Täter direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2002 – 2 StR 332/02, wistra 2003, 180 mwN). Dies ist hier der Fall.
43
(2) Soweit die Revisionen geltend machen, diese Schäden könnten den Angeklagten nicht zugerechnet werden, weil die Käufer nicht über die Minderwertigkeit der Immobilien getäuscht worden seien, decken sie ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
44
Die Täuschung bezog sich jeweils auf Tatsachen, die einen Bezug zum Kaufobjekt aufwiesen und für die Kaufentscheidung der Erwerber ausschlaggebend waren. Die sich aus dem im Verhältnis zum Kaufpreis geringeren Wert der Wohnungen ergebenden Schäden hätten allenfalls dann nicht zugerechnet werden können, wenn sich die Käufer beim Erwerb der Immobilie dieses Minderwerts bewusst gewesen wären und somit ein Selbstschädigungsbewusstsein gehabt hätten (vgl. zu Fallgestaltungen der bewussten Selbstschädigung beim Bettel-, Spenden- und Schenkungsbetrug BGH, Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94, NJW 1995, 539; Urteil vom 12. Mai 1992 – 1 StR 133/92, NJW 1992, 2167; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 263 Rn. 101 ff.; zur Verfehlung sozialer Zwecke bei Austauschverträgen vgl. auch BGH, Urteil vom 11. September 2003 – 5 StR 524/02, wistra 2003, 457; zusammenfassend Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 137 ff.). Daran fehlt es hier.
45
Kaufentscheidend war für die Käufer zwar in aller Regel das Versprechen niedriger monatlicher Belastungen im Zuge des vollständig finanzierten Immobilienkaufs bei gleichzeitiger Altschuldenbeseitigung oder der Gewährung von Bargeschenken („Kick-Back-Zahlungen“) bei äußerst günstigen Finanzie- rungskonditionen. Im Mittelpunkt der mit den Vermittlern geführten Gespräche stand dementsprechend insbesondere die Höhe der zu erwartenden Mieterträge , erzielbaren Steuervorteile und der Finanzierungskosten, weil diese Gesichtspunkte maßgeblich für die Finanzierbarkeit des ihnen vorgeschlagenen Wohnungskaufs und damit für die Rentabilität des Geschäfts waren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Käufer bereit gewesen sein könnten, Wohnungen zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis und – somit überteuert – zu erwerben und damit ihr Vermögen objektiv weiter zu vermindern bzw. ihre Überschuldung weiter zu erhöhen. Solches ist nicht festgestellt und liegt auch fern.
46
dd) Der Umstand, dass das Landgericht eventuelle weitergehende Vermögensschäden aus der ebenfalls täuschungsbedingten Mitwirkung der Käufer an der Umschuldung bestehender Darlehen (vgl. dazu Gallandi, wistra 1994, 243) nicht in den Blick genommen hat, beschwert die Angeklagten nicht. Ein Betrug gegenüber den Kreditinstituten wegen der vom Landgericht festgestellten Vorspiegelung falscher Kreditparameter (UA S. 11) ist nicht Gegenstand des Verfahrens (UA S. 8).
47
3. Die Urteilsfeststellungen belegen auch den Tatvorsatz der Angeklagten und deren Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung.
48
a) Die Angeklagten hatten Kenntnis von den Täuschungshandlungen und wussten, dass der von ihnen für die Eigentumswohnungen geforderte Preis deren Verkehrswert überstieg (UA S. 73). Sie handelten daher mit Tatvorsatz.
49
b) Die Absicht der Angeklagten, sich oder Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, wird ebenfalls durch die Feststellungen belegt.
50
Auch wenn die Kaufpreissummen aus Darlehen von Kreditinstituten stammten und von diesen direkt an die von den Angeklagten beherrschten Firmen ausgezahlt wurden, erfolgte die Bezahlung der Kaufpreise aus dem Vermögen der Käufer und auf deren Anweisung. Gerade auf die Erlangung dieser Beträge kam es den Angeklagten aber an. Damit war der von den Angeklagten erstrebte Vorteil unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfü- gung, welche den Schaden bei den Wohnungskäufern herbeiführte. Dies genügt (zum Merkmal der sog. Stoffgleichheit vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 187 mwN aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
51
4. Die rechtsfehlerfreien Urteilsfeststellungen tragen auch die Verurteilung der Angeklagten wegen des Qualifikationstatbestands des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges gemäß § 263 Abs. 5 StGB. Sie belegen eine zumindest stillschweigende Bandenabrede (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 15. Januar 2002 – 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214) zwischen allen Angeklagten und den Hauptvermittlern D. , E. , K. und B. . Zudem ist auch die gewerbs - und bandenmäßige Begehungsweise in den Urteilsgründen hinreichend dargelegt.
52
5. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei von jeweils selbständigen, in Tatmehrheit stehenden Taten des Betruges zum Nachteil der einzelnen Käufer ausgegangen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177; vom 8. November 1999 – 5 StR 632/98, BGHSt 45, 270, 296 ff.; vom 26. Juli 1994 – 5 StR 98/94, BGHSt 40, 218, 236 ff.) lagen nicht vor. Nach den Urteilsfeststellungen wirkten die Angeklagten in jedem einzelnen Fall an der Tatausführung mit. Eine eigenhändige Tatbegehung setzt der Tatbestand des Betruges nicht voraus.
53
II. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Das Landgericht hat der Strafzumessung rechtsfehlerfrei den sich aus § 263 Abs. 5 StGB ergebenden Strafrahmen zu Grunde gelegt. Auch im Übrigen ist die Zumessung der Einzel- sowie der Gesamtstrafen frei von Rechtsfehlern zum Nachteil der Angeklagten. Raum Rothfuß Jäger Cirener Fischer

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 6 5 / 1 4
vom
14. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
14. Oktober 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 14. März 2014, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in acht Fällen schuldig ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die allgemein erhobene Sachbeschwerde hat zum Schuldspruch teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte - zusammen mit den Mitangeklagten - an dem Vertrieb eines "Finanzierungsmodells" beteiligt, bei dem Kunden gegen Vorleistung von "Zinsvorauszahlungen" und "Aufwandsentschädigungen" versprochen wurde, nach einigen Monaten hohe zins- und tilgungsfreie Darlehen zu erhalten. Tatsächlich kam es den Angeklagten allein darauf an, die Vorabzahlungen der Kunden zu vereinnahmen und für sich zu verbrauchen; das "Finanzierungsmodell" diente nach der Vorstellung der Angeklagten der Täuschung der Geschädigten und war - was allen Angeklagten klar war - von vornherein nicht zu realisieren. Der Angeklagte war vor allem für die Kundengewinnung zuständig und setzte hierfür auch die für ihn bereits zuvor tätigen Vermittler - unter anderem die nicht revidierenden Mitangeklagten M. und Me. - ein, die anfangs von dem Mitangeklagten H. in das "Finanzierungmodell" eingewiesen worden waren. Zur Täuschung der Kunden entwarf der Angeklagte eine Excel-Tabelle, die nach seiner Anweisung von den Vermittlern zur Erläuterung des "Finanzierungsmodells" verwendet wurde, um bei den Kunden mittels eines Zahlenwerkes den Eindruck zu erwecken, mit einer relativ geringen Vorauszahlung sei eine sehr hohe Auszahlungssumme zu erreichen.
3
2. Soweit das Landgericht (auch) in den Einzelfällen einen jeweils rechtlich selbständigen Betrug des Angeklagten gemäß § 53 Abs. 1 StGB angenommen hat, in denen er nicht selbst, sondern (allein) seine Vermittler gehandelt hatten (II. 3., Fälle 7, 9 bis 11, 13, 14, 16, 17, 19 bis 21, 24 und 25 der Urteilsgründe ), kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben.
4
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Beteiligter selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten "Geschäftsbetriebes", sind diese Tathandlungen als - uneigentliches - Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2009 - 2 StR 160/09, StV 2010, 363, vom 14. November 2012 - 3 StR 403/12, StV 2013, 386 und vom 23. Mai 2013 - 2 StR 555/12, wistra 2013, 389). Von dieser Handlungseinheit sind nur die Fälle ausgenommen, in denen der Täter selbst einen individuellen Tatbeitrag erbringt. Danach sind hier für den Angeklagten alle festgestellten Einzelfälle des Betruges, in denen allein seine Vermittler tätig waren - abweichend von der konkurrenzrechtlichen Würdigung durch das Landgericht und entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - rechtlich als unselbständige Teile eines derartigen Organisationsdelikts zu bewerten. Daraus folgt, dass sich der Angeklagte lediglich in insgesamt acht rechtlich selbständigen Fällen (zusätzlich zum Organisationsdelikt in den Fällen 2 bis 6, 22 und 23 der Urteilsgründe) des Betruges schuldig gemacht hat.
5
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
6
3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 7, 9 bis 11, 13, 14, 16, 17, 19 bis 21, 24 und 25 der Urteilsgründe. Für das einheitliche Organisationsdelikt setzt der Senat die höchste der in den vorgenannten Fällen durch das Landgericht verhängten Einzelstrafen (Fall 25 der Urteilsgründe), mithin eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren neu fest (§ 354 Abs. 1 StPO analog; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 354 Rn. 27 mwN). Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat gleichwohl Bestand. Angesichts der weiteren - rechtsfehlerfrei zugemessenen und daher verblei- benden - Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren (Fall 23), einem Jahr und neun Monaten (Fall 22), einem Jahr und sechs Monaten (Fall 3), einem Jahr und drei Monaten (Fall 2), zweimal einem Jahr (Fälle 5 und 6) sowie von neun Monaten (Fall 4) kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe als die verhängte von zwei Jahren und neun Monaten zugemessen hätte.
Becker Hubert Schäfer
Gericke Spaniol
3
a) Bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie ist die Frage, ob Handlungseinheit besteht oder Tatmehrheit gegeben ist, für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Erbringt der Mittäter einer solchen Serie lediglich in deren Vorfeld oder in deren weiterem Verlauf einen einheitlichen, mehrere der Einzeltaten fördernden Beitrag, ohne sich im Weiteren an der Ausführung dieser Einzeltaten zu beteiligen, so sind ihm die so gleichzeitig geförderten Einzeltaten nicht als jeweils rechtlich selbständig, sondern als in gleichartiger Tateinheit begangen zuzurechnen, denn sie werden in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft. Als rechtlich selbständige Taten können dem Mittäter - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - nur solche Einzeltaten der Serie zugerechnet werden, für die er einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag leistet. Ob andere Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben, bleibt ohne Belang (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Be- schluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13; Beschluss vom 5. Februar 2013 - 3 StR 499/12, wistra 2013, 307).

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

5 StR 543/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 11. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat bemerkt ergänzend zum Schuldspruch:
3
Der Angeklagte hat sich dadurch am fremdnützigen Betrug zugunsten der Firma T. GmbH beteiligt, dass er als Vorstand der T. AG in 18 Einzelfällen den betroffenen Arbeitnehmern dieser Gesellschaft die Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrages nahelegte und zugleich mit der T. GmbH einen Subunternehmervertrag abschloss, mit dem sich die T. GmbH zur Fortführung der Leitschienendemontage verpflichtete und zu dessen Erfüllung dieses Unternehmen das von der T. AG übernommene Personal einsetzte. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist der mit dem gesondert verfolgten A. , dem faktischen Geschäftsführer der T. GmbH, verabredete Tatplan zu entnehmen, wonach es von vornherein feststand, dass die T. AG nach Verrechnung mit vorgeschobenen Gegenansprüchen die Werklohnforderungen der Subunternehmerin T. GmbH nicht würde bezahlen können und folglich die T. GmbH, die, wie beabsichtigt, im Dezember 2004 insolvent wurde, die Arbeitslöhne nicht würde bezahlen können. Angesichts des nicht unerheblichen Tatbeitrags des Angeklagten und seines Interesses am Taterfolg, das darin bestand, die Arbeitsverhältnisse mit den Angestellten der T. AG ohne Rechtsstreitigkeiten bei gleichzeitiger Fortführung des Werkvertrags mit der Hauptauftraggeberin zu beenden, ist der Schluss des Landgerichts auf mittäterschaftliches Handeln des Angeklagten und nicht lediglich auf Beihilfe revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
4
2. Indes wird die Annahme von Gewerbsmäßigkeit durch die Feststellungen nicht belegt. Es ist daher rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht die Einzelstrafen nach dem für besonders schwere Fälle des Betrugs vorgesehenen Strafrahmen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) bestimmt hat.
5
a) Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will (st. Rspr.; BGHR StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Gewerbsmäßig 1 m.w.N.). Gewerbsmäßigkeit setzt daher stets – im Unterschied zu den Voraussetzungen des Betrugstatbestandes – eigennütziges Handeln und damit tätereigene Einnahmen voraus. Betrügerisch erlangte Betriebseinnahmen für den Arbeitgeber reichen daher nur dann aus, wenn diese dem Täter mittelbar – etwa über das Gehalt oder Beteiligung an Betriebsgewinnen – zufließen sollen (BGH NStZ 1998, 622, 623; Stree/Stern- berg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. 2006 Vorbem. §§ 52 ff. Rdn. 95). Liegt die Eigennützigkeitsabsicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt (BGHR aaO). Wenn der Täter nur ein einziges, wenngleich für ihn auskömmliches Betrugsgeschäft plant, fehlt es an der Absicht wiederholter Tatbegehung. Das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit wird daher nicht schon dann verwirklicht , wenn die vereinbarte Vergütung für ein einziges Geschäft in Teilbeträgen gezahlt werden soll (BGH, Urteil vom 4. April 1989 – 1 StR 87/89).
6
b) Die vom Landgericht zugrunde gelegten Vorteile entsprechen den genannten Voraussetzungen nicht. Das Landgericht hat bereits dazu keine Feststellungen getroffen, ob der Angeklagte aus den Betrugstaten Einnahmen oder vergleichbare geldwerte Vorteile für sich erzielen wollte:
7
Soweit das Landgericht den wirtschaftlichen Nutzen für den Mittäter A. darin gesehen hat, dass dieser von den Auftraggeberfirmen 8 Euro pro Arbeitnehmerstunde „schwarz“ erhalten sollte, hat es sich nicht von der Beteiligung des Angeklagten an diesen Taterlösen überzeugt (vgl. insbesondere UA S. 23).
8
Sofern das Landgericht einen wirtschaftlichen Vorteil für den Angeklagten deswegen angenommen hat, weil die T. AG den Auftrag von der W. H. V. GmbH über die Subunternehmerfirma weiterführen konnte, ohne als Arbeitgeberin Arbeitslohn zu schulden, sich ohne arbeitsgerichtliche Streitigkeiten von den betroffenen Arbeitnehmern lösen konnte und damit – unter Berücksichtigung der geplanten Verrechnung mit erfundenen Gegenforderungen – die Aussicht auf eine erhebliche Gewinnspanne aus dem Werkvertrag mit der Auftraggeberfirma hatte, genügt dies nicht zur Annahme von Gewerbsmäßigkeit. Denn dies sind Vorteile für die T. AG. Feststellungen dazu, ob die beabsichtigten Gewinne mittelbar dem Angeklagten zugute kommen sollten, insbesondere ob dieser neben einem Festgehalt als Vorstand an den Betriebsgewinnen der AG beteiligt werden sollte, enthält das Urteil nicht. Den Feststellungen ist auch in ihrer Gesamtheit nicht zu entnehmen, dass die T. GmbH überhaupt keine legale Tätigkeit entfaltete und ihre Einnahmen nur aus der rechtswidrigen Vergabe von Subunternehmeraufträgen auf Kosten von deren Arbeitnehmern erzielen sollte.
9
Darüber hinaus ist mangels Feststellungen zu dem Abrechnungsverhältnis zwischen der Auftraggeberin und der T. AG nicht auszuschließen , dass es dem Angeklagten im Tatzeitraum September 2004 bis Dezember 2004 nur um die Abwicklung eines zuvor bereits begonnenen Geschäfts ging. Dann würde es auch an der erforderlichen Wiederholungsabsicht fehlen, zumal das Landgericht in der Beweiswürdigung ausführt, dass es sich bei der Übertragung der Arbeitsverträge auf die Subunternehmerin nur um die Ausnutzung einer sich „kurzfristig bietende[n] Möglichkeit“ (UA S. 28) handelte.
10
c) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass in der neuen Hauptverhandlung Feststellungen dazu, ob an den Angeklagten Gelder geflossen sind, möglich sind. Er hebt daher die Feststellungen, die den Strafausspruch betreffen, insgesamt auf, um umfassende neue Feststellungen zu § 263 Abs. 3 StGB zu ermöglichen.
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 665/12
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 18. September 2012 mit den zugrundeliegenden
Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer
tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützten Revision. Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Da bereits die Sachrüge zum vollen Erfolg des Rechtsmittels führt, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen nicht mehr.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war Vorstand der T. . Bei der T. handelte es sich um die Muttergesellschaft eines Konzerns, unter deren Kontrolle mehrere Tochtergesellschaften standen. Hauptaktionär der T. war die A. AG (im Folgenden: A. ), deren Geschäftszweck in der Sanierung und dem anschließenden Verkauf von Gesellschaften bestand. Anfang 2007 hatte die T. 90 Prozent der Gesellschaftsanteile an der C. GmbH (im Folgenden: C. ) erworben.
4
Die wirtschaftliche Lage des T. -Konzerns war schlecht. Die Mutter- gesellschaft und „ihre Töchter hätten in 2009 Insolvenzantrag stellen müssen, sofern die A. AG nicht bereit gewesen wäre, Geld einzuschie- ßen“. Dies wolltedie liquide A. aber nicht im erforderlichen Umfang, sie wollte vielmehr nur eine „bilanzielle Überschuldung verhindern“, um den gesamten T. -Konzern bis zum Verkauf an einen Investor am Leben zu erhalten. Ein Investor wurde schließlich im Sommer 2009 gefunden; am 17. Juli 2009 erfolgte die Veräußerung der von der A. gehaltenen Geschäftsanteile an der T. an russische Privatpersonen. Mit diesem Tag trat der Angeklagte von allen Ämtern bei der T. und der C. zurück.
5
Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der C. am 18. Februar 2009 war in Anwesenheit des Angeklagten seine Bestellung zum Geschäftsführer - er war bereits Geschäftsführer der weiteren T. -Tochter CO. - beschlossen worden. Die Bestellung sollte mit der förmlichen Annahme vollzogen werden. Hierzu kam es aber in Folge nicht. Bis zur Annahme war dem Angeklagten eine uneingeschränkte Generalvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden. Das Vorgehen sollte der engmaschigen Kontrolle des Geschäftsführers S. durch die T. dienen. Nachdem am 17. April 2009 S.
verstorben war, agierte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der C. .
6
Sämtliche Einkäufe und Zahlungen durch die C. wurden durch ihn genehmigt. Obwohl er wusste, dass die Mittel der C. nicht reichten, um sämtliche von ihr getätigten Bestellungen zu bezahlen, genehmigte er Bestellungen bei dem Lieferanten Al. am 5., 6., 7., 12., 15., 19., 26., 28. und 29. Mai sowie am 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12. und 16. Juni 2009 in Höhe von insge- samt 76.998,17 € und am 13. Mai 2009 bei dem Lieferanten AO. in Höhe von 60.509 €. Am 7. Juli 2009 unterbreitete der Angeklagte der Al. einen Ra- tenzahlungsvorschlag, Zahlungen erfolgten jedoch nicht.
7
Die finanziellen Verhältnisse der C. waren angespannt, die vorhan- denen Mittel „reichten nicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“. Spätes- tens ab Ende April 2009 war die C. „zahlungsunfähig“, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Er stellte dennoch zunächst keinen Insolvenzantrag. Er konnte darauf hoffen, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe finanzielle Un- terstützung der Hauptgesellschafterin A. zu erlangen“. Eine Gewähr hierfür hatte er nicht. Insolvenzantrag stellte er erst am 4. August 2009, nachdem die russischen Investoren nicht bereit waren, Geld für den T. -Konzern zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren wurde am 1. Oktober 2009 eröffnet.
8
2. a) Das Landgericht hat den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 InsO zugrunde gelegt und die Verpflichtung des Angeklagten zur Stellung des Insolvenzantrags aus § 15a Abs. 1 und Abs. 3 InsO abgeleitet. Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der C. hat es auf folgende Überlegungen gestützt:
9
Eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel im Rahmen eines Finanzplanschemas sei nicht möglich, da die Zahlen aus der Buchhaltung nicht richtig sein könnten. Die in der Summen- und Saldenliste ausgewiesenen Forderungen gegen Dritte könnten nicht richtig sein, da sie mit den zweifellos gegebenen Zahlungsschwierigkeiten der C. nicht in Einklang zu bringen seien. Vielmehr spreche das umgehende Eintreiben von Außenständen gegen das Bestehen von werthaltigen Forderungen gegenüber Dritten in Höhe von mehr als 1 Mio. €.
10
Daher sei auf die „sogenannte wirtschaftskriminalistische Methode“ abzustellen. Schon da im April 2009 „offene Verbindlichkeiten“ bestanden hätten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien, sei „im Hinblick auf BGH, Az.: IXZR 228/03 vom 12.10.2006, von Zahlungsunfähigkeit der C. auszugehen“. Maßgeblich sei zudem, dass das Geld nicht ausgereicht habe, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, was die Zahlungspläne der C. belegten. Freie Kreditlinien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine schriftliche Anfrage durch den von der Strafkammer hinzugezogenen Sachverständigen an die Gläubiger der C. habe ergeben, dass sich der Schuldenstand von 99.658,06 € im Januar 2009 auf 370.835,68 € im April 2009, auf 590.186,83 € im Mai 2009, auf 630.485,59 € im Juni 2009 und auf 698.165,50 € im Juli 2009 erhöht hätte.
11
b) Die Strafbarkeit wegen Betruges hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte spätestens ab April 2009 um die Insolvenzlage der C. gewusst bzw. damit ernsthaft gerechnet habe. Dennoch habe er die Einkäufe jeweils genehmigt. Dies sei „strafbar im Rahmen eines sogenannten Organisationsdelikts“.

II.


12
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht legt insoweit einen falschen Maßstab zugrunde; davon ausgehend sind seine Feststellungen auch lückenhaft bzw. nicht nachvollziehbar.
13
1. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN).
14
Die Feststellung derselben erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546). Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung , aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben (vgl. hierzu im Einzelnen Graf/Jäger/Wittig-Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 15a InsO Rn. 65 f. mwN).
15
Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154). Als wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche , Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. zu den Krisensignalen im Einzelnen auch Achenbach/Ransiek-Wegner, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 7. Teil 1. Kap. Rn. 93; Otte, aaO Rn. 68 mwN).
16
2. Hieran gemessen tragen die Urteilsausführungen die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht.
17
a) Soweit die Strafkammer als ausschlaggebendes wirtschaftskriminalistisches Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit wertet, dass im fraglichen Zeitraum Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, liegt dem ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Denn es handelt sich insoweit um die Grundsätze zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung. Denn dies stellt ein Ver- fahren dar, welches auf eine rückblickende Betrachtung unter Berücksichtigung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - etwa im Hinblick auf die Verbindlichkeiten - zurückgreifen kann, mithin auf eine prognostische Beurteilung gerade nicht angewiesen ist. Anders verhält es sich aber bei der Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO besteht, da nach den oben dargelegten Maßstäben insoweit eine prognostische Beurteilung erforderlich ist. Auf diesen Unterschied weist der Bundesgerichtshof in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung ausdrücklich hin (BGH, Urteil vom 12. Oktober2006 - IX ZR 228/03 Rn. 28).
18
Dass im Tatzeitraum „offene Verbindlichkeiten“ bestanden, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2009 noch nicht beglichen worden waren, ist daher kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme des zeitlich vorgelagerten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.
19
Auch im Weiteren sind keine ausreichend tragfähigen Beweisanzeichen für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Zwar kann es sich bei Kredit - und Darlehenskündigungen von Banken um ein Krisensignal handeln, die Kündigung des Darlehens in Höhe von 172.129,21 € durch die D. Bank mit Schreiben vom 10. Juni 2009 ist jedoch für sich genommen nicht hinlänglich aussagekräftig, zumal offen bleibt, ob die Forderung beglichen worden ist. Auch ist es nicht ausreichend, dass das Landgericht darlegt, die wirtschaftliche Lage sei „angespannt“ gewesen, Außenstände seien sofort eingetrieben wordenund „das Geld“ hättejedenfalls seit April 2009 nicht ausgereicht, „sämtliche Gläubiger der C. zu befriedigen“.
20
b) Soweit das Landgericht Ausführungen zu Verbindlichkeiten derC. und ihren Möglichkeiten zur Begleichung derselben macht - was jedoch der Sache nach unter die betriebswirtschaftliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit fällt - boten die Feststellungen aber ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.
21
aa) Dies gilt schon deswegen, weil die Strafkammer bei der Darstellung der Verbindlichkeiten nicht deutlich danach unterscheidet, ob es sich um nur bestehende oder auch um fällige Forderungen handelt.
22
So ist nicht festgestellt, welche konkreten fälligen Forderungen bestanden , die nicht beglichen werden konnten. Die Feststellung, dass nicht „sämtliche Gläubiger“ hätten befriedigt werden können, ersetzt das Erfordernis einer Liquiditätsbilanz nicht. So belegt der von der Strafkammer ihrer Annahme der Zahlungsunfähigkeit zugrunde gelegte Zahlungsplan vom 8. Juni 2009 gerade nicht ausreichend, dass fällige Forderungen nicht beglichen werden konnten. Danach standen der C. an diesem Tag aus dem Eingang von Zahlungen 130.000 € zur Verfügung. Diese wurden aufgewandt, um mehrere fällige Ver- bindlichkeiten in Höhe von insgesamt 111.000 € zu begleichen. Zu einer dieser Teilforderungen in Höhe von 10.000 € ist vermerkt: „Gesamt OP ca. 90.000 €“. Hieraus folgert das Landgericht als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit, dass zu- sätzlich zu den 111.000 € weitere 90.000 € nicht beglichen werden konnten. Dass es sich bei diesen 90.000 € um schon fällige und noch nicht - wiez.B. durch die Teilzahlung von 10.000 € - zumindest teilweise beglichene Forderungen handelte, ist dadurch jedoch nicht belegt. Dies - insbesondere im Zusammenhang mit der Zugrundelegung des falschen Maßstabs (vgl. oben a) - vertieft die Besorgnis, dass das Landgericht den Aspekt der Fälligkeit im Tatzeitraum nicht ausreichend in den Blick genommen und bestehende Forderungen mit fälligen Forderungen gleich gesetzt hat.
23
Vor diesem Hintergrund vermag auch die vereinzelte Feststellung, es habe sich bei der dargestellten Entwicklung der Schulden um „fällige Schulden“ gehandelt, die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend sicher zu belegen. Diesen Feststellungen mangelt es zum einen an einer nachvollziehbaren Grundlage. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass die Zahlen aus einer schriftlichen Anfrage an die Gläubiger der C. durch den Sachverständigen resultierten. Unklar bleibt jedoch, was genau Inhalt dieser Anfrage war und ob die von den Gläubigern angegebenen Forderungen tatsächlich den Schluss auf die Fälligkeit derselben im Tatzeitraum und nicht lediglich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulassen. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob eine Stundung (vgl. hierzu Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 76 Rn. 57 mwN) erfolgte, was angesichts der Feststellungen zumindest teilweise - z.B. hinsichtlich der Gläubiger CO. und Al. - durchaus nahe liegt, jedoch vom unzutreffenden Rechtsmaßstab der Strafkammer aus keine weitere Erörterung erfuhr. Bei gestundeten Forderungen handelt es sich aber nicht um fällige Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO.
24
Einen Vergleich der dergestalt „angemeldeten“ Forderungen,die nur in ihrer jeweiligen monatlichen Gesamthöhe mitgeteilt werden und eine weitere Spezifizierung vermissen lassen, mit den Erkenntnissen aus den Insolvenzunterlagen oder den Zahlen aus der Buchhaltung hat das Landgericht nicht angestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die vom Landgericht dargelegten Erkenntnisschwächen der Buchhaltungsunterlagen nicht auf Verbindlichkeiten der C. selbst bezogen sind.
25
bb) Zudem sind die Feststellungen zu den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln nicht ausreichend. Als solche kommen nämlich gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur „freie Kreditlinien“ in Betracht, sondern auch anderweitige kurzfristig herbeizuschaffende Finanzmittel.
26
Deswegen hätte in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen, dass ausweislich der Feststellungen zwei Bankkonten im gesamten Tatzeitraum noch relevantes Guthaben aufwiesen, so das Konto bei der Sp. und das bei der H. , welche zusammengenommen ein Guthaben von über 180.000 € im Mai 2009 und von über 160.000 €im Juni 2009 aufwiesen. Zudem wäre in die Betrachtung einzubeziehen gewesen, mit welchen Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der C. hinreichend sicher stichtagsbezogen zu rechnen war. Denn das Landgericht stellt schließlich fest, dass werthaltige Forderungen gegen Kunden der C. in einer Höhe von bis zu 1 Mio. € nicht auszuschließen seien. Auch die Umstände, unter denen die A. bereit gewesen wäre, Finanzmittel für die C. zur Verfügung zu stellen („zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung“, „im ‚Notfall‘“, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe“)wären näher aufzuklären und die gegebenenfalls so ermittelten Beträge in die Gegenüberstellung einzubeziehen gewesen.

III.


27
Da die Zahlungsunfähigkeit der C. nicht ausreichend belegt ist, die Feststellungen zum Betrug aber hieran anknüpfen, war die Verurteilung auch insoweit mit den Feststellungen aufzuheben. Sollte das neue Tatgericht sich abermals davon überzeugen, dass die Bestellungen durch den Angeklagten in der festgestellten Weise, mithin durch die jeweilige Genehmigung der Bestellungen betrügerisch erfolgten, so handelt es sich nicht um die Begehung eines einheitlichen Delikts, sondern um mehrere selbständige Betrugstaten.

IV.


28
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubeurteilung zu ermöglichen , hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf, auch wenn diejenigen zur faktischen Geschäftsführerschaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 StR 459/12, wistra 2013, 272) für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen sind.
29
Das neue Tatgericht wird insbesondere aufzuklären haben, inwieweit die T. zur Nachschießung von finanziellen Mitteln an die C. verpflichtet und hierzu unter Berücksichtigung der 1 Mio. €, die im April bzw. Mai 2009 von der A. an die T. geflossen ist, in der Lage war. Aufzuklären sein wird auch, ob und unter welchen Bedingungen die liquide A. zu Zahlungen bereit bzw. verpflichtet war. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 InsO auf den Antrag des Generalbundesanwalts hin.
Wahl Graf Jäger
Cirener Radtke

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 250/09
vom
27. August 2009
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1; StPO § 353 Abs. 1
Die Aufhebung eines tatrichterlichen Urteils durch das Revisionsgericht allein im
Strafausspruch erfasst grundsätzlich nicht die Frage der Kompensation einer bis zur
revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.
BGH, Urt. vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09 - LG Hannover
wegen besonders schwerer Vergewaltigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Februar 2009 im Ausspruch über die Entschädigung für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgehoben; der Ausspruch entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen besonders schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als verbüßt gelten. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten , auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, das Landgericht habe zu Unrecht einen Teil der verhängten Strafe als vollstreckt angesehen. Das trotz des umfassenden Aufhebungsantrags ausweislich der Revisionsbegründung wirksam auf den Kompensationsausspruch beschränkte (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09) Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Die angefochtene Kompensationsentscheidung kann nicht bestehen bleiben; denn ihr steht die auch insoweit eingetretene Teilrechtskraft des in die- sem Verfahren zuvor ergangenen landgerichtlichen Urteils vom 15. Februar 2008 entgegen.
3
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 15. Februar 2008 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision hatte der Angeklagte unter anderem mit einer Verfahrensrüge einen Verstoß gegen Art. 6 MRK geltend gemacht, weil das Verfahren durch unzureichende Ermittlungen des Aufenthalts der Geschädigten durch die Polizeibehörden rechtsstaatswidrig verzögert worden sei; dies habe das Landgericht im Urteil feststellen und festlegen müssen, welcher Teil der Strafe zur Kompensation als vollstreckt gelte. Der Generalbundesanwalt hatte beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, und ausgeführt , die dargestellte Verfahrensrüge sei weder in der erforderlichen Form erhoben noch in der Sache begründet. Mit einer weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandung hatte der Angeklagte gerügt, dass ein auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit gerichteter Beweisantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Auf diese Rüge hatte der Senat mit Beschluss vom 7. August 2008 (3 StR 274/08) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB unterblieben war aufgehoben sowie die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision hatte er verworfen.
5
Nach der Zurückverweisung hat das Landgericht das nunmehr von der Staatsanwaltschaft im Kompensationsausspruch angegriffene Urteil erlassen.
Die nach seiner Ansicht gegebene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es damit begründet, dass die Polizeibehörden während des Ermittlungsverfahrens den Aufenthaltsort der Geschädigten nicht intensiv genug ermittelt hätten.
6
2. Das Landgericht durfte die angefochtene Kompensationsentscheidung nicht treffen. Hierzu gilt:
7
Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 353 Rdn. 32). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach der Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Wohlers in SK-StPO § 354 Rdn. 87). Hieraus folgt etwa, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Tatfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird und weitere Rechtsfolgen, auf die das Tatgericht erkannt hat, von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind. Dies richtet sich nach den für die Rechtsmittelbschränkung geltenden Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 353 Rdn. 8) und kann etwa der Fall sein bei Einziehungs- (vgl. BGH, Beschl. vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98 Rdn. 5) sowie Unterbringungsanordnungen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1980, 454 f.; NStZ 1982, 483) oder sonstigen Maßregeln wie der Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Juli 1983 - 3 StR 215/83 Rdn. 4 ff.). Maßgebend für den Umfang der Aufhebung ist die Formulierung im Urteilstenor bzw. der Beschlussformel der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Die Aufhebung des Strafausspruchs betrifft regelmäßig nur die Strafe, die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs die gesamten Rechts- folgen der Tat (vgl. Kuckein aaO Rdn. 21 m. w. N.; weitergehend für § 76 a StGB aF noch BGHSt 14, 381, 382).
8
Nach diesen Maßstäben erfasst die Aufhebung allein des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich die Frage eines Ausgleichs für eine bis dahin eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht; vielmehr tritt insoweit horizontale (Teil-)Rechtskraft ein. Zwar wurde nach der früheren Rechtsprechung die übermäßige und von dem Angeklagten nicht zu vertretende Verzögerung des Verfahrens bei der Strafzumessung berücksichtigt. Demgemäß umfasste damals die Aufhebung eines tatgerichtlichen Urteils im Strafausspruch auch die Frage der Kompensation eines rechtsstaatswidrigen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Jedoch hat der Große Senat für Strafsachen dieses sog. Strafabschlagsmodell mit seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (BGHSt 52, 124) aufgegeben und es durch die sog. Vollstreckungslösung ersetzt. Danach ist der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nunmehr getrennt und unabhängig von der Strafzumessung vorzunehmen. Er lässt die Frage des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe unberührt und stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 a). Deshalb sind der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich je für sich auf Rechtsfehler überprüfbar (vgl. BGH, Urt. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09 Rdn. 27). Hieraus folgt im Einzelnen:
9
Enthält ein landgerichtliches Urteil - wie hier die ursprüngliche Entscheidung der Strafkammer vom 15. Februar 2008 - keine Kompensationsentscheidung für eine bis zur Urteilsverkündung eingetretene Verzögerung, kann der Angeklagte, wenn er dies für rechtsfehlerhaft hält, sich hiergegen mit seiner Revision wenden. Zu diesem Zweck muss er grundsätzlich - wenn sich die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht bereits aus den Urteilsgründen ergibt und deshalb mit der Sachrüge zur Prüfung durch das Revisionsgericht gestellt werden kann (vgl. BGHSt 49, 342) - eine Verfahrensrüge erheben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 50, 56). Dringt er wie hier mit seiner Beanstandung nicht durch, und hebt das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit auch nicht wegen einer erheblichen Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auf eine zulässige Revision von Amts wegen auf (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 320), steht rechtskräftig fest, dass der Angeklagte nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 MRK vor Ergehen der Revisionsentscheidung zu entschädigen ist. Gleiches gilt, wenn das Revisionsgericht das erstinstanzliche Urteil neben dem Strafausspruch aufhebt, soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist; denn die Frage, ob eine solche Maßregel anzuordnen ist, berührt die Kompensation wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Es liegt zudem nahe, dass die vorgenannten Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn der Angeklagte keine Verfahrensrüge erhoben hat und für das Revisionsgericht auch sonst kein Anlass besteht, die Frage der Verfahrensverzögerung ausdrücklich in den Blick zu nehmen; denn diese Umstände sind für den Eintritt und die Wirkungen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung grundsätzlich ohne Belang.
10
Dem neuen Tatrichter ist es deshalb verwehrt, dem Angeklagten nach der Teilaufhebung eines Urteils ausschließlich im Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist allein wegen eines zeitlich vor der Entscheidung des Revisionsgerichts liegenden Verstoßes gegen Art. 6 MRK eine Entschädigung zuzusprechen; er hat vielmehr lediglich neu über die Strafzumessung und den Maßregelausspruch zu befinden. Daneben hat er, sofern hierzu Anlass besteht, allerdings zu prüfen und zu entscheiden, ob nach der Entscheidung des Revisionsgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten und zu kompensieren ist; denn der Umstand, dass eine Entschädigungspflicht wegen eines bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung gegebenen Verstoßes gegen Art. 6 MRK nicht besteht, schließt es nicht aus, dass eine Kompensation aufgrund einer erst danach aufgetretenen Verzögerung ausgesprochen werden kann. Diese Frage hat das Tatgericht nach den insoweit allgemein geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BGHSt 52, 124, 146 ff.); demgemäß hat es bei seiner Bewertung das gesamte Verfahren und damit auch diejenigen Teile in den Blick zu nehmen, die vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen. Diese Gesamtbetrachtung ist ihm nicht deshalb verschlossen, weil bereits rechtskräftig entschieden ist, dass dem Angeklagten allein aufgrund von Umständen, die zeitlich vor der revisionsgerichtlichen Entscheidung liegen, kein Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu gewähren ist.
11
Aus alldem ergibt sich, dass die nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur sog. Vollstreckungslösung ergangene teilweise Aufhebung des landgerichtlichen Urteils durch den Beschluss des Senats vom 7. August 2008 die Frage der Entschädigung des Angeklagten für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung in der Zeit bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung nicht betroffen hat; insoweit ist vielmehr (Teil-)Rechtskraft eingetreten. Das Landgericht durfte deshalb nach der Zurückverweisung der Sache nicht einen - vermeintlichen - Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot im Ermittlungsverfahren kompensieren. Der entsprechende Ausspruch muss somit entfallen; dies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entschieden.
12
3. Der Senat hat deshalb nicht mehr in der Sache zu entscheiden, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung tragen. Die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils geben jedoch Anlass zu bemerken, dass nicht jedes Versäumnis der Ermittlungsbehörden einen zu kompensierenden Verstoß gegen Art. 6 MRK zu begründen vermag. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese wie hier nicht völlig untätig waren und der Vorwurf allein dahin geht, sie hätten möglicherweise noch intensiver ermitteln können. Der Senat neigt dazu, in solchen Fällen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Kompensation von Verfahrensverzögerungen , die allein durch eine auf die Revision des Angeklagten erfolgte Aufhebung des tatgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache entstehen (vgl. BGH NStZ 2009, 104) - allenfalls bei ganz erheblichen, kaum verständlichen Ermittlungsfehlern in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne gravierende Versäumnisse hat das Landgericht nicht festgestellt. Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 206/11
vom
25. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
25. Oktober 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 31. Januar 2011, soweit es ihn betrifft, aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 1. c) Fall 30 (Fallakte 85) und II. 1. c) Fall 32 (Fallakte 87) der Urteilsgründe ;
b) im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe in den Fällen II. 1. c) Fall 2 (Fallakte 6), II. 1. c) Fall 29 (Fallakte 84) und II. 1. c) Fall 34 (Fallakte 94 bzw. 95) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen und Beihilfe zur Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie bestimmt, dass von dieser acht Monate wegen "überlanger Verfahrensdauer" als vollstreckt gelten. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zur Untreue in den Fällen II. 1. c) Fall 30 (Fallakte 85) und II. 1. c) Fall 32 (Fallakte 87) der Urteilsgründe hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen in diesen Fällen kein Hilfeleisten des Angeklagten im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB zu den von dem Mitangeklagten N. begangenen Haupttaten.
3
Nach ständiger Rechtsprechung ist als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 16. November2006 - 3 StR 139/06, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 27). Eine solche Unterstützung kann auch in der Form der psychischen Beihilfe geleistet werden. Voraussetzung ist dann allerdings ein konkreter Tatbeitrag des Gehilfen, durch den der Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt wird. Die Annahme allein psychischer Beihilfe bedarf genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen sowie gegebenenfalls zu einer konkludenten Verständigung zwischen Haupttä- ter und diesem. Zudem ist eine Beihilfe nach Beendigung der Haupttat ausgeschlossen ; möglich sind dann allenfalls Anschlussdelikte nach den §§ 257 ff. StGB (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 27 Rn. 6, 10 jeweils mwN). Gemessen hieran tragen die Urteilsgründe die Annahme einer Beihilfe nicht.
4
a) Im Fall II. 1. c) Fall 30 (Fallakte 85) der Urteilsgründe war die ursprüngliche Haupttat im Jahr 2004 vollendet und beendet; denn mit der Auszahlung bzw. Überweisung des Darlehensbetrages auf das Konto des als Darlehensnehmer vorgeschobenen B. sowie an den Notar H. war bei der geschädigten D. Bank ein endgültiger Vermögensverlust eingetreten. Der Angeklagte erstellte erst nach diesem Zeitpunkt eine unrichtige Verdienstbescheinigung für B. . Die Handlung des Angeklagten könnte sich deshalb allenfalls fördernd im Sinne einer Beihilfe auf die Erhöhung des Darle- hensbetrages von 200.000 € auf 215.000 € Mitte des Jahres 2005 ausgewirkt haben; Näheres zu dieser möglichen Haupttat sowie dem Einfluss der unzutreffenden Verdienstbescheinigung hierauf lässt sich den Feststellungen jedoch nicht entnehmen.
5
b) Soweit die Strafkammer in beiden genannten Fällen im Übrigen darauf abstellt, der Angeklagte habe den Haupttäter N. psychisch unterstützt, belegen die Feststellungen ein tatbestandsmäßiges Hilfeleisten gemäß § 27 Abs. 1 StGB ebenfalls nicht. Danach handelte der Haupttäter N. bei der Beschaffung der Kredite, die letztlich der A. GmbH zukommen sollten, "in Absprache" mit dem Angeklagten sowie dem Mitangeklagten Ha. . Der Inhalt dieser "Absprache" bleibt allerdings im Dunkeln. Die Feststellungen lassen deshalb - entgegen der von der Strafkammer im Rahmen der rechtlichen Würdigung vorgenommenen Wertung - nicht erkennen, auf welche konkrete Weise gerade der Angeklagte den Tatentschluss des N. bestärkte, den Finanzbe- darf der A. GmbH auf unlautere Weise zu decken. Allein die Einbindung des Angeklagten in das von N. errichtete Firmengeflecht reicht hierfür nicht aus.
6
2. In den Fällen II. 1. c) Fall 2 (Fallakte 6), II. 1. c) Fall 29 (Fallakte 84) und II. 1. c) Fall 34 (Fallakte 94 bzw. 95) der Urteilsgründe, in denen das Landgericht den Angeklagten ebenfalls wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt hat, begegnet der Strafausspruch durchgreifenden materiellrechtlichen Bedenken. In diesen Fällen ist die Strafkammer - rechtsfehlerfrei - jeweils von einem besonders schweren Fall nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen. Sie hat den sich hieraus ergebenden Strafrahmen sodann gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Jedoch hat sie rechtsfehlerhaft eine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gezogen.
7
a) Die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB. Bei einem Gehilfen, der - wie der Angeklagte - im Zeitpunkt der Unterstützungshandlung nicht selbst in einem Treueverhältnis zu der Geschädigten steht, ist eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu erörtern, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen des Fehlens des Treueverhältnisses Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 1988 - 2 StR 111/88, BGHR StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 2; Beschluss vom 1. März 2005 - 2 StR 507/04, NStZ-RR 2006, 109; Beschluss vom 26. November 2008 - 5 StR 440/08, NStZ-RR 2009, 102).
8
b) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob das Landgericht den Tatbeitrag des Angeklagten an sich nur als den eines Gehilfen gewertet oder ob es den Angeklagten nur deshalb als Gehilfen angesehen hat, weil er nicht in einem Treueverhältnis zu der Geschädigten stand. § 28 Abs. 1 StGB findet in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung.
9
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass die in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen. Er hält eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO nicht für angezeigt. Aufgrund der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs sowie der Einzelstrafen hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand. Die Strafzumessungstatsachen, die das Landgericht festgestellt hat, werden allerdings von den dargelegten Rechtsfehlern nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.
10
3. Die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Urteils nicht erfasst (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135). Der Angeklagte ist durch die rechtsfehlerhaft überhöhte Entschädigung - acht Monate Freiheitsstrafe bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und drei Monaten - nicht beschwert. Mit Blick auf die Ausführungen der Revision und des Generalbundesanwalts weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die Höhe der im Falle einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu gewährenden Entschädigung sich nicht nach der Höhe der Strafe richtet, auf die das Tatgericht erkannt hat. Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht vielmehr von vornherein von Fragen des Tatunrechts , der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (vgl. schon BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138; s. auch BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, aaO, 138).
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/07
vom
17. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert
worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter
näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle
der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen,
dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil
der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - Landgericht Oldenburg
wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Basdorf, die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Miebach,
Dr. Wahl, Dr. Bode, Prof. Dr. Kuckein, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Gerhardt sowie die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz und Becker am
17. Januar 2008 beschlossen:
Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist anstelle der bisher gewährten Strafminderung in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.

Gründe:


I.

1
Die Vorlage des 3. Strafsenats betrifft die Frage, in welcher Weise es im Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen ist, wenn Strafverfolgungsbehörden das Verfahren gegen den Angeklagten in rechtsstaatswidriger Weise verzögert haben.
2
1. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Strafsache gegen F. (3 StR 50/07) über die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Re- vision der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Mit ihrem Rechtsmittel beanstandet es die Revisionsführerin als sachlichrechtlichen Mangel, dass das Landgericht zum Ausgleich für eine von ihm zu verantwortende Verzögerung des Verfahrens gegen den Angeklagten auf eine Strafe erkannt hat, die das gesetzliche Mindestmaß unterschreitet.
3
Der Angeklagte hatte einen im Eigentum seiner Mutter stehenden, aber maßgeblich von ihm geleiteten Landgasthof in Brand gesetzt, um Leistungen aus der von seiner Mutter für den Betrieb abgeschlossenen Gebäude-, Inventar - und Ertragsausfallversicherung zu erlangen. Er hatte den Schadensfall der Versicherung gemeldet, diese hatte jedoch keine Zahlungen geleistet.
4
Wegen dieses Sachverhalts hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten der besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und des versuchten Betruges (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB) schuldig gesprochen und auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs hat das Landgericht zunächst festgestellt, dass das Verfahren in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Weise verzögert worden sei, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 5. Oktober 2004 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24. Mai 2006 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Es hat sodann dargelegt, dass ohne Berücksichtigung dieser Verfahrensverzögerung zur Ahndung der besonders schweren Brandstiftung die in § 306 b Abs. 2 StGB vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe angemessen sei. Da § 306 b StGB keinen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle vorsehe, sei ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung innerhalb des gesetzlich eröffneten Strafrahmens nicht möglich. Daher sei, um dem Angeklagten die verfassungsrechtlich gebotene Kompensation für die Verletzung des Beschleunigungsgebots zu gewähren, eine Strafrahmenverschiebung in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen. Das Landgericht hat demgemäß den Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB nach den Maßstäben des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Nr. 3 StGB gemildert und sodann zur Kompensation der Verfahrensverzögerung statt der an sich verwirkten Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren eine solche von drei Jahren und zehn Monaten festgesetzt.
5
Für den versuchten Betrug hat es an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr für angemessen erachtet, wegen der überlangen Verfahrensdauer jedoch auf eine solche von sechs Monaten erkannt. Unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und zehn Monaten hat es sodann eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt; ohne die jeweiligen Strafabschläge hätte es eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet.
6
2. Diese Strafzumessung hält der 3. Strafsenat für rechtsfehlerhaft. Er beabsichtigt, auf die Revision der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im gesamten Strafausspruch aufzuheben.
7
a) Hierbei will er es allerdings im Ausgangspunkt nicht beanstanden, dass das Landgericht im Hinblick auf die zwischen der Anklageerhebung und dem Eröffnungsbeschluss verstrichene Zeit einen von der Justiz zu verantwortenden Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensbeschleunigung angenommen und die sich hieraus ergebende Verzögerung des Verfahrens - wenn auch nicht ausdrücklich ziffernmäßig, so doch nach dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen - auf etwa ein Jahr und sechs Monate bemessen hat. Auch sieht er keinen Verstoß gegen Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung dadurch begründet, dass das Landgericht als Ausgleich für diese Verfahrensverzögerung die für den versuchten Betrug eigentlich als angemessen erachtete Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr um die Hälfte reduziert und auf sechs Monate festgesetzt hat. Ebensowenig liege ein revisibler Bewertungsfehler des Landge- richts darin, dass dieses für das Brandstiftungsdelikt ohne Berücksichtigung der Verzögerung auf die Mindeststrafe von fünf Jahren erkannt hätte.
8
Als berechtigt erachtet der 3. Strafsenat dagegen die Rüge der Revision, das Landgericht habe zur Gewährleistung eines Ausgleichs für die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht das gesetzliche Mindestmaß der für das Brandstiftungsdelikt angedrohten Freiheitsstrafe unterschreiten dürfen. Die vom Landgericht vorgenommene entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB hält er für rechtlich nicht zulässig. Er vertritt die Auffassung, die gebotene Kompensation für den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei insoweit vielmehr in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Weise vorzunehmen , dass auf die Mindeststrafe als angemessene Strafe zu erkennen und in der Urteilsformel gleichzeitig auszusprechen sei, dass ein bestimmter Teil der Strafe, der dem gebotenen Ausmaß der Kompensation entspricht, als vollstreckt gilt (Vollstreckungslösung).
9
b) Hinsichtlich der Einzelstrafe für die besonders schwere Brandstiftung in dieser Weise zu entscheiden, sieht sich der 3. Strafsenat weder durch Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs noch durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gehindert. Ob es möglich wäre, aus der reduzierten Einzelstrafe für den versuchten Betrug und einer teilweise für vollstreckt erklärten Einzelstrafe für das Brandstiftungsdelikt in stimmiger Weise eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat der 3. Strafsenat offen gelassen. Denn er ist der Auffassung, dass die durch vorliegende Sonderkonstellation aufgeworfenen Rechtsfragen und das von ihm zu deren Lösung befürwortete Modell Anlass zu einer generellen Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung geben. Diese Prüfung ergebe, dass sich die Vollstreckungslösung allgemein stimmiger in das Rechtsfolgensystem des Strafgesetzbuchs einfüge und der an sich angemessenen Strafe die Funktion belasse, die ihr in daran anknüpfenden Folge- regelungen inner- und außerhalb des Strafrechts zukomme. Er möchte daher dieses Modell generell anwenden und demgemäß auch den Einzelstrafausspruch wegen des versuchten Betruges aufheben. Daher beabsichtigt er zu entscheiden: Ist der Abschluss eines Strafverfahrens rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes berücksichtigt werden muss, so ist der Angeklagte gleichwohl zu der nach § 46 StGB angemessenen Strafe zu verurteilen; zugleich ist in der Urteilsformel auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt.
10
Da hiermit eine Abkehr von einer bisher einhelligen Rechtsprechung verbunden wäre, hat er dem Großen Senat für Strafsachen die Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts zur Entscheidung vorgelegt (BGH NJW 2007, 3294).
11
3. Der Generalbundesanwalt hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats angeschlossen.

II.

12
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 132 Abs. 4 GVG sind gegeben.
13
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Die Ansicht des 3. Strafsenats, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht es für erforderlich erachtet habe, die Verzögerung des Verfahrens zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluss auf der Rechtsfolgenseite zugunsten des Angeklagten auszugleichen, und hierfür hinsichtlich des Brandstiftungsdelikts innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens keine hinreichende Möglichkeit gesehen habe, ist vertretbar. Auf dieser Grundlage hängt die Revisionsentscheidung davon ab, wie die vorgelegte Rechtsfrage zu beantworten ist. Diese hat auch grundsätzliche Bedeutung. Verstöße der Strafverfolgungsorgane gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung sind in zunehmendem Maße festzustellen ; die Gründe hierfür hat der Große Senat an dieser Stelle nicht zu erörtern. Die Frage, welche Folgen aus derartigen Verstößen zu ziehen sind, ist regelmäßig Gegenstand tatrichterlicher und revisionsgerichtlicher Entscheidungen. Eine einheitliche Handhabung durch entsprechende Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher geboten. Vor diesem Hintergrund erstrebt die Vorlage eine Fortbildung des Rechts; denn sie zielt auf die Festlegung neuer Auslegungsgrundsätze, als deren Folge sich ein von der bisherigen Handhabung abweichendes rechtliches Modell für die Kompensation von Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs ergäbe.

III.

14
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die ihm unterbreitete Rechtsfrage im Ergebnis im Sinne des Vorlegungsbeschlusses.
15
Zwar führt das bisher in der Rechtsprechung praktizierte Modell, dem Angeklagten als Ausgleich für einen rechtsstaatswidrigen Verstoß gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung einen bezifferten Abschlag auf die an sich verwirkte Strafe zu gewähren, im Regelfall zu einer Kompensation dieses Verstoßes , die nicht nur mit den Vorgaben des Grundgesetzes und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK), sondern auch mit dem nationalen deutschen Straf- und Strafprozess- recht in Einklang steht. Jedoch stößt dieses Modell in besonders gelagerten Fällen an gesetzliche Grenzen. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann die Gewährung der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Kompensation durch Strafabschlag zu Ergebnissen führen, die den einfachgesetzlichen Rahmen des Strafzumessungsrechts sprengen. Hierdurch wird jedoch die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) berührt, die durch das StGB vorgegebene Grenzen der Strafenfindung zu achten haben. Deren Überschreitung könnte aus übergeordneten rechtlichen Gesichtspunkten nur dann gerechtfertigt werden, wenn keine andere Möglichkeit der Kompensation zur Verfügung stünde , die die Grundsätze des Strafzumessungsrechts des StGB unberührt lässt. Eine solche liegt mit der Vollstreckungslösung indes vor. Der Große Senat hält daher einen Wechsel zu diesem Modell für geboten. Dies gilt auch deshalb, weil diese Form der Entschädigung gemäß den Vorgaben der MRK, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) präzisiert worden sind, im Gegensatz zur bisherigen Verfahrensweise in allen Fällen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eine Kompensation ermöglicht. Die Vollstreckungslösung genügt auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
16
Unabhängig hiervon hat die Vollstreckungslösung gegenüber dem Strafabschlagsmodell weitere Vorzüge, die für die Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen einen Systemwechsel angezeigt erscheinen lassen. Durch die Trennung von Strafzumessung und Entschädigung belässt sie der unrechts- und schuldangemessenen Strafe die ihr in strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Folgebestimmungen beigelegte Funktion. Darüber hinaus vereinfacht sie die Rechtsfolgenbestimmung.
17
Im Einzelnen:
18
1. Weder die Strafprozessordnung noch das Strafgesetzbuch enthalten Regelungen dazu, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ein Strafverfahren aus Gründen verzögert wird, die im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Nach dessen Auffassung war eine gesetzliche Verankerung des Beschleunigungsgebots in der Strafprozessordnung entbehrlich, weil bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK die Strafverfolgungsorgane hinreichend zu einer zügigen Durchführung von Ermittlungs- und Strafverfahren verpflichte. Der Beschleunigungsgrundsatz sei daher dem deutschen Strafverfahrensrecht auch ohne ausdrückliche Regelung immanent. Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde ließen es ebenfalls nicht zu, den Beschuldigten länger als unvermeidbar in der Drucksituation des Strafverfahrens zu belassen. Wie der Grundsatz zügiger Verfahrenserledigung inhaltlich näher zu präzisieren sei und welche Folgen an seine Verletzung anzuknüpfen seien, müsse der Klärung durch Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen werden (vgl. den Entwurf der Bundesregierung vom 2. Mai 1973 für das 1. StVRG, BT-Drucks. 7/551 S. 36 f.).
19
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Hinzu tritt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 MRK, wonach jede Person, die aus Anlass eines gegen sie geführten Strafverfahrens von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat; wird dieser Anspruch verletzt, so kann sie verlangen, während des Verfahrens (aus der Haft) entlassen zu werden. Regelungen darüber , welche sonstigen Konsequenzen aus einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung und Urteil innerhalb angemessener Frist zu ziehen sind, enthält die MRK nicht. Jedoch bestimmt Art. 13 MRK, dass jede Person, die in ihren in der Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben , auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
20
2. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung vertreten, die Verletzung des Anspruchs des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auf zügige Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens begründe zwar kein Verfahrenshindernis, sei jedoch bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Der Spielraum, den das Gesetz insoweit gewähre , reiche aus, um den Belastungen, denen der Angeklagte durch das unangemessen zögerlich geführte Verfahren ausgesetzt gewesen sei, in hinreichender Weise Rechnung zu tragen (BGHSt 24, 239, 242; 27, 274, 275 f.; BGH NStZ 1982, 291, 292 m. w. N.). Dies könne in den gesetzlich vorgesehenen Fällen bis zum Absehen von Strafe, bei Verfahren wegen Vergehen aber auch zur deren Einstellung gemäß § 153 StPO führen; auch ein Gnadenerweis sei in Betracht zu ziehen (BGHSt 24, 239, 242 f.).
21
Danach war es ausreichend, den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK als bestimmenden Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Abwägung der sonstigen strafmildernden und -schärfenden Aspekte selbständig , auch neben dem schon für sich mildernden Umstand eines langen Zeitraums zwischen Tat und Urteil, zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1983, 167; 1986, 217, 218; 1987, 232 f.; 1988, 552; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 2).
22
Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof später im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts modifiziert.
23
a) Der EGMR hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1982 (E. ./. Bundesrepublik Deutschland - EuGRZ 1983, 371 ff. m. Anm. Kühne) in zwei gegen die dortigen Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden festgestellt. Hieran anknüpfend hat er es in dem einen der beanstandeten Verfahren nicht als hinreichenden Ausgleich zugunsten der Beschwerdeführer erachtet , dass diesen die Verzögerungen bei der Strafzumessung des landgerichtlichen Urteils ausdrücklich strafmildernd zugute gehalten worden waren; dies sei nicht geeignet, den Beschwerdeführern ihre Opfereigenschaft im Sinne des Art. 25 MRK aF (= Art. 34 MRK nF) zu nehmen, da das Urteil keine hinreichenden Hinweise enthalte, die eine Überprüfung der Berücksichtigung der Verfahrensdauer unter dem Gesichtspunkt der Konvention erlaubten (EGMR EuGRZ 1983, 371, 381). In dem anderen Verfahren gelte das Gleiche, soweit dieses schließlich gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei; denn der Einstellungsbeschluss enthalte keinen Hinweis auf eine Berücksichtigung der Verfahrensverzögerungen (aaO S. 382). Zu der Frage, wie die vermissten "Hinweise" hätten ausgestaltet sein müssen und welche inhaltlichen Anforderungen an die den Beschwerdeführern zu gewährende Kompensation zu stellen gewesen wären, um den Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch im Rahmen des nationalen Rechts auszugleichen, äußert sich die Entscheidung nicht.
24
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt eine von den Justizbehörden zu verantwortende erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens den Beschuldigten auch in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie - wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet - in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Ein Strafverfahren von überlanger Dauer könne den Beschuldigten - insbesondere dann, wenn die Dauer durch vermeidbare Verzögerungen seitens der Justizorgane bedingt sei - zusätzlichen fühlbaren Belastungen aussetzen, die in ihren Auswirkungen der Sanktion selbst gleich kämen. Mit zunehmender Verzögerung des Verfahrens gerieten sie in Widerstreit zu dem aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleiteten Grundsatz, dass die Strafe verhältnismäßig sein und in einem gerechten Verhältnis zum Verschulden des Täters stehen müsse (BVerfG - Kammer - NJW 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; NStZ 2006, 680, 681 = JR 2007, 251 m. Anm. Gaede; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 1992, 2472, 2473 für das Ordnungswidrigkeitenverfahren). So, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhalte, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel der Strafverfolgung und der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen, verpflichte er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zur Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (BVerfG - Kammer - NJW 2003, 2225; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247; vgl. BVerfG - Kammer - NJW 2005, 3485 zum weiteren Vollzug der Untersuchungshaft).
25
Solange es an einer gesetzlichen Regelung fehle, seien die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zunächst in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts zu ziehen. Komme eine angemessene Reaktion auf solche Verfahrensverzögerungen mit vorhandenen prozessualen Mitteln (§§ 153, 153 a, 154, 154 a StPO) nicht in Frage, so sei eine sachgerechte, angemessene Berücksichtigung im Rechtsfolgenausspruch, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglicherweise durch Absehen von Strafe oder Verwarnung mit Strafvorbehalt, jenseits davon bei der Strafzumessung wie auch gegebenenfalls bei der Strafaussetzung zur Bewährung und bei der Frage der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung regelmäßig verfassungsrechtlich gefordert , aber auch ausreichend (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967). Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung müsse sich bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im Extrembereich zum Vorliegen eines unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot herzuleitenden Verfahrenshindernisses führe. Dabei liege es schon im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und dessen Auslegung durch den EGMR nahe, erscheine aber auch mit Blick auf die Bedeutung der vom Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes geforderten Verfahrensbeschleunigung angezeigt, dass die Fachgerichte der Strafgerichtsbarkeit, wenn sie die gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen, dabei die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich feststellen und das Ausmaß der Berücksichtigung dieses Umstands näher bestimmen (BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3255; 1995, 1277 f.; 2003, 2225 f.; 2003, 2897; BVerfGK 2, 239, 247 f.).
26
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dahin präzisiert , dass es nicht genüge, die Verletzung des Beschleunigungsgebots als eigenständigen Strafmilderungsgrund festzustellen und zu berücksichtigen. Vielmehr sei das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe durch Vergleich mit der ohne Berücksichtigung der Verzögerung angemessenen Strafe exakt zu bestimmen (BVerfG - Kammer - NStZ 1997, 591).
27
c) An diese Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts anknüpfend haben die Strafsenate des Bundesgerichtshofs ihre ursprüngliche Spruchpraxis geändert: Ist ein Strafverfahren unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK und rechtsstaatliche Grundsätze durch die Strafverfolgungsorgane verzögert worden, so hat der Tatrichter nach der neueren Rechtsprechung zunächst stets Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursache konkret festzustellen und - falls dies zum Ausgleich der vom Beschuldigten erlittenen Belastungen nicht ausreichend ist und andere rechtliche Folgen (Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgründen oder wegen eines Verfahrenshindernisses ) nicht in Betracht kommen - in einem zweiten Schritt das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (s. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 12; BGH NJW 1999, 1198, 1199; NStZ-RR 2000, 343; StV 1998, 377; 2002, 598; wistra 1997, 347; 2001, 177; 2002, 420; StraFo 2003, 247). Dies gilt bei der Bildung einer Gesamtstrafe (§ 54 Abs. 1 StGB) nicht nur für diese, sondern auch für alle zugrunde liegenden Einzelstrafen, soweit das Verfahren hinsichtlich der entsprechenden Taten verzögert worden ist (vgl. BGH NStZ 2002, 589). Der Tatrichter hat somit in den Urteilsgründen für jede Einzeltat zwei Strafen auszuweisen, was sich aus Gründen der Klarheit auch für die Gesamtstrafe empfiehlt (vgl. BGH NStZ 2003, 601). In die Urteilsformel ist allein die reduzierte Strafe aufzunehmen. In welchem Umfang sich dabei der Konventionsverstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, namentlich auch nach dem - durch die Belastungen des verzögerten Verfahrens geminderten - Maß der Schuld des Angeklagten (vgl. BGHSt 46, 159, 174; s. auch BGH NStZ 1996, 506; 1997, 543, 544; StV 2002, 598).
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3. An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten.
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a) Der Bundesgerichtshof hat im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3 GG) stets - ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach - daran festgehalten, dass die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den Mitteln vorzunehmen ist, die das Straf- oder Strafverfahrensrecht dem Rechtsanwender zur Verfügung stellen. So kommt beispielsweise die Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153 a StPO nur in Betracht , wenn sich der Angeklagte keines Verbrechens schuldig gemacht hat (vgl. BGHSt 24, 239, 242). Ebenso ist ein Ausgleich für die Verfahrensverzögerung durch Strafreduzierung, Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) oder Absehen von Strafe (§ 60 StGB) nur in den Grenzen zulässig, die das Strafgesetzbuch insoweit jeweils setzt (s. BGHSt 27, 274 zu § 59 StGB). Von der ge- setzlich vorgeschriebenen Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe kann aus Kompensationsgründen nicht abgesehen werden (BGH NJW 2006, 1529, 1535; ob hiervon in extremen Fällen Ausnahmen denkbar sind, ist dort offen gelassen worden). All dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG - Vorprüfungsausschuss - NJW 1984, 967; BVerfG - Kammer - 1993, 3254, 3256; 2003, 2897, 2899; NStZ 2006, 680, 681).
30
In Fällen, in denen eine Kompensation nur durch eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafen möglich wäre, gerät die bisher von der Rechtsprechung angewandte Strafabschlagslösung jedoch an ihre Grenzen und läuft Gefahr, das Rechtsfolgensystem des StGB in Frage zu stellen. Dieser Konflikt zwischen Straf- und Strafprozessrecht auf der einen und verfassungs- sowie konventionsrechtlichen Vorgaben auf der anderen Seite muss in einer Weise aufgelöst werden, welche die Bindung der Gerichte an die einfachgesetzlichen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung so weit wie möglich respektiert. Im Bereich der Strafzumessung bedeutet dies, dass die gesetzliche Untergrenze der angedrohten Strafe nur dann unterschritten werden darf, wenn keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, das vom Angeklagten erlittene Verfahrensunrecht in einer nach den Maßstäben des Grundgesetzes und der MRK hinreichenden Weise auszugleichen.
31
Diese Möglichkeit ist mit dem Vollstreckungsmodell jedoch vorhanden, das seine rechtlichen Grundlagen in den Bestimmungen der MRK und deren Entschädigungsprinzip findet sowie den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB fruchtbar macht (s. unten). Indem es die Kompensation für die von staatlichen Stellen verursachten Verfahrensverzögerungen in einem gesonderten Schritt nach der eigentlichen Strafzumessung vornimmt, respektiert es im Ausgangspunkt die im Gesetz vorgegebenen Mindeststrafen, die nach der Bewertung des Gesetzgebers auch im denkbar mildesten Fall noch einen angemessenen Schuldausgleich gewährleisten (vgl. Kutzner StV 2002, 277, 278). Gleichzeitig eröffnet es die Möglichkeit, die gebotene Entschädigung des Angeklagten für das von ihm erlittene Verfahrensunrecht dennoch zu leisten. Dies gilt selbst im Falle einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sollte hier ausnahmsweise eine Kompensation einmal geboten sein (vgl. BGH NJW 2006, 1529, 1535), so könnte sie durch Anrechnung auf die Mindestverbüßungsdauer im Sinne des § 57a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgenommen werden. Die Vollstreckungslösung erübrigt damit von vornherein Überlegungen, ob für besondere Ausnahmefälle ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe oder gar ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe (vgl. BGH StV 2002, 598; NJW 2006, 1529, 1535) in Betracht gezogen werden muss, sei es in der Form eines „Härteausgleichs“ (s. für den Fall der nicht - mehr - möglichen Gesamtstrafenbildung BGHSt 31, 102, 104 m. Anm. Loos NStZ 1983, 260; vgl. auch BGHSt 36, 270, 275 f.), sei es durch eine Strafrahmenverschiebung in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 oder 2 StGB (s. Krehl ZIS 2006, 168, 178 f.; StV 2006, 408, 412; Hoffmann-Holland ZIS 2006, 539 f.), wie dies der Bundesgerichtshof in Ausnahmefällen für zulässig erachtet hat, wenn die Verhängung der von § 211 StGB vorgeschriebenen lebenslangen Freiheitsstrafe aus anderen Gründen mit dem Übermaßverbot in Widerstreit gerät (vgl. BGHSt 30, 105).
32
b) Die bisher praktizierte Strafabschlagslösung ist aber auch deshalb durch das Vollstreckungsmodell zu ersetzen, weil dieses sich inhaltlich in vollem Umfang an den Kriterien ausrichtet, die nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 13, 34 MRK für den Ausgleich rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen maßgeblich sind.
33
aa) Die MRK ist durch das Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) vom 7. August 1952 (BGBl II 685; ber. 953) unmittelbar geltendes nationales Recht im Range eines einfachen Bundesgesetzes geworden (vgl. etwa BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 323 f.; BGHSt 45, 321, 329; 46, 178, 186). Ihre Gewährleistungen sind daher durch die deutschen Gerichte wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 323). Hierbei ist auch das Verständnis zu berücksichtigen , das sie in der Rechtsprechung des EGMR gefunden haben. Auf dieser Grundlage ist das nationale Recht unabhängig von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit der MRK zu interpretieren (vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 324).
34
Nach welchen Kriterien, in welcher Weise und in welchem Umfang eine Verletzung des Anspruchs auf zügige Verfahrenserledigung aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu kompensieren ist, um dem Betroffenen seine Opferstellung im Sinne des Art. 34 MRK zu nehmen und damit den jeweiligen Vertragsstaat vor einer Verurteilung zu bewahren, ist in der MRK nicht geregelt und daher vom EGMR den nationalen Fachgerichten nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsordnung zur Entscheidung überlassen worden (vgl. EGMR EuGRZ 1983, 371, 382 m. Anm. Kühne; NJW 2001, 2694, 2700, Zf. 159; Pfeiffer in Festschrift Baumann S. 329, 338; Trurnit/Schroth StraFo 2005, 358, 361). Jedoch hat die Rechtsprechung des EGMR hierzu konkretisierende Maßstäbe entwickelt; ihr lassen sich auch deutliche Hinweise dazu entnehmen, welche Formen der Kompensation im Einzelfall eine hinreichende Wiedergutmachung des Konventionsverstoßes bewirken können.
35
Nach dem Konzept der MRK - in der Auslegung des EGMR - dient die Kompensation für eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung allein dem Ausgleich eines durch die Verletzung eines Menschenrechts entstandenen objektiven Verfahrensunrechts (Demko HRRS 2005, 283, 295; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. Gaede wistra 2004, 166, 168; JR 2007, 254 f.). Sie ist Wiedergutmachung und soll eine Verurteilung des jeweiligen Vertragsstaates wegen der Verletzung des Rechts aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhindern (Krehl ZIS 2006, 168, 178; s. auch BGH NStZ 1988, 552). Auf diese Wiedergutmachung hat der Betroffene gemäß Art. 13 MRK Anspruch, wenn die Konventionsverletzung nicht präventiv hat verhindert werden können (vgl. EGMR NJW 2001, 2694, 2698 ff., insbes. Zf. 159; Demko HRRS 2005, 403 ff.; Gaede wistra 2004, 166, 171; JR 2007, 254; Meyer-Ladewig MRK 2. Aufl. Art. 13 Rdn. 10, 22). Ist sie geleistet, so entfällt die Opfereigenschaft des Betroffenen im Sinne des Art. 34 MRK (vgl. EGMR StV 2006, 474, 477 f., Zf. 83). Das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld sind dabei als solche weder für die Frage relevant, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist (zu den maßgeblichen Kriterien in der Rechtsprechung des EGMR s. Kühne StV 2001, 529, 530 f. m. Nachw.; Demko HRRS 2005, 283, 289 ff.), noch spielen diese Umstände für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (Demko HRRS 2005, 283, 294 f.; Krehl ZIS 2006, 168, 178; StV 2006, 408, 412; vgl. auch Kutzner StV 2002, 277, 283). Diese ist vielmehr allein an der Intensität der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts des Betroffenen aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK auszurichten. Durch die Kompensation wird danach eine Art Staatshaftungsanspruch erfüllt, der dem von einem überlangen Strafverfahren betroffenen Angeklagten in gleicher Weise erwachsen kann wie der Partei eines vom Gericht schleppend geführten Zivilprozesses oder einem Bürger , der an einem verzögerten Verwaltungsrechtsstreit beteiligt ist. Dieser Anspruch entsteht auch dann, wenn der Angeklagte freigesprochen wird. Ein unmittelbarer Bezug zu dem vom Angeklagten schuldhaft verwirklichten Unrecht oder sonstigen Strafzumessungskriterien besteht daher nicht.
36
Die Kompensation durch Gewährung eines bezifferten Abschlags auf die an sich verwirkte Strafe knüpft somit nach den Maßstäben der MRK im Ausgangspunkt an ein eher sachfernes Bewertungskriterium an, mag sie auch im Großteil der Fälle dazu führen, dass der gebotene Ausgleich geschaffen wird und damit die Opferstellung des Angeklagten entfällt. Demgegenüber koppelt das Vollstreckungsmodell den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von vornherein von Fragen des Unrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Damit entspricht es nicht nur den Vorgaben der MRK, sondern es vermeidet gleichzeitig die Komplikationen, die sich für die Strafabschlagslösung aus der Bindung des Gerichts an die gesetzlich vorgegebenen Strafuntergrenzen ergeben (s. oben a).
37
bb) Die Vollstreckungslösung genügt auch den inhaltlichen und formellen Anforderungen, die die Art. 13, 34 MRK an eine hinreichende Kompensation stellen.
38
Nach der Rechtsprechung des EGMR verlangt ein angemessener Ausgleich zumindest die ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Anerkennung des Konventionsverstoßes. Diese kann je nach den Umständen als Kompensation hinreichen; denn der EGMR hat in etlichen Fällen, in denen erst er selbst den Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausdrücklich festgestellt hat, diese Feststellung als Ausgleich genügen lassen und dem Betroffenen keine Geldentschädigung nach Art. 41 MRK für immaterielle Einbußen zugesprochen (vgl. EGMR NJW 1984, 2749, 2751 - Ver-waltungsrechtsstreit; 2001, 213, 214 - Zivilrechtsstreit; StV 2005, 475, 477 m. Anm. Pauly - Strafverfahren ). Dies legt es nahe, dass aus der Sicht des EGMR insoweit - das heißt ohne Berücksichtigung etwaiger materieller Schäden - die Opferstellung des Betroffenen bereits durch die nationalen Gerichte aufgehoben worden wäre, wenn sie die entsprechende Feststellung selbst getroffen hätten.
39
Der EGMR hat weiterhin deutlich gemacht, dass die "innerstaatlichen Behörden" durch eine eindeutige und messbare Minderung der Strafe angemessene Wiedergutmachung leisten können (s. - je m. w. Nachw. - EGMR StV 2006, 474, 479 m. Anm. Pauly; Urteil vom 26. Oktober 2006 - Nr. 65655/01, Zf. 24, juris). Dies gelte auch, soweit eine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 MRK auszugleichen sei; jedoch müsse dieser Verstoß gesondert anerkannt werden und zu einer selbständigen messbaren Strafmilderung führen (vgl. EGMR StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly).
40
Zu Weiterem verhält sich der EGMR nicht näher. Nach den in seinen Entscheidungen entwickelten Maßstäben sind aber auch die in der deutschen Rechtsprechung neben der Strafreduktion in Betracht gezogenen Konsequenzen (Annahme eines Verfahrenshindernisses, Strafaussetzung zur Bewährung, Absehen von Maßregeln der Besserung und Sicherung, völlige oder teilweise Verfahrenseinstellung nach strafprozessualen Opportunitätsgrundsätzen) je nach den Umständen erkennbar als hinreichende Wiedergutmachung tauglich. Notwendig ist lediglich der ausdrückliche Hinweis, dass die jeweilige Maßnahme des materiellen oder prozessualen Rechts gerade zur Kompensation des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot getroffen worden ist (vgl. zu § 154 StPO: EGMR EuGRZ 1983, 371, 382).
41
Nicht ausgeschlossen ist nach den Vorgaben des EGMR auch eine Wiedergutmachung durch Zahlung einer Geldentschädigung (s. dazu etwa Kühne EuGRZ 1983, 392, 383; Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren S. 267 ff.; Wohlers JR 1994, 138, 142 f.; Kraatz JR 2006, 403, 407 ff.). Die Rechtsordnungen anderer Vertragsstaaten der MRK enthalten hierzu ausdrückliche Regelungen (etwa Spanien: s. näher Paeffgen StV 2007, 487, 494; Italien: s. näher Ress in Festschrift Müller-Dietz S. 627, 628; Frankreich: s. Kraatz JR 2006, 2003, 2006). Mit den einschlägigen Vorschriften des französischen Rechts hat der EGMR sich bereits mit Blick auf Art. 13 MRK befasst. Er hat dabei eine derartige Form der Wiedergutmachung nicht generell für unzureichend erachtet. Er hat es vielmehr nur nicht für hinreichend belegt angesehen, dass die Bestimmungen nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und ihrer konkreten Handhabung in dem zu beurteilenden Fall ein wirksames innerstaatliches Rechtsmittel im Sinne des Art. 13 MRK zur Erlangung einer angemessenen Entschädigung darstellen (Entscheidung vom 26. März 2002, Nr. 48215/99, Zf. 20; s. Kraatz aaO). Das deutsche Recht enthält demgegenüber keine Regelungen , die es den Strafgerichten ermöglichten, eine Geldentschädigung zuzuerkennen. Die Bestimmungen des StrEG können nicht entsprechend herangezogen werden; sie haben abschließenden Charakter. Eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO gäbe keinen ausreichenden Entscheidungsspielraum. Es wäre Sache des Gesetzgebers, eine eindeutige rechtliche Grundlage zu schaffen.
42
Es kann nicht zweifelhaft sein, dass nach den genannten Kriterien auch das Modell, einen angemessenen Teil der Strafe als vollstreckt anzurechnen, den Anforderungen an eine ausreichende Entschädigung gerecht wird. Es zieht neben dem Entschädigungsprinzip der MRK auch den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB heran; denn ähnlich wie bei der Untersuchungshaft handelt es sich bei den Belastungen, denen der Angeklagte durch die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens ausgesetzt ist, in erster Linie um immaterielle Nachteile, die allein in der Durchführung des Verfahrens wurzeln. Dies rechtfertigt es, diese Nachteile ähnlich wie die Auswirkungen der Untersuchungshaft durch Anrechnung auf die Strafe auszugleichen (vgl. Kraatz JR 2006, 204, 206; s. auch Theune in LK 12. Aufl. § 46 Rdn. 244; zu § 60 StGB: Jeschek/Weigend, StGB AT 5. Aufl. S. 863; dazu auch Scheffler, Die überlange Dauer von Strafverfahren, S. 224 ff.). Die Kompensation ist jedoch auch nach dem Vollstreckungsmodell bereits im Erkenntnisverfahren vorzu- nehmen. Sie kann nicht den Strafvollstreckungsbehörden überlassen werden; denn da die Entschädigung nicht durch schematische Anrechnung der jeweiligen Verzögerungsdauer auf die Strafe vorzunehmen, sondern aufgrund einer wertenden Betrachtung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (s. unten IV. 1.), muss sie dem Tatrichter vorbehalten bleiben, dem schon die Feststellung dieser Umstände obliegt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
43
4. Neben all dem sprechen weitere gewichtige Gründe für einen Übergang vom Strafabschlags- auf das Vollstreckungsmodell.
44
a) Da die im Wege der Anrechnung vorgenommene Kompensation einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn darstellt, behält die nach den Maßstäben des § 46 StGB zugemessene und im Urteilstenor auszusprechende Strafe die Funktion, die ihr in anderen strafrechtlichen Bestimmungen, aber auch in außerstrafrechtlichen Regelungen zugewiesen ist. So bleibt - wie nach der gesetzlichen Konzeption des StGB vorgesehen - die dem Unrecht und der Schuld angemessene und nicht eine aus Entschädigungsgründen reduzierte Strafe maßgeblich etwa für die Fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 56 Abs. 1 bis 3 StGB), ob die formellen Voraussetzungen für die Verhängung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 bis 3 StGB), deren Vorbehalt (§ 66 a Abs. 1 StGB) oder deren nachträgliche Anordnung (§ 66 b StGB) erfüllt sind, ob der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts eintritt (§ 45 StGB), ob Führungsaufsicht angeordnet werden kann (§ 68 Abs. 1 StGB), ob Verwarnung mit Strafvorbehalt in Betracht kommt (§ 59 Abs. 1 StGB) oder ob von Strafe abgesehen werden kann (§ 60 StGB) und wann Vollstreckungsverjährung eintritt (§ 79 StGB). Darüber hinaus behält sie die Bedeutung, die ihr in beamtenrechtlichen (§ 24 BRRG; für Richter s. § 24 DRiG) und ausländerrechtlichen (§§ 53, 54 AufenthG) Folgeregelungen beigelegt wird, sowie auch für die Tilgungsfristen nach dem BZRG (s. etwa § 46 BZRG) oder die Eintragungsvoraussetzungen in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 4 GewO).
45
Hierdurch wird der überlangen Verfahrensdauer andererseits jedoch nicht ihre Bedeutung als Strafzumessungsgrund genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam deswegen, weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem Urteil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält - unbeschadet der insoweit zutreffenden dogmatischen Einordnung (zum Meinungsstreit s. Paeffgen StV 2007, 487, 490 Fn. 27) - ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem Verfahrensabschluss verstreicht; diese sind bei der Straffindung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechtsstaatswidrige Verzögerung mitbedingt ist (vgl. BGH NJW 1999, 1198; NStZ 1988, 552; 1992, 229, 230; NStZ-RR 1998, 108). Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädigende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesensfremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen.
46
b) Durch den Übergang zur Vollstreckungslösung wird die Strafenbildung von der Notwendigkeit befreit, einen einzelnen Zumessungsaspekt in mathematisierender Weise durch bezifferten Strafabschlag - gegebenenfalls gesondert für Einzelstrafen und Gesamtstrafe - auszuweisen. Gerade diese rechnerische Vorgehensweise ist zu Recht kritisiert worden (Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 443; ders. in Festschrift Tondorf S. 351, 357 f.; s. auch Gaede JR 2007, 254, 256). Selbst in Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ist sie als Fremdkörper in der Strafzumessung (BGH NStZ-RR 2006, 201, 202) sowie systemwidrig (BGH NStZ 2005, 465, 466) bezeichnet und es ist für wünschenswert erachtet worden, diese - ansonsten als rechtlich verfehlt erachtete (BGH NStZ-RR 1999, 101, 102; 2000, 43; 2006, 270, 271; NStZ 2007, 28) - Mathematisierung der Strafenfindung zu überdenken (BGH, Beschl. v. 23. Juni 2006 - 1 ARs 5/04; BGH wistra 2004, 470).
47
Zwar kann die durch Anrechung vorgenommene Kompensation den Rechtsfolgenausspruch - schon wegen der entsprechenden Vorgaben des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - nicht von jeder Mathematisierung freihalten. Jedoch verlagert sie durch ihre Anlehnung an § 51 StGB die Bezifferung der Entschädigung zumindest in einen Bereich, der schon nach der gesetzlichen Konzeption derartigen Berechnungen offen steht und in diesem Rahmen auch eine zahlenmäßige Bewertung verfahrensbedingt erlittener Nachteile kennt (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). Die eigentliche Strafzumessung wird demgegenüber nicht mehr mit ihr wesensfremden Anforderungen belastet. Dies ist insbesondere auch deswegen bedeutsam, weil es nach der neueren Rechtsprechung des EGMR (StV 2006, 474, 478 m. Anm. Pauly) notwendig werden kann, künftig den durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 MRK neben demjenigen gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gesondert zu kompensieren; dies würde nach dem Strafabschlagsmodell in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Strafzumessung mit zwei Rechenwerken befrachtet werden müßte, im Falle einer Gesamtstrafenbildung auch noch gesondert für jede Einzelstrafe und - unter Vermeidung einer Doppelkompensation - für die Gesamtstrafe.
48
Demgegenüber knüpft das Vollstreckungsmodell die Kompensation ausschließlich an die - für die Vollstreckung allein relevante - Gesamtstrafe an und vereinfacht hierdurch die Rechtsfolgenentscheidung erheblich.
49
5. Die Kompensation durch Anrechnung steht nicht in Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben. Allerdings findet sich auch in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Aussage, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgesetzt ist, den aus der Verwirklichung des Straftatbestandes abzuleitenden Unrechtsgehalt abmilderten, der dem Angeklagten als Tatschuld angelastet werde, und daher „grundsätzlich“ als Strafmilderungsgrund bei der Strafzumessung zu berücksichtigen seien (s. insb. BVerfG - Kammer - NStZ 2006, 680, 681; vgl. auch BVerfGK 2, 239, 247). Dem kann jedoch nicht entnommen werden, dass die nach der Rechtsprechung des EGMR gebotene Entschädigung des Angeklagten nach den Vorgaben des Grundgesetzes ausschließlich in der Form einer - zusätzlichen - bezifferten Strafmilderung zulässig wäre (vgl. dagegen I. Roxin StV 2008, 14, 16). Anliegen des Bundesverfassungsgerichts ist es nicht, eine bestimmte dogmatische Sichtweise des einfachgesetzlichen Rechts über die unrechts- und schuldmildernde Wirkung rechtsstaatswidrig verursachter Verfahrenshärten als verfassungsrechtlich allein zulässige festzuschreiben. Ebensowenig will es ersichtlich ein bestimmtes Modell der konventionsrechtlich geforderten Kompensation zum verfassungsrechtlich allein statthaften erklären. Vielmehr geht es dem Bundesverfassungsgericht, wie sich seinen einschlägigen Entscheidungen deutlich entnehmen lässt, allein um die Beachtung des in der Verfassung verankerten Übermaßverbots. In welcher Form die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs durch die Fachgerichte in Anwendung des Straf- oder Strafprozessrechts gewährleistet wird, ist demgegenüber in der Verfassung nicht vorgegeben. Anders wäre es auch kaum erklärbar, dass das Bundesverfassungs- gericht eine kompensierende Berücksichtigung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auch bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung für möglich erachtet. Wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in der Weise Rechnung getragen, dass die Belastungen, denen der Angeklagte durch das überlange Verfahren ausgesetzt war, zunächst allgemein mildernd in die Strafzumessung einfließen und sodann der besondere Aspekt, dass sie (teilweise) auf rechtsstaatswidrige Verzögerungen seitens der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen sind, im Urteil dadurch Berücksichtigung findet, dass als Entschädigung hierfür ein Teil der Strafe als bereits vollstreckt gilt, so ist damit in gleicher Weise dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Genüge getan wie durch die bezifferte Reduzierung der Strafe.
50
6. Die Vollstreckungslösung kann nicht nur - sachgerechte - gesetzliche Folgen haben, die sich im Vergleich zur Strafabschlagslösung zum Nachteil des Angeklagten auswirken (s. 4. a), sondern auch solche, die ihm zum Vorteil gereichen ; denn durch die Anrechnung werden bei der Strafzeitberechnung die Halbstrafe und der Zwei-Drittel-Zeitpunkt regelmäßig schneller erreicht, so dass es früher als bisher möglich ist, einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen (§ 57 Abs. 1, 2 und 4 StGB). Auch dies ist eine systemgerechte Konsequenz des neuen Modells.
51
Wird die Freiheitsstrafe, die zur Wiedergutmachung teilweise als vollstreckt erklärt wird, von vornherein zur Bewährung ausgesetzt, so ergeben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage. Nach beiden Kompensationsmodellen wird die Entschädigung faktisch erst dann wirksam, wenn die Strafe nach einem Bewährungswiderruf vollstreckt werden muss. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzö- gerung neben der Anrechnung auf die Strafe aktuell wirksam auch dadurch auszugleichen, dass im Bewährungsbeschluss ausdrücklich auf Auflagen im Sinne des § 56b Abs. 2 Nr. 2 bis 4 StGB verzichtet wird.
52
Auch sonst ergeben sich durch die Vollstreckungslösung keine bedeutsamen Unterschiede: Kommt nur die Verhängung einer Geldstrafe in Betracht, so ist diese wegen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr um einen bezifferten Abschlag zu ermäßigen, sondern die schuldangemessene Geldstrafe in der Urteilsformel auszusprechen und zugleich festzusetzen, dass ein bezifferter Teil der zugemessenen Tagessätze als bereits vollstreckt gilt. In Fällen, in denen das gebotene Maß der Kompensation die schuldangemessene (Einzel-)Strafe erreicht oder übersteigt, ist - wie bisher - die Anwendung der §§ 59, 60 StGB oder die (teilweise) Einstellung des Verfahrens nach Opportunitätsgrundsätzen zu erwägen (§§ 153, 153a, 154, 154a StPO); gegebenenfalls ist zu prüfen, ob ein aus der Verfassung abzuleitendes Verfahrenshindernis der Fortsetzung des Verfahrens entgegensteht.
53
Die im Bereich des Jugendstrafrechts bestehenden besonderen Probleme werden durch das Vollstreckungsmodell weder beseitigt noch verstärkt. Während sich bisher die Frage stellte, ob von der aus Erziehungsgründen erforderlichen Strafe zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein bezifferter Abschlag vorgenommen werden darf (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 15), ist nunmehr danach zu fragen, ob es dem Erziehungsgedanken widerstreitet, einen Teil der Strafe als Entschädigung für vollstreckt zu erklären (s. § 52a JGG, ferner § 88 JGG mit größerer Flexibilität für die Reststrafenaussetzung).

IV.

54
Die Strafgerichte haben die erforderliche Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach dem Vollstreckungsmodell somit an folgenden Grundsätzen auszurichten:
55
1. Wie bisher sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellung dient zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Der Tatrichter hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.
56
Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss es stets im Auge behalten werden, wenn die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastun- gen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
57
In die Urteilsformel ist die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene Strafe aufzunehmen; gleichzeitig ist dort auszusprechen, welcher bezifferte Teil dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt.
58
2. Stehen mehrere Straftaten des Angeklagten zur Aburteilung an, so ist - wie bisher - zunächst zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Verfahren bei der Verfolgung aller dieser Delikte rechtsstaatswidrig verzögert worden ist; gegebenenfalls sind insoweit differenzierte Feststellungen zu treffen und der Abstand zwischen Tatzeitpunkt und Urteil sowie die Belastungen des Angeklagten durch die Verfahrensdauer nur bei einigen der festzusetzenden Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen. Allein auf die durch Zusammenfassung der Einzelstrafen gebildete und in der Urteilsformel ausgesprochene Gesamtstrafe ist die Anrechnung vorzunehmen, indem ein bezifferter Teil hiervon im Wege der Kompensation für vollstreckt erklärt wird; denn allein die Gesamtstrafe ist Grundlage der Vollstreckung.
59
Wird die Gesamtstrafe nachträglich aufgelöst, so hat das Gericht, das unter Einbeziehung der dieser zugrunde liegenden Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe zu bilden hat, auch festzusetzen, welcher bezifferte Teil dieser neuen Gesamtstrafe aus Kompensationsgründen als vollstreckt anzurechnen ist.
Hierdurch darf der, wie rechtskräftig festgestellt, von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung betroffene Verurteilte nicht nachträglich schlechter gestellt werden (vgl. § 51 Abs. 2 StGB). Dies gilt entsprechend, wenn die Einzelstrafen des ursprünglichen Urteils in mehrere neu zu bildende Gesamtstrafen einzubeziehen sind. Das zur Entscheidung berufene Gericht hat dann festzulegen , in welchem Umfang die neu auszusprechenden Gesamtstrafen anteilig als vollstreckt gelten. Dabei hat es sich daran zu orientieren, in welchem Umfang in die jeweilige neue Gesamtstrafe Einzelstrafen einfließen, die ursprünglich nach einem rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahren festgesetzt worden waren. In der Summe dürfen die für vollstreckt erklärten Teile der neuen Gesamtstrafen nicht hinter der ursprünglich ausgesprochenen Anrechnung zurückbleiben. Hirsch Rissing-vanSaan Basdorf Maatz Miebach Wahl Bode Kuckein Gerhardt Kolz Becker

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR584/13
vom
26. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 18. September 2013 im Schuldspruch im Fall II.7 der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass der Angeklagte statt der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl der Beihilfe zum Bandendiebstahl schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls , versuchten schweren Bandendiebstahls, Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl und Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Diese führt im Fall II.7 der Urteilsgründe zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
2
1. Im Fall II.7 der Entscheidungsgründe hält die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen der Strafkammer zu diesem Fall entwendeten der Angeklagte sowie weitere Bandenmitglieder und Mittäter Anfang April 2013 aus einem Tank auf dem Gelände der Spedition-Baustoffe GmbH & Co. KG 4.500 Liter Dieselkraftstoff. Hierzu führten sie den Schlauch einer Pumpe in das Entlüftungsrohr des Tanks ein und leiteten den Kraftstoff in Fässer sowie andere Behältnisse. "Der Angeklagte J. erhoffte sich in diesem Fall allerdings keinen Anteil an der Beute, sondern er wollte lediglich dem Angeklagten L. , der sich an diesem Abend in akuten Geldsorgen befunden hatte, dabei helfen, hinreichend Kraftstoff für sein Fahrzeug zu bekommen" (UA S. 12).
4
Die Strafkammer bewertete dies beim Angeklagten als "Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl nach § 244a Abs. 1 i.V.m. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 3 (durch 'Einsteigen' zum in 3,50 m Höhe gelegenen Ende des Entlüftungsrohres ) und § 27 StGB" (UA S. 13).
5
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
aa) Entgegen der Annahme des Landgerichts belegen die Feststellungen ein Einsteigen im Sinn des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht.
7
Einsteigen in einen Raum ist über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 319/10, NStZ-RR 2010, 374, 375). Es erfordert, dass der Täter wenigs- tens einen Fuß in den Raum stellt; bloßes Hineingreifen oder Ähnliches genügt dagegen nicht (SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 243 Rn. 12 mwN).
8
An einem solchen Einsteigen fehlt es hinsichtlich des Tanks offensichtlich. Aber auch hinsichtlich des Betriebsgeländes ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht belegt. Denn Feststellungen dazu, dass dieses beispielsweise eingezäunt war oder auf andere Weise nur unter Schwierigkeiten durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung betreten wurde, enthält das Urteil nicht.
9
bb) Auch ein Einbrechen im Sinn des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB belegen die Feststellungen nicht.
10
Bei einem Einbruch muss der Täter zur Ausführung des Diebstahls zwar nicht in den umschlossenen Raum hineingelangen; vielmehr genügt, dass er die Wegnahme mittels eines Werkzeugs durch eine Öffnung des Raumes bewirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 1984 - 3 StR 209/84, NStZ 1985, 217, 218). Erforderlich ist aber das gewaltsame, also das durch eine nicht unerhebliche körperliche Anstrengung verbundene Öffnen oder Erweitern eines Zugangs zu dem umschlossenem Raum (LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 243 Rn. 20 mwN). Daran fehlt es nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen sowohl hinsichtlich des Betriebsgeländes als auch hinsichtlich des Tanks.
11
cc) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann die Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl auch nicht darauf gestützt werden, dass jedenfalls die von der Strafkammer angenommene Gewerbsmäßigkeit (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) vorliegt.
12
Gewerbsmäßigkeit setzt stets eigennütziges Handeln voraus und damit einen vom Täter erstrebten Zufluss von Vermögensvorteilen an sich selbst; es genügt daher nicht, wenn eine Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - 3 StR 323/11 [juris Rn. 10]). Ein lediglich mittelbarer Vorteil reicht zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn der Täter ohne weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus der Tat über Dritte verspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373; vom 13. September 2011 - 3 StR 262/11, StV 2012, 339, 342, jeweils mwN). Dies hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten jedoch nicht festgestellt.
13
Da die Gewerbsmäßigkeit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinn des § 28 Abs. 2 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom13. September 2011 - 3 StR 262/11, StV 2012, 339, 342 mwN) kann der Gehilfe, bei dem sie fehlt, nicht allein deshalb nach § 244a Abs. 1 StGB bestraft werden, weil andere Bandenmitglieder oder Mittäter gewerbsmäßig gehandelt haben (vgl. SSWStGB /Kudlich, 2. Aufl., § 244a Rn. 9; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 244a Rn. 2b).
14
2. Da andere, die Tat als schweren Bandendiebstahl qualifizierende Merkmale ebenfalls nicht vorliegen, jedoch der Angeklagte den Tatbestand der Beihilfe zum Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 StGB) erfüllt hat und er sich hiergegen nicht anders als geschehen verteidigen konnte, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab.
15
Einer Aufhebung der im Fall II.7 vom Landgericht verhängten Einzelstrafe bedarf es nicht. Der Senat schließt vielmehr auch angesichts der von der Strafkammer bei der konkreten Strafzumessung aufgeführten Erwägungen aus, dass sie bei zutreffender rechtlicher Bewertung dieser Tat eine geringere Einzelstrafe als sechs Monaten verhängt hätte. Denn das Landgericht hat die ohnehin sehr milde Strafe dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen des § 244a Abs. 2 StGB entnommen, dessen Untergrenze - an der sich die Strafkammer ersichtlich orientiert hat - der dem nach § 244 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB maßgeblichen Strafrahmen entspricht. Auch einen Einfluss der rechtlichen Bewertung der Tat II.7 auf die verhängte Gesamtstrafe schließt der Senat aus.
16
3. Im Übrigen weist das Urteil aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 3. Februar 2014 dargelegten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
17
4. Eine Kostenteilung ist im Hinblick auf den nur geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten nicht geboten.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR584/13
vom
26. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 18. September 2013 im Schuldspruch im Fall II.7 der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass der Angeklagte statt der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl der Beihilfe zum Bandendiebstahl schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls , versuchten schweren Bandendiebstahls, Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl und Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision. Diese führt im Fall II.7 der Urteilsgründe zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen hat sie keinen Erfolg.
2
1. Im Fall II.7 der Entscheidungsgründe hält die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen der Strafkammer zu diesem Fall entwendeten der Angeklagte sowie weitere Bandenmitglieder und Mittäter Anfang April 2013 aus einem Tank auf dem Gelände der Spedition-Baustoffe GmbH & Co. KG 4.500 Liter Dieselkraftstoff. Hierzu führten sie den Schlauch einer Pumpe in das Entlüftungsrohr des Tanks ein und leiteten den Kraftstoff in Fässer sowie andere Behältnisse. "Der Angeklagte J. erhoffte sich in diesem Fall allerdings keinen Anteil an der Beute, sondern er wollte lediglich dem Angeklagten L. , der sich an diesem Abend in akuten Geldsorgen befunden hatte, dabei helfen, hinreichend Kraftstoff für sein Fahrzeug zu bekommen" (UA S. 12).
4
Die Strafkammer bewertete dies beim Angeklagten als "Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl nach § 244a Abs. 1 i.V.m. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 3 (durch 'Einsteigen' zum in 3,50 m Höhe gelegenen Ende des Entlüftungsrohres ) und § 27 StGB" (UA S. 13).
5
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
aa) Entgegen der Annahme des Landgerichts belegen die Feststellungen ein Einsteigen im Sinn des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht.
7
Einsteigen in einen Raum ist über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 - 1 StR 319/10, NStZ-RR 2010, 374, 375). Es erfordert, dass der Täter wenigs- tens einen Fuß in den Raum stellt; bloßes Hineingreifen oder Ähnliches genügt dagegen nicht (SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 243 Rn. 12 mwN).
8
An einem solchen Einsteigen fehlt es hinsichtlich des Tanks offensichtlich. Aber auch hinsichtlich des Betriebsgeländes ist dieses Tatbestandsmerkmal nicht belegt. Denn Feststellungen dazu, dass dieses beispielsweise eingezäunt war oder auf andere Weise nur unter Schwierigkeiten durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung betreten wurde, enthält das Urteil nicht.
9
bb) Auch ein Einbrechen im Sinn des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB belegen die Feststellungen nicht.
10
Bei einem Einbruch muss der Täter zur Ausführung des Diebstahls zwar nicht in den umschlossenen Raum hineingelangen; vielmehr genügt, dass er die Wegnahme mittels eines Werkzeugs durch eine Öffnung des Raumes bewirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 1984 - 3 StR 209/84, NStZ 1985, 217, 218). Erforderlich ist aber das gewaltsame, also das durch eine nicht unerhebliche körperliche Anstrengung verbundene Öffnen oder Erweitern eines Zugangs zu dem umschlossenem Raum (LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 243 Rn. 20 mwN). Daran fehlt es nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen sowohl hinsichtlich des Betriebsgeländes als auch hinsichtlich des Tanks.
11
cc) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann die Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl auch nicht darauf gestützt werden, dass jedenfalls die von der Strafkammer angenommene Gewerbsmäßigkeit (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) vorliegt.
12
Gewerbsmäßigkeit setzt stets eigennütziges Handeln voraus und damit einen vom Täter erstrebten Zufluss von Vermögensvorteilen an sich selbst; es genügt daher nicht, wenn eine Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - 3 StR 323/11 [juris Rn. 10]). Ein lediglich mittelbarer Vorteil reicht zur Begründung der Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn der Täter ohne weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus der Tat über Dritte verspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11, NStZ-RR 2011, 373; vom 13. September 2011 - 3 StR 262/11, StV 2012, 339, 342, jeweils mwN). Dies hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten jedoch nicht festgestellt.
13
Da die Gewerbsmäßigkeit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinn des § 28 Abs. 2 StGB darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom13. September 2011 - 3 StR 262/11, StV 2012, 339, 342 mwN) kann der Gehilfe, bei dem sie fehlt, nicht allein deshalb nach § 244a Abs. 1 StGB bestraft werden, weil andere Bandenmitglieder oder Mittäter gewerbsmäßig gehandelt haben (vgl. SSWStGB /Kudlich, 2. Aufl., § 244a Rn. 9; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 244a Rn. 2b).
14
2. Da andere, die Tat als schweren Bandendiebstahl qualifizierende Merkmale ebenfalls nicht vorliegen, jedoch der Angeklagte den Tatbestand der Beihilfe zum Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 StGB) erfüllt hat und er sich hiergegen nicht anders als geschehen verteidigen konnte, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend ab.
15
Einer Aufhebung der im Fall II.7 vom Landgericht verhängten Einzelstrafe bedarf es nicht. Der Senat schließt vielmehr auch angesichts der von der Strafkammer bei der konkreten Strafzumessung aufgeführten Erwägungen aus, dass sie bei zutreffender rechtlicher Bewertung dieser Tat eine geringere Einzelstrafe als sechs Monaten verhängt hätte. Denn das Landgericht hat die ohnehin sehr milde Strafe dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen des § 244a Abs. 2 StGB entnommen, dessen Untergrenze - an der sich die Strafkammer ersichtlich orientiert hat - der dem nach § 244 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB maßgeblichen Strafrahmen entspricht. Auch einen Einfluss der rechtlichen Bewertung der Tat II.7 auf die verhängte Gesamtstrafe schließt der Senat aus.
16
3. Im Übrigen weist das Urteil aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 3. Februar 2014 dargelegten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
17
4. Eine Kostenteilung ist im Hinblick auf den nur geringfügigen Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten nicht geboten.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

5 StR 276/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin T ,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger des Angeklagten B ,
Rechtsanwalt R
als Verteidiger des Verurteilten Be ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 23. Dezember 2003 – auch bezüglich der Mitangeklagten Beund M – 1. aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall II.3.5 der Urteilsgründe (Umsatzsteuerhinterziehung 2001) wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370a AO verurteilt worden sind; die zugrunde liegenden Feststellungen bleiben aufrechterhalten ; 2. im übrigen im Schuldspruch wie folgt geändert:
a) Der Angeklagte B ist schuldig der Steuerhinterziehung in 23 Fällen und des Betruges in sieben Fällen.

b) Der Angeklagte Be ist schuldig der Steuerhinterziehung in 21 Fällen, des Betruges in fünf Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.

c) Der Angeklagte M ist schuldig der Steuerhinterziehung in 24 Fällen, des Betruges in sechs Fällen und des versuchten Betruges in vier Fällen.
3. in den Strafaussprüchen aufgehoben, soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafen.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten B wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten B wegen Ste uerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten Be es hat wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und Betruges in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie gegen den Mitangeklagten M wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, Betruges in sechs Fällen und versuchten Betruges in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig.
Die Revision des AngeklagtenB hat in dem aus d em Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. Gemäß § 357 StPO ist das Urteil auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken.

I.


Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der AngeklagteB und der Mitangeklagte Be betätigten sich im Zeitraum von 1997 bis 2002 unternehmerisch im Baubereich. Dabei verstießen sie – ab 1998 unter Beteiligung des Angeklagten M – vorsätzlich in erheblichem Umfang gegen ihre steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.
1. Im Jahr 1997 waren die Angeklagten B und Be als sogenannte Kolonnenschieber tätig, indem sie Arbeiterkolonnen anführten, die mit illegalen Arbeitern Leistungen auf dem Bausektor erbrachten. Der ihnen bekannten Pflicht, die getätigten Umsätze gegenüber dem Finanzamt zu erklären, kamen sie nicht nach. Vielmehr rechneten sie, um ihre eigene unternehmerische Tätigkeit zu verschleiern, die von ihnen erbrachten Bauleistungen gegenüber ihrem Auftraggeber über Scheinfirmen ab. Dadurch entstand ein Steuerschaden von über 53.000 €.
Ab dem Jahr 1998 unterhielten die drei Angeklagten selbst mehrere Scheinfirmen, welche sie als sogenannte „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verschleierung von deren unternehmerischer Tätigkeit bereitstellten. Diese Scheinfirmen traten nach außen an die Stelle der Kolonnenschieber; sie nahmen formal deren Rechte und Pflichten aus den Bautätigkeiten wahr. Unter anderem fertigten sie die Bauaufträge als scheinbarer Auftragnehmer aus und meldeten als scheinbarer Arbeitgeber die eingesetzten Arbeiter zur Sozialversicherung an. Des weiteren erstellten die „Serviceunternehmen“ Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis unter ei-
genem Namen, die dann von den Kolonnenschiebern an ihre Auftraggeber weitergegeben wurden. Diese waren durch die Rechungen in der Lage, ihre Aufwendungen als Betriebsausgaben und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend zu machen, während die „Serviceunternehmen“ ihren steuerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Anmeldung und Abführung der vereinnahmten Umsatzsteuern, nicht nachkamen. Die Kolonnenschieber, die durch dieses Vorgehen nach außen nicht in Erscheinung traten, konnten so ihre Leistungen „schwarz“ erbringen.
Ab dem Jahr 1998 nutzten die Angeklagten die Firma D B GmbH, Remscheid, als Scheinfirma. Sie unterließen es pflichtwidrig, für dieses Unternehmen die Umsatzsteuerjahreserklärungen 1998, 1999 und 2000 beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Nach der Verhaftung des von den Angeklagten eingesetzten formalen Geschäftsführers wurde die Tätigkeit der D B GmbH eingestellt. Die Geschäfte wurden sodann mit der Firma T GmbH (T GmbH), Hannover, fortgesetzt. Für dieses Unternehmen kamen die Angeklagten B und M (der Angeklagte Be war an dieser Gesellschaft nicht beteiligt) ihrer Verpflichtung, Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1999, 2000 und 2001 abzugeben, nicht nach. Ab Juli 2000 nutzten die drei Angeklagten die Firma M B GmbH, Karlsruhe, als Scheinfirma. In bezug auf diese Gesellschaft unterließen die Angeklagten pflichtwidrig die Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 sowie die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar, März und Juni 2002. Im Februar 2001 wurde als zusätzliches „Serviceunternehmen“ die Firma P B GmbH, Remscheid, gegründet , für die keine Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 und keine Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2002 abgegeben wurden. Die Abrechnungen wurden sodann auf die Firma M.G. B GmbH, Gelsenkirchen, übertragen. Hier kamen die Angeklagten ihrer Verpflichtung nicht nach, eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2002 einzureichen. Ab Juni 2002 wurde von den
Angeklagten des weiteren die Firma FTV-B GmbH als „Serviceunternehmen“ verschiedenen Kolonnenschiebern zur Verfügung gestellt. Bis zur Festnahme der Angeklagten im November 2002 unterließen sie es pflichtwidrig, für die Gesellschaft Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Oktober 2002 abzugeben.
Insgesamt stellten die Angeklagten mittels der von ihnen installierten „Serviceunternehmen“ Scheinrechnungen über eine Gesamtsumme von mehr als 16 Mio. € aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 2,4 Mio. € ausgewiesen war.
Der Angeklagte M begab darüber hinaus – unabhängig von den Angeklagten B und Be – im Jahr 1999 Rechnungen unter der Scheinfirma BKS-B GmbH und im Jahr 2000 unter der Scheinfirma D H mbH für den Kolonnenschieber S .
Das Landgericht hat die Verletzung der steuerlichen Pflichten für die verschiedenen Gesellschaften der Angeklagten in jedem Jahr (1998 bis 2001) bzw. für jeden Voranmeldungszeitraum (Januar bis Oktober 2002) zusammengefaßt und jeweils bezogen auf den Besteuerungszeitraum als eine Tat gewertet. Für das Jahr 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe) hat es so – unter Zusammenrechnung der Hinterziehungsbeträge für die Firmen T GmbH, M B GmbH, P B GmbH und M.G. B GmbH – einen Hinterziehungsschaden in Höhe von insgesamt 862.817 € festgestellt, diesen Fall als gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370a Satz 1 AO gewertet und insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Die Grenze zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des „großen Ausmaßes“ gemäß § 370a AO hat es – ohne weitere Begründung – bei 250.000 € gezogen.
2. Die „Serviceunternehmen“ D B GmbH, M B GmbH, P GmbH, M.G. B GmbH und FTV-B GmbH der Angeklagten meldeten darüber hinaus anstelle der Kolonnenschieber deren Arbeitnehmer
bei den Sozialversicherungsträgern an. Neben der Falschangabe über ihren Status als Arbeitgeber täuschten die Angeklagten auch über den Umfang des an die Arbeitnehmer tatsächlich gezahlten Entgelts, indem sie falsche Angaben über die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der Stundenvergütung machten. Die Angeklagten verursachten so in den Jahren 1998 bis 2002 Schäden von rund 1,7 Mio. €. Gleiches wurde – unter alleiniger Beteiligung der Angeklagten B und M – mittels der T GmbH durchgeführt und so in den Jahren 1999 bis 2001 ein Schaden von mehr als 500.000 € verursacht.
Das Landgericht hat dieses Verhalten der Angeklagten al s mittäterschaftliche Beteiligung an den Betrugstaten der Kolonnenschieber zum Nachteil der jeweils zuständigen Krankenkasse gewertet. Diese seien durch Abwicklung über die von den Angeklagten initiierten Scheinfirmen und die unrichtigen Anmeldungen getäuscht und von der Erhebung der zutreffenden Beiträge abgehalten worden. Da ohne die „Serviceunternehmen“ der Betrug nicht möglich gewesen wäre, hätten die Angeklagten, die aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung auch ein erhebliches Eigeninteresse an den Taten gehabt hätten, auch Tatherrschaft gehabt. Nach Auffassung des Landgerichts stellt die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse jeweils eine Tat dar.
3. Der Angeklagte B meldete sich zudem am 20. August 1999 zum 1. September 1999 arbeitslos und bezog bis zum 24. Juni 2001 zu Unrecht Leistungen des Arbeitsamtes in Höhe von über 16.000 €, auf die er wegen seiner Einkünfte aus den „Serviceunternehmen“ keinen Anspruch hatte.

II.


Die Revision des Angeklagten B führt zur Aufhebung des Urteils, soweit alle drei Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung
nach § 370a AO verurteilt worden sind, zur Änderung der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO sowie zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und der jeweiligen Gesamtstrafe.
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts hinsichtlich der Steuerdelikte hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bei mehreren Steuerstraftaten gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf die Konkurrenzen folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.).
Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluß, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (vgl. BGHSt 18, 376). Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. BGH
wistra 1985, 66; BGH bei Holtz MDR 1979, 987; Gribbohm/Utech NStZ 1990, 209, 212).

b) Danach hätte das Landgericht bei der rechtlichen Be wertung der hier zu beurteilenden Steuerhinterziehungen nicht allein nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum differenzieren und die unterlassene Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen für jeweils mehrere Scheinfirmen als eine Tat zusammenfassen dürfen. Die Nichtabgabe der gebotenen Erklärungen für jeden Besteuerungszeitraum und für jedes „Serviceunternehmen“ stellt eine rechtlich selbständige Tat dar. Denn der Angeklagte war als (faktischer) Geschäftsführer verpflichtet, für jede der Scheingesellschaften zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Da die Serviceunternehmen zum Teil unterschiedliche Betriebsstätten hatten, waren zudem verschiedene Finanzämter zuständig (§ 21 AO). Bei zutreffender rechtlicher Bewertung hat der Angeklagte B nach den Feststellungen des Landgerichts in insgesamt 27 Fällen Steuern verkürzt.
Die rechtsfehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen be schwert den Angeklagten B auch, soweit er wegen Umsatzsteuerhinterziehung für das Jahr 2001 verurteilt worden ist. Infolge der Gesamtschau aller Firmen und der Zusammenrechnung aller Verkürzungsbeträge für diesen Besteuerungszeitraum in Höhe von insgesamt 862.817 € hat das Landgericht die rechtlichen Voraussetzungen der Verbrechensnorm des § 370a Abs. 1 AO bejaht, statt die Voraussetzungen für jede der vier betreffenden Firmen sowie im Hinblick auf jede Steuererklärung einzeln zu prüfen. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in 2001 (Fall 5 der Urteilsgründe ) kann deshalb keinen Bestand haben. Allerdings können die zugrundeliegenden rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, bei dem eine Aufhebung von Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO nicht veranlaßt ist (vgl. BGH StraFo 2001, 350, 351).

c) Der neue Tatrichter wird bei der rechtlichen Beurt eilung dieser vier Fälle folgendes zu bedenken haben: Die Strafnorm des § 370a AO begegnet nach Auffassung des Senats erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar gehören Straftaten der vorliegenden Art, die regelmäßig durch organisierte kriminelle Strukturen bei der Planung und Tatausführung gekennzeichnet sind und infolge der systematischen Verkürzung von Abgaben mit hohen Steuerausfällen und außerordentlich großen wirtschaftlichen Schäden einhergehen , zweifellos – insbesondere neben den Umsatzsteuerkarussellgeschäften – zu den Deliktsgruppen, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers von der Verbrechensnorm des § 370a AO erfaßt werden sollten (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht 7. Aufl., Stand: Mai 2004, § 370a AO 1977 Rdn. 3, 13). Die „Serviceunternehmen“ entsprechen in ihrem Gesamterscheinungsbild dem Begriff der „Steuerhinterziehung als Gewerbe“ (Joecks wistra 2002, 201, 203); sie stellen damit eine besonders steuerschädliche Art der Wirtschaftskriminalität dar.
aa) Die gegen die Verbrechensnorm des § 370a AO besteh enden verfassungsrechtlichen Bedenken sind jedoch grundsätzlicher Natur; sie können nicht dadurch ausgeräumt werden, daß ein unbestimmtes Gesetz durch die Rechtsprechung in geeignet erscheinenden Einzelfällen allmählich nachgebessert und ausgefüllt wird. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 22. Juli 2004 (NJW 2004, 2990) bereits ausgeführt hat, erscheint das „entscheidende Verbrechensmerkmal der Steuerverkürzung ‚in großem Ausmaß’ unter Bedacht auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht ausreichend bestimmt (vgl. dazu nur: Park wistra 2003, 328 ff.; Reiß Stbg 2004, 113 ff.; Kohlmann aaO Rdn. 12; Seer BB 2002, 1677, 1680; Langrock wistra 2004, 241 ff.; Harms in Festschrift für Günter Kohlmann, 2003, S. 413, 419 ff.; alle m.w.N. sowie Stellungnahme der ‚Arbeitsgemeinschaft Klimatagung’ in WPK-Mitteilungen 2003, 130 ff.). Es läßt sich nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, welche Anknüpfungspunkte maßgeblich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten – wie etwa bei der monatlich anzu-
meldenden Lohnsteuer – eine Gesamtbetrachtung des Tatbildes entscheidend sein soll; bei diesem Befund ist nicht ersichtlich, wie der Normadressat – der dem Gesetz unterworfene Steuerbürger – durch Auslegung Tragweite und Anwendungsbereich des Verbrechenstatbestandes ermitteln und konkretisieren soll (vgl. zu diesen Anforderungen an einen Straftatbestand: BVerfGE 105, 135, 152 ff. m.w.N.).“
Auch ist dem Gesetz eine Beschränkung – sei es auf bestimmt e Steuerarten , sei es auf bestimmte besonders gravierende Erscheinungsformen steuerstrafrechtlichen Handelns – nicht zu entnehmen, die es andernfalls erlauben könnten, über eine deliktsspezifische Auslegung unter Bedacht auf das vorgestellte Tatbild eine Eingrenzung des unbestimmten Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß“ zu versuchen (vgl. Gaede HRR-Strafrecht 9/2004, 318 f.; Harms aaO, S. 420). Die vom Senat im Beschluß vom 22. Juli 2004 (aaO) dargelegten Zweifel an der Bestimmtheit der Verbrechensnorm des § 370a AO gelten folglich auch im vorliegenden Fall der „Serviceunternehmen“.
Die vom Landgericht postulierte Grenze von 250.000 € i st ebenso willkürlich gegriffen, wie jeder andere Hinterziehungsbetrag (vgl. etwa MdB Poß gegenüber dem Handelsblatt vom 3. September 2004: ab 100.000 DM/50.000 €; sowie die Aufzählung möglicher Ansätze bei Rüping DStR 2004, 1780, 1781); insoweit verbleibt es bei der bereits geäußerten Auffassung des Senats, daß eine Norm, die es dem jeweiligen Rechtsanwender überläßt, die Grenze zum Verbrechenstatbestand nach eigenem wirtschaftlichen Vorverständnis und den von ihm herangezogenen rechtlichen Anknüpfungspunkten zu ziehen, dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügen kann.
Anders als bei dem ähnlich unscharfen Verbrechensmerkmal der „nicht geringen Menge“ in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (vgl. dazu Vogelberg in PStR 2004, 224) läßt sich eine Eingrenzung auch nicht durch wissenschaft-
lich nachprüfbare und allgemein anerkannte Kriterien erzielen wie es bei den medizinisch ermittelten Wirkstoffmengen im Betäubungsmittelrecht der Fall ist. Es bleibt vielmehr der jeweiligen wirtschaftlichen Betrachtung überlassen, wie die Grenze zum „großen Ausmaß“ bestimmt wird. Damit ist lediglich die Subsumierbarkeit unter den Wortlaut der Norm gegeben, aber nicht vorhersehbar , wie die Norm auszulegen ist (vgl. Gaede aaO, S. 319).
bb) Eine Vorlegung der Sache nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht möglich. § 80 Abs. 2 BVerfGG erfordert die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. Da das Landgericht die Beurteilung der Verbrechensnorm nach § 370a AO auf der Grundlage einer rechtsfehlerhaften Gesamtschau aller Taten jeweils eines Jahres getroffen hat, führt dieser einfachrechtliche Fehler bereits zur Aufhebung des Schuldspruchs nach § 370a AO. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.
cc) Der neue Tatrichter wird indes zu prüfen haben, ob er im Hinblick auf die aufgezeigten gravierenden Unsicherheiten bei Anwendung des § 370a AO zugunsten des Angeklagten vom Grundtatbestand des § 370 AO ausgeht oder eine Beschränkung nach § 154a StPO in Betracht zieht; sodann wird er zu erwägen haben, ob die Strafen dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zu entnehmen sind. Dieser läßt bei Tatbildern und Strukturen der vorliegenden Art im jeweiligen Einzelfall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu; er deckt sich folglich in der Obergrenze mit der problematischen Verbrechensnorm des § 370a AO und ermöglicht ein schuldangemessenes Strafen auch in derartigen Fällen von Wirtschaftskriminalität.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Jul i 2004 (aaO) darauf hingewiesen, daß trotz der im Wortlaut ähnlichen Voraussetzungen des besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung „aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß“) bei der Strafzumessungsregel nicht dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der wei-
ten Fassung der Regelmerkmale bestehen wie bei der Abgrenzung zwischen Vergehens- und Verbrechenstatbestand. Die in der öffentlichen Diskussion (vgl. Ondracek im Handelsblatt vom 3. September 2004) vorgebrachten Einwendungen , in zahlreichen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches sei das „große Ausmaß“ als Formulierung ebenfalls enthalten, verkennt diese Unterschiede. Es handelt sich insoweit ausschließlich um Merkmale der jeweiligen Strafzumessungstatbestände (vgl. § 263 Abs. 3 Nr. 2, § 264 Abs. 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Nr. 2, § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

d) Hinsichtlich der übrigen Hinterziehungstaten für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2002, die nach § 370 AO ausgeurteilt worden sind, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. Danach ist der Angeklagte B aufgrund der vom Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähigen Feststellungen der Steuerhinterziehung in 23 Fällen gemäß § 370 AO schuldig. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

e) Die Aufhebung der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und die Änderung der Schuldsprüche hinsichtl ich der übrigen Steuerdelikte führen zur Aufhebung der vom Landgericht insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
Allerdings wird der neue Tatrichter den Schuldumfang in den Fällen der Steuerhinterziehung nochmals zu überprüfen haben; die bisherige Berechnung der einzelnen Hinterziehungssummen im Urteil ist nicht nachvollziehbar dargestellt. Insoweit scheint das Landgericht bisher von einem um etwa 14 bis 16 % zu hohen Schadensumfang ausgegangen zu sein. Die Höhe der einzelnen Umsatzsteuerhinterziehungen ergibt sich aus der Summe der in den einzelnen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer des jeweiligen Besteuerungszeitraums.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Insbesondere unterliegt die Verurteilung des Angeklagten wegen (mittäterschaftlichen ) Betruges zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in sieben Fällen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Handlungen des Angeklagten – Falschmeldungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern – wesentliche Tatbeiträge zu den Betrugstaten der Kolonnenschieber darstellen. Es hat ferner nachvollziehbar dargelegt, daß der Angeklagte aufgrund seiner nicht nur unerheblichen Entlohnung aus den „ersparten“ Sozialabgaben, die Tat auch als eigene wollte, folglich mit Täterwillen handelte.
Im Ergebnis offenbleiben kann die Frage, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, die Gründung und das Betreiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse stelle sich jeweils als eine Tat dar, zutrifft. Der Angeklagte ist durch diese Bewertung des Landgerichts jedenfalls nicht beschwert. Der Schuldumfang bliebe auch bei einer anderen Beurteilung der Konkurrenzen unverändert. Es kann auch ausgeschlossen werden, daß das Landgericht bei abweichender konkurrenzrechtlicher Bewertung die Einzelstrafen nicht den (erhöhten) Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB entnommen hätte. Denn es hat maßgeblich auf die Verwirklichung der Regelbeispiele der gewerbs- und bandenmäßigen Begehung abgestellt. Nach der vom Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommenen Gesamtwürdigung hat es auch Umstände bedacht, die die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet hätten.
3. Die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Steuerdelikte führt gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Teilaufhebung und der Änderung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten Be und M , soweit sie davon betroffen sind. Beide Nichtrevidenten sind über ihre bisherigen Verteidiger, deren
Mandatspflicht insoweit fortwirkt (vgl. Laufhütte in KK 5. Aufl. § 138 Rdn. 14 und § 141 Rdn. 10; Basdorf in Festschrift für Lutz Meyer-Goßner 2001, S. 665, 678; entsprechend BGH, Beschluß vom 29. September 2004 – 5 StR 339/04) zur Anwendung des § 357 StPO angehört worden; sie haben einer Erstreckung ausdrücklich zugestimmt. In diesem Zusammenhang weist der Senat aus Anlaß eines entsprechenden vor der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf folgendes hin: In Fällen, in denen eine den Nichtrevidenten nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache möglicherweise belastende Entscheidung nach § 357 StPO in Betracht kommt, ist der Nichtrevident in Anwendung des § 33 StPO nach Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuvor anzuhören , damit er eine Erstreckungsentscheidung gegebenenfalls durch Widerspruch verhindern kann (vgl. Basdorf aaO; Wohlers/Gaede NStZ 2004, 9). Hierauf beschränkt sich indes das Anhörungsrecht; eine aktive Mitwirkungsbefugnis des Nichtrevidenten am Revisionsverfahren, auf das er für sich selbst gerade verzichtet hatte, erwächst hieraus nicht, so daß eine Pflichtverteidigerbestellung für den Nichtrevidenten, bezogen auf die Hauptverhandlung , ausscheidet.
Auch bei diesen beiden Angeklagten wird der neue Tatrichter über die etwaige Anwendung des § 370a AO neu zu befinden und Einzelstrafen entsprechend dem geänderten Schuldspruch zu bestimmen haben.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 364/08
vom
21. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
§ 357 StPO findet im Zusammenhang mit der Kompensation rechtsstaatswidriger
Verfahrensverzögerungen nach dem sog. Vollstreckungsmodell keine Anwendung.
BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 364/08 - Landgericht
Saarbrücken
1.
2.
zu 1.: wegen besonders schwerer sexueller Nötigung u.a.
zu 2.: wegen Freiheitsberaubung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 21. Oktober 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. März 2008 1. im Schuldspruch zur Klarstellung dahin geändert, dass der Angeklagte Y. der besonders schweren sexuellen Nötigung und der Freiheitsberaubung schuldig ist; 2. aufgehoben,
a) soweit bezüglich der Angeklagten Y. und E. eine Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht vorgenommen worden ist und
b) soweit bezüglich des Angeklagten Y. eine Entscheidung gemäß § 67 Abs. 2 StGB über die Vollstreckungsreihenfolge unterblieben ist. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:



1
Das Landgericht hat den Angeklagten Y. wegen "sexueller Nötigung, tatmehrheitlich begangen mit Freiheitsberaubung", unter Einbeziehung der Strafen aus zwei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Den Angeklagten E. hat es wegen Freiheitsberaubung unter Einbeziehung der Strafen aus drei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat es den Angeklagten E. freigesprochen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Das Landgericht hat bezüglich der vom Angeklagten Y. begangenen sexuellen Nötigung zu Recht die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB als verwirklicht angesehen. Dies ist in der Urteilsformel durch Verurteilung wegen besonders schwerer sexueller Nötigung kenntlich zu machen (vgl. BGH StraFo 2005, 516 m.N.). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.
4
2. Die Revisionen der Angeklagten Y. und E. führen zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht hinsichtlich der Beschwerdeführer davon abgesehen hat, die nach den bisherigen Feststellungen vorliegenden Verfahrensverzögerungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK nach den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 (BGHSt 52, 124 = NStZ 2008, 234) zu kompensieren.
5
a) Der zeitliche Abstand zwischen den Taten und dem Urteil des Landgerichts beträgt mehr als vier Jahre und sechs Monate. Der Angeklagte E. ist am 20. Juli 2005 verantwortlich vernommen worden, der Angeklagte Y. am 30. August 2005. Das Landgericht hat die Anklage vom 23. November 2005 mit Beschluss vom 6. April 2006 zugelassen und Termine für die Hauptverhandlung für die Zeit vom 8. November bis zum 12. November 2006 bestimmt. Am 10. November 2006 hat das Landgericht die Hauptverhandlung ausgesetzt und die psychiatrische Begutachtung des Angeklagten Y. , des früheren Mitangeklagten W. sowie des Geschädigten Q. angeordnet. Die am 12. Dezember 2007 auf den 13. Februar 2008 anberaumte Hauptverhandlung dauerte bis zum 14. März 2008. Das Landgericht hat hierzu unter anderem ausgeführt, die Anhängigkeit des Verfahrens bis zum Beginn der ersten Hauptverhandlung am 8. November 2006 sei auch unter Berücksichtigung der Überlastung der Kammer unangemessen lang gewesen. Die Dauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung sei auch unter Berücksichtigung der Einholung der psychiatrischen Sachverständigengutachten ebenfalls zu lang gewesen, zumal jedenfalls die Begutachtung der Angeklagten auch in der Zeit zwischen dem Eingang der Anklageschrift und dem ersten Hauptverhandlungstermin hätte durchgeführt werden können und Gerichte zudem gehalten seien, auf eine zügige Mitwirkung von Sachverständigen hinzuwirken. Das Landgericht hat zwar bei der Bemessung sowohl der Einzel- als auch der Gesamtstrafen die "lange Dauer des Verfahrens" strafmildernd berücksichtigt. Es hat aber eine über die "im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene mildernde Anrechnung" hinausgehende Kompensation der "bisherigen Verfahrensdauer" nach den Grundsätzen des Be- schlusses des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGHSt aaO) für nicht geboten erachtet. Dies ist hier rechtsfehlerhaft.
6
Nach der Aufgabe der bisher praktizierten Strafabschlagslösung zur Kompensation einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes ist nach dem nunmehr anzuwendenden Vollstreckungsmodell die Bemessung der unrechtsund schuldangemessenen Strafe von der als Entschädigung für die Verletzung des Beschleunigungsgebotes des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK vorzunehmenden Kompensation zu trennen (vgl. BGHSt aaO S. 146 f.). Danach dienen die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Verzögerung sowie zu ihren Ursachen zwar wie bisher (vgl. dazu BGH NStZ 1999, 181) zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Insofern hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu entscheiden , ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BGHSt 52, 124, 146). Wenn aber – wie hier – der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerungen festgestellt sind, ist neben der Berücksichtigung der vorgenannten Milderungsgründe bei der Strafzumessung und davon unabhängig eine Kompensation der Verletzung des Beschleunigungsgebotes des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK im Wege der Vollstreckungslösung vorzunehmen (vgl. BGHSt aaO; BGH, Urteil vom 7. August 2008 – 3 StR 201/08 Rdn. 9).
7
Soweit das Landgericht hinsichtlich der Beschwerdeführer von einer Kompensation der sie betreffenden Verletzung des Beschleunigungsgebotes abgesehen und zum konkreten Ausmaß der sie betreffenden Verfahrensverzögerungen keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat (vgl. dazu BGHSt aaO S. 146), bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es hier aber nicht, weil der neue Tatrichter zusätzliche Feststellungen zur Verfahrensverzögerung wird treffen können, ohne sich zu den bisherigen in Widerspruch zu setzen.
8
Er wird zunächst zu prüfen haben, ob vor dem Hintergrund der vorgenommenen Strafmilderung zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten (vgl. BGHSt 52, 124, 146). Reicht sie als Entschädigung nicht aus, so ist festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt (zu den Kriterien für die Bemessung vgl. BGHSt aaO S. 146).
9
b) Für eine Erstreckung der hinsichtlich der Beschwerdeführer insoweit gebotenen Aufhebung des Urteils auf den früheren Mitangeklagten W. , der keine Revision eingelegt hat, ist kein Raum. § 357 StPO findet keine Anwendung , weil die Aufhebung nicht wegen einer Gesetzesverletzung bei der Anwendung des Strafgesetzes erfolgt. Die Aufhebung erfolgt vielmehr, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft von der Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen nach dem so genannten Vollstreckungsmodell abgesehen hat, das sich inhaltlich an den nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1, Art. 13, Art. 34 MRK hierfür maßgeblichen Kriterien ausrichtet (vgl. BGHSt aaO S. 136 f.). Grundlage dieser von Fragen des Unrechts, der Schuldund Strafhöhe abgekoppelten Kompensation (vgl. BGHSt aaO S. 129 und 138; BGH, Urteil vom 7. August 2008 – 3 StR 201/08 Rdn. 9) ist ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK bzw. gegen das auch verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. Einl. Rdn. 19 m. N.), mithin die Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren im Sinne des § 344 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juni 2004 – 1 ARs 5/04; zur Abgrenzung zum materiellen Recht vgl. Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 8; Frisch in SK-StPO § 337 Rdn. 61, jew. m.w.N.). Die Verletzung solcher Normen ist aber keine Gesetzesverletzung im Sinne des § 357 StPO (vgl. Meyer-Goßner aaO § 357 Rdn. 11; Wohlers in SK-StPO § 357 Rdn. 22 m.N.).
10
Dass die Aufhebung hier auf die Sachrüge erfolgt und nicht auf eine, soweit es sich um Verzögerungen vor Urteilserlass handelt, grundsätzlich erforderliche Verfahrensrüge (vgl. BGHSt 49, 342, 343 f.; Meyer-Goßner aaO Art. 6 MRK Rdn. 9 e m.N.), führt nicht zur (analogen) Anwendung der nach allgemeiner Meinung (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 9; Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 357 Rdn. 23; Wohlers aaO Rdn. 52) als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden Vorschrift des § 357 StPO. Zwar hat das Revisionsgericht auf Grund der Sachrüge einzugreifen, wenn sich – wie hier – bereits aus den Urteilsgründen ergibt, dass eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt , oder wenn insoweit ein sachlich-rechtlicher Erörterungsmangel gegeben ist (vgl. BGHSt 49, 342). Der sachlich-rechtliche Mangel, der in einem solchen Fall zur Aufhebung führt, liegt nach der Aufgabe der früher praktizierten Strafabschlagslösung , bei der die Anwendung des § 357 StPO in Betracht gezogen worden ist (vgl. BGH NStZ 1996, 328; BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 376/03, insoweit in BGHSt 49, 342 nicht abgedruckt), aber nicht (auch) in einer Gesetzesverletzung bei der Anwendung des materiellen Strafrechts. Durch die Kompensation nach dem so genannten Vollstreckungsmodell, die allein der Wiedergutmachung des durch die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK entstandenen objektiven Verfahrensunrechts dient, auf die der Betroffene gemäß Art. 13 MRK Anspruch hat, wird vielmehr eine Art Staatshaftungsanspruch erfüllt, wie er in gleicher Weise einer Partei eines Zivilprozesses oder einem an einem Verwaltungsrechtsstreit beteiligten Bürger erwachsen kann (vgl. BGHSt 52, 124, 137 f.).
11
Eine analoge Anwendung des § 357 StPO kommt im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frage, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, nach den individuellen Umständen des Einzelfalles für jeden Angeklagten eigenständig zu beurteilen ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 1 StR 238/08 Rdn. 14).
12
3. Die Revision des Angeklagten Y. beanstandet ferner zu Recht, dass das Landgericht es unterlassen hat, gemäß § 67 StGB die Vollstreckungsreihenfolge festzulegen. Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB n.F. soll das Gericht mit der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitlichen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es insoweit nicht. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzugs ergänzende Feststellungen für die zu treffende Prognose zu treffen haben, mit welcher konkreten Verweildauer des Angeklagten im Maßregelvollzug zu rechnen ist.
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Mutzbauer